Offener Raum

DURCHSUCHUNGEN

Haus- oder Wohnungsdurchsuchung


1. Polizeiliche Durchsuchungen von Personen und Sachen
2. Haus- oder Wohnungsdurchsuchung
3. Strafprozessordnung
4. Polizeirecht
5. Konkrete Fälle von Hausdurchsuchungen und Folgestreitereien
6. Tipps zum rechtlichen Zerlegen von Durchsuchungen
7. Links

Auf der Suche nach Beweismitteln, gesuchten Personen, Diebesgut und mehr kann die Polizei auch auf die Idee verfallen, Häuser und Wohnungen zu durchsuchen. Hierfür braucht sie eigentlich besondere Handlungsgrundlagen, in der Regel eine richterliche Durchsuchungsanordnung. In der Praxis sieht das etwas anders aus: Oftmals rückt die Polizei unter angeblicher „Gefahr im Verzuge“ einfach ein – und irgendwelche RichterInnen bescheinigen anschließend die Korrektheit des Ganzen.

Aus BVerfG NJW 1998, 2131, Meyer-Goßner, StPO-Kommentar, vor § 296, Rz. 18a (Quelle)
Insbesondere ist die weitere Beteiligte durch die angeordnete Durchsuchungsmaßnahme unverändert beschwert. Zwar ist die Durchsuchungsanordnung durch den zwischenzeitlichen Vollzug erledigt, allerdings ist bei Durchsuchungen typischerweise das Verfahren auf eine kurze Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene keinen gerichtlichen Rechtsschutz erlangen kann. Die Durchsuchung, auch eines Geschäftsraumes, stellt aber einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar, weshalb es der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes gebietet, die Maßnahme trotz Erledigung gerichtlich überprüfen zu lassen. Es ist daher anerkannt, dass bei dieser Sachlage die Beschwerde zulässig bleibt.

Aus dem Urteil des BVerfG, 2 BvR 974/12 vom 13.3.2014
Mit der Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung durch Art. 13 Abs. 1 GG erfährt die räumliche Lebenssphäre des Einzelnen einen besonderen grundrechtlichen Schutz, in den mit einer Durchsuchung schwerwiegend eingegriffen wird (vgl. BVerfGE 42, 212 (219 f.); 96, 27 (40); 103, 142 (150 f.)). Erforderlich zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung zum Zwecke der Strafverfolgung ist daher der Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde.
Dieser Verdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht aus (vgl. BVerfGE 44, 353 (371 f.); 115, 166 (197 f.)). Eine Durchsuchung darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind; denn sie setzen einen Verdacht bereits voraus (vgl. BVerfGK 8, 332 (336); 11, 88 (92); BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 15/11 -, juris, Rn. 14). Notwendig ist, dass ein auf konkrete Tatsachen gestütztes, dem Beschwerdeführer angelastetes Verhalten geschildert wird, das den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1774/10 -, juris, Rn. 25). Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen (vgl. BVerfGE 59, 95 (97)).


In dem Beschluss des BVerfG (Az. 2 BvR 2551/12, Quelle) bekräftigt das Gericht Maßstäbe, die bei der Durchsuchungsanordnung zu beachten sind:
1. Um den mit einer Durchsuchung verbundenen schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte räumliche Lebenssphäre des Einzelnen messbar und kontrollierbar zu gestalten, muss der Durchsuchungsbeschluss den Tatvorwurf und die konkreten Beweismittel so beschreiben, dass der äußere Rahmen für die Durchsuchung abgesteckt wird. Der Richter muss die aufzuklärende Straftat, wenn auch kurz, doch so genau umschreiben, wie es nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist.
2. Der Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG erstreckt sich auch auf juristische Personen des Privatrechts, soweit deren Büro- und Geschäftsräume betroffen sind.
3. Ein Durchsuchungsbeschluss genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, wenn er keine ausreichend konkreten Angaben zum Tatzeitraum enthält. Dies ist der Fall, wenn in dem Beschluss lediglich ausgeführt ist, es beständen Anhaltspunkte für eine „über Jahre hinweg“ betriebene Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch mehrere Mitarbeiter einer Vermögensverwaltungsgesellschaft, von denen einer im Jahre 2006 zu der Gesellschaft gewechselt habe.
4. Selbst wenn einem Durchsuchungsbeschluss stets eine Beschränkung auf nichtverjährte Straftaten immanent sein sollte, so genügt dies für eine ausreichende Konkretisierung des Tatzeitraumes jedenfalls nur dann, wenn der Beschluss die erforderlichen Angaben enthält, um für jeden Tatverdächtigen und dessen Tatbeitrag den nichtverjährten Zeitraum zu bestimmen.


