Laienverteidigung

MARKT UND STAAT SIND KEIN GEGENSATZ

Starker Markt = Schwäche des Staates?


1. Demokratie als optimaler Rahmen für den Kapitalismus
2. Markt und Macht
3. Starker Markt = Schwäche des Staates?
4. Neo-Keynesianismus
5. Markt und Mensch
6. Links

Politische Fehlanalyse: Markt schwächt den Staat
Von Seiten der Neoliberalen wurde der kontrollierende und bremsende Staat als Feindbild und Propagandabild benutzt, um die Fixierung auf Markt und Profit als Entstaatlichung zu verklären.

Oben: Wunsch in der Jungen Welt, 27.10.2006 (S. 3)

Und als das Verfassungsgericht die Zwangsabgabe von LandwirtInnen zum "Fleisch ist Lebenskraft"-PR-Konzern CMA für verfassungswidrig erklärte, bezeichnete die Junge Welt (4.2.2009, S. 9) das als "neoliberal"!

Aus: Helfrich, Silke und Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg., 2009): "Wem gehört die Welt?", Ökom in München (S. 61 )
Es ist wichtig, die widersprüchliche Position des Neoliberalismus gegenüber dem Staat zu verstehen. Auf der einen Seite sagen Vertreter des Neoliberalismus, dass die Märkte dereguliert und liberailsiert werden sollen. Der Staat habe nicht sozialstaatlich in die Akkumulierung privaten Eigentums einzugreifen, denn dieser Mechanismus beruhe - in gleichsam naturrechtlicher Begründung - auf der Selbstregulierungsfähigkeit des Marktes. Auf der andern Seite wird der Staat als Sicherheitsstaat gebraucht, um eben diese Deregulierung und Liberalisierung zu garantieren und das Eigentum zu schützen; damit das Kapital durch Privatisierung aller Bereiche das ganze Leben auf der Erde der Logik der Kapitalakkumulation unterwerfen kann.

Das war immer Unsinn, denn nur der autoritäre, handlungsfähige und bewaffnete Staat kann die Menschen zwingen, ihre Arbeitskraft zu verkaufen und dem Profit zu dienen statt sich das anzueignen, was ihnen zusteht in einer gleichberechtigten Gesellschaft.

Den künstlichen Gegensatz von Markt und Staat aber machen auch verschiedene Organisationen auf, die nun die Sache andersherum interpretieren und aus den Konsequenzen des Neoliberalismus schlußfolgern, es müsse wieder mehr Staat geben (Reregulierung, Neokeynesianismus usw.). Dabei wird schon übersehen, daß der Staat mit seinen Herrschaftsstrukturen die Basis des Marktes ist (und nicht sein Widersacher). Selbst der Neoliberalismus als Ausdehnung kapitalistischer Prinzipien ist vom Staat durchgesetzt worden (Deregulierung, Ausweitung des Eigentumsrechtes auf Gene, Wasser, Luft usw.). Bei den konkreten Vorschlägen zeigen sich die Reregulierer dann offen: Selbst imperialistische Organisationen wie Zentralbanken werden plötzlich zu Hoffnungsträgern.

Aus den Forderungen der neokeynesianischen Organisation ATTAC
Die Einführung einer Devisenumsatzsteuer, auch als Tobin-Steuer bekannt, würde einen Wendepunkt in dieser Entwicklung markieren, denn eine solche Steuer ermöglicht ...
  • stabilere und weniger krisenanfällige Finanzmärkte,
  • die Rückgewinnung der Kontrolle über die Geldpolitik durch die Zentralbanken ...

Aus: Finanzmärkte außer Kontrolle, Infofaltblatt von attac
Wir finden uns nicht damit ab, dass jeden Tag Devisentransfers in Billionenhöhe (d.h. eine Million Millionen Dollar) vorwiegend aus Gründen der Spekulation und Gewinnsucht stattfinden und dadurch viele Menschen in Industrieländern in ihrem Wohlstand gefährdet ... werden.
Wir fordern, daß unsere Regierung sich nicht länger dem Druck der Kapitalanleger und Finanzkonzerne unterwirft, sondern nach Wegen sucht, um den Kasinokapitalismus zu stoppen ...


