Offener Raum

EINS, ZWEI, VIELE AKTIONEN!

Konkrete Beispiele für Aktionen


1. Tipps für Anti-Nazi-Aktionen aus Osthessen
2. Aktionstypen
3. Aktionsstile
4. Einige nützliche Infos zum Anmelden ... eines Infostandes
5. ... von Versammlungen und Demonstrationen
6. Konkrete Beispiele für Aktionen
7. Verhalten in Bedrohungssituationen

Nach der Theorie nun zur Praxis. Was im folgenden steht, sind Aktionstips, die größtenteils in vielen Gruppe schon einmal ausprobiert wurden. Sie sollen als Motivations- und Ideenhilfe für viele engagierte Gruppen dienen und kön nen nach Belieben verändert werden. Doch bevor sich eine Gruppe hochmotiviert in die Arbeit stürzt und gleich mit der Vorbereitung einer Aktion loslegen möchte, sollte folgendes berücksichtigt werden: Es ist sehr wichtig für das geplante Projekt, daß sich alle Beteiligten zu Beginn ganz offen über Wünsche, Vorstellungen und Ziele austauschen, sowie klare Arbeitsverhältnisse schaffen. Ein solches Gespräch erspart manche Diskussion in der "heißen Phase". Eine weitere Voraussetzung für das gute Gelingen einer Aktion ist die gründliche Vorbereitung innerhalb einer Gruppe. Dazu gehört eine umfassende Information und Diskussion über das betreffende Thema. Auch Rollenspiele eignen sich gut zur Darstellung eines Problems. "Aus diesen Rillen tropft der Haß": Untersuchen von Texten verschiedener Musik-Gruppen. Vorsicht! Nicht nur bei offentsichtlich "rechten" Gruppen sind Texte zu finden die "rechtes" Gedankengut verbreiten, auch bei einigen anderen Musikszenen, z.B.: in der Dark Wave Szene, haben sich schon öfters Bands mit eindeutig zweideutigen Texten eingeschlichen. Wird "rechtes", sprich fremdenfeindliches, nationalsozialistisches oder gewaltverherrlichendes etc. Gedankengut propagiert? Werden Lieder von den Bands gar in örtlichen Diskotheken gespielt? Aus Bandnamen und aussagekräftigen Zitaten kann eine Liste erstellt werden, die dann an die DJs vor Ort verteilt wird. Wichtig ist aber auch, die BesucherInnen der Diskotheken über die Inhalte und Hintergründe dieser Gruppen und deren Musik aufzuklären, Flugis verteilen etc.

Zusammenarbeit mit Ausländerbeauftragten: In vielen Städten gibt es bereits eigene Ausländerbeauftragte. Sie überprüfen, wo ausländische MitbürgerInnen benachteiligt werden und helfen den KommunalpolitikerInnen, bei ihrer Arbeit jeweils auch die besonderen Probleme der AusländerInnen zu berücksichtigen. Die Gruppe ist mit dabei, wenn der/die Ausländerbeauftragte ein Krankenhaus besucht, mit den Wohnungsbehörden verhandelt, oder sich mit den VertreterInnen türkischer Vereine trifft, um dem Anliegen noch Nachdruck zu verleihen.

Schulen zur NS-Zeit: Anhand alter Akten, Jahresberichte und Zeitungsartikel untersucht eine Projektgruppe, inwieweit ihreeigene Schule in das System des Nationalsozialismus eingebunden war. Zeitzeugen, die diese Zeit aus der Schulperspektive miterlebt haben, können dabei vielleicht zur Seite stehen. Die Ergebnisse können im Rahmen einer Ausstellung oder eine Broschüre vorgestellt werden.

Wie werden Ausländer in Discos oder Lokalen behandelt?: Hier werden die verschiedenen Kneipen und Diskotheken einer Stadt getestet: Werden hier auch ausländische BesucherInnen problemlos eingelassen? Wie rassistisch gebärden sich hier die Türsteher? Das Ergebnis könnte auch hier eine "schwarze Liste" sein, oder es könnte gegebenenfalls mit einer Demo, Flugblattaktion, mit Boykott oder einer Kundgebung auf diesen Mißstand aufmerksam gemacht und protestiert werden.

