Projektwerkstatt Saasen

NICHT VERRÜCKT MACHEN LASSEN: SELBSTSCHUTZ FÜR ALLE UND TIPPS FÜR BETROFFENE

Gesetze, Urteile, Kommentare


1. Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht
2. Tipps gegen Zwangsbehandlung
3. Wie kommt mensch wieder raus?
4. Akteneinsicht
5. Adressen, Beratung, Anlaufstellen
6. Repressionsschutz allgemein
7. Gesetze, Urteile, Kommentare
8. Alternativen


Allgemeine Rechtsgrundlagen
Die Grundrechte und ihre Wirklichkeit:
  • Artikel 1 (1): Die Würde des Menschen ist unantastbar. - Es sei denn, man sagt diesem Menschen eine psychische Krankheit nach.
  • Artikel 2 (1): Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt. - Es sei denn, man bezeichnet ihn als psychisch krank. Dann wird die freie Entfaltung, wenn sie zu sonderlich erscheint, zum behandlungsbedürftigen Symptom, gegen das nötigenfalls Gewalt aufgebracht wird.
  • Artikel 2 (2): Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. - Einem Menschen, dem die Einsichtsfähigkeit abgesprochen wird, z.B. aufgrund einer psychischen Erkrankung, kann dieses Recht unverschuldet genommen werden.
  • Artikel 3 (1): Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. - Bis auf die Menschen, die als psychisch Kranke und geistig Behinderte gebrandmarkt werden und deren Grundrechte mittels Sondergesetzen verletzt werden können.
  • Artikel 3 (3): Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. - Es sei denn, man spricht ihm die freie Willensbestimmung ab und mach ihn zum Objekt psychiatrischer Gewalt.
  • Artikel 4 (1): „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.“ - Ausgenommen, man erklärt sonderliche Weltanschauungen zu Symptomen einer Geisteskrankheit, um sie einem Menschen mit Gewalt zu nehmen.

Aus der Hessischen Landesverfassung:
Artikel 2: Der Mensch ist frei. Er darf tun und lassen, was die Rechte anderer nicht verletzt oder die verfassungsmäßige Ordnung des Gemeinwesens nicht beeinträchtigt.
Artikel 3: Leben und Gesundheit, Ehre und Würde des Menschen sind unantastbar.
Artikel 5: Die Freiheit der Person ist unantastbar.
Artikel 21: ... Alle Gefangenen sind menschlich zu behandeln.

Im Original: Unvereinbar mit internationalem Recht
Aus der Broschüre von Autopilot/BPE zu Psychiatrierecht
Nicht nur das Grundgesetz wird von den menschenverachtenden Sondergesetzen gegen psychisch Kranke berührt. Auch zwei internationale Übereinkommen werden durch diese Gesetzgebung verletzt: Die UN-Antifolterkonvention und die UN-Behindertenrechtskonvention.
Die UN-Antifolterkonvention definiert als Folter „jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, (…) oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden.“
Seit Jahrzehnten schon bezeichnen Psychiatrie-Erfahrene die ihnen angetanen Zwangsbehandlungen als Folter in diesem Sinne. Im März 2013 wurde dies endlich auch von den Vereinten Nationen (UN) anerkannt: Der UN-Sonderberichterstatter über Folter, Juan E. Méndez, ordnet psychiatrische Maßnahmen wie Fixierung (Fesselung am Bett), Isolierung (Einsperren in eine Zelle) und Zwangsbehandlung mit Psychopharmaka oder Elektroschocks als Formen von Folter ein. Er fordert in seinem Abschlussbericht alle Staaten auf, die Gesetzesgrundlagen dieser Maßnahmen abzuschaffen.
In der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichten sich die unterzeichnenden Staaten, dass „die volle Verwirklichung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen ohne jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung“ (Art. 4) gewährleistet wird. In regelmäßigen Abständen müssen die Staaten den UN einen Bericht vorlegen, der dann überprüft wird. Die erste Prüfung Deutschlands steht erst 2015 an. Vorhersagen über die Ergebnisse lassen sich aber bereits aus der Staatenberichtsprüfung über Österreich, das ähnliche Zwangsgesetze hat, ableiten. Darin forderte die UN Österreich im September 2013 mit Nachdruck auf, die Verwendung sämtlicher nicht einvernehmlicher Praktiken (wie Fixierungen) in Psychiatrien abzuschaffen. Der Bericht geht sogar noch weiter und sagt, dass auch ein bloßes Einsperren auf Grundlage einer Diagnose unzulässig ist.
Eigentlich haben beide Konventionen Gesetzeskraft. Allerdings muss sich jedes Mal zuerst ein Zwangsbehandelter durch die Instanzen klagen, bis sein Recht anerkannt und ein Gesetz genichtet (für ungültig erklärt) wird. Es wird noch viele Jahre dauern, bis unsere Grund- und Menschenrechte im deutschen Recht umgesetzt und endlich gewahrt werden.

