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ORGANISIERUNG VON UNTEN

Kommunikation


1. Einleitung und Thesen zu allen Bereichen
2. Gesamter Text "Organisierung ... WIE GEHT DENN DAS?
3. Grundsätze für eine "Organisierung von Unten"
4. Was funktioniert nicht, und warum funktioniert es nicht?
5. Gesellschaftliche Konstruktionen und Mechanismen des Sozialverhaltens wirken weiter
6. Eigene Ohnmacht gegenüber unendlichen Ressourcen von Staat und Gesellschaft; Irrelevanz und Marginalisierung der politischen Arbeit und ihrer AkteurInnen, der Individuen und ihrer freien Zusammenschlüsse überhaupt
7. Bedürfnis nach schnellen Erfolgen
8. Unwillen zu kontinuierlicher Arbeit
9. Geringe Handlungsmöglichkeiten durch Einbindung der AkteurInnen in gesellschaftliche Zwänge (Arbeit, Familie, Ausbildung usw.)
10. Fehlende Phantasie, Vorstellungskraft für Organisierung von unten und Alternative zu gesellschaftlichen Zwängen
11. Angst vor Vielfalt, Dynamik und produktivem Streit
12. Aktiv gegen Repression
13. Angst vor Vereinzelung, Eigenverantwortung, Eigeninitiative und Offenheit
14. Kommunikation
15. Abschließendes und konkrete Pläne zur Umsetzung
16. Viertes Treffen Organisierung von unten in Saasen
17. Debatte auf Hoppetosse-Mailingliste (Auszüge)

Nicht statt findende oder falsch laufende Kommunikation in der Gesellschaft, aber auch in "unseren" Zusammenhängen, wird immer wieder als Problem benannt - bei genauerem Hinsehen mit vielen verschiedenen Hintergründen: Das Verhalten in Diskussionsrunden ist oft sehr mackerhaft geprägt, das heißt, sie folgt patriarchalen Sieg-Niederlage-Logiken ("jemanden platt machen" usw.), es geht ums Gewinnen, nicht um produktiv-inhaltlichen Austausch. Zu oft geht es gar nicht um Meinungsaustausch, Debatte oder Ähnlichem, sondern um die Wirkung im (schweigenden) Publikum; eine "Arenaatmosphäre" entsteht, die ganze Diskussion verkommt zu einem "verbalen Schwanzvergleich".
Dazu kommen vielfach belehrungsartige, von oben herab sehende Kommunikationsformen, Dominanzrhetorik - vor allem gegenüber Frauen, Jüngeren und neuen Leuten, denen z.B. auf Plena immer wieder mit Arroganz und Selbstüberlegenheit begegnet wird. Die Neigung, mit vermeintlich objektiven Wahrheiten und "Wir"-Konstruktionen zu reden, entpersonalisierten Formeln und Verallgemeinerungen ("man" sollte...) verschleiern den subjektiven Charakter der eigenen Beiträge und machen diese unangreifbar. Monologe, bewusstes Unterbrechen und das unsensible Nicht-Eingehen auf einander verhindern gleichberechtigte Prozesse und sind auch persönlich belastend.
Kommunikation hat viele Ebenen und Facetten. Es geht mit Nichten immer nur um den Inhalt geleisteter Redebeiträge. Die Form, wie diese vorgetragen werden kann davon nicht getrennt werden, ist sie doch ausschlaggebend für die Bereitschaft anderer, den Inhalt überhaupt für sich anzunehmen, dem/der Redenden überhaupt zuzuhören. Dazu gehören der Tonfall, die Lautstärke, die Stilmittel "Zynismus und Sarkasmus zum Beispiel können sehr verletzende, der Erniedrigung anderer dienende Stilmittel sein - die Mimik und Gestik und eine Reihe anderer Faktoren, die Kommunikation beeinflussen. Zusätzlich zu dieser formalen und der inhaltlichen Ebene existiert auch noch die emotionale Ebene, die sich sowohl auf das emotionale Verhältnis zwischen SenderIn und EmpfängerIn, wie auch auf das Verhältnis der beiden beteiligten KommunikationspartnerInnen zum transportierten Inhalt bezieht. Wichtig anzumerken ist vielleicht, dass Kommunikation auch auf non-verbaler Ebene stattfindet, was berücksichtigt werden sollte - etwa bei Sitzanordnungen.