Aktion Leichentuch: Bei dieser leichtvorzubereitenden Aktion geht es vor allem darum, eine große Öffentlichkeitswirkung bzw. Medienwirkung zu erzielen. Sie kann sehr variabel ausgestaltet werden, je nachdem in Richtung einer Mahnwache oder als nicht zu übersehender Protest, z. B. gegen einen unliebsamen Politikerbesuch (so ge schehen im Frühjahr '94 anläßlich eines Kantherbesuches in Fulda, veranstaltet von der Gruppe Abraxas). Durchführung: Die Gruppe legt sich bedeckt von Leichentüchern (weiße Bettücher) möglichst dicht zusammen auf den Boden. Auf jeden Fall sollte durch ein entsprechendes Transparent die Botschaft gut lesbar daneben positioniert werden. Noch besser ist es, wenn Gruppenmitglieder herumgehen und entsprechende Flugzettel verteilen. Falls die Aktion im Freien gestartet wird, ist es sehr empfehlenswert, Isomatten o.ä. unterzulegen.

"Das haben Sie aber schön gesagt!": Viele PolitikerInnen, auch wenn sie den sogenannten demokratischen Parteien angehören, leisten sich öfter, als mensch denkt, "Ausrutscher". So rutscht da schon mal in eine noch so "gut" vorbereitete Rede eine unschöne und braunbefleckte Äußerung hinein, die sie später natürlich "nie" so gesagt haben wollen. Solche Zitate lohnt es sich aufzuheben, um sie vielleicht später im Rahmen einer Leserbriefkampgne oder in einer Aktion an die Öffentlichkeit zu bringen. Besonders in Wahlkampfzeiten empfehlenswert.

Judensterne: Der Hintergrund dieser Aktion ist, die Verbrechen gegen Juden und andere Minderheiten vor dem Vergessen zu bewahren. Ein passender Anlaß für diese Idee ist z.B. der Jahrestag zur Reichspogromnacht (9. November 1938). Möglichst viele Aktive (also neben den Gruppenmitgliedern, auch Freunde, MitschülerInnen, Bekannte, Verwandte oder andere Gruppen ansprechen) heften sich einen Judenstern an die Kleidung und gehen damit in die Schule, Uni oder in die Stadt. Auf diese Weise können sich sehr interessante Diskussionen mit PassantInnen, LehrerInnenn etc. ergeben. Um die Thematik noch zu vertiefen, bieten sich ein Informationsstand, eine Ausstellung oder ein Filmabend an. Um an die Reichspogromnacht zu erinnern, eignen sich außerdem Mahnwachen an und Schweigemärsche zu geschichtlich bedeutsamen Plätzen. Auch Exkursionen in ehemalige Konzentrationslager sind ein guter Einstieg für Fuldaer Zeitung vom 11.11.1996 spätere Ausstellungen oder ständige Gesprächsrunden. In Schulen oder Unis wäre eine solche Fahrt ein optimaler Anfang für eine Geschichts-AG o.ä.

Braune Flecken im Zeitungsregal: Oft liegen im Zeitungsregal ganz unschuldig und versteckt, Zeitungen, deren Inhalt nationalistisch angehaucht ist und insgesamt als rechtstendenziell eingestuft wird. Zu diesen "Blättern" zählen zum Beispiel die "Junge Freiheit", die "National-Zeitung" oder die "Deutsche Wochen Zeitung" sowie weitere in diesem Buch zur Erwähnung gebrachte rechtsextreme Zeitschriften. Werden in einem Kiosk Zeitungen dieser Art entdeckt, bieten sich verschiedene Vorgehensweisen an.

1. Am besten ist es, auf Aufklärung und Kooperation mit dem/der LadenbesitzerIn (bei Ladenketten gleich der Geschäftsleitung) zu setzen und einen bestimmten, aber freundlichen Brief zu schreiben, in dem über die politischen Hintergründe informiert wird. Bevor weitere Aktionen gestartet werden, sollte mindestens noch ein weiterer Brief folgen.
2. Eine Ausweitung dieser Aktivitäten sind Flugis, in denen über den Verkauf dieser Druckerzeugnisse und deren Inhalt, den Unwillen des/der GeschäftsführerIn, diese aus dem Sortiment zu entfernen und über dahingehende Bemühungen berichtet wird. Auf diesem Flyer kann außerdem noch zum Boykott dieser Läden aufgerufen werden. Weiter kann noch eine Unterschriftensammlung folgen.
3. Ein "letztes Mittel" bei besonders sturen GeschäftsinhaberInnen kann eine Aktion direkt vor dem Laden sein: Sitzblockade, Spontandemo o.ä. Diese Schritte müssen aber gut vorbereitet werden.