Aus den Leitsätzen des Verfassungsgerichtsbeschlusses zu Hausdurchsuchungen vom 29.7.2020 (Az. 2 BvR 1188/18)
Der mit einer Wohnungsdurchsuchung verbundene schwerwiegende Eingriff in die grundrechtlich geschützte persönliche Lebenssphäre des Einzelnen setzt einen Anfangsverdacht voraus, der über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen und auf konkreten Tatsachen beruhen muss. Eine Durchsuchung darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Anfangsverdachts erst erforderlich sind.
Eine Durchsuchung ist unverhältnismäßig, wenn naheliegende grundrechtsschonendere Ermittlungsmaßnahmen ohne greifbare Gründe unterbleiben oder zurückgestellt werden und die Maßnahme außer Verhältnis zur Stärke des im jeweiligen Verfahrensabschnitt bestehenden Tatverdachts steht.


Die Hausdurchsuchung ist ein Kapitel für sich mit besonderen Rechtsgrundlagen und Handlungsmöglichkeiten.

Aus Gallwas, Hans-Ullrich, "Polizei und Bürger", dtv
Niemand braucht ohne weiteres zu dulden, dass die Polizei ihm in die Jackentasche greift oder das Auto durchsucht, um irgendwelche dort vermuteten Gegenstände zu finden. Das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit und die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie stehen dem entgegen. Gegen eine körperliche Untersuchung, etwa um einen verschluckten Gegenstand festzustellen, schützt das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Dem Betreten und der Durchsuchung von Wohnungen durch die Polizei steht die grundrechtlich gesicherte Unverletzlichkeit der Wohnung entgegen.
Alle diese Rechte des einzelnen stehen allerdings unter einem Gesetzesvorbehalt. Der Gesetzgeber kann die Polizei mit Durchsuchungsbefugnissen ausstatten und den einzelnen dementsprechend zur Duldung von polizeilichen Durchsuchungsmaßnahmen verpflichten. Wiederum hat man es mit einem verfassungsrechtlich begründeten Regel-Ausnahme-Verhältnis zu tun. Sobald die Polizei eine Person oder Sache ohne die Deckung durch eine Befugnisnorm durchsucht, verletzt sie die Grundrechte des Betroffenen.
Eine entsprechende Befugnisnorm kann sich für die Polizei aus dem Strafprozessrecht, aus dem Polizeirecht oder aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, je nachdem ob der Polizist im Rahmen einer Strafverfolgungsmaßnahme, etwa zur Ergreifung eines Tatverdächtigen oder zur Auffindung von Beweismitteln, zur Gefahrenabwehr, etwa zur Sicherstellung von Waffen oder gefährlichem Werkzeug, oder aus anderen gesetzlich besonders geregelten Gründen durchsucht.
Voraussetzungen und Art der Durchsuchung sind jeweils unterschiedlich und ins einzelne gehend gesetzlich geregelt, desgleichen das dabei zu beachtende Verfahren einschließlich der Informationspflichten der Polizei gegenüber dem Betroffenen.

