Biotopschutz

GENTEC-FILZ IN BEHÖRDEN UND ÄMTERN
KOLLABORATION STATT KONTROLLE: BVL+ZKBS+EFSA ...

Unheimliche Begegnung der dritten Art: BVL meets Verbraucher ... Akteneinsichts-Krampf


1. 100*ig im Dienst der Agro-Gentechnik: BVL
2. Unheimliche Begegnung der dritten Art: BVL meets Verbraucher ... Akteneinsichts-Krampf
3. Kommissionen und Gremien rund um das BVL
4. Kern im Behördenfilz: Julius-Kühn-Institut (JKI, ehemals: BBA)
5. Weitere Bundesanstalten im Grenzbereich zwischen Anwendung und Kontrolle
6. Ministerien, Fachbehörden und Überwachungsstellen der Bundesländer
7. EU
8. Filz weltweit
9. Aufruf zum Protest an Universitäten, gegen Landesförderung und mehr
10. Aktionen gegen die verfilzten Behörden in Berlin 9.-15.9.2009)
11. Links und Materialien

Der Blick hinter die Kulissen zeigt: BVL und Konzerne sowie andere GentechnikanwenderInnen sind ziemlich dicke miteinander. Die obersten VerbraucherschützerInnen in Sachen Gentechnik beherrschen die Klaviatur gediegener Kommunikation mit den Profiteuren der Technik, deren Anwendung im Amt eigentlich überwacht werden sollt. Verharmlosen, Vertuschen und mehr sind Alltag und gut geübte Praxis der Behörde. Was aber geschieht, wenn das BVL auf die Spezies trifft, die in seinen Namen eingegangen ist: Die VerbraucherInnen? Wissen die BVL-Oberen, dass es da draußen überhaupt Menschen gibt, deren "Schutz" ihr Auftrag ist? Oder kennen sie VerbraucherInnen nur aus dem Fernsehen? Die Propaganda des BVL ist ja hübsch. Das Amt findet, "dass alles getan werden muss, um nicht zu polarisieren oder gegensätzliche Positionen zu zementieren. Die besten Mittel dazu sind Transparenz, Aufklärung und offene Argumentation." Dabei "versteht (es) sich als Dienstleister für Verbraucher" und zum Ziel, "durch Transparenz das Vertrauen in die staatlichen Einrichtungen der Lebensmittelsicherheit zu stärken."

Im Original: Selbstdarstellung des BVL
Aus der BVL-Broschüre "Die Grüne Gentechnik" (S. 18)
Es ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe, unterschiedliche Wertvorstellungen und Überzeugungen in Einklang zu bringen oder zumindest ein verträgliches Miteinander zu ermöglichen. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass es kaum eine Technologie gibt, deren Einführung nicht mit Auseinandersetzungen über das Für und Wider verbunden war. Es genügt daher nicht, nur auf das technisch Mögliche zu sehen, sondern es ist notwendig, die Wünsche und Hoffnungen sowie Sorgen und Ängste der Menschen ernst zu nehmen. Das bedeutet aber auch, dass alles getan werden muss, um nicht zu polarisieren oder gegensätzliche Positionen zu zementieren. Die besten Mittel dazu sind Transparenz, Aufklärung und offene Argumentation.

Aus den Internetseiten des BVL:
Das BVL versteht sich als Dienstleister für Verbraucher, die auf die Sicherheit der Lebensmittel in Deutschland vertrauen, und für die Wirtschaft, die in einem fairen Wettbewerb Produkte von hoher Qualität auf den Markt bringen will. Verbraucher und Wirtschaft werden den Erfolg des BVL daran messen, ob es gelingt, kritische Entwicklungen für die Lebensmittelsicherheit so früh zu erkennen, dass vor Ausbruch einer Krise wirksame Gegenmaßnahmen getroffen werden können. ...
Übergeordnetes Ziel der Risikokommunikation des BVL ist es, durch Transparenz das Vertrauen in die staatlichen Einrichtungen der Lebensmittelsicherheit zu stärken.

