Laienverteidigung

POLIZEIGEWALT

Sanktionen? Fehlanzeige ...


1. Einleitung
2. Für eine Welt ohne Polizei
3. Polizeigewalt überall
4. Polizeigewalt ist Alltag ...
5. Cop Culture
6. Polizei gegen politische Opposition
7. Folter und Polizeimethoden
8. Sanktionen? Fehlanzeige ...
9. CPT-Standards: Straflosigkeit von Gewalt durch Polizei und Justiz
10. Sicherheitswahn bei Bahn & Co.
11. Polizeiwaffen
12. Weitere Links zur Polizei

Polizei kann Menschen schlagen, würgen, falsch beschuldigen und vor Gericht falsch aussagen - es passiert ... nichts (außer einem Verfahren gegen das Opfer)

Im Original: Lottogewinn wahrscheinlicher als Anklagen
Aus Junge Welt vom 19.01.2006, "Schläger mit Staatslizenz"
Im statistischen Vergleich mit anderen Bundesländern sticht Berlin durch die hohe Zahl an Verfahren gegen Polizisten hervor – jedes Jahr wird gegen fast jeden 20. wegen Körperverletzung im Amt ermittelt. Wahrscheinlich ist das zu niedrig gegriffen, erfahrungsgemäß trauen sich viele Opfer von Polizeiübergriffen nicht, Anzeige zu erstatten.
Zwischen 1995 und 2004 wurden in Berlin 98,3 Prozent aller Körperverletzungsanzeigen gegen Polizisten ohne Verurteilung abgeschlossen. In 1,3 Prozent aller Fälle kam es zu einer Anklage, in 0,4 zu einer Verurteilung. Für Berlin gilt also, daß die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, daß ein gewalttätiger Polizist juristische Konsequenzen fürchten muß. Solche Beamten können sich auch vor disziplinarischer Verfolgung relativ sicher fühlen: 1999 z. B. gab es in Berlin 967 einschlägige Anzeigen – aber nur 26 Disziplinarverfahren.


Aus Forum Recht zu einer Studie über Anklagen nach Polizei-Straftaten
Bürger- und Menschenrechte gelten bei der Polizei im Rahmen der Umsetzung ihres staatlichen Gewaltmonopols oft als Hemmschuh der erstrebten Effektivität. Zu diesem Ergebnis kam unlängst eine Umfrage des Instituts für Friedens- und Konfliktforschung der Universität Bielefeld. Ungeachtet der Tatsache, daß regelmäßig Straftaten im Dienst festgestellt werden, belegt die Studie, daß man bei der Polizei den Kollegen faktisch nicht als Straftäter wahrnimmt. ... In der Regel bleibt dem potentiell betroffenen Bürger kaum ein Weg, sich gegen polizeiliche Übergriffe zur Wehr zu setzten. So ist ihm der Zugang zu den Strafgerichten durch das dazwischengeschobenene Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft erschwert. Stellt diese Verfahren gegen PolizeibeamtInnen ein, haben BürgerInnen wenig Möglichkeit, ein Klageerzwingungsverfahren durchzusetzen. Polizeiliche Eingriffsmaßnahmen (z.B.Durchsuchungen ) werden überwiegend im Rahmen des Rechtsinstitutes der "Gefahr im Verzug" ohne vorherige richterliche Entscheidung durchgeführt. Nach Abschluß dieser Maßnahmen ist nur unter erschwerten Bedingungen verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz (Fortsetzungsfeststellungsklage) zu erlangen. Noch schwieriger ist es nach abgeschlossenen Grundrechtseingriffen der Polizei, die ordentlichen Gerichte (§ 23 EGGVG) zur Überprüfung anzurufen.


Aus "Nicht angezeigt", in: Junge Welt, 31.7.2019 (S. 4)
Das Ausmaß an rechtswidriger Polizeigewalt in Deutschland ist offenbar deutlich größer als bisher angenommen. Am Montag strahlte die ARD eine Dokumentation mit dem Titel »Staatsgewalt – wenn Polizisten zu Tätern werden« aus. Wie das RBB-Magazin »Kontraste« und der Spiegel wenige Tage vor dem Sendetermin berichteten, kommt es jährlich zu etwa 12.000 Fällen von rechtswidriger Polizeigewalt. ...
Der Experte berichtet in der Fernsehdokumentation darüber, dass weniger als zwei Prozent der Fälle von rechtswidriger Polizeigewalt überhaupt vor Gericht gebracht würden. »Weniger als ein Prozent enden mit einer Verurteilung«, moniert Singelnstein dort außerdem. Verantwortlich für diese geringen Quoten sei, dass Polizisten übermäßiges Vertrauen bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten genießen und ihnen dort nicht nur ein Gewalt-, sondern viel zu oft auch ein Wahrheitsmonopol zuerkannt wird.


