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UMFASSENDE DEMOKRATIE?

Das Grundlagenprogramm


1. Aus dem Buch "Demokratie" (SeitenHieb-Verlag)
1. Texte aus Klassikern und aktuellen Theoriewerken (Übersicht)
3. Das Grundlagenprogramm
4. Staat ohne Herrscher
5. Input-orientierte und output-orientierte Demokratie
6. Von den natürlichen Bedingungen der Menschheit im Hinblick auf ihr Glück und Unglück
7. Hamilton/Madison/Jay: Verfassungskommentar
8. Revolution der Demokratie
9. Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein
10. Niklas Luhmann: Die Zukunft der Demokratie
11. Vom Gesellschaftsvertrag
12. Joseph Schumpeter: Elitetheorie
13. Max Weber: Politik als Beruf
14. Die bürgerliche Elite zu ihrem Liebling "Demokratie"
15. Der Staat
16. Thomas von Aquin: Über die Herrschaft des Fürsten
17. Input-orientierte und output-orientierte Demokratie
18. Führungsschicht und einzelner Bürger
19. Die Machtfrage bei Hobbes und Spinoza
20. Vom Staatsrechte, oder dem Rechte in einem gemeinen Wesen
21. Hardt/Negri: Multitude

Die folgenden Auszüge stammen aus dem Buch "Umfassende Demokratie". Dort wird versucht, eine demokratische Form der Entscheidungsfindung zu entwerfen, die dann herrschaftsfrei sein soll.

Rezension (Quelle: Direct-Action-Kalender 2005)
Takis Fotopoulos
Umfassende Demokratie
(2003, Trotzdem in Grafenau, 480 S., 19 Euro)
Die Stärke des Buches ist die Analyse der demokratischen Modelle dieser Welt, der Marktwirtschaft, der globalisierten Welt, des Realsozialismus und autoritärer Staaten. Auch die geschichtlichen Überblicke der Entwicklung der Demokratie bieten kritische Einblicke. Mit den eigenen Entwürfen hat es der Autor dann aber weniger genau - ständig blendet er Probleme aus, die mit der Delegation von Aufgaben permanent entstehen. Sogar Milizen und Gerichte (also auch Strafe usw.) hält er für anarchistisch, wenn die Ausführenden nur direkt-demokratisch bestimmt werden. Ähnlich rosarot ist sein Blick oft auf die historische Demokratie Athens - Fotopoulos ist in Griechenland geboren ...

Seite 427 ff.

Umfassende Demokratie: Unsere Ziele
a. Die Ursache für die gegenwärtige multidimensionale (politische, wirtschaftliche, soziale, ökologische und kulturelle) Krise ist letztlich in der Konzentration der Macht in den Händen diverser Eliten zu suchen, die ihrerseits das unvermeidliche Resultat der Dynamik der wirtschaftlichen und politischen Organisationsformen ist, die vor gerade erst zwei Jahrhunderten in der westlichen Welt entstanden sind: des Systems der Marktwirtschaft und seines politischen Gegenstücks, der repräsentativen "Demokratie".

b. Die Überwindung der chronischen Krise, die mit der Entstehung dieses Systems begann und sich im Lauf der letzten Jahre mit der Intemationalisierung der Marktwirtschaft verschärft hat, ist daher nicht durch eine Reformierung des Systems möglich, wie es utopischerweise von Anhängern der "Zivilgesellschaft" sowie grünen Parteien und Organisationen behauptet wird, die damit letztlich als Apologeten des Systems fungieren. Die Überwindung der Krise ist nur durch die Schaffung einer neuen Form der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Organisation möglich, welche auf all diesen Ebenen für eine gleichberechtigte Aufteilung der Macht unter den Bürgerinnen und Bürgern sorgt. Insofern ist umfassende Demokratie nicht einfach eine weitere Utopie, sondem eine neue Form der sozialen Organisation, die über die Sicherung einer gleichen Verteilung der Macht auf allen Ebenen die Überwindung der gegenwärtigen multidimensionalen Krise ermöglicht.

c. Umfassende Demokratie stellt die höchste Form der Demokratie dar, weil sie die institutionellen Vorbedingungen für politische (oder direkte) Demokratie, wirtschaftliche Demokratie, Demokratie im sozialen Bereich und ökologische Demokratie etabliert. Auf der subjektiven Ebene gründet sich direkte Demokratie auf die bewusste Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger für Autonomie, und nicht auf Dogmen, Religionen und irrationale Systeme oder abgeschlossene theoretische Lehrgebäude, welche jede Infragestellung der letztlichen Gründe für die jeweiligen Überzeugungen ausschließen. Diese bewusste Entscheidung für Autonomie ist der Grundstein der Demokratie.

