Offener Raum

PARTEIEN ALS ORGANISATIONSRÜCKGRAT DES STAATES

Parteien als prägende Säulen der Demokratie


1. Parteien als prägende Säulen der Demokratie
2. Parteien bestimmen die Diskurse (Volksmeinung)
3. Parlamente und Parteien
4. Parteiengesetz
5. Linke und Protestparteien
6. Parteigründungen als Integration politischer Protestbewegungen
7. Kritische Links zu Parteien

Warum linke Regierungen öfter schlechtere Ergebnisse bringen
Aus einem Interview mit Peter Gelderloos, in: UntergrundBlättle am 19.3.2024
Die Rechten müssen auf ein weitaus höheres Mass an Gewalt zurückgreifen, um Bewegungen und soziale Kämpfe vollständig zu ersticken, was sie in der Vergangenheit natürlich auch getan haben, und das in bekannter Weise. Aber dieses Mass an Gewalt und dieses Mass an Mord und Unterdrückung hat in der Regel auch negative Auswirkungen auf den Kapitalismus. Die institutionelle Linke hingegen ist besser in der Lage, die Bewegung zu spalten und zu beruhigen, zumindest für eine gewisse Zeit. Wir haben gesehen, wie schnell Stadträte und so weiter innerhalb eines Monats von der Befürwortung der Abschaffung der Polizei zur Streichung von Finanzmitteln für die Polizei übergegangen sind… Da die institutionelle Linke näher an der Bewegung ist (und manchmal auch Teil der Bewegung), verfügt sie über bessere Informationen, sie kann andere identifizieren, die Bewegung in verschiedene Gruppierungen aufteilen, die Radikalen identifizieren und sie isolieren durch Diskurse der Gewaltlosigkeit. Durch Diskurse über verantwortungsvolle Reformen.

Machen wir uns nichts vor: Parteien sind die Garanten des Bestehenden. Im Grundgesetz ist unmissverständlich definiert, dass nur Partei sein darf, wer für die Aufrechterhaltung des Bestehenden eintritt und intern auch so organisiert ist wie die Gesellschaft insgesamt. Wer versuchen will, Alternativen zum System zu entwickeln oder dafür einzutreten, wird verboten. Kein Wunder also, dass das Parteisystem einer der Grundpfeiler für die Langlebigkeit einer Mensch und Natur ruinierenden Gesellschaftsformation ist.

Art. 21 GG
(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

Schon der erste Satz wirkt komisch. Soll hier das "Volk" (Extraseite zur Herrschaftsförmigkeit dieses Konstruktes) in seinem Willen geformt, also beeinflusst werden? Oder soll das "Volk" den Willen bilden? Was auch immer - die Parteien sind dafür die Werkzeuge. Sie müssen so aufgebaut sein, wie es der herrschenden Auffassung von Demokratie entspricht, also hierarchisch, auf Abstimmung und Konkurrenz ausgerichtet.

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

Das ist noch deutlicher. Parteien müssen nicht nur selbst so aufgebaut sein wie das aktuelle Staatssystem selbst, sondern müssen das auch noch gut finden, dafür werben und sogar die Existenz von Nationalstaaten bejubeln. Wer von einer Zukunft jenseits von Nationalitäten oder ständigen Wahlkämpfen um Posten in der aufgezwungenen Hierarchie träumt, darf dafür nicht als Partei kämpfen - selbst wenn er*sie sich bei allem diesem Werbung um einen Systemwechsel an alle Gesetze hält (so bescheuert viele davon sind ...). Das Parteisystem, wie es das Grundgesetz bestimmt, ist also alles im allem eine wichtige Konstante des Status-Quo-Erhalts, jedenfalls was die Grundzüge der Gesellschaft angeht. Dass es faschistische, kommunistische, sozialistische oder anarchistische Parteien gibt, ist nach dieser Logik eigentlich undenkbar. Dass sie dennoch existieren, kann drei Gründe haben:
  • Die Parteien sind biegsam und passen sich aus reinem Eigennutz den bestehenden Verhältnissen an. Ihre Ziele haben sie längst aus den Augen verloren oder verraten.
  • Die Parteien verstellen sich, um unter dem Radar der Verbotsdrohung um Anhänger*innen zu kämpfen, die dann - so die Hoffnung - mehr wollen als ein bisschen Mitmachen im Parlamentarismus.
  • Der Staat lässt die eher ziemlich kleinen Parteien gewähren, um sie nicht wichtiger zu machen, als sie sind - und um die Chance zu erhalten, dass sich politische Heißsporne im politischen Alltag die Hörner abstoßen und auch tatsächlich zu zahmen Kritiker*innen werden, die dem ausbeuterischen und hierarchischen System den Anschein von Pluralität und Liberalität geben.
Vermutlich wirken alle drei Aspekte - je nach Partei, die es betrifft - mehr oder weniger zusammen.

Die weiteren drei Absätze des Artikel 21 GG führen die Aussagen des zweiten Absatzes weiter aus und klären, wer für Verbote zuständig ist.


Das eher konservative Magazin Focus kommentiert:
Die SPD liefert Waffen in ein Kriegsgebiet. Die Grünen kaufen Gas in Katar. Die FDP macht Schulden. Putins Krieg rafft gerade so gut wie alle Gewissheiten der deutschen Politik hinweg. Es herrscht im Grunde Kriegswirtschaft, oder vorsichtiger: der erste Teil davon.
Es geht jetzt alles so schnell, wer weiß schon was noch alles passiert. Den Energiedeal mit den steinzeit-islamitischen Scheichs von Katar findet der grüne Bundeswirtschaftsminister nun „großartig“. Angesichts dieser Schwärmerei von Robert Habeck weiß man nicht so recht, wieviel Grossartigkeit man sich noch wünschen soll.