Aus "Forderung nach Konsequenzen", in: Junge Welt am 20.2.2020 (S. 4)
Es ist weniger die Ausnahme, sondern eher die Regel, dass sich Staatsanwaltschaften weigern, Strafverfahren gegen Polizeibeamte einzuleiten, denen eindeutig rechtswidrige Gewalttaten vorgeworfen werden. Nicht selten geht die Justiz statt dessen mit voller Härte gegen die Opfer polizeilicher Übergriffe vor, die sie des »Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte« bezichtigt oder als unglaubwürdig zu brandmarken versucht. Genau so stellte es sich auch im Fall des heute 29jährigen Sven W. dar. Der schwule Mann war in der Nacht zum 4. Juli 2016 am Rande des Christopher Street Days (CSD) im McDonald’s-Ladenlokal am Kölner Dom vor den Toiletten von Polizisten geschlagen, misshandelt und festgenommen worden ...
Der Fall, der bundesweit für Aufsehen und Entsetzen gesorgt hatte, gilt als Paradebeispiel für polizeilichen Korpsgeist und die in den Amtsstuben der Behörden grassierende Minderheitenfeindlichkeit. So war der junge Mann von den Beamten unter anderem erst als »dumme Schwuchtel« und dann – nachdem er von den Ordnungshütern zusammengeschlagen worden war – als »kleiner Wichser« verhöhnt worden.
Derlei Gewalttätigkeit und Hass war selbst dem Richter am Landgericht der Domstadt im letzten Jahr zuviel gewesen. Er kämpfte bei der damaligen Urteilsverkündung in der zweiten Instanz mehrfach mit den Tränen und entschuldigte sich als Vertreter eines Staates, den er für »einen der bestmöglichen« halte. Und »als solcher schäme ich mich im Grunde. Sofern es an mir ist, bitte ich den Angeklagten für den Staat um Entschuldigung«, hatte der Amtsträger damals betont. ...
Am Dienstag stellte das OLG klar, dass die Ermittlungen gegen die polizeilichen Schläger nun schnell zu einem Ende gebracht werden müssten. Wenig überraschend, hatte die Staatsanwaltschaft diese ursprünglich bereits kurz nach dem Vorfall sang- und klanglos eingestellt.

 
Gleich zweimal an einem Tag: Eingestellt bzw. ohne Ermittlungen als Notwehr bezeichnet - FR, 2.2.2007 (S. 14 und 24)



Polizeigewalt wird gedeckt
Im Original: Opfer und Wehrhafte stärker kriminalisiert
Aus"Täter unbekannt", Polizeibericht 2010 von Amnesty international (S. 68f)
Amnesty International hat während der Recherchen zu den im vorliegenden Bericht dokumentierten mutmaßlichen Misshandlungsfällen festgestellt, dass die betreffenden Polizeibeamten nur selten strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wurden. Nach Auffassung der Organisation gibt es dafür unterschiedliche Gründe, die in diesem Kapitel erläutert werden sollen. Amnesty International ist sich der Tatsache bewusst, dass möglicherweise nicht alle erhobenen Beschwerden über Misshandlung oder die Anwendung unverhältnismäßiger Gewalt begründet sind, jedoch kann dies nur dann festgestellt werden, wenn allen Vorwürfen nachgegangen wird. Insbesondere ist der Staat verpfl ichtet, alle Vorfälle, bei denen in Gewahrsam befi ndliche Personen verletzt werden, umgehend, unabhängig, umfassend und unparteiisch zu untersuchen. Es ist die Pfl icht der Behörden, für das Zustandekommen solcher Verletzungen eine plausible Erklärung zu liefern und Nachweise für die Entkräftung der erhobenen Vorwürfe zu erbringen, insbesondere dann, wenn diese Vorwürfe durch medizinische Beweise gestützt werden. In einigen der in diesem Kapitel beschriebenen Fälle wurden keine strafrechtlichen Ermittlungen aufgenommen, da das mutmaßliche Opfer keine Anzeige gegen die Polizei erstatten wollte und die Behörden von sich aus keine Schritte einleiteten. In einigen Fällen erheben die mutmaßlichen Opfer den Vorwurf, dass ihre Strafanzeigen und Anträge auf Strafverfolgung auf der Polizeiwache nicht angenommen worden seien. In der Mehrzahl der Fälle allerdings wurden die Ermittlungen ohne Anklageerhebung von der Staatsanwaltschaft eingestellt. In einigen Fällen konnten die fraglichen Polizeibeamten nicht identifiziert werden. In anderen Fällen befürchtet Amnesty International, dass die Ermittlungen weder umgehend eingeleitet wurden noch auf unparteiische Art und Weise geführt wurden oder effektiv waren. ...
Strafverfahren: Gemäß der Strafprozessordnung (StPO) sind Staatsanwaltschaft und Polizei von Amts wegen dazu verpflichtet, im Fall von mutmaßlicher polizeilicher Misshandlung beziehungsweise mutmaßlicher unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch Polizeibeamte und/oder im Fall eines nicht natürlichen Todes ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren einzuleiten, sofern Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen (§§ 152, 153 StPO).

