DER GROSSE PROZESS GEGEN PROJEKTWERKSTÄTTLER ... ZWEITE INSTANZ
7.4.2005: Berichte vom 5. Verha...ha..ndlungstag
1. Startschuss für die Berufung (2. Versuch)
2. Gerichte ...
3. Auf dem Weg zum Prozess
4. 10.3.2005: Rund um den ersten Prozesstag
5. Bericht vom 2. Fair..handlungstag: Mo., 21.03.05
6. 24.3.2005: Der dritte Prozesstag
7. 4.4.2005: Rund um den 4. Prozesstag
8. 7.4.2005: Berichte vom 5. Verha...ha..ndlungstag
9. 11.4.2005: Berichte vom 6. Verhandlungstag
10. 14.4.2005: Berichte vom 7. Verhörungstag
11. 18.4.2005: Rund um den achten Prozesstag
12. Berichte vom 9. Verhandlungstag: Mo., 21.04.05
13. 25.4.2005: Der zehnte Verhandlungstag
14. 29.4.2005: Berichte vom 11. Verhandlungstag
15. 3.5.2005: Zwölfter Tag und das Urteil: Wieder politische Justiz!
16. Spass am Rande: Rechnungen und mehr
17. Rückblick auf den Prozesszeitraum
18. Politische Prozesse der Folgezeit in Mittelhessen
19. Weitere Ermittlungsverfahren und Anklagen
20. Sonderseite zur neuen Polizeidokumentation!!!
21. Links zu verschiedenen Seiten zum Thema
9 Uhr, Landgericht Gießen (Ostanlage), Raum E 15 (EG)
Text aus dem Giessener Anzeiger vom 08.04.2005:
GIESSEN (hh). Zunächst waren es "zwei verschiedene Meinungen, die sich gegenüberstanden." Mitten im Seltersweg. Die Anhänger der einen hatten ein Zelt mitgebracht und darunter einen Stand aufgebaut, an dem sie reichlich Material zum anstehenden Wahlkampf verteilten. Und die Anhänger der anderen hatten sich mit Transparenten, Flugblättern und Megaphon ausgerüstet, um "spontan" bei den "Drei Schwätzern" zu demonstrieren. In unmittelbarer Nähe des Wahlkampfstandes der anderen. Genau dort kam es wenig später zu einem ausgewachsenen Tumult. Über dessen Verlauf aber stehen sich zwei ganz unterschiedliche Darstellungen gegenüber, mit denen sich das Landgericht beschäftigen muss. Das aber ist keinesfalls das erste Mal, dass sich Justitia intensiv mit dem Aufeinandertreffen von Polizei und CDU auf der einen und dem so genannten Umfeld der Saasener Projektwerkstatt auf der anderen Seite auseinandersetzt. Dabei soll nämlich ein Polizeibeamter von dem bekennenden "Berufsrevolutionär" Jörg Bergstedt - als der zu einem Einsatzwagen getragen wurde - mit dem "beschuhten Fuß" ins Gesicht getreten worden sein. Allein deshalb war gegen den 40-Jährigen vom Amtsgericht eine sechsmonatige Freiheitsstrafe verhängt worden. Insgesamt werden Bergstedt zwei Fälle des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, vorsätzliche und gefährliche Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Beleidigung sowie Sachbeschädigung in acht Fällen vorgeworfen. Dafür war er im Dezember 2003 zu einer Haftstrafe von neun Monaten verurteilt worden. Gegen diese Entscheidung hatte er ebenso Berufung eingelegt wie sein 23-jähriger Mitangeklagter, gegen den wegen Sachbeschädigung in neun Fällen und Hausfriedensbruch eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu 10 Euro verhängt worden war.
Ausschlaggebend für das Amtsgericht war - so lässt sich im Urteil nachlesen - die Glaubwürdigkeit des Polizeibeamten. Denn: Seine Aussage im Prozess habe "in allen wesentlichen Details mit den Angaben übereingestimmt, die er in seiner Anzeige niedergelegt hatte". Allerdings verwies Bergstedt am fünften Verhandlungstag auf Widersprüche in den beiden früheren Darstellungen. Im Urteil etwa ist festgehalten, dass der Polizist Bergstedt mit einem namentlich genannten Kollegen zu dem Wagen bringen wollte. In der schriftlichen Anzeige - aus der Bergstedt zitierte - finde sich jedoch der Name eines anderen Kollegen. Und einmal heißt es Bergstedt habe einen Fuß aus der Umklammerung lösen können, ein anderes Mal, er habe mit beiden Füßen zugetreten. Doch offenbar waren es keineswegs nur zwei Polizisten, die den 40-Jährigen wegtragen wollten. Auf einem Foto, das den Einsatz zeigt, sind nämlich vier Polizisten zu sehen, die sich seiner intensiv annehmen. "An allen vier Gliedmaßen hatte ich einen Polizisten", schilderte der Angeklagte. Zunächst hätten die Beamten versucht, ihm das Megaphon wegzunehmen, mit dem er sich am 11. Januar 2003 lautstark zu verschiedenen Polizeiaktionen gegen ihn und das "Umfeld der Projektwerkstatt" an jenem Wochenende äußerte. Davon habe sich Hessens Innenminister Volker Bouffier, der am Stand der CDU Wahlkampf betrieb, gestört gefühlt. "Deshalb sollte die Demonstration beendet werden."
Als es den vier Beamten aber nicht gelungen sei, das Megaphon zu ergreifen, sei er "horizontal" zum Einsatzwagen getragen worden. Wobei der Corso unterwegs mehrfach "gestrauchelt" und gestürzt sei. Womöglich habe sich der Beamte dabei verletzt. Wenngleich "ich an keiner Stelle eine Reaktion gesehen habe, dass er sich irgendwie stärker verletzt habe". Einen konkreten Angriff gegen einen Polizisten halte er ohnehin politisch "für eine falsche Aktion". Am Montag nun werden der Beamte und seine Kollegen dazu gehört.
Unterdessen hat Bergstedt einen Befangenheitsantrag gegen eine Schöffin der Dritten Strafkammer gestellt. Die ist nämlich Abgeordnete der SPD im Kreistag. Und die Anklagepunkte zu Sachbeschädigung betreffen auch Wahlplakate der SPD, die deshalb wiederum Anzeige erstattet hatte. "Die Schöffin ist daher selbst zum Betroffenenkreis zu zählen."
Contraste, Mai 2005
Gerhard Puff wird häufiger ohne besonderen Grund gewalttätig, droht usw.
Beweismittel
Der Widerstand ist von Herrn Puff erfunden worden, die Verletzung bestand nicht oder wurde durch eine Tätlichkeit von Puff selbst verursacht. Das entsprechende Attest ist zu spät eingeholt und bescheinigt eindeutig eine andere Verletzung als die von Herrn Puff angegebene. Passend zum Attest ist dagegen die Version, dass Puff dem Angeklagten Bergstedt ins Gesicht schlug mit der seitlichen Faust, d.h. genau dem Bereich, in dem Puff sich später die Verletzung bescheinigen ließ. Die Erfindungen von Herrn Puff dienen der politischen Verdächtigung und juristischen Verfolgung des Angeklagten.
Beweismittel
Hilfsweise beantrage ich die Klärung folgender Vorgänge und direkter Beteiligung von Herrn Puff:
Beschluss des Gerichtes: Abgelehnt (aber mit interessanter Begründung!).
Die zum Beweis der Tatsachen, dass EKHK Puff erfunden habe, bei der dem Angeklagten vorgeworfenen Widerstandshandlung bei der Festnahme in Grünberg auch eine Verletzung am Daumen davon getragen zu haben, und dass er häufiger ohne besonderen Grund gewalttätig werde, gestellten Anträge (Anlage 5 und 6 zum Protokoll vom 7.4.2005) werden zurückgewiesen. Die Beweiserhebung ist für die Entscheidung ohne Bedeutung, wie sich aus den Gründen zu Ziffer 2) ergibt.
