Alltagsalternativen

KURZNACHRICHTEN ZU REPRESSIONSTHEMEN

2011


Übersicht und Kontaktformular · 2024 · 2023 · 2022 · 2021 · 2020 · 2019 · 2018 · 2017 · 2016 · 2015 · 2014 · 2013 · 2012 · 2011 · 2010 · 2009 · 2008 · 2007

Dezember 2011
Verwaltungsgericht erklärt Tornado-Überflüge für belanglos
Während des G8-Gipfels 2007 hatten Flugzeuge der Luftwaffe mehrmals eine angemeldete Versammlung in Reddelich überflogen. Die Polizei begründeten den Einsatz militärischer Mittel im Inland damit, dass mit den von der Luftwaffe angefertigten Luftbildaufnahmen angeblich sich im Camp befindliche Erddepopts mit Waffen ausfindig gemacht werden sollten. Dies entpuppte sich schon wenige Tage nach dem Gipfel als Unwahrheit. Auf den damals in vielen Tageszeitungen abgebildeten Fotos, waren keine Bilder von Erdbewegungen zu sehen, sondern lediglich Aufnahmen von verschiedenen im Camp diskutierenden Personengruppen. Diese waren z. T. so scharf, dass einzelne Personen identifiziert werden konnten. Nach Bekanntwerden reichten verschiedenen Personen bereits 2007 Klagen beim Verwaltungsgericht Schwerin ein.Trotz des eindeutig rechtswidrigen Überwachungscharakters des Militäreinsatzes wurde die Klage vom Gericht abgelehnt. "Das Verwaltungsgericht spricht den Klägerinnen und Klägern das Rechtsschutzinteresse ab, weil sie durch die Bildaufzeichnungen der Bundeswehr-Tornados nicht tief genug in ihren Grundrechten betroffen seien sollen. Wenn diese Argumentation Schule macht, wird der Rechtsschutz gegen polizeiliche und militärische Überwachungsmaßnahmen bei Großereignissen empfindlich eingeschränkt.“ so der Anwalt der Kläger, Sönke Hilbrans.

„Free all prisoners!“ kein Gewahrsamsgrund
Und nochmal G8: Während der Protest wurden zwei Personen eine Woche lang in Polizeigewahrsam gesperrt, weil sie in ihrem Auto Banner befanden, auf denen die Slogans „Freedom for prisoners“ und „Free all now“ standen. Angeblich seien die Parolen konkrete Tatvorbereitungen und Aufrufe zu Straftaten gewesen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Klage der beiden Studenten gegen den 6-tägigen sogenannten Unterbindungsgewahrsam ohne Angabe von Gründen nicht angenommen hat, und das Amtsgericht Rostock die beteiligten PolizistInnen vom Vorwurf der Körperverletzung im Amt freisprach, wurde Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht. 4 Jahre später erklärter das Gericht die Gewahrsamnahme für rechtswidrig. Außerdem verpflichtete es die Bundesregierung neben den Gerichtskosten den Betroffenen auch eine Entschädigung von 3000 Euro zu zahlen.
Mehr Infos: daspolizeilichegegenueber.blogsport.de/

Sind PolizistInnen Staatsgewalttäter?
Für das kommende Frühjahr hat sich das Amtsgericht Schleswig einen spannende Aufgabe vorgenommen: In einem Prozess gegen AntimilitaristInnen wird es um die Frage gehen, ob es eine Beleidigung ist, einen Einsatzleiter einer gewalttätigen Polizeitruppe zu fragen, ob er der ranghöchste staatliche Gewalttäter vor Ort sei, und ob er den Einsatz leite. Hintergrund des Verfahrens ist ein Prozess gegen eine Antimiltaristin im Februar 2010. Der Aktivistin wurde von der Bahn ein neues Gleis in Rechnung gestellt, dass die Polizei anlässlich einer Ankettaktion gegen einen Militärtransport der Husumer Bundeswehreinheiten für die NATO-Response-Force zerstört hatte. Vor der Verhandlung kam es zu verschiedenen friedlichen Soli-Aktionen am Oberlandesgericht, was zu schikanösen Einlasskontrollen und aus Sicht der Betroffenen rechtswidrigen Hausverboten führte. In diesem Kontext soll auch einer der beteiligten AktivistInnen dem Einsatzleiter die in seinen Augen beleidigende Frage gestellt haben. Außerdem erhob das Amtsgericht gegen zwei aus Sicht der Betroffenen grundlos in Gewahrsam genommen Person Anzeigen wegen Beleidigung, Widerstand und „Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole“. Das Verfahren ist deshalb brisant, weil sich Staatstheoretiker jeder Colour einig sind, dass ein zentraler Bestandteil von demokratischen Herrschaftsregimen die Legitimierung eines staatlichen Gewaltmonopols durch Einrichtung einer angeblichen „Gewaltenteilung“ sei. In dieser Gewaltenteilung komme der Polizei die Rolle als „Ausführende Gewalt“ zu. Deshalb ist die einzige legale Form von Gewaltanwendung die staatliche Gewalt zur Durchsetzung von Gesetzen. Und für die tatkräftige Umsetzung dieser hochtrabenden Gedanken sind PolizistInnen doch zuständig, oder?

Bussgeld für das Nichtbefolgen von Platzverweisen?
Die Polizei Demmin versucht in einem aktuellen Fall, das Nichtbefolgen von Platzverweisen zu kriminalisieren (Platzverweise gibt es nur im Polizeirecht. Polizeirecht hat einen präventiven Charakter. Die darin vorgesehenen Maßnahmen sollen Straftaten verhindern, und schaffen damit eine rechtliche Grundlage für Polizeiübergriffe, bevor die Strafprozessordnung greifen würde. Logische Konsequenz daraus ist, dass bei Maßnahmen nach Polizeirecht die Strafbewehrung fehlt: Es ist ja noch nichts passiert, weil die Polizei es verhindert hat). Am 1. Mai 2010 wurde anlässlich eines Nazi-Aufmarsches eine Antifaschistin in Gewahrsam genommen, weil sie gegen einen Platzverweis verstoßen haben soll. Anschließend bekam sie einen Bußgeldbescheid mit der Begründung, sie habe den Platzverweis nicht befolgt. Die „juristische“ Konstruktion die, die dabei zur Kriminalisierung verwendet wird, behauptet, dass die Betroffene mit dem Platzverweis durch die Polizei von der Versammlung ausgeschlossen worden sei, und sich nach dem Ausschluss nicht umgehend entfernt habe. Dies würde einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz darstellen, und sei deshalb zu bestrafen. Ob diese Konstruktion, die auf die Vermengung von Präventiv- und Strafrecht hinausläuft, haltbar ist, wird sich im Frühjahr bei der Gerichtsverhandlung zeigen.

Zensus-Repression nimmt Fahrt auf
Nachdem die datenschutzrechtlich bedenkliche Volkszählung „Zensus 2011“ im Mai begonnen hat, sind die zuständigen Behörden seit Mitte Dezember soweit, „säumige Bürger“ mit der Androhung von Zwangsgeldern und Erzwingungshaft doch noch dazu zu bringen, die Fragen der DatensammlerInnen zu beantworten. Von angeblich 4,2 Mio. verschickten Fragebögen seien 50.000 noch nicht zurück. Wer das Bußgeld nicht einfach so hinnehmen möchte, findet hier Infos: zensus11.de/.

Neuer „Richter Gnadenlos“ in Hannover?
Was einem blühen kann, wenn man sich ohne Anwalt in ein Gericht wagt, illustrierte am 18.12. in Hannover das dortige Amtsgericht. In einer Verhandlung wegen Hausfriedensbruch (der Angeklagte soll an einer Besetzung eines Baugrundstückes für ein Tierversuchlabor der Firma Boehringer teilgenommen haben), verhängte Richter Süschenbach eine Ordnungshaft wegen „Ungebühr“, die sofort vollstreckt wurde. Auf der Seite der ProzessunterstützerInnen (boehringerbesetzung.blogsport.de) wird die angebliche „Ungebühr“ etwas anders geschildert: Der Angeklagte habe versucht, einen Antrag zu stellen, der laut StPO genau zu diesem zeitpunkt gestellt werde musste, um nicht als „verspätet“ zu gelten. Und dafür sei ihr Genosse postwendet eingesperrt worden...

November 2011
Anti-Atom-Aktivistin trat Haft wegen Castor-B
Am Freitag, 14.10.2011 um 15.00 Uhr trat die Aktivistin Franziska eine 2,5-monatige Haft in der JVA Frankfurt III an. Sie hatte sich im November 2008 gemeinsam mit anderen an einem Betonblock unter den Gleisen angekettet und damit die Weiterfahrt des Castortransportes aus Frankreich ins Wendland um 12 Stunden verzögert. Heute wurde sie von einem bunten Anti-Atom-Demonstrationszug mit Jonglage und Seifenblasen zur JVA begleitet und dort verabschiedet. Blog zum Knastaufenthalt ...

