Projektwerkstatt Saasen

SS-TREFFEN IN BAD HERSFELD

Scherbenhaufen für die Stadt


1. Scherbenhaufen für die Stadt
2. Wie alles begann
3. Das Ansehen Hersfelds droht Schaden zu erleiden
4. Eine fassungslose Unbegreiflichkeit
5. Klausmann will die Festspiele torpedieren
6. Geben Sie Gedankenfreiheit
7. Ende gut, alles gut?
8. Widerstand gegen den 'braunen Sud' - Interview mit dem Ex-DGB Kreisvorsitzenden Julius Klausmann

?Warum ist das Gedankengut des Faschismus noch immer in unseren Köpfen? Diese Frage, so einfach sie zu stellen ist, so komplex wird wohl die Antwort darauf sein müssen. Da wird von Bewältigung der Vergangenheit geredet. Aber was fangen wir heute damit an? Schweigen wir? Ziehen wir Konsequenzen? Vergangenes läßt sich erklären, über Vergangenes kann man reden, Vergangenes läßt sich aufarbeiten. Das Wesentliche aus meiner Sicht ist aber: Vergangenheit sollte uns so nachhaltig beschäftigen, daß wir aus ihr Konsequenzen ziehen müssen, für unser gegenwärtiges und zukünftiges Tun und Tätigsein.

Anfang der 80er Jahre erfuhren wir in Bad Hersfeld, daß sich bei uns zwei ehemalige SS-Divisionen treffen werden. Unsere Stadt bot die Bühne für die Verbreitung faschistischen Gedankenguts. Für uns galt es zu verhindern, daß unsere Stadt diesen Bärendienst leistet. Es war schwer, dafür Verbündete zu finden. Niemand aus dem öffentlichen Leben war als Mitstreiter zu gewinnen. Nur eine Handvoll Leute waren dazu bereit. So kamen 1981 zur ersten Demonstration gegen das ?SS-Treffen" immerhin rund 500 Menschen. Aber noch lange nicht hatten alle Menschen unserer Region begriffen, daß diese Demonstration Teil der notwendigen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus war.

Den Höhepunkt im Kampf gegen den Faschismus erreichten wir mit unserer Demonstration 1983. Solidaritätsbekundungen aus dem In- und Ausland stärkten uns. Das Interesse der Medien war riesengroß, und sie wurden zu einem Sprachrohr für die Unglaublichkeit, die sich in diesen Tagen in unserer Stadt abspielte. Hier trafen sich Verfolgte und Verfolger. Noch heute gibt es in Bad Hersfeld Menschen mit eintätowierten KZ-Nummern am Arm. Zu diesen Verfolgten zählten auch der Festspielregisseur Imo Moszkowicz.

Was haben wir bewirkt? Wir haben ein bißchen das Bewußtsein der Bevölkerung verändert. Wir haben die öffentliche und parlamentarische Diskussion über die Vergangenheit angestoßen. Wir haben auch die Wiedergutmachungsfrage beschleunigt. Wir haben die Aufarbeitung der faschistischen Vergangenheit vielleicht überhaupt ins Gespräch gebracht. Auch das Kulturleben der Festspielstadt blieb nicht unberührt. Das Staatstheater Kassel gastierte mit ?Furcht und Elend des Dritten Reichs" von Brecht in unserer Stadthalle. Das Festspielensemble organisierte mit uns eine antifaschistische Matinee am selben Ort. In einer Resolution rügte das Ensemble schließlich den damaligen Intendanten Kübel.

Was ist geblieben? Welche Fragen können heute mit den Erfahrungen dieser jüngsten Vergangenheit und den Ergebnissen beantwortet werden? Welche Chancen haben Hersfelder Sinti? Wie werden Minderheitsprobleme überhaupt gelöst? Wie verhalten wir uns gegenüber Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylsuchenden? Wir können zu Recht stolz auf unser Grundgesetz sein, das auf den Erfahrungen des Dritten Reiches entstanden ist. Viele Menschen mußten aus dem Deutschland dieser Zeit ins Exil gehen. Aus dieser bitteren Erfahrung zogen die Väter und Mütter des Grundgesetzes mit dem deutschen Asylrecht die Konsequenzen. Doch wie geht unser Bundesinnenminister heute mit der Asylfrage (?Altfallregelung") um? Warum wird Menschen das Bleiberecht verweigert? Warum werden Menschen abgeschoben? Können oder dürfen wir tatenlos zusehen, wenn Menschen bei Gefahr für Leib und Seele nach mehren Jahren Aufenthalt bei uns abgeschoben werden, wie zum Beispiel Kurden?"

So bewertet Adolf Corell (Jahrgang 1940), der seit vielen Jahren aktiver Antifaschist ist und einer der Mitorganisatoren der Proteste gegen die SS-Treffen war, im Regionalmagazin Projektor 1 rückblickend seine Eindrücke der Treffen von Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS.

Nach wie vor gibt es in Deutschland sogenannte ?Traditions- und Militärvereine", in denen sich ehemalige Soldaten treffen, um unter anderem ?Kameradschaft zu pflegen".2 In diesen Verbänden werden ?die Kriegsschuld Deutschlands, die Kriegsverbrechen und der Völkermord oft geleugnet oder zumindest weitestgehend verharmlost. Das geschieht zum Beispiel, indem die Waffen-SS zum 'vierten Wehrmachtsteil' deklariert wird und behauptet wird, daß die Waffen-SS wie auch die Wehrmacht nicht an Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen beteiligt gewesen sei." 3 Doch die Verbrechen des Dritten Reichs lassen sich kaum auf Adolf Hitler und Joseph Goebbels reduzieren. Ein weiterer Aspekt ist, daß die alten ?Kameradschaftsverbände" junge neonazistische Verbände und Organisationen finanziell und ideell unterstützen und damit neues und nicht selten kriminelles rechtes Gedankengut fördern.4

Ein Beispiel für einen solchen militärischen Traditionsverband ist der ?Bundesverband der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS e.V. - Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit" (HIAG). Bis vor etwa 15 Jahren fanden die Jahrestreffen der HIAG in Bad Hersfeld und Oberaula statt. Hier versammelten sich frühere Angehörige des 1. Panzerkorps, das die Elitedivision ?Leibstandarte Adolf Hitler" (1. Division) sowie die 12. Division ?Hitlerjugend" umfaßte.

Nachdem dieTreffen in den Jahren 1979 und 1980 von der Öffentlichkeit so gut wie unbemerkt stattfanden, sorgten sie in den Jahren 1981 bis 1983 für stürmische Proteste und kräftigen Wirbel, die die sonst so beschauliche Festspielstadt Bad Hersfeld in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit rückten und vom damaligen und heutigen Bürgermeister, Hartmut Boehmer (damals CDU, heute parteilos), als ?Scherbenhaufen für die Stadt"5 angesehen werden.

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Kommentare

Bernard am 01.04.2022 - 05:33 Uhr
Heute noch finden SS-Kameradschaftstreffen in den baltischen Staaten, in Polen und in der Ukraine statt, international bejubelt... :-(

Herr am 21.07.2018 - 10:41 Uhr
:-) Nazis raus!:-o


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