Vereidigung von Puff abgelehnt
Nach der Vernehmung des Zeugen Puff wurde dessen Vereidigung beantragt. Das Gericht lehnte die Vereidigung mit folgender Begründung ab:
Zeuge Koch hat erst vor Kurzem in einem Prozess vor dem Amtsgericht eine belastende Aussage gegen eine Person aus dem sog. Umfeld der Projektwerkstatt gemacht und auch über mich gemacht. Dabei hat er nachweislich gelogen. Seine Aussage ist eine Falschaussage vor Gericht. Wichtig für diesen Prozess ist erstens die Tatsache, dass er eine Falschaussage gemacht hat und damit unglaubwürdig ist als Zeuge, zweitens, dass er gezielt eine Person aus dem Umfeld der Projektwerkstatt belastet hat und drittens, dass er auch mich erwähnte und mit seiner Schilderung wahrheitswidrig eine Rädelsführerschaft von mir konstruieren wollte. Das zeigt sein persönliches Interesse an der Kriminalisierung dieses Personenkreises und auch von mir, was zusätzlich deckungsgleich mit dem Verhalten weiterer Polizeibeamter in diesem Prozess ist, wie schon gezeigt wurde. Folglich ist die Falschaussage von Herrn Koch in diesem Verfahren zu überprüfen, da die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen, aber auch wegen der genannten Systematik von Falschaussagen auch der anderen ZeugInnen geklärt werden muss.
Begründung
Im Prozess gegen eine Person wegen eines Kreidespruches „Fuck the police“ ist es vor dem Amtsgericht Gießen zu einer Verurteilung wegen Beleidigung gekommen. Zeuge Koch hat dort als damaliger Einsatzleiter der Polizei bei einer angemeldeten Demonstration ausgesagt. Er schilderte vor Gericht, dass alle Demonstrationsteilnehmer nach einer Rede von mir sofort und gleichzeitig angefangen hätten, die Straße mit Kreidesprüchen vollzumalen. Damit wurde eine gemeinschaftliche Tat konstruiert. Kochs Aussage ist u.a. im damaligen Urteil vermerkt. Richterin Kaufmann schrieb im Urteil:
„Der Zeuge PHK Koch schilderte glaubhaft und nachvollziehbar den Ablauf der Abschlusskundgebung. Nachdem der amtsbekannte Jörg Bergstedt eine kurze Rede gehalten habe, hätten sämtliche Demonstrationsteilnehmer begonnen, Sprüche auf den Asphalt zu schreiben ... Nachdem der amtsbekannte Jörg Bergstedt, Teilnehmer der Demonstration, im Rahmen der Abschlusskundgebung eine Rede gehalten hatte, brachten nahezu alle Demonstrationsteilnehmer auf dem Asphalt vor dem haupteingang der Hessenischen Bereitschaftspolizeiabteilung mit Kreide unter anderem folgende Sprüche auf: ...“ (Urteil dokumentiert in „2. Dokumentation zu Polizei, Justiz, Politik und Presse in und um Gießen 2005“, bereits überreicht).
Das Gerichtsprotokoll gibt ebenso wieder, dass der Herr Koch den Ablauf so beschrieb, wie mir mitgeteilt wurde. Die Mitteilung von Herrn Koch war urteilsentscheidend in der ersten Instanz. Herr Koch machte seine Schilderung auf Befragen der Richterin, die aus dieser Falschdarstellung eine gemeinschaftliche Tat konstruierte. Die Falschaussage diente damit nicht nur dem Ziel der Kriminalisierung, sondern hatte darin sogar Erfolg. Die Verurteilte hat meines Wissens inzwischen Anzeige wegen Falschaussage vor Gericht gegen Herrn Koch eingereicht.
Das im Berufungsverfahren gezeigte Polizeivideo bewies aber, dass die Schilderung von Koch nicht stimmte – und zwar gar nicht. Nach der Rede geschah zunächst gar nichts. Dann wurde ein Theaterstück aufgeführt (ist auf dem Video kaum zu sehen, aber zu hören). Erst daran anschließend begannen erst Einzelne, dann mehr Personen mit den Kreidemalereien. Keine Person hatte dabei irgendeine auffordernde oder koordinierende Funktion.
Beweismittel:
Beschluss des Gerichtes: Abgelehnt.
Die Beweiserhebung zu der Behauptung, PHK Koch habe in einem Strafverfahren gegen eine Person aus dem sog. Umfeld der Projektwerkstatt gelogen (Anlage 4 zum Protokoll vom 7.4.2005) wird abgelehnt, da sie für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung ist (§ 244, Abs. 3, S. 2, 2. Alt. StPO). Selbst wenn der Zeuge Koch in einem anderen, gegen andere Angeklagte aus dem Umfeld der Projektwerkstatt gerichteten Verfahren die Unwahrheit sagte, in dem er von einer gleichzeitigen, vom Angeklagten Bergstedt initiierten Aktion, nämlich Kreidemalereien vor dem Haupteingang der Hess. Bereitschaftspolizei berichtete, ergibt sich daraus allein noch kein Anhaltspunkt, dass er auch vorliegend falsch ausgesagt hätte.
Beweismittel:
Begründung:
Nach Würdigung der tatsächlichen Vorgänge der Tage vom 9.-13.1.2003 und der bekannten Vorgänge im Vorfeld ist davon auszugehen, dass die Polizei, insbesondere der Staatsschutz Gießen, in den Tagen vom 9.-13.1.2003 mit aller Macht eine Ausschaltung unerwünschter Personen und der Projektwerkstatt als Einrichtung versuchte. Dabei wurde mehrfach und vorsätzlich Recht gebrochen, um den gewünschten Erfolg zu erzielen. Im Einzelnen sind u.a. anzuführen:
Den Verdacht vorsätzlicher Manipulation erhärtet die Tatsache, dass mehrere weitere Lügen und Erfindungen insbesondere durch Staatsschutzchef Puff in die Berichte eingebaut wurden. Dazu gehört die Behauptung, die Angeklagten seien am 9.1.2003 tagsüber nicht in der Projektwerkstatt gewesen (Vermerk von Puff, alte Aktenlage, Blatt 2), sowie die Schilderung, die Angeklagten seien in der Nacht vom 12.12.2002 bei „aktuellen Tatvorbereitungen“ für Sprühereien erwischt worden (Blatt 5). Sie vervollständigen das Bild, nachdem die Polizei Gießen, insbesondere der Staatsschutz und dort insbesondere dessen Ex-Chef Puff in vielen Fällen Straftaten erfunden und Beweise bzw. Akten gefälscht oder verändert haben.
Im Einzelnen beantrage ich wegen der Gefahr der weiteren Verfälschung von Unterlagen und der Vernichtung oder Erfindung von Beweismitteln:
Sollte sich herausstellen, dass weitere Personen insbesondere aus der Führung der Polizei Mittelhessen in die Vorgänge einbezogen waren, beantrage ich deren Ladung als ZeugInnen.
Der Antrag ist wie die vorherigen erheblich, weil im laufenden Prozess vor allem Zeugen als Belastungszeugen auftreten, die dem Polizeipräsidium Gießen und insbesondere dem dortigen Staatsschutz angehören. Wenn deren Führung in beweisbaren Fällen öffentlich Straftaten und Beweismittel erfindet oder fälscht, kann dieses auch für die hier verhandelten Anklagepunkte nicht ausgeschlossen werden – zumal in einem konkreten Fall des Ex-Staatsschutzchefs Puff die Falschdarstellung in mehreren Fällen bereits als geklärt anzusehen ist, wie beschrieben wurde. Zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit weiterer diesem Polizeipräsidium entstammenden Zeugen muss zudem geklärt werden, ob bzw. wer aus welchem Grund diese Lügen und Fälschungen verantwortet, unterstützt oder toleriert hat.
Beschluss des Gerichtes: Abgelehnt (aber mit interessanter Begründung!).
Mit gleicher Begründung wird auch der Beweisantrag zurückgeweisen, der mit "zur Hausdurchsuchung und andere Geschehnisse 9.-13.1.2003" überschreiben ist (Anlage 7 zum Protokoll vom 7.4.2005).