Schauen wir uns einen Testfall an ...
Am 26. September 2008 beantragte eine Person Einsicht in die Genehmigungsakten zu Genversuchsfeldern in Hessen, kurze Zeit später folgte ein Antrag einer zweiten Person. Was diese Briefe im BVL auslösten, ob es Verwunderung gab, dass sich überhaupt mal VerbraucherInnen an das abgehobene und gut abgeschottete Amt wenden, ist nicht überliefert. Bekannt sind aber die Antworten auf die Anträge. Beide wurden am 8.10.2008 abgelehnt: „Eine Einsichtnahme in diese Unterlagen vor Ort in den Räumen des BVL ist jedoch nicht möglich“, schrieb die Behörde und stellte verzögernde Nachfragen – nach dem geltenden Recht hätte sie sonst nämlich innerhalb von 30 Tagen die Akteneinsicht gewähren müssen. Die Nachfragen wurden artig beantwortet mit dem Erfolg, dass eine endgültige Ablehnung folgte. Dann noch eine Schleife mit dem formal nötigen Widerspruch am 28.10.2008, dem erwartungsgemäß ein ebenso formaler Bescheid des BVL am 30.12.2008 folgte. Darin lehnte das Amt die Akteneinsicht weiter ab: „Der Grund dafür liegt darin, dass wegen der knappen Raumsituation in dem Dienstgebäude in der Mauerstrasse 39-42, das nur der vorübergehenden Unterbringung des BVL dient, keine freien Räume zur Verfügung stehen, in denen die Akteneinsicht erfolgen kann.

Im Original: Aus dem Briefwechsel mit dem BVL
Aus dem Antrag auf Akteneinsicht, gestellt am 26.9.2008
Ich beantrage Zugang zu Informationen über die Umwelt aus den nachstehend bezeichneten Rechtsgebieten: Gentechnik
Mich interessieren insbesondere folgende Informationen / Daten:
Alle Unterlagen/Akten zur Planung, Durchführung, Genehmigung und Überwachung des Sortenprüfungsversuches mit Mais-Sorten/Linien, u.a. unter Beizüchtung von MON810-verändertem Saatgut durch die Universität Gießen auf dem Standort Groß Gerau (Woogsdammweg) in den Jahren 2007 und 2008 sowie des Gengerstenversuchen auf dem Standort Gießen (Alter Steinbacher Weg) in den Jahren 2006 bis 2008.
Ich würde gerne am Montag, den 20.10.2008, oder Dienstag, den 21.10.2008, bei Ihnen Akteneinsicht nehmen und dort bei Bedarf durch Abschriften und eigenes Ablichten wesentliche Inhalte selbst erfassen.


Trick 1: Einfach mal freundlich anbieten, sogar alles zu kopieren - aber dann kostet es auch richtig ...
Aus dem Brief des BVL mit Nachfrage vom 8.10.2008 mit unsinniger Nachfrage, da ja schon im Antrag stand (siehe oben): "Alle Unterlagen"


Der Antragsteller bestand auf der Einsichtnahme vor Ort. Dann kam Trick 2: Jetzt sollte plötzlich auch das kosten:


Klar - der Antragsteller wehrte auch das ab. So blieb nur Möglichkeit 3 - die komplette Ablehnung der Akteneinsicht durch das BVL am 16.10.2008


Das aber eröffnete den Rechtsweg. Aus dem Widerspruch des Antragsstellers vom 28.10.2008
Die von Ihnen vorgenommene Verknüpfung zweier Paragraphen des Umweltinformationsgesetzes zum Zwecke der Aushebelung eines weiteren Paragraphen desselben Gesetzes ist unzulässig. Nach § 12, Abs. 1 des Gesetzes ist hinsichtlich der „Kosten“ ist festgelegt, dass für die „Erteilung mündlicher und einfacher schriftlicher Auskünfte“ und „die Einsichtnahme in Umweltinformationen vor Ort“ keine Kosten erhoben werden dürfen. Diese Festlegung darf nicht einfach dadurch unterlaufen werden, dass die unentgeltliche Möglichkeit unmöglich gemacht oder die Verwaltungsabläufe so organisiert werden, dass durch eigenes Verschulden oder Unvermögen eine Situation erzeugt wird, bei der dann behauptet werden kann, dass selbst das simple Blättern in Akten bereits als „deutlich höherer Verwaltungsaufwand“ bewertet und damit der kostenfreie Zugang zu den Akten blockiert wird. Würde ein solches Vorgehen als zulässig bewertet, könnten alle Behörden fortan durch entsprechende Planung ihrer Räumlichkeiten das UIG unterlaufen. Das aber widerspricht offensichtlich dem Sinn des Gesetzes.

