Gewaltfrage

Ö-PUNKTE 1/1998

Die Konzeption von Rio22


1. Mittelalterliche Idee als Zukunftsperspektive? Zur Geschichte des Nachhaltigkeitskonzeptes
2. Mittelalterliche Naturvorstellungen4 und Umweltprobleme5
3. Die Entstehung der Idee nachhaltiger Waldwirtschaft 8
4. Bewertung der mittelalterlichen Tradition der Nachhaltigkeitsidee
5. Aus der Idee wird ein aufgeklärtes Wirtschaftsprinzip
6. Bewertung des nachhaltigen, aufgeklärten Forstwirtschaftsprinzips
7. Die Entwicklung bis Rio im Überblick17
8. Bewertung der jüngeren Entwicklung
9. Die Konzeption von Rio22
10. Aufruf zur kritischen Diskussion

Die Konzeption von Rio beendet derartige Hoffnungen. Sie sieht Nachhaltigkeit nur unter der Voraussetzung von Wirtschaftswachstum und Marktwirtschaft sowie der Fortentwicklung neuer Großtechnologien wie der Atom- und der Gentechnik als möglich an. Das attraktivste Element des Konzeptes, die Vermittlung zwischen Entwicklung und Umwelt bzw. Ökologie und Ökonomie, ist eine Täuschung. Die Kernaussage des Berichts von Rio besteht darin, daß lediglich Verbesserungen der bisherigen Weltwirtschaftsordnung nötig seien.23 Denn - so heißt es im Original - "es sind lediglich technologische und gesellschaftliche Grenzen, die uns durch die Endlichkeit der Ressourcen und die begrenzte Fähigkeit der Biosphäre zum Verkraften menschlicher Einflußnahme gezogen sind. Technologische und gesellschaftliche Entwicklungen aber sind beherrschbar und können auf einen Stand gebracht werden, der eine neue Ära wirtschaftlichen Wachstums ermöglicht".23 Die ökologische Krise wird zwar genutzt, wirtschaftliches Verhalten teilweise in Frage zu stellen. Leitendes Motiv ist aber nicht der Abbau der Umweltzerstörung sondern der dauerhafte Erhalt des wachstumsorientierten Weltwirtschaftssystems.24 Dessen prägende Elemente werden ebenso wenig verändert wie die Vormachtstellung der Industriestaaten,25 obwohl beides auf der Anwendung von Gewalt beruht. Für die sogenannte Dritte Welt ändert das Konzept nichts an der Grundstruktur des organisierten Raubes.25 Im Namen der Nachhaltigkeit können beispielsweise Gentechnikfirmen wie bisher den Regenwald und seine Menschen nach profitablen Genquellen absuchen.

Gemäß der Walddeklaration von Rio sollen die Wälder weltweit "... nachhaltig bewirtschaftet werden, um den sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen, kulturellen und geistigen menschlichen Bedürfnissen heutiger und künftiger Generationen gerecht zu werden. Zu diesem Zweck sollen geeignete Maßnahmen getroffen werden, um die Wälder vor schädlichen Auswirkungen der Umweltverschmutzung zu schützen".26 Die Zielvorstellungen der Nachhaltigkeit von Rio ziert keine grundsätzliche Vorrangstellung ökologischer Belange im Falle eines Konflikts unterschiedlicher Interessen. Sie sind nur ein kleiner Teil vielfältiger Forderungen an die Natur und Mittel zum Zweck, alle vorhandenen und vermeintlichen Bedürfnisse zukünftig zu sichern. Wäre es anders vorgesehen, hätte beispielsweise im Falle des Waldsterbens konsequenter vorgegangen werden können, als nur festzuhalten, daß "Mittel und Wege zur Bewältigung dieser Belastungen ... gefunden werden"26 sollen. Das erweckt nicht gerade den Eindruck entschlossenen Handelns zum Nachteil bekannter Verursacher, obwohl dieses die Wälder elementar bedrohende Problem seit weit über 50 Jahren diskutiert wird.27

 

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