P.M., 2001: Subcoma, Paranoia City Verlag in Zürich (S. 35 und 39)
Ein System, das unsinnig ist, muss letztlich immer wieder mit Zwang von einem starken Staat durchgesetzt werden. Es gibt keinen Widerspruch zwischen Staat und Markt, sie sind auf leben und Tod verbunden wie siamesische Zwillinge. ...
Das Kapital, und vor allem die liberale Rechte, hat nie gezögert, den Staat oder einen starken Mann zu Hilfe zu rufen, wenn die Arbeitsdisziplin als ganze gefährdet war. Dabei waren sie ideologisch opportunistisch und war es ihnen egal, ob dieser Staat sich nun ein sozialistisches, nationalsozialistisches oder gar kommunistisches Etiket anheftete. Jeder Staat ist ihr Staat.


Aus P.M. (2012): "Kartoffeln und Computer", Nautilus in Hamburg
Als organisatorischer Träger der "allgemeinen Dienstleistungen" bietet sich ein transformierter, demokratisierter Staat (Territorium) an. …
Der Staat übernahm sozusagen die externen Kosten der kapitalistischen Entwicklung und der sozialen Entbettung. Er hat Aspekte der früheren Commons übernommen. Das erklärt auch die wütende Staatsfeindschaft der neoliberalen Marktfetischisten, die die Rechte der Oligarchien gegen ihn verteidigen. … (S. 39)
"Staat" ist heute keine politisch brauchbare Kategorie mehr das sieht man daran, dass sowohl Rechte wie Linke für oder gegen ihn sind. Die Rechten sind gegen den Sozialstaat, die Linken gegen den Polizeistaat. Die Frage ist also nicht, ob man für oder gegen den Staat ist, sondern welchen Staat (oder neutraler: welche Form gesellschaftlicher Gesamtorganisation) man will. Als Modell dieses allgemeinen Dienstleistungsstaats könnte die Genossenschaftsform dienen: Der Staat wird zu einer Totalgenossenschaft, alle Bürger tragen bei, was sie können, haben aber die gleichen Mitbestimmungsrechte. Diese Idee schimmert in der offiziellen Bezeichnung der Schweiz, Schweizerische Eidgenossenschaft, noch durch. … (S. 40)
Wo können wir politisch/pragmatisch ansetzen, um die Wirtschaft, wie wir sie kennen, in etwas zu verwandeln, das wirklich allen Menschen dient?
Der einfachste Ansatz bestünde darin, die staatliche Aufsicht über einen fast stagnierenden "Kapitalismus", der heute mit bloß noch symbolischen realen Profitraten von unter 1 Prozent operiert, zu etablieren, sozusagen als erster Schritt zu seiner "Abwicklung". (S. 57)


Joachim Hirsch, Des Staates neue Kleider, in: Ulrich Brand u.a., 2001, Nichtsregierungsorganisationen in der Transformation des Staates, Westf. Dampfboot in Münster (S. 34f)
Sowohl historisch-genetisch als auch von ihren grundlegenden Funktionsbedingungen her ist die liberale Demokratie - wenn auch auf höchst widersprüchliche Weise - eng mit dem kapitalistischen Nationalstaat verbunden, schuf dessen Entstehung doch erst räumlich einigermaßen klar abgegrenzte Gesellschaften, einen relativ geschlossenen ökonomischen Reproduktionszusammenhang, ein politisch definiertes, der Zentralgewalt unterworfenes Volk und ein handlungsfähige und damit im Prinzip auch verantwortliche und kontrollierbare Regierung. ...
... entwickeln sich die die Welt beherrschenden westlichen Demokratien zur Angelegenheit der "Besserverdienenden" und zur politischen Form einer sich abschließenden und militant verteidigenden sozialen Festung. Demokratie wird tendenziell zu einer Organisationsform sozialer Apartheid.


