Biotopschutz

BIOTECH NEEDS A SENSE
GENTECHNIK BRAUCHT DIE SENSE!

Aus "Critical Art Ensemble - Die molekulare Invasion"


1. Für eine gentechnikfreie Landwirtschaft
2. Seiten mit Aktionsideen, Tipps und Berichten
3. Aus "Critical Art Ensemble - Die molekulare Invasion"
4. Material für Aktionen
5. Felder und Pflanzen
6. Rechtliches
7. Links

Das Buch erschien im Jahr 2006 im Unrast-Verlag, Münster

Streiche spielen
Wenn unscharfe biologische Sabotage irgendeine Wurzel hat, dann liegt diese im Bereich der Streiche. Die meisten LeserInnen kennen vermutlich die eine oder andere Geschichte über einen Streich, in dem biologische Akteure eine Rolle gespielt haben. Ein Klassiker unter den Streichen ist z.B., tote Mäuse oder Fische (die Stinkbomben der Natur) in den Heizungsrohren der Schule oder anderen reglementierenden Institutionen zu deponieren. Dies ist allerdings nicht die Sorte Streich, die für die unscharfe Sabotage interessant ist. Streiche der unscharfen biologische Sabotage dienen weder der 'Unterhaltung', noch sollten sie peinliche Situationen oder Ärger hervorrufen. Vielmehr sollten sie psychologische Unruhe auslösen - eher ähnlich der Idee, vor einer öffentlichen Rede LSD in Castros Zigarren oder Getränke zu mischen (um ein Beispiel aus dem CIA-Schabernack-Buch zu nennen). Streiche können benutzt werden, um paranoide Gedanken, die häufig in Institutionen anzutreffen sind, zu verstärken oder Aufmerksamkeit auf sinnlose Aktivitäten zu lenken. Streiche können auf ihre eigene Art den Lauf der Dinge verlangsamen.
Das Freilassen mutierter Fliegen in Forschungseinrichtungen und benachbarten Büros kann z.B. möglicherweise einen beunruhigenden Effekt haben. Auf dem Markt sind allerlei Arten mutierter Fliegen frei käuflich. Es gibt sie in verschiedenen Farben, mit jeder wünschbaren Form von Missbildung. Labore benutzen sie für generationsübergreifende Forschung zu Populationen, weil sie einfach zu züchten sind, sich schnell reproduzieren und dabei leicht identifizierbare, ungewöhnliche genetische Codes behalten. Wählt eine Sorte mutierter Fliegen aus und beginnt damit, sie stetig in Biotech-Einrichtungen freizusetzen (das funktioniert auch sehr gut in atomaren Einrichtungen)! Sie können in Eingangshallen, Tiefgaragen, geparkten Autos - fast überall - freigesetzt werden. Es ist dabei überhaupt nicht notwendig, selbst in eine gesicherte Zone einzudringen - es sei denn, ihr wollt ein ganz spezifisches Ziel treffen -, die Fliegen erledigen die Infiltrierung von ganz allein. Ihr müsst lediglich in der Nähe der Einrichtung sein und einige Schwärme von ihnen freisetzen (der Schlüssel hierbei ist Stetigkeit, nicht Menge.).
Sobald die Fliegen regelmäßig von Unbeteiligten gesichtet werden, werden die Leute sich fragen, woher diese seltsamen Kreaturen wohl kommen und was der Grund für ihr Auftauchen ist.. Es ist beinahe überflüssig zu erwähnen, dass die erste Schlussfolgerung nicht sein wird, dass durch einen Akt unscharfer Sabotage wohl ein paar mutierte Fliegen in die Büros gelangt sind. Die Phantasie der Menschen wird vielmehr exotischere Szenarien entwickeln. Wir können davon ausgehen, dass die Gerüchteküche brodeln wird und Angst und Verschwörungstheorien deutlich zunehmen werden. Und eine paranoide Belegschaft ist eine ineffiziente Belegschaft, was wiederum zu einer Verlangsamung des Systems führt. Im besten Fall wird die Einrichtung, eine überflüssige kosten- und arbeitsintensive Untersuchung durch führen, um die Herkunft der Fliegen zu klären. Im schlechtesten Fall wird der Streich lediglich ein Gesprächsthema für die Pause liefern.