Am 14.-15 Mai 2018 fand in Genf auf Einladung des UN Hochkommissariats für Menschenrechte eine Anhörung statt: Consultation on Human Rights and mental health: "Identifying strategies to promote human rights in mental health". Das Programm und die vorbereitenden und beigetragenen Texte vieler prominenter institutioneller VertreterInnen sind hier dokumentiert.
Diese Anhörung diente dem Annual report of the United Nations High Commissioner for Human Rights and reports of the Office of the High Commissioner and the Secretary vom 24. Juli 2018 zur Vorbereitung des 39. Sitzung des UN-Menschenrechtsrats vom 10.- 28. September 2018. Der UN-Menschenrechtsrats hatte diesen Bericht (report) letztes Jahr angefordert und zwar zu den Tagungsordnungspunkten 2 und 3 des UN-Menschenrechtsrats zu: Mental health and human rights.
Es folgen einige Zitate der interessantesten Stellen in diesem Bericht. Die Übersetzung stammt aus dem Werner-Fuß-Zentrum in Berlin, darunter die englischen Originalzitate. Damit ist nochmals eindrücklich dokumentiert, dass die Menschenrechtsabteilung der UN sich auf unsere Seite geschlagen hat. Wir waren seit unserer Gründung 1980 immer nur Avantgarde für die Menschenrechte - das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte hat inzwischen unsere Forderungen übernommen.
5. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Ra ' ad Al Hussein"....." forderte die Beseitigung von Praktiken wie Zwangsbehandlung, einschließlich erzwungener Medikamentenverabreichung, erzwungener elektrokonvulsive Behandlung, erzwungene Einweisung und Isolation.
Stattdessen ... erinnerte [er] die Teilnehmer daran, dass die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen den rechtlichen Rahmen vorgibt, um die Rechte von Personen mit psychosozialen Behinderungen zu wahren — einschließlich der Ausübung ihrer rechtlichen Handlungsfähigkeiten, freier und informierter Zustimmung, das Recht auf Leben und in der Gemeinde aufgenommen zu werden, und das Recht auf Freiheit und Sicherheit ohne Diskriminierung.
[Seite 5]
40. Zum Abschluss verurteilte die UN-Vize-Hochkommissarin für Menschenrechte, Kate Gilmore, "... "die rechtswidrige Anwendung des Gesetzes zur Machtausübung und zur Diskriminierung, und seine Umwandlung in eine Bedrohung für die Rechte. Sie folgerte die Anmerkung, dass durch sein Wissen jeder nun Verantwortung trage: Veränderung sind in greifbarer Nähe, sie waren erschwinglich und begründet. Sie forderte daher alle Akteure auf, sich daran zu beteiligen, Leistungen zu gestalten und zusammenzuarbeiten, um eine gesundheitsfördernde Umgebungen zu schaffen. [ Seite 13 ff]
41. Der Sonderberichterstatter für Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung hat konkrete Empfehlungen für Fortschritte gegeben. Er betonte die dringende Notwendigkeit, die Rechtsvorschriften abzuschaffen, die es ermöglichten, Menschen mit Behinderungen einzuweisen ...
Er unterstrich das Gebot, Gewalt und Missbrauch gegen Menschen mit Behinderungen als eine Form von Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung anzuerkennen, um den Opfern und ihren Anwälten einen stärkeren Rechtsschutz für diese Verstöße zu gewährleisten.

Es wurden folgende Empfehlungen vorgeschlagen:
46. Die Staaten sollten sicherstellen, dass alle Gesundheitssorge und entsprechende Dienste, einschließlich aller psychischen Gesundheitssorge und entsprechende Dienste, auf der freien und informierten Zustimmung der betroffenen Person beruhen. Gesetzliche Bestimmungen und Richtlinien sollten abgeschafft werden, die durch den Einsatz von Zwang und Zwangsmaßnahmen, einschließlich Zwangseinweisung und zwangsweise Heimunterbringung, Fixierung, Psychochirurgie, Zwangsbehandlung und andere Zwangsmaßnahmen, darauf abzielen, eine tatsächliche oder angenommene Beeinträchtigung zu korrigieren oder zu beheben, einschließlich der Ermöglichung der Einwilligung oder Ermächtigung durch Dritte. Die Staaten sollten diese Praktiken neu konzeptionalisieren und als Folter oder andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung und als Diskriminierung von Nutzern von psychischen Gesundheitsdiensten, Menschen mit psychischen Problemen und Menschen mit psychosozialen Behinderungen anerkennen.
Die Staaten sollten deren Schutz und rechtliche Handlungsfähigkeit auf gleicher Basis mit anderen gewährleisten, indem Sie Gesetze aufheben, die eine ersetzende Entscheidungsfindung vorsehen, und sie ersetzen durch: verschiedene freiwillige unterstützte Entscheidungsmechanismen, einschließlich Peer Unterstützung, mit Achtung der individuellen Autonomie, dem Willen und den Vorlieben der Betroffenen; Schutzmaßnahmen gegen Missbrauch und unangemessenen Einfluss innerhalb der Regelung der unterstützenden Entscheidungsfindung; und die Zuweisung von Mitteln, um die Verfügbarkeit von Unterstützung zu ermöglichen und zu gewährleisten.
[Seite 14]

5.The United Nations High Commissioner for Human Rights, Zeid Ra’ad Al Hussein,"....."called for the elimination of practices such as forced treatment, including forced medication, forced electroconvulsive treatment, forced institutionalization and segregation.
Instead, he".... "reminded participants that the Convention on the Rights of Persons with Disabilities offered the legal framework to uphold the rights of people with psychosocial disabilities — including the exercise of legal capacity, free and informed consent, the right to live and be included in the community and the right to liberty and security, without discrimination.
[Seite 5]
40. In closing, the United Nations Deputy High Commissioner for Human Rights, Kate Gilmore,"..."condemned the unlawful use of the law to dominate and discriminate, and its conversion into a threat to the enjoyment of rights. She concluded by remarking that everyone held the responsibility of knowledge: change was within reach, it was affordable and it was reasonable, and she thus called upon all actors to co-design services and work together to create health-enabling environments. [Seite 13 ff]
41. The Special Rapporteur on torture and other cruel, inhuman or degrading treatment or punishment made concrete recommendations for moving forward. He stressed the pressing need to abolish legislation that allowed persons with disabilities to be institutionalized ..."
He underscored the imperative of recognizing violence and abuse perpetrated against persons with disabilities as being a form of torture or other cruel, inhuman or degrading treatment or punishment, in order to afford victims and advocates stronger legal protection for those violations.


The following recommendations were proposed:
46. States should ensure that all health care and services, including all mental health care and services, are based on the free and informed consent of the individual concerned, and that legal provisions and policies permitting the use of coercion and forced interventions, including involuntary hospitalization and institutionalization, the use of restraints, psychosurgery, forced medication, and other forced measures aimed at correcting or fixing an actual or perceived impairment, including those allowing for consent or authorization by a third party, are repealed. States should reframe and recognize these practices as constituting torture or other cruel, inhuman or degrading treatment or punishment and as amounting to discrimination against users of mental health services, persons with mental health conditions and persons with psychosocial disabilities. States should ensure their enjoyment and exercise of legal capacity on an equal basis with others by repealing laws that provided for substituted decision-making, and should provide: a range of voluntary supported decision-making mechanisms, including peer support, respectful of their individual autonomy, will and preferences; safeguards against abuse and undue influence within support arrangements; and the allocation of resources to enable and ensure the availability of support. [Seite 14]

Für die Zwangspsychiatrie als Teil des Strafvollzugs (Forensik) gelten zudem die Europäischen Strafvollzugsgrundsätze. Sie haben zwar keinen Gesetzesrang, sind aber eine offizielle Empfehlung aus dem Ministerkomitee des Europarates.

