Sand im Getriebe

VERKEHR, UMWELT UND DER KAPITALISMUS

Sprücheklopfer, Lobby & Co.


1. Verfehlte Verkehrspolitik
2. Zahlen, Fakten, Zitate - Material für Eure Flyer, Schautafeln usw.
3. Zahlen aus der Studie „Mobilität in Deutschland“ und dem ADAC-Mobilitätsindex
4. Straßenneubau gefährdet alles - selbst die Straßen!
5. Gute Gründe gegen Autos (egal, welcher Antrieb)
6. Gegen das Auto und das Gequatsche vom Grundrecht auf Autofahren
7. Woran die Verkehrswende scheitert ...
8. Diesel & Co.: Alte Autos weg, aber keine neuen her!
9. Die sozialen Aspekte der Verkehrswende (gerechte Mobilität)
10. Abschaffung der Verkehrsregelungen senkt Unfallquote
11. Flugverkehr
12. Bahn jahrzehntelang zerlegt - Konzern kümmert sich vor allem um Aktienkurse
13. Politiker*innen-Gequatsche
14. Sprücheklopfer, Lobby & Co.
15. Vergessene Fragen der Mobilität
16. Bücher, Texte und Links zum Themenbereich

Aus "Greenpeace-Bericht entlarvt Lobbydruck hinter Straßenbau-Expansion", in: Frankfurter Rundschau am 5.10.2024
Deutschlands Fernstraßennetz ist eines der dichtesten in Europa – mit rund 13 000 Kilometern Autobahnen und 38 000 Kilometern Bundesstraßen. Trotzdem und trotz des seit Corona gesunkenem Pkw-Verkehrs sollen 6000 Kilometer Fernstraßen neu gebaut werden und 4000 Kilometer Strecke zusätzliche Fahrspuren bekommen, während gleichzeitig das Bestandsnetz zunehmend sanierungsbedürftig ist. Als eine Hauptursache dafür sieht die Umweltorganisation Greenpeace den in Jahrzehnten gewachsenen Lobbydruck der Bauindustrie und anderer Akteure, die von dem Neu- und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur profitierten. ... Das Interessengeflecht beim Fernstraßenbau reicht danach von den Baukonzernen über die Straßenbauverwaltungen und die Autobauer bis zu den Hochschulen. Es geht dabei für die Unternehmen um gewaltige Umsätze, ansonsten aber auch um Joberhalt und politischen Einfluss. Für die Erweiterung des Netzes sind in den letzten Bundesetats jeweils 2,5 bis drei Milliarden Euro pro Jahr ausgegeben worden, bei gleichbleibenden Ansätzen betrügen die Kosten bis 2030 also 15 bis 18 Milliarden. Geplant sind insgesamt aber Projekte mit noch weit höheren Kosten. ++ Link zu Greenpeace-Studie

Esso-Werbung für Ölsuche
Esso-Werbung im GEO-Heft 4/1978

Autohersteller
Aussagen des VW-Chef Herbert Diess im Interview mit dem Tagesspiegel, 31.5.2019
Es fehlen in der Union und der SPD klare Positionen und der Wille zur Umsetzung. Sie haben von allem ein bisschen, aber insgesamt zu wenig. Wenn man sieht, wie zaudernd mit dem Thema Elektromobilität oder der Energiewende umgegangen wird, dann gleicht das fast einer Schockstarre. Ich kann schon verstehen, dass die Jugend deshalb auf die Barrikaden geht. ...
Volkswagen will bis 2050 klimaneutral werden und sieht sich dem Pariser Abkommen verpflichtet. CO2-Neutralität werden wir nicht erreichen, wenn wir von allem nur ein bisschen wollen. Ein bisschen weniger Fleisch essen. Ein bisschen weniger in Urlaub fliegen. Ein bisschen weniger Autofahren. Das ist Unsinn. ...
Man muss beim Klimaschutz an den großen Hebeln ansetzen – also an der Vermeidung von fossilen Energieträgern. Kohle, Öl, Gas. ...
Wir brauchen mehr Entschlossenheit. ...
Wenn uns der Klimaschutz wichtig ist, sollten die Kernkraftwerke länger laufen. ...
Die Verkehrswende wird ernsthaft diskutiert: Der Bundesverkehrsminister will eine Milliarde Euro mehr Förderung für den Ausbau der Ladeinfrastruktur, er will E-Autos unterhalb von 30.000 Euro stärker fördern. Shell baut Ladestationen an Tankstellen. Der Einzelhandel investiert. Die Stromnetzbetreiber sagen, dass sie bis 2030 rund zehn Millionen Elektroautos verkraften können. ...
Die CO2-Regulierung verschwendet Ressourcen, weil sie nicht zu Ende gedacht ist. Die Flottenziele bis 2030 sind zu scharf, weil wir dann schon 40 Prozent Elektrofahrzeuge brauchen – die dann aber nicht mit CO2-freiem Strom geladen werden können. Wie in Frankreich mit seinem hohen Anteil von Atomstrom. Die Transformation kommt zu schnell, ist zu wenig vorbereitet und sie wird extrem sein und Arbeitsplätze kosten. ...
ich sage der Politik immer noch, dass moderne Diesel in großen Fahrzeugen und auf langen Strecken Elektroautos überlegen sind – aus den Gründen, über die wir gesprochen haben. ...
Beruflich muss ich viel reisen – und wann immer möglich, nutze ich dafür Linienflüge. Das hilft schon.
Frage: Wann haben Sie zuletzt Ihren Ferrari aus der Garage geholt?
In den nächsten Tagen, hoffe ich. Ich bin ihn schon ein Jahr lang nicht mehr gefahren.