Falls es in der Nähe der Forschungseinrichtung noch weitere Unternehmen gibt, dann lasst die Fliegen auch dort frei! Restaurants sind besonders geeignete Einsatzorte, da sich deren KundInnen dort eine Welle aufhalten und Fliegen in Umgebungen, in den Lebensmittel serviert werden, besondere Aufmerksamkeit erregen. Das kann den Effekt haben, dass sich der Argwohn der örtlichen UnternehmerInnen und ArbeiterInnen darauf richtet, was in den nahe gelegenen Laboren geschieht. Es braucht nicht extra erwähnt zu werden, dass sich damit lokale Spannungen leicht intensivieren können und so diejenigen, die sich niemals an einer Widerstandsbewegung beteiligen würden, zu ahnungslosen MitläuferInnen oder bereitwilligen BündnispartnerInnen werden können.
Streiche wie dieser sind einfach und preiswert. Was die Fliegen angeht: denen ist es wirklich egal, wo sie sich befinden, solange es sich um einen Ort handelt, der mit ihrem Anpassungsbereich übereinstimmt. Für die Umwelt ist die Gefahr vernachlässigbar gering. Mutierte Fliegen haben in der Natur keine Anpassungsvorteile, und es ist unwahrscheinlich, dass ihre rezessiven Charakteristika auf evolutionärer Ebene ein positives Auswahlkriterium sind. Sie sind nicht besonders leistungsfähig, wenn es um das Überleben geht. Niemand braucht sich hinsichtlich einer Umweltverschmutzung Sorgen zu machen. Die Verschmutzung findet in der menschlichen Psyche statt. Und ist es nicht besser, wenn sich eine mutierte Fliege für den Widerstand erhebt, als wenn sie ihr Leben in Labor-Knechtschaft fristet?
Leute, die selbst mutierte Fliegen züchten wollen, können damit recht einfach und ohne große Kosten beginnen, und wenn sie die Fliegen gut pflegen, werden sie sich schnell einer stattliche Anzahl erfreuen. Die Fliegen kosten nichts und können über das Internet beim Bloomington Fly Center bestellt werden. Für ihre Pflege sind Fliegenflaschen notwendig (sie fassen etwa 100 Fliegen); bei knappem Geldbeutel können aber auch Milchflaschen benutzt werden. Fliegenfutter wird aus Melasse, Hefe und Apfelsaft hergestellt. Um die richtige Konsistenz zu erreichen, ist ein wenig Arbeit erforderlich. Es gibt dafür jedoch auch Maschinen (die sind allerdings teuer). Zum optimalen Züchten ist eine Umgebung mit relativ stabiler Temperatur erforderlich. Die Fliegen sollten bei einer Temperatur zwischen 18 und 25'C und einer Luftfeuchtigkeit zwischen 40% und 50% gehalten werden. Fliegen sind recht robust, vertragen aber keine extremen Temperaturen (insbesondere keine Hitze). Ihre Lebenszeit beträgt etwa einen Monat, d.h. die Produktion eines Schwarms (10.000 Fliegen) ist eine arbeitsintensive, fließbandartige Tätigkeit, aber es ist kein großer Aufwand, eine kleinere Anzahl über einen längeren Zeitraum zu halten und dann bei Bedarf rrüt der Produktion größerer Mengen zu beginnen.