Im Februar: 15. Europäische Polizeikongress in Berlin
Am 14. und 15. Februar 2012 findet in Berlin der 15. europäische Polizeikongress statt. In diesem Jahr soll es wohl um "Terrorismus" und die Bekämpfung sozialer Revolten gehen. Der Polizeikongress in Berlin dient den Herrschenden seit Jahren als Instrument um europaweite Maßnahmen der Repression abzustimmen und Konzepte der Aufstandsbekämpfung den aktuellen Entwicklungen anzupassen.
So wurde zum Beispiel der Einsatz der Bundespolizei im Rahmen von FRONTEX in Griechenland auf dem Kongress vorbereitet (www.youtube.com/watch?v=QdwtRY90buE), Der Polizeikongress kündigt sich selbst so an: www.european-police.eu/Welcome. Gegen ihn richet sich ein Aufruf, der neben weiteren Informationen auf archive.ph/http://de.indymedia.org/2011/10/318091.shtml zu finden ist. Allerdings hat der Kongress nicht nur KritikerInnen, sondern auch Unterstützer und Sponsoren. Diese sind hier zu finden.

Brennende Autos in Berlin
Da haben sie sich Monate lang den - autoritär-populistischen - Mund fusselig geredet. Und nun war es ein Einzeltäter ohne politischen Hintergrund. Lesen wir in der Berliner Morgenpost am 23.10.2011: "Die Berliner Polizei hat einen Serien-Autobrandstifter gefasst. Der 27-jährige Mann hat "eine hohe Zahl von Fahrzeugen in Berlin in Brand gesetzt“, sagte der Sprecher der Berliner Polizei, Frank Millert. Der Verdächtige André H. hat inzwischen Dutzende Brandstiftungen gestanden. Nach Informationen von Morgenpost Online handelte der mutmaßliche Serien-Brandstifter nicht aus politischen Motiven. Der Mann sagte aus, er habe allein gehandelt – und aus "reinem Frust". Der Sachschaden geht in die Millionen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft drohen ihm deshalb mindestens zehn Jahre Haft." Für eine Aufrüstung der Polizei hat das alles aber als Argument gereicht.

Kein Ende der Personalausweiskontrollen an Berliner Gerichten
Kulturell war die Lage am 26.9.2011 vor dem Verwaltungsgericht Berlin interessant. Da saß ein Aktivist, der ohne eigene Wohnung und aus den Resten der Gesellschaft lebt (um unabhängig zu sein), einem Teil der Chefetage des Amtsgerichts Tiergarten gegenüber, die es gewohnt sind, Menschen niederzumachen, einzusperren, sozial zu isolieren, während sie sich selbst für Angehörige von was Besserem halten. Nun aber mussten sich diese hohen Herren von einem Hergelaufenen "beklagen" und dann auch noch im Prozess vorwerfen lassen, zu lügen. Dummerweise hatten sie auch wenig Chancen, das zu widerlegen.
Vorne saß der Vizepräsident des Verwaltungsgerichts und hatte zu entscheiden, ob Personalausweiskontrollen am Eingang des Gerichts zulässig seien. Gegen die hatte der Aktivist nämlich eine Klage eingereicht. Doch statt in der Sache zu verhandeln und zu entscheiden, wollte sich der Verwaltungsrichter mit einem schnell erkennbaren, miesen Trick aus der Affäre ziehen: Er verneinte das Rechtsschutzinteresse des Klägers. Dieser hätte nämlich am fraglichen Tag im Jahr 2009 als Angeklagter das Amtsgericht Tiergarten nicht ohne gleich doppelte Personalienkontrolle nicht betreten dürfen, war deshalb zu spät zu seinem Prozess und so in sowie wegen Abwesenheit verurteilt worden. Der damalige Amtsrichter Herkenrath wusste um die Probleme beim Eingang, das Gericht sorgte absichtlich dafür, nicht telefonisch erreichbar zu sein. Denn nichts ist den nur einerseits verurteilungsgeilen, andererseits aber arbeitsscheuen RobenträgerInnen lieber als ein Urteil ohne Prozess. Beides zu vereinen, gelingt, wenn jemand mit Strafbefehl nicht zu seinem Gerichtsprozess kommt. Ein bisschen Nachhelfen ist zwar rechtswidrig, aber wer Richter ist, braucht das Recht nicht mehr zu beachten.
Um eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu verhindern, behaupteten die späteren Beschwerderichter, die Eingangssituation hätte mit dem Prozess nicht zu tun. Das war zwar gelogen - aber in Robe lügt es sich gefahrlos. Der Betroffene drehte aber den Spieß um und zog, weil ja nun alles nichts mehr mit Strafrecht zu tun hatte, vor das Verwaltungsgericht. Dort nun wurde sein Anliegen mit dem beschriebenen Trick abgewehrt. Vorher aber rangen der Kläger und sein Anwalt heftig mit den Beklagten und dem Verwaltungsrichter. Die Beklagten vom Amtsgericht reihten Lüge um Lüge hintereinander, um immer wieder neue Unstimmigkeiten erklären zu können. So wurde behauptet, dass ein Angeklagter auch ohne Ausweis ins Gericht käme. Dagegen stellte der Kläger einen Beweisantrag, der im Prozessverlauf allerdings nicht behandelt wurde. Noch absurder entwickelte sich anfangs ein Beweisantrag gegen die erfundene Story, die Personalienkontrolle sei nötig, um Hausverbote zu überprüfen. Das ist zwar an sich schon fragwürdig, eine solch umfangreiche Rundumüberprüfung mit derartigen Lappalien zu begründen, aber die anwesenden ZuschauerInnen waren sich mit den Kläger einig, dass die Geschichte gar nicht stimme. Also folgte der Antrag, eine Zuschauerin als Zeugin zu vernehmen, dass gar keine Hausverbotslisten überprüft worden seien. Der Richter wollte die Vernehmung nicht und formulierte zunächst, dass die Zeuginnenvernehmung ja nichts bringen würde, weil die Beklagten anderer Meinung seien. Welch ein Vorgang: Eine Beweisaufnahme ist gegenstandslos, wenn die beklagte Seite etwas Anderes sagt? Das wäre ja mal eine Neuerung: Wer eine Handlung abstreitet, kann nicht mehr verurteilt werden. Als der Richter diese offensichtliche Klassenjustiz (der Höhergestellte hat sowieso immer Recht, deshalb braucht es keiner Beweisaufnahme ...) aussprach, ging ein Raunen durch den Raum - und das bewog dann erst den Richter, die Zeugin vielleicht lieber doch zu vernehmen. Was natürlich auch nichts nützte, denn im Urteil dachte sich der Richter einfach eine neue Geschichte aus. Es geht in die nächste Instanz. Mehr ...

Oktober 2011
Freispruch im Containerprozess
Der Prozess um den Diebstahl von Müll am 21.9.2011vor dem Amtsgericht Döbeln endete nach 2 Stunden Verhandlung mit einem Freispruch für den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen: Ihm war nicht nachzuweisen, dass er die Lebensmittel tatsächlich aus dem im Strafbefehl aufgeführten Container entnommen hatte. So forderte am Ende sogar der Staatsanwalt einen Freispruch für den Angeklagten. Vorangegangen waren Versuche, das Verfahren gegen Auflagen einzustellen - der jetzt freigesprochene Angeklagte stimmte dem aber nicht zu. In der Innenstadt und vor dem Gericht wurde mit Straßentheater,Kreidemalerei und Transparenten auf den Prozess aufmerksam gemacht. Mehr unter archive.ph/http://de.indymedia.org/2011/09/316506.shtml und nirgendwo.info/containerprozess.

Federballskandal in letzter Runde
Schon mehrfach wurde über den Fall des 14.5.2006 berichtet, wo Hessische Sicherheitsbehörden unerwünschte AktivistInnen wegen Straftaten einsperrten, obwohl sie diese an ganz anderen Orten observiert hatten. Die Observation verschwiegen sie – flogen aber damit auf die Nase der Betroffenen, die nach intensiver Recherche die Lügen aufdecken konnten. Seitdem bemühen sich Justiz und Politik um Vertuschung. Jetzt liegt die letzte Entscheidung an: Das Oberlandesgericht prüft, ob die Einstellungen der regierungsloyalen Staatsanwaltschaften rechtens waren oder ob Anklage gegen die TäterInnen wegen Rechtsbeugung, Freiheitsberaubung, Verfolgung Unschuldiger usw. erhoben werden muss. Mehr: www.projektwerkstatt.de/14_5_06.