Aus"Täter unbekannt", Polizeibericht 2010 von Amnesty international (S. 83, 88, 90 und 100)
In einigen von Amnesty International untersuchten Fällen wurden die Ermittlungen nicht umgehend eingeleitet. Diesbezügliche Beispiele sind die Ermittlungen im Fall der mutmaßlichen Misshandlung von JM, der nach einer Identitätsüberprüfung auf die Polizeiwache gebracht wurde und den Vorwurf erhebt, dort misshandelt worden zu sein (S. 46), AD, der den Vorwurf erhebt, bei einer versuchten Abschiebung misshandelt worden zu sein (S. 47f.) und RS, der den Vorwurf erhebt, bei seiner Festnahme misshandelt worden zu sein (S. 55f.). ...
Die Fälle von JM und AD geben außerdem Anlass zur Kritik, weil in keinem der beiden Fälle die Ermittlungen unabhängig und unparteiisch geführt wurden. In beiden Fällen war die Einheit der Bundespolizei, der die beschuldigten Polizeibeamten angehörten, für Teile der Ermittlungen zuständig. Im Fall von JM wurde JM im Zuge der Ermittlungen gegen ihn zur Befragung von derselben Einheit vorgeladen, der auch die beschuldigten Polizisten angehörten, und im Fall von AD wurden drei der vier Polizisten die im Verdacht standen, AD misshandelt zu haben, von Polizeibeamten ihrer eigenen Einheit vernommen. ...
Einige Fälle legen nahe, dass es der Staatsanwaltschaft im Umgang mit Beschwerden gegen die Polizei an Unparteilichkeit fehlte. Ein Beispiel dafür sind die Ermittlungen im Fall von JM, ein weiteres Beispiel ist der Fall von Adem Özdamar, der auf einer Polizeiwache verstarb (siehe S. 29-32). Einen Tag nach seinem Tod erklärte der ermittelnde Staatsanwalt gegenüber der Presse und der Polizeipräsidentin, die Polizisten hätten vermutlich rechtmäßig gehandelt. Die Polizeipräsidentin erklärte gegenüber Amnesty International, sie habe sich aufgrund dieser Aussage entschieden, keine sofortigen disziplinarischen Maßnahmen gegen die betreffenden Polizisten einzuleiten. ...
Amnesty International beobachtet mit Sorge, dass das gegenwärtige System, in welchem die Polizei unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft die Ermittlungen führt, keine umgehenden, unparteiischen, unabhängigen und umfassenden Untersuchungen aller mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei gewährleisten kann. Die Organisation befürchtet, dass dies möglicherweise ein Klima der Straflosigkeit zur Folge haben und dazu führen könnte, dass das Vertrauen, welches die Öffentlichkeit darin haben sollte, dass niemand in Deutschland, auch nicht die Polizei, über dem Gesetz steht, erschüttert wird.

Aus "Innenminister wollen Gewalt gegen Polizisten eindämmen", auf MDR, 3.6.2009
Hinsichtlich der zunehmenden Gewalt gegenüber Polizeibeamten wollen die Innenminister zunächst die Hintergründe untersuchen lassen. ... Konrad Freiberg, Chef der Polizeigewerkschaft, fordert daher schnelle Beschlüsse der Konferenz und eine Erhöhung des Strafmaßes für Widerstand gegen Polizeibeamte.