Aus dem Widerspruchsbescheid des BVL vom 30.12.2008


Rumgejammer über fehlende freie Räume (als wenn das Schuld des Antragstellers ist ...) und gleich noch die Ankündigung der nächsten Gesetzeswidrigkeit an: Umfangreiche Schwärzungen ...

  • Exakter Ablauf und Aus allen Schreiben auf der Extra-Seite zur Akteneinsicht

Soweit also das praktische Tun des Amtes, welches sich als "Dienstleister für Verbraucher" versteht mit dem Ziel, "durch Transparenz das Vertrauen in die staatlichen Einrichtungen der Lebensmittelsicherheit zu stärken." Doch die Gentechnikkritiker gaben nicht auf. Ganz im Gegenteil - sie wähnten sich mit einem Gesetz im Rücken und zogen vor Gericht. Dieses Gesetz sollte mensch kennen, denn es eröffnet den Weg zu allen umweltrelevanten Akten bei staatlichen Stellen oder Institutionen mit staatlichen Aufgaben: "Jede Person hat nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle im Sinne des § 2 Abs. 1 verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen." (UIG § 3, Abs. 1) Es dürfen also nicht nur Betroffene in den Unterlagen blättern, sondern schlicht alle. Und nach dem Umweltinformationsgesetz sind mit dem Verbraucherinformations- und dem Informationsfreiheitsgesetz weitere rechtliche Grundlagen für die Einsicht in Behördenaktionen entstanden, die es auszunutzen lohnt. Mit diesem Gesetz im Rücken also ging es am 10.1.2009 vor das Verwaltungsgericht Braunschweig mit dem Antrag, „festzustellen, dass die Verwehrung der einfachen Akteneinsicht oder eines anderen kostenfreien Zugang zu umweltrelevanten Daten ein Verstoß gegen das geltende Umweltinformationsgesetz ist.“ Die Behauptung, keinen Platz für einen Tisch in der riesigen Behörde zu haben, sei absurd: „Das Umweltinformationsgesetz formuliert einen klaren Anspruch und damit einen Auftrag an die Verwaltung, diesen auch erfüllen zu können. Es kann nicht hingenommen werden, dass die Verunmöglichung dieses Anspruchs jahrelang und auf Dauer zum Alltag einer Verwaltung gehört. Dieses ist umso bedenklicher, als dass es ausgerechnet die oberste Bundesbehörde für Verbraucherschutz ist, die auf diese Art gesetzlich verankerte VerbraucherInnen-Rechte mit Füßen tritt.
Es ist erneut nicht überliefert, was diese Klage beim BVL auslöste. Denn das Verwaltungsgericht schickte diese dorthin, damit das Amt eine Klageerwiderung verfassen konnte. Das tat es auch und führt zwei Gründe an, weshalb es die Akteneinsicht weiter ablehne: Ein angebliche Arbeitsüberlastung durch sehr viele Anfragen nach UIG ("24 im Jahre 2008") und fehlender Platz für einen Stuhl und einen Tisch. Das nun ging ans Gericht. Dort jedoch schien es die RobenträgerInnen, die ansonsten bei solchen politisch aufgeladenen Vorgängen stets den staatlichen Behörden zu Diensten sind, nicht zu überzeugen. Denn die schrieben am 2.2.2009 selbst einen Brief an das BVL und stellten klar: "Wenn sie weder über einen leeren Raum noch über Aufsichtspersonal verfügt, ist es ihr zuzumuten - wie bei Akteneinsichtsanträgen von Naturalparteien vor Gericht üblich - dem Kläger Akteneinsicht an einem Beistelltisch in einem mit Mitarbeitern besetzten Büro zu ermöglichen." Offensichtlich wunderten sie sich selbst über dieses verbraucherfeindliche Verbraucherschutzamt und legten der Behörde nahe, dass sie "ihre Entscheidung, Akteneinsicht vor Ort zu gewähren noch einmal überdenkt". Das geschah. Am 26.3.2009 sagte das BVL zu, zukünftig Akteneinsicht zu gewähren. Wenig später konnte das erste Mal Akteneinsicht vor Ort genommen werden. Und inzwischen ist das Alltag geworden. Die Nervosität des Amtes, dass beim ersten Mal die Akteneinsicht noch intensiv überwachte (die BesucherInnen hätten ja sonst heimlich Büroklammern klauen können), hat inzwischen einen eigenen Raum für die Akteneinsicht ausgewählt, in dem es relaxt möglichst ist, die dort per Aktenwagen hineingeschobenen Unterlagen in aller Ruhe einzusehen und abzufotografieren. Doch das Fazit bleibt: Das Verbraucherschutzamt musste erst vor Gericht gezerrt werden, um sich an Verbraucherrechte zu halten. Erst danach war und ist es es für alle Menschen möglichst, ihrer obersten Schutzbehörde wenigstens in die Karten zu gucken - auch wenn dabei nur sichtbar wird, was ohnehin klar war: Die VerbraucherInnen sind im Bundesamt für Verbraucherschutz nur eines - verraten und verkauft!23 Und: Alle anderen Bundesbehörden, die mit Gentechnikfragen beschäftigt sind, verweigern die Akteneinsicht bis heute: Organisierter Rechtsbruch als Alltag in Ämtern. Sie alle werden erst per Gang vor Gericht dazu gezwungen werden können, sich an das geltende Recht zu halten. Wenn überhaupt ...