Sicherungsverwahrung I: Neue Regelungen vereinbart
Zwischen Bundes- und Landesregierungen ist eine Einigung über die zukünftige "Gestaltung" der Sicherungsverwahrung erzielt worden. "Die Zeit" schrieb: "Das Konzept sieht unter anderem vor, dass die Sicherungsverwahrung grundsätzlich bereits im Urteil angeordnet werden muss. Die Maßnahme soll zudem nur nach sehr schweren Sexual- und Gewaltdelikten möglich sein. Die geplante Abschaffung der nachträglichen Sicherungsverwahrung ist aber weiterhin strittig: Eine Arbeitsgruppe der Länder soll bis zur nächsten Justizministerkonferenz im November prüfen, ob sie nicht doch für solche Täter möglich ist, bei denen sich die Gefährlichkeit erst in der Haft herausstellt. Kritiker führen aber rechtliche Bedenken an." (Quelle).

Sicherungsverwahrung II: Verlegung in andere Anstalt rechtswidrig
Die Verlegung eines Sicherungsverwahrten von Schwalmstadt nach Diez wurde vom Landgericht Marburg am für unzulässig erklärt und rückgängig gemacht. Zentraler Satz, der auch für andere Fälle wichtig ist: "Da es sich um eine Behandlungsmaßnahme handelt. ist eine Verlegung "im Interesse des Gefangenen" gegen dessen erklärten
Willen unzulässig". Weitere Auszüge: "Da die Verlegung als dauerhafte Unterbringung in einer anderen Anstalt für den Gefangenen von erheblicher Bedeutung ist, ist in Anlehnung an die Regelung an § 8 StVollzG das freie Ermessen der Vollzugsbehörde beschränkt und lässt Verlegungen, außer in den Fällen der Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt, der Entlassungsvorbereitung, der Erkrankung sowie der Verlegung aus einer Einweisungsanstalt oder -abteilung nur unter den in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen zu. Die Regelung in § 11 Abs. 1 Nr. 1 HStVollzG stellt dabei eine Konkretisierung des Resozialisierungsprinzips und des Eingliederungsgrundsatzes dar, wobei es sich bei den darin genannten Voraussetzungen um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt, die der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegen." (Az. beim Landgericht Marburg: 7a StVK 89/11).

Sicherheitsverwahrung III: Das passende Buch
Der Band von Johannes Goldenstein (Loccumer Protokolle 63/2009, Evang. Akademie in Loccum, 264 S.) dokumentiert die Beiträge zu einer Tagung im Oktober 2009, als das Thema brisant zu werden begann - was es bis heute ist. Noch konnten die Rängespiele zwischen deutschen und europäischen Gerichten im Ringen um die juristische Definitionsmacht nicht berücksichtigt werden. Aber die Vielzahl der Texte und Positionen zeigt das Spektrum der Debatte auf. Die Beiträge erfolgen aus psychologischer Sicht, werfen Blicke in die Praxis des Inhaftierung und benennen mögliche Verbesserungen. Kritisch werden Versuche beäugt, das lebenslange Einsperren von Menschen zu relativieren. Unkritisch hingegen nehmen die KapitelschreiberInnen den Sinn von Strafe als gegeben an, ohne dafür an irgendeiner Stelle des Buches eine plausible Begründung abzugeben. Die Würde des Menschen ist halt antastbar.

Neue Berichte über Polizeigewalt
Aus Bayern wird berichtet: "Am 3.09.2011 um 22:00h wurde ein 15-Jähriger auf einer Rosenheimer Polizeiwache von verschiedenen Beamten beleidigt, in Handschellen gefesselt und mehrfach getreten. Anschließend nahmen mehrere Beamte und der Rosenheimer Polizeichef den Kopf des Jungen und schlugen ihn mehrfach gegen eine Wand. Dabei wurde der 15-Jährige stark verletzt (mit Platzwunden und Zahnschäden). Er musste nach der Folter im Polizeirevier in ein Krankenhaus eingewiesen werden.
Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft Traunstein, welche bereits eine Woche zuvor ein Ermittlungsverfahren gegen Rosenheimer Polizeibeamte einstellte welche widerrechtlich in eine Pfaffenhofener Wohnung einbrachen und eine ganze Familie misshandelten und verletzten. Der leitende Staatsanwalt gab nun bekannt, dass in dem Ermittlungsverfahren gegen den Dienststellenleiter zwei weitere Akten herangezogen würden: Der Rosenheimer Polizeichef griff 2002 auf der Münchener Sicherheitskonferenz Demonstranten aus dem Auto heraus mit Pfefferspray an und schlug im März 2011 einen Rosenheimer Radfahrer zu Boden."

Gentrifizierung mit Zaun
Die Ausgrenzung von unerwünschten Menschen aus den Zonen von Konsum, Reichtum und Bürgerlichkeit nimmt immer bizarrere Formen an - Kreativität und Geld, die im Sozialen angeblich immer fehlt, scheint bei asozialen Politikformen im Überfluss vorhanden zu sein. Neuestes Beispiel: Ein Zaun, um Menschen auszusperren. Wie auch in verschiedenen Hamburger Medien thematisiert wurde, ließ der Bezirk Mitte Ende September einen Zaun aus Stahl unter der Kersten-Miles-Brücke (Helgoländer Allee auf St. Pauli, direkt an den Landungsbrücken) aufstellen, damit Obdachlose dort nicht mehr schlafen können. Die Bauarbeiten sollen 18.000 Euro gekostet haben, nachdem vor einigen Monaten schon für 100.000 irgendwelche Steinbrocken aufgestellt wurden. Mehr ...

September 2011
Akteneinsicht bei staatlichen Behörden
Informationsfreiheitsgesetz, Umweltinformations- und Verbraucherinformationsgesetz haben eines gemeinsam: Sie schaffen den BürgerInnen Zugang zu Akten bei staatlichen Stellen. Wer also mal reinschauen will, was der Moloch über sich selbst oder über z.B. umweltzerstörende Technologien oder Planungen so gesammelt hat, kann das einfach tun. Eine einfache Akteneinsicht kostet nicht einmal Geld. Hilfen gibt es unter www.frag-den-staat.de und hier. Bei ersterer sind bisher nur Tipps zu Bundesbehörden gegeben - das Akteneinsichtsrecht gilt aber genauso für Landes- und kommunale Stellen.

Justiz schützt Justiz: Polizeiliche Nazimethoden in Gießen bleiben ohne Anklage
Am 14.5.2006 überfielen uniformierte Kommandos vier Menschen auf dem Weg zur Projektwerkstatt nahe dem Ort Reiskirchen. Obwohl die Polizei wegen einer Observation genau wusste, dass die AktivistInnen nichts Verbotenes getan hatten, sperrte sie alle vier ein (einen mehrere Tage), beschlagnahmte Kleidung, containertes Essen und Fahrräder, wollte drei Personen zur Abgabe von DNA zwingen und durchsuchte ohne Rechtsgrundlage die Projektwerkstatt. Dazu dachte sie sich Straftaten mit politischen Hintergrund aus, verschleppte Beschwerden, sperrte Leute mit gefälschten Akten in falsche Knäste usw. Die (Nicht-)Aufarbeitung geriet zur Meisterstunde Gießener Rechtssprechung, wegen der Dominanz des hessischen Innenministers in seiner Heimatstadt Gießen auch „Bouffiersches Recht“ genannt. Nun wurden - nach 5 Jahren Vertuschungsermittlungen - die Verfahren gegen beteiligte RichterInnen, PolizeibeamtInnen und den inzwischen zum Ministerpräsidenten aufgestiegenen Mitdrahtzieher eingestellt. Dafür erfand der Generalstaatsanwalt einen dubiosen handschriftlichen Vermerk ohne Datum, Unterschrift und ungeklärter Urheberschaft. Auf dem stände, dass die Observation damals nicht geklappt hätte und daher das seit fünf Jahren auch von Polizeiseite immer wieder bestätigte Alibi des Betroffenen doch keines sei. Der hat nun Klage eingereicht, um einen gerichtlichen Entscheid zu erhalten. Doch Hessens mafiose Justiz dürfte zusammenhalten und auch diese letzte Option abschmettern. Mehr unter www.projektwerkstatt.de/14_5_06.

Weitere Verurteilungen von S21-GegnerInnen
Das Amtsgericht Stuttgart setzt am 25.8.2011 seine Aburteilungen bei fünf weiteren Stuttgart21-Gegnern in den sogenannten "Nordflügelprozessen" fort. De insgesamt 49 AktivistInnen wird vorgeworfen, während einer Versammlung "Hausfriedensbruch zum Nachteil der Deutsche Bahn AG" begangen zu haben. In welche Richtung das Urteil ausfallen würde, war recht schnell klar: So unterbrach die Richterin Petermann eine Einlassung zur Sache, als die politischen Verflechtungen darstellt wurden. Die Richterin meinte, sie allein entscheide, was sie - so wörtlich - "zu erleiden" hätte. Auf Unmutsäußerungen des Publikums reagierte sie mit der Verfügung, bei weiteren Störungen lasse sie "den Saal räumen." Die Zuhörer hätten "den Mund zu halten". Nachdem gegen zwei der Angeklagten das Verfahren eingestellt wurde, verurteilte Richterin Petermann die weiteren drei zu 10, 10 und 20 Tagessätzen. Mehr ...