Zerstörung von Versuchsfeldern
In den letzten 40 Jahren haben sich die organisatorischen Grundsätze von Widerstandsgruppen enorm verbessert Viele haben sich leichten Herzens von Zentralkomitees, Gewerkschaften und Parteien verabschiedet und sie durch autonom agierende Kleingruppen und zeitweilige themenbezogene Bündnisse mit ständig wechselnder Führung ersetzt. Der Slogan "The people united will never be defeated" wurde durch die pragmatischere Idee ersetzt, dass taktische Kooperationen politischer Widerstandsgruppierungen zu einem aktuellen und spezifischen Zweck eine systemische Wirkung haben können, trotz der Unterschiede und Widersprüche innerhalb der Bündnisse. Die Bereitschaft, sofort und dezentral zu handeln, hat sich als die beste Verteidigung gegen Infiltration und Zähmung durch Integration erwiesen und außerdem zur Bildung kraftvoller, wenn auch nur zeitweiliger Massenmobilisierungen beigetragen. Bedauerlicherweise haben die Widerstandstaktiken nicht immer das gleiche Level an Raffinesse und Komplexität halten können. Das ist nicht unbedingt der Fehler der AktivistInnen, da die taktischen Möglichkeiten nicht immer offenkundig sind. Hinzu kommt, dass radikale Subjekte häufig zu schnellem Handeln gedrängt sind - insbesondere bei neuen Auseinandersetzungen. Es bleibt wenig Zeit, alles zu bedenken, denn mit jedem Moment, der vergeht, verwurzelt sich der Gegenstand des politischen Anstoßes zunehmend materiell und ideologisch im System. Radikale Forschung und Entwicklung ist ein Luxus und deshalb im Verhältnis zur direkten Aktion unterentwickelt geblieben.
Dies wird deutlich in Bezug auf die GVOs. Es hat eine ganze Menge radikaler direkter Aktionen gegeben, aber die Taktiken waren unglaublich plump. Brandstiftung und Vandalismus sind nur Zeichen der Verzweiflung und eines erheblichen Ungleichgewichts zwischen Denken und Handeln. Wenn wir die Beispiele von Professor Najundaswarny und seinen AnhängerInnen in Indien, José Bové und seinen AnhängerInnen in Frankreich und vor allem der Earth Liberation Front (ELF) in den USA betrachten, dann hatte die Zerstörung solcher Ressourcen nur sehr begrenzte Folgen für das Kapital.
Die Inszenierung eines Gegenspektakels stand offensichtlich im Vordergrund. Damit soll nicht gesagt werden, dass diese Methoden keine Vorteile hätten. Feuer beispielsweise funktioniert bei allen landwirtschaftlichen Nutzpflanzen; es ist billig in der Erzeugung und garantiert eine verheerende Zerstörungsrate. Die Probleme liegen allerdings ebenso auf der Hand. Die Illegalität der direkten Sabotage durch Brandstiftung schafft eine ganze Menge an Problemen für die TäterInnen. Wie schon beschrieben, erlaubt diese Art von Sabotage den Unternehmen "Terrorismus" zu schreien, und sich so als Opfer einer furchtbaren Ungerechtigkeit darzustellen. Die Folge kann ein Erstarken der Sicherheitsapparate von Staat und Unternehmen sein, denn Sabotage kann den Forderungen der Sicherheitskräfte nach mehr Geld und Personal zusätzliches Gewicht verleihen. Außerdem kann das kapitalistische Spektakel allen widerständigen Organisationen eine Kollektivschuld zuweisen. In der Folgezeit geraten dann größere Teile der Bewegung in den Fokus direkter Ermittlungen und in der Öffentlichkeit erscheinen alle UmweltschützerInnen als - zumindest potentielle - Bio-Terroristen. Folglich müssen SaboteurInnen mit einer langen Haft rechnen, wenn sie gefasst werden. Der Verlust enegierter AktivistInnen durch langjährige Gefängnisstrafen ist nicht hilfreich. Kurze Gefängnisaufenthalte im Rahmen des zivilen Ungehorsams sind vertretbar, da die Inhaftierten relativ schnell in die eigenen Reihen zurückkehren. Politische Gefangene haben als lebende MärtyrerInnen jedoch weder einen wünschenswerten noch einen besonders nützlichen Status, solange andere Optionen existieren.
Wenn wir die Geschichte der staatlich-militärischen Sabotage untersuchen, können wir eine hilfreiche Sammlung von Angriffsprinzipien ausmachen. Erstens: Nutze nur das geringste Maß an Gewalt, das notwendig ist, um ein Ziel zu erreichen - Mücken sollten nicht mit dem Gewehr getötet werden l Zweitens: Konzentriere den Angriff auf das schwächste Glied im System! Das klassische Beispiel ist die Strategie der Alliierten im Zweiten Weltkrieg, alle deutschen Kugellagerfabriken zu bombardieren. Diese Metallkugeln wurden für alle Fahrzeuge gebraucht. Ihre konzentrierte Zerstörung brachte die Fahrzeugproduktion und -wartung fast völlig zum Erliegen. Ein anderes Prinzip, das während dieser Bombardierungen zum Einsatz kam, war das akkurate und präzise Zielen mittels avancierter Zielsysteme (ein Bereich militärischer Forschung und Entwicklung, der bis heute an Größe und Differenzierung stetig zugenommen hat). Selbst aus militärischer Perspektive ist das Flächenbombardement einer Stadt zum Zweck der Zerstörung einer Fabrik eine unnütze Verschwendung von Ressourcen. Während AktivistInnen mit dem zweiten Prinzip gut zurechtkommen, beherrschen sie das erste und dritte eher schlecht. Das Inbrandsetzen von Nutzpflanzen und Laboren ist sicherlich zu viel des Guten. Zielgenauigkeit wird hierbei auch nicht angewandt. Eines der Probleme, das UmweltschützerInnen häufig thematisieren, ist der potentielle Tod von Tieren und Pflanzenarten, die nicht zur Zielgruppe des Gentechnikprodukts gehören. Feuer hat denselben nicht-spezifischen Effekt.