Auszüge aus den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen von 2006, die verfasst wurden "eingedenk dessen, dass die Freiheit nur als letztmögliche Maßnahme und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden darf" verfasst!
GRUNDPRINZIPIEN
... 2. Personen, denen die Freiheit entzogen ist, behalten alle Rechte, die ihnen durch die Entscheidung, mit der gegen sie eine Freiheitsstrafe verhängt oder Untersuchungshaft angeordnet wird, nicht rechtmäßig aberkannt werden.
3. Einschränkungen, die Personen auferlegt werden, denen die Freiheit entzogen ist, müssen sich auf das Mindestmaß beschränken und in Bezug auf den rechtmäßigen Zweck, zu dem sie verhängt werden, verhältnismäßig sein.
4. Mittelknappheit kann keine Rechtfertigung sein für Vollzugsbedingungen, die gegen die Menschenrechte von Gefangenen verstoßen.
5. Das Leben in der Justizvollzugsanstalt ist den positiven Aspekten des Lebens in der Gesellschaft so weit wie möglich anzugleichen.
6. Jede Freiheitsentziehung ist so durchzuführen, dass sie den betroffenen Personen die Wiedereingliederung in die Gesellschaft erleichtert. ...

HAFTBEDINGUNGEN
... 18.7 Soweit wie möglich ist Gefangenen die Wahl zu lassen, ob sie nachts gemeinsam untergebracht werden wollen. ...
24.12 Gefangenen ist die Kommunikation mit den Medien zu gestatten, es sei denn, es liegen zwingende Gründe vor, dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit, im öffentlichen Interesse oder zum Schutz der Unversehrtheit von Opfern, Mitgefangenen oder des Personals zu untersagen.

ORDNUNG
... 56.1 Disziplinarmaßnahmen sind als letztes Mittel vorzusehen.
56.2 Die Vollzugsbehörden haben zur Beilegung von Streitigkeiten mit und unter den Gefangenen wenn immer möglich Mediationsgespräche und Maßnahmen zur ausgleichenden Konfliktregelung einzusetzen. ...
60.3 Kollektivstrafen, Körperstrafen, Dunkelhaft sowie alle sonstigen Formen der unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe sind verboten.
60.4 Die Disziplinarmaßnahme darf kein vollständiges Verbot des Kontakts zur Familie umfassen.
60.5 Einzelhaft darf als Disziplinarmaßnahme nur in Ausnahmefällen und für einen fest umrissenen, möglichst kurzen Zeitraum verhängt werden.
60.6 Zwangsmittel dürfen nie zur Disziplinierung angewendet werden.
61. Gefangene, die eines disziplinarischen Pflichtverstoßes für schuldig befunden werden, müssen die Möglichkeit haben, Rechtsbehelfe bei einer zuständigen und unabhängigen vorgesetzten Behörde einzulegen. ...

LEITUNG UND VOLLZUGSPERSONAL
... 72.1 Die Justizvollzugsanstalten sind in einem ethischen Kontext zu führen, der sie verpflichtet, alle Gefangenen menschlich und unter Achtung der Menschenwürde zu behandeln. ...

TEIL VIII
Ziel des Strafvollzuges

102.1 Neben den Vorschriften, die für alle Gefangenen gelten, ist der Vollzug für Strafgefangene so auszugestalten, dass sie fähig werden, in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.
102.2 Die Freiheitsstrafe ist allein durch den Entzug der Freiheit eine Strafe. Der Strafvollzug darf daher die mit der Freiheitsstrafe zwangsläufig verbundenen Einschränkungen nicht verstärken.

Zwangsbehandlung in der Psychiatrie
Zwang zur Medikamenteneinnahme
Aus dem "Erlass einer einstweiligen Anordnung/Aussetzung der angeordneten Zwangsmedikation" des Landgerichts Hannover (Az. 29 StVK 155/19)
Mit Anordnung vom 04.10.2019 ordnete die Antragsgegnerin die medikamentöse Behandlung der Anlasskrankheit des Untergebrachten gegen dessen Willen an. Gegen diese Anordnung stellte der Antragsteller durch seine Verfahrensbevollmächtigte mit Schreiben vom 14.10.2019 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 109 ff StVollzG und beantragte zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend, dass bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache der Klinik untersagt wird, eine Behandlung des Antragstellers gegen seinen Willen durchzuführen. Es bestehe die Gefahr, dass durch die Behandlung des Antragstellers seine Rechte vereitelt und im Wesentlichen erschwert werden und ein höher zu bewertendem Interesse an dem sofortigen Vollzug der Zwangsbehandlung nicht ersichtlich sei. ...
Aus den Vermerken ergibt sich, dass der unbehandelte und psychotische Zustand des Antragstellers bereits über einen längeren Zeitraum andauert. Aus der Stellungnahme der Antragsgegnerin ergibt sich indes nicht, dass eine kurzzeitige Aussetzung der Vollziehung der Maßnahme bis zum Zeitpunkt der Hauptsache Entscheidung konkret zu besonderen gesund-heitlichen Nachteilen oder Risiken für den Antragsteller führt. Etwaige für den Antragsteller entstehende Nachteile können durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden. Insofern ist nach vorläufiger Würdigung der Sach- und Rechtslage und einer Abwägung zwischen dem Interesse an einem sofortigen Vollzug der Maßnahme der Zwangsmedikation und dem Interesse des Antragstellers die Aussetzung des Vollzugs der Maßnahme geboten.

Zu Elektroschocks
Aus der Pressemitteilung "Zwangsbehandlung von Schizophrenie durch Elektrokrampftherapie im Regelfall nicht genehmigungsfähig" des Bundesgerichtshofs zum Beschluss vom 15. Januar 2020 - XII ZB 381/19
Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass als "notwendig" im Sinne des Gesetzes nur solche Behandlungen angesehen werden können, deren Durchführung einem breiten medizinisch-wissenschaftlichen Konsens entspricht, und zwar sowohl was die Therapie als solche betrifft als auch deren spezielle Durchführungsform im Wege der Zwangsbehandlung gegen den Widerstand des Patienten. Ein derartiger Konsens kann seinen Ausdruck in wissenschaftlichen Stellungnahmen des Beirats der Bundesärztekammer sowie in medizinischen Leitlinien finden.