"Brauner Werbemüll": Diese Aktion ist ein weiterer Weg, um sich gegen rechte Druckerzeugnisse zu wehren oder zumindestens auf sie aufmerksam zu machen und sie in der öffentlichen Diskussion zu thematisieren. Den "braunen Werbemüll", der leider viel zu oft in unseren Briefkästen liegt, also nicht einfach ins Altpapier entsorgen, sondern unfrankiert an den Absender zurücksenden. In diesem Fall zahlen die ursprünglichen Absender das Porto NachbarInnen, FreundInnen, Bekannte und Verwandte anregen mitzumachen, denn nur eine wahre Rücksendungsflut kann die rechten Werber eindrucksvoll zeigen, daß sie nicht erwünscht sind. Auch ein Infostand und Presseaufrufe sind Möglichkeit, PassantInnen und LeserInnen über die Hintergründe dieses "braunen Werbemülls" aufzuklären, den sie vielleicht auch in ihrem Briefkasten gefunden haben und ebefalls zurückschicken können.

"Die Klagemauer":Die Klagemauer ist ein Projekt, in der Öffentlichkeit für ein bestimmtes Ansinnen ein Problembewußtsein zu erzeugen. An öffentlichen Plätzen kann nach Beantragung beim Ordnungsamt eine Dauerausstellung mit einer Klagemauer veranstaltet werden. Klagemauern sind vor allem dazu geeignet, auf Mißstände, Ungerechtigkeiten, usw. aufmerksam zu machen. Einige Beispiele sind Rechtsradikalismus in der Region, Fremdenfeindlichkeit, Asylrecht, Vertreibung, aber auch Themen wie Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, u.v.m. Zwischen zwei Stangen oder Bäumen werden drei oder vier Bindfäden gespannt, die einen Abstand von einer DIN-A4-Seite im Querformat haben sollen. An diesen Fäden werden in DIN-A4-Klarsichthüllen gesteckte Beiträge (Gedanken, Sprüche, Gedichte, Bilder, Symbole, Zeitungsausschnitte ...) so aufgehängt, daß der Eindruck einer Mauer entsteht. Viele PassantInnen werden stehenbleiben, um zu lesen, zu schauen und vielleicht auch darüber zu sprechen. Diese Methode wirkt vielleicht deshalb so anziehend, weil jede/r seine Meinung für sich behalten kann.

Mahnwache: Mahnwachen können in Verbindung mit Informationsständen oder eigenständig angemeldet werden (hier gilt das Demonstrationsrecht). Eine Mahnwache ist das demonstrative Stehen oder Sitzen von mehreren Menschen, deren Anliegen mit dem durch Flugblätter, Plakate und Transparente vorgebracht wird. Am wirkungsvollsten sind Mahnwachen auf belebten Straßen und Plätzen oder - je nach Thema -vor dem Rathaus oder der Kirche. Die formale Anmeldung erfolgt beim Ordnungsamt.

Straßenumbennungsaktion: Wer sich ein wenig in seiner Stadt auskennt und auch nicht ganz geschichtsunkundig ist, dem fallen bei näherer Betrachtung manche Straßennamen in Auge. Deutsche Kolonialisten und rechtslastige Heimatdichter oder gar Wegbereiter des Dritten Reichs tauchen an vielen Orten noch als Namensgeber auf. Grund genug, hier etwas verändern zu wollen, so zum Beispiel geschehen in Bad Hersfeld im Mai 1996, wo die Projektgruppe Zeitsprünge aus dieser Idee eine Aktion machte und die Lüderitz- und Carl-Petersstraße in Eine-Welt- und Nelson-Mandela-Straße umbenannte. Lüderitz und Peters waren zwei der ersten deutschen Kolonialisten in Afrika gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Während der Nazizeit wurden sie zu Helden, mit deren Namenszügen die Straßenschilder verziert wurden. Seit dem Naziregime wurde vieles geändert, doch diese Straßennamen blieben. Zunächst verteilten die AktionistInnen ein Informationsblatt, auf dem die Hintergründe zur Aktion zu lesen waren, an alle Anwohner der betroffenen Straßen. Bei der Überklebungsaktion selbst wurden zwei vorgefertigte Klebefolien mit den neuen Namenszügen auf den ursprünglichen Schildern angebracht. Wichtig ist auf jeden Fall, AnwohnerInnen, PassantInnen und Presse zu informieren.