Aus dem Entwurf des BUKO-Positionspapiers zu Globalisierung und Globalisierungskritik, in BUKO-Rundbrief 3/2001 (S. 9)
"Der Staat" und "die Politik" sind nicht das zunehmend ohnmächtige Gegenüber der Wirtschaft, wie von vielen Kritikern des Neoliberalismus behauptet wird. Denn die Rolle des politischen Systems bei der Durchkämpfung neoliberaler Reformen ist keine mehr oder weniger zufällige historische Fehlentwicklung. Vielmehr treiben die Staaten und die von ihnen dominierten nationalen wie internationalen Organisationen und Institutionen (WTO, IWF, EU usw.) den Prozess neoliberaler Globalisierung in Kooperation mit anderen Akteuren wie den transnationalen Konzernen systematisch voran. Die Deregulierung von arbeits- oder umweltrechtlichen Bestimmungen, der Abbau sozialstaatlicher Mindeststandards und die verschärfte Weltmarktkonkurrenz sind ein politisch um nahezu jeden Preis gewolltes Projekt.

Aus: Attac Deutschland, 2002: Eine andere Welt ist möglich!, VSA Hamburg (S. 59)
Die Rede von Regulierung transportiert die Botschaft, der Markt sei dem Staat im Zuge der Globalisierung gewissermaßen enteilt. Ökonomische Prozesse hätten sich globalisiert, während die Politik nach wie vor im nationalen oder bestenfalls im europäischen Rahmen befangen sei. Zwar wird durchaus eingeräumt, daß es die Regierungen waren, die die Märkte aus ihren Fesseln befreit haben. Die Rolle, die der Staat angesichts entfesselter Märkte heute spielt, bleibt allerdings unterbelichtet.

Aus Oliver Nachtwey, "Wirgehen nicht mehr weg", Leitartikel (!) der Freitag am 24.5.2012 (S. 1)
Nicht zuletzt hatte man den Ausnahmezustand inszeniert, weil die Aktivisten von Blockupy ihre Ziele klug gewählt hatten. Sie protestierten nicht gegen die Regierung, sondern gegen ihre eigentlichen Herren: Gegen die Banken und vor allem gegen die neuralgische Pumpstation der europäischen Geldströme, ohne die die Zirkulation auf den Finanzmärkten und die Zahlungsfähigkeit der Staaten akut gefährdet ist - die Europäische Zentralbank. ... In der Postdemokratie bleiben formale demokratische Prozesse bestehen, doch am Ende entescheidet nicht der demokratische Souverän.

PDS: Markt und Staat gleichzeitig ausbauen
Aus den Begründungen zum Parteiprogramm der PDS im Rundbrief von PDS-Vorstandsmitglied Judith Dellheim am 25.6.2002
Die Energiewende muss sowohl mit ordnungspolitischen Eingriffen in bestehende Strukturen als auch mit der Veränderung und Nutzung von Marktinstrumenten einhergehen.
Aus „Globale Öffentliche Güter“ von Jens Martens (WEED) in punkt.um 7/2002 (S. 20)
Auf globaler Ebene existieren als Pendant zum Markt demokratische Entscheidungsstrukturen allenfalls in Ansätzen. Wir haben es quasi mit strukturellem Staatsversagen zu tun. Gefordert werden daher sowohl neue Institutionen wie auch neue Finanzierungsinstrumente ...