Begründung
Ursula Schmidt ist Abgeordnete der SPD-Fraktion im Kreistag Gießen. Zwischen einer Kreistagsfraktion und der jeweiligen Partei auf gleicher Ebene (hier: Landkreis Gießen, bei der konkreten Partei SPD als Unterbezirk organisiert) bestehen nicht nur organisatorische und personelle erhebliche Überschneidungen, sondern die Parteiebene ist die entsendende Stelle für die Fraktion, d.h. hier werden die KandidatInnen bestimmt. Die Verbindung ist als sehr eng zu betrachten.
Im bisherigen Verlauf des Verfahrens sind auch politische Aktionen zum Schaden der SPD behandelt worden. Zunächst betrafen die ersten Anklagepunkt auch Wahlplakate der SPD. Anzeigeerstatter ist ausweislich Blatt 4 des Bandes 1 der Akte der SPD-Ortsverband Reiskirchen. Dieser ist unübersehbar, allerdings nur indirekt mit dem Unterbezirk Gießen der SPD verknüpft, in dem er dessen Teil ist. Mit der Verhandlung vom 4. April (vierter Prozesstag) sind aber auch die Veränderungen an Wahlplakaten am 3.1.2003 im Stadt- und Kreisgebiet Gießen in diese Verhandlung eingeführt worden im Zusammenhang mit den in diesem Prozess zentralen Vorwürfen von Widerstand und Körperverletzung am 9. und 11.1.2003. Bei diesen Veränderungen ist der SPD-Unterbezirk ausweislich des Blatt 3 ff. im Band II, Abt. 3 selbst Strafanzeigeerstatter, d.h. genau die SPD-Gliederung, über die Frau Schmidt parlamentarisch vertreten ist und zu der daher eine intensive direkte Beziehung als gegeben anzunehmen ist. Die Schöffin Ursula Schmidt ist daher selbst zum Betroffenenkreis zu zählen und es besteht eine erhebliche Gefahr einer daraus entspringenden Voreingenommenheit, sprich Befangenheit.
Daher stelle ich diesen Antrag.
Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich keinerlei persönliche Kritik an Frau Schmidt äußern möchte. Da ich sie nicht kenne und sie im Verfahren bislang nicht individuell in Erscheinung trat, habe ich keinen Grund, irgendeine persönliche Kritik zu äußern. Das gilt genauso auch für ihren Schöffenkollegen, auch wenn ich die Konstellation, dass zwei eindeutig als parteipolitisch Aktive erkennbare Personen in einem Prozess ein Urteil fällen sollen, in dem es um Aktionen und Positionen geht, die explizit parlamentarismus- und parteikritisch sind. Hier bestehen daher bei beiden SchöffInnen von Beginn an erhebliche Bedenken einer Unbefangenheit. Ausschlaggebend für den jetzigen Befangenheitsantrag konkret gegenüber Frau Schmidt ist die aus der neuen Akteneinsicht bekanntgewordene direkte Verbindung zum Prozessgeschehen in Form der intensive Behandlung der Aktionen am 3.1.2003 in Gießen, wo der SPD-Unterbezirk Gießen die strafanzeigestellende Instanz ist und die Schöffin Schmidt für genau diese Partei und auf dieser Ebene (Landkreis Gießen) parlamentarisch tätig ist.
Beschluss des Gerichtes 7.4.2005: Erstmal zurückgestellt (d.h. es wurde einfach weitergemacht).
Am 11.4.2003 übergab die betroffene Schöffin eine Erklärung. In der gab sie bekannt, seit dem 4.2.2004 sogar dem SPD-Unterbezirksvorstand anzugehören. Dennoch sah sie keine Beeinträchtigung ihrer Neutralität.
Stellungnahme des Angeklagten zur Erklärung der Schöffin Ursula Schmidt
Mit ihrer Erklärung hat die Schöffin eingeräumt, nicht nur als vom Unterbezirksverband der SPD aufgestellte Abgeordnete im Kreistag des Landkreises Gießen zu wirken, sondern seit dem 4.2.2004 sogar selbst im Vorstand dieser Gliederung zu sitzen. Damit muss der Befangenheitsantrag sogar noch deutlicher ausfallen, weil nun klargestellt ist, dass die Schöffin sogar im zentralen Gremium der Organisation steht, die für einen im Prozess zwar nicht angeklagten, aber doch in mehrfacher Hinsicht und bei inzwischen mehreren Anklagepunkten relevanten Vorgang die Strafanzeige gestellt hat.
Die weiteren Ausführungen der Schöffin entkräften die Gefahr einer Befangenheit nicht. Nicht der Nachweis der Befangenheit ist für die Ablehnung einer/s RichterIn von Belang, sondern der Nachweis einer Gefahr der Befangenheit, nach der Formulierung der StPO reicht bereits das „Misstrauen gegen die Unparteilichkeit“ (§ 24, 2).
Die Schöffin nimmt zu den im Befangenheitsantrag aufgestellten Bezügen der Strafanzeige des SPD-Unterbezirks Gießen zu prozessrelevanten Themen keine Stellung, so dass unterstrichen wird, dass diese unangefochten bleiben.
gez. ..., sog. Angeklagter
Beschluss des Gerichts am 14.4.2005: Antrag abgelehnt
3 Ns 501 Js 19696/02
Beschluss: Das Ablehnungsgesuch gegen die Schöffin Ursula Schmidt vom 7. 4. 2005 wird zurückgewiesen.
Gründe: Das Ablehnungsgesuch ist nicht zulässig. Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Ablehnung eines Richters sind, die Rechtzeitigkeit der Anbringung des Ablehnungsgesuchs sowie die Glaubhaftmachung der die Ablehnung begründenden Tatsachen und des Vorliegens der Voraussetzungen rechtzeitigen Vorbringens, §§ 26 Abs. 2 StPO. Rechtzeitig ist das Ablehnungsgesuch nach Beginn des Vortrags des Berichterstatters (hier Verlesung des Urteils 1. Instanz) nur, wenn die Umstände, auf welche die Ablehnung gestützt wird, erst später eingetreten oder dem zur Ablehnung Berechtigten erst später bekannt geworden sind und die Ablehnung unverzüglich geltend gemacht wird, § 25 Abs. 1 und Abs. 2 StPO. Da beide Schöffen, so auch die Schöffin Schmidt, zu Beginn der Hauptverhandlung durch den Verteidiger des Angeklagten Neuhaus nach parteipolitischer Betätigung und politischen Ämtern befragt, über ihre politischen Aktivitäten ausführlich Auskunft gaben, ist nicht ersichtlich, weshalb den Angeklagten erst in der Hauptverhandlung vom 7. 4. 2005 der Zusammenhang der parteipolitischen Betätigung der Schöffin Schmidt mit der Veränderung von Wahlplakaten am 3. 1. 2003 im Stadt? und Kreisgebiet Gießen bekannt geworden sein soll. Sie hatten nämlich vor der Hauptverhandlung selbst vollumfänglich Akteneinsicht genommen und daher Kenntnis auch von den Anzeigenvorgängen (darunter der in Rede stehende), die von der Staatsanwaltschaft gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden waren. Nach der Vernehmung des Zeugen Puff am 4. 4. 2005, der den genannten Anzeigenvorgang bei seiner Aussage erwähnt hatte, nahm der Angeklagte Bergstedt zudem nochmals Akteneinsicht. Danach stellte der Angeklagte Neuhaus verschiedene Beweisanträge, es wurden Lichtbilder in Augenschein genommen, und es erfolgte die Vernehmung des Zeugen M omberger. Unter diesen Umständen hätte detailliert vorgetragen und glaubhaft gemacht werden müssen, weshalb das Ablehnungsgesuch anstatt spätestens nach der nochmaligen Akteneinsicht erst zu Beginn des nächsten Verhandlungstags, nämlich am 7. 4. 2005 angebracht wurde.
