Alltagsalternativen

ÖKOSTROM VON UNTEN

Erzeugen statt beziehen! Einspeisen statt kaufen!


1. Erzeugen statt beziehen! Einspeisen statt kaufen!
2. Regenerative Energieanlagen aufbauen!
3. Kurzkonzept für Ökostrom von unten in Stadtwerken
4. Einzeltexte
5. Grünen Strom lieber verbrauchen oder produzieren?
6. Welcher Ökostrom? Welche Firma? Es kommt auf den Blickwinkel an ...
7. Die Stromqualität
8. Die Stromtarife
9. A. Ökostrom pur: 100% regenerativ & neu (Wind, Wasser, Sonne, z.T. Biomasse)
10. B. Ökostrom pur: 100% regenerativ, auch alt (Wind, Wasser, Sonne, z.T. Biomasse)
11. C. Ökostrom light: mind. 50% regenerativ & neu (Wind, Wasser, Sonne, z.T. Biomasse), höchstens 50% aus Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)
12. Gemeinsame Grundpositionen von Grüner Strom Label e.V. und EnergieVision e.V.
13. Kritik an der Praxis der Ökostromfirmen und -angebote
14. Offener Brief der Naturstrom-AG an Wolf von Fabeck, Solar-Förderverein
15. Einzelnachrichten

Einige Anmerkungen zur Frage, warum so wenig Leute Ökostrom beziehen
Das Ausgangsproblem für den Bezug von Ökostrom gleicht dem vieler anderer Bereiche ökologischen Han-delns: Haben möchten ihn fast alle, beziehen tut in fast keiner. [Fußnote 1] Der Diagnose einer "Kluft zwi-schen Einstellung und Verhalten" steht nichts im Wege. Wieder stellt sich die Frage: Wie können wir es er-reichen, daß mehr Menschen gemäß ihren Einstellungen ökologisch handeln, d.h. zu ÖkostromkundInnen werden? Doch möglicherweise geht diese Frage am Kern des Problems vorbei. Denn kritische Stimmen wei-sen darauf hin, daß es a) bessere Möglichkeiten gibt, eine umweltfreundliche Stromerzeugung zu unterstützen und daß es b) aus ökologischer Perspektive gar nicht unproblematisch ist, Ökostrom zu beziehen:
"Wer also dafür sorgen will, daß die Belastung der Umwelt durch Stromerzeugung zurückgeht, der sollte sich nicht als Verbraucher von Ökostrom, sondern als Produzent von Ökostrom engagieren. Eine eigene Solaranla-ge oder die Beteiligung an einer Gemeinschaftsanlage (Solar, Wind, Biogas) bringt ihm die Gewißheit, daß sein Geld nicht zur Entlastung der Egalstromkunden [Leute, die keinen Ökostrom beziehen; M.B.], sondern tatsächlich zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien eingesetzt wird" (Solarbrief 2/2000).
Bevor wir uns also darüber Gedanken machen, wie die Zahl der ÖkostromkundInnen erhöht werden kann, müssen wir klären, ob dies überhaupt grundsätzlich sinnvoll ist, und wenn ja, in welcher Form. Diese skepti-schen Fragen mögen verwundern, würden doch die meisten von uns einem Slogan "Bezug von Ökostrom - Na klar!" ohne Zögern zustimmen. Doch leider ist die Sache nicht so einfach. Wenn wir uns nicht nur mit guter Absicht, sondern auch mit guten Mitteln für den Umweltschutz einsetzen wollen, bleibt uns in diesem Fall ein Blick auf die Hintergründe und aktuellen Rahmenbedingungen nicht erspart.

Die Ausgangssituation
Es sind im Wesentlichen drei Punkte, mit denen sich die aktuellen Rahmenbedingungen für den Ökostrom-handel kennzeichnen lassen.