Nationalstaat statt Markt ("Standortschutz")
Aus Attac Österreich (2002): Die geheimen Spielregeln des Welthandels"
Multinationale Konzerne erhalten immer neuen Handlungsspielraum, während Nationalstaaten reguliert und geknebelt werden (Vorwort, S. 7)
Was bedeutet eigentlich "Protektionismus"? Er bedeutet schlichtweg "Schutz". Wenn die Schwächeren vor den stärkeren geschützt werden, dann ist das absolut in Ordnung und keine "Diskriminierung". (Text von Christian Felber, S. 159)


Staatlich regulierter Markt = Erfolg
Aus Gernot Erler/Michael Müller/Andrea Nahles/Ludwig Stiegler (2002): "Mehrheiten mit Links". J.H.W. Dietz in Bonn (die AutorInnen sind führende SPDler, die sich zum gemäßigt-sozialpolitischen Flügel zählen)
Doch das Jahr 1989, als die alte Ordnung der zweigeteilten Welt wie ein Kartenhaus zusammenbrach, war der Höhe- und Wendepunkt des "sozialdemokratischen Jahrhundert", der engen Verbindung von wirtschaftlicher Leistungskraft, Demokratie und sozialer Gerechtigkeit. Es darf nicht zum Treppenwitz der Geschichte werden, dass dieser historische Einschnitt zwar einerseits die Überlegenheit von Verfassungsstaat, sozialer Marktwirtschaft und Zivilgesellschaft eindruckswoll belegt hat, aber er anderersetis zugleich das Ende dieses Erfolgsmogells eingeleitet hat. (S. 209)
... ohne weitergehende Reformen und eine gerechte Weltordnung droht eine chaotische Unordnung, in der sich soziale Spaltungen, Verteilungskonflikte und Identitätskriesen ausbreiten, die Demokratie entmachtet und natürliche Ressourcen unwiederbringlich vernichtet werden. (S. 215)
Primat der Demokratie über wirtschaftliche Interessen. (S. 220)


Aus dem Interview "Folgen der Globalisierung abmildern" mit Ernst-Ulrich von Weizsäcker, in FR am 25.2.2004 (S. 12)
Bei der Globalisierung konkurrieren zwei Prinzipien: das Prinzip des Marktes und das Prinzip der Demokratie. Ersteres ist gut für die Starken, letzteres ist gut für die Schwachen. ... Breite Übereinstimmung gab es, dass es notwendig ist, einen globalen, durchschaubaren und durchsetzbaren Rechtsrahmen zu setzen. Das nutzt auch den anständigen Unternehmern gegen die unanständigen. ... Ein Stück weit steckt dahinter eine Vision als Bezugsrahmen. Zu den konkreten Vorschlägen für die Umsetzung gehört etwas der eines Weltkartellamtes, das die Marktkräfte fördert und zugleich kontrolliert ...

Aus Hardt, M./Negri, A, 2002: Empire. Campus Verlag Frankfurt (S. 19)
Der Kapitalismus triumphierte nur dann, wenn er mit dem Staat identifiziert wurde, wenn er der Staat war. Fernand Braudel

Aus Kühnl, Reinhard (1971): "Formen bürgerlicher Herrschaft", Rowohlt Taschenbuchverlag in Reinbek (S. 53)
Die Großunternehmen benötigten einen starken Staat, der ihre Interessen nach außen wirksam vertreten konnte: sowohl gegen die konkurrierenden Industrienationen als auch gegen die Bevölkerung der Kolonialgebiete.