a) Lösung von Oben:
  • Teilweise existiert kein Problembewusstsein, es geht wirklich immer darum, den Kampf zu gewinnen, d.h. Machtmittel sind "Normalität" usw.. Um sicher zu gehen, dass der Kampf auch gewonnen wird, besuchen die Wichtigmenschen auch Rhetoriktrainings. Damit ist das Ungleichgewicht zu allen anderen noch mehr manifestiert. Hieraus kann auch das Problem entstehen, dass gar nicht mehr die sinnvollsten, plausibelsten oder brauchbarsten Vorschläge vereinbart werden, sondern die am geschicktesten vorgetragenen.
  • Es werden hierarchische Strukturen erhalten und immer wieder gefördert, die gleichberechtigte Kommunikation unmöglich machen, z.B. Podiumsdiskussionen, Vorträge oder ExpertInnenrunden, in denen es klare Trennungen und Hierarchien zwischen Publikum und AkteurInnen gibt. Aus der Kompetenz bzw. der Wissensvorsprung des / der Redenden werden Vorrechte (Redezeit usw.) abgeleitet; gegenüber "StörerInnen" und Unzufriedenen wird dies als Totschlagargument benutzt. Veränderungen und neuen Formen steht ein erheblicher Strukturkonservatismus in der "Linken" entgegen, an alten " selbst bei offensichtlichen Mängeln " Methoden festzuhalten (Beispiel Open Space: immer wieder für Kongresse vorgeschlagen, jedes Mal komplett abgelehnt oder bewusst falsch verstanden, erklärt bzw. umgesetzt).
  • Nicht nur in Verbänden und NGOs, auch in weiten Teilen eher desorganisierter Zusammenhänge haben sich Methoden zur Steuerung von Kommunikation durchgesetzt: Moderation (Gesprächsleitung) oder Redelisten erhöhen zwar oftmals die Effektivität, Gleichberechtigung wird aber nicht verwirklicht: Wenn die Verantwortung an einzelne Personen abgeschoben wird, wird eine gemeinsame Lösung unmöglich, da sich die Beteiligten nicht verantwortlich fühlen oder genötigt sind, eigenes Verhalten zu reflektieren. Verregelungen lösen das Problem also nicht.
  • Auch in linken Strukturen wird in der Regel mit Herrschaftsmitteln Kommunikation "geregelt". Wenn Verleumdungen, Druck zur Anpassung, rhetorisches "Plattmachen" nicht ausreichen, gibt es immer noch Zensur oder völligen Ausschluss (als Pseudolösung) von unliebsamen Positionen u. Personen aus dem Prozess.

