Gewaltfrage

PROPAGANDA, DISKURS, GEMEINWOHL: REGIEREN VON KOPF ZU KOPF

Diskurs


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3. Diskurssteuerung, Normierung, Manipulation
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Aus Bergstedt, Jörg, "Ohne Herrschaft ginge viele nicht - und das wäre gut so!" (Gesamter Text ...)
Durch gesellschaftliche Zurichtung (Erziehung, Erwartungshaltungen, Anschauung gesellschaftlicher Praxis als “Normalität”), Sprache, gerichtete Kommunikation und die Propagierung von Standards (technische Normen, “das machen alle so” oder “so ist das nun mal”, Verhaltenskodex usw.) entstehen Fremdbestimmung und unterschiedliches Wertigkeitsempfinden zwischen Menschen. Alle werden in ihrem Leben für eine bestimmte soziale "Rolle" beeinflußt, d.h. "konstruiert" wurden. Frauen gegenüber Männern, Jugendliche gegenüber Erwachsenen, Menschen ohne Abschluß gegenüber solchen mit akademischem Grad, Arme gegenüber Reichen, ArbeitnehmerInnen gegenüber ArbeitgeberInnen oder Selbständigen, sog. Behinderte gegenüber "Gesunden", Nichtdeutsche gegenüber Deutschen (und jeweils umgekehrt) - diese und viele Unterschiede bestehen auch dann, wenn Menschen frei aller sonstigen Herrschaftsverhältnisse wären. Das ist nicht Schuld der Menschen oder ihrer Zusammenschlüsse, aber nichtsdestotrotz der Fall. Es ist auch nicht einheitlich, denn die oben genannten Personenkreise sind keine einheitlichen Gruppen - aber in der Tendenz sind sie gesellschaftlich "konstruiert", d.h. ihnen wird über Jahre und Jahrzehnte eine gesellschaftliche Rolle, Erwartungshaltung und ein Selbstwertgefühl vermittelt. Innerhalb dessen leben sie "funktional" in den realen Gesellschaftsverhältnissen, d.h. sie empfinden ihre Position als richtig für sich selbst, nehmen sie deshalb nicht mehr als konstruiert wahr und wehren sich nicht gegen diese. ...
Diskurse sind beeinflußbar - über Bildung, Medien, Streuung gezielter Informationen sowie über Wissenschaft. Gerade letztere hat viel dazu beigetragen, biologistische Normen zu schaffen. Daß Frauen gefühlsbetonter sind, daß Schwarze sportlicher, aber weniger intelligent sind, daß Minderjährige nicht mündig sind, was als behindert gilt - all das hat seinen Hintergrund in wissenschaftlichen Diskursen und dem ständigen Weitertragen im Alltag. Die Institutionen der Herrschaft nutzen die Diskurse und beeinflussen sie über ihre herausgehobenen Möglichkeiten. Beispiele der letzten Jahre sind die humanitären Kriegen (weitgehend gelungener Diskurs), der Wohlstand durch globale Märkte (in großen Teil gescheitert, weil offensive Proteste ihrerseits wieder Diskurse stark prägten) oder das Gute an der Demokratie einschließlich der Verschleierung ihrer Herrschaftsförmigkeit (weitgehend gelungen).


Zu den wichtigsten Diskursen gehört der Begriff "Gemeinwohl", weil sich auf diesem Begriff die Existenz demokratischer Macht wesentlich legitimiert. Was allerdings "Gemeinwohl" ist, ergibt sich nicht aus dem Begriff als solchem - es gibt keinen "wahren" Inhalt oder eine naturnotwendige Auslegung dessen, was Gemeinwohl ist. Vielmehr wird über die Diskurse gesteuert, was unter dem Begriff verstanden wird und was dann mit dieser Legitimation von Seiten der Politik umgesetzt wird - im Namen des Volkes und für das Gemeinwohl! Von Parteien bis Industrie, von Rechts- bis Linksextremen ... alle behaupten, ihre Ideen seien das wahre Gemeinwohl ...