Häftlich und Wählen - soll das gehen?
Bericht eines Gefangenen: "Auch Gefangene dürfen in Deutschland wählen. Nachdem jedoch die Teilnahme an Wahlen nur kostenpflichtig ermöglicht wurde, darüber hinaus entgegen § 8 Bundeswahlordnung in keiner einzigen Justizvollzugsanstalt ein „beweglicher Wahlvorstand“ eingerichtet wurde (dabei würde für wenige Stunden eine Art Wahllokal in einem Raum der jeweiligen Haftanstalt eingerichtet), legte ich 2009 Einspruch gegen die Gültigkeit der Bundestagswahlen ein. Am 7.7.2011 (Drucksache 17/6300, Anlage 3; abrufbar unter www.bundestag.de/) wurde seitens des Bundestages der Einspruch zurückgewiesen. Weder der Wahlprüfungsausschuss noch das Plenum des Bundestages wollten in oben erwähnten Punkten Wahlfehler erkennen. Die Entscheidung des Bundestages kann mit Beschwerde (vgl. § 48 Bundesverfassungsgerichtsgesetz) angefochten werden. Wobei die Beschwerde nur zulässig ist, wenn ihr mindestens 100 Wahlberechtigte beitreten, d.h. die Beschwerde durch Unterschrift unter eine gesonderte Beitrittserklärung unterstützen. Dieses Quorum wurde übertroffen. Bis zum 26.08.2011 haben 142 WählerInnen die Beschwerde unterstützt. Entscheiden wird das Bundesverfassungsgericht. Mehr ...

Verfahren gegen GenfeldbesetzerInnen eingestellt
Das Amtsgericht Rostock hat die Strafverfahren gegen gentechnik-kritische Aktivist_innen eingestellt. Damit hat sich deren offensive Prozessführung gelohnt, wegen der - nach absurden Ausrastern des Gerichts - vorangegangene Verhandlungen scheiterten. Einige Monate später verschickte das Gericht an alle verbliebenen Angeklagte das Angebot, die Verfahren ohne Auflagen und auf Staatskosten einzustellen. Diskussionen dazu waren offenbar gar nicht mehr erwünscht: „Sollten Sie sich bis zu dem Termin nicht gemeldet haben, werte ich dies als Zustimmung“ so der Wortlaut des richterlichen Schreibens. Aufgrund eines gerichtsinternen Fehlers wurde das Einstellungsangebot ein zweites Mal mit einer um einen Monat verschobenen Frist verschickt. Einem Angeklagten, der diesem Angebot ausdrücklich schriftlich widersprach und so eine Aufklärung der Vorwürfe herbeiführen wollte, wurde trotzdem der Einstellungsbeschluss geschickt. „Wir lernen daraus, dass Repression nur wirkt, wenn mensch es auch zulässt“, kommentierte der Aktivist den plötzlichen Unwillen der Gerichte zur öffentlichen Verhandlung nach anfänglich großem Aufwand. Bericht ...

New York wurde evakuiert - Gefangene waren dem Untergang geweiht
New York City ist von kleinen Insel und Sandbänken umgeben. Für den Hurrikan "Irene" entwickelte Bürgermeister Bloomberg den Plan, 250000 Menschen zu evakuieren. Ein Blick auf die städtische Evakuierungskarte enthüllt, dass in den betroffenenen Zone A und B eine Fläche ausgespart ist: Die Rikers Insel. Sie beheimatet ein großes Gefängnis, liegt im Gewässer zwischen Queens und Bronx und war überhaupt nicht markiert. Sie wäre also nicht evakuiert worden. Das Überleben der Gefangenen war egal. New York ist solches Verhalten gewöhnt: Als am 11.9.2001 die Twin Tower einstürzten, wurde aller dabei Gestorbenen gedacht - außer den Obdachlosen, sie sich dort aufhielten und verschüttet wurden. Bericht zur Nichtevakuierung der Rikers ...

August 2011
Graz: Polizeieinsatz gegen DemonstrantInnen war rechtswidrig
Am 28.1.2011 fand der alljährliche Wiener Korporations-Ball rechtsextremer Verbindungen in der Wiener Hofburg statt. Dabei feiert sich seit Jahrzehnten das rechtsextreme Etablissement der Landes gegenseitig ab. 2009 gelang es AntifaschistInnen erstmals, die Veranstaltung massiv zu stören, was zu massiver Panik auf Seiten der Polizei führte. 2011 wurde u.a. durch die Österreichische Hochschulschaft (ÖH) österreichweit zu Protesten aufgerufen und Busse zu den Gegendemonstrationen organisiert. Noch vor Beginn der Kundgebungen wurden sämtliche Busreisenden von der Polizei kontrolliert. Am Grazer Hauptbahnhof umstellte eine Einsatzeinheit den Bus und erlaubte nur jenen Personen einzusteigen, die sich durchsuchen ließen und ihre Personalien bekannt gaben. Eine Begründung dieses Vorgehens wurde mit Verweis auf das Amtsgeheimnis verweigert. Acht Betroffene erhoben Beschwerde gegen den Polizeieinsatz beim Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS). Dem zuständigen Gericht wurde von der Polizei ein anonymes Email vorgelegt, in dem davor gewarnt wurde, dass sich in dem Bus Sprengstoff befinden könnte. Außerdem hätten unbekannte DemonstrantInnen bei einem öffentlichen Vorbereitungstreffen Anschläge mit "Sprengsätzen" geplant. Der Verfasser sei nicht nur bemerkenswert rechtskundig, heißt es nun im Bescheid des Gerichts, sondern sei auch "offensichtlich in Kenntnis der Organisation des Polizeiwesens". Ansonsten gab es, so der Einsatzleiter der Polizei, vor der Identitätsfeststellung keinen Verdacht gegen die AktivistInnen und er habe erst die Namen benötigt, um einen solchen Verdacht eventuell zu belegen.
Im Urteil gab das Gericht den BeschwerdeführerInnen in allen Punkten recht. „Eine flächendeckende Personalienfeststellung und Durchsuchung von TeilnehmerInnen einer politischen Versammlung sei durch ein solches Email nicht zu rechtfertigen,“ denn anonyme Denunziationen begründen keinen Tatverdacht. Der gesamte Polizeieinsatz gegen den Bus der ÖH in Graz anlässlich der Demonstration gegen den WKR-Ball war demnach rechtswidrig.
Laut den Betroffenen hat es sich gelohnt, den gesamten Polizeieinsatz ausführlich filmisch zu dokumentieren. Wesentliche Argumentationen der BeschwerdeführerInnen konnten dadurch gestützt werden. Mehrere Behauptungen der Polizei erwiesen sich hingegen als falsch und als haltlose Legitimationsversuche: Oder, wie es im Bescheid des UVS wörtlich heißt: „… sind diese Aussagen nicht nachvollziehbar und durch das Filmmaterial eindeutig widerlegt.“ Mehr hier und hier ...

FeldbefreierInnen zu Tagessätzen verurteilt
Im April 2008 hatten 6 AktivistInnen einen der umstrittensten Gentechnik-Versuche beendet, indem sie mit Rübenhacken gentechnisch veränderten Winterweizen in unmittelbarer Nähe zur Genbank in Gatersleben unschädlich machten. Erneut gelang es den Angeklagten, massive Verstöße der VersuchsbetreiberIn offen zu legen. Am Ende war die offensichtliche Rechtswidrigkeit der Versuche Egal: Das Landgericht bestätigte die Geldstrafen zwischen 20 und 30 Tagessätzen.

Remagen: Repression gegen Antifas
Am 20.11.2010 fand der jährliche Aufmarsch von Neonazis in Remagen statt. Es gab eine Mahnwache sowie Versuche, den Naziaufmarsch zu blockieren, was jedoch aufgrund der starken Polizeipräsenz nicht gelang. Doch scheinbar ist das schon zu viel Protest in einer Region, in der den gesellschaftlichen Eliten jegliches antifaschistische Engagement verdächtig erscheint. Es kam zu mehreren Strafverfahren. Ein Antifaschist soll am Rande der Demo einem Polizeibeamten eine Platzwunde am Kopf zugefügt haben. Es gibt außer der Aussage des verletzten Polizisten keine Zeug_innen, die dies bestätigen. Der Polizist selbst hat die Tat noch nicht einmal gesehen, sondern meint lediglich, dem Täter Pfefferspray ins Gesicht gesprüht zu haben. Da der angeklagte Antifaschist tatsächlich Pfefferspray ins Gesicht bekommen hatte, ließ er sich im Krankenhaus behandeln und wurde dort verhaftet. Der ermittelnde Oberstaatsanwalt J.-W. Schmengler tönte schon bei der Haftprüfung am nächsten Tag, dass er ihn und seine „Freunde allesamt in den Knast“ bringen werde. Am 12.05.2011 wurde vor dem Amtsgericht Bad Neuenahr-Ahrweiler der 23jähriger Antifaschist ohne Beweise verurteilt: Zu 18 Monaten Haft auf Bewährung, 150 Sozialstunden, einer Reihe schikanöser Auflagen und einer Zahlung von 1500,- Schmerzensgeld. Beim Prozess wurden der Angeklagte und sein Verteidiger vom Staatsanwalt beschimpft und Beobachter_innen im Publikum Schreibblöcke und Stifte abgenommen. Ein Entlastungszeuge, der aussagen konnte, dass der Polizeibeamte mit Pfefferspray und Schlagstock gegen die Demonstrant_innen vorgegangen war, wurde wegen angeblicher Falschaussage in Handschellen aus dem Gericht abgeführt. Ihm droht nun ebenfalls ein Gerichtsverfahren. Zusätzlich stehen Gerichtsverfahren wegen des Vorwurfs des Landfriedensbruchs bzw. der gefährlichen Körperverletzung gegen mindestens 6 weitere Personen an. Leider ist nicht auszuschließen, dass es auch dort zu ähnlich skandalösen Urteilen kommen wird und Berufungsverfahren notwendig werden. Auf die Angeklagten kommen hohe Kosten zu. Mehr Infos ...

