Projektwerkstatt Saasen

VOLK UND STAAT ALS HÖHERE INSTANZEN: DIE GOTTESÄHNLICHKEIT DES VOLKSBEGRIFFES

Demokratie, Staat, Volk und Göttlichkeit


1. Das Volk als Ganzes und göttliche Kraft
2. Demokratie, Staat, Volk und Göttlichkeit
3. Geschichte: Herrschen als göttliches Wollen
4. Demokratie als Religion
5. Eine Moral für die Demokratie!
6. Weitere Links zu Demokratie und Rechtsstaat

Aus "Ohne Demokratie keine Ökologie", in: "ÖkologiePolitik", Journal der ÖDP, Nov. 2004 (S. 11)*
Wilhelm von Humboldt sah "in der Welt zwei wohltätige Potenzen: Gott und das Volk". Diese Sichtweise rechtfertigt Vertrauen in das Volk. ... Direkte Demokratie befreit und befriedet.

Der Gott "Staat": Leviathan
Aus Thomas Hobbes: Leviathan, zitiert in: Massing, Peter/Breit, Gotthard (2002): „Demokratie-Theorien“, Wochenschau Verlag Schwalbach, Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn (S. 94 f., mehr Auszüge hier ...)
Ich autorisiere diesen Menschen oder diese Versammlung von Menschen und übertrage ihnen mein Recht, mich zu regieren, unter der Bedingung, daß du ihnen ebenso dein Recht überträgst und alle ihre Handlungen autorisierst. Ist dies geschehen, so nennt man diese zu einer Person vereinte Menge Staat, auf lateinisch civitas. Dies ist die Erzeugung jenes großen Leviathan oder besser, um es ehrerbietiger auszudrücken, jenes sterblichen Gottes, dem wir unter dem unsterblichen Gott unseren Frieden und Schutz verdanken. Denn durch diese ihm von jedem einzelnen im Staate verliehene Autorität steht ihm so viel Macht und Stärke zur Verfügung, die auf ihn übertragen worden sind, daß er durch den dadurch erzeugten Schrecken in die Lage versetzt wird, den Willen aller auf den innerstaatlichen Frieden und auf gegenseitige Hilfe gegen auswärtige Feinde hinzulenken.

Aus dem Vorwort in Hardt, Michael/Negri, Antonio (2004): „Multitude“, Campus Verlag in Frankfurt (S. 13, zur Klasse der Bürger am Beginn der Moderne, mehr Auszüge ...)
Die neue Klasse war jedoch nicht in der Lage, aus sich heraus die gesellschaftliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Sie benötigte eine politische Macht über sich, eine absolute Gewalt, einen Gott auf Erden. Hobbes' Leviathan beschrieb die Souveränität, die sich in der Folgezeit in Europa in Form des Nationalstaats entwickeln sollte. Heute, im Anbruch der Postmoderne, haben wir in Empire versucht, die neue globale Form souveräner Macht zu umreißen.

Gemeinsamkeitsglauben
Aus Fritz Scharpf, Regieren in Europa, zitiert in: Massing, Peter/Breit, Gotthard (2002): „Demokratie-Theorien“, Wochenschau Verlag Schwalbach, Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn (S. 270 f.)
Meine Pflicht, so Claus Offe (1998), zur Akzeptanz der Opfer, die mir im Namen der Allgemeinheit auferlegt werden, setzt mein Vertrauen auf den guten Willen meiner Mitbürger voraus. Soziopsychische Grundlage dieses Vertrauens ist ein "Gemeinsamkeitsglauben“ (Max Weber), der sich auf präexistente geschichtliche, sprachliche, kulturelle und ethnische Gemeinsamkeiten gründet. Kann diese starke kollektive Identität vorausgesetzt werden, so verliert die Mehrheitsherrschaft in der Tat ihren bedrohlichen Charakter und kann dann auch Maßnahmen der interpersonellen und interregionalen Umverteilung legitimieren, die anderenfalls nicht akzeptabel sind.
Innerhalb etablierter Nationalstaaten, in denen die sozio-kulturellen Vorbedingungen kollektiver Identität mehr oder minder gesichert sind, mögen diese Erwägungen eher akademisch erscheinen.


Vermischung des Glaubens an Gott und Volk
Aus der Präambel des Grundgesetzes
Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.

Aus "Hegels Geistwelten" in: Grabner-Haider, Anton/Weinke, Kurt, 2006, "Denklinien der Weltkulturen" Lit-Verlag in Wien (S. 118 f.)*
Auch das Recht und die Moral seien ein Ausdruck der absoluten Idee und im Staat zeige sich der ewige Geist. Damit werden der Staat und das Recht metaphysisch abgesichert. Das Vernünftige gilt als wirklich, und das Wirkliche muss vernünftig sein. In jeder Staatsverfassung äußere sich der Geist eines Volkes als Teil des einen Weltgeistes. Der Wille des einzelnen Staatsbürgers muss sich dem Allgemeinwillen des Staates unterwerfen, dem Recht kommt etwas Heiliges zu. Folglich kann es keine Relativität der Gesetze geben. ...
Doch warum entwickeln Menschen religiöse und metaphysische Bildwelten? Vielleicht deswegen, weil wir kleine Menschen in etwas Größerem Geborgenheit suchen?


Linke und Rechte zehren von Hegel-Ideen ... bei gleichem Glauben an die höhere Moral, die autoritären Werte
Aus diesen theologischen Überhöhungen der Geschichte konnten beliebige Ideologien entwickelt werden, die weit in das 20. Jh. reichten. Die Linkshegelianer wollten die politische Veränderung im Staat, gemäß ewigen Gesetzen; die Rechtshegelianer wollten das Gewachsene als Offenbarung des Ewigen bewahren.

Gott, Vater und Vaterland

Aus Mühsam, Erich (1933): "Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat", Nachdruck bei Syndikat A und im Internet
Die jüdische Religion, die den einzigen, allmächtigen, allgerechten, allgegenwärtigen Gott mit dem finster drohenden Verlangen über die Menschen setzt, in unaufhörlichem Gebet angefleht, bewundert, der hingegebenen Verehrung versichert und für alles, selbst für jede Qual und Demütigung bedankt zu werden, schuf den westlichen Völkern die Voraussetzung zur Hinnahme der Vaterschaftsfamilie mit der gottähnlichen Stellung des über die Seinen herrschenden Oberhauptes. Diese autoritären Vorbilder haben auch dem Staat mit seiner nationalistischen Ideologie die Bereitwilligkeit der Menschen zur Untertanschaft unter eine zentralistisch schaltende Macht zum Verzicht auf Selbstverantwortung, Selbstbestimmung und Gleichberechtigung in den Dingen des gesellschaftlichen Zusammenlebens erschlossen. Gottvater, Vater, Vaterland - die Einwirkung auf die Gefügigkeit der Menschen geschieht überall auf die gleiche Weise.

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