Laienverteidigung

Ö-PUNKTE 1/1998

Nachhaltigkeit - eine Kritik


1. Nachhaltigkeit - eine Kritik
2. Haben alle gleiche Ziele?
3. Vom Kapitalismus wird geschwiegen
4. Frauen an den Öko-Herd

Autor:
Oliver Geden, Berlin

Sustainable Development, im deutschen Sprachgebrauch heute in der Regel mit "Nachhaltige Entwicklung" übersetzt, ist im Laufe der letzten zehn Jahre zum zentralen Leitbild internationaler Umwelt- sowie Entwicklungspolitik aufgestiegen. Diese Leitbildfunktion verdankt Sustainability vor allem der Verschränkung entwicklungstheoretischer Ansätze und globalökologischer Problemlagen, der Vereinigung von Ökonomie und Ökologie - nicht zuletzt aber auch ihrem Charakter, weniger als fest umrissenes Konzept vorzuliegen, sondern vielmehr als relativ unbestimmter Orientierungsrahmen.
Der Sustainability-Diskurs erlaubt es somit einer enormen Bandbreite politischer Akteure, ihre jeweiligen Ansätze unter dem Label "Nachhaltigkeit" zu präsentieren, seien es nun internationale Institutionen wie die Weltbank, seien es transnationale Konzerne wie Hoechst, seien es große Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) oder seien es gar lokale Basisgruppen aus dem umwelt- bzw. entwicklungspolitischen Spektrum.
Auf Basis der erstmaligen Definition von Sustainable Development im Brundtland-Bericht 1987 ("Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.")1 ist es all diesen Akteuren möglich, sich positiv auf "Nachhaltigkeit" zu beziehen, auch wenn sie (bisweilen bzw. zunächst) etwas völlig gegensätzliches anstreben.

(1) Volker Hauff (Hg.): Unsere gemeinsame Zukunft. Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung. Greven 1987: S. 46

(2) Vgl. Helga Eblinghaus/Armin Stickler: Nachhaltigkeit und Macht. Zur Kritik von Sustainable Development. Frankfurt/M 1996: S. 69ff

(3) Vgl. Eblinghaus/Stickler: S. 54ff

(4) Die nach wie vor beste Kritik zur Studie findet sich in der BUKO-Stellungnahme "Zukunftsfähiges Deutschland" ? ein Technokratenmärchen", die seit 1995 vielerorts abgedruckt wurde (zuletzt in: Schwertfisch (Hg.) Zeitgeist mit Gräten. Politische Perspektiven zwischen Ökologie und Autonomie. Bremen 1997: S. 30-42) und auf die ich mich hier auch in wesentlichen Teilen beziehe.

(5) BUKO-Stellungnahme: S. 33

Stimmen zur Agenda
Offenbar kennst Du eine andere Agenda 21 als ich. In dem Text, den unser Kandesbunzler (in einer schwachen Minute vermutlich) 1992 in Rio unterzeichnet hat, steht kein Wort von Gentechnik und Atom drin. Wohl aber in dem Text, den das BMU unter der Federführung von Frau Merkel dazu verzapft hat. Daß das Scheiße ist, ist klar.
Andreas aus Weimar

Es ist arrogant und typisch für alte Linke, daß die Ergebnisse von internationalen Konferenzen nicht anerkannt werden. Wer die Agenda kritisiert und an den uralten Forderungen festhält, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Es ist wichtig, über den Tellerrand zu schauen. Für viele Länder ist die Konsultation der Bevölkerung ein riesiger Fortschritt.
Ehemalige Radikalfeministin aus Berlin

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