Projektwerkstatt Saasen

GESCHICHTE DER PRODUKTIVKRAFT UND DIE ÖKONOMISCHE UNTERDRÜCKUNG DES MENSCHEN

Produktivkraft: Tätigkeit als Gestaltung von Umwelt und Gesellschaft


1. Produktivkraft: Tätigkeit als Gestaltung von Umwelt und Gesellschaft
2. Geschichtliche Entwicklung der Produktivkraft
3. Von der personal-konkreten zur abstrakten Vergesellschaftung
4. Ökonomische Zwänge, Abhängigkeit und Kapitalverteilung
5. Links

Der folgende Text ist Teil der Gesamtabhandlung "Freie Menschen in Freien Vereinbarungen" ... zum Anfang

Menschen finden - im Unterschied zu Tieren - ihre Lebensbedingungen nicht einfach vor, sondern sie stellen sie aktiv gesellschaftlich her. Tiere verändern zwar auch ihre Umwelt, z.B. der Biber, dies jedoch nicht im Sinne einer gesellschaftlichen Herstellung. Denn diese geschieht durch Stoffwechsel mit der Natur unter Verwendung von Arbeitsmitteln. Sie ist kumulativ, d.h. hergestellte Dinge, Wissen, Erfahrung und Kultur werden historisch angesammelt. Wie der Zusammenhang von Mensch, Natur und Mitteln, die der Mensch zur Naturbearbeitung einsetzt, historisch jeweils beschaffen ist, fasst der Begriff der Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit, oder kurz: Produktivkraftentwicklung. Schematisch können wir den Begriff der Produktivkraftentwicklung als Verhältnis von Mensch, Natur und Mitteln so darstellen:

Den aktiven Stoffwechsel des Menschen mit der Natur unter Verwendung von Mitteln nennen wir “Arbeit”. Damit umfasst der Begriff der Produktivkraftentwicklung auch die historische Veränderung der Arbeit, ist aber nicht mit dieser identisch. Dies wird deutlich, wenn man sich die drei Dimensionen des Begriffs der Produktivkraftentwicklung ansieht:
  • Inhalt der Arbeit: Art der Produkte, der Bezug zur Natur und die verwendeten Mittel zur Herstellung
  • Form der Arbeit: Arbeitsteilung und Arbeitsorganisation
  • Produktivität der Arbeit: produzierte Gütermenge je Zeiteinheit.

Im Original: Definitionen zur Produktivkraft
Wikipedia zur Produktivkraft
Der Begriff Produktivkräfte entstammt der marxistischen Wirtschaftstheorie und umfasst alle natürlichen, technischen, organisatorischen und geistig-wissenschaftlichen Ressourcen, die einer Gesellschaft in ihrer jeweiligen Produktionsweise und den darin verankerten Produktionsverhältnissen zur Reproduktion und gegebenenfalls zur Steigerung des Bruttosozialprodukts zur Verfügung stehen. Aus der klassischen Nationalökonomie - dem Vorläufer der modernen Volkswirtschaftslehre - ist der sehr viel enger gefasste und deshalb nicht als Synonym zu verstehende Begriff „Produktionsfaktoren“ geläufig.
Die wichtigsten Produktivkräfte einer Gesellschaft sind gut ausgebildete und motivierte Menschen, die entsprechend ihrer Qualifikation und Fertigkeiten zweckmäßige Arbeit leisten und daraus ein leistungsförderndes, sozial ausgewogenes Arbeitseinkommen und soziale Anerkennung ziehen. ...
Produktionsmittel bzw. Arbeitsmittel sind Bestandteil der Produktivkräfte. Sie sind im übertragenen Sinn Kondensatoren, die Arbeitsleistungen und sonstige im Produktionsprozess verwertbare Potentiale bis zu ihrem Gebrauch speichern. Der arbeitende Mensch, der im Produktionsprozess als primäre Kraft wirkt, setzt die in den Arbeitsmitteln verfügbaren Potentiale und gespeicherten Leistungen frei, d. h. deren produktive Kräfte.
Auch Rohstoffe und Software sind Bestandteil der Produktivkräfte, soweit sie als solche erkannt bzw. entwickelt wurden und zur Nutzung bereit stehen.