Am 25.10.2018 gab VW bekannt
Volkswagen treibt die größte SUV-Offensive der Unternehmensgeschichte weiter voran. Im Jahr 2025 wird voraussichtlich rund jeder zweite weltweit verkaufte Volkswagen Pkw ein SUV sein.

Auf einer Infoseite der Stadt Wolfsburg zum neuen VW-Werk
Grundsätzlich werden durch das Trinity-Werk keine zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen ...


Lobbyverbände: ADAC & Co.
Viele Automobilclubs und weitere Agenturen, Verbände usw. sehen sich als Sprachrohre der Autofahrenden oder gar der Konzerne. Die wachsende Verkehrswendedebatte und die unübersehbaren Probleme, die das Autofahren erzeugt, lassen selbst eingefleischteste Autofans viel Kreide fressen. Heraus kommen dann Broschüren, Internetseiten und Pressestatements, in denen für andere Mobilitätsformen geworben wird. Die lassen sich in der politischen Meinungsdebatte gut verwenden - z.B. wenn der ADAC fordert, dass rund um Kindergärten und ähnliche Einrichtungen die Autos verdrängt werden sollen.

Es folgen Auszüge aus der ADAC-Schrift "Die Evolution der Mobilität - Eine Studie des Zukunftsinstituts im Auftrag des ADAC" von 2017. Gleich zu Beginn stellt der ADAC darin klar: Mobilität ist keine Frage der Lust, sondern in der Regel ein Zwang, nämlich eine Folge gesellschaftlicher Bedingungen.

Die Art und Weise der Lebensführung wird individueller. Deshalb prägt kaum etwas unser Leben so sehr wie die Mobilität. Sie ist unentbehrlich. Mobil sein ist die Voraussetzung für soziale Teilhabe und gesellschaftlichen Fortschritt, für wirtschaftliches Wachstum, Selbstverwirklichung und individuellen Erfolg. Mobilität entscheidet darüber, ob Menschen ihre beruflichen und privaten Ziele erreichen, ihre Wünsche und Anforderungen miteinander vereinbaren, ihre Lebensqualität steigern können. Das heißt, Menschen wollen, sie müssen aber auch mobil sein. ...
Mit voranschreitender Urbanisierung bei gleichzeitiger Zersiedelung wächst das Verkehrsaufkommen – gerade aufgrund alltäglicher Wege zur individuellen Versorgung mit Waren. Städte und Ballungsräume stehen vor besonders großen Herausforderungen. Hier verdichtet sich das Verkehrsaufkommen auf engstem Raum, was häufig zum Stillstand führt. Personen und Güter kommen nicht schnell genug ans Ziel. So wird auch die Neugestaltung der Nahversorgung im urbanen Raum zu einem dynamischen Innovationsfeld. Denn auch das starke Wachstum des E-Commerce führt nicht etwa zu weniger Versorgungswegen. Im Gegenteil: Er erzeugt ein massiv steigendes Sendungsaufkommen und damit neue Anforderungen an die Handelslogistik und an Paketdienstleister, die mehrfach, dezentraler und in kleineren Mengen ausliefern müssen.

