Keine A49

VERWEIGERTE (AKTEN)EINSICHTEN

Vier Jahre Klagen und immer neue Tricks: Forschungszentrum Jülich


1. Einleitung
2. Vier Jahre Klagen und immer neue Tricks: Forschungszentrum Jülich
3. Der K(r)ampf bei der Genehmigungsbehörde BVL
4. Gleiches Unrecht durch alle!
5. Rechtliche Hintergründe

Der Anfang war holperig. Ein Fehler in der Faxnummer machte zwei Anträge nötig. Dann aber wurde schnell klar: Die Fördermittelvergabestelle PTJ im Forschungszentrum Jülich würde blocken.

Im Original: Der Ablauf bis zum Urteil vom 12.6.2013
Auch das Forschungszentrum Jülich, zuständig für die Bewilligung der Gelder für das Biosicherheitsprogramm, verweigerte die Akteneinsicht.
Die Beschwerde danach ging verloren. In einem Gespräch mit dem Abteilungsleiter im Bundesforschungsministerium, Dr. Peter Lange, machte der einen auf großzügig und meinte, die Beschwerde solle einfach nochmal geschickt werden. Doch das war ein mieser Trick. Die Beschwerde wurde jetzt eiskalt als "verspätet" zurückgewiesen. Und als das wiederum mit dem Abteilungsleiter rückgeklärt werden sollte, hieß die Antwort - nur wenige Wochen nach dem Gespräch - so:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
zum 31.12.2009 scheide ich aus dem aktiven Dienst des Bundesministerium für Bildung und Forschung aus und wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute."


Daher: Erneutes und erweitertes Akteneinsichtsgesuch, neue Ablehnung und dann die Klage:
Damit spaltete sich das Verfahren auf. In Aachen wurde verhandelt, ob das Forschungszentrum Jülich zu lange brauchte, um die Anträge auf Akteneinsicht zu "bearbeiten" (tatsächlich machten sie ja gar nichts, um dann einfach pauschal abzulehnen). In Gießen ging es hingegen um die Frage, ob die Akteneinsicht verwehrt werden durfte - also die wichtigere Geschichte dort.

Der weitere Verlauf in Aachen:

Der weitere Verlauf in Gießen:

Am 12.6.2013 kam es dann zur Verhandlung. Die zuständigen Vertreterinnen aus Jülich (Recht, Biosicherheitsprogramm) stemmten sich mit immer neuen Ausflüchten gegen die Akteneinsicht. Aber sie verloren - und zwar komplett!

Im Original: Aus dem Urteil vom 12.6.2013
Die Beklagte wird verpflichtet unter Aufhebung ihres Bescheides vom 08.02.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010 dem Kläger binnen eines Monats nach Rechtskraft vollständige Einsicht in die Akten zu den Anträgen und Unterlagen zu und über die im Förderprogramm zur Biologischen Sicherheitsforschung geförderten oder abgelehnten Freisetzungsversuche in der Gentechnik mit der Maßgabe zu gewähren, personenbezogene Daten auf den in den Akten befindlichen Gehaltsauszügen mit Kontoverbindungen und Reisekostenabrechnungen mit Ausnahme des jeweiligen Namens sowie Mitteilungen über Schwangerschaften und Anderungen der persönlichen Verhältnisse zuvor zu anonymisieren.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklage zu tragen.


Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger hat einen Anspruch auf vollständige Einsicht in die Akten zu den Anträgen und Unterlagen zu und über die im Förderprogramm zur Biologischen Sicherheitsforschung geförderten oder abgelehnten Freisetzungsversuche in der Gentechnik ...
Die Ausnahmegründe der §§ 8 und 9 UIG sind aufgrund der nunmehr ausdrücklichen Regelung in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 RL 2003/4/EG eng auszulegen, wobei im Einzelfall das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe zu berücksichtigen ist (vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 16 Satz 2 RL 2003/4/EG) (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 01.03.2011 - 8 A 3357/08 -, juris und Urteil vom 03.08.2010 - 8 A 283/08 -, ZUR 2010,601). ...
Zu den personenbezogenen Daten im Sinne von § 3 Abs. 1 BDSG gehören grundsätzlich alle Informationen, die über die Bezugsperson etwas aussagen, unabhängig davon, welcher Lebensbereich angesprochen ist, einschließlich der sozialen, wirtschaftlichen und sonstigen Beziehungen der Person zu ihrer Umwelt (BVerwG, Urteil vom 24.03.2010 - 6 A 2.O9 -, DVBI 2010, 1307,juris; Reidl/Schiller, a.a.O., § 3 UIG Rn. 7). Weitere Voraussetzung des Ablehnungsgrundes ist, dass durch die Bekanntgabe der Information die Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden. Dies setzt ein gewisses Gewicht des Geheimhaltungsinteresses voraus. Dafür sind sowohl das konkrete Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung als auch die Intensität der Beeinträchtigung, also Art und Umfang der tnforrnationspreisgabe, von Bedeutung. Nicht erheblich ist eine Beeinträchtigung etwa, wenn es um Name, Beruf und Dienststellung von Amtsträgern, Gutachtern oder Sachverständigen oder Angestellten geht (VG Ansbach, Urteil vom 11.11.2009 - AN 11 K 08.00677 -, juris; ReidUSchiller, a.a.O., § 9 UIG Rn. 14; Gassner, a.a.O., § 9 Rn.2.1; Schomerus/SchraderMegener, UlG, Handkommentar, 2. Aufl., 2001, § 8 Rn. 11).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ergibt sich, dass entgegen der Auffassung der Beklagten die diesbezüglichen o.a. personenbezogenen Daten, nämlich Name, Beruf und Dienststellung der Vielzahl von an der Projektarbeit beteiligten natürlichen Personen und der Gutachter schon nicht schützenswert sind.