Oft wird die Produktivkraft der Arbeit mit Produktivität der Arbeit verwechselt. Damit werden jedoch die qualitativen Aspekte des Inhalts und der Form der Arbeit in ihren historischen Entwicklungen ausgeblendet. Überbetont würde die Produktivkraft, wenn sie zur einzigen oder zentralen Antriebsquelle gesellschaftlicher Entwicklung gemacht würde. Das negiert soziale Prozesse und Motive zum Handeln, die jenseits des ewigen Schaffens liegen, oder reduziert alles Geschehen auf das Erstellen greifbarer Ergebnisse. Dichtung und Buchstabenkolonnen per Zufallsgenerator, Bildhauerei und Fertighausbau, Diskurs und Gesetz wird dann kaum noch unterscheidbar sein - ganz zu schweigen von allem, was mit zwischenmenschlichen Beziehungen, Verständigung, Entspannung usw. zu tun hat. Vielfach wird Produktivkraft daher auf den Bereich der Arbeit bezogen. Auch wenn der Begriff von Arbeit nicht nur im engen Sinne der Erwerbsarbeit gemeint ist und Produktivität die Herstellung aller Lebensbedingungen umfasst, bleibt sie damit immer noch nur ein Teil, wenn auch ein gewichtiger, all dessen, was gesellschaftliche Entwicklung antreibt und Gesellschaft formt.

Im Original: Produktivkraft und Arbeit
Wikipedia zur Produktivkraft der Arbeit
Die Produktivkraft der Arbeit wird von Karl Marx in seiner Kritik der politischen Ökonomie als maßgebende primäre Kraft unter allen Produktivkräften bestimmt und folgendermaßen beschrieben: "Die Produktivkraft der Arbeit ist durch mannigfache Umstände bestimmt, unter anderem durch den Durchschnittsgrad des Geschickes der Arbeiter, die Entwicklungsstufe der Wissenschaft und ihrer technologischen Anwendbarkeit, die gesellschaftliche Kombination des Produktionsprozesses, den Umfang und die Wirkungsfähigkeit der Produktionsmittel, und durch Naturverhältnisse" (Marx, Das Kapital I, in: MEW Bd. 23, 1986, S. 54). ...
Produktivkraft ist der Wirkungsgrad der konkreten Arbeit. [ Marx unterscheidet konkrete und abstrakte Arbeit, wobei zum Verständnis des Begriffes Produktivkraft die "abstrakte" Arbeit noch nicht unbedingt verstanden sein muss]. Konkrete Arbeit ist die Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur, um sie seinen Bedürfnissen gemäß umzuwandeln. Produktivkraft bemisst sich daher in Ausdrücken wie: Wie viele Stühle, Brote, Flugzeuge etc.etc je Zeiteinheit vermag die Arbeit hervorzubringen.


Aus Meretz, Stefan: "Linux - Software-Guerilla oder mehr? Die Linux-Story als Beispiel für eine gesellschaftliche Alternative"
"Menschen arbeiten, um die Mittel für ihr Leben zu schaffen. Diese Arbeit ist unterschiedlich wirkungsvoll. Der Begriff der Produktivität ist ein Maß für die Menge der hergestellten Güter pro Zeiteinheit. Damit ist jedoch nur die Quantität erfaßt. Produktivitätsvergleiche machen eng gefaßt nur Sinn, wenn es um ein und dasselbe Produkt geht. Ich kann nicht Fabrikarbeiter und Bauer vergleichen. Ich brauche also einen Begriff für Inhalt und Art der Arbeit. Dieser Begriff ist der der Produktivkraft der Arbeit wie ihn Karl Marx im "Kapital" (1976, S. 54) und anderen Schriften verwendet. Mit diesem Begriff lassen sich verschiedene Aspekte der Arbeit erfassen:
- WAS - Inhalt der Arbeit: Art der Produkte und Mittel zu ihrer Herstellung;
- WIE - Art der Arbeit: Arbeitsorganisation;
- WIEVIEL - Produktivität der Arbeit: die je Zeiteinheit herstellte Produktmenge.
Die Produktivkraft der Arbeit umfaßt also sowohl die quantitativen wie qualitativen Aspekte der Arbeit. ...
Kurz gesagt: Man versteht wie etwas ist, wenn man versteht wie es geworden ist. Geschichte ist so nicht nur eine Sammlung historischer Fakten - einzelnen "Bäumen"-, sondern wird als Erklärung für das heute Beobachtbare der Schlüssel zu Verstehen des Ganzen - der "Wald" wird sichtbar. Um das Ganze, den "Wald", verstehen zu können, ist es erforderlich, die Dynamik der Entwicklung in dieser Geschichte zu verstehen. Dafür braucht man einen analytischen Begriff, sozusagen die Brille, mit der ich auf die Geschichte gucke. Ohne einen solchen Begriff sehe ich "nichts" - oder "alles", was auf das Gleiche rausläuft. Mein Begriff für Linux ist der der Produktivkraftentwicklung.


