Alltagsalternativen

HAFTFORMEN UND -VORSCHRIFTEN

CPT-Standards für Polizeigewahrsam


1. Europäische Strafvollzugsgrundsätze von 2006
2. CPT-Standards für Polizeigewahrsam
3. CPT-Standards für Gefängnisse
4. CPT-Standards für die Psychiatrie
5. Sicherungsverwahrung
6. Weitere Links

Bericht der Europaratskommission zu Folter und Misshandlung bei Freiheitsentziehung (PDF-Download)

Auszug zur Ausstattung der Zellen
Seite 6:
Alle Polizeizellen sollten für die Zahl der für gewöhnlich untergebrachten Personen ausreichend groß sein, über angemessene Beleuchtung (d. h. genügend, um dabei lesen zu können, ausgenommen zu den Schlafenszeiten) und Belüftung verfügen; vorzugsweise über natürliches Licht. Darüber hinaus sollten die Zellen mit Sitzgelegenheiten ausgestattet sein (zum Beispiel mit einem befestigten Stuhl oder einer Bank), und Personen, die über Nacht in Haft bleiben müssen, sollten saubere Matratzen und Decken zur Verfügung gestellt werden. ...

Kommentar: Hell genug, um lesen zu können? Sehr phantasievoll ... das ist neu, dass mensch im Polizeigewahrsam Bücher u.ä. mit hineinnehmen darf. Polizeigewahrsam bedeutet in der Regel den stunden- bis wenige Tage langen Aufenthalt in einer Zelle mit Bettgestell, ohne dass auch nur irgendwas mit hineingenommen werden darf. Oft werden sogar Brille, Uhr usw. abgenommen. Wer nicht die Zeit schlafen kann, wird mit Langeweile kämpfen ...

Auszug zur Gefahr von Misshandlung im Polizeigewahrsam
Seite 10:
Für ein funktionierendes Zusammenleben in der Gesellschaft ist es unbedingt erforderlich, dass die Polizei befugt ist, Straftatverdächtige und andere Kategorien von Personen festzunehmen, zeitweilig festzuhalten und zu befragen. Jedoch bringen diese Befugnisse ein ihnen innewohnendes Risiko von Einschüchterung und körperlicher Misshandlung mit sich.

Kommentar: Nicht nur die Befugnisse, sondern auch die zeugenlose Situation, bei der einE GefangeneR immer mehreren BeamtInnen gegenübersteht, die sich im Zweifelsfall gegenseitig decken, befördern Gewalttätigkeiten. Üblich ist, dass wenn PolizistInnen Gefangene schlagen, mehrere BeamtInnen ZeugInnenaussagen machen, die den Gefangenen belasten, dass er Widerstand geleistet hätte. Neben der Prügel kassiert ein Gefangener oft dann auch noch ein Verfahren gegen sich, denn die Polizei weiß: RichterInnen glauben immer ihnen.

Seite 11:
Es ist für das CPT nichts Außergewöhnliches, verdächtige Gegenstände in Polizeigebäuden vorzufinden, wie Holzstöcke, Besenstiele, Baseballschläger, Metallstangen, Stücke dicker Elektrokabel, Schusswaffenimitate oder Messer. Das Vorhandensein solcher Objekte hat bei mehr als einer Gelegenheit Beschwerden gegenüber Delegationen des CPT Glaubwürdigkeit verliehen, wonach die in der betroffenen Einrichtung festgehaltenen Personen mit Gegenständen dieser Art bedroht und/oder geschlagen worden sind.
Eine übliche Erklärung der Polizeibeamten im Hinblick auf solche Gegenstände ist, dass sie bei Verdächtigen beschlagnahmt worden sind und als Beweismittel verwendet werden sollen. Die Tatsache, dass die betroffenen Gegenstände ausnahmslos nicht etikettiert sind und häufig in den Gebäuden verstreut aufgefunden werden (gelegentlich hinter Gardinen oder Schränken), kann nur Skepsis im Hinblick auf diese Erklärungen hervorrufen.

Kommentar: Natürlich wird in Polizeistationen geprügelt - allerdings meist nicht im Verlauf von Verhören (also in übersichtlichen Situationen, wo SpezialistInnen der Polizei ihre gelernten Techniken anwenden), sondern wenn einfache BeamtInnen überfordert sind, sich spontan aufregen oder (ein ganz häufiger Grund) Gefangene sich so verhalten, dass ihre Herrschaftsstellung nicht anerkannt wird.

Auszug zur Frage gerichtlicher Verfolgung von Misshandlung und Folter
Seite 14:
Natürlich muss der Richter geeignete Schritte unternehmen, wenn es Anzeichen für polizeiliche Misshandlungen gibt. Im Hinblick darauf sollte der Richter, wann immer ihm Straftatverdächtige, die ihm im Anschluss an den Polizeigewahrsam vorgeführt werden, sich über Misshandlung beschweren, die Beschwerden schriftlich festhalten, sofort eine gerichtsärztliche Untersuchung anordnen und alle notwendigen Schritte unternehmen, um sicherzustellen, dass die Beschwerden ordnungsgemäß untersucht werden. Dieser Ansatz sollte stets verfolgt werden, gleichviel ob die betroffene Person äußerlich sichtbare Verletzungen aufweist oder nicht. Darüber hinaus sollte der Richter auch ohne Vorliegen einer ausdrücklichen Beschwerde über Misshandlung eine gerichtsärztliche Untersuchung veranlassen, wenn es andere Gründe für die Annahme gibt, dass eine ihm vorgeführte Person Opfer einer Misshandlung geworden sein könnte.
Wenn Gerichte und andere zuständige Behörden alle Beschwerden über Misshandlungen durch Gesetzesvollzugsbeamte sorgfältig prüfen und, wo es angebracht ist, eine angemessene Strafe verhängen, so wird dies eine in starkem Maße abschreckende Wirkung haben. Wenn hingegen diese Stellen auf ihnen vorgebrachte Beschwerden keine wirksamen Aktivitäten entfalten, werden Gesetzesvollzugsbeamte, die geneigt sind, Personen in ihrem Gewahrsam zu misshandeln, schnell zu der Annahme kommen, dass sie dies straflos tun können.

Kommentar: In der Realität völlig anders. Schon die Staatsanwaltschaften decken die PolizeiprüglerInnen, d.h. es kommt gar nicht erst zu einem Prozess. In Berlin ergab eine Studie, dass 0,4% angezeigter Gewalttaten von PolizistInnen zu Verurteilungen führen. Nicht mitgerechnet sind die gar nicht angezeigten Fälle. Noch krasser wird das Ganze, wenn mensch bedenkt, dass bei einer hohen Zahl von Anzeigen oder Beschwerden gegen prügelnde PolizistInnen die Polizei sich offensiv wehrt, d.h. wie macht selbst eine Anzeige. Ihr Vorteil: Sie können in KollegInnenkreisen unendlich ZeugInnen rekrutieren, während ein Gefangener meist allein war. Wer von Polizei verprügelt wird, bekommt meist noch ein Verfahren obendrauf. Die Urteile sind regelmäßig recht hart, weil Justiz sich als Schutzengel der Polizei begreift (das sog. Gewaltmonopol - nur der Staat darf prügeln lassen ...).


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