b) Lösung von Unten:
  • Ausgangspunkt ist, in der Gruppe eine kontinuierliche Analyse der Probleme zu entwickeln, die eine emanzipatorischen Kommunikation verhindern. Dazu gehören Dominanzverhältnisse (wer Angst vor Ausschluss hat, kann nicht frei reden), gesellschaftliche Konstruktionen (Äußerungen von Frauen oder Jüngeren werden weniger gewichtet, ungeachtet ihrer inhaltlichen Qualität), ungleiche Ausdrucksmöglichkeiten usw. Gegenstrategien anhand von gemeinsam festgelegten Zielen (Gleichberechtigung, Autonomie, Effektivität, Kreativität) ausrichten.
  • Wir sollten Kommunikation als Austausch von Meinungen zum Ziele der Weiterentwicklung der verschiedenen Persönlichkeiten, Ideen und Gruppen verstehen - ohne Belehrung, endgültige Wahrheit, Wettkampflogik und Dominanzen - eine Idee, die immer wieder neu vermittelt und mit Leben gefüllt werden muss. Dazu notwendig ist die Schaffung eines diskriminierungsfreien geistigen Raumes, in der jedeR ausreden kann u. nicht befürchten muss, "fertig" gemacht zu werden.
  • Kommunikation ist ein sozialer (Lern-)Prozess aller, für den wir zusammen verantwortlich sind. Das bedeutet z.B. vor Gesprächsrunden kollektiv zu vereinbaren, wie wir uns zueinander verhalten wollen, während des Gesprächs gegenseitig auf Monologe, Dominanzen oder unsensibles Verhalten hinzuweisen. Direkte Intervention, d.h. das unmittelbare Ansprechen von Fehlern, Problemen und Bedürfnissen, ist ein wichtiges Mittel, um die Kommunikation aus der Gruppe heraus zu organisieren und Verregelungen, übergeordnete Instanzen überflüssig zu machen.
  • Wir sehen die Welt nicht neutral, sondern vor dem Hintergrund subjektiver und teilweise tief verinnerlichten Rollenerwartungen und Vorurteilen (aufgrund Aussehen, Herkunft, Geschlecht, Alter usw.) - viele dieser Stereotypien verhindern ein Verständnis, intensives Kennenlernen und eine solidarische Debatte. Erwartungshaltungen und Stereotypien können allein oder (besser) gemeinsam aufgedeckt, hinterfragt und dekonstruiert werden.
  • Statt entpersönlichenden, verobjektivierten Redewendungen sind persönliche, streitbare Formen der Kommunikation besser, da sie die Subjektivität offen zugeben und bejahen ("ich finde, dass..."). Wichtig ist, immer wieder darauf zu achten, "bei sich selbst bleiben", d.h. eigene Wünsche und Vorstellungen einzubringen und nicht als Kollektivmeinung ("Wir müssen jetzt...") zu konstruieren. Es handelt sich um sog. "Ich-Botschaften". Du wirst leicht beobachten können, dass die Aggressivität, die aus überhöhter Selbstbewertung entsteht, schnell zurückgeht, wenn der/die/das jenige immer wieder dazu aufgefordert wird, über sich selbst zu sprechen, in den Sätzen in der ersten Person zu bleiben.
  • Wichtig ist für alle, die eigene Sensibilität zu steigern, zu lernen, die eigene Dominanz auch mal zurück zu nehmen, Freiräume zu lassen, anderen zu zuhören, Aufmerksamkeit zu geben, und den Prozess zu beobachten und Bedürfnisse der anderen erkennen. Damit ist nicht die ansozialisierte Selbstlosigkeit gemeint, die es vielen Frauen oder anderen stärker unterdrückten immer noch schwierig macht, sich in Debatten einzubringen, offensiv für eigene Interessen einzutreten. Rücksichtsvoller Umgang darf nicht gegen die Selbstentfaltung und eigene Bedürfnisse gerichtet sein.
  • Bei härteren Fällen von Mackerrhetorik oder bewusster Rededominanz mit Direkter Intervention antworten, d.h. Thematisierung, Irritation, Parodisierungen anwenden, um dominantes Redeverhalten bloß zu stellen und (Selbst-) Veränderung einzufordern. Es geht darum, die verschiedenen Ebenen von Kommunikation aufzudecken. Direkte Intervention richtet sich gegen etwaige Unterschwelligkeiten oder ganz bewusste Dominanzrhetorik oder verletzenden Tonfall. Der/die Betroffene wechselt die Ebene des Gesprächs und legt somit die ganzen mitschwingenden Kommunikationsmittel offen. ErSieEs könnte zum Beispiel laut sagen: "Aua, Du hast mich verletzt". Übertriebene Gestik ist sinnvoll, um erniedrigende oder mackerhafte Verhaltensweisen deutlich zu machen, sowohl als Nachahmung der Gebaerden des/der Redenden, als auch als Reaktion, wie Du Dich durch den/die andereN behandelt fühlst. Das könnte zum Beispiel ein sich-an-die-Wand-gedraengt-fühlen sein, Du könntest vor dem auf Dich gezeigten Finger der/desjenigen die Hände erheben oder Dich auffällig in Dich zusammenfallen lassen.