Das Ablehnungsgesuch ist auch unbegründet. Das Vorliegen eines Ausschlusses der Schöffin Schmidt wegen ihrer Zugehörigkeit zum Unterbezirksvorstand der SPD in Gießen und der SPD-Kreistagsfraktion seit dem 4. 2. 2004 begründet vorliegend keinen gesetzlichen Ausschluss vom Richteramt gemäß § 22 Ziff. 1 StPO. Voraussetzung für einen Ausschluss wäre, dass die Schöffin Schmidt s e 1 b s t durch die Straftat verletzt ist, die Gegenstand des Verfahrens ist. In Betracht kommt insoweit, die den Angeklagten zur Last gelegten Vergehen der Sachbeschädigung durch Veränderungen (Verunglimpfungen) an Wahlplakaten, darunter auch solche der SPD am 29. 8. 2002 sowie der nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellte Anzeigenvorgang, der die gleichen Tatvorwürfe, Tatzeit 3. 1. 2003, betraf. Soweit dabei ein politischer Hintergrund zu beachten ist, liegt eine unmittelbare Verletzung bzw. Betroffenheit von Rechten der Schöffin, die zum Zeitpunkt der Taten freilich bereits der SPD angehörte, nicht vor. Aber auch unter dem Aspekt des entstandenen Schadens an Sachen, die im Eigentum der SPD standen, ist eine unmittelbare Rechtsverletzung nicht zu bejahen, da die Taten das Parteivermögen betrafen.
Auch wegen der Besorgnis der Befangenheit ist die Ablehnung der Schöffin Schmidt nicht gerechtfertigt. Misstrauen in die Unparteilichkeit der Schöffin wäre berechtigt, wenn die Angeklagten bei verständiger Würdigung des ihnen bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hätten, dass die abgelehnte Schöffin ihnen gegenüber eine innere Haltung einnimmt, die ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Dabei berechtigen die persönlichen Verhältnisse, worunter auch die Zugehörigkeit zu einer Partei zu verstehen ist, die Ablehnung nur dann, wenn zwischen ihnen und der Strafsache ein besonderer Zusammenhang besteht, auch dann wenn sich der Richter über die bloße Mitgliedschaft hinaus betätigt. Die Besorgnis der Befangenheit begründende besondere Zusammenhänge sind bei vernünftiger Betrachtung vorliegend zu verneinen. Die Schöffin war persönlich mit den hier in Rede stehenden Vorgängen im Rahmen ihrer politischen Tätigkeit nicht befasst. Zum anderen haben die schon einige Zeit zurückliegenden, hier in Rede stehenden Taten keinen aktuellen Bezug mehr zu Wahlkämpfen, und schließlich waren nicht nur Plakate der SPD, sondern auch die der CDU und der FDP von den Überklebungen und Beschriftungen betroffen, die zudem so oder so ähnlich üblicherweise in jedem Wahlkampf vorkommen.
Brühl
Vors. Richterin am LG
Die Gründe sind folgende:
Die Bedenken gegen die Schöffin Schmidt bleiben daher bestehen.
Wofür soll ich schon wieder so früh aufgestanden sein?
- Ein sehr zäher Verhandlungstag. Ein zu Beginn gestellter Befangenheitsantrag gegen die SPD-Schöffin wurde gar nicht behandelt und sofort zu langen Zeugenvernehmungen übergegangen, die den fünften Verhandlungstag prägten.
- Vier Polizeizeugen zu den Vorwürfen rund um den 09.01.2003 (Grafitti vor Koch-Besuch und angebliche Widerstandshandlungen bei einer Festnahme) und einer zum Komplex „veränderte Wahlplakate“ wurden intensiv vernommen. Deutlich erkennbar war, dass sich einige Polizisten im Vorfeld abgesprochen hatten, sehr vage Aussagen machten und sich deutlich weigerten, Fragen der Angeklagten überhaupt zu beantworten. Dabei wurden sie immer wieder von der Vorsitzenden und dem Staatsanwalt in Schutz genommen.
- Zudem gab es zahlreiche Beweisanträge der Angeklagten, da bei beiden Tatkomplexen das „Pflichtprogramm“ erfüllt ist und unklar ist, ob es dazu eine weitere Beweisaufnahme gibt.
- Indymedia-Bericht zum 5. Prozesstag
- Radiobeitrag auf ZIP-fm zu den Vorgängen rund um den Koch-Besuch (Festnahme vor der Gallushalle in Grünberg usw.)
- Am 5. Prozesstag gestellte Anträge zu Wahlplakaten
- Antrag zum Komplex 09.01.2003: Staatsschützer Puff
- Anträge zum Komplex 09.01.2003
Text aus dem Giessener Anzeiger vom 08.04.2005:
Ein Polizist an "allen vier Gliedmaßen"
Fünfter Verhandlungstag im Prozess gegen PolitaktivistenGIESSEN (hh). Zunächst waren es "zwei verschiedene Meinungen, die sich gegenüberstanden." Mitten im Seltersweg. Die Anhänger der einen hatten ein Zelt mitgebracht und darunter einen Stand aufgebaut, an dem sie reichlich Material zum anstehenden Wahlkampf verteilten. Und die Anhänger der anderen hatten sich mit Transparenten, Flugblättern und Megaphon ausgerüstet, um "spontan" bei den "Drei Schwätzern" zu demonstrieren. In unmittelbarer Nähe des Wahlkampfstandes der anderen. Genau dort kam es wenig später zu einem ausgewachsenen Tumult. Über dessen Verlauf aber stehen sich zwei ganz unterschiedliche Darstellungen gegenüber, mit denen sich das Landgericht beschäftigen muss. Das aber ist keinesfalls das erste Mal, dass sich Justitia intensiv mit dem Aufeinandertreffen von Polizei und CDU auf der einen und dem so genannten Umfeld der Saasener Projektwerkstatt auf der anderen Seite auseinandersetzt. Dabei soll nämlich ein Polizeibeamter von dem bekennenden "Berufsrevolutionär" Jörg Bergstedt - als der zu einem Einsatzwagen getragen wurde - mit dem "beschuhten Fuß" ins Gesicht getreten worden sein. Allein deshalb war gegen den 40-Jährigen vom Amtsgericht eine sechsmonatige Freiheitsstrafe verhängt worden. Insgesamt werden Bergstedt zwei Fälle des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, vorsätzliche und gefährliche Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Beleidigung sowie Sachbeschädigung in acht Fällen vorgeworfen. Dafür war er im Dezember 2003 zu einer Haftstrafe von neun Monaten verurteilt worden. Gegen diese Entscheidung hatte er ebenso Berufung eingelegt wie sein 23-jähriger Mitangeklagter, gegen den wegen Sachbeschädigung in neun Fällen und Hausfriedensbruch eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu 10 Euro verhängt worden war.
Ausschlaggebend für das Amtsgericht war - so lässt sich im Urteil nachlesen - die Glaubwürdigkeit des Polizeibeamten. Denn: Seine Aussage im Prozess habe "in allen wesentlichen Details mit den Angaben übereingestimmt, die er in seiner Anzeige niedergelegt hatte". Allerdings verwies Bergstedt am fünften Verhandlungstag auf Widersprüche in den beiden früheren Darstellungen. Im Urteil etwa ist festgehalten, dass der Polizist Bergstedt mit einem namentlich genannten Kollegen zu dem Wagen bringen wollte. In der schriftlichen Anzeige - aus der Bergstedt zitierte - finde sich jedoch der Name eines anderen Kollegen. Und einmal heißt es Bergstedt habe einen Fuß aus der Umklammerung lösen können, ein anderes Mal, er habe mit beiden Füßen zugetreten. Doch offenbar waren es keineswegs nur zwei Polizisten, die den 40-Jährigen wegtragen wollten. Auf einem Foto, das den Einsatz zeigt, sind nämlich vier Polizisten zu sehen, die sich seiner intensiv annehmen. "An allen vier Gliedmaßen hatte ich einen Polizisten", schilderte der Angeklagte. Zunächst hätten die Beamten versucht, ihm das Megaphon wegzunehmen, mit dem er sich am 11. Januar 2003 lautstark zu verschiedenen Polizeiaktionen gegen ihn und das "Umfeld der Projektwerkstatt" an jenem Wochenende äußerte. Davon habe sich Hessens Innenminister Volker Bouffier, der am Stand der CDU Wahlkampf betrieb, gestört gefühlt. "Deshalb sollte die Demonstration beendet werden."
Als es den vier Beamten aber nicht gelungen sei, das Megaphon zu ergreifen, sei er "horizontal" zum Einsatzwagen getragen worden. Wobei der Corso unterwegs mehrfach "gestrauchelt" und gestürzt sei. Womöglich habe sich der Beamte dabei verletzt. Wenngleich "ich an keiner Stelle eine Reaktion gesehen habe, dass er sich irgendwie stärker verletzt habe". Einen konkreten Angriff gegen einen Polizisten halte er ohnehin politisch "für eine falsche Aktion". Am Montag nun werden der Beamte und seine Kollegen dazu gehört.
