Offener Raum

MACHT NIX! ... ZEITUNG GEGEN WAHL, DEMOKRATIE UND HERRSCHAFT

Demokratie runterfahren ... Selbstbestimmung installieren: Eine grundlegende Kritik


1. Herrschaftskritik im Überblick: Es geht um mehr als die Frage, wer regiert ...
2. Demokratie runterfahren ... Selbstbestimmung installieren: Eine grundlegende Kritik
3. Noch mehr Demokratie droht!

Demokratie ist die zur Zeit weltweit vorherrschende Form von institutionalisierter, staatlicher Herrschaft. Ihr besonderes Merkmal ist dabei die Form der Akzeptanzbeschaffung, die Mechanismen, mit denen die Demokratie die Zustimmung der Menschen organisiert.

Demokratie bedeutet Volksherrschaft ... ein verräterischer Begriff! Demokratie funktioniert somit immer über den Bezug auf einem imaginierten, organischen "Volkskörper", dessen Willen die gewählten VertreterInnen angeblich vertreten. Diese Argumentation, die Idee von "Völkern", kommt nicht ohne Grenzen aus und basiert immer auf dem Ausschluss von Gruppen und Menschen, die als anders definiert werden.

Volksherrschaft meint, dass sich das "Volk" selbst regiert und der Wille der Mehrheit ausgeführt wird. Selbst wenn das so wäre, handelte es sich um Herrschaft, die nichts mit der Vision einer befreiten Gesellschaft zu tun hätte, da dort immer unterdrückte Minderheiten geschaffen würden. Tatsächlich ist nicht einmal das der Fall: Bei Wahlen entscheidet nicht die Mehrheit der Menschen, die in einem Staat leben. Zum einen ist die Wahlbeteiligung in vielen Staaten sehr niedrig, weshalb prozentuale Hochrechnungen wenig Aussagekraft haben. Überhaupt nicht bedacht wird weiterhin, das Kinder, MigrantInnen oder entmündigte Menschen nicht wählen dürfen (obwohl Gesetze usw. auch für sie gelten). Würden die abgegebenen Stimmen auf alle Menschen innerhalb des Regierungsbezirks hoch gerechnet, wäre offensichtlich, dass selbst hinter scheinbar eindeutigen Wahlergebnissen nur einTeil der Menschen steht, der häufig katastrophal gering ist.

Es wird nicht das beschlossen, was die Mehrheit will. Selbst wenn alle wählen dürften & würden - auf die Entscheidungen im Parlament haben die Menschen keinen Einfluß. Gesetze, die für Millionen gelten sollen, werden hier von wenigen entschieden. Es ist also völlig absurd, von Mehrheitsentscheid zu sprechen, wenn mensch nicht unterstellt, dass die ParteienvertreterInnen vom Willen der Menschen telepathisch kontrolliert werden. Es gibt Beispiele, die das belegen: Die Mehrheit der Menschen in D -Land ist gegen Atomkraft und Gentechnik - doch das interessiert nicht. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass in der Demokratie nur wenige Entscheidungen treffen. Die tatsächlichen Möglichkeiten der meisten Menschen, Leben und Umgebung selbstbestimmt zu gestalten, an Entscheidungsprozessen teilzunehmen, unterscheiden sich kaum von anderen Regimes ... bis auf die Wahl der jeweils "Herrschenden".

Der Glaube, VertreterInnen würden den Willen der Menschen repräsentieren, die Mehrheit würde entscheiden, spiegelt nicht die demokratische Wirklichkeit. Es sind Mythen, die ständig wiederholt werden, Diskurse [1], die fest in den Köpfen verankert sind. Auch wenn diese bei vielen bröckeln, so fehlen die Visionen, was besser sein könnte. Durch diese Mythen kann Demokratie breite Zustimmung herstellen und ist daher weniger auf offene Gewalt angewiesen. Sie machen es leichter, dass Menschen ihre Zurichtung durch Erziehung, Schule, Sozialisation annehmen, ihre Beherrschung verinnerlichen und sich dabei frei fühlen ... innerhalb vorgegebener Rollen natürlich.

Trotzdem gibt es Kontroll - und Gewaltapparate wie Polizei, Knäste und Militär, die den Markt durchsetzen usw. In kritischen Situationen stehen alle Möglichkeiten bereit, gewaltsam gegen Aufsässige und unerwünschte Menschen vorzugehen, Grundrechte aufzuheben und sich dabei weitestgehend an totalitäre Systeme anzugleichen. Ausgrenzung, Abschiebungen und Repression sind schon heute für MigrantInnen, Unangepasste und (in geringerem Ausmaß) politische AktivistInnen ein nicht weg zu denkender Teil demokratischen Normalbetriebs.

Mehrheitsabstimmungen, die für alle gelten sollen, bedeuten immer Herrschaft. Sie setzen Organe voraus, welche die Entscheidungen durchsetzen. Auch radikaldemokratische Ansätze verlagern dieses Problem höchstens. Auch nach der Überwindung des Kapitalismus ist z.B. nicht zu erwarten, dass StellvertreterInnen das tun, was die Menschen wünschen, es keine Seilschaften mehr gibt usw. Außerdem ist fraglich, ob es nicht auch hier weiter Polizei, Knäste usw. geben muß, um Entscheidungen durchzusetzen.
Die Demokratisierung aller Lebensbereiche und Direkte Demokratie können als "Zwischenstufe" in einem emanzipatorischen Prozess gesehen werden, ohne dabei stehen zu bleiben. Weitergehender wären Gesellschaftsmodelle, in denen Autonomie und Vielfalt von Lebensformen geschützt und bewusst gefördert werden. Also im besten Falle eine Welt ohne Herrschaftsstrukturen, die irgend etwas durchsetzen können, und in der Menschen so "gezwungen" sind, frei zu kooperieren.

Im Kontext von Demokratiekritik ist diese visionäre Ebene sehr wichtig, um zu verdeutlichen, dass wir keine Verschärfung von Herrschaft wollen - um klare Grenzen zu antidemokratischen Parolen rechter bzw. faschistischer Gruppen zu ziehen, denen selbst die Minimitbestimmung der Demokratie zu viel ist. Her mit viel mehr Selbstbestimmung, mehr Dezentralität und Autonomie! Wahlen sollen nicht einfach abgeschafft, sondern durch Modelle ersetzt werden, die sich an der maximalen Beteiligung der jeweils Betroffenen ausrichten und Selbstbestimmung erhöhen. Und das als ständiger, offener Prozess in Richtung Herrschaftsfreiheit!

[1] Diskurs meint das Zusammenspiel von öffentliche Debatten, Medien und gesellschaftlichen Institutionen, die bestimmte Denkmuster, Ansichten und Erwartungshaltungen in den Köpfen der Menschen produzieren.


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