1. Liberalisierung des Strommarktes
Die Liberalisierung des Strommarktes, d.h. die Möglichkeit für private und gewerbliche KundInnen, den Stromhändler (nicht jedoch den Netzbetreiber!) frei wählen zu können, hat bisher außer deutliche Preisnach-lässe nicht viel Neues bewirkt. Insbesondere ist die Zahl der Wechselwilligen nach wie vor gering. Hierfür gibt es sicherlich mehrere Gründe. Die Undurchsichtigkeit der aktuellen Marktsituation sowie Gewohnheitsef-fekt (jahrzehntelang gab es nichts anderes) sprechen rational für eine Abwartehaltung der StromkundInnen. Im Gegensatz zum Telefonieren ist ein Anbieterwechsel eine längerfristigere und langwierigere Entscheidung, d.h. das Wieder-Zurück-Können zum alten Anbieter ist nicht mit dem Weglassen einer kleinen Vorwahl ge-tan, sondern verbunden mit aufwendiger Informationssuche usw. Nicht zuletzt gibt es eigentlichen auch kei-nen naheliegenden Grund für einen Wechsel: Wenn die Preise aller Anbieter ohne "mein" Zutun fallen und der Strom immer noch der gleiche ist, der aus der Steckdose kommt, kann man eigentlich nicht viel falsch machen, wenn man gar nichts macht und einfach nur abwartet. Dies leitet direkt zum nächsten Punkt über.

2. Sonderprodukt Strom
In Abbildung 1 (Sonderprodukt Strom einfügen) ist eine schematische Darstellung der Eigenschaften eines Produktes dargestellt. Es ist empirisch evident, daß Preise und gebrauchsrelevante Eigenschaften die domi-nanten Einflußfaktoren für Kaufentscheidungen sind. Wenn ich für ein Produkt mehr bezahle, dann muß zu-mindest der Gebrauchswert für mich steigen. Steigen hingegen "nur" die gebrauchsirrelevanten Eigenschaften (z.B. Arbeitsbedingungen der Angestellten, Kinderarbeit) oder sinken die verursachten externen Kosten (z.B. durch umweltfreundliche Produktionsverfahren, geringe Transportwege), dann sinkt die maximale Zahlungs-bereitschaft der Konsumenten rapide, wie eine Vielzahl von "grünen" Märkten zeigen.
Während beim Strom vor der Liberalisierung auf keines der vier Felder eine Einflußmöglichkeit bestand, können nun durch die Wahl entsprechender Anbieter drei Eigenschaftsfelder (Preis, Externe Kosten, ge-brauchsirrelevante Eigenschaften) beeinflußt werden. Die gebrauchsrelevanten Eigenschaften (Spannung, Frequenz des Stromes, Versorgungssicherheit) hingegen sind weiter fest vorgegeben. Rund um die Uhr gibt es immer genügend und immer den gleichen Strom aus der Steckdose, unabhängig davon, von welchem Strom-händler ich meinen Strom einkaufe. Denn für den physikalischen Strom ist der Netzbetreiber und nicht der Stromhändler zuständig. Damit unterscheidet sich Strom wesentlich von vielen anderen Produkten.

3. Erneuerbare Energien Gesetz (EEG)
Seit 1. April 2000 gilt in Deutschland das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das zweierlei beinhaltet: Der jeweilige Netzbetreiber muß den gesamten Strom aus Erneuerbaren Energien (EE) wie Sonne, Wind, Biogas erstens vollständig abnehmen und zweitens zu einem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestsatz vergüten (vgl. Abbildung 2; hier einfügen). Die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestsätze wurden so gewählt, daß ein wirt-schaftlicher Betrieb der EE-Anlagen in einer Vielzahl von Fällen heute schon möglich ist. Dies bedeutet wie-derum zweierlei: erstens kann bei vernünftiger Betriebsführung mit dem Betrieb von EE-Anlagen Geld ver-dient werden und zweitens braucht es hierzu keinen einzigen Ökostromkunden, da der Strom direkt an den Netzbetreiber verkauft werden kann. Durch eine bundesweite Ausgleichsregelung wird nun dieser "EEG-Strom" anteilsmäßig (beträgt der Anteil der EE z.B. 6 % am Strommix, muß jeder Stromhändler 6 % seines verkauften Stromes als EEG-Strom zukaufen) an alle Stromhändler weiterverkauft, so daß - im Prinzip - alle StromverbraucherInnen den gleichen Anteil an EEG-Strom mitbezahlen müssen. Das Verursacherprinzip wird so eingehalten: Wenn die gesamte Stromerzeugung externe Kosten verursacht, müssen diese Kosten bzw. die Kosten zur Vermeidung externer Kosten auch auf alle StromverbraucherInnen umgelegt werden.

Die Folgen aus ökologischer Sicht
Die Ziele einer ökologischen Energiewende - dies ist weitestgehender Konsens - beruhen auf drei Säulen:
  • Ausbau Erneuerbarer Energien (von derzeit 3 % auf langfristig 100 % Anteil am Primärenergieverbrauch)
  • Rationellere Energiebereitstellung (z.B. Kraft-Wärme-Kopplung)
  • Rationellere Energienutzung (Energiesparen in vielfältiger Form).
Betrachten wir nun die Folgen der skizzierten Rahmenbedingungen auf diese Zielsetzungen.