Unterdessen hat Bergstedt einen Befangenheitsantrag gegen eine Schöffin der Dritten Strafkammer gestellt. Die ist nämlich Abgeordnete der SPD im Kreistag. Und die Anklagepunkte zu Sachbeschädigung betreffen auch Wahlplakate der SPD, die deshalb wiederum Anzeige erstattet hatte. "Die Schöffin ist daher selbst zum Betroffenenkreis zu zählen."
- Damaliger Indymedia-Bericht zum CDU-Stand-Vorfall
- Interessante neue Information am 21.2.2006: In den Polizei-Datenbeständen taucht die "Körperverletzung" gar nicht auf. Zufall oder beweist der Polizeicomputer selbst, dass die Geschichte frei erfunden ist?
- Übersichsseite zur Berufungsverhandlung
- Übersicht zum Rahmenprogramm des Verfahrens (u.a. Veranstaltungsreihe zu Repression, Knast und Justiz)
- Polizeidoku Giessen- über Fälschungen und Hetzte seitens Polizei, Presse und Politik
Beweisanträge zum Ex-Staatsschutzchef Puff
Zu beweisen ist folgende TatsacheGerhard Puff wird häufiger ohne besonderen Grund gewalttätig, droht usw.
Beweismittel
- Zeugenaussage zu Puffs Tätlichkeiten bei der Stadtverordnetenversammlung am 12.12.2002, Zeuge und Opfer: Daniel Braun, benannt.
- Bedrohung durch Puff am CDU-Parteistand, Zeuge und Opfer: M. Weber, Adr. ...
- Mehrfache Bedrohung durch Puff während der Studierendenproteste 2003/04, Zeuge und Opfer: Tjark Sauer, bereits benannt
- Als eigene Angabe kann ich hinzufügen, dass Herr Puff mir am 20.6.2003 auf dem Fussweg vor dem Verwaltungsgericht ohne irgendeinen Anlass im Vorbeigehen einen Ellbogencheck in den Bauch verpasste.
Beweisantrag 2
Zu beweisen ist die folgende TatsacheDer Widerstand ist von Herrn Puff erfunden worden, die Verletzung bestand nicht oder wurde durch eine Tätlichkeit von Puff selbst verursacht. Das entsprechende Attest ist zu spät eingeholt und bescheinigt eindeutig eine andere Verletzung als die von Herrn Puff angegebene. Passend zum Attest ist dagegen die Version, dass Puff dem Angeklagten Bergstedt ins Gesicht schlug mit der seitlichen Faust, d.h. genau dem Bereich, in dem Puff sich später die Verletzung bescheinigen ließ. Die Erfindungen von Herrn Puff dienen der politischen Verdächtigung und juristischen Verfolgung des Angeklagten.
Beweismittel
- Klärung der Abläufe am 9.-12.1.2003 insbesondere hinsichtlich der Frage, wer wann von den angeblichen Widerstandshandlungen des Angeklagten erfahren hat.
- Die Prozessakten zeigen, dass andere Beteiligte, z.B. aus der Polizeistation Grünberg, in ihren Berichten zu den Vorgängen keine Widerstandshandlung erwähnen.
- Die Polizei Giessen erfindet ständig Straftaten und fälscht Beweismittel. Das zeigt und belegt die „Dokumentation von Fälschungen, Erfindungen, Hetze durch Presse, Politik, Polizei und Justiz in und um Gießen“, die allen Gerichten, der Staatsanwaltschaft und der Polizei bereits übergeben wurde.
- In mehreren Fällen, die in der Dokumentation belegt werden, ist Gerhard Puff selbst Handelnder oder als damaliger Leiter des Staatsschutzes verantwortlich. Auch in der ersten Instanz dieses Prozesses hat er als Zeuge zwei Straftaten bzw. Beweise erfunden.
- Einzuholendes medizinisches Urteil oder Vernehmung eines medizinischen Sachverständigen über das Attest von Gerhard Puff hinsichtlich der Frage, von welcher Art von Belastung der Hand von Herrn Puff die attestierten Verletzungen stammen können.
Hilfsweise beantrage ich die Klärung folgender Vorgänge und direkter Beteiligung von Herrn Puff:
- Beschlagnahme eines Fotoapparates am 14.12.2003 durch Gerhard Puff, weil dieser als Tatwaffe zur Volksvernetzung eingesetzt werden könnte (Zeuge: Falk Beyer, Thiemstr. 13, Magdeburg)
- Behauptung des illegalen Aufenthaltes von Patrick Neuhaus in der Projektwerkstatt (Aussage Puff am 15.12.2003 vor Gericht)
- Behauptung, dass Farbspuren an der Jacke von Patrick Neuhaus mit denen an der Grünberger Gallushalle am 9.1.2003 übereinstimmten. Zu diesem Zeitpunkt war Herrn Puff die tatsächliche Gegebenheit bereits bekannt.
- Weitere in meiner allgemeinen Einlassung gemachten Angaben nebst dazu vorliegenden Anträgen zu Beweiserhebungen und Beweisen.
Beschluss des Gerichtes: Abgelehnt (aber mit interessanter Begründung!).
Die zum Beweis der Tatsachen, dass EKHK Puff erfunden habe, bei der dem Angeklagten vorgeworfenen Widerstandshandlung bei der Festnahme in Grünberg auch eine Verletzung am Daumen davon getragen zu haben, und dass er häufiger ohne besonderen Grund gewalttätig werde, gestellten Anträge (Anlage 5 und 6 zum Protokoll vom 7.4.2005) werden zurückgewiesen. Die Beweiserhebung ist für die Entscheidung ohne Bedeutung, wie sich aus den Gründen zu Ziffer 2) ergibt.
(Dort steht:) Die beantragte Beweisaufnahme ist entbehrlich (§ 244, Abs. 3, S. 2, 2 Alt. StPO). Es ist nach bisheriger Einschätzung der Sach- und Rechtslage nicht auszuschließen, dass die in Rede stehende Amtshandlung, nämlich die Festnahme der Angeklagten aus der Gallushalle in Grünberg, im Sinne von § 113 Abs. 3 StGB schon wegen Unverhältnismäßigkeit als nicht rechtmäßig zu behandeln sein wird.
Vereidigung von Puff abgelehnt
Nach der Vernehmung des Zeugen Puff wurde dessen Vereidigung beantragt. Das Gericht lehnte die Vereidigung mit folgender Begründung ab:
Der Zeuge Puff bleibt gemäß 159 Abs. 1 StPO unvereidigt, da die Kammer die Vereidigung nicht für notwendig erachtet. Weder ist die Vereidigung zur Herbeiführung einer wahren Aussage angezeigt, noch erscheint sie wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage erforderlich.
Beweisantrag zu Falschaussagen des Zeugen Koch (Polizeistation Grünberg)
TatsachenbehauptungZeuge Koch hat erst vor Kurzem in einem Prozess vor dem Amtsgericht eine belastende Aussage gegen eine Person aus dem sog. Umfeld der Projektwerkstatt gemacht und auch über mich gemacht. Dabei hat er nachweislich gelogen. Seine Aussage ist eine Falschaussage vor Gericht. Wichtig für diesen Prozess ist erstens die Tatsache, dass er eine Falschaussage gemacht hat und damit unglaubwürdig ist als Zeuge, zweitens, dass er gezielt eine Person aus dem Umfeld der Projektwerkstatt belastet hat und drittens, dass er auch mich erwähnte und mit seiner Schilderung wahrheitswidrig eine Rädelsführerschaft von mir konstruieren wollte. Das zeigt sein persönliches Interesse an der Kriminalisierung dieses Personenkreises und auch von mir, was zusätzlich deckungsgleich mit dem Verhalten weiterer Polizeibeamter in diesem Prozess ist, wie schon gezeigt wurde. Folglich ist die Falschaussage von Herrn Koch in diesem Verfahren zu überprüfen, da die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen, aber auch wegen der genannten Systematik von Falschaussagen auch der anderen ZeugInnen geklärt werden muss.