Juni 2011
Laienverteidigungsnetzwerk gestartet
Laut § 138,2 StPO können „andere Personen“ als RechtsanwältInnen u.ä. „mit Genehmigung des Gerichts … zugelassen werden.“ In den Kommentaren zu diesem Paragraphen finden sich Hinweise, dass das Gericht vor allem die Rechtskunde und Vertrauenswürdigkeit des/r LaienverteidigerIn prüfen muss. Ist die gegeben, muss es zustimmen. Auf dieser Grundlage, aus Überzeugung, dass gegenseitige Hilfe und Selbstermächtigung emanzipatoriscen Zielen mehr entsprechen als Abhängigkeit von Geld und AnwältInnen, und aus der Hoffnung, dass politisch offensive Verteidigung vor Gericht so gefördert werden kann, entwickelte sich in den vergangenen Monaten eine Praxis, nach der sich AktivistInnen gegenseitig vor Gericht unterstützten. Trainings zum Umgang mit Gerichten vermittelten das nötige Know-How. Anfang Mai nun gaben knapp 15 Personen auf einem Treffen in der Projektwerkstatt Saasen den Startschuss nicht nur für eine bessere Organisierung und Schulung der Selbst- und gegenseitigen Verteidigung vor Gericht, sondern auch für Schulungen, die das Wissen für verteidigende Personen stetig erweitern. Zur Abwehr haben viele Gerichte inzwischen unter Missachtung des § 138,2 LaienverteidigerInnen verboten – hiergegen laufen Verfassungsklagen. Mehr unter www.laienverteidigung.siehe.website.

Strafprozess um Flughafenausbau: Fraport zieht Strafanträge nach öffentlichem Druck zurück
Am Dienstag, den 10. Mai fand vor dem Amtsgericht Rüsselsheim ein Prozess gegen die Flughafenausbaugegnerin Franziska statt, der zur Last gelegt wurde im Frühjahr 2009 zweimal Bäume in der Nähe der Rodungsfläche besetzt zu haben und sich während der polizeilichen Räumung des Widerstandsdorfes im Kelsterbacher Wald in einem Baumhaus festgekettet zu haben. Das Verfahren aufgrund des Vorwurfs des dreifachen Hausfriedensbruchs wurde im Verhandlungsverlauf eingestellt, nachdem die Fraport AG die Strafanzeigen zurückzog. Vorher hatte die Angeklagte mit einem umfangreichen Befangenheitsantrag begründet, warum der Ausbau des Flughafens unerträglich sei, andererseits aber die Richterin befangen sein müsse, weil ihr Arbeitgeber gleichzeitig Mehrheitseigner der Fraport AG sei. Bericht und Blog ...

Neues Buch bietet Einblicke in Knastalltag
Im Frühjahr dieses Jahres erschien vom für die taz tätigen Journalisten, Sozialpädagogen und Soziologen Kai Schlieter das Buch „Knastreport – Das Leben der Weggesperrten“. Auf 254 Seiten bietet es einen ungeschminkten Einblick in den bundesdeutschen Strafvollzug; er lässt neben einigen Gefangenen auch Professor Kröber (Berlin), einen der bekanntesten deutschen forensischen Psychiater zu Wort kommen. Niemand, der dieses Buch liest, wird auf die BILD – Berichterstattung hereinfallen, wonach Gefängnisse letztlich etwas abgespeckte Hotels seien. Wer neben allgemeinen und auch statistischen Informationen über den Strafvollzug Interesse hat, sich Einzelschicksale von Inhaftierten zu öffnen, dem sei der Kauf dieses Buches uneingeschränkt empfohlen. Er oder Sie wird danach Gefängnisse mit anderen Augen betrachten.
Eine ausführliche Rezension findet sich hier ...
Kai Schlieter, „Knastreport – Das Leben der Weggesperrten“
(2011, Westend-Verlag, 254 S., 17,95 €, ISBN 978-3-938 060-67-4)

5 Jahre Gießener Federballnacht
Ca. 30 Personen spielten in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai 2011 in Gießen an vier Orten rund um Justizkomplex und Knast Federball. Sie erinnerten damit an einen absurden Versuch von Innenministerium, Landes- und regionaler Polizei in gemeinschaftlicher, krimineller Vereinigung mit Gießener RichterInnen und Staatsanwaltschaft, kritische Oppositionelle hinter Gitter zu bringen. Das Oberlandesgericht verglich die Vorgehensweise über ein Jahr später mit den Methoden im Dritten Reich. Um den inzwischen zum Ministerpräsidenten aufgestiegenen Volker Bouffier sowie die Uniform- und RobenträgerInnen nicht wegen ihrer offensichtlichen Rechtsbeugung, Freiheitsberaubung, Verfolgung Unschuldiger usw. belangen zu müssen, erklärte sich die Gießener Staatsanwaltschaft komplett für befangen, während die dann beauftragte Wiesbadener Staatsanwaltschaft durch Dauerverfahren einen Abschluss und damit einen gerichtlichen Entscheid verschleppt. Derweil regiert Bouffier, dürfen RechtsbrecherInnen in Robe und Uniform weiter Menschen jagen oder über sie richten. Peinlich winden tun sich die Verantwortlichen auch vor dem Innenausschuss im Hessischen Landtag. Ende Mai brachte Landespolizeichef Münch (laut FR, 28.5.2011) eine neue Erklärung ins Spiel, die diametral allen bisherigen Erklärungen und allen Vermerken der beteiligten Polizisten entgegen steht: Die Polizei hätte von allem nichts gewusst ... Bericht zum 5-Jahres-Spiel ++ Hintergrundseite

Fakes gegen Zensus
Der Zensus ist in vollem Gange und hat mit diversen Schwierigkeiten zu kämpfen, wie man auf der Homepage der ZENSUS2011-Gegner_innen lesen kann. Auch in Ostsachsen klappt nicht alles so reibungslos, wie die Datensammler sich das wünschen würden.
Zuletzt tauchten im ganzen Landkreis Görlitz angeblich gefälschte Schreiben des Statistischen Landesamtes Sachsen auf. In diesen wird vor den Befrager_innen gewarnt, da sich unter diesen Nazis, Sektenmitglieder und andere fragwürdige Gestalten eingeschleust haben könnten. Eine Tatsache, die selbst der Erhebungsbeauftragte in Zittau Edgar Juschkeit in einem Artikel der Sächsischen Zeitung nicht leugnet. Ein bezeichnendes Verhalten der ZENSUS2011 – Offiziellen. Mehr ++ Infoseite zu Fakes

Vorbehalte gegen Oberstaatsanwalt bestätigt
In den Prozess gegen den Polizeibeamten Andreas Schubert im Fall Oury Jalloh versucht Oberstaatsanwalt Preissner, die uniformierten TäterInnen zu schützen. Nachdem ein Zeuge Torsten dargelegt hatte, dass die Polizeibeamten März und Scheibe - entgegen ihrer eigenen Angaben - kurz bevor Oury Jalloh verbrannte, noch einmal in der Zelle waren, deutet alles darauf hin, dass die beiden etwas mit dem Tod des Afrikaners zu tun haben könnten. Doch der Oberstaatsanwalt freute sich gar nicht über Belastendes: Er forderte, die Beamten erneut zu laden, um zu beweisen sich der Belastungszeuge getäuscht haben muss. Mehr Ungereimtheiten und Vertuschungsmanöver ...

