Offener Raum

THEORIE FÜR ANARCHIE. EIN UPDATE

(Neue) AnarchistInnen braucht das Land!?


1. (Neue) AnarchistInnen braucht das Land!?
2. Herrschaftsanalyse modernisieren
3. Wissensbasierte Radikalität
4. Emanzipation: Der Mensch im Mittelpunkt
5. Das neue Subjekt: Alle, aber unterschiedlich
6. Strategie für die Anarchie
7. Seiten zur Anarchie auf www.projektwerkstatt.de und anderswo

Ein Text im Buch "Anarchie. Träume, Kampf und Krampf im deutschen Anarchismus" (Gliederung)

Damit sind die kritischen (Ein-)Blicke in das Leben und Wirken von AnarchistInnen in Deutschland notiert. Sie dürften viele Lücken aufweisen, denn neben den Anarcho-SyndikalistInnen mit ihrer durchorganisierten FAU und den über hierarchisch wirkende Zentralen gesteuerten Aktionen und Projekten der sich als anarchistisch und basisdemokratisch verstehenden Gewaltfreien gibt es nur Einzelgruppen und -personen, die weitgehend voneinander isoliert sind. Freie Vereinbarung, Theoriedebatte und Organisierungsfragen spielen bei ihnen schon von daher kaum eine Rolle, weil es kaum etwas zwischen den versprenkelten AkteurInnen gibt. Ihre MitstreiterInnen rekrutieren sich zu großen Teilen aus dem bildungsbürgerlichem Nachwuchs mit starker Neigung zu identitären Codes und Cliquen. Auch das reduziert den Hang, Anarchie strategisch zu denken.
Der Blick auf die anarchistischen Zusammenhänge und die verteilten Einzelpersonen bzw. kleinen Grüppchen, die sich AnarchistInnen nennen im deutschsprachigen Raum, lässt wenig Hoffnung aufkommen, dass aus diesen Quellen Impulse emanzipatorischer Veränderung entspringen können. Anarchistische Zeitungen, Camps usw. sind Tummelplätze für AnhängerInnen von Recht und Justiz, fanatische PlenumsbesucherInnen (am besten zweimal pro Tag), Konsens- und BasisdemokratInnen oder entschiedene VerfechterInnen von Faustrecht, Hausrecht und Kommandostrukturen in Rechtshilfe, Demo- und Aktionsorganisation. Da ist in Theorie und Praxis wenig zu erkennen, was als Drang nach Herrschaftsfreiheit oder emanzipatorischer Politik begriffen werden könnte. Vielmehr reproduziert sich die Herrschaftsförmigkeit der Gesellschaft hier mit anderer Attitüde - bis hin zur Teilnahme am ständigen Wettbewerb um Spenden und Mitglieder, der politischen Protest immer mehr in eine Art Wirtschaftszweig wandelt und alle Fragen um Inhalt oder Organisierungsform dem Primat der Finanzierung von Hauptamtlichen, Selbstdarstellung und Rekrutierung von MitläuferInnen unterordnet.

Die Kritik soll hier nicht noch einmal wiederholt werden, sondern als Konsequenz deutlich gesagt werden: Neue Anarch@s braucht das Land! Es wird nicht reichen mit dem bloßen Austausch von Köpfen, zumal in den organisierten Teilen der Anarchie die vorhandenen Hierarchien, die Orientierung auf Außendarstellung oder Spendensammeln ja keine Organisierungsmängel, sondern bewusste Entscheidungen sind. Eher ungewollt entsteht das Nebeneinander der unorganisierten Teile anarchistischer Kreise.
Anarchie, wenn sie als Begriff für die fantastische Idee der Selbstorganisierung freier und gleicher Menschen steht (und das sollte sie!), ist eine viel zu schöne Sache, um sie in den Niederungen bürgerlicher Hetze, identitär-parolenhafter Systemablehnungs-Lebensphase, basisdemokratischen Rumgewürges oder gar hochkapitalistischer Spendenakquise zu belassen. Gesucht sind nicht nur neue Aktionsformen und Inhalte, sondern - im Vergleich mit dem, was zur Zeit läuft - schlicht eine ganz andere Idee ...

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