Marx, K., Über Friedrich Lists Buch "Das nationale System der politischen Ökonomie", in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Band 14, Heft 3, 1972 (S.425-446, Quelle)
Wenn deine Geistlosigkeit produktiver ist als deine reiche Geistestätigkeit, so ist deine Geistlosigkeit eine produktive Kraft etc. etc. Wenn ein monotones Geschäft dich fähiger für dasselbe Geschäft macht, so ist die Monotonie eine produktive Kraft. (S. 440)
Wenn ich den Menschen als "Tauschwert" bezeichne, so liegt schon im Ausdruck, dass die gesellschaftlichen Zustände ihn in eine "Sache" verwandelt haben. Behandle ich ihn (als) "Produktivkraft", so setze ich an die Stelle des wirklichen Subjekts ein andres Subjekt, ich schiebe ihm eine andre Person unter, er existiert nur mehr als Ursache des Reichtums. Die ganze menschliche Gesellschaft wird nur zur Maschine, um Reichtum zu schaffen. (S. 441)
Einen Aufschluß über das Wesen der heutigen "Produktivkräfte" erhalten wir schon dadurch, dass in dem heutigen Zustand die Produktivkraft nicht nur darin besteht, etwa die Arbeit des Menschen wirksamer oder die Naturkräfte und sozialen Kräfte erfolgreicher zu machen, sie besteht ebensosehr darin, die Arbeit wohlfeiler und unproduktiver zu machen. Die Produktivkraft ist also von vornherein durch den Tauschwert bestimmt.


Die Entfaltung der Produktivkraft als kreative Quelle der Gestaltung des eigenen Lebensumfeldes ist ein bedeutender Faktor in der sozialen Evolution. Allerdings ist sie kein Motiv, d.h. sie erklärt sich selbst nicht. Produktiver zu sein ist ein Ansporn, der aus Wünschen, Bedürfnissen usw. gespeist wird. Der Impuls, die Produktivkraft zu steigern, muss daher selbst noch Ursachen haben - so wie andersherum auch der Wille, Herrschaftsverhältnisse zu schaffen, zu sichern oder auszubauen.

Was treibt die Menschen an?
Die gesellschaftlichen Kräfte als Folge abstrakter Einflüsse darzustellen, ist die eine Seite. Bezogen auf den einzelnen Menschen kann es weitere Motive geben, tätig zu sein oder die Möglichkeiten des Tätigseins zu verbessern, also die Produktivkraft weiterzuentwickeln. Die ständige Verwertung von Wert ist ein übergeordneter Handlungsimpuls, der aber einerseits bis in die kleinsten Fugen der Gesellschaft eindringt, andererseits auch als verbindender Zusammenhang in der Gesellschaft ungefragt die Tätigkeiten der Einzelnen aufsaugt und seinen Gesetzmäßigkeiten unterwirft, d.h. einer Verwertung zuführt. Diese zentrale Kraft verdeckt andere Handlungsimpulse, die Menschen zu Produktivität antreiben könnten: Lust an der Tätigkeit oder der Entwicklung von neuen Möglichkeiten, Neugier und Kreativität als spezielle Form des Denkens, das ausbricht aus Wiederholungen und nach eigenartigem Selbstgeschaffenen strebt. Dem menschlichen Körper, zu dem auch Gehirn und Nervensystem sowie auf dieser Basis das Denken gehören, ist der Drang nach Fortentwicklung eigen - im günstigsten Fall als Entfaltung der Möglichkeiten, die in ihm schlummern oder neu entstehen können. Die Welt ist ein dauernder Strom der Fortentwicklung - und Körper plus Kultur des Menschen sind dafür ein typisches Beispiel. Wer wach ist im Kopf, will weiterkommen, sich entwickeln, sich entfalten.

Wichtigste Energiequelle ist der Egoismus, der Willen des Menschen zu einem besseren Leben. Die kapitalistische Maschine nutzt diesen Antrieb und bietet den Menschen ein Auskommen, wenn sie sich ihm verkaufen. Das wirkt funktional und der Wille zum Überleben, ein Teil des Egoismus, führt zur Unterwerfung.
Egoismus könnte aber auch ganz anders wirken, nämlich als unmittelbarer Antrieb zum besseren Leben. Handlungsmöglichkeiten ausbauen, Ressourcen organisieren, Wissen und Ideen verbreiten - all das trägt zu einem eigenen besseren Leben bei. Je nachdem, wie sich Gesellschaft organisiert, nutzt das auch allen Anderen. In den Texten zur Theorie der Herrschaftsfreiheit wird zum Menschen selbst, zu seinen Entfaltungsmöglichkeiten und zur Frage der Kooperation mit anderen mehr zu lesen sein.

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