Alltagsalternativen

Eckpunkte für den Verkehr der Zukunft (MOA 1995)


1. Verkehrskonzepte aus den 90er Jahren
2. Eckpunkte für den Verkehr der Zukunft (MOA 1995)
3. Ziele: Rationale Stadtplanung
4. Strategien: Push & Pull, Public Awareness
5. Schwerpunkte
6. Planung und neue Aufgabenstellung: Qualität statt Quantität
7. Leitbilder
8. Umsetzung: Fortschritt durch Beteiligung
9. Tempo 30: Großer Aufwand - mäßiger Erfolg
10. Langsamer! Gründe zur Tempo-Reduzierung
11. Neue Straßen? Verkehrsverlagerung und Bündelung
12. Umweltverbund: Verknüpfungen sind notwendig
13. Tickets
14. Parkraum: Verknappen, Verteuern, Verteilen, Ordnen
15. Kosten: Hochsubventionierter Straßenverkehr
16. Nutzung: Region als Hauptverkehrsraum
17. Hauptstraßen: Städtebauliche Integration
18. Autobefreit: Erster Schritt oder Alibi
19. Beruhigung

bleifrei-normal...autofrei-superIm Prinzip sind sich weite Teile der Gesellschaft darüber einig, daß es im Bereich Verkehr nicht so weitergehen kann. Dauerstau und verstopfte Straßen - vor allem in den Ortschaften - gehen vielen auf die Nerven. Außerdem wird immer mehr Leuten bewußt, daß neue Straßen nicht nur Geld kosten, sondern auch wieder neuen Autotoverkehr anziehen und damit neue Umweltprobleme schaffen. Zehn Jahre nach der Einführung des Katalysators sind wir im Zeitalter der drohenden Klimakatastrophe an einem Punkt angelangt, wo eine grundlegende Wende im Verkehr unumgänglich ist. Eine ökologische Neuorientierung der Verkehrspolitik, die auch auf eine Änderung des Verkehrsverhaltens abzielt, kann nicht allein über technische Lösungen wie Biosprit, Ökoauto oder Verkehrsleitsysteme erfolgen. Folgende Forderungen bilden grundlegende Eckpunkte für eine wirkliche Verkehrswende.

1. Im Fernverkehr gibt es eine ökologische Alternative: Die Schiene!
Die Verlagerung möglichst vieler Verkehrsströme auf die Schiene muß oberstes Ziel sein. So kann auch die Effizienz gesteigert und das Angebot der Bahn verdichtet werden. Zum reibungslosen Ablauf des nationalen Fernverkehrs mit der Bahn muß der Fahrplan allerdings umsteigefreundlich mit dem des Nahverkehrs abgestimmt werden, auch die Kombinierbarkeit mit dem Fahrradverkehr muß gewährleistet sein. Der noch nötige Ausbau zu einem leistungsfähigen Schienennetz sollte möglichst ökologisch und kosteneffizient verwirklicht werden. Auf Auto- und Flugverkehr sollte im Regelfall verzichtet werden. Die Verwirklichung einer Speziallösung, wie der Magnetschwebebahn, die nicht mit der Schiene kompatibel ist und somit nur eine Konkurrenz darstellt, ergibt unter der Prämisse der Verlagerung der Verkehrsströme auf einen Verkehrsträger keinen Sinn.

2. Stadtverkehr erfordert intelligente Verkehrsmittelwahl
Beim Stadtverkehr gibt es keine pauschalen Empfehlungen für ein bestimmtes Verkehrsmittel. Allerdings erfordert die freie Wahlmöglichkeit zwischen Bus, Bahn, Rad, Fuß und Auto/Taxi Voraussetzungen bei der Gestaltung der Verkehrsmittel und Verkehrswege: Zu Fuß gehen soll in schön gestalteten Straßen wieder Spaß machen und das Fahrrad muß als gleichberechtigter Verkehrsträger akzeptiert werden. Beim ÖPNV ist durch entsprechende Netzdichte und getaktetes Angebot eine angemessene Mobilität zu gewährleisten. Das Auto übernimmt im Stadtbereich dann nurmehr spezielle Transportaufgaben.

3. Bedarfsgerechte Systeme ermöglichen attraktiven ÖPNV in der Fläche
In diesem Bereich entscheidet im Wesentlichen der Planer über die Wahl des geeignetesten Verkehrsmittels. Linienbus, Rufbus, Anrufsammeltaxi und Bürgerbus können für eine sinnvolle Angebotsplanung kombiniert werden. Je mehr Leute mitfahren, desto eher rentiert sich ein unbedingt anzustrebender Linienverkehr. Autobenutzung sollte nur noch dort erfolgen, wo bedarfsgerechte Systeme keine ausreichende Versorgung anbieten können bzw. wenn auf bestimmten Verkehrsstrecken die Umwege und die Umsteigezeiten zu viel Zeit in Anspruch nehmen würden. Die anstehende Regionalisierung des ÖPNV/SPNV sollte als Chance gesehen werden, endlich für jede Region das optimale öffentliche Verkehrsangebot zu entwickeln, wobei die Nutzer vor Ort in die Planung miteinbezogen werden sollten.