Im Original: Statistiken ...
Aus Ulla Jelpke, MdB: "Trau keiner Statistik, in: Junge Welt, 21.6.2010 (S. 3)
Trotz des Kampagnencharakters der Warnungen vor einem Anstieg "linker" Straftaten gibt es keinerlei verbindliche Statistik, die diesen Anstieg belegt. Statt dessen gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Statistiken, die miteinander nicht kombinierbar sind. ... Als Beweis für die angeblich rapide ansteigende linke Gewalt müssen immer wieder brennende Pkw insbesondere in Berlin und Hamburg herhalten. Doch selbst die Polizei nennt verschiedenste Motive bei Pkw-Brandstiftungen: Versicherungsbetrug, Eifersucht, Trunkenheit. In diesem Jahr brannten in Berlin 97 Pkw, in nur 16 Fällen gehen die Sicherheitsbehörden von politisch motivierten Straftaten aus. ... So fand die von der Boulevardpresse als "Feuer-Chaotin" (BZ) vorverurteilte 21jährige Alexandra R. Eingang in die Statistik der Tatverdächtigen, obwohl sie nach fünfmonatiger Untersuchungshaft im Dezember 2009 in Berlin erstinstanzlich vom Vorwurf der Autobrandstiftung freigesprochen wurde. ... Ende Mai 2010 hat der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, eine Studie zur Gewalt gegen Polizisten vorgelegt, mit der die Unionsseite ebenfalls ihre repressiven Forderungen begründen will. Allerdings hat die Studie gravierende Mängel, die Pfeiffer auch selbst benennt. So beruht sie auf der Auswertung eines Online-Fragebogens, der lediglich subjektive Selbstauskünfte abfragte. Beteiligt haben sich 21000 Polizisten, darunter überwiegend junge, im "Einsatz auf der Straße" stehende. Die Zahl von Beamten, die nach Angriffen mindestens eine Woche dienstunfähig gewesen sei, habe zwischen 2005 und 2009 um mindestens 60 Prozent zugenommen. Allerdings handelt es sich hier um einen Anstieg auf niedrigem Niveau von 203 auf 325 Fälle. Die Hauptbetroffenen von Gewalt sind nicht die gut ausgerüsteten Beamten der auch bei Demonstrationen eingesetzten Sondereinheiten, sondern normale Streifenpolizisten. Der Großteil dieser Angriffe ereignet sich laut Studie bei Festnahmen, Demonstrationen machen rund acht Prozent aus, drei Viertel davon wiederum gehen angeblich auf das Konto linker Demonstranten. ...
Zwar zeigt auch die PMK-links-Statistik einen Anstieg von Körperverletzungen an Polizeibeamten von 212 auf 440. Eingeschlossen sind darin Widerstandshandlungen, wenn diese geeignet waren, einen Beamten zu verletzen, etwa bei der Abwehr einer Festnahme. Eine tatsächliche Verletzung des Beamten muß nicht vorliegen. Daneben verzeichnet die Bundesregierung für das Jahr 2009 gerade einmal 259 Widerstandshandlungen gegen Vollzugsbeamte, die sie Linken zurechnet. Angesichts von insgesamt 25401 laut PKS angezeigten Verstößen zeigt dies keine besondere Gefährlichkeit der linken Szene. Ohnehin ist es gängige Praxis, daß die Polizei schon bei passiver Resistenz Anzeigen wegen Widerstands stellt. Was völlig fehlt, ist eine genauere Aufschlüsselung der Widerstandshandlungen: Ob sie bei Festnahmen erfolgten, oder im Zusammenhang mit Protesten gegen Naziaufmärsche. Denn wenn Antifaschisten mit passivem Widerstand faschistische Aufmärsche blockieren und sich der polizeilichen Räumung widersetzen, schlägt sich dies in der Statistik zu Lasten der Linken nieder. Von Widerstandshandlungen, die durch gewalttätige Polizisten erst provoziert werden, weiß die Statistik ohnehin nichts.


Schon die Datengrundlage taugt nichts!
Problempunkte, abgeleitet aus der Bundestagsdrucksache 17/1928 vom 7.6.2010 (war auch die Datengrundlage zu obigem Text):