Begründung
Im Prozess gegen eine Person wegen eines Kreidespruches „Fuck the police“ ist es vor dem Amtsgericht Gießen zu einer Verurteilung wegen Beleidigung gekommen. Zeuge Koch hat dort als damaliger Einsatzleiter der Polizei bei einer angemeldeten Demonstration ausgesagt. Er schilderte vor Gericht, dass alle Demonstrationsteilnehmer nach einer Rede von mir sofort und gleichzeitig angefangen hätten, die Straße mit Kreidesprüchen vollzumalen. Damit wurde eine gemeinschaftliche Tat konstruiert. Kochs Aussage ist u.a. im damaligen Urteil vermerkt. Richterin Kaufmann schrieb im Urteil:
„Der Zeuge PHK Koch schilderte glaubhaft und nachvollziehbar den Ablauf der Abschlusskundgebung. Nachdem der amtsbekannte Jörg Bergstedt eine kurze Rede gehalten habe, hätten sämtliche Demonstrationsteilnehmer begonnen, Sprüche auf den Asphalt zu schreiben ... Nachdem der amtsbekannte Jörg Bergstedt, Teilnehmer der Demonstration, im Rahmen der Abschlusskundgebung eine Rede gehalten hatte, brachten nahezu alle Demonstrationsteilnehmer auf dem Asphalt vor dem haupteingang der Hessenischen Bereitschaftspolizeiabteilung mit Kreide unter anderem folgende Sprüche auf: ...“ (Urteil dokumentiert in „2. Dokumentation zu Polizei, Justiz, Politik und Presse in und um Gießen 2005“, bereits überreicht).
Das Gerichtsprotokoll gibt ebenso wieder, dass der Herr Koch den Ablauf so beschrieb, wie mir mitgeteilt wurde. Die Mitteilung von Herrn Koch war urteilsentscheidend in der ersten Instanz. Herr Koch machte seine Schilderung auf Befragen der Richterin, die aus dieser Falschdarstellung eine gemeinschaftliche Tat konstruierte. Die Falschaussage diente damit nicht nur dem Ziel der Kriminalisierung, sondern hatte darin sogar Erfolg. Die Verurteilte hat meines Wissens inzwischen Anzeige wegen Falschaussage vor Gericht gegen Herrn Koch eingereicht.
Das im Berufungsverfahren gezeigte Polizeivideo bewies aber, dass die Schilderung von Koch nicht stimmte – und zwar gar nicht. Nach der Rede geschah zunächst gar nichts. Dann wurde ein Theaterstück aufgeführt (ist auf dem Video kaum zu sehen, aber zu hören). Erst daran anschließend begannen erst Einzelne, dann mehr Personen mit den Kreidemalereien. Keine Person hatte dabei irgendeine auffordernde oder koordinierende Funktion.
Beweismittel:
- Video aus der damaligen Verhandlung (Az. 5405 Cs 501 Js 506/04)
- ZeugInnenaussagen zur Aussage von Herrn Koch im Prozess, u.a. von Simone Ott, Susann Vollstedt und Jochen Kirdorf (schon benannt)
- Einsicht ins Gerichtsprotokoll und schriftliches Urteil der Verhandlung
- Inzwischen eingereichte Anzeige gegen Zeuge Koch
Beschluss des Gerichtes: Abgelehnt.
Die Beweiserhebung zu der Behauptung, PHK Koch habe in einem Strafverfahren gegen eine Person aus dem sog. Umfeld der Projektwerkstatt gelogen (Anlage 4 zum Protokoll vom 7.4.2005) wird abgelehnt, da sie für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung ist (§ 244, Abs. 3, S. 2, 2. Alt. StPO). Selbst wenn der Zeuge Koch in einem anderen, gegen andere Angeklagte aus dem Umfeld der Projektwerkstatt gerichteten Verfahren die Unwahrheit sagte, in dem er von einer gleichzeitigen, vom Angeklagten Bergstedt initiierten Aktion, nämlich Kreidemalereien vor dem Haupteingang der Hess. Bereitschaftspolizei berichtete, ergibt sich daraus allein noch kein Anhaltspunkt, dass er auch vorliegend falsch ausgesagt hätte.
Beweisantrag zu Hausdurchsuchung und anderen Geschehnissen
Tatsachenbehauptung: Die Polizei hat im Verlaufe des Wochenende auf mehrere Arten versucht, politisch unerwünschte Personen oder vermeintliche Gruppen handlungsunfähig zu machen, u.a. durch längerwährende Festnahmen, die Zerschlagung technischer Infrastruktur sowie nach dem Misslingen dieser Versuche durch die Erfindung von Strafanzeigen (zweimalige Körperverletzung sowie weitere Anzeigen und Drängen auf Verfahren durch andere). Dabei handelte die Polizei bewusst mehrfach rechtswidrig.Beweismittel:
- Heranziehung aller Unterlagen und Akten von Polizei, Staatsanwaltschaft und den damit befassten Gerichten zur Hausdurchsuchung am 10.1.2003 in der Projektwerkstatt
- Ansicht der von EKHK Puff als „Aktenlage“ benannten Unterlagen, die eine Tatbeteiligung der Angeklagten an verschiedenen Straftaten bereits „zum Zeitpunkt seiner Festnahme“ (Vermerk Puff, Blatt 120) am 9.1.2003 belegt haben sollen (siehe Vermerk von Puff, Blatt Blatt 119).
- Vernehmung der zuständigen und diensthabenden StaatsanwältInnen in der Phase des mehrfachen Versuches seitens des Staatsschutzes Gießen, die hier Angeklagten längerwährend in Untersuchungshaft zu nehmen. Einsicht in alle Aktenvorgänge bei Polizei und Staatsanwaltschaft zu diesen Versuchen.
- Vernehmung von POK Schwab hinsichtlich des Verlaufs und der Gründe für den Versuch einer längerwährenden Inhaftierung (POK Schwab war nach Blatt 11 ausführender Beamter bei den Kontakten zur Staatsanwaltschaft am 9.1.2003).
Begründung:
Nach Würdigung der tatsächlichen Vorgänge der Tage vom 9.-13.1.2003 und der bekannten Vorgänge im Vorfeld ist davon auszugehen, dass die Polizei, insbesondere der Staatsschutz Gießen, in den Tagen vom 9.-13.1.2003 mit aller Macht eine Ausschaltung unerwünschter Personen und der Projektwerkstatt als Einrichtung versuchte. Dabei wurde mehrfach und vorsätzlich Recht gebrochen, um den gewünschten Erfolg zu erzielen. Im Einzelnen sind u.a. anzuführen:
- Festnahme ohne einen Grund, der vor der Festnahme überhaupt bestand (die Schuhe wurden beim Angeklagten Neuhaus erst später entdeckt, bei mir wurde nie irgendein belastenden Material entdeckt, die Akten enthalten weder von vorher noch von nachher irgendeinen Hinweis auf mich).
- Inhaftierung auch nach der Absage der Staatsanwaltschaft, überhaupt einen Haftbefehlsantrag zu stellen.
- Angriff auf die Projektwerkstatt ohne schriftlichen Durchsuchungsbefehl trotz Bezug auf z.T. mehrere Tage zurückliegende Straftaten sowie ohne Benennung zu durchsuchender Räume und zu suchender Gegenstände/Beweise. Die Durchsuchung lief auch ohne Durchsuchung ab, stattdessen wurde nach vorherigem Plan die technische Infrastruktur komplett entwendet – wobei die konkreten Beschlagnahmen zeigen, dass eine Auswertung von Datenträgern gar nicht geplant waren.
- Angriff auf die Demonstration am 11.1.2003 gegen geltendes Demonstrationsrecht und rechtswidrige Ingewahrsamnahme als darauf folgende Massnahme ohne Rechtsgrundlage.