4. Sinnvolle Siedlungsplanung vermeidet Zwangsverkehr
Die funktionale Trennung von Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Einkauf - wie in der Charta von Athen gefordert - wurde zum Pyrhus-Sieg. Sie ließ den Verkehr entstehen, erzwungenen Verkehr. Freilich sind die Wohnhäuser vom Lärm der Gewerbebetriebe befreit, doch der Verkehrslärm hat den Effekt überkompensiert. Damit sich dieser Entwicklungsprozeß nicht weiter aufschaukelt, muß bei der Siedlungsplanung einer dezentralen Zusammenführung sämtlicher Lebensbereiche Rechnung getragen werden.

5. Emazipation der alternativen Verkehrsträger
Jeder Bürger sollte sich eingeladen fühlen, diese Verkehrsträger zu nutzen. Das noch immer dominierende Image ärmlich, dreckig, unbequemmuß der ÖPNV hinter sich lassen und künftig mir Schlagworten wie angenehmes Ambiente, entspannend, kundenfreundlich in Zusammenhang gebracht werden. Wir fordern flächendeckend Beauftragte für den Umweltverbund, in deren Aufgabenbereich neben der kritischen Überprüfung des ÖPNV-Angebots auch die gezielte Bereitstellung und Verbesserung der Fuß- und Fahrradinfrastruktur zählen.

6. Richtiges Verkehrsverhalten soll nicht bestraft werden!
Wenn einzelne Menschen umsteigen, aufs Auto verzichten, Fahrrad fahren, zu Fuß gehen, so haben sie derzeit außer einem guten Gewissen kaum etwas davon. Auch wer sich selber im Verkehr verhält, hat unvermindert unter Belastungen des Autoverkehrs wie Lärm und Abgase zu leiden oder muß sogar erhöhte Unfallgefahr in Kauf nehmen. Steigen aber alle um, so bringt diese neue Form der Fortbewegung mehr Lebensqualität für den Einzelnen und spürbare Umweltentlastungen. Wenn der Verkehrswende auf breiter Basis zum Durchbruch verholfen werden soll, müssen alternative Konzepte mit der notwendigen Entschiedenheit durchgesetzt werden. Daß diese Forderung nicht utopisch ist, zeigen immer mehr Städte, die erfolgreich versuchen, neue Wege zu gehen.

7. Förderung des Umweltverbundes auch auf Kosten des Autoverkehrs
Restriktive Maßnahmen gegenüber dem Autoverkehr werden oft als bloße Schikane abgelehnt. Angesichts der Tatsache, daß es sich beim Auto nachweislich um den Umweltfeind Nummer eins handelt und daß der übermäßige Autogebrauch sogar die Bewegungsfreiheit des Einzelnen erheblich einschränkt, sind restriktive Maßnahmen gegenüber dem Autoverkehr durchaus legitim (z.B. Tempolimit, Fahrverbot bei Ozonalarm). Mit der Förderung des öffentlichen Verkehrs ist sogar oft zwangsweise eine Zurückdrängung des Autos verbunden (z.B. Busspuren).

8. Mobilität für Alle!
Heute setzen die bestehenden gesellschaftlichen Gegebenheiten eine hohe Mobilität vorraus. Für Menschen, die kein Auto zur Verfügung haben (Jugendliche, alte Menschen, Kranke oder Leute, die kein Auto wollen oder keines besitzen) ist es oft schwer, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, da ein den Möglichkeiten des Autos auch nur annähernd gleichwertiges ÖPNV-Angebot fehlt. Wenn allerdings Mobilität heute zu einem Grundbedürfnis erklärt wird, muß dafür auch eine Grundversorgung gewährleistet sein. Dementsprechend wäre es eine Frage der Gerechtigkeit, für ein weitgehendes Angebot an öffentlichem Verkehr zu sorgen.

9. Kostenwahrheit im Verkehr!
Die Integration der ökologischen Folgekosten, die die einzelnen Verkehrsträger verursachen, ist immer noch nicht verwirklicht. Wie kann sonst der Kilometer Bahnfahrt in den meisten Fällen teurer sein als die kilometergebundenen Ausgaben beim Auto?! Damit nicht weiterhin finanzielle und steuerliche Anreize bestehen, das umweltfreindliche Verkehrsmittel Auto den anderen vorzuziehen, fordern wir dringend eine Internalisierung der Umweltkosten.

10. Die Wiederentdeckung der Langsamkeit als neuer Lebensstil
Immer schneller, immer höher, immer weiter! - war maßgebliches Ziel einer jeden bisherigen Entwicklung - doch wohin soll dieses grenzenlose Wachstum führen? Schon der derzeitige bei uns herrschende Standard energieintensiver Mobilität ist weltweit nicht übertragbar. Schnellebigkeit und hektische Betriebsamkeit unserer Tage bedeuten kaum einen Gewinn an Lebensqualität. Dies im Hinterkopf muß die Devise der Zuklunft daher heißen: So schnell wie nötig, nicht so schnell wie möglich! Mit diesem Gedanken als Leitspruch für den Verkehr der Zukunft, sind einige ICE-Trassen, Transrapid-strecken oder Autobahnneuplanungen zu überdenken und die Einführung eines Tempolimits dringend geboten.

Diese Eckpunkte wurden am 12.01.1995 verabschiedet vom MOA-Trägerkreis 1995: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Verkehrsclub Deutschland, Naturschutzjugend, BUNDjugend, DAG-Jugend, Die Umweltbeauftragten der ev. Landeskirchen, Pro Bahn, Bundekoordination Studentischer Ökologie, FUSS/Umkehr e.V.

(Diese Seite wurde in den 90er Jahren erstellt.)

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