Besondere Regelungen gelten für das Betreten und die Durchsuchung von Wohnungen. Grund dafür ist die verfassungsrechtliche Garantie ihrer Unverletzlichkeit.
Dieses Grundrecht erstreckt sich über die eigentlichen Wohnräume hinaus auf die Neben-, Arbeits-, Betriebs- und
räume sowie anderes befriedetes Besitztum, also auch auf den Garten.
Einer besonderen Befugnis zum Betreten und Durchsuchen dieser Räume bedarf die Polizei freilich nur, wenn der Inhaber dem nicht von sich aus im Einzelfall zustimmt.
Räume und Grundstücke, die wie etwa Geschäftsräume während der Geschäftzeit für jedermann offen stehen, darf die Polizei während der Geschäftszeit und auch danach, solange sich noch Kunden in den Räumen aufhalten, ohne weiteres betreten.
Die polizeirechtlichen Befugnisse zum Betreten und zur Durchsuchung von Wohnungen sind im übrigen auf drei Gründe beschränkt, nämlich


  • auf den begründeten Verdacht, dass sich in der Wohnung eine Person befindet, die vorgeführt oder in Gewahrsam genommen
    werden darf,
  • auf den begründeten Verdacht, dass sich in der Wohnung eine Sache befindet, die zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr sichergestellt werden darf, und
  • auf den Fall der Erforderlichkeit zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert.

Beispiel: Die Polizei erhält eine Anzeige, dass jemand aus einem Fenster im zweiten Stock des Wohnhauses Attilastr. 8 mit einem Kleinkalibergewehr auf vorbeifahrende Autos schießt.

Das Betreten und Durchsuchen von Wohnungen ist zudem verfahrensrechtlich beschränkt.
Grundsätzlich darf die Wohnung zur Nachtzeit, also von neun Uhr abends bis vier Uhr morgens, vom 1. Oktober bis 31. März
bis sechs Uhr morgens, nicht betreten werden. Eine Ausnahme gilt für die Abwehr besonderer, eigens bestimmter Gefahren, wie etwa zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben.
Sofern keine Gefahr im Verzug besteht, bedarf es für die Durchsuchung einer Anordnung durch den Amtsrichter.
Der Inhaber der Wohnung hat das Recht, bei der Durchsuchung anwesend zu sein. Er ist, wenn der Zweck der Maßnahme dadurch nicht gefährdet wird, über den Grund zu informieren.
Außerdem ist über die Durchsuchung eine Niederschrift anzufertigen. In ihr sind die verantwortliche Dienststelle, Grund, Zeit und Ort der Durchsuchung sowie das Durchsuchungsergebnis festzuhalten. Der durchsuchende Beamte hat die Niederschrift zu unterzeichnen. Der Wohnungsinhaber kann unterzeichnen, muss es aber nicht. Seine Weigerung ist auf der Niederschrift zu vermerken. jedenfalls ist dem Wohnungsinhaber eine Abschrift auszuhändigen. Ausnahmsweise genügt eine schriftliche Bestätigung der Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Dienststelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung.
Eine Verletzung der Informations- und Dokumentationspflichten macht die Durchsuchung als solche nicht rechtswidrig. Sie steht vor allem einer Nutzung der Durchsuchungsergebnisse nicht entgegen.
Ein Polizeibeamter, der, sei es eine Person, eine Sache oder gar eine Wohnung, durchsucht, muss sich angesichts des Grundrechtsschutzes des Betroffenen stets vorab vergewissern, ob er dafür eine Rechtsvorschrift hat und ob deren Voraussetzungen erfüllt sind, des weiteren, worauf gegebenenfalls seine Durchsuchung gerichtet sein darf, welche Durchsuchungsmaßnahmen ihm im einzelnen gestattet sind und welche Modalitäten er dabei zu beachten hat. Andernfalls riskiert er den Vorwurf rechtswidrigen Vorgehens und vielleicht sogar ein Dienststrafverfahren.
Möglicherweise hat der Betroffene nach Abschluss der polizeilichen Durchsuchung, und zwar gerade dann, wenn sie nichts gebracht hat, ein Interesse an der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit, etwa weil er sich durch die Art der Maßnahme diskriminiert fühlt. Das Interesse genießt den Schutz der verfassungsrechtlichen Rechtsweggarantie. Der Betroffene kann also die Gerichte anrufen.
Eine ausdrückliche Pflicht der Polizei zu einer entsprechenden Rechtsbehelfsbelehrung sieht das Gesetz bei Durchsuchungen nicht vor. Da jedoch, je nachdem auf welche Rechtsgrundlagen die Polizei ihre Maßnahmen stützt, unterschiedliche Rechtswege und Verfahrensbehelfe in Betracht kommen, empfiehlt sich für die Polizei auch hier ein entsprechender Hinweis an den Betroffenen.