Fixierung
Anforderungen an Fixierungen
Aus den Leitsätzen zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Az. 2 BvL 10/19) vom 17. Juli 2019
Fixierungen von Strafgefangenen oder Untergebrachten von nicht lediglich kurzfristiger Dauer unterliegen von Verfassungs wegen einer hohen Eingriffsschwelle und sind nur zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr zulässig und müssen sich hinsichtlich ihrer Dauer auf das absolut Notwendige beschränken (Bezugnahme auf BVerfG, Urteil vom 24. Juli 2018 – 2 BvR 309/15 –).
Die Anordnung einer Fixierung für die Dauer von acht Tagen ist hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit nicht ausreichend begründet, wenn das Gericht lediglich ausführt, der Strafgefangene habe alkoholbedingte Ausfallerscheinungen gezeigt und sei gegenüber dem Anstaltspersonal handgreiflich geworden, ohne Art, Intensität und Hintergründe der Übergriffe darzulegen ...



Der Weg in die Zwangsanstalt
Es gibt in Deutschland drei Wege, für einen längeren Zeitraum in der Psychiatrie zu landen: Auf öffentlich-rechtlicher Grundlage nach den Gesetzen der Bundesländer, nach Betreuungsrecht und nach Regelungen im Strafgesetzbuch.

Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Verhältnismäßigkeit von "Unterbringungen" (also die zwangsweise Inhaftierung gegen/ohne den Willen der Betroffenen):
  • Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Dezember 2013 (2 BvR 1690/13)
  • Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Juli 2013 (2 BvR 298/12),
  • BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. November 2012 (2 BvR 193/12, gleichlautend bzw. ähnlich: 2 BvR 298/12, 2 BvR 64/14),
  • BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. März 2016 (2 BvR 746/14),

Im Original: Zitate aus den BVerfG-Entscheidungen
Zur Verhältnismäßigkeit
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist in die Entscheidung über die Aussetzungsreife der Maßregel nach § 67d Abs. 2 StGB einzubeziehen (integrative Betrachtung). Die Beurteilung hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche Art rechtswidriger Taten von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit und Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Dabei ist die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr hinreichend zu konkretisieren; die Art und der Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten ist zu bestimmen; deren bloße Möglichkeit vermag die weitere Maßregelvollstreckung nicht zu rechtfertigen. Bei allem ist auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles einzugehen. Zu erwägen sind das frühere Verhalten des Untergebrachten und von ihm bislang begangene Taten. Abzuheben ist aber auch auf die seit der Anordnung der Maßregel veränderten Umstände, die für die künftige Entwicklung bestimmend sind (vgl. BVerfGE 70, 297 (314 f.) ; BVerfGK 16, 501 (506)).

Zur Prüfung weniger belastender Alternativen (ähnlich in 2 BvR 1690/13)
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB nur solange zu vollstrecken, wie der Zweck der Maßregel dies unabweisbar erfordert und zu seiner Erreichung den Untergebrachten weniger belastende Maßnahmen - im Rahmen der Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung (§ 67d Abs. 2, §§ 68a, 68b StGB) - nicht genügen.

Zur Abhängigkeit der Verhältnismäßigkeit von der Dauer der Unterbringung (ähnlich oder gleich auch in 2 BvR 64/14)
Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauert, umso strenger sind die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzuges. ...
Das zunehmende Gewicht des Freiheitsanspruchs wirkt sich bei langdauernden Unterbringungen auch auf die an die Begründung einer Entscheidung nach § 67d Abs. 2 StGB zu stellenden Anforderungen aus. In diesen Fällen engt sich der Bewertungsrahmen des Strafvollstreckungsrichters ein; mit dem stärker werdenden Freiheitseingriff wächst die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte. Dies erfordert, dass der Richter seine Entscheidung eingehend begründet, sich also nicht mit knappen, allgemeinen Wendungen begnügt, sondern seine Bewertung anhand der dargestellten einfachrechtlichen Maßstäbe substantiiert offenlegt. Erst dadurch wird es möglich, im Rahmen verfassungsgerichtlicher Kontrolle nachzuvollziehen, ob die von dem Täter ausgehende Gefahr seinen Freiheitsanspruch gleichsam aufzuwiegen vermag (vgl. BVerfGE 70, 297 (315 f.) ).


Zur Möglichkeit von Auflagen und Weisungen (2 BvR 64/14, ähnlich oder gleichlautend in anderen Entscheidungen)
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es zudem, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB nur solange zu vollstrecken, wie der Zweck der Maßregel dies unabweisbar erfordert und zu seiner Erreichung den Untergebrachten weniger belastende Maßnahmen nicht genügen. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit kann es daher auf die voraussichtlichen Wirkungen der im Falle der Aussetzung der Maßregelvollstreckung zur Bewährung kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht (§ 67d Abs. 2 Satz 2 StGB) und der damit verbindbaren weiteren Maßnahmen der Aufsicht und Hilfe (vgl. §§ 68a, 68b StGB), insbesondere also die Tätigkeit eines Bewährungshelfers und die Möglichkeit bestimmter Weisungen, ankommen (vgl. BVerfGE 70, 297 (313 f.)).

Zur Berücksichtigung des Verhaltens in Lockerungen (2 BvR 64/14)
Schließlich verhalten sich die angegriffenen Beschlüsse auch nicht zu der Frage, ob im Falle einer Aussetzung des Maßregelvollzugs zur Bewährung den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit durch Maßnahmen der kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht und der damit verbindbaren weiteren Maßnahmen der Aufsicht und Hilfe (§§ 68a, 68b StGB) hinreichend hätte Rechnung getragen werden können. Dies wäre jedoch insbesondere im Hinblick darauf erforderlich gewesen, dass sich die Aggressionen des Beschwerdeführers, der sich nunmehr zuverlässig in den Behandlungsrahmen einfügt, ersichtlich nur auf einzelne Personen bezogen haben und sich dieser zudem bereits seit längerer Zeit in Lockerungen befindet, die er ohne Beanstandungen durchlaufen hat.