März 2011
Bundesverfassungsgericht kippt Hausordnungen für Flughäfen und Bahnhöfe
Im Jahr 2003 demonstrierten AntirassistInnen im Terminal-Gebäude des Frankfurter Flughafens gegen die von dort durchgeführten Abschiebungen. Die Betreiber-Firma Fraport verteilte daraufhin Hausverbote. "Für uns ist das Verteilen von Flugblättern eine Betriebsstörung", sagte Erich Keil, der Leiter der Fraport-Unternehmenssicherheit. Schon eine einzelne Person könne ein Sicherheitsproblem auslösen. Eine klagende Aktivistin erklärte hingegen vor dem Bundesverfassungsgericht: "Solange es am Frankfurter Flughafen zu Abschiebungen und Menschenrechtsverletzungen kommt, sehe ich es als mein Recht an, dort auch zu demonstrieren." Das Gericht entschied nun, dass die Versammlungsfreiheit für Bahnhöfe, Häfen oder kommunale Einkaufszentren gelte, wenn sich diese öffentlich genutzten Räume mehrheitlich in staatlichem Besitz befinden. Die Richter begründeten die Entscheidung für die Durchsetzung der Versammlungsfreiheit damit, dass nicht nur der Staat an die Grundrechte und ihre Umsetzung „gebunden“ sei. Dies gelte auch für alle Unternehmen, die mehrheitlich in Staatsbesitz seien. Da dies bei der Fraport AG zu 52 Prozent der Fall sei (Land Hessen/Stadt Frankfurt), müsse sich auch Fraport an die Grundrechtsbindung etwa zur Versammlungsfreiheit halten und Demonstrationen auf ihrem Betriebsgelände zulassen.

OLG Schleswig: „Auf Schienen gibt es kein Demonstrationsrecht“
14 000 Euro soll die Friedensaktivistin Hanna Poddig an die DB Netz zahlen, weil sie sich im Februar 2008 in Ohrstedt/ Nordfriesland an die Bahnschienen gekettet hatte, um auf die Militärtransporte der Bahn und die sog. „Auslandseinsätze“ der Bundeswehr aufmerksam zu machen. Ihr Protest richtete sich grundsätzlich gegen die Existenz der Bundeswehr, also einer Institution, die Menschen zum Töten abrichtet. Richter William verkündete die Entscheidung des Gerichts, die Aktivistin sei dem Grunde nach schadensersatzpflichtig. Juristisch von Belang war in der Auseinandersetzung vor allem die Frage, ob die Bahn als Staats-unternehmen an das Grundgesetz gebunden sei und somit die Aktion als Versammlung hätte behandeln und rechtmäßig auflösen müssen. Eine Versammlungsauflösung hat es im vorliegenden Fall nie gegeben. Für die Entscheidung des Gerichtes spielte dies jedoch keine Rolle. Die zwei Tage vorher ergangene Entscheidung aus Karlsruhe zu diesem Komplex wurde mit den Worten „Es gibt kein Demonstrationsrecht auf Schienen“ beiseite gewischt. Spendenkonto für die Anwaltskosten: Nordostsee-Sparkasse, BLZ:217 500 00 KTN 111 026 274 Stichwort Gleisblockade. Mehr Infos ...

OLG Stuttgart: Beugehaft gegen ehemalige RAFlerInnen?
Ehemalige Mitglieder aus der RAF werden im März als ZeugInnen im Stuttgarter Prozess gegen Verena Becker vorgeladen und es droht ihnen bei Aussageverweigerung Beugehaft bis zu sechs Monaten. Am 10. März müssen Günter Sonnenberg, Stefan Wisniewski, Rolf Heißler und Adelheid Schulz, am 24.März Knut Folkerts und Brigitte Mohnhaupt, am 25. März Sieglinde Hofmann, Rolf Clemens Wagner und Irmgard Möller und am 31. März Siegfried Haag erscheinen. Angeklagt ist Verena Becker wegen Mordes am damaligen Generalbundesanwalt Buback, der im April 1977 vom „Kommando Ulrike Meinhof“ erschossen wurde. Buback, ein ehemaliges NSDAP-Mitglied, wird von Solidaritätsgruppen für die Verschärfung der Isolationshaftbedingungen und für den Tod von vier Gefangenen verantwortlich gemacht. Im Rahmen der seit 2007 laufenden Ermittlungen wurde gegen einige ehemalige Gefangenen bereits Beugehaft angedroht. Gegen Rolf Heißler und Stefan Wisniewski laufen laut Medien weiter Ermittlungsverfahren. Bereits im Vorfeld hatte der Prozess einigen Wirbel in der Presse ausgelöst. Quer durch alle Zeitungen gingen Verdächtigungen, dass die RAF vom Geheimdienst geleitet worden sei. Den Ehemaligen wurde vorgeworfen, sie hätten sich ein mafiaähnliches Schweigegelübde („Omerta“) auferlegt, welches "Schweigen bis ins Grab" bedeute. Ehemalige Gefangene aus der RAF erklärten in einem Papier, das „von Einigen, die zu unterschiedlichen Zeiten in der RAF waren“ im Mai 2010 veröffentlicht wurde: "Wenn von uns niemand Aussagen gemacht hat, dann nicht, weil es darüber eine besondere 'Absprache' in der RAF gegeben hätte, sondern weil das für jeden Menschen mit politischem Bewusstsein selbstverständlich ist. Eine Sache der Würde, der Identität - der Seite, auf die wir uns gestellt haben." Mehr Infos ...

Dresden: Innenminister erlaubt Gas-Granaten-Werfer
Pünktlich zur großen Blockade in Dresden jubelte die BILD: „Innenminister hat es gestattet! Zum ersten Mal dürfen die Elitepolizisten Pfefferkugeln auf Chaoten feuern!“ Gemeint ist eine Dienstanweisung des Ministers Ulbig (CDU) an seine SEKs. Diesen wird gestattet, mit Reizgasgeschossen aus einer Waffe namens „Pepperball“ auf DemonstrantInnen zu schießen. Bei „Pepperball“ handelt es sich um rote Kapseln aus einem dünnen Kunststoff, die am Körper zerspringen und Pfefferstaub freisetzen. Wie bei allen angeblichen „non-lethal-weapons“ wird von Herstellerseite, wie von nutzenden Organen immer deren „Ungefährlichkeit“ beteuert. Doch vor allem durch eine gehäufte (weil als „niedrigschwellig“ empfundene) Anwendung, steigt auch die Zahl der schweren Opfer und Todesfälle. Auf der Webseite des Herstellers findet sich ein Werbe-Video für ihre Waffen, in dem unter anderem Bilder von der versuchten Niederschlagung der Proteste von Seattle 1999 gezeigt werden.

Repression in Belarus geht unverändert weiter
Auch nach den Präsidentschaftswahlen im Dezember hat sich die innenpolitische Situation in Belarus nicht entspannt. Im Februar wurden mehrere Konzerte, deren VeranstalterInnen und Publikum aus oppositionellen/ anarchistischen Kreisen unterbunden. Am 5. Februar 2011 wurde in Soligorsk ebenfalls ein Konzert verboten. Doch dort wurden KonzertbesucherInnen „nur“ aufgelöst. Anders am 11. Februar 2011: dort fand in Baranawitschy (ca 100 km südwestlich von Minsk) ein Konzert statt, bei welchem die Polizei das Konzert stürmte, die 50-60 Leute festnahm, sie zur Polizeistation brachte, sie fotografierte und deren Fingerabdrücke nahm. Am 12. Februar fand in Minsk eine "Food Not Bombs"-Aktion statt. Diese sieht für gewöhnlich so aus, dass AktivistInnen Essen kochen und öffentlich-kostenlos verteilen. Diese Aktion wird meistens von der Polizei mehr oder weniger ruppig beendet. Die Einsatzkräfte umzingelten die AktivistInnen, filmten sie ab und nahmen die Daten von allen anwesenden Personen auf. Aus Minsk sind seit Winter 2010 immer noch fünf AnarchisInnen inhaftiert, ein Aktivist ist untergetaucht. Über den Verbleib der anarchistischen Gefangenen aus Babrusk liegen den Soligruppen immer noch keine Informationen vor. Bekannt ist nur, dass diesen Personen die Mitgliedschaft in einer „anarchistischen Terrorgruppe“ angelastet wird. Dieser Vorwurf dient dazu, die andauernde Inhaftierung zu rechtfertigen, denn gleichzeitig werden sie vom weißrussischen Staat als „unpolitisch“ und „Randalierer“ dargestellt, um den politischen Charakter der Repression zu vertuschen. Den Betroffenen drohen bis zu sieben Jahre Haft. Mehr Infos ...

Februar
HRO: Einstellung für Gentech-Gegnerin
Ein Verfahren gegen eine Gentechnikgegnerin, der vorgeworfen wurde 2009 mehrere Gentechnikversuchsfelder nahe Rostock zerstört zu haben, wurde ohne Verhandlung gegen die Auflage 300 Arbeitsstunden zu leisten eingestellt. Der jungen Frau war vorgeworfen worden ein Kartoffelfeld, ein Weizenfeld und ein Gersteversuchsfeld (für dessen Teilzerstörung im Jahre 2006 - damals lag das Feld noch in Gießen -, sitzt der Gentechnikkritiker Jörg Bergstedt noch bis Ende März in der JVA Gießen ein halbes Jahr Haft ab) mit transgenen Pflanzen zerstört oder teilzerstört zu haben. Der Sachschaden beliefe sich auf 20.000 Euro. Spendenkonto für Prozesskosten mit Stichwort "Lüsewitz 09" (IBAN DE29 5139 0000 0092 8818 06, BIC VBMHDE5F).