Beispiel: Wenn die Durchsuchung auf Polizeirecht beruht, muss der Betroffene den Verwaltungsrechtsweg beschreiten; erfolgte sie aber auf Grund des Strafprozessrechts, ist er an die ordentlichen Gerichte zu verweisen.

Stets kann sich der Betroffene im übrigen mit einer Beschwerde unmittelbar an den Polizisten bzw. seine Dienststelle wenden. Sind sie nicht zuständig, müssen sie den Beschwerdeführer entweder auf den rechten Weg weisen oder selbst die Sache auf diesen Weg bringen und den Beschwerdeführer hierüber informieren.

  • A4-Merkblatt mit Tipps (aus der Ecke derer, die AktivistInnen für blöd halten und deshalb nur Befehle erteilen ohne Erklärung ... es ist aber nicht nötig, nur passiv und ohnmächtig zu sein - offensive Strategien sind ebenso möglich, wenn gesichert bleibt, dass die Polizei dadurch keine Informationen erhälten. Also: Keine Aussagen zur Sache, aber ruhig nerven und thematisieren, was geht!
  • Übliche Vorgehensweise bei Hausdurchsuchungen

Durchsuchungschaos
Die Hacker vom "Chaos-Computer-Club" Hamburg sind inzwischen durch ihre diversen Hacks weltbekannt geworden. Auch die örtliche und internationale Polizei hat sich immer wieder für ihre Aktivitäten interessiert - nicht nur, weil eventuell einmal etwas Illegales aufgedeckt werden könnte, sondern auch, weil Institutionen wie das Bundeskriminalamt nicht über ausreichende Fachkräfte verfügen und aus den Unterlagen der Hacker viel zu lernen ist.
Es schien der Polizei sehr gelegen zu sein, daß bei einer Razzia das Licht im zu durchsuchenden Büro so hell war. Was sie nicht wußten, war der Fakt, daß die 5000-W-Glühbirne extra für solche Aktionen installiert worden war. So konnte schon nach wenigen Minuten ein privates TV-Team vom Haus gegenüber die Durchsuchung durchs Fenster hindurch filmen. Konkret: Die Durchsuchung war im TV zu sehen, während sie noch lief. Da die Chaos-Hacker nach einer strengen Hacker-Ethik handeln und nichts zu verbergen haben, kam es gar zu einer eigenartigen Szene, als die Polizei das Haus verließ: Nicht die potentiellen Übeltäter verbargen sich vor den Pressekameras, sondern die Kämpfer für Recht und Ordnung. Verkehrte Welt?
Bedauerlicherweise nahm die Polizei, in Unkenntnis der Materie, erstmal alles mit, was nach Computer und Disketten aussah. Es wird voraussichtlich Monate dauern, bis sie die Unterlagen durchgesehen haben, da sie teilweise fachlich nicht versiert genug sind, Hard- und Software zu kompatibilisieren. Künftig werden sie es noch schwerer haben, denn Computerfreaks, die auch nur den leisesten Verdacht haben, einmal durchsucht zu werden, haben 1. sicherlich alle wichtigen Infos als Backups (Diskettenkopien) an einem sicheren Ort aufbewahrt, zum 2. jede Menge alte, für den Gebrauch eigentlich überzählige Disketten herumliegen und 3. einige von denen mit Filzstift oder gar Sirup präpariert. So wird polizeiliches Floppy-Abgreifen zum wahren Flop.
(Aus Pieper, Werner (1990): "Widersteh' Dich!", Werner Pieper's Medienexperimente in Lörrach)

Rechtstipps für Hausdurchsuchungen

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