Solidaritätsschreiben: Diese Form eignet sich besonders gut, wenn mensch Druck auf PolitikerInnen ausüben möchte oder einfach aufzeigen und bekannt machen will, welche Pannen sich manche, die Macht haben, erlauben. Außerdem ist es häufig sehr motivierend, wenn Gleichgesinnte für gemeinsame Aktivitäten begeistert werden können. Ein weiterer Aspekt ist, daß durch eine öffentliche Aufforderung zur Solidarität eine Problematik oder auch ein ganz konkretes Ereignis, anderen Menschen bewußt gemacht werden kann und gleichzeitig, wenn es nicht nur bei diesen Schreiben bleibt, etwas verändert werden kann. Eine andere Art von Schreiben, die eine ähnliche Intention haben, sind Leserbriefe, die mensch zu einem bestimmten Thema oder Anlaß verfaßt und an Zeitungen sendet.

Kreativ gegen Unterdrückung von Minderheiten: In den "offenen" Bereichen von Jugendzentren (Thekenbereich), in Teestuben oder Projektwerkstätten kann mensch nach Absprache weiße, unbedruckte Postkarten und Filzstifte sowie einen Aufruf auslegen, diese Postkarten mit Ideen zum Beispiel zum Thema "Gegen Gewalt und Rassismus" oder "Für ein toleranteres Zusammenleben" zu gestalten. Geeignete Entwürfe können dann später für eine Postkartenserie oder Plakatserie oder als Ausstellung weiterverwendet werden.

Lindwurm: Mehrere Menschen bewegen sich unter einem langen Bettlaken als "Lindwurm" durch die FußgängerInnenzone. An die Seite wird eine Forderung o.ä. gemalt. Der Lindwurm eignet sich auch, um z.B. auf einen Infostand aufmerksam zu machen.

Petition: Eine Petition ist eine Bittschrift. Sie kann als Brief, Postkartenaktion oder Unterschriftenliste gestaltet sein. Petitionen können an alle Parlamente gerichtet werden. Sie müssen immer Namen, korrekte Anschrift und Unterschrift enthalten.

Rücken zukehren: Bei Vorträgen und Ansprachen, wo keine Möglichkeit zur Diskussion besteht, dreht sich eine Gruppe demonstrativ um und kehrt dem Redenden den Rücken zu. Die wenigsten Redner können dies "cool" übergehen und geraten meistens aus dem Konzept.

Straßentheater: Es macht wenig Arbeit, aber auch sehr viel Spaß, wenn plötzlich alle ihre Fähigkeit zur Improvisation und ihre Spontaneität entdecken. Die Stücke sollten kurz sein und wenig Text enthalten, damit die Leute im Vorbeigehen alles mitkriegen. Eine Variante ist das "unsichtbare Theater", wobei PassantInnen nicht merken, daß hier gespielt wird, z.B. können zwei Leute in der Straßenbahn über ein kommunalpolitisches Thema diskutieren und Umstehende mit einbinden.

Überreichen einer Resolution: Im Rahmen eine kleinen Demonstration werden Forderungen beispielsweise der am Ort regierenden Partei übergeben.

Go-in: Ein Raum, ein Büro o.ä. wird symbolisch für einige Zeit "besetzt". Wenn eine Behörde die Bearbeitung eines Vorgangs verzögert, kann die Gruppe "vorbeischauen" und mit Kaffee, Kuchen, Schlafsäcken etc. dableiben, bist die Antwort endlich da ist. Die Presse sollte mit dabei sein.

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