1. Strom wird billiger, Ökostrom nicht
Ökostrom ist - bei einer betriebswirtschaftlichen Sichtweise - unter den bisherigen Rahmenbedingungen teu-rer als Strom aus Kohle, Öl und Uran. [Fußnote 2] Wäre dies nicht der Fall, hätte der Markt längst für eine ökologische Energiewende gesorgt. Nun steht unabhängig von den Ursachen (Arbeitsplatzabbau, Überkapa-zitäten, ...) fest, daß die Liberalisierung zu einem niedrigeren Preisniveau für Strom geführt hat (insbesondere für Großabnehmer). Das heißt aber, daß - solange die externen Kosten der konventionellen Stromerzeugung nicht direkt auf den Strompreis aufgeschlagen werden - ein verstärkter Verdrängungsdruck auf die teureren Stromerzeugungsarten erfolgt. Die Schließung vieler Blockheizkraftwerke in den letzten Monaten ist hierfür Beweis genug. Zwei weitere Folgen sind zu nennen:
Die Preisspanne zwischen "Egalstrom" und Ökostrom vergrößert sich, d.h. Ökostrom wird relativ gesehen teurer. Die Zahl der potentiellen ÖkostromkundInnen sinkt hierdurch.
Wenn Strom billiger wird, steigt die Nachfrage danach. So wird inzwischen wieder ernsthaft vielerorten über Elektroheizungen laut nachgedacht! Das Ziel von Energieeinsparungen rückt nicht zuletzt in bezug auf länge-re Amortisationszeiten für Energieeinsparinvestitionen in weite Ferne.

2. ÖkostromkundInnen - bis auf weiteres unbedeutend
Ökostrom ist teurer und unterscheidet sich hinsichtlich seiner gebrauchsrelevanten Eigenschaften nicht von "Egalstrom". Damit sprechen die zwei Kaufgründe, die im Blickwinkel des normalen Konsumenten stehen, nicht für den Bezug von Ökostrom. Dies verheißt für das langfristige Marktpotential nichts Gutes. Ein Ver-gleich mit dem Markt für ökologische Lebensmitteln wirkt hier ernüchternd. Diese haben zur Zeit einen Marktanteil von ca. 2 %. Im Gegensatz zum Strom unterscheiden sich (ökologische) Lebensmittel aber hin-sichtlich von Geschmack und Inhaltsstoffe von konventionellen Produkten. Lebensmittelskandale haben die Sensibilität hierfür sicher - ob zu recht oder unrecht - geschärft. Mit anderen Worten: Bevor jemand mehr Geld für Ökostrom ausgibt, wird er wahrscheinlich lieber mehr Geld für ökologische Lebensmittel ausgeben. Aber selbst wenn man einen Anteil von 2 % Ökostromkunden erreichen würde, würde sich noch wenig hin-sichtlich der Struktur der Energieversorgung ändern. Denn bereits heute wird ca. 6 % des Stromverbrauchs in der BRD - ohne ÖkostromkundInnen - regenerativ erzeugt! So haben die 60.000 InteressentInnen (nicht Kun-dInnen), die Greenpeace vor einem Jahr im Rahmen seiner Kampagne Stromwechsel gewinnen konnte, einen Stromverbrauch, der nicht einmal einem Prozent des bereits heute regenerativ erzeugten Stromes entspricht. Mit anderen Worten: über 6 Mio. private KundInnen könnten mit dem bereits heute vorhandenen Ökostrom versorgt werden, wenn man den heutigen Strom-Mix in Egalstrom und Ökostrom aufteilen würde.