Staaten und Zentralbank stärken, mehr Flughäfen und Autobahnen!
Aus dem Euro-Memorandum von Autoren wie Jörg Huffschmid und anderen, die z.B. auch bei Attac und im WASG-Umfeld eine wichtige Rolle spielen (FR-Dokumentation am 12.12.2005 und Download als PDF)
Erstens muss bei der traditionellen Wirtschaftspolitik dem markt- und wettbewerbslastigen Ansatz ein stärkeres Gewicht politischer - makroökonomischer, struktureller sowie den Außenhandel betreffender - Intervention und Kontrolle entgegengesetzt werden. ...
... es gibt eine Vielzahl politischer Instrumente und Programme, die für solche Ziele in einer demokratischen Gesellschaft eingesetzt werden können: sie reichen von Verwaltungsakten über die Regulierung der Märkte, Steuerpolitiken, Umverteilung von Einkommen und Reichtum, bis hin zur Verbesserung und dem Gebrauch des öffentlichen Sektors zur Umweltsanierung sowie zur ökologischen Modernisierung. ...
In Übereinstimmung mit unseren Argumenten aus vorangegangenen Memoranden, schlagen wir vor, dass
- die Aufgaben der EZB so umformuliert werden, dass sie ein hohes sowie nachhaltiges Beschäftigungsniveau und Wirtschaftswachstum mit umfassen. Der "Referenzwert" des Geldmengenwachstums sollte fallen gelassen werden;
- die EZB dem Europäischen Parlament gegenüber rechenschaftspflichtig gemacht und in die Koordinierung der Finanz- und Geldpolitik einbezogen wird;
- die EZB die Rolle eines "lender of last resort" und Verantwortung für die Stabilität des europäischen Finanzsystems übernimmt. ...
Daher schlagen wir ein Abkommen zur Erhöhung nationaler öffentlicher Investitionen vor, ...
Zweitens sollten koordinierte langfristige Infrastrukturprogramme durchgeführt werden. Fragmentierte Strukturen der Telekommunikation, der Motor-, Bahn- und Schiffswege, der Luftfahrt und Großforschung stellen erhebliche Hindernisse für die Einheit Europas dar. Gerade im Anschluss an die Erweiterung muss das Prinzip einer gemeinsamen europäischen Infrastruktur weiter verfolgt und ausgebaut werden.


Aus Agnoli, Johannes/Brückner, Peter (1967), "Die Transformation der Demokratie", Voltaire Verlag in Berlin (S. 7, 25 ff.)
Der organisierte Kapitalismus hat die alte Idee der Privatinitiative und der freien Konkurrenz über Bord geworfen und sich resolut für die Wirklichkeit der wirtschaftlichen Profitsicherung und der gesellschaftlichen Privilegienfestigung entschieden. ...
Die westliche Demokratie, zweifellos die der "Marktwirtschaft" adäquate Weise öffentlich-rechtlicher Herrschaft und selbst ein Produkt des Kapitalismus, ist nicht dessen sicherster Garant. ...
Gemessen am Faschismus, liegt der heutigen Transformation der Demokratie zu einem rechtsstaatlichen Sicherungssystem des Kapitalismus der humanitäre Gedanke zugrunde, durch eine Auflösung der Ambivalenz der Vertretungsorgane und der Vertretungsparteien die Notwendigkeit des offene Terrors in Krisenzeiten zu umgehen.


Aus Eppler, Erhard (2005): "Auslaufmodell Staat?", Suhrkamp Verlag in Frankfurt (S. 30, 36)
Kein Markt funktioniert ohne Recht und ohne eine Institution, die dieses Recht durchsetzt ...
Daß Wirtschaft nicht möglich ist ohne klare, durchsetzbare Rechtsordnung, ohne innere und äußere Sicherheit, ohne eine Markt- und Wettbewerbsordnung, wissen auch die Neoliberalen. Und wenn sie nicht ganz privinziell sind - was in Deutschland vorkommt -, haben sie auch gehört oder gesehen, was mit der Ökonomie geschieht, wo der Staat zerfällt und der "entité chaotique ingouvernable" Platz macht.


Aus Bruns, Paul, "Das Dorf bin ich" (Quelle)
Die repressiven Instrumente und Herrschaftsstrukturen des Staates sind die Basis des Marktes, des Kapitalismus und auch seiner neoliberalen Ausprägung. Deregulierung oder auch die Ausweitung des Eigentumsrechtes auf Gene und Umwelt, die Senkung sozialer Mindeststandards und verschärfte Standortkonkurrenzen sind keine geschichtlichen Zufälle, sondern Entscheidungen und gewolltes Projekt souveräner Nationalstaaten.