Den Verdacht vorsätzlicher Manipulation erhärtet die Tatsache, dass mehrere weitere Lügen und Erfindungen insbesondere durch Staatsschutzchef Puff in die Berichte eingebaut wurden. Dazu gehört die Behauptung, die Angeklagten seien am 9.1.2003 tagsüber nicht in der Projektwerkstatt gewesen (Vermerk von Puff, alte Aktenlage, Blatt 2), sowie die Schilderung, die Angeklagten seien in der Nacht vom 12.12.2002 bei „aktuellen Tatvorbereitungen“ für Sprühereien erwischt worden (Blatt 5). Sie vervollständigen das Bild, nachdem die Polizei Gießen, insbesondere der Staatsschutz und dort insbesondere dessen Ex-Chef Puff in vielen Fällen Straftaten erfunden und Beweise bzw. Akten gefälscht oder verändert haben.
Im Einzelnen beantrage ich wegen der Gefahr der weiteren Verfälschung von Unterlagen und der Vernichtung oder Erfindung von Beweismitteln:
- Sofortige Beschlagnahme aller zur Hausdurchsuchung am 10.1.2003 gehörenden und zu den von EKHK Puff als „Aktenlage“ zu den vorgeworfenen Straftaten bei der Festnahme am 9.1.2003 bezeichneten Unterlagen und Akten des Polizeipräsidiums Mittelhessen und anderer Verfolgungs-/Ermittlungsbehörden
Sollte sich herausstellen, dass weitere Personen insbesondere aus der Führung der Polizei Mittelhessen in die Vorgänge einbezogen waren, beantrage ich deren Ladung als ZeugInnen.
Der Antrag ist wie die vorherigen erheblich, weil im laufenden Prozess vor allem Zeugen als Belastungszeugen auftreten, die dem Polizeipräsidium Gießen und insbesondere dem dortigen Staatsschutz angehören. Wenn deren Führung in beweisbaren Fällen öffentlich Straftaten und Beweismittel erfindet oder fälscht, kann dieses auch für die hier verhandelten Anklagepunkte nicht ausgeschlossen werden – zumal in einem konkreten Fall des Ex-Staatsschutzchefs Puff die Falschdarstellung in mehreren Fällen bereits als geklärt anzusehen ist, wie beschrieben wurde. Zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit weiterer diesem Polizeipräsidium entstammenden Zeugen muss zudem geklärt werden, ob bzw. wer aus welchem Grund diese Lügen und Fälschungen verantwortet, unterstützt oder toleriert hat.
Beschluss des Gerichtes: Abgelehnt (aber mit interessanter Begründung!).
Mit gleicher Begründung wird auch der Beweisantrag zurückgeweisen, der mit "zur Hausdurchsuchung und andere Geschehnisse 9.-13.1.2003" überschreiben ist (Anlage 7 zum Protokoll vom 7.4.2005).
Befangenheitsantrag gegen die Schöffin Ursula Schmidt
Hiermit möchte ich beantragen, die Schöffin Ursula Schmidt wegen Befangenheit aus dem Verfahren zu nehmen.Begründung
Ursula Schmidt ist Abgeordnete der SPD-Fraktion im Kreistag Gießen. Zwischen einer Kreistagsfraktion und der jeweiligen Partei auf gleicher Ebene (hier: Landkreis Gießen, bei der konkreten Partei SPD als Unterbezirk organisiert) bestehen nicht nur organisatorische und personelle erhebliche Überschneidungen, sondern die Parteiebene ist die entsendende Stelle für die Fraktion, d.h. hier werden die KandidatInnen bestimmt. Die Verbindung ist als sehr eng zu betrachten.
Im bisherigen Verlauf des Verfahrens sind auch politische Aktionen zum Schaden der SPD behandelt worden. Zunächst betrafen die ersten Anklagepunkt auch Wahlplakate der SPD. Anzeigeerstatter ist ausweislich Blatt 4 des Bandes 1 der Akte der SPD-Ortsverband Reiskirchen. Dieser ist unübersehbar, allerdings nur indirekt mit dem Unterbezirk Gießen der SPD verknüpft, in dem er dessen Teil ist. Mit der Verhandlung vom 4. April (vierter Prozesstag) sind aber auch die Veränderungen an Wahlplakaten am 3.1.2003 im Stadt- und Kreisgebiet Gießen in diese Verhandlung eingeführt worden im Zusammenhang mit den in diesem Prozess zentralen Vorwürfen von Widerstand und Körperverletzung am 9. und 11.1.2003. Bei diesen Veränderungen ist der SPD-Unterbezirk ausweislich des Blatt 3 ff. im Band II, Abt. 3 selbst Strafanzeigeerstatter, d.h. genau die SPD-Gliederung, über die Frau Schmidt parlamentarisch vertreten ist und zu der daher eine intensive direkte Beziehung als gegeben anzunehmen ist. Die Schöffin Ursula Schmidt ist daher selbst zum Betroffenenkreis zu zählen und es besteht eine erhebliche Gefahr einer daraus entspringenden Voreingenommenheit, sprich Befangenheit.
Daher stelle ich diesen Antrag.
Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich keinerlei persönliche Kritik an Frau Schmidt äußern möchte. Da ich sie nicht kenne und sie im Verfahren bislang nicht individuell in Erscheinung trat, habe ich keinen Grund, irgendeine persönliche Kritik zu äußern. Das gilt genauso auch für ihren Schöffenkollegen, auch wenn ich die Konstellation, dass zwei eindeutig als parteipolitisch Aktive erkennbare Personen in einem Prozess ein Urteil fällen sollen, in dem es um Aktionen und Positionen geht, die explizit parlamentarismus- und parteikritisch sind. Hier bestehen daher bei beiden SchöffInnen von Beginn an erhebliche Bedenken einer Unbefangenheit. Ausschlaggebend für den jetzigen Befangenheitsantrag konkret gegenüber Frau Schmidt ist die aus der neuen Akteneinsicht bekanntgewordene direkte Verbindung zum Prozessgeschehen in Form der intensive Behandlung der Aktionen am 3.1.2003 in Gießen, wo der SPD-Unterbezirk Gießen die strafanzeigestellende Instanz ist und die Schöffin Schmidt für genau diese Partei und auf dieser Ebene (Landkreis Gießen) parlamentarisch tätig ist.
Beschluss des Gerichtes 7.4.2005: Erstmal zurückgestellt (d.h. es wurde einfach weitergemacht).
Am 11.4.2003 übergab die betroffene Schöffin eine Erklärung. In der gab sie bekannt, seit dem 4.2.2004 sogar dem SPD-Unterbezirksvorstand anzugehören. Dennoch sah sie keine Beeinträchtigung ihrer Neutralität.
Stellungnahme des Angeklagten zur Erklärung der Schöffin Ursula Schmidt
Mit ihrer Erklärung hat die Schöffin eingeräumt, nicht nur als vom Unterbezirksverband der SPD aufgestellte Abgeordnete im Kreistag des Landkreises Gießen zu wirken, sondern seit dem 4.2.2004 sogar selbst im Vorstand dieser Gliederung zu sitzen. Damit muss der Befangenheitsantrag sogar noch deutlicher ausfallen, weil nun klargestellt ist, dass die Schöffin sogar im zentralen Gremium der Organisation steht, die für einen im Prozess zwar nicht angeklagten, aber doch in mehrfacher Hinsicht und bei inzwischen mehreren Anklagepunkten relevanten Vorgang die Strafanzeige gestellt hat.
Die weiteren Ausführungen der Schöffin entkräften die Gefahr einer Befangenheit nicht. Nicht der Nachweis der Befangenheit ist für die Ablehnung einer/s RichterIn von Belang, sondern der Nachweis einer Gefahr der Befangenheit, nach der Formulierung der StPO reicht bereits das „Misstrauen gegen die Unparteilichkeit“ (§ 24, 2).
Die Schöffin nimmt zu den im Befangenheitsantrag aufgestellten Bezügen der Strafanzeige des SPD-Unterbezirks Gießen zu prozessrelevanten Themen keine Stellung, so dass unterstrichen wird, dass diese unangefochten bleiben.
gez. ..., sog. Angeklagter
Beschluss des Gerichts am 14.4.2005: Antrag abgelehnt
3 Ns 501 Js 19696/02
Beschluss: Das Ablehnungsgesuch gegen die Schöffin Ursula Schmidt vom 7. 4. 2005 wird zurückgewiesen.