3. Die Paradoxie der ÖkostromkundInnen: guter Wille - falsche Wirkung
Es ist aber nicht nur so, daß ÖkostromkundInnen zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallen, sondern sogar so, daß sie den Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie die Förderung von Sparmaßnahmen eher bremsen denn för-dern. Dies wird ersichtlich, wenn man die Verhältnisse einmal ohne und einmal mit Ökostromhandel ver-gleicht (eine Differenzierung der verschiedenen Ökostromangebote erfolgt weiter unten):
"Variante 1: Was würde geschehen, wenn es keinen Ökostromhandel gäbe?
Der bundesdeutsche Strom-Mix enthält schon seit einiger Zeit (neben dem Hauptanteil von Braunkohle und Atom) auch etwa 4 % Anteile aus alten Wasserkraftwerken, die im Eigentum der großen Stromversorger ste-hen, sowie einen zunehmenden Anteil (zur Zeit etwa 2 % aus privaten Wind-, Biomasse- und Solaranlagen, die ins öffentliche Netz einspeisen. Bis vor kurzem wurde dieser Strom-Mix ohne Rücksicht auf seine Be-standteile verkauft. Dabei wurde ein Mischpreis aus den Gestehungskosten für Atomstrom, Braunkohlestrom, Wasserkraftstrom und sonstigem Ökostrom gebildet und in Rechnung gestellt.
Variante 2: Was geschieht, wenn es Ökostromhandel gibt?
Hier wird den gutwilligen Ökostromkunden versprochen, sie würden zukünftig nur umweltfreundlichen Was-serkraftstrom oder anderen Ökostrom erhalten, wenn sie dafür freiwillig ein paar Pfennige Zuschlag zahlen. Der Stromverkäufer kassiert sodann von den Ökostromkunden einen höheren Strompreis als den bisherigen Mischpreis. Den übrigen Kunden (denen egal ist, wie ihr Strom erzeugt wurde), kann der Stromverkäufer zum Ausgleich einen niedrigeren Strompreis für ihren "Egalstrom" berechnen.
Hat der gutwillige Ökostromkunde diesen Effekt wirklich gewollt? Möchte er wirklich, daß seine Mehrzah-lung den Strom für die Stromverschwender noch billiger macht?" (Solarbrief 2/2000)
Die vielfach geäußerte Hoffnung, doch so viele ÖkostromkundInnen zu gewinnen, daß irgendwann mal die Nachfrage nach Ökostrom das Angebot übersteigt, wird sich aus einem weiteren einfachen und recht erfreuli-chen Grund nicht bewahrheiten: Der Ausbau der Erneuerbaren Energien aufgrund des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) wird so schnell vonstatten gehen, daß nicht "nur" 6 Mio., sondern weit mehr Pri-vatpersonen "getrennt" mit Ökostrom versorgt werden könnten. Bis 2010 soll so der Anteil der EE am Pri-märenergieverbrauch verdoppelt werden. Während man beim Bezug von Ökostrom also zum einen draufzahlt und zum anderen Dinge bewirkt, die der ursprünglichen Zielsetzung entgegenstehen, erreicht man bei der direkten Investition in EE unter Ausnützung des EEG nicht nur den gewünschten Ausbau der EE, sondern auch noch einen vernünftige Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Kleiner Nebeneffekt: Während durch den Bezug von Ökostrom der Strompreis für den Egalstrom billiger werden kann, steigt er bei der Ökostromerzeu-gung durch die Umlage der Mehrkosten auf alle NetznutzerInnen (gemäß EEG) für alle an. Damit steigt auch der Anreiz zum Energiesparen.

Zwischenfazit
Die bisherigen Ausführungen liefern eine erste Antwort auf die Frage, ob es sinnvoll ist, Menschen zum Öko-strombezug zu bewegen: Viel sinnvoller und effektiver als der Bezug ist die Erzeugung von Ökostrom. Ist deshalb der Bezug von Ökostrom vollkommen sinnlos, wie die bisherigen Ausführungen nahelegen?

