Sand im Getriebe

SAASEN UND DIE PROJEKTWERKSTATT

2014 und 2015: Nazistress


1. Einleitung zur Attacke auf die Projektwerkstatt am 1.5.2001
2. Vorgeschichte: Acht Jahre Ausgrenzung und Angriffe
3. Zwei Tötungsversuche, mehrere Brandattacken, endlos viel Sachbeschädigung: Die ersten zehn Jahre
4. Was ist ein Pogrom?
5. Der "Mitte"-Mob* greift an: Bericht vom 1. Mai
6. Die Mitte setzt ihre Institutionen ein: Politische Äußerungen zum Geschehen
7. Walpurgisnacht-Vorfälle in Saasen haben Nachspiel
8. Das Trauerspiel geht weiter
9. Links zu 2001
10. Die Vorphase 2002 und das Verhalten verschiedener Teile der Gesellschaft
11. Berichte
12. Gegendarstellung (aus dem Dorf)
13. Die Monate danach
14. Scharmützel nach 2002
15. 2014 und 2015: Nazistress
16. Ende 2015: Eine Flüchtlingsunterkunft nach Saasen ...


Rechts: Von Nazis zerstörter Eingang der Projektwerkstatt

Im Laufe des Jahres entwickelte sich aus den Kreisen einiger Nazis im Lumdatal (Tal nördlich der Wieseck, von Saasen nur ca. 2km entfernt) und aus Saasen einige Aktivität. So wurden zwei Familien in Allendorf angegriffen wegen ihrer vermeintlichen "linken" Orientierung bzw. von Personen mit dunkler Hautfarbe. Es gab (z.T. peinliche) Reaktionen aus bürgerlichen Kreisen (Kirche, Grüne, Bürgermeister_innen), deren Funktionär_innen dann auch angegriffen wurden. Mehrfach traf es zudem die Projektwerkstatt - mit Farbbeuteln, Glasflaschen, direkter Bedrohung, Flyeraktionen im Ort usw. Bemerkenswert war, dass die bürgerliche Anti-Nazi-Koalition die Solidarität mit der Projektwerkstatt verweigerte. Die Gemeinde Reiskirchen und dortige Kirchen reagierten zum Beispiel gar nicht. Die Lumdatal-Bürgerlichen grenzten die Projektwerkstatt mit den Worten "das ist ein andere Tal" sogar aus.

Antifas aus den mittelhessischen Städten mischten sich auch ein, z.T. aber gefährdeten sie eher die Projektwerkstatt damit weiter, ohne sich mit diesen überhaupt in Verbindung zu setzen. Zwischen Projektwerkstättler_innen und Nazis gab es einige direkte Begegnungen mit teilweise intensiven politischen Diskussionen. Auch das dürfte dazu beigetragen haben, dass der Konflikt sind entschärfte. Nazis sind hochidentitäre Gruppen, die ihre Motivation aus klaren Feindbildern ziehen. Ihnen diese nicht zu bieten, ohne eine inhaltliche Klarheit aufzugeben, dürfte in der Regel mehr Sinn ergeben, als ihnen den Krieg zu bieten, den sie sich wünschen.

Gießener Anzeiger am 14.7.2015

Nazi-Aktivitäten in den Jahr(zehnt)en davor
Eines Tages hing ein Nazi-Plakat (Pro Rudolf Hess) an der Projektwerkstatt. Wie Antifas berichteten, waren damit Zielobjekte der Nazis "markiert" worden. Die Aktivistis aus der Projektwerkstatt ließen das Plakat hängen und befestigten daneben die folgende Erklärung:

Irritiert? Ein Nazi-Plakat an der Projektwerkstatt?
Immerhin ... wer irritiert ist, hat schon mal die richtige Frage gestellt. Das tun hier offenbar nur wenige. Bürgerlicher Anstand gilt immer nur zwischen denen, die sich als solche verstehen. Wir gehören nicht dazu. Ständig werden bei uns Bäume abgesägt, Gift in den Garten gekippt, Fenster eingeschlagen, Plakate abgerissen ... immer mal wieder was zerstört. Ständige Höhepunkte waren massive Sachbeschädigungen in der Nacht auf den 1. Mai von 1993 bis 1998, ständige Anzeigen bei Gemeinde, Polizei und Baupolizei sowie fast tägliche Anmachen. Beispiele sind mehrfache Versuche, ProjektwerkstättlerInnen einschließlich BesucherInnen vom Kirchengrundstück am Dorfplatz zu jagen.
Hinter diesen Vorgängen, die jeweils von Jugendlichen, Angetrunkenen u.ä. ausgeführt wurden, die teilweise dafür Geld erhielten, stehen die ca. 20 Männer, die sich in einer eklig-patriarchalen Dorfstruktur ständig selbst als "Dorf" inszenieren und am liebsten jeden Quadratmeter kontrollieren wollen.
Eskalation gab es ab 1999 in der Nacht auf den 1. Mai, aber auch schon im Jahr 1995, als ein Nachbar volltrunken in der Dorfkneipe zu einem Angriff auf die Projektwerkstatt überredet wurde. Er betrat mit Morddrohungen und einer Sense das Grundstück, später kam er mit Benzinkanister und Eisenstange. Die dann bereits anwesende Polizei griff er mit der Stange an (damit bewiesene Tatbestände des versuchten Mordes, der schweren Brandstiftung und der schweren Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt - üblich wären mindestens einige Jahre Knast). Die CDU Reiskirchen und die patriarchale Mitte des Dorfes begrüßten damals den Anschlag. Die Justiz stellte das Verfahren ohne Verhandlung (!) ein.
Seit 2000 wuchs die Gewaltanwendung in der Nacht auf den 1. Mai. Am 1. Mai 2001 griffen 48 überwiegend bewaffnete DorfbewohnerInnen mit Sprüchen wie "Ihr kommt hier nicht mehr lebend raus" und "Faulenzer" oder "Ihr lebt auf unsere Kosten" die Projektwerkstatt an. Die Aktion stieß erneut auf Zustimmung in Dorfpolitik und dem Clan der ca. 20 wichtigen Männer, die solche Sprüche auch öffentlich wiederholten. Polizei und Justiz zeigten nach dem 1. Mai, was ein Rechtsstaat ist: Die Verfahren gegen die AngreiferInnen wurden von der Staatsanwaltschaft wieder ohne Verfahren und sofort nach den Vernehmungen bei der Polizei eingestellt, obwohl die Aussagen der unbeteiligten ZeugInnen völlig eindeutig sind. Schneller waren sie gegen die Projektwerkstatt: Hausdurchsuchung am 9. Mai, die Verfahren gegen die ProjektwerkstättlerInnen (weil die sich am 1. Mai verteidigt hatten - immer auf dem eigenen Hof) wurden erst drei Monate nach den Verfahren gegen die AngreiferInnen eingestellt.
Nach dem 1. Mai kam es zu weiteren Sachbeschädigungen. Seit dem 10.11. hängt nur ein Nazi-Plakat am Haus. Anders als andere Aushänge von uns bleibt das hängen ... verschiedene Menschen in Saasen, Gemeinde und Polizei sind informiert und desinteressiert. Wir nehmen hier niemandem die Arbeit ab. Wenn sozialrassistisches Denken und faschistische Propaganda in diesem Dorf akzeptiert sind, so soll das auch sichtbar sein. Wenn sich Widerspruch dagegen regt, freuen wir uns.
Die SozialrassistInnen in Saasen und Reiskirchen, eine Minderheit mit wichtigen Funktionen kann frei schalten und walten, ihren Filz aus Medien, Justiz, Polizei, Politik usw. nutzen, weil so viele wegschauen. Deren Ausgrenzung setzen wir weiter unseren Freiraum entgegen. Und hoffen, daß mehr Menschen in Saasen und Reiskirchen keine Lust mehr haben, diesen Zustand weiter hinzunehmen. Bislang enttäuschen uns auch die, die wegsehen. Nur sehr wenige beweisen hier Courage.
Wir laden alle Menschen, die Menschen nicht bewerten, aussondern, vertreiben wollen, ein, mit uns Kontakt aufzunehmen. Hiuer steht ein offenes Haus, bunt und vielfältig. 649qm, die ohne rassistische, soziale und patriarchale Herrschaftsformen sein wollen.




Standbilder: Links der Mittelfinger, rechts und Mitte der ausgestreckte Arm zum Hitlergruß. Die ganze Meute sang: "Ihr könnt nach Hause gehn".

Schmierereien
Bilder zu den dunkleren Seiten von Saasen - zweifelsfrei kein Urteil über alle Menschen im Ort, aber eben auch nicht nur ganz am Rand ...

Ortsschild von Saasen am 19. Februar 2002, verwitterte langsam, wurde nie gezeilt entfernt.
Auf der Rückseite befand sich ein Keltenkreuz - eher ein Zeichen, dass es schon Leute waren, die wussten, was sie da taten.

Ab Mitte März 2002 für viele Monate auf dem Kirch-Gemeindehaus ...

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