Gründe: Das Ablehnungsgesuch ist nicht zulässig. Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Ablehnung eines Richters sind, die Rechtzeitigkeit der Anbringung des Ablehnungsgesuchs sowie die Glaubhaftmachung der die Ablehnung begründenden Tatsachen und des Vorliegens der Voraussetzungen rechtzeitigen Vorbringens, §§ 26 Abs. 2 StPO. Rechtzeitig ist das Ablehnungsgesuch nach Beginn des Vortrags des Berichterstatters (hier Verlesung des Urteils 1. Instanz) nur, wenn die Umstände, auf welche die Ablehnung gestützt wird, erst später eingetreten oder dem zur Ablehnung Berechtigten erst später bekannt geworden sind und die Ablehnung unverzüglich geltend gemacht wird, § 25 Abs. 1 und Abs. 2 StPO. Da beide Schöffen, so auch die Schöffin Schmidt, zu Beginn der Hauptverhandlung durch den Verteidiger des Angeklagten Neuhaus nach parteipolitischer Betätigung und politischen Ämtern befragt, über ihre politischen Aktivitäten ausführlich Auskunft gaben, ist nicht ersichtlich, weshalb den Angeklagten erst in der Hauptverhandlung vom 7. 4. 2005 der Zusammenhang der parteipolitischen Betätigung der Schöffin Schmidt mit der Veränderung von Wahlplakaten am 3. 1. 2003 im Stadt? und Kreisgebiet Gießen bekannt geworden sein soll. Sie hatten nämlich vor der Hauptverhandlung selbst vollumfänglich Akteneinsicht genommen und daher Kenntnis auch von den Anzeigenvorgängen (darunter der in Rede stehende), die von der Staatsanwaltschaft gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden waren. Nach der Vernehmung des Zeugen Puff am 4. 4. 2005, der den genannten Anzeigenvorgang bei seiner Aussage erwähnt hatte, nahm der Angeklagte Bergstedt zudem nochmals Akteneinsicht. Danach stellte der Angeklagte Neuhaus verschiedene Beweisanträge, es wurden Lichtbilder in Augenschein genommen, und es erfolgte die Vernehmung des Zeugen M omberger. Unter diesen Umständen hätte detailliert vorgetragen und glaubhaft gemacht werden müssen, weshalb das Ablehnungsgesuch anstatt spätestens nach der nochmaligen Akteneinsicht erst zu Beginn des nächsten Verhandlungstags, nämlich am 7. 4. 2005 angebracht wurde.
Das Ablehnungsgesuch ist auch unbegründet. Das Vorliegen eines Ausschlusses der Schöffin Schmidt wegen ihrer Zugehörigkeit zum Unterbezirksvorstand der SPD in Gießen und der SPD-Kreistagsfraktion seit dem 4. 2. 2004 begründet vorliegend keinen gesetzlichen Ausschluss vom Richteramt gemäß § 22 Ziff. 1 StPO. Voraussetzung für einen Ausschluss wäre, dass die Schöffin Schmidt s e 1 b s t durch die Straftat verletzt ist, die Gegenstand des Verfahrens ist. In Betracht kommt insoweit, die den Angeklagten zur Last gelegten Vergehen der Sachbeschädigung durch Veränderungen (Verunglimpfungen) an Wahlplakaten, darunter auch solche der SPD am 29. 8. 2002 sowie der nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellte Anzeigenvorgang, der die gleichen Tatvorwürfe, Tatzeit 3. 1. 2003, betraf. Soweit dabei ein politischer Hintergrund zu beachten ist, liegt eine unmittelbare Verletzung bzw. Betroffenheit von Rechten der Schöffin, die zum Zeitpunkt der Taten freilich bereits der SPD angehörte, nicht vor. Aber auch unter dem Aspekt des entstandenen Schadens an Sachen, die im Eigentum der SPD standen, ist eine unmittelbare Rechtsverletzung nicht zu bejahen, da die Taten das Parteivermögen betrafen.
Auch wegen der Besorgnis der Befangenheit ist die Ablehnung der Schöffin Schmidt nicht gerechtfertigt. Misstrauen in die Unparteilichkeit der Schöffin wäre berechtigt, wenn die Angeklagten bei verständiger Würdigung des ihnen bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hätten, dass die abgelehnte Schöffin ihnen gegenüber eine innere Haltung einnimmt, die ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Dabei berechtigen die persönlichen Verhältnisse, worunter auch die Zugehörigkeit zu einer Partei zu verstehen ist, die Ablehnung nur dann, wenn zwischen ihnen und der Strafsache ein besonderer Zusammenhang besteht, auch dann wenn sich der Richter über die bloße Mitgliedschaft hinaus betätigt. Die Besorgnis der Befangenheit begründende besondere Zusammenhänge sind bei vernünftiger Betrachtung vorliegend zu verneinen. Die Schöffin war persönlich mit den hier in Rede stehenden Vorgängen im Rahmen ihrer politischen Tätigkeit nicht befasst. Zum anderen haben die schon einige Zeit zurückliegenden, hier in Rede stehenden Taten keinen aktuellen Bezug mehr zu Wahlkämpfen, und schließlich waren nicht nur Plakate der SPD, sondern auch die der CDU und der FDP von den Überklebungen und Beschriftungen betroffen, die zudem so oder so ähnlich üblicherweise in jedem Wahlkampf vorkommen.
Brühl
Vors. Richterin am LG
Gegenvorstellung zum Beschluss zur Schöffin Ursula Schmidt
Der Beschluss wird hiermit gerügt.Die Gründe sind folgende:
- Die Behauptung, das Ablehnungsgesuch sei nicht rechtzeitig eingebracht, ist falsch begründet. Dort wird behauptet, die zum Ablehnungsgesucht führenden Tatsachen seien frühzeitig bekannt gewesen. Das stimmt nicht. Wie im Ablehnungsgesucht beschrieben, ist die Bedeutung der Wahlplakateveränderung am 3.1.2003 erst im Verlauf der Vernehmung von Herrn Puff erfolgt. Daraufhin wurde Akteneinsicht beantragt, da die hierfür notwendigen Unterlagen nicht Teil der überlassenen Akten sind. Diese wurde erste zu Ende des Prozesstages möglich. Bereits zu Beginn des Folgetages wurde der Befangenheitsantrag gestellt. Es sind also keine Verzögerungen eingetreten.
- Hinzu kommt, dass die Information, die Schöffin sei sogar Mitglied des SPD-Unterbezirksvorstandes, erst später aufkam. Das ist auch bemerkenswert, weil die Schöffin dieses bei der Nachfrage am 1. Verhandlungstag nicht sagte. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Schöffin das mit oder ohne Absicht unterließ. Es erhöht aber den Verdacht der Befangenheit, dass die Schöffin ihr Amt nicht nannte, weil dieses dadurch begründet sein kann (nicht muss), dass sie dieses Amt selbst als problematisch für eine unbefangene Schöffinnentätigkeit einstufte.
- Hinsichtlich dieses Punktes 2. ist auch der Beschluss selbst fehlerhaft, da die Schöffin dieses Amt gerade nicht angab.
- Das Ablehnungsgesuch ist nach hiesiger Meinung weiterhin begründet. Die Aufregung um die parteienkritischen Aktionen in den Wahlkämpfen war in allen Parteien groß. Die SPD hat sich auch mehrfach in der Presse geäußert. Ich wurde auf SPD-Versammlungen beschimpft, der Unterbezirksvorstand beschäftigte sich auf seinen Sitzungen mit den Protesten und den Umgang mit Personen aus dem sog. Umfeld der Projektwerkstatt.
- Dass nur persönlicher Betroffenheit als Befangenheit gilt, ist eine unsinnige Auslegung, da es für die Frage einer Befangenheit nicht darauf ankommt, welchen Typus diese hat. Das wurde auch im ersten Berufungsversuch deutlich, wo die Schöffin ihre Befangenheit einräumte wegen ihrer Ämter und Zugehörigkeit zur CDU.
- Der Hinweis, dass auch andere Wahlplakate anderer Parteien betroffen gewesen seien, ist für die Frage der Befangenheit gänzlich belanglos.
Die Bedenken gegen die Schöffin Schmidt bleiben daher bestehen.