Bezug von Ökostrom - trotzalledem?
Ich möchte die Antwort vorwegnehmen: "Es kommt darauf an". Denn bisher wurde pauschal von "den" Öko-stromangeboten gesprochen. Es gibt jedoch sehr unterschiedliche Arten, die im folgenden differenziert zu betrachten sind.
Was soll erreicht werden?
Um die unterschiedlichen Angebote beurteilen zu können, müssen wir fragen, was die Zielsetzung für den Bezug von Ökostrom sein kann oder soll. Die Propagierung eines privaten Atomausstiegs wird von fast allen Ökostromhändlern als Argument für einen Wechsel aufgeführt (vgl. z.B. taz-Beilage vom 29.07.00). Diese - werbetechnisch vielleicht brauchbare - Formulierung ist jedoch falsch und irreführend. Sowohl Atomenergie als auch Treibhauseffekt sind kollektive Bedrohungen, aus denen man nicht auf privater Ebene aussteigen kann. Weder Wirbelsturm noch Super-GAU werden vor einem Haus mit dem Aufkleber "Ich beziehe Öko-strom" haltmachen. Der Bezug von Ökostrom kann deshalb im Hinblick auf das Ziel einer ökologischen Energiewende realistischerweise nur zwei Ziele verfolgen:
  1. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE) soll gefördert werden. [Fußnote3]
  2. Kleine, atomkritische UnternehmerInnen sollen als Konkurrenten zu den großen EVUs, quasi als mark-tinterne Anti-AKW-Lobby gefördert werden.
Ad 1.) Der Ausbau der EE wird nur dann durch die ÖkostromkundInnen gefördert, wenn der Ökostrom aus Neuanlagen stammt, die ohne die ÖkostromkundInnen nicht gebaut worden wären. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die Vergütungssätze des EEG nicht für einen wirtschaftlichen Betrieb ausreichen (z.B. bei Photo-voltaik oder bei weniger attraktiven Windstandorten). Solche wirtschaftlichen "Grenzfälle" sind aber für eine angestrebte 100 %ige Versorgung mit EE unverzichtbar, d.h. aus ökologischer Perspektive wäre es durchaus sinnvoll, auch diese Anlagen zu betreiben. Garantieren die Vergütungssätze des EEG hingegen einen wirt-schaftlichen Betrieb, braucht der Erzeuger von Ökostrom keine ÖkostromkundInnen, da ihm der Netzbetrei-ber den Strom ja abkaufen muß (s.o.). Die Frage ist nun, woran ich erkennen kann, daß ein Ökostromhändler den Ausbau genau derartiger wirtschaftlicher Grenzfälle fördert. Leider helfen hier auch die bereits existie-renden Gütesiegel für ökologischen Strom nicht weiter. Zwar wird sowohl beim Ökoinstitut als auch beim Grüner Strom Label e.V. berücksichtigt, ob der Strom aus Alt- oder aus Neuanlagen stammt. Es wird aber nicht differenziert, ob diese Neuanlagen - dank des EEG - auch ohne den Ökostromhändler erbaut worden wären. Hier hilft nur die - zugegebenermaßen recht komplizierte - Unterscheidung zwischen "EEG"- und "Durchleitungs"-Modellen weiter (siehe Kasten). Während die durchleitenden Ökostromhändler auf äußerst billig produzierende Standorte angewiesen sind, um ein einigermaßen preislich akzeptables Angebot anbieten zu können, investieren "EEG" - Händler per definitionem in Grenzfälle. Insbesondere fließt bei den EEG-Modellen mehr Geld in den Ausbau der EE als im Durchleitungsmodell. In Zahlen ausgedrückt heißt dies: Nach Angaben von Greenpeace entfallen pro kWh Strom alleine 23,3 Pf/ kWh auf Steuern, Abgabe und Durchleitungsgebühren. Lediglich 11,5 Pf/ kWh bleiben für die Stromerzeugung - sprich für Erneuerbare Energien und für (bei Greenpeace auf fossiler Basis betriebenen) Blockheizkraftwerken (BHKWs) übrig. Im EEG sind aber bereits für die "billigeren" Kleinwasserkraftwerke 15 Pf/ kWh, für Windenergie an Küsten-standorten ca. 13,5 Pf/ kWh, im Binnenland ca. 17,4 Pf/ kWh und für Solarenergie sogar 99 Pf/ kWh garan-tiert! Bei Greenpeace bleibt somit weniger Geld zur Förderung des Ausbaus EE übrig, obwohl ihr Angebot zu den teuersten zählt. Bei billigeren "Durchleiter"-Angeboten schaut es noch schlechter aus. Dementsprechend muß Greenpeace auch zu ca. 50 % auf Erdgas betriebene BHKW zurückgreifen, während die Naturstrom AG ("EEG-Modell") bei sogar etwas günstigerem Preis zu 100 % Strom aus EE anbietet.

Ad 2.) Der Wechsel zu einem Ökostromanbieter kann als politisches Signal, als Votum für den Aufbau einer alternativen "Stromlobby" verstanden werden. In diesem Falle sollte der Ökostromhändler unabhängig von "alten" EVUs sein, die jahrzehntelang eine ökologische Energiewende verhinderten und immer noch zu ver-hindern suchen. Das "Grüne Strom Label" ist hier eine wertvolle Hilfe, da - im Gegensatz zum Siegel des Ökoinstituts - nicht nur der Strom, sondern auch der Anbieter auf Anti-Atom eingestellt sein muß.