Aus dem Entwurf für das Gründungsdokument der Einheits-Linkspartei, dokumentiert in: Junge Welt, 24.10.2006 (S. 10)
Die Linke tritt für das Primat demokratischer Politik über die Wirtschaft sowie für einen sozialen und ökologischen Wandel in der Europäischen Union ein. Alternative Wirtschaftspolitik ist gestaltende Politik. Sie zielt auf ein starkes Gewicht sozialstaatlicher Politik anstelle von deren Unterordnung unter Marktzwänge. ...
Zitiert in: Junge Welt, 26.10.2006 (S. 10) in einer sozialistisch-autoritär orientierten Kritik des Gründungsdokuments
Unsere Alternative zu diesem entfesselten Kapitalismus ist die solidarische Erneuerung und konsequent demokratische Gestaltung der Gesellschaft. ... Die Demokratisierung der Wirtschaft erfordert, die Verfügungsgewalt über alle Formen des Eigentums sozialen Maßstäben zu unterwerfen. Wir wollen eine breite Debatte darüber führen, wie dies konkret realisiert werden kann. In diesem Zusammenhang wollen wir klären, wie öffentliches Eigentum als Grundlage demokratischer Politik und Daseinsvorsorge erweitert, sowohl sozial als auch effizient gestaltet und genutzt werden kann.

Aus dem Vorwort zur Energiedepesche Dez. 2002 von Aribert Peters (S. 2)
... die Verbraucher werden derzeit gerupft wie das Federvieh. Der Wettbewerb erlahmt und die Stromversorger erhöhen trotz historisch einzigartig hoher Gewinne die Strompreise. Dieser Nicht-Wettbewerb hat Preisaufsicht und Markt gleichzeitig ausgeschaltet.
Anmerkung: Akkumulation und Monopolisierung sind nicht das Gegenstück, sondern typische Folge von Marktprozessen!

Aus Zakaria, Fareed (2007): Das Ende der Freiheit?, dtv München (S. 72 f.)
Viele Verfechter des freien Marktes setzen den Kapitalismus reflexartig in Opposition zum Staat - besonders, wenn es um das Reizthema Steuern geht. Bei unvoreingenommener Betrachtung ergibt sich indessen ein differenzierteres Bild. Zwar droht im 20. Jahrhundert tatsächlich mancherorts ein überschießender Staatsapparat die Wirtschaft zu ersticken; doch aus historischer Sicht kann nur ein legitimiertes, handlungsfähiges Gemeinwesen die Spielregeln und Gesetze erlassen, auf die das Kapital angewiesen ist. Fest steht: Ohne eine öffentliche Gewalt, die Eigentum, Menschenrechte, Presse und Verbraucher schützt, Vertragsbruch ahndet und Kartelle verhindert, herrscht nicht der Rechtsstaat, sondern das Faustrecht. Wer wissen will, wie es sich ohne Staatsgewalt lebt, der schaue nach Afrika. Ein Paradies der Marktwirtschaft ist es nicht gerade.

Wachstum als Förderer von Gerechtigkeit und Umweltschutz
Aus Kessler, Wolfgang: "Eine Welt für alle", in: FriedensForum 6/2010 (S. 36)
Soll Wirtschaftswachstum Gerechtigkeit befördern und gleichzeitig die Ressourcen und das Weltklima schonen, dann muss die kapitalistische Gier in die Schranken gewiesen werden - im Norden und im Süden der Welt. Seit Jahren setzt zum Beispiel die deutsche Wirtschaft auf neue Exportrekorde. Gerechter wird das Exportwachstum die deutsche Gesellschaft jedoch erst dann machen, wenn der wirtschaftliche Reichtum das Leben möglichst Vieler bereichert ...
Der freie Markt hat so manches Verdienst, sozial und ökologisch ist er jedoch blind. Mehr Gerechtigkeit erfordert deshalb den Mut der Politik, den wirtschaftlichen Reichtum gerechter zu verteilen und Steuern auf Kapitaleinkommen, Spitzenverdienste, auf Privatvermögen und hohe Erbschaften zu erhöhen oder zu erheben.