Zur Frage der Einhaltung von Fristen bei der Überprüfung der weiteren Unterbringung
(2 BvR 746/14)
Die Vorschriften über die regelmäßige Überprüfung der weiteren Vollstreckung der Sicherungsverwahrung dienen der Wahrung des Übermaßverbots bei der Beschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGK 4, 176 (181); 5, 67 (68); BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Mai 2008 - 2 BvR 1615/07 -, juris, Rn. 17; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16). Ihre Missachtung kann dieses Grundrecht verletzen, wenn es sich um eine nicht mehr vertretbare Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht handelt, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lässt (vgl. BVerfGE 18, 85 (93); 72, 105 (114 f.); BVerfGK 4, 176 (181); BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16).
Zwar führt nicht jede Verzögerung des Geschäftsablaufs in Unterbringungssachen, die zu einer Überschreitung der einschlägigen Fristvorgaben führt, automatisch auch zu einer Grundrechtsverletzung, weil es zu solchen Verzögerungen auch bei sorgfältiger Führung des Verfahrens kommen kann (BVerfGK 4, 176 (181)). Es muss jedoch sichergestellt sein, dass der Geschäftsgang der Kammer in der Verantwortung des Vorsitzenden oder des Berichterstatters eine Fristenkontrolle vorsieht, die die Vorbereitung einer rechtzeitigen Entscheidung vor Ablauf der Jahresfrist sicherstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Betroffene in aller Regel persönlich anzuhören ist und dass auch für eine sachverständige Begutachtung ausreichend Zeit verbleibt, soweit die Kammer eine solche für erforderlich halten sollte. Die gesetzliche Entscheidungsfrist lässt dafür ausreichend Raum (vgl. BVerfGK 4, 176 (181); BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2011 - 2 BvR 1665/10 -, juris, Rn. 12). Gründe für eine etwaige Fristüberschreitung sind zur verfahrensrechtlichen Absicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in der Fortdauerentscheidung darzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2011 - 2 BvR 1665/10 -, juris, Rn. 12). ...
Infolge der fehlenden Begründung ist nicht erkennbar, ob die Fristüberschreitung trotz sorgfältiger Führung des Verfahrens zustande kam oder ob sie auf einer Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht beruhte.


Aus dem Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Mai 2020 (Az. 2 BvR 1529/19, Randnummer 82)
Die medizinische Vorgeschichte, der zufolge die paranoid-halluzinatorische Schizophrenie bereits 1998 diagnostiziert und die Beschwerdeführerin schon längere Zeit nicht mehr ärztlich behandelt worden war, spricht gerade nicht für die Notwendigkeit einer sofortigen Unterbringung. Wahnhafte Gedanken und Beschwerden ihrer Wohnungseigentümergemeinschaft allein können eine sofortige (vorläufige) Unterbringung nicht begründen. Gleiches gilt für die Verweigerung von Anhörungen und Begutachtungen. Die Gefahr einer nicht mehr behandelbaren Chronifizierung und einer vorzeitig eintretenden Demenz sowie eine – wenn auch dringende – ärztliche Behandlungsempfehlung rechtfertigen eine sofortige Unterbringung ebenfalls nicht.

Unterbringung nach BGB und Psychiatriegesetzen (Landesgesetze)
Im Original: Rechtsgrundlagen der Unterbringung
Aus der Broschüre von Autopilot/BPE zu Psychiatrierecht
Diese Art der Unterbringung kann jeden treffen, der sich auffällig verhält, egal ob er einen gesetzlichen Betreuer hat oder eine Straftat begangen hat. Auch muss man nicht mit einer Axt durch die Fußgängerzone laufen oder auf der Brüstung eines Hochhausdaches balancieren, um in der Psychiatrie zu landen. Es kann schon ein Familienstreit, zu laute Musik oder seltsames Verhalten auf öffentlichen Plätzen zu einer Ingewahrsamnahme führen. Die Regelung ist kein Hilfegesetz („Hilfen“ sind im Sozialgesetzbuch geregelt!), sondern stammt aus dem Polizeirecht. In Hessen gilt das uralte „Gesetz über die Entziehung der Freiheit geisteskranker, geistesschwacher, rauschgift-und alkoholsüchtiger Personen“ (HFEG) aus dem Jahr 1952.
Das Gesetz legt die Voraussetzungen fest, die erfüllt sein müssen, um jemanden einzusperren. Es muss von der Person eine Gefahr für sich selbst oder andere ausgehen, die:
1. aus ihrem Geisteszustand resultiert
2. erheblich ist und unmittelbar droht
3. nicht anders abgewendet werden kann
Unsere Erfahrungen zeigen, dass diese drei Kriterien fast nie erfüllt werden. Psychiatern reicht oft schon eine Verweigerung der Behandlung, um eine Zwangsunterbringung zu beantragen. Erfreulicherweise haben wir erfahren, dass Richter vom Amtsgericht Hadamar in letzter Zeit deutlich strenger prüfen, ob jemand wirklich gefährlich ist. Dennoch ist es unheimlich wichtig, diese Kriterien selbst zu kennen, da Psychiater in den richterlichen Anhörungen zur Unterbringung gerne zu schmutzigen Mitteln greifen (Einschüchterung, falsche Behauptungen), um unseren Willen zu brechen, sodass viele Betroffene in einen vermeintlich freiwilligen Aufenthalt einwilligen.
Bevor Sie von einem Richter angehört werden, können Sie für 24 Stunden ohne Richterbeschluss auf einer geschlossenen psychiatrischen Station eingesperrt werden. Der Bürgermeister als oberste Ordnungsbehörde verfügt diese „Ingewahrsamnahme“ auf Hinweis eines Polizisten/Ordnungsbeamten oder eines Arztes. Ehe Sie von dem Richter angehört werden, sollten Sie sich weder körperlich wehren noch Psychopharmaka einnehmen! Auch wenn Ihnen gedroht wird: Die Ärzte dürfen in diesem 24-Stunden-Rahmen nichts zwangsweise verabreichen!
Die Zwangsbehandlung ist im HFEG besonders lasch geregelt. Dort steht lediglich: „Die Unterbringung umfasst auch die Behandlung mittels eines Heil-oder Entziehungsverfahrens.“ Wenn Sie also erst einmal zwangsuntergebracht sind (durch richterlichen Beschluss nach der persönlichenAnhörung), können die Ärzte Sie behandeln, wie sie es für richtig halten, ohne auf Ihre Wünsche und Bedürfnisse Rücksicht nehmen zu müssen. Man wird Sie auffordern, Psychopharmaka als Tabletten oder Flüssigkeit einzunehmen und drohen, dass man sie Ihnen ansonsten zwangsweise spritzen wird.
Daher sollte das oberste Ziel sein, die Unterbringung ganz zu verhindern, indem man in der richterlichen Anhörung überzeugt:
• den Richter darauf hinweisen, dass die Unterbringungskriterien nicht erfüllt sind
• den Psychiater fragen, auf welche wissenschaftlichen Methoden er denn sein Attest gestützt hat
• den Psychiater fragen, welche Validität seine Aussagen haben
• ankündigen, dass Sie Strafantrag wegen Freiheitsberaubung und eventuell Körperverletzung stellen können