Es ist aber zweierlei zu beachten:
  1. Eine Lobby für die EE muß - das sollte deutlich geworden sein - eine Lobby für das EEG und nicht für einen "freien" Strommarkt sein. Dementsprechend erscheint es auch hier wiederum sinnvoller, einen An-bieter zu wählen, dessen "Schicksal" direkt mit dem EEG verknüpft ist. Greenpeace hat hier mit seinem Durchleitungsmodell "greenpeace energy" leider ein schlechtes Beispiel abgegeben. Denn der Schwer-punkt ihrer Kampagne lag und liegt auf der fairen Regelung des Netzzugangs sowie auf zeitgleicher Liefe-rung. Unter ökologischen Gesichtspunkten zum jetzigen Zeitpunkt völlig nebensächliche Aspekte (siehe Kasten).
  2. Für eine erfolgsversprechende Lobbyarbeit macht es wenig Sinn, wenn der Ökostrommarkt aus 20 und mehr Anbietern besteht. Denn klein ist der Ökostrommarkt bereits als ganzes. Ein Vergleich auf den Ver-kehrssektor ist hier angebracht. Weitere umweltfreundliche Verkehrsclubs neben dem VCD (mit seit Jah-ren stagnierenden Mitgliederzahlen in Höhe von 70.000) würde die Stimme gegenüber dem übermächti-gen ADAC (mit ca. 14 Mio. Mitgliedern) sicherlich nicht verbessern. Für eine vernünftige Lobbyarbeit er-scheinen wenige nicht ganz so kleine Anbieter auf alle Fälle sinnvoller als viele winzige. Dies war auch eine der Zielsetzungen bei der Gründung der Naturstrom AG, die aus der "Solar-Szene" heraus u.a. durch Energieexperten der großen Umweltverbände initiiert und vollzogen wurde. Schade nur, daß Greenpeace keine Kooperation mit der Naturstrom AG eingegangen ist, wie es die großen Umweltverbände BUND und NABU ebenso wie der Waschbär-Versand getan haben.[Fußnote 4]
Der Bezug von Ökostrom ist demnach nicht sinnlos oder gar kontraproduktiv, wenn die beiden aufgeführten Punkte (Neuanlagen im Grenzbereich, politische Lobby) berücksichtigt werden. Folgt man dieser Argumen-tation, dann wird die Vielfalt der Ökostromhändler auch ziemlich übersichtlich. Es bleiben eigentlich nur noch wenige Anbieter übrig, die beiden Aspekten gerecht werden (siehe Kasten).

Kritische Einwände
Die hier vorgebrachte Argumentation ist in dreierlei Hinsicht nicht unproblematisch.
  1. Einige Menschen nehmen finanzielle Opfer auf sich, um Ökostrom zu beziehen und die EE zu fördern. Hier wurde nun gezeigt, daß das eingesetzte Mittel im Hinblick auf das Ziel der Förderung EE - vorsich-tig ausgedrückt - ineffizient sein kann. Es besteht die Gefahr von Überreaktionen: Das bisherige Verhalten wird nun wider besseren Wissens aggressiv verteidigt oder man gibt seine Bemühungen völlig auf ("Dann mache ich halt gar nichts mehr!"). Hier eine geeignete "Aufklärungsstrategie" zu finden, wäre ein sinn-volles Einsatzgebiet von Umweltpsychologie und -pädagogik.
  2. Die Reduktion auf wenige Anbieter ruft bei vielen Menschen Abwehrreaktionen hervor (wie bereits mein Aufruf in IPU Nr. 9/1999 gezeigt hat). Man steht im Verdacht, nicht zu informieren, sondern einseitige Werbung für eine spezielle Firma zu machen. Der Bezug von Ökostrom wird dementsprechend als Konsum und nicht als politisches Projekt verstanden. Warum dies so ist, kann ich nur vermuten. Wahrscheinlich ist die Kompliziertheit dieses Themas der wesentliche Grund dafür, daß Menschen auch nach Darlegung aller Gründe lieber aus 20 statt nur aus 2 Anbietern wählen können möchten. Hier müßten umweltbewußte Menschen mal über ihren eigenen "Reaktanz-Schatten" springen!
  3. Das EEG-Modell wird vielfach (insbesondere von Greenpeace) als "Spendenmodell" diffamiert. Man möchte lieber den "realen" Preis für seinen Ökostrom zahlen, statt staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Insbesondere möchte man vollständig unabhängig von den Atomkonzernen sein. Dabei wird dann geflis-sentlich übersehen, daß man es erstens den Atomriesen (die nach wie vor die Netzmonopolisten sind) erspart, die gesetzliche Mindestvergütung zu zahlen, und zweitens, daß man ihnen auch noch eine satte Durchleitungsgebühr zahlen muß (siehe Kasten). Unabhängig von Stromkonzernen - das muß man hier in aller Deutlichkeit sagen - wird man erst, wenn man sich vollständig vom öffentlichen Stromnetz abkoppeln würde. Und dies ist in Deutschland sicherlich für über 99 % der StromkundInnen sinnlos.