Daher, so sieht es auch der ADAC, sind große Veränderungen nötig.
Wir stehen vor ähnlichen Umwälzungen wie nach der Erfindung des Autos vor 125 Jahren. Hinter der vordergründigen Kontinuität verbirgt sich ein evolutionärer Wandel des Systems der Mobilität, der nicht unterschätzt werden darf.

Dann die erste große Überraschung: Das Auto ist nur noch als Ergänzung - sagt der ADAC!
Nur wenn es sich also in den Mobilitätsmix von morgen klug und reibungsfrei einfügt und künftig zu einer wirklich bedarfsgerechten Mobilität beiträgt. Der Pkw bleibt ein wichtiges Fortbewegungsmittel. Aber im Selbstverständnis der Menschen wird er eben nicht mehr zwingend die erste Wahl sein, sondern als Teil neuer, integrierter Mobilitäts- und Verkehrssysteme eine – weitgehend gleichberechtigte – Option unter anderen.

Interessant ist die Überlegung, dass Verkehrsmittel künftig als Aufenthaltsort zu betrachten sind, in denen Besprechungen, Arbeit usw. stattfinden. Sie müssen dann entsprechend ausgestattet sein. Vor allem aber dürfen die Reisenden nicht selbst mit dem Fahren beschäftigt sein.
Die große Chance autonomer Fahrzeuge liegt darin, dass sie künftig verstärkt soziale Funktionen als Third Places erfüllen können: Verkehrsmittel werden zu Refugien zwischen Arbeitsplatz und Zuhause, in denen man sich gerne aufhält, wohlfühlt, seine Zeit aber auch sinnvoll verbringen kann, während man unterwegs ist. ...
Flexibel, unabhängig von Ort und Zeit arbeiten zu können wird immer wichtiger. Der Wunsch, komfortabel zu reisen und zugleich produktiv sein zu können, steigt und damit die Nachfrage nach einer Infrastruktur fürs mobile Arbeiten, die Wegzeiten zu wirklicher Arbeitszeit werden lässt. Wenn es darum geht, Reisezeiten effektiv fürs Arbeiten nutzen zu können, sind digitale Vernetzung, ruhige Arbeits- und Meeting-Möglichkeiten aber erst der Anfang. Künftig wird es darum gehen, kluge, ganzheitliche Konzepte für mobiles Arbeiten zu entwickeln. Arbeitgeber wie auch Mobilitätsdienstleister müssen produktive, kreative und sichere Arbeitsumfelder schaffen – mit allem, was dazugehört, um gute Leistungen auch unterwegs zu erreichen. Verkehrsmittel, aber auch Bahnhöfe, Flughäfen, Hotels, Co-working Spaces werden zum festen Bestandteil unserer Arbeits- und Lebenswelt. Sie bilden die „Hardware“ des Mobile Office in der Netzwerkökonomie von morgen. Smart-Travel bedeutet dann nicht nur zuverlässig, sicher und bequem zu reisen, sondern zugleich sinnvoll arbeiten zu können – und nicht zuletzt sich gesund fortzubewegen.

Aber warum dann Autos? Straßenbahnen, Seilbahnen, Züge bieten das, was der ADAC sich wünscht, doch längst. Hier bleibt der ADAC jetzt seinem Autolobbyismus dann doch wieder treu. Der Widerspruch zu den obigen Ausführungen ist aber offensichtlich. Eine Absage an den Individualverkehr und der Umbau des ÖPNV zu größerem Aufenthaltskomfort wäre die deutlich passendere Antwort gewesen. Aber leider schafft der ADAC diesen gedanklichen Sprung dann doch (noch) nicht:
Wenn Autos in Zukunft von künstlicher Intelligenz gelenkt werden, müssen die menschlichen Fahrer sich nicht mehr auf das Verkehrsgeschehen konzentrieren, vielmehr können sie sich entspannen, lesen, Videos schauen oder Arbeit erledigen. Damit ändert sich die Funktion des Autos im Alltag radikal. Selbstfahrende Autos werden dann erstmals wirklich zur Verlängerung des Büros und des Wohnzimmers samt multimedialer, digitaler Vernetzung, die die Erweiterung der Lebenswelt ins Virtuelle unterstützen.

Tarnorganisationen
Überall sprießen Gruppen aus dem Boden, die sich hinter schönen Namen verbergen, aber tatsächlich knallharte Autolobbyist*innen sind. Ihr Credo: Wir sind auch für eine Verkehrswende, aber ... ungefähr die Logik des "Ich bin kein Rassist, aber ...".