§ 1906 BGB Genehmigung des Betreuungsgerichts bei der Unterbringung
(1) Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil
1. auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, oder
2. zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.
(2) Die Unterbringung ist nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts zulässig. Ohne die Genehmigung ist die Unterbringung nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist; die Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen. Der Betreuer hat die Unterbringung zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Er hat die Beendigung der Unterbringung dem Betreuungsgericht anzuzeigen.
(3) Widerspricht eine ärztliche Maßnahme nach Absatz 1 Nummer 2 dem natürlichen Willen des Betreuten (ärztliche Zwangsmaßnahme), so kann der Betreuer in sie nur einwilligen, wenn
1. der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann,
2. zuvor versucht wurde, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen,
3. die ärztliche Zwangsmaßnahme im Rahmen der Unterbringung nach Absatz 1 zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden,
4. der erhebliche gesundheitliche Schaden durch keine andere dem Betreuten zumutbare Maßnahme abgewendet werden kann und
5. der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich überwiegt. § 1846 ist nur anwendbar, wenn der Betreuer an der Erfüllung seiner Pflichten verhindert ist.
(3a) Die Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts. Der Betreuer hat die Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme zu widerrufen, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Er hat den Widerruf dem Betreuungsgericht anzuzeigen.
(4) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn dem Betreuten, der sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, ohne untergebracht zu sein, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll.
(5) Die Unterbringung durch einen Bevollmächtigten und die Einwilligung eines Bevollmächtigten in Maßnahmen nach den Absätzen 3 und 4 setzen voraus, dass die Vollmacht schriftlich erteilt ist und die in den Absätzen 1, 3 und 4 genannten Maßnahmen ausdrücklich umfasst. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.


Aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 4.6.2014 (Az. XII ZB 121/14) zur Einwilligung des Betreuers in eine ärztliche Zwangsbehandlung:
Gemäß § 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB muss die ärztliche Zwangsmaßnahme erforderlich sein, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden des Betroffenen abzuwenden (vgl. zu diesem Tatbestandsmerkmal etwa Senatsbeschlüsse vom 5. Dezember 2012 - XII ZB 665/11 - FamRZ 2013, 289 Rn. 15 ff.; vom 22. August 2012 - XII ZB 295/12 - FamRZ 2012, 1705 Rn. 3 f. und vom 23. Juni 2010 - XII ZB 118/10 - FamRZ 2010, 1432 Rn. 10 f.; Dodegge NJW 2013, 1265, 1267 f. mwN). Denn die Überwindung des entgegenstehenden natürlichen Willens des Betroffenen im Wege der Zwangsbehandlung kann schon im Ansatz nur dann gerechtfertigt sein, wenn es gilt, gewichtige gesundheitliche Nachteile des Betroffenen zu verhindern (vgl. BT-Drucks. 17/11513 S. 7). Umgekehrt ist der natürliche Wille des Betroffenen zu respektieren, wenn auch bei Unterbleiben der Behandlung keine wesentlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Betroffenen zu erwarten sind.
Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist weiterhin das Erfordernis, dass der erhebliche gesundheitliche Nachteil nicht durch eine mildere, dem Betroffenen zumutbare Maßnahme abgewendet werden kann (§ 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BGB). Eine solche kann etwa in einer alternativen Behandlungsmethode zu sehen sein, die nicht dem natürlichen Willen des Betroffenen widerspricht und ebenfalls das mit der Zwangsbehandlung verfolgte Behandlungsziel herbeizuführen vermag, aber auch in sonstigen, die Behandlung entbehrlich machenden Maßnahmen (vgl. BeckOK BGB/Müller [Stand: 1. August 2013] § 1906 Rn. 28; Marschner in Jürgens Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1906 BGB Rn. 35; Dodegge NJW 2013, 1265, 1268).
Auch wenn diese Voraussetzungen vorliegen, ist die Zwangsbehandlung nur verhältnismäßig, sofern der von ihr zu erwartende Nutzen die aus ihr für den Betroffenen folgenden Beeinträchtigungen deutlich überwiegt (§ 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BGB; vgl. auch BT-Drucks. 17/11513 S. 7). Dem zu erwartenden Behandlungserfolg sind die mit der Behandlung verbundenen Neben- und Auswirkungen einschließlich der möglichen Komplikationen gegenüberzustellen und Nutzen und Beeinträchtigungen gegeneinander abzuwägen (vgl. zu Einzelheiten etwa Knittel Betreuungsrecht [Stand: 1. Oktober 2013] § 1906 BGB Rn. 152 f.; Dodegge NJW 2013, 1265, 1268).
(4) Schließlich setzt die Zulässigkeit einer zwangsweisen Behandlung gemäß § 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB voraus, dass vor der Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme versucht wurde, den Betroffenen von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen und seine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen. Dieser Versuch muss ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks (BT-Drucks. 17/12086 S. 1, 11; vgl. auch BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 58) durch eine überzeugungsfähige und -bereite Person unternommen worden sein, was das Gericht in jedem Einzelfall festzustellen und in seiner Entscheidung in nachprüfbarer Weise darzulegen hat.