d. Politische Demokratie erfordert die Schaffung von Institutionen direkter Demokratie auf der politischen Ebene, so dass alle Entscheidungen von den demotischen Versammlungen getroffen werden, d.h. den örtlichen Bürgerversammlungen auf der Ebene des demos. Demotische Versammlungen föderieren sich auf der regionalen, nationalen und schließlich auch kontinentalen und globalen Ebene. Föderale Versammlungen bestehen aus (normalerweise per Rotations- oder Zufallsprinzip ausgewählten) Delegierten, die von den demotischen Versammlungen jederzeit wieder abberufen werden können. Die Funktion der föderalen Versammlungen besteht nur in der Implementierung und Koordinierung der politischen Entscheidungen der demotischen Versammlungen. Politische Demokratie sorgt daher für die Wiederversöhnung von Gesellschaft und Gemeinwesen und ersetzt den Staat als losgelöste Autorität über die Bürger, Verhältnisse also, welche die Bürger dem Wesen nach in Untertanen verwandelt haben.

e. Wirtschaftliche Demokratie erfordert die Schaffung von Institutionen kollektiven Eigentums an den produktiven Ressourcen (d.h. den Quellen des gesellschaftlichen Reichtums) sowie kollektive Kontrolle über diese Institutionen durch die demotischen Versammlungen. Das System der Marktwirtschaft, das zu der heute herrschenden gewaltigen Konzentration des Reichtums in den Händen Weniger sowie zu Arbeitslosigkeit Unterbeschäftigung, Unsicherheit dem Niedergang öffentlicher Dienstleistungen und der ökologischen Katastrophe geführt hat würde durch die neuen Institutionen demokratischer Kontrolle über die Produktionsmittel ersetzt werden. Diese Institutionen würden sich zum Ziel setzen, einerseits die Grundbedürfnisse aller Bürger zu befriedigen und andererseits die Wahlfreiheit der einzelnen Bürgerin und des einzelnen Bürgers im Hinblick auf die Befriedigung ihrer/seiner nicht grundlegenden Bedürfnisse nach Maßgabe der jeweils nach eigener Entscheidung dafür aufgewendeten Arbeitszeit sicherzustellen. Wirtschaftliche Demokratie sorgt daher für die Wiederversöhnung von Gesellschaft und Wirtschaft und ersetzt die Geld? und Marktwirtschaft und die mit ihr einhergehende Spaltung der Bürgerinnen und Bürger in Privilegierte, die jedes ihrer realen oder imaginären Bedürfnis mehr als befriedigen können, und Nicht?Privilegierte, denen sogar die Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse verwehrt bleibt.

f. Demokratie im sozialen Bereich erfordert die Schaffung von Institutionen der Selbstverwaltung in den Fabriken, Büros und sonstigen Stätten der Produktion ebenso wie in den Institutionen von Bildung und Kultur (Kunst, Medien usw.). Die Arbeiterräte, die Studentenräte usw. sorgen für die Selbstverwaltung der Produktionsstätten, des Bildungswesens usw. und lassen sich dabei von den durch die demotischen Versammlungen gesetzten Ziele sowie die Präferenzen der Bürger als Produzenten, aber auch als Konsumenten leiten. Ein Modell, das beschreibt, wie die Entscheidungen der Bürgerinnen und Bürger als Mitglieder der demotischen Versammlungen mit den Entscheidungen der Bürgerinnen und Bürger als Mitglieder der selbstverwalteten Institutionen in Einklang gebracht werden könnten, findet sich in Vol. 3, No. 2 (1995) der Zeitschrift Democracy & Nature und, wesentlich ausführlicher, in dem Buch Umfassende Demokratie. Die Antwort auf die Krise der Wachstums- und Marktwirtschaft.