LG: Verurteilung wegen „Containern“
Während die Staatsanwaltschaften auf die Kriminalisierung von "Containern" meistens verzichtet, beharrt die Lüneburger Justiz auf einer Verurteilung. Nach 4 Verhandlungstagen wurde das Urteil im sog. Keksprozess gesprochen: 25 Tagessätze à 5 Euro. Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, im Sommer 2011 mit einer weiteren Person - die nicht angeklagt wurde - das Gelände der Konditorei Scholze durch ein offenes Tor betreten zu haben. Dort entwendete er, so das Gericht, abgelaufene Kekse aus einer Mülltonne. Begründet wurde das öffentliche Interesse mit dem jahrelangen politischen Engagement von Karsten und in diesem Zusammenhang gegen ihn in der Vergangenheit geführten Verfahren, wie beispielsweise ein längst eingestelltes Verfahren wegen einer friedlichen Baumbesetzung gegen ein Verkehrsprojekt der Stadt im Jahre 2007. Zur Urteilsverkündung war der Angeklagte nicht mehr erschienen - aus Protest gegen ein schon im voraus feststehendes politisches Urteil. ProzessbeobachterInnen kritisieren die politisch motivierte Verfolgung der Tat durch die Behörden, die massive Einschränkung der Rechte der Verteidigung sowie eine abwegige Auslegung des Tatbestandes Hausfriedensbruch. Im Kern erläuterte die Richterin, das Betreten eines Geländes durch ein offenes Tor sei grundsätzlich nicht strafbar. Wenn dies aber zu Nachtzeit erfolge, könne dies aber schon als Hausfriedensbruch bewertet werden. Der Betroffene hat Rechtmittel eingelegt.

Demo-Verbot zum G8-Gipfel rechtswidrig
Das zum G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm verhängte Demonstrationsverbot gegen „block G8“ wurde vom Schweriner Verwaltungsgericht für rechtswidrig erklärt. Die Polizei hatte einen Sternmarsch zum Sicherheitszaun um den Tagungsort der G8-Staats- und Regierungschefs verboten. Dagegen hatten Gipfel-GegnerInnen geklagt. Der Richter bezog sich auf das Bundesverfassungsgericht, das im Juni 2007 das Verbot in einem Eilverfahren zwar bestätigt, aber erhebliche Bedenken im Hinblick auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit geäußert hatte. Die Polizei habe das Bundesverfassungsgericht mit falschen Angaben zur Gefahrenprognose in die Irre geführt, sagte die Rechtsanwältin der drei Kläger, Ulrike Donat. Zu den Klägern gehört die innenpolitische Sprecherin der Linke-Fraktion im Bundestag, Ulla Jelpke. So sei die Zahl der Verletzten bei den schweren Krawallen in Rostock unmittelbar vor Beginn des Gipfels aufgebauscht und von angeblichen Waffen berichtet worden. Allerdings beteiligt sich auch die Anwältin der KlägerInnen, an der diskursiven Konstruktion von angeblich „guten“ und „bösem“ Protest: „Es gab schlimme Ausschreitungen, aber auch eine große Anzahl von Leuten, die einfach ihren Protest zum Ausdruck bringen wollten“.

Hausdurchsuchung in München
Am 19.1 fanden drei Durchsuchungen von Privatwohnungen in München statt. Vorwand waren Sachbeschädigungen im Oktober 2010 vor dem ESCADA-Firmenhauptsitz in Aschheim. Neben Computern, Laptops und externen Datenträgern wurden einzelne Aktionsmaterialien beschlagnahmt. Laut den Betroffenen versuchten die PolizeibeamtInnen sie während den Hausdurchsuchungen zu erpressen, indem ihnen in Aussicht gestellt wurde, ihre Computer behalten zu dürfen, sofern sie geständig seien bzw. andere AktivistInnen beschuldigen. Alle Betroffenen machten keinerlei Angaben. Die Hausdurchsuchungen führten 2-3 BeamtInnen der Kripo auf Beschluss des Amtsgerichtes München durch und dauerten jeweils ca. eine Stunde. Escada war Ziel einer Kampagne gegen Echtpelzverkauf, welche im Oktober letzten Jahres nach drei Jahren erfolgreich beendet wurde. Mehr Infos ...

120 Tagessätze nach angeblicher Beleidigung bei Konsulatsblockade
Im Frühjahr 2010 blockierten ca. 70 Personen das iranische Konsulat in Frankfurt-Ginnheim aus Protest gegen die Diktatur im Iran. Für eine Kölner AktivistIn hatte die Aktion nun ein rechtliches Nachspiel vor dem Frankfurter Amtsgericht. Ein Beamter fühlte sich bei der rabiaten Räumung, der von iranischen und deutschen Linken durchgeführtem Blockade, beleidigt. Der Prozessverlauf war in einem derartigen Fall erwartungsgemäß. Zwar war die Beleidigung des Beamten nicht auf dem Polizeivideo zu hören und auch die zwei Polizeizeugen konnten sich nicht mehr genau erinnern. Doch ein Beamter war sich (obwohl er bei der teilweise gewalttätigen und von lautstarken Parolen begleiteten Räumung der Blockade einen Helm trug) sicher, den Satz "Ihr Arschlöcher seit genauso wie die Wichser im Iran" der Angeklagten zurechnen zu können. Nicht zuletzt, da sie in seinen Augen vorher durch inhaltliche Redebeiträge, über die Verwicklung deutscher Firmen mit dem iranischen Regime, auf sich aufmerksam gemacht hatte. Das Gericht verurteilte schließlich zu 120 Euro Geldstrafe wegen Beleidigung. Weitere Informationen zum Prozess, der Situation im Iran und der Beteiligung Deutschlands finden sich auf hier.

TKDV: Einstellung gegen 80 Friedensarbeitsstunden
Am Landgericht Kiel endete eine traurige Epoche der bundesdeutschen Geschichte. Mit einer Einstellung endete das hoffentlich letzte Strafverfahren gegen einen totalen Kriegsdienstverweigerer. Frankie ist einer von vielen jungen Männern in Deutschland, die Post vom Kreiswehrersatzamt bekommen haben und leider kriegsverwendungstauglich gemustert worden sind. Militärdienst kam und kommt für ihn aber nicht in Frage, also hat er wie viele andere den Kriegsdienst mit der Waffe aus Gewissensgründen verweigert und ist staatlich als Kriegsdienstverweigerer anerkannt worden. Während und nach dem Anerkennungsverfahren hat er jedoch erkannt, dass der Zivildienst keine akzeptable Alternative zum Militärdienst ist. Deshalb ist er an seinem Einberufungstermin nicht bei seiner Dienststelle angetreten. Daraufhin folgten ein Ermittlungsverfahren wegen „Dienstflucht“. Der Prozess endet letztlich mit einer Einstellung und der Auflage, innerhalb von sechs Monaten 80 Arbeitsstunden bei der Friedenswerkstatt Kiel zu leisten

Verwaltungsgericht Wiesbaden entscheidet gegen Videoüberwachung
Die in einem Gerichtsgebäude dauerhaft und ohne besonderen Anlass praktizierte Videoüberwachung und Personenkontrolle verletzt das Gebot der Gerichtsöffentlichkeit, entschied das Verwaltungsgericht Wiesbaden (VG Wiesbaden, Beschluss vom 20.01.2010 - 6 K 1063/09.WI). Dazu heißt es in der Entscheidung: „Das Gericht schließt sich der Auffassung des Klägervertreters an, daß eine Gerichtsöffentlichkeit nicht hinreichend gewährleistet ist,
sondern vielmehr die begründete Befürchtung besteht, daß Interessierte an der Teilnahme an Gerichtsverhandlungen durch die in dem Gebäude vorhandene Videoüberwachung und Personenkontrolle gehindert bzw. abgeschreckt werden, an öffentlichen Sitzungen teilzunehmen.“ Dies dürfe nur bei besonderer Gefährdung der Fall sein. Der gemeinsame Standort mehrere Gerichte rechtfertige dies jedoch nicht. Das Urteil ist insofern relevant, als dass die Praxis an sehr vielen Gerichten anders aussieht. Videoüberwachung und Personenkontrollen sind rechtswidrigerweise bei den RechtsschützerInnen an der Tagesordnung.