Grundsätzlich sollte die Begegnung aber mit einem Gefühl von "Gleichmut" geschehen. Gleichmut zu haben, bedeutet nicht seiner/ihrerseits wiederum nun SiegerIn zu werden, sondern zu versuchen, die Position des/der anderen zu verstehen, auch seine/ihre eventuelle Wut bzw. den Anlass seiner/ihrer Aggression mit-zu-fühlen, um dann aus dieser Position heraus - mit Verständnis für des/dies/das andereN - die Situation zu überwinden. Gleichmut bedeutet ausgeglichen sein, Mitgefühl zu pflegen und ruhig zu bleiben. Das ist manchmal ganz schön schwer, aber Du kannst bestimmt erleben, wie viel weniger anstrengend Kommunikation - auch Streit und Diskussion - wird, wenn die Eskalationsspirale in der Kommunikation aufgehalten wird. Eine Möglichkeit, Verständnis und Ausgeglichenheit zu transportieren, dem/der anderen fühlen zu lassen, dass Du Dich um Mit-Gefühl bemühst, kann Körperkontakt sein. Je nachdem., wie gut ihr Euch kennt, kannst Du den/die AggressorIn kurz am Arm oder auf der Schulter berühren, in den Arm nehmen oder an den Händen fassen. Du solltest hier vorsichtig sein, nicht die Grenzen des/der anderen zu überschreiten. Ob und in wiefern Du Körperkontakt aufnimmst, hängt stark mit Deiner Beziehung zu Deinem/r Gegenüber und der Situation zusammen.
Es geht nicht um Harmoniesucht, erzwungene Friedlichkeit oder "wir lieben und doch alle" Mentalität. Es geht darum, die Dominanzen und Schwierigkeiten von Kommunikation zu sehen, zu analysieren und zu überwinden - auf emanzipatorische Art. Unsere Kommunikation ist - wie unsere anderen Lebensbereiche auch - von patriarchalen und kapitalistischen Logiken durchzogen. Streit , Kritik und Diskussion sind notwendig und wichtig. Sie sollten aber jenseits von "Kampf" oder "Verwertung" stattfinden, wenn wir einen emanzipatorischen Umgang miteinander pflegen möchten.
Wie die Problematik von Kommunikation nach außen / innen vermittelt werden kann (außer Direkter Intervention und Kommunikationsguerilla), bleibt momentan eine offene Frage, da der Appell, die Gruppen sollen das irgendwie machen, noch nie funktioniert hat. Vermutlich wird es notwendig sein, Konferenzen, Seminare und Trainings zum gesamten Organisierung von Unten Komplex zu veranstalten. Allerdings ist es immer ein Anfang, wenn diejenigen, die dieses Papier lesen oder an seiner Weiterentwicklung interessiert oder schon beteiligt sind, versuchen, diese Ansätze bei sich selbst zu verwirklichen ( was immer nur ein Prozess ohne endgültiges Ergebnis sein kann) und in das eigene Umfeld zu tragen. Die Erfahrung hat bereits gezeigt, wie heilsam Kommunikationsinterventionen auf Bündnisplena sein können. Es handelt sich dabei um einen mühsamen Akt des immer wieder Bewusstmachens, wie wir alle uns gerade verhalten. Der lohnt sich jedoch, weil in einer verbesserten Kommunikationsatmosphäre, auch die besseren Inhalte transportiert und somit bessere Beschlüsse gefasst werden.

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