Fazit
Die ökologische Energiewende erreichen wir nur, wenn man mit Solaren Energieträgern mehr Geld verdienen kann, als mit Atom- oder Kohlestrom. Das EEG ist auf diesem Weg ein Meilenstein. Erneuerbare Energien - das ist die Botschaft - sind nicht mehr nur was für Idealisten, sondern eine sinnvolle Investition für jeden. So gibt es inzwischen z.B. Windanlagenprojekte, bei denen man sich schon mit 1000,- DM beteiligen kann. Dar-über hinaus ist der Bezug von Ökostrom nicht sinnlos, sondern das Tüpfelchen auf dem "i". Werden die auf-geführten Punkte berücksichtigt (Neuanlagen im Grenzbereich, politische Lobby) kann man - hier wieder als Idealist - die Energiewende nicht nur mit jeder eingesparten, sondern auch mit jeder verbrauchten Kilowatt-stunde Strom weiter voranbringen. So macht das (Öko-)Leben auch beim Stromverbrauchen wieder Spaß!

Michael Bilharz, Holzgartenstraße 66, 93059 Regensburg, Tel.: 0941 - 449 331,
email: bilharz@emp.paed.uni-muenchen.de
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im DFG-Forschungsprojekt "Ökologische Kompetenz - Energienutzung im Alltag" an der LMU München bei Prof. Mandl und Dr. Gräsel; freiberuflicher Referent zu den Themenberei-chen Erneuerbare Energien & Liberalisierung des Strommarktes.

Fußnoten:
  1. Es wäre an dieser Stelle müßig, über konkrete Zahlen oder über Definitionen von ÖkostromkundInnen zu streiten, da in der Tendenz zweifelsohne Einigkeit besteht: Der Anteil von ÖkostromkundInnen liegt weit hinter den Erwartungen der im wesentlichen vor zwei Jahren neu gegründeten Ökostromhändler und liegt mit Sicherheit unter der 1 % - Marke in bezug auf den Stromverbrauch privater Haushalte, die wiederum nur ca. 1/3 des bundesweit erzeugten Stromes verbrauchen (ca. 2/3 Industrie).
  2. Ausnahme: Große Wasserkraftwerke. Hierbei gibt es aber berechtigte Bedenken, diese noch unter eine ökologische Stromerzeugung einzuordnen.
  3. Theoretisch könnte man auch den Erhalt von in ihrer Existenz gefährdeten BHKWs mit fossilen Brennstoffen nennen. Dabei gilt es jedoch zu beachten, daß Erhalt und Ausbau fossil betriebener BHKWs nicht auf freiwilliger Basis, sondern nur über eine gesetzliche Regelung analog dem EEG gewährleistet werden können. Dies ist von der Bundesregierung ge-plant. In dieser Situation BHKWs künstlich durch Idealisten am Leben zu erhalten, hieße, den politischen Druck auf eine rasche Regelung zu schwächen.
  4. Dementsprechend ist das Kuratorium der Naturstrom AG mit hochkarätigen "Größen" aus der Umweltszene bestückt: Hermann Scheer (Präsident von EUROSOLAR), Franz Alt (Journalist und Autor), Peter Ahmels (Vorsitzender des Bun-desverband Windenergie e.V.), Reinhard Loske (MdB), Jochen Flasbarth (Präsident des NABU), Angelika Zahrnt (Vorsit-zende des BUND) u.a.m.
  5. Infos gibt es direkt bei den Anbietern oder - wer die taz noch unterstützen möchte - unter "oekostrom@taz.de".
  6. BUND- und NABU-Mitglieder erhalten einen günstigeren Tarif.

"EEG"- contra "Durchleitungs"-Modell
Beim Ökostromhandel können zwei grundsätzliche Modelle unterschieden werden (vgl. auch taz-Beilage vom 29.07.00).