Aus Hardt, Michael/Negri, Antonio (2004): „Multitude“, Campus Verlag in Frankfurt (S. 287 ff., mehr Auszüge ...)
Wenn man jedoch die öffentliche Meinung als Supermacht betrachtet, dann muss es sich bei ihr um ein politisches Subjekt handeln, das sich seinem Wesen nach grundlegend von einem Nationalstaat wie den USA unterscheidet. Darüber hinaus ist nicht ganz klar, wen die öffentliche Meinung repräsentiert und wie sie das tut. Wir sollten deshalb zunächst einmal einen Schritt zurückgehen und einen genaueren Blick auf die Geschichte der öffentlichen Meinung werfen sowie auf die verschiedenen Theorien, die ihre Form der Repräsentation zu beschreiben versucht haben. Wir werden dabei sehen, dass die öffentliche Meinung weder repräsentativ noch demokratisch ist.
Obwohl "die Öffentlichkeit" und "Meinung" als Begriffe schon in der Antike auftauchen, ist die öffentliche Meinung als solche eine Erfindung des 18. Jahrhunderts, entstand also, nicht ganz zufällig, in der gleichen Zeit wie die "neue Wissenschaft" von der demokratischen Repräsentation. Als öffentliche Meinung galt die Stimme des Volkes, und diese, so glaubte man, nehme in der modernen Demokratie die Rolle ein, welche die Volksversammlung in der antiken Demokratie erfüllt hatte: als der Ort, an dem das Volk sich in öffentlichen Angelegenheiten artikulieren kann. ...
Einige Autoren weisen auch auf die manipulative Wirkung von Meinungsumfragen hin. Selbstverständlich hat die Vorstellung, Meinungsumfragen würden uns sagen, was wir denken, etwas seltsam Zirkuläres an sich. Zumindest aber besitzen Meinungsumfragen einen zentripetalen psychologischen Effekt, das heißt sie ermuntern alle dazu, sich der Mehrheitsmeinung anzuschließen (vgl. Edelman 1971). Viele Linke und Konservative klagen darüber, dass die Medien und ihre Meinungsumfragen tendenziös seien und dazu dienten, die öffentliche Meinung zu manipulieren oder überhaupt erst zu schaffen. Auch in diesem Fall scheint die öffentliche Meinung gefangen zu sein zwischen dem naiven Utopismus objektiver Information und rationaler individueller Artikulation und der zynisch-apokalyptischen Vorstellung, die Massen gesellschaftlich zu kontrollieren. ...
Obwohl wir alle ständig mit Botschaften, kulturellen Bedeutungen und Medien überschüttet werden, sind wir nicht nur passive Rezipienten oder Konsumenten. Wir versehen unsere kulturelle Welt ständig mit neuen Bedeutungen, widerstehen den dominierenden Botschaften und entdecken neue Formen sozialer Artikulation. Wir isolieren uns nicht von der sozialen Welt der dominanten Kultur, aber wir erliegen auch nicht einfach ihrem Einfluss. Vielmehr schaffen wir aus der dominanten Kultur heraus nicht nur alternative Subkulturen, sondern auch und noch wichtiger - neue kollektive Netzwerke der Artikulation. Kommunikation ist produktiv, sie schafft nicht nur ökonomische Werte, sondern auch Subjektivität, und damit ist Kommunikation von zentraler Bedeutung für die biopolitische Produktion. Öffentliche Meinung ist kein adäquater Begriff für diese alternativen Netzwerke der Artikulation, die aus dem Widerstand heraus entstehen, denn wie wir gesehen haben, bietet die öffentliche Meinung in den herkömmlichen Konzeptionen entweder einen neutralen Raum individueller Artikulation oder ein einheitliches soziales Ganzes - oder eine mittlere Kombination aus diesen beiden Polen. Diese Formen sozialer Artikulation lassen sich jedoch nur als Netzwerke der Multitude verstehen, die der herrschenden Macht widerstehen und denen es gelingt, innerhalb dieser herrschenden Macht alternative Ausdrucksformen zu entwickeln.
Schließlich ist die öffentliche Meinung keine einheitliche Stimme und auch keine Art Durchschnitt des sozialen Gleichgewichts. Wenn Meinungsumfragen uns dazu verleiten, die Öffentlichkeit für ein abstraktes Subjekt zu halten - die Öffentlichkeit denkt oder will x oder y -, so ist das reine Fiktion und Mystifikation. Die öffentliche Meinung ist keine Form der Repräsentation, ja nicht einmal ein moderner, technischer, statistischer Ersatz für die Repräsentation. Als demokratisches Subjekt ist sie vielmehr ein von Machtverhältnissen bestimmtes Konfliktfeld, auf dem wir politisch intervenieren können und müssen, und zwar durch Kommunikation, kulturelle Produktion und all die anderen Formen biopolitischer Produktion. Dieses Feld der öffentlichen Meinung ist kein Spielfeld, auf dem alle gleich sind, sondern radikal asymmetrisch, da die Medien vor allem von großen Konzernen kontrolliert werden. In der Tat gibt es weder echte konstitutionelle Garantien noch ein System von "checks and balances", die den Zugang zu diesem Feld gewährleisten oder regeln. In Europa gab es zahlreiche Versuche, die Mechanismen öffentlicher Meinung öffentlich zu kontrollieren.


"Herrschende Meinung"
Text von Werner Braeuner, JVA Oldenburg, Jan. 2005
Im weiteren zu sehen, wie ein ehemaliger französischer Justizminister solche Fragen umgeht; anstatt von Volk, spricht er einfach von "Gesellschaft". Die ist offenbar ein höheres Einzelwesen mit höherer Einzelmeinung, nämlich jener berüchtigten herrschenden Meinung, welche bekannt die der Herrschenden ist.

Marx, 1859, Zur Kritik der politischen Ökonomie, Vorwort, MEW 13/8
Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, dass ihr Bewußtsein bestimmt.

Aus Fuchs, Christian (2001): „Soziale Selbstorganisation im informationsgesellschaftlichen Kapitalismus“, Selbstverlag (S. 19)
Herrschaftsmechanismen, gesellschaftliche Zwänge und Manipulationen können so begriffen werden, daß sie in der kapitalistischen Gesellschaftsformation sicherstellen, daß Wirklichkeits- und Wahrheitsansprüche (Ideologie, Religion, politische Überzeugungen, Meinungen, gesellschaftliche Normen und Werte, Traditionen usw.) von Individuen widergespiegelt werden. Es kann argumentiert werden, daß jedes Individuum seine eigene Wirklichkeit hat, daß diese Realitäten aber unter kapitalistischen Verhältnissen oftmals ein Ausdruck herrschender Bedingungen sind.


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