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STRAFE

Satire: Vorschlag für ein ehrliches Strafgesetzbuch ...


1. Einleitung
2. Welchen Sinn macht Strafe?
3. Wem dienen die Strafgesetze?
4. Strafe und Soziales
5. Schöner Schein: Behaupteten und verborgene Motive des Strafens
6. Satire: Vorschlag für ein ehrliches Strafgesetzbuch ...
7. Strafe überwinden!
8. Doch trotzdem heißt es überall: Mehr Strafe!
9. Kritisches zu Strafe
10. Verlautbarungen gegen Strafe und Knast
11. Religiöser Fundamentalismus und Strafe
12. Links und Materialien

Ein Vorschlag für eine Neuformulierung ...

Abschnitt I: Allgemeines
§ 1 Ziele
Das Strafgesetzbuch dient der Durchsetzung von Normen und Gesetzen, die von den Herrschenden aus ihren Interessen sowie zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Institutionen beschlossen wurden.

§ 2 Ausnahmen
Wirkt sich die Regelung in einem Paragraphen dieses Strafgesetzbuches so aus, dass gegen die Interessen der Herrschenden und ihrer Institutionen zu handeln ist, so tritt automatisch Paragraph 1 in Kraft.

§ 3 Wahrheit
Die Rechtssprechung ist wahrheitsschaffende Instanz. Was durch Rechtsprechung verkündet wird, ist fortan als Wahrheit anzusehen und darf nicht ungestraft in Zweifel gezogen werden – es sei denn durch Institutionen der Rechtssprechung.

§ 4 Urteil
Jedes Urteil erfolgt „im Namen des Volkes“. Das Volk ist die Stimme des Richters. Etwaige Personen aus der Bevölkerung haben zu schweigen, da schon in ihrem Namen gesprochen wird. Das Volk besteht nur aus seiner Vertretung, die konkreten Menschen können nicht selbst sprechen. Wer sich doch im Gerichtsverfahren zu Wort meldet, wird „im Namen des Volkes“ aus dem Gerichtssaal entfernt.

§ 5 Vorurteile und üble Nachrede
Gegenüber Angeklagten, die nicht den herrschenden Institutionen angehören, darf auch im Vorfeld einer Strafverfolgung schon die Behauptung erfolgen, dass sie die Täter sind. Bei Angehörigen von Herrschaftsinstitutionen darf dieses auch dann, wenn eine Verurteilung in Ausnahmefällen unvermeidlich war, danach nicht erfolgen. Zuwiderhandlungen werden als üble Nachrede verfolgt.

Abschnitt II: Das Gerichtsverfahren
§ 6 Zeugen
Offizielle Vertreter der herrschenden Institutionen genießen besonderes Vertrauen. Da sind vor Gericht meist um eigene Herrschaftsinteressen kämpfen, ist im Regelfall davon auszugehen, dass sie die Wahrheit sagen. Das darf nur in Frage gestellt werden, wenn eine besondere Beweislage besteht. Wird ohne diese angenommen, dass Vertreter herrschender Institutionen die Unwahrheit sagen, so ist gegen die Personen, diese Vermutung äußern oder Behauptung aufstellen, ein Verfahren wegen übler Nachrede oder Beleidigung einzuleiten.
Polizeibeamte haben immer Recht. Verfahren gegen Polizeibeamte oder sonstige Angehörige herrschender Institutionen, bei denen ein Polizeibeamter den Angaben eines Belastungszeugen widerspricht, können sofort wegen erwiesener Unschuld eingestellt werden. Angeklagte, die von einem Polizeibeamten belastet werden, sind zu verurteilen. Widersprechen sich ausnahmsweise zwei oder mehrere Polizeibeamte, so ist die jeweils für den Angeklagten ungünstigere Aussage auszuwählen. Diese ist wegen der Person des Polizeibeamten und wegen der aufgetretenen Widersprüche zu anderen Polizeibeamten besonders glaubwürdig.

§ 7 Gerichtssaal
Der Gerichtssaal ist in einer Weise zu möblieren, die die Herrschaftsverhältnisse klar ausdrückt. Insbesondere ist die Richterbank höher zu stellen, damit die richtenden Personen auf das Geschehen herabblicken können. Den Angeklagten ist zurückhaltendes Mobiliar zuzugestehen. Die Zuschauerbänke sind robust auszuführen, um polizeilichen Durchgriffen standzuhalten.
Wo möglich, soll unter einem Hinrichtungssymbol verhandelt werden, um die Ernsthaftigkeit der Strafverfolgung zu unterstreichen.

§ 8 Eingang
Am Eingang sind Kontrollen aller nicht den juristischen Berufen angehörigen Personen vorzunehmen. Körperliche Gewalt ist vor allem gegenüber solchen Personen anzuwenden, die als Angeklagte oder durch ihre Kleidung von der gewünschten Norm abweichen.