g. Ökologische Demokratie erfordert die Schaffung von Institutionen und einer Kultur, welche für die Reintegration von Gesellschaft und Natur sorgen. Das bedeutet dass das Ziel der wirtschaftlichen Aktivität nicht in der heutigen, ökologisch katastrophalen "Entwicklung" besteht, die der Gesellschaft durch den Wettbewerb und die Erfordernisse des Profits aufgenötigt wird, sondern in der Befriedigung der Bedürfnisse aller Bürgerinnen und Bürger auf eine Art, die jene wahre Lebensqualität hervorbringt, die nur durch eine harmonische Beziehung zwischen Gesellschaft und Natur entstehen kann. Ökologische Demokratie kann daher weder innerhalb des heutigen Systems der Marktwirtschaft und der daraus folgenden "Wachstumsökonomie" erreicht werden, noch in irgendeinem anderen hauptsächlich auf Wachstum abzielenden System wie dem zentralisierten System des realexistierenden Sozialismus".

h. Umfassende Demokratie ist weder das Ergebnis eines durch irgendwelche "Gesetze oder Tendenzen" der natürlichen oder sozialen Evolution determinierten dialektischen Prozesses in Natur oder Gesellschaft noch einfach eine weitere Utopie wie etliche andere im libertären Rahmen. Umfassende Demokratie ist daher unvereinbar mit jeglichem abgeschlossenen theoretischen System und natürlich auch mit jeder Art von religiösem oder nicht religiösem lrrationalismus. Das Projekt der umfassenden Demokratie strebt den Aufbau einer massiven Bewegung an, die sowohl die Synthese als auch die Überschreitung der sozialen Bewegungen für Sozialismus, Demokratie und Autonomie sowie der neuen sozialen Bewegungen für Gleichheit ungeachtet von Geschlecht, Abstammung, Herkunft usw. darstellen wird.

i. Der Übergang zur umfassenden Demokratie setzt daher die Schaffung einer Bewegung auf lokaler, regionaler, nationaler und schließlich globaler Ebene voraus, die auf die Ersetzung des Systems der Marktwirtschaft und der repräsentativen "Demokratie" durch Institutionen direkter, wirtschaftlicher, ökologischer Demokratie sowie Demokratie im sozialen Bereich abzielt. Diese Bewegung interveniert auf allen Ebenen (der politischen, wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und kulturellen Ebene), um neue Institutionen und Formen der Kultur zu schaffen. Diese Intervention manifestiert sich nicht nur durch die Schaffung alternativer Formen des individuellen Lebens (d.h. durch Beispiel), direkte Aktion oder Teilnahme an den örtlichen Wahlen, sondern durch die Kombination dieser und ähnlicher Handlungsformen - unter der Bedingung, dass diese Aktivitäten integraler Bestandteil eines umfassenden politischen Programms für radikale soziale Veränderungen hin zu einer umfassenden Demokratie sind. Die Teilnahme an lokalen Wahlen (den einzigen Wahlen, die mit dem Ziel umfassender Demokratie vereinbar sind) zielt ausschließlich auf die massenhafte, gesellschaftlich bedeutsame Schaffung von Institutionen und kulturell en Formen auf der Basis umfassender Demokratie. Dabei besteht das eigentliche Ziel in der Schaffung einer Doppelmacht im Hinblick auf das bestehende System durch die Entwicklung eines tiefgehenden Bewusstseins, wie es durch den Kampf gegen die bestehenden Institutionen und durch den Kampf für neue Institutionen und die Etablierung dieser neuen Institutionen selbst entsteht. Wenn die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger die Prinzipien demokratischer Organisation akzeptiert hat und sich en masse an den neuen Institutionen beteiligt, kann keine Macht der Weit den Zusammenbruch des alten Systems der Machtkonzentration in den Händen der Wenigen verhindern ? einer Machtkonzentration, welche die Ursache sämtlicher Probleme für den Großteil der Menschheit bildet. Die Strategie des Übergangs zu einer umfassenden Demokratie ist im einzelnen dargestellt in Democracy & Nature (Vol. 8, No. 1, 2002).

j. Das Zwischenziel des Projektes für umfassende Demokratie besteht im Aufbau eines Bürgernetzwerks für umfassende Demokratie, welches durch Vorträge, Seminare, politische Interventionen sowie die Publikation von Büchern, Zeitschriften und Zirkularen die Schaffung eines alternativen Bewusstseins anstrebt, um dadurch zur Entstehung einer breiteren Bewegung für den Übergang zu umfassender Demokratie beizutragen.

Für weitere Informationen zu diesen Themen siehe

Anmerkung: Der Text ist der griechischen Zeitschrift Periektiki Dimokratia (Umfassende Demokratie) entnommen.

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