Aus dem Beschluss vom 30.7.2014 (Az. XII ZB 169/14) zur Unterbringung eines behandlungsverweigernden Betreuten:
Sofern sich ein Betroffener nicht behandeln lassen will, ist die Genehmigung der Unterbringung zur Durchführung der Heilbehandlung gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen für die Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme vorliegen und diese rechtswirksam genehmigt wird …

Beschluss des Zweiten Senats beim Bundesverfassungsgericht vom 23. März 2011 (Az. 2 BvR 882/09)
1. Der schwerwiegende Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG, der in der medizinischen Behandlung eines im Maßregelvollzug Untergebrachten gegen dessen natürlichen Willen liegt, kann auch zur Erreichung des Vollzugsziels gerechtfertigt sein.
2. Eine Zwangsbehandlung zur Erreichung des Vollzugsziels ist nur zulässig, wenn der Untergebrachte krankheitsbedingt zur Einsicht in die Behandlungsbedürftigkeit oder zum Handeln gemäß dieser Einsicht nicht fähig ist. Maßnahmen der Zwangsbehandlung dürfen nur als letztes Mittel und nur dann eingesetzt werden, wenn sie im Hinblick auf das Behandlungsziel, das ihren Einsatz rechtfertigt, Erfolg versprechen und für den Betroffenen nicht mit Belastungen verbunden sind, die außer Verhältnis zu dem erwartbaren Nutzen stehen. Zum Schutz der Grundrechte des Untergebrachten sind besondere verfahrensmäßige Sicherungen geboten.
3. Die wesentlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung bedürfen klarer und bestimmter gesetzlicher Regelung. Dies gilt auch für die Anforderungen an das Verfahren.


Unterbringung nach Betreuungsrecht
Im Original: Rechtsgrundlagen der Betreuung
Aus der Broschüre von Autopilot/BPE zu Psychiatrierecht
Ein Betreuer ist ein gesetzlicher Vertreter, den das Amtsgericht für bestimmte Lebensbereiche bestimmen kann. Dies kann es mit der Begründung tun, dass Sie aufgrund einer Krankheit oder Behinderung nicht mehr in der Lage seien, sich um Ihre Angelegenheiten zu kümmern. Das Betreuungsrecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Es gilt also für das gesamte Bundesgebiet und nicht nur einzelne Bundesländer.
Gegen Ihren Willen kann das Gericht nur dann einen Betreuer bestellen, wenn Ihnen in einem Gutachten die Einwilligungsfähigkeit aberkannt wird. Wenn Sie keinen Betreuer wollen, sollten Sie Ihre Ablehnung schriftlich beim Amtsgericht einreichen. Besser ist es, wenn Verwandte oder Freunde schriftlich bestätigen können, dass eine Betreuerbestellung unnötig ist. Auch ein ärztliches Attest, dass Ihre Einwilligungsfähigkeit bestätigt, ist sinnvoll. Droht dennoch eine Betreuung, ist es ratsam, eine Person, der man vertraut, als ehrenamtlichen Betreuer vorzuschlagen. Es ist rechtlich festgelegt, dass ein ehrenamtlicher Betreuer einem Berufsbetreuer vorgezogen werden muss.
Wenn Sie einen Betreuer loswerden wollen, können Sie seine Entlassung beim Gericht beantragen und eine vertraute Person als Ersatz benennen. Ein guter Grund für einen Betreuerwechsel ist, wenn der Betreuer seinen Pflichten nicht nachkommt und nicht alle wichtigen Entscheidungen mit Ihnen bespricht. Solange Sie nicht als „mittellos“ eingestuft werden, müssen Sie die Kosten für das Verfahren und die Betreuung selbst übernehmen. Ein Berufsbetreuer ist deutlich teurer als ein ehrenamtlicher Betreuer, der „lediglich“ einen Aufwendungsersatz (Kostenrückerstattung) verlangen kann. Eine Vorsorgevollmacht kann die Einrichtung einer Betreuung rechtssicher verhindern (siehe letztes Kapitel).
Die Unterbringungsgründe für gesetzlich Betreute sind lascher als für nicht Betreute:
1. Gefahr des Todes oder eines erheblichen Gesundheitsschadens aufgrund der Erkrankung
2. nur die Unterbringung kann eine Untersuchung oder Behandlung ermöglichen, die diesen Schaden abwenden kann
3. die Person kann die „Notwendigkeit“ der Unterbringung „nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln“
Diese Begriffe sind bewusst in Anführungszeichen gesetzt, weil der Arzt oder Betreuer diese Behauptungen jederzeit aufstellen kann. Z.B. werden Unterbringungen und Zwangsbehandlungen oft dann vorgenommen, wenn der Betroffene ganz einfach anderer Meinung ist als der Arzt oder Betreuer und eine Behandlung ablehnt.
Anfang 2012 war der Bundestag gezwungen, für die Zwangsbehandlung strengere Kriterien zu setzen. Es muss dem Betreuten der freie Wille abgesprochen werden, Ärzte müssen ihn vorher von der Behandlung zu überzeugen versuchen (es wird also gedroht, dass ansonsten Zwang angewendet wird), die Maßnahme muss erforderlich sein um einen drohenden Gesundheitsschaden abzuwenden, der Schaden muss durch keine andere zumutbare freiwillige Maßnahme abwendbar sein und der erwartbare Nutzen der Maßnahme muss mögliche Beeinträchtigungen deutlich überwiegen.
Sollten Sie in eine solch bedrohliche Lage kommen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich zu verhalten:
1. Sie machen die Maßnahme freiwillig mit, um die Traumatisierung und Spätschäden durch Zwangsbehandlungen zu vermeiden. Nach Ihrer Entlassung aus der Psychiatrie bemühen Sie sich um eine Entlassung des Betreuers.
2. Sie legen Widerspruch beim Gericht ein. Weisen Sie auf § 1901 a Art. 2 BGB hin: Der Betreuer ist verpflichtet, Ihren mutmaßlichen Willen (keine Behandlung zu bekommen) festzustellen. Stellen Sie ggf. Strafantrag wegen Körperverletzung.