Warschau: Bewehrungsstrafe nach Widerstand
Vier Jahre nach seiner Teilnahme an der „Parade für sexuelle Gleichberechtigung“ in Warschau wurde Anfang Mai letzten Jahres das Urteil gegen den Berliner René K. gesprochen. René erhielt eine Haftstrafe von einem Jahr, ausgesetzt auf zwei Jahre Bewährung. Angeblich soll er im Juni 2006 einen Polizeibeamten während der „Parade“ angegriffen haben. Rene K. war bei der Demonstration in Warschau festgenommen worden, als er sich zusammen mit anderen TeilnehmerInnen am Endkundgebungsplatz gegen rechtsextreme Provokationen von GegendemonstrantInnen verteidigte. Später wurde ihm vorgeworfen, sich gegen seine Festnahme gewehrt zu haben. Daraufhin behielt ihn die polnische Justiz für zwei Monate in der Untersuchungshaft des Warschauer Bezirksgefängnisses - gegen Kautionszahlung wurde er schließlich auf freien Fuß gesetzt.

Januar
Badelatschen gegen Auslandseinsätze und Repression
Juli 2009. Während Kriegsminister Jung im Berliner Paul-Löbe-Haus die Ausstellung „Bundeswehr im Einsatz“ eröffnet, regnet es Flugblätter, rosa Badelatschen und unter dem Dach erscheint ein Banner ("Wir geloben, zu rauben und zu morden"). Das Amtsgericht Tiergarten befand nun, dass es sich dabei um einen Verstoß gegen die Bundestagshausordnung gehandelt habe, und verhängte gegen eine Aktivistin eine Geldstrafe von 200 Euro. Weitere 300 Euro kamen hinzu, weil die Angeklagte für einen ungewöhnlichen Einstieg sorgte. Die in Tarnfarbenuniform erschienene Angeklagte übernahm das Kommando im Verhandlungssaal und ließ die ZuschauerInnen des Prozesses exerzieren. Mit den Kommandos „Aufstehen!“, „Hinsetzen!“, „Rechts rum!“, „Links rum!“ wollte sie Ordnung in den Gerichtssaal bringen. Als sie das Publikum aufforderte, zu „Zielen!“, wurde es diesem zu viel und die erschienene Öffentlichkeit beantwortete den militärischen Drill mit rosa Badelatschen, die in Richtung der Angeklagten flogen. Mehr Infos (z.B. die ausführliche Prozesserklärung) unter www.bamm.de.

Die letzten Nato-Gefangenen entlassen
Die letzten beiden Gefangenen, die beim NATO-Gipfel 2009 in Straßburg inhaftiert wurden, sind aus dem Gefängnis entlassen worden. Am 10.09.2010 kam Tom aus der Haft frei. Zehn Tage später, am 20.09.2010, folgte ihm dann auch Nikita. Die beiden Rostocker wurden der Brandstiftung an einer Zollstation in Strasbourg für schuldig befunden. Das Tribunal de Grande Instance verurteilte die beiden zu jeweils vier Jahren Haft, davon ein Jahr auf Bewährung. Der Grund für die vorzeitige Freilassung ist die in Frankreich angewandte Halbstrafenregelung. Die Soligruppe veröffentlichte die Freilassung erst im Dezember. Dafür sei ein „im Nachhinein übertrieben erscheinender Persönlichkeitsschutz“.
Mehr Infos ...

Klage nach Wasserwerfereinsatz abgewiesen
2007, Rostock, G8-Gipfel. Ein Mann erblindet nach einem Wasserwerfereinsatz auf einem Auge. Er verklagt das Land Mecklenburg-Vorpommern auf 30.000 Euro Schmerzensgeld. Das Landgericht Rostock ging kreativ mit der Klage um: Anstatt zur Sache zu urteilen, verwies das Gericht auf den Umstand, dass die den Wasserwerfer bedienenden Polizisten aus Nordrhein-Westfalen kämen, und daher dieses Bundesland als Dienstherr zu beklagen sei. Der Anwalt des Klägers legte Rechtsmittel gegen das Urteil ein.

Inhaftierte nach den Chimki-Vorfällen vorläufig frei
Chimki ist eine Stadt in Russland, durch deren Wälder eine Autobahn nach Moskau gebaut werden soll. Im Wald gibt es ein Camp von ÖkoaktivistInnen, die gegen das Projekt protestieren. Nachdem dieses Camp von einem faschistischen Mob angegriffen wurde, eskalierte eine Soli-Demo am Rathaus der Stadt, weil sich sehr viele Menschen anschlossen, um ihren Ärger über die Regierung freien Lauf zu lassen. Machtlose Polizeieinheiten mussten tatenlos mitansehen, wie das unbesetzte, geschlossenen Gebäude mit Graffiti und Steinen angegriffen wurde. Am nächsten Tag wurde das gesamte Camp und polizeibekannte AktivistInnen aus Moskau verhaftet. Zwei AktivistInnen wurden mit konstruierten Anklagen die Verantwortung für die Demonstration zugeschoben. Ihnen drohen bis zu 7 Jahre Haft. Mittlerweile sind beide wieder frei, die Anklage besteht allerdings immernoch.

Gentechnik-Gefangener veröffentlicht Buch
Der zur Zeit im offenen Vollzug der JVA Gießen einsitzende Anti-Gentech-Aktivist Jörg Bergstedt lässt sich auch in der Haft nicht mundtot machen. Im Seitenhieb-Verlag erschien Ende Dezember sein Buch „Monsanto auf Deutsch“, in dem er die Verfilzungen und Seilschaften zwischen GMO-Forschung, den Geldgebern und den Kontrollstellen aufzeigt. Damit ist es nicht gelungen, diesen Kritiker der Gentechnik mundtot zu machen.

Razzia gegen linken Radio-Sender rechtswidrig
Am 25. November 2003 verschafften sich zwei Hundertschaften Polizei, Staatsanwaltschaft und Staatsschutz Zutritt zu den Räumen des lokalen Radiosenders Freies Sender Kombinat (FSK). Anlass für die Durchsuchung war ein Telefon-Interview, das ein FSK-Redakteur ein paar Wochen zuvor mit einem Polizeipressesprecher geführt und ohne dessen ausdrückliches Einverständnis aufgezeichnet und gesendet hatte. Dienen sollte der überfallartige Besuch der Einsatzkräfte angeblich allein der Beweissicherung: Man suchte den Tonträger, auf dem das Interview aufgezeichnet worden war. Der FSK reichte beim Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde ein. Das Gericht entschied 7 Jahre später, dass die Durchsuchung der Räume des Radiosenders und die Sicherstellung von Redaktionsunterlagen einen Eingriff in die Presse- und Rundfunkfreiheit darstellten und verfassungswidrig waren (Aktenzeichen 1BvR 1739/04 und 1BvR 2020/04).

150 Tagessätze nach DGB-Demo
Am 1. Mai 2010 hatten in Karlsruhe im Anschluss an eine DGB-Demonstration etwa 700 Menschen unter dem Motto: „Kämpfen in der Krise – Kapitalismus überwinden“ gegen die Ursachen und Folgen der kapitalistische Krise mit ihren weltweiten Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der Menschen demonstriert. Die Demonstration wurde von Beginn an ohne jeglichen Anlass in ein enges Polizeispalier genommen und laufend alle Teilnehmenden abgefilmt. Daher hielten die VersammlungsteilnehmerInnen an, um mit der Polizei über die ungehinderte Ausübung ihres Rechts auf Versammlungsfreiheit zu verhandeln. Ein Teilnehmer wurde vom Amtsgericht Karlsruhe zu 150 Tagessätzen wegen angeblicher Nötigung verurteilt, weil er die anderen TeilnehmerInnen aufgefordert haben soll, stehen zu bleiben, bis die Polizeimaßnahme beendet sei. Wegen des weiteren Vorwurfs der Beleidigung wurde er freigesprochen. Der Angeklagte hat bereits angekündigt, dass er Rechtsmittel einlegen wird.

DK: Verhaftung bei Klimaprotest rechtswidrig
Am 16. Dezember verkündete das Amtsgericht Kopenhagen das Urteil im Prozess gegen die Maßnahmen der Polizei während der Demo am 12.Dezember 2009. Die präventiven Gewahrsamnahmen der rund 900 Menschen auf der Amagerbrogade, während der Klimademonstration seien widerrechtlich und verstießen gegen die Menschenrechte. Deswegen müsse nun eine Entschädigung von 5000 bis 9000 Dkr (entspricht ca. 671-1204 Euro) Schmerzensgeld an die Betroffenen gezahlt werden. Mit 100.000 TeilnehmerInnen war die Demonstration die größte Protestversammlung, die während des Klimagipfels stattfand. Die Polizei verkündete in der Presse, dass sie das Urteil anfechten werde. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft bekannt gegeben, dass sie auch gegen das Urteil im Verfahren gegen die SprecherInnen von Climate Justice Action Widerspruch einlegen werde. Diese waren am 25. November wegen „Aufruf zu Gewalt gegen Einsatzbeamte“ zu vier Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden und der Staatsanwaltschaft passt die Bewährung nicht.

bei Facebook teilen bei Twitter teilen

Kommentare

Bisher wurden noch keine Kommentare abgegeben.


Kommentar abgeben

Deine aktuelle Netzadresse: 18.222.44.156
Name
Kommentar
Smileys :-) ;-) :-o ;-( :-D 8-) :-O :-( (?) (!)
Anti-Spam