Welche Methode ist nun die beste, um die GVO-Forschung zu stören, wenn wir die oben genannten Prinzipien anwenden und mit unscharfer Sabotage verbinden wollen?
Forschungseinrichtungen als Widerstandsorte sind eine ausgezeichnete Wahl. Trotz der Tatsache, dass Unternehmen in der Regel von EPA und USA einen Persilschein zur Verrnarktung ihrer Produkte bekommen, solange sie einen minimalen Forschungsaufwand nachweisen können, der demonstriert, dass ein Produkt 'sicher' ist, müssen sie doch immerhin irgendwelche Forschung betreiben. Wenn ihnen das nicht gelingt, ist die Produktlinie blockiert. Da diese Art Forschung sehr rigiden Protokollen folgt, um den gültigen Standards wissenschaftlicher Strenge zu entsprechen, ist die Störung, von Versuchen sehr einfach. Zwei besonders anfällige Bereiche sind die Probenentnahme und die Versuchswiederholungen. Im Falle einer Vermischung muss die Studie von vom beginnen, weil der Versuch nicht die notwendige statistische Aussagekraft besitzt. Wenn beispielsweise anhand der Größe von Würmern die Bodentoxizität in der Umgebung von Bt-Produkten untersucht wird, reicht es bereits, mehrere Würmer mit unterschiedlichem Gewicht der Probe beizufügen. Den ForscherInnen wird vermutl ich auffallen, dass ihre Probe verändert wurde, aber es wird ihnen nicht möglich sein, die Probe zu säubern. Die Studie müsste von vom beginnen. Die Einrichtun- muss nicht bis auf die Grundmauem abgebrannt werden, um die erwünschte Verzögerung im System zu erreichen. Es ist weder notwendig, Organismen außerhalb der Zielgruppe zu töten noch andere Forschungsinitiativen, die keinerlei Schaden verursachen, aber möglicherweise die gleiche Einrichtung nutzen, zu behindern oder zu zerstören. Die oben skizzierte Aktion hingegen ist billig, erfordert nur minimale menschliche Ressourcen und ist spezifisch zielorientiert.
Das Fehlen organischer Grenzen zwischen ökologischen Systemen ermöglicht radikalen Leuten die Mittel der Unternehmen gegen die Unternehmen selbst einzusetzen. Die Felder und Saatgutvorräte des kanadischen Farmers Percy Schmeiser wurden durch benachbarte Monsanto-"Roundup Ready"Felder verunreinigt. In Kanada sind Biotech-Unternehmen berechtigt, sämtliche Ackerpflanzen zu untersuchen. Nachdem sie Mr. Schmeisers Rapsfelder untersucht hatten, entdeckten sie die Hybridpflanzen und verklagten ihn wegen Patentverletzung. Dass Mr. Schmeiser seit 53 Jahren Raps auf 'traditionelle' Weise anbaute und gar keine Gentech-Pflanzen wollte, spielte keine Rolle. Stattdessen wurde an ihm ein Exempel statuiert, um alle Gegner des gentechnisch veränderten Saatguts abzuschrecken. Du wirst also so oder so angegriffen. Wie dieser Fall gezeigt hat, ist die Möglichkeit einer Gegenklage zwar vorhanden, aber Privatklagen gegen kapitalgesättigte Unternehmen haben keine große Aussicht auf Erfolg.
Der für Akteur/Innen der unscharfen biologischen Sabotage interessante Teil dieser traurigen Geschichte ist, dass private Grenzen nicht als souveräne anerkannt werden, wenn sie von nicht-menschlichen organischen AkteurInnen übertreten werden. Du hast ein Problem mit einer Versuchspflanze? Dann versuch es doch mal mit der Zucht frei laufender Ratten (ziemlich billig) und lass so viele wie möglich in der Nähe des problematischen Geländes frei. Maulwürfe, Erdhörnchen, Murmeltiere, Kaninchen, Mäuse oder jedes Lebewesen, das nicht für die vorhandenen Toxine anfällig ist, könnten ebenfalls in der Nähe des Versuchsgeländes massenhaft freigelassen werden. Schließlich sind die Gesetze zum Schutz des Privateigentums bzw. die Paragraphen über Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung auf sie nicht anwendbar. Noch einmal: Es muss nicht die gesamte Ernte zerstört werden, sondern nur so viel, dass keine Proben mehr genommen werden können, die repräsentativ für die Gesamtfläche sind.

bei Facebook teilen bei Twitter teilen

Kommentare

Bisher wurden noch keine Kommentare abgegeben.


Kommentar abgeben

Deine aktuelle Netzadresse: 3.144.115.202
Name
Kommentar
Smileys :-) ;-) :-o ;-( :-D 8-) :-O :-( (?) (!)
Anti-Spam