"Durchleitungs-Modell" (auch Versorgermodell):
"Der neue Stromanbieter liefert künftig anstelle des alten Versorgers zeitgleich den Strom, den der Kunde verbraucht" (ebd.). Es handelt sich hierbei um "richtige" Stromhändler, die die gleichen Anforderungen wie "normale" Stromhändler (wie z.B. Yello) erfüllen müssen. Insbesondere muß die zeitgleiche Produktion des von den KundInnen verbrauchten Stroms erfüllt werden. Dies ist genau der Grund, der Greenpeace zu der Aussage veranlaßt, daß "nur so sichergestellt wer-den kann, daß für die Versorgung der Kunden nicht doch Atom- und Kohlekraftwerke laufen müssen" (ebd.). Greenpeace macht dabei den Fehler, daß sie den zweiten vor dem ersten Schritt machen und dafür - aus ökologischer Perspektive - teuer bezahlen:
  1. Solange der Anteil der "schwankungsanfälligen" EE nur ca. 2 % (ohne Wasserkraft) beträgt, macht es wenig Sinn, Zeit und Geld in ein von den Netzbetreibern sowieso praktiziertes Lastmanagement zu investieren. Dieser Aufwand wäre besser in den direkten Ausbau der EE investiert.
  2. Die von Greenpeace proklamierte "Unabhängigkeit von Atom- und Kohleindustrie" ist ein Märchen. Mit ca. 12 Pf/ kWh für die - fiktive - Durchleitung des Ökostroms plus einer zusätzlichen Meßkostenpauschale von 65,- DM/ Jahr unterstützt der Greenpeace-Kunde die Netzbetreiber, sprich die alte Atom- und Kohlelobby. Die Erzeuger des Öko-stroms erhalten von Greenpeace hingegen nur 11,5 Pf/ kWh.
  3. Dies leitet zum dritten Punkt über: Das Durchleitungs-Modell kann das EEG nicht in Anspruch nehmen. Denn der Strom darf nicht zweimal verkauft werden (einmal an den Netzbetreiber und einmal an den Ökostromkunde). Mit ande-ren Worten: Das Durchleitungs-Modell befreit den Netzbetreiber - und damit die allgemeinen StromkundInnen (inkl. Industrie) - von ihrem Beitrag zum Ausbau der EE.
    Anbieter sind z.B. (vgl. taz-Ökostromkampagne): [Fußnote 5] Greenpeace energy, Elektrizitätswerke Schönau ("Watt Ihr Spart"), Lichtblick, HEAG NaturPur AG sowie viele weitere regionale und überregionale Angebote.

"EEG"-Modell (auch Aufpreismodell)
"Der Ökostromanbieter fördert mit dem Aufpreis neue Anlagen, die über das Jahr gemittelt genauso viel Strom erzeugen und ins Netz einspeisen, wie der Kunde verbraucht" (ebd.). Die entscheidenden Vorteile sind hingegen:
  • Es sind keine aufwendigen Verhandlungen mit Netzbetreibern notwendig und es müssen auch keine teuren Durchlei-tungsgebühren bezahlt werden.
  • Aufwendungen für ein bis auf weiteres unnötiges Lastmanagement können gespart werden.
  • Und das entscheidende: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) kann zu 100 % in Anspruch genommen werden. D.h. aber, daß nicht nur der Zuschuß (z.B. ca. 6 Pf/ kWh bei Naturstrom AG und "Watt Ihr Volt") für den Ausbau der EE zur Verfügung steht, sondern Zuschuß plus gesetzlich garantierte Einspeisevergütung (z.B. 17,8 Pf + 6 Pf bei Wind, 99 Pf + 6 Pf bei Photovoltaik). Im Gegensatz zum Versorgermodell fließt hier bis zum 10 fachen des Geldes in den Ausbau von EE! Nur wenn dieser Effekt nicht berücksichtigt wird, man also die "nur" initierten Aufwendungen der Allgemeinheit der StromkundInnen nicht hinzurechnet, wie dies beispielsweise die Stiftung Warentest getan hat, kommt man zu schlechten Noten für dieses Modell.

Anbieter nach diesem Modell sind somit streng genommen keine Ökostromhändler, sondern Ökostromförderer im Sinne eines Ausbaus von sonst nicht realisierten EE-Anlagen. Aber auch hier gilt: Mein vollständig verbrauchter Strom wird - nicht zeitgleich, aber im Jahresmittel - regenerativ erzeugt.
Anbieter sind z.B.: Naturstrom AG [Fußnote 6], Elektrizitätswerke Schönau ("Watt Ihr Volt"), Ökostrom Handels AG. Weitere gleichwertige Angebote nach dem EEG-Modell sind mir nicht bekannt.

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