Aus "Kein Monopol für die repräsentative Demokratie", Interview mit Dieter Kuhn (ÖDP) in: "ÖkologiePolitik", Journal der ÖDP, Nov. 2004 (S. 34)
"Wer soll diese Ordnung verwirklichen?" Die Antwort liegt in der Sozialen Marktwirtschaft selbst: Ihre notwendige politische Komponente ist die Demokratie.

Aus Gießener Allgemeine (3.5.3005, S. 33)
Wenn es Geld spart, kann man sogar eine Parlamentssitzung einsparen - was sonst ein Heiligtum ist, braucht plötzlich niemand. Entschieden wird eh woanders, deutlicher kann mensch das nich machen.



Agnoli, Johannes/Brückner, Peter (1967), "Die Transformation der Demokratie", Voltaire Verlag in Berlin (S. 7, 25 ff.)
Die westliche Demokratie, zweifellos die der "Marktwirtschaft" adäquate Weise öffentlich-rechtlicher Herrschaft und selbst ein Produkt des Kapitalismus, ist nicht dessen sicherster Garant. ...

Kritiken an der Behauptung, Markt und Staat ständen sich gegenüber
Aus einem Interview mit Jan Rehmann, in: Junge Welt, 3.1.2008 (faulheit&arbeit, S. 1 f.)
Wie die Freiheit gehört auch die Staatskritik zu den Lebenslügen des Neoliberalismus. Wenn er den Staat kritisiert, zielt er auf den Sozialstaat und auf die Bereiche, in denen es im Fordismus gelungen war, Klassenkompromisse durchzusetzen. Der Militärapparat, der Gefängniskomplex, die Polizei, die ja auch zum Staat gehören, sind vom ihm nie reduziert, sondern im Gegenteil ausgebaut worden. Insgesamt bedeutet Neoliberalismus nicht Abbau, sondern Umbau des Staates, und zwar in einem antidemokratischen und autoritären Sinn. Wir dürfen nicht vergessen, daß der reale Neoliberalismus ab 1973 in Chile unter General Pinochet, also einer blutigen Militärdiktatur durchgesetzt wurde. ...
Der Staat ist eng verbunden mit den führenden Fraktionen der herrschenden Klasse, muß aber in der Regel auch Kompromisse mit den subalternen Klassen eingehen, um den ganzen Laden zusammenzuhalten. Deshalb enthalten die ideologischen Werte in verschobener und entfremdeter Form auch einen Gemeinwesenbezug, in dem sich die Unteren wiedererkennen können.


Aus Ralf Ptak, "Geordnete Verhältnisse", in: Junge Welt, 17.12.2008 (S. 10 f.)
Wenn allerdings selbst ein bekennender Neoliberaler wie der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüter, in einer der wichtigsten deutschen Polittalkshows bei Anne Will (16.11.) verlauten läßt, zu einem richtig verstandenen Neoliberalismus "gehört immer der starke Staat dazu", ist ein genauerer Blick auf das Verhältnis von Staat und Ökonomie angebracht. ...
Aber der Neoliberalismus ist kein Projekt der Staatsfreiheit, auch wenn dies durch ideologische Figuren wie der Rede vom "schlanken Staat" stets suggeriert wurde. Seine selbstgestellte Aufgabe bestand und besteht vielmehr in der Transformation von Staatlichkeit: weg vom Interventionsstaat keynesianischer Prägung (New Deal, Rheinischer Kapitalismus, Skandinavisches Modell etc.), der je nach gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen Marktergebnisse politisch korrigiert, hin zu einer individualisierten Massengesellschaft, die weitgehend über Tauschakte auf Märkten gesteuert wird und in der Politik in die Rolle einer beobachtenden Marktpolizei schlüpft.