Unterbringung nach Strafgesetzbuch (forensische Psychiatrie)
Im Original: Rechtsgrundlagen der Forensik
Aus der Broschüre von Autopilot/BPE zu Psychiatrierecht
Der wohl bekannteste Fall dieser Art der Zwangspsychiatrisierung ist der von Gustl Mollath, der nach sieben Jahren Psychiatrie auf freiem Fuß ist und nun sein Wiederaufnahmeverfahren bestreitet. Im Strafrecht ist geregelt, dass Personen mit Alkohol-oder anderer Rauschgiftsucht sowie Personen, denen eine psychische Krankheit nachgesagt wird, zwangsuntergebracht werden können, wenn Sie eine rechtswidrige Tat begangen haben und ein Psychiater vorhersagt, dass weitere Taten zu erwarten seien. Dabei muss es sich nicht um schwere Gewaltdelikte handeln. Auch Diebstahl, Drogenhandel, selbst Fahren ohne Führerschein können statt zu einer Verurteilung zu einer Unterbringung in der Forensik führen.
Suchtkranke können dann nach § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt untergebracht werden. Menschen mit psychiatrischer Diagnose können nach § 63 StGB in der forensischen Psychiatrie (Maßregelvollzug) untergebracht werden. Im Strafgesetzbuch ist nur geregelt, in welchen Fällen eine Unterbringung erfolgt. Die Art und Weise der Maßregel wird in den Maßregelvollzugsgesetzen der Länder geregelt. Unseres Erachtens ist die Einweisung in den Maßregelvollzug eines der schlimmsten Dinge, die einem hierzulande passieren können. Man ist dort auf unbestimmte Zeit weggesperrt. Wann man wieder herauskommt, bestimmen Ärzte und Richter. Das können drei Jahre, aber auch fünfzehn sein.
Wie sehr ein Insasse des Maßregelvollzuges dem Gutdünken der Ärzte und anderen Personals ausgeliefert ist, macht dieser Auszug aus einem Brief des prominenten Strafverteidigers Rolf Bossi an Gustl Mollath deutlich: „Ich muss Sie als Rechtsanwalt darauf hinweisen, dass wir im Maßregelvollzug keinerlei rechtliche Handhabe besitzen, um wirkungsvoll auf die Durchführung des Maßregelvollzugs einwirken zu können. Hieraus wollen Sie ersehen, daß Sie im Maßregelvollzug rechtlich ohne jede Hilfe sind und ausschließlich auf die Beurteilung der Ärzte angewiesen sind inwieweit diese aus medizinischen Gründen Ihre weitere Unterbringung im Maßregelvollzug für notwendig halten oder nicht. (…) Jeder Arzt in einem Bezirkskrankenhaus ist daran interessiert, daß sein Haus voll ist, weil er für jeden Patienten Geld bekommt." Was Rechtsanwalt Bossi hier beschreibt, ist nichts anderes als ein rechtsfreier Raum.
Gustl Mollath sprach nach seiner Entlassung aus der Forensik in Bayreuth von mitunter „folterähnlichen Umständen“. Etliche Suizide von verzweifelten Mitinsassen hat er miterlebt, einige davon unter ungeklärten Umständen (z.B. mit Brüchen der Handknochen). Es gibt keine offizielle Todesfallstatistik zum psychiatrischen Maßregelvollzug. Möchten Sie im Maßregelvollzug keine Psychopharmaka nehmen und hat man vor, sie zwangszubehandeln, wird Ihnen dies in der Regel schriftlich angekündigt. Dagegen können Sie mit Hilfe Ihres Anwaltes widersprechen. Ihre Chancen stehen aber äußerst schlecht. 2011 ist es zum ersten und letzten Mal zwei Maßregelvollzugsinsassen gelungen, bis zum Bundesverfassungsgericht zu klagen. Dennoch mussten beide bis dahin die Psychopharmaka „freiwillig“ nehmen, um ein gewaltsames Verabreichen zu verhindern.
Es ist nahezu unausgeschlossen, aus der Forensik herauszukommen, wenn Sie sich nicht dem Arztwillen beugen. Gustl Mollath und Ulvi K. sind glückliche Ausnahmefälle.


Therapieunterbringung
Mit Beschluss vom 11. Juli 2013 – 2 BvR 2301/11 und 2 BvR 1279/12 - hatte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass das Therapieunterbringungsgesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist, jedoch verfassungskonform ausgelegt werden muss (vgl. hierzu die Pressemitteilung Nr. 50/2013 vom 8. August 2013).
*Die Unterbringung darf nur dann angeordnet werden, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist. Die in den konkreten Verfahren ergangenen fachgerichtlichen Entscheidungen hatte der Zweite Senat aufgehoben, weil sie nicht den verfassungsrechtlich gebotenen Verhältnismäßigkeitsmaßstab zugrunde gelegt hatten.
* Im Anschluss hieran hat die 3. Kammer des Zweiten Senats in sieben weiteren Verfahren den Verfassungsbeschwerden gegen die gerichtlich angeordnete Unterbringung der Beschwerdeführer auf Grundlage des Therapieunterbringungsgesetzes teilweise stattgegeben.
Auch in diesen Verfahren verletzen die fachgerichtlichen Entscheidungen das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, weil sie nicht den verfassungsrechtlich gebotenen Verhältnismäßigkeitsmaßstab zugrunde gelegt haben. Es kommt hierbei allein auf die objektive Verfassungswidrigkeit an; unerheblich ist hingegen, ob die Grundrechtsverletzung den Fachgerichten vorwerfbar ist. Soweit sich die Verfassungsbeschwerden mittelbar gegen das Therapieunterbringungsgesetz selbst richten, wurden sie unter Verweis auf den Beschluss vom 11. Juli 2013 nicht zur Entscheidung angenommen.

Fachaufsätze und Literatur

Aktualisierter Kommentar zum Maßregelvollzugsrecht
Durch mehrere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in den Jahren 2011 bis 2013 gerieten die Rechtsgrundlagen für Zwangsbehandlungen als „krank“ definierter Menschen ins Wanken. Bemerkenswert schnell zogen die Gesetzgeber in Bund und Ländern Verfahren durch, um wieder eine Rechtsgrundlage für Gewaltanwendungen in psychiatrischen Kliniken zu haben. Heinz Kammeier und Helmut Pollähne haben nun ihren Kommentar „Maßregelvollzugsrecht“ (2018, Verlag De Gruyter in Berlin, 951 S., 159,95 Euro) in der vierten Auflage auf die neue Lage aktualisiert. Minutiös erläutern sie die Handlungsgrundlagen der forensischen Psychiatrie. Dabei gehen sie nicht Paragraph für Paragraph vor, sondern gliedern ihr Werk systematisch. Das macht das Lesen leichter, das Buch könnte auch als Lehrbuch durchgehen. Erschwert wird umgekehrt die konkrete Suche zu Erläuterungen, wenn es um einen speziellen Paragraphen geht. Alle relevanten Gesetze sind aber im Wortlaut abgedruckt.

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