Aus Ulrich von Alemann, (2003), "Das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland", Leske+Budrich in Opladen, Lizenzausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung (S. 82)
Politikwissenschaftler haben verwundert beobachtet, dass die Aufgabenfülle, die die Parteien aus diesem simplen Satz des Grundgesetzes abgeleitet haben, "geradezu unendlich" sei. Sie nominieren die Kandidaten für die Parlamente, beschließen die Wahlprogramme, bilden die Fraktionen im Parlament, wählen die Regierungen und stellen die Minister, beschließen Gesetze und den Haushalt, kontrollieren die Verwaltung, bestimmen die Rechtspolitik, kontrollieren die öffentlich-rechtlichen Medien und mischen selbst bei der Wahl von Bundesligapräsidenten, Karnevalsprinzen und Kreiskrankenhausdirektoren mit.

Aus Gerhard Leibholz (1973), "Verfassungsstaat - Verfassungsrecht", Stuttgart (S. 76f., 81), zitiert nach Alemann (2003, s.o.)
Die politischen Parteien haben (...) die Stellung von Parlament und Abgeordneten grundsätzlich verändert. (...)
Der Abgeordnete ist nicht mehr im Sinne des parlamentarischen Repräsentativsystems ein 'Vertreter des ganzen Volkes, der an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur seinem Gewissen unterworfen ist'. ...
(allein die Parteien) ... die Möglichkeit haben, die Wähler zu politisch aktionsfähigen Gruppen zusammenzuschließen und daß die Parteien das Sprachrohr sind, dessen sich das mündig gewordene Volk bedient, um sich aritkuliert äußern zu können, und in der politischern Sphäre handlungsfähig zu werden. (...) Die 'Mediatisierung' des Volkes durch die Parteien (gehört) sozuzsagen zum Wesen der modernen Demokratie. In dieser haben die Parteien die Tendenz, sich mit dem Volk zu identifizieren; noch pointierter ausgedrückt, sie erheben den Anspruch, das Volk zu sein.


Leibholz war langjähriger Bundesverfassungsrichter und hat erheblichen Einfluss auf deren Rechtsauslegung gehabt, sprich: Auch die Jurikative anerkannte die herausgehobene Stellung der Parteien. Aus einem Urteil des BVerfG am 5.4.1952 (BVergE 1, S. 223-228; zitiert nach Alemann (2003, s.o.), vgl. Wortlaut oben:
In der Demokratie von heute haben die Parteien allein die Möglichkeit, die Wähler zu politisch aktionsfähigen Gruppen zusammenzuschließen. Sie erscheinen geradezu als das Sprachrohr, dessen sich das mündig gewordene Volk bedient, um sich aritkuliert äußern und politische Entscheidungen fällen zu können. (...) Heute ist jede Demokratie zwangsläufig ein Parteienstaat. (...) Die Parteien sind in die Verfassung eingebaut. Ein solcher Einbau enthält die Anerkennung, daß die Parteien nicht nur politisch und soziologisch, sondern auch rechtlich relevante Organisationen sind. Sie sind zu integrierenden Bestandteilen des Verfassungsaufbaus und des verfassungsrechtlich geordneten politischen Lebens geworden. Sie stehen daher nicht wie andere soziale Gebilde nur in einer verfassungsmäßig gesicherten Position dem Staate gegenüber.

Europa-Identifikation nur über Parteien!
Aus Leinen, Jo, "Europa braucht Parteien" in: FR, 25.2.2006 (S. 9)
Politische Parteien sind für die parlamentarische Demokratie von entscheidender Bedeutung. Das ist auf der nationalen Ebene so und das gilt auch für die Europäische Union. Politische Parteien sind unverzichtbar für die Bündelung der verschiedenen Interessen in der Gesellschaft und sie transportieren die Botschaften der Bürgerinnen und Bürger zu den Regierungs-Organen. ...
Im Entwurf des Parteienberichts wird auch eine Debatte über "Europäische Listen" für die Wahlen zum Europäischen Parlament gefordert. ... Mit europäischen Spitzenkandidaten der Parteifamilien vor den Europawahlen hätten die Bürgerinnen und Bürger echte Alternativen. Der Kommissionspräsident als Chef der europäischen "Regierung" sollte in Zukunft aus den Wahlen zum Europäischen Parlament hervorgehen und nicht mehr aus einer Kungelrunde hinter verschlossenen Türen des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs nach der Wahl. Die Europäische Verfassung sieht übrigens genau das vor. Mit der Benennung von Spitzenkandidaten würde die Europapolitik ein Gesicht bekommen. Die Attraktivität und Beteiligung an den Europawahlen könnte dadurch gesteigert werden und die EU insgesamt an Legitimität gewinnen.


Aus Buchenberg, Wal, "Das Wahlergebnis der Linken" auf Indymedia, 28.3.2006
Unser Grundgesetz behauptet zwar, dass "das Volk" der Souverän sei, und in der Politik das sagen habe. Tatsächlich waren aber die Macher des Grundgesetzes überzeugte Antideutsche, die dem deutschen Volk misstrauten bis in die Knochen. Wer in unserem Staat außer den hauptamtlichen Entscheidungsträgern was zu sagen hat, das sind allein die Parteien. Die gesamte "politische Klasse" wird bis auf geringe Ausnahme von Parteimitgliedern gestellt. Kaum ein öffentliches Amt wird ohne Blick auf das Parteibuch vergeben, sämtliche politischen Institutionen sind von Parteimitgliedern beherrscht, die Parlamente sowieso.

Wie neue Parteien politische Bewegungen zerstören ...

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