Nach der Niederlage in erster Instanz: Fördergeldgeber und -empfänger geraten in Panik
Offenbar hatte das Forschungszentrum mit einem solche klaren Urteil nicht gerechnet. Sind die Geldseilschaften in Jülich das Mauscheln im Dunkeln so gewöhnt, dass sie sich gar nicht vorstellen können, Einsicht in ihre Unterlagen gewähren zu müssen?

Das PTJ reichte einen Berufungsantrag bei der nächsten Instanz, dem Verwaltungsgerichtshof Hessen in Kassel ein. Über vier Jahre nach dem Akteneinsichtsantrag wollte das Forschungszentrum Jülich GmbH immer noch nicht klein beigeben. Unabhängig davon, ob sie damit Erfolg haben oder nicht: Sie schinden auf jeden Fall wieder Monate, wenn nicht Jahre. Geht es um diese Verzögerung? Spätestens nach fünf Jahren ist das meiste der Betrügereien verjährt.

Das weitere Verhalten aber legte viel weitergehende Interessen offen. Offenbar fürchtete eine zusammengewachsene Seilschaft der Geldverteilung den Einblick in ihre Unterlagen. So zettelten sie eine umfangreiche Kampagne an, um den VGH unter Druck zu setzen: Etliche UniversitätspräsidentInnen und andere FunktionärInnen schrieben Briefe mit dem dringenden Appell, den Zugang zu den Akten nicht freizugeben. Fast verzweifelt klang der Ruf nach Hilfe bei der Abwehr des Akteneinsichtsrechts:

Bl. 137 (Mail der Uni Freiburg an PTJ)


Das Ganze genauer ...
Angst um Aufdeckung von Betrug und Fördermittelveruntreuung
Es dabei explizit auch um die Erschwerung von Recherchen zur Frage von Betrug und ähnlichen Straftaten im Förderprogramm „Biosicherheit“.

Im Original: Aus Schreiben und Anlagen vom 6.9.2013
Aus dem Schreiben der Anwälte des PTJ am 6.9.2013
Bl. 119


Aus dem Schreiben der RWTH Aachen am 30.8.2013, Bl. 147


Das in den Akten Hinweise auf Fördermittelveruntreuung zu finden sind, lässt sich aus den Unterlagen sogar direkt entnehmen. Mehrfach wird von Methodenentwicklung im Rahmen der Biosicherheitsforschung gesprochen - ein Vorwurf, der in der Tat schon erhoben wurde (z.B. beim Gengerstefeld). Er stellt eine Falschverwendung der Fördermittel dar. Offenbar soll genau das vertuscht werden.

Im Original: Aus Schreiben und Anlagen vom 6.9.2013
Aus dem Schreiben der Anwälte des PTJ am 6.9.2013, Bl. 117


Aus dem Schreiben des JKI am 24.7.2013 (Joachim Schiemann, Institut für die Sicherheit biotechnologischer Verfahren bei Pflanzen), Bl. 132


Aus dem Schreiben der Universität Trier am 14.8.2013, Bl. 159


Absurdes Interesse an Geheimhaltung: Tricks der Fördermittelbeschaffung als Betriebsgeheimnis
Sowohl im Anschreiben wie auch in mehreren Briefen von Universitäten findet sich eine interessante Auffassung von Betriebsgeheimnissen. Danach ähnelt das Einwerben von Fördermitteln dem Streben von Firmen um Absatz ihrer Produkte oder Gewinnen von Aufträgen. Universitäten und staatliche Anstalten bezeichnen die Methoden ihrer Jagd nach immer neuen Fördermitteln als Betriebsgeheimnisse und versuchen so, die Verwehrung einer Akteneinsicht zu erreichen. Tatsächlich beweisen sie aber durch ihre eigenen Stellungnahmen nur, dass es beim Förderprogramm Biosicherheit nicht oder nicht in erster Linie um wissenschaftliche Arbeit, sondern um Geldeinnahmen ging. Das beweist zumindest, dass ein Motiv auch für Fälschungen, Veruntreuung und Betrug vorhanden ist.