Beispiel aus Bonn
In einem einzigen Satz sind auf der Internetseite die beiden Teile enthalten: "wir brauchen ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen allen Verkehrsteilnehmern" und "das Auto ist und bleibt ein unverzichtbares Verkehrsmittel" (www.vorfahrt-vernunft.de/). Das ist der Standard: Es wird von gerechter Verteilung oder, wie hier, "ausgewogener" Politik gesprochen, aber gemeint ist immer der Erhalt der Privilegien des Autos. Denn ein Gleichgewicht zwischen Auto, Fuß, Fahrrad und ÖPNV wäre ja flächenmäßig nur mit deutlichen Einschränkungen fürs Auto möglich. Der Autofanblock mein mit "ausgewogen" oder "gerecht" aber, dass die - teilweise rechtswidrig wie beim Gehwegparken - erstrittenen Privilegien erhalten bleiben müssen. Das ist die gleiche "Gerechtigkeit" wie bei der FDP, wenn die sagt, dass den Reichen nichts weggenommen werden darf. Das sei "ungerecht", schließlich hätten die das gleiche Recht, weiter reich sein zu können, wie die Armen, weiter arm zu bleiben.
An anderer Stelle steht das ebenfalls in dieser Doppelung des eigentlich-aber, jedoch hier klarer erkennbar, dass der Eingangssatz nur Floskel ist, es eigentlich nur ums Auto geht: "Kunden sollten das für sie attraktivste Verkehrsmittel und damit bei Bedarf auch den Pkw wählen können. Das Parken in unmittelbarer Nähe zum Einzelhandel ist deshalb wünschenswert." Und als Überschrift sogar noch deutlicher: "Parkplätze für Wirtschafts- und Kundenverkehr ausbauen". Jetzt sollen die Privilegien sogar noch vergrößert werden. Die Greenwashing-Überschrift lautet "Ja zur Bonner Verkehrswende, aber durchdacht".

PR-Kampagnen und Medien
Mit "Deutschland mobil 2030" haben Autobauer, -lobbyisten und -clubs eine eigene Greenwashing-Kampagne gestartet. Auch die Nahverkehrsunternehmen sind mit ihrem Bundesverband dabei. Das überrascht inzwischen nicht mehr, denn die sich inzwischen häufiger als Gegner einer Verkehrswende aufgefallen. Manche (wie die Stadtwerke Gießen) bauen inzwischen auf Auto-Verleihen um und geben dem ÖPNV ganz offiziell kaum noch eine Zukunft. Wer auf die Liste der "Partner" der Kampagne schaut, sieht sofort, wes Geistes Kind die Sache ist.

Sprüche klopf, klopf ...
Aus "Straßentrends" der Aktionsgemeinschaft Straße e.V., Düsseldorf (gleiche Adresse wie der Bauindustrieverband NRW)
Der Lebensraum Straße bietet Fauna und Flora neue Überlebenschancen. ...
Wer sich für Umgehungsstraßen einsetzt, macht ernst mit aktivem Umweltschutz. ...
Die bessere Straße ist der bessere Energiesparer. ... Je störungsfreier der Verkehr, umso weniger Lärm durch wechselnde Motoren-, Brems- und Reifengeräusche. ...
Den Trend, der Natur neue Lebens-Reservate zuzuweisen, hat der Straßenbau maßgeblich mit beeinflußt. ... Das erfolgreiche Zusammenspiel von Straßenbauern und Umweltschützern wird eindrucksvoll in ihrer gemeinsamen Fürsorge für die stark dezimierten Kröten und Frösche sichtbar. ... Begrünte Straßenränder nehmen bedrohte Tiere und pflanzen auf. Hier verbindet sich Straßenbautechnik mit Natur.


Zitat in der Bild-Zeitung über einen Marktplatz in Hamburg:
Aber warum soll so eine große Fläche, auf der locker 30 bis 40 Autos stehen könnten, nicht dafür genutzt werden?

Im Original: Fürs Auto - gegen Demokratie

Die Wirtschaftswoche plädiert dafür, Abstimmungsergebnisse zu ignorieren und die Autoindustrie wichtiger zu nehmen als die Demokratie - drei Absätze aus der Veröffentlichung am 21.2.2024 oben
Unten: Die BZ in Berlin hat noch heftiger drauf - Demokratie muss dem Kapitalismus dienen (was sie ja auch fast immer tut), sonst ist die doch eher doof


Gewerkschaften
Rechts: Aus der IG Metallzeitung April 2019 (S. 15)

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