Im Original: Klage und klägliches Ende
Aus der Klageerwiderung des BVL vom 30.1.2009

Angebliche Überlastung durch 24 Anfragen pro Jahr (oben) und kein Platz für einen Stuhl am Tisch (unten).


Aus dem Schreiben des Gerichts an Kläger und Beklagte am 2.2.2009:
Wenn sie weder über einen leeren Raum noch über Aufsichtspersonal verfügt, ist es ihr zuzumuten - wie bei Akteneinsichtsanträgen von Naturalparteien vor Gericht üblich - dem Kläger Akteneinsicht an einem Beistelltisch in einem mit Mitarbeitern besetzten Büro zu ermöglichen. Denn nach § 3 Abs. 2 UIG ist der Informationszugang auf die beantragte Art zu gewähren und darf nur aus gewichtigen Gründen auf andere Art eröffnet werden. Die Kammer hält die von der Beklagten angeführten Gründe nicht für hinreichend gewichtig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit eine zentrale Behörde darstellt, bei der vielfältige Umweltinformationen vorhanden sind. Würde man die von ihm angegebene Begründung ausreichen lassen, so bedeutete dies, dass für eine Vielzahl von Antragstellern auf unabsehbare Zeit keine Akteneinsicht möglich sein würde. Dies entspricht nicht der mit dem UIG umgesetzten UIRL, die die Mitgliedstaaten in Art. 3 Abs. 5 lit C) verpflichtet, zur Durchführung der Richtlinie dafür Sorge zu tragen, dass das Recht auf Zugang zu Umweltinformationen wirksam ausgeübt werden kann, wozu auch der Ausbau und die Unterhaltung von Einrichtungen zur Einsichtnahme in die gewünschten Informationen gehört.

Aus dem Schreiben des BVL vom 26.3.2009

  • Extra-Seite: BVL verweigert Akteneinsicht, wird jedoch vor Gericht dazu gezwungen

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