  1. Nicht das Ermittlungsergebnis, sondern bereits das Jammern der PolizistInnen oder die taktische Gegenanzeige bestimmt die Zahl. Zitat aus der Drucksache (S. 3): "Demgegenüber handelt es sich bei der Statistik zur PMK um eine Eingangsstatistik, bei der die Straftaten bereits mit Aufnahme der polizeilichen Ermittlungen und damit bereits beim ersten Anfangsverdacht erfasst werden."
  2. Widerstandshandlungen werden gar nicht als solche in die Statistik eingebracht, wenn auch noch eine (versuchte) Körperverletzung behauptet wird: "Angaben zu der Zahl der durch Widerstandshandlungen verletzten Vollzugsbeamten können nicht gemacht werden, da Fälle solcher Widerstandshandlungen nicht als Widerstandsdelikte gezählt werden".
  3. Die StatistikerInnen haben sich überhaupt nicht dafür interessiert, wie oft eine (vermeintliche) Widerstandshandlung die Folge eines Polizeihandelns war: " Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über die Anzahl der Fälle politisch motivierter Widerstandsdelikte vor, denen eine Festnahme vorausging. Die polizeiliche Statistik kann nur Festnahmen im Zusammenhang mit Widerstandsdelikten ausweisen, ohne nähere Differenzierung, ob das Widerstandsdelikt vor, während oder im Nachgang zur Festnahme begangen wurde."

Trotzdem verhalten sich Polizei und Staatsanwaltschaften genau entsprechend des selbsterzeugten Diskurses von der Polizei als armen Opfer zunehmender Gewalt. Das führt sogar zur offenen Forderung, die ohnehin doppelt Geschundenen (Polizeigewalt und anschließende Anzeige) noch besonders hart zu verurteilen - auch wenn das in Bezug auf die Betroffenen nichts Sinnvolles bewirkt. Es geht ums Prinzip ...

Aus Jörg Feldmann: "Warum sich Gewalttäter immer mehr trauen", in: "Die Polizei als 'Freiwild' der aggressiven Spaßgesellschaft?", Verlag für Polizeiwissenschaft in Wiesbaden (S. 96)
Ich meine, dass die Justiz durch ihre Urteilspraxis der aktuellen Gewaltentwicklung besonders deutlich und eindeutig entgegen trefen muss, auch um den Gedanken der Generalprävention des Strafrechts willen. Ich denke also nicht nur an die Rückfallgeschichten. Es mag sein, das teile ich auch, dass man vielleicht bei der Einzelperson nicht unbedingt etwas Positives dabei bewirkt. Aber ich erinnere noch einmal an das Mitläufertum, diejenigen, die bemerken, dass ein solches Verhalten doch toleriert wird oder wenn nicht toleriert wird, doch zumindest nicht zu unerträglichen Folgen führt.

Und wenn doch mal eine Handlung nicht zu vertuschen ist ...
Möglichst gar nicht ermitteln. Geht das nicht, dann später einstellen. Alles versanden lassen. Klappt auch das nicht (999 von 1000 Straftaten durch Polizei sind jetzt schon erledigt), dann vor Gericht nach Ausreden suchen, z.B. Notwehr. Reicht es immer noch nicht, dann die Strafe so formulieren, dass sie nicht schadet. Wie bei der Verwarung für Folter-Polizeichef Daschner. Oder nach dem Tod von Aamir Ageeb. Dort wurde eine Strafhöhe verhängt, die niedriger was als nach dem Gesetz möglich - so ging alles auf Bewährung und der Täter blieb sogar im Dienst.

Auszug aus "Täter unbekannt", Polizeibericht 2010 von Amnesty international (S. 15f)
1999 erstickte Aamir Ageeb infolge von Misshandlung durch Polizeibeamte bei dem Versuch seiner Abschiebung von Frankfurt am Main ins sudanesische Khartoum. Im Oktober 2004 wurden die drei an der Misshandlung von Aamir Ageeb beteiligten Polizisten wegen Körperverletzung im Amt mit Todesfolge gemäß §§ 340, 227 StGB zu einer neunmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach deutschem Recht kann eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden. Sie kann vollstreckt werden, wenn die verurteilte Person erneut einer Straftat für schuldig befunden wird oder gegen die Bewährungsaufl agen verstößt (§ 56 StGB). Das Mindeststrafmaß für das hier genannte Delikt im minder schweren Fall beträgt ein Jahr (§ 227 Absatz 2 StGB). Der Richter führte jedoch an, dass drei wichtige Argumente für eine Herabsetzung des Strafmaßes gegeben waren: Erstens hatten die Angeklagten ein Geständnis abgelegt, zweites waren sie nicht hinreichend ausgebildet – sondern der Situation im Gegenteil ohne jedwede Schulungsmaßnahmen ausgesetzt –, und drittens sei der Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund des Strafmaßes für die Angeklagten eine unbillige Härte (Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr führen automatisch zur Entlassung aus einem öffentlichen Amt). ...
Die drei Polizeibeamten wurden nicht vom Dienst suspendiert oder aus dem Polizeidienst entlassen, werden aber nicht mehr für die Durchführung von Abschiebungen eingesetzt.


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