Im Original: Aus Schreiben und Anlagen vom 6.9.2013
Aus dem Schreiben der Anwälte des PTJ am 6.9.2013, Bl. 118


Aus einer Mail der Universität Freiburg an das PTJ am 21.8.2013


Geheimhaltung von Anfang an - und auch in Zukunft
Wie der PTJ selbst schreibt, ist Geheimhaltung sogar mit allen vereinbart, die Geld enthalten. Das heißt, dass die Nichteinhaltung von Rechtsvorschriften hier zum festen Bestandteil der Förderpraxis gehört.

Im Original: Aus Schreiben und Anlagen vom 6.9.2013
Aus dem Schreiben der Anwälte des PTJ am 6.9.2013
Bl. 112/113
Bl. 119

Es geht der Förderstelle PTJ darum, dass Beratungen von staatlichen Stellen, die Fördermittelvergabepraxis und damit die bestehenden Seilschaften nicht bekannt werden. Sie sollen auch zukünftig im Geheimen und damit ohne öffentliche Kontrolle möglich sein.
Aus dem Schreiben der Anwälte des PTJ am 6.9.2013, Bl. 116



Angst vor Kritik
An mehreren Stellen wird deutlich, dass PTJ und GentechnikerInnen Kritik verhindern wollen. Sie unterlaufen somit nicht nur das Umweltinformationsgesetz, sondern auch Meinungs- und Pressefreiheit.

Im Original: Aus Schreiben und Anlagen vom 6.9.2013
Aus dem Schreiben der Anwälte des PTJ am 6.9.2013, Bl. 113


Ähnlich im Schreiben der RWTH Aachen am 30.8.2013, Bl. 147


Die Förderstelle PTJ will mit der Verweigerung der gesetzlich vorgeschriebenen Akteneinsicht die Seilschaften der Gentechnik decken und verschleiern. Aus dem Schreiben der Anwälte des PTJ am 6.9.2013, Bl. 114


Die RWTH will das auch, so im Schreiben der RWTH Aachen am 30.8.2013, Bl. 147


Angst vor abweichenden Meinungen
Aus einem Schreiben der Uni Freiburg am 28.8.2012, Bl. 140


Panikmache
Immer wieder tauchen Bilder von vermeintlichen Gefahren für Menschen auf - gerade so, als würden GentechnikkritikerInnen kleine Kinder fressen ...

Im Original: Aus Schreiben und Anlagen vom 6.9.2013
Aus dem Schreiben der Anwälte des PTJ am 6.9.2013, Bl. 112 und 114



Aus einer Mail der TU München am 13.8.2013, Bl. 150

Aus einer Mail der TU München am 15.8.2013, Bl. 153


Auf die Spitze trieb das die Uni Rostock (Absenderin wahrscheinlich Prof. Inge Broer). Aus dem Schreiben vom 14.8.2013 mit geschwärzten Namen (vermutlich gemeint: Kerstin Schmidt), Bl. 156f


Aus dem Schreiben der Universität Trier am 14.8.2013
Bl. 159


Selbst bundeseigene Behörden des Genehmigungsverfahrens scheuen das Licht der Öffentlichkeit
Das Julius-Kühn-Institut ist eine bundeseigene Behörde und untersteht dem Verbraucherschutz(!)-Ministerium (damals: Ilse Eigner).

Im Original: Aus Schreiben und Anlagen vom 6.9.2013
Aus dem Schreiben des JKI am 12.6.2013 (Dr. Güntermann, Präsident), Bl. 124


Aus dem Schreiben des JKI am 24.7.2013 (Joachim Schiemann, Institut für die Sicherheit biotechnologischer Verfahren bei Pflanzen), Bl. 133


Drei Jahre Nichtstun
Im Gerichtsverfahren behauptete der PTJ stets, es müssten erst die Beteiligten befragt werden. Tatsächlich war das nur eine Verschleppungstaktik. Denn nach den Unterlagen gingen erst drei Jahre nach dem ersten Akteneinsichtsantrag die entsprechenden Anfragen raus.

Im Original: Aus Schreiben und Anlagen vom 6.9.2013
Aus dem Schreiben des JKI am 15.6.2012, Bl. 129


Aus einem Schreiben der Uni Freiburg am 28.8.2012, Bl. 140



Am 6.11.2013 machte der Verwaltungsgerichtshof kurzen Prozess: Der Berufungsantrag wurde zurückgewiesen. Damit war das Gießener Urteil rechtskräftig ... und tatsächlich gaben die Aktenhortenden auf: Per Brief teilten sie die Bedingungen mit. Vom 9.-12.12.2013 fand dann in den Räumen des Technologiezentrums Jülich endlich die Akteneinsicht statt - stets bewacht von 2 Security-Mitarbeitern, die zudem die Kameras der Handys sorgsam abklebten (siehe rechts). ++ Terminabsprache zur Akteneinsicht

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