§ 9 Förderung der Angehörigen juristischer Berufe
Strafverfolgung, Gerichtsbarkeit und rechtsanwaltliche Vertretung dienen der Absicherung des Berufsstandes. Juristische Laien sind nach Möglichkeit aus dem System zu drängen und ihre Handlungsmöglichkeiten nach Kräften einzuschränken. Angeklagte, die sich nicht von Rechtsanwälten verteidigen lassen, sollen benachteiligt werden. Rechtshilfegruppen, die Angeklagte dahingehend beraten, sich unbedingt von Juristen vertreten zu lassen und selbst das juristische Geschehen ohnmächtig über sich ergehen zu lassen, werden vom Staat gefördert oder zumindest nicht beeinträchtigt.

Abschnitt III: Straftaten
§ 10 Allgemeines
Verfolgt werden alle Taten, die den Staat, seine Institutionen, Bediensteten und Symbole sowie das Eigentum der reichen Schichten und der Unternehmer angreifen. Darüberhinaus werden einzelne Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit strafrechtlich verfolgt.

§ 11 Delikte gegen den Staat
Die Verunglimpfung und die Beschädigung des Staates, seiner Institutionen, Bediensteten und Symbole ist verboten. Wer Eigentum des Staates zerstört oder beschädigt, wird bestraft. Kommen dabei politische Ziele zum Ausdruck, so ist dieses strafverschärfend zu werten.
Ist einer Person keine Tat nachzuweisen, aber dennoch kritisch gegenüber dem Staat und seinen Bediensteten eingestellt, so soll sie als staatsgefährdende Vereinigung verurteilt werden, wenn sie mit mindestens zwei anderen Personen diese Gedanken teilt. Dabei ist weder notwendig, der Person konkrete Handlungen nachzuweisen noch zu belegen, ob sie die anderen Personen überhaupt kennt.
Wer gegenüber Bediensteten des Staates ungehorsam ist, wird wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt bestraft. Wo sich Menschen untereinander helfen, werden sie wegen Gefangenenbefreiung oder Störung einer Amtshandlung bestraft.
Wer sich von Bediensteten des Staates verprügeln lässt, macht sich strafbar. Schließlich bietet sein Körper der Faust, dem Fuss oder der Kugel des Staatsbediensteten Widerstand. Folglich ist er wegen Widerstand zu verurteilen. Verletzt sich der Staatsbedienstete beim Verprügeln der durch das Verprügelt-werden Widerstand leistenden Person, so ist die verprügelte Person auch wegen Körperverletzung zu bestrafen.
Wer Behörden, den Staat oder seine Symbole kritisiert, wird wegen Beleidigung bestraft. Die Kritik am Staat oder an einer Behörde ist immer auch die konkrete Beleidigung der darin beschäftigten Menschen.

§ 12 Delikte gegen das Eigentum
Die Sicherung des Eigentums dient der Aufrechterhaltung von Reichtumsunterschieden. Diese sind als Quelle allen Profitstrebens mit allen Mitteln des Staates zu sichern. Wer das Eigentum eines Reicheren wegnimmt und selbst nutzt bzw. Ärmeren weitergibt, wird bestraft.

§ 13 Delikte gegen Menschen
Besondere Grausamkeiten gegen Menschen können bestraft werden. Soweit das Opfer nicht getötet wird, soll es aber in der Prozedur des Gerichtsprozesses ebenfalls benachteiligt und diskriminiert werden. Gerichtsverfahren müssen jederzeit deutlich machen, dass sie nicht den Menschen, sondern der Aufrechterhaltung der Ordnung, der Reichtumsunterschiede und den Interessen des Staates dienen. Opfer besonderer Grausamkeiten, die als Zeugen vernommen werden, sollen deshalb vor Gericht hart behandelt werden.

§ 14 Ausnahmen
Es gibt viele Arten zu morden. Bestraft wird nur, wer einen Menschen mit erkennbaren Gründen ermordet. Wer Menschen durch Verarmung in den Selbstmord treibt oder mittels der Durchsetzung ungleicher Verteilung verhungern lässt, wird mit besseren Karrieremöglichkeiten in staatlichen Institutionen belohnt. Wer gleichzeitig viele Menschen ermordet, wird mit einer Tapferkeitsmedaille oder einem höheren Rang in der kämpfenden Truppe geehrt.
Es gibt viele Arten zu stehlen. Bestraft wird nur, wer durch die Aneignung fremden Eigentums Reichtumsunterschiede ausgleicht. Wer zum Zwecke der Herrschaftssicherung Eigentum sicherstellt, wer mit Mitteln der Friedenssicherung Häuser und Brücken zerstört und wer sich durch Kapitalbesitz und Steuern fremdes Eigentum aneignet, wird nicht bestraft, sondern darf seinen eroberten Reichtum behalten.
Wer gegen das Strafgesetzbuch handelt, aber einen Polizisten als Entlastungszeugen hat, ist vor Verurteilung geschützt. Ebenso wird nicht verurteilt, wer im Interesse des Staates handelt.

Text: jaybee

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