Variante: Volk fortschrittlich, Markt konservativ
Aus Naomi Klein, "Jetzt bloß kein "sanfter Übergang"!", in: FR, 26.11.2009 (S. 29)
Der Volkswille zum Wandel ist mit dem trotzigen Beharren des Marktes auf dem Status Quo nicht vereinbar. Jeder Schritt in eine neue Richtung wird sofort mit einer kurzfristigen Markterschütterung quittiert werden.

Sicherung des Privateigentum als Staatsziel
Aus Kühnl, Reinhard (1971): "Formen bürgerlicher Herrschaft", Rowohlt Taschenbuchverlag in Reinbek (S. 24)
In der im übrigen radikal-demokratischen französischen Verfassung von 1793 heißt es in Art. 16: "Das Eigentumsrecht ist dasjenige jedes Bürgers, beliebig sein Vermögen, sein Einkommen, die Früchte seiner Arbeit und seines Fleißes zu genießen und über sie zu verfügen." Um dieser Eigentumsgarantie den nötigen Kachdruck zu verleihen, beschloß der Konvent im gleichen Jahr die Einführung der Todesstrafe für jeden, der Maßnahmen gegen das Wirtschaftseigentum verlangte. Bei John Locke ist die Sicherung des Eigentums geradzu des Motiv für die Bildung des Staates. In seiner Theorie ist das Bedürfnis zu erkennen, "nicht nur das Privateigentum, sondern auch den unbeschränkten Akkumulationsprozeß und die darauf resultierenden Einkommensunterscheide naturrechtlich zu legitimieren". Daß der Hauptzweck des Steaates in der Aufrechterhaltung des Privateigentums liegt, ist für die bürgerlichen Theoretiker von Hobbes bis Adam Smith und Kant geradezu selbstverständlich.

Wer Privateigentum hat, kann nicht beherrscht werden (zu John Locke)
Aus Locke, John, "Zwei Abhandlungen über die Regierung" (II § 174), zitiert in: Gebhardt, Jürgen/Münkler, Herfried (1993), "Bürgerschaft und Herrschaft", Nomos in Baden-Baden (S. 160)
Väterliche Gewalt besteht nur dort, wo Unmündigkeit das Kind unfähig macht, über sein Eigentum zu verfügen; politische Gewalt, wo die Menschen Eigentum zu ihrer Verfügung haben; und despotische Gewalt kann man nur über solche Menschen haben, die überhaupt kein Eigentum besitzen.

Eigentum über alles
Aus Karl Albrecht Schachtschneider (2012), "Die Souveränität Deutschland" (S. 32)
Die Verfassung ist ... die Freiheit des Menschen (MdS, S. 345) und alle mit der Freiheit untrennbaren Rechte, ... Dazu gehören aber auch essenziell die Gewährleistung des Eigentums, ohne das der Mensch nicht selbstständig ist, sowohl das Recht am Eigentum als auch das Recht auf Eigentum.

Reichtumsschere und Demokratie
Aus James C. Scott: "Applaus dem Anarchismus" (S. 43)
Ein scharfsinniger Kollege von mir hat einmal bemerkt, dass die liberalen Demokratien des Westens, was den Wohlstand und die Einkommensverteilung angeht, gewöhnlich zum Nutzen der oberen, sagen wir, zwanzig Prozent regiert werden. Der Trick, fügte er hinzu, der dieses Schema reibungslos funktionieren lässt, hat schon immer, besonders aber in Wahlzeiten, darin bestanden, die nächsten dreißig bis vierzig Prozent davon zu überzeugen, dass sie die noch ärmere Hälfte mehr zu fürchten hätten als die reichsten zwanzig Prozent. Der relative Erfolg dieses Schemas kann an der über mehr als ein halbes Jahrhundert fortdauernden ungleichen Einkommensverteilung - und ihrer jüngsten Verschlimmerung - ermessen werden.

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