Offener Raum

PRAXIS: UMWELT UND RESSOURCEN

Experimente und Aktionen


1. Zentrale Steuerung oder Umweltschutz von unten?
2. Umwelt oder Mitwelt?
3. Flächen- und Rohstoffverbrauch
4. Fazit: Umweltschutz ist eine Machtfrage
5. Experimente und Aktionen
6. Links und Leseempfehlungen

Es wird darauf ankommen, für die Idee einer emanzipatorischen Ökologie zu werben (auch innerhalb von Umweltverbänden, -gruppen und -parteien), aber auch konkrete Projekte zu starten, die der Idee einen besonderen Ausdruck verleihen und in kleinen Bereichen nicht nur einen Schutz der dortigen Umwelt, sondern auch tatsächliche Verschiebungen in der Machtverteilung hervorrufen. Etliche Vorschläge für Ver- und Entsorgungsnetze in BürgerInnenhand, beteiligungsorientierte Planungsprozesse und mehr sind in diesem Kapitel und im Text zu Gemeingütern bereits erfolgt.
Förderlich können Kristallisationspunkte sein, also solche Projekte, die nicht nur Umweltschutzvorhaben verwirklichen, sondern die konkrete Beteiligung, die Aneignung von Handlungskompetenz und Wissen, Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit miteinander verbinden.

Ein Beispiel für den klassischen Naturschutz könnten lokale, ökologische Stationen sein, die Umweltschutz und Mitbestimmung verbinden. Denn der konkrete Naturschutz (Arten-, Biotop-, Landschaftsschutz) ist überwiegend Basisarbeit und findet vor Ort statt. Naturschutz von unten muss daher auch alle wichtigen Entscheidungen ohne übergeordnete Stellen fällen können. Eine Weg zur Demokratisierung des Naturschutzes können BürgerInnenversammlungen, Naturschutzstationen, Naturschutz-AGs oder regionale Umweltzentren sein. Alle Einrichtungen sollten für alle BürgerInnen offen sein und aus ihnen selber entstehen, also nicht von oben eingesetzt oder vorgeschrieben werden. Besonders geeignet erscheinen aus den bisherigen Erfahrungen die Naturschutzstationen oder Ökologischen Stationen, wenn sie zum festen Ansprechpartner und Anlaufpunkt in Sachen Naturschutz werden und nicht nur Hilfen, Informationen sowie Mitwirkungsmöglichkeiten bieten, sondern auch eine reale Mitbestimmung organisieren. Sie verfügen über die finanziellen und organisatorischen Mittel, den Umgang mit Flächen und Ressourcen gestalten zu können - jedoch immer unter Verzicht auf formale Macht und Durchsetzung von oben, sondern über gemeinsame Planungsprozesse und immer mit der Zustimmung der Menschen. Schritt für Schritt werden dann die staatlichen Kompetenzen an die Naturschutzstation und die sich in ihnen treffenden Menschen übergeben. Ein Anfang könnte aus dem bisherigen Vertragsnaturschutz heraus erwachsen, dessen Umsetzung schon jetzt mancherorts in Biologischen Stationen verwaltet wird, die zu Orten der Mitbestimmung und gemeinsamen Gestaltung erweitert werden können. Die Ablösung von bisherigen Verwaltungskompetenzen und -strukturen durch direkte Mitbestimmungsprozesse ist auf Dauer eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, dass Naturschutz von unten wachsen kann.
Es ist kein Widerspruch, dass die Naturschutzstationen auch bisherige Serviceleistungen der Naturschutzverwaltungen übernehmen wie z.B. Erfassung von Daten über Tier- und Pflanzenarten oder die Betreuung von Naturschutzflächen. Das kann auch zunächst ihre materielle Ausstattung sichern.

Direkte Aktion
Natur- und Umweltschutz ist seit langem schon Thema gesellschaftspolitischer Auseinandersetzungen - vom Widerstand gegen Atommülltransporte bis zum Schutz seltener Käfer in Großstadtparks. Auch die Aktionsformen variieren stark von den vorsichtig appellativen Unterschriftensammlungen oder Mailbombardements bis zu Besetzungen, Blockaden oder militanter Sabotage. Sehr selten aber werden Proteste, zu welchen Themen oder in welchen Formen sie auch ablaufen, mit der Forderung nach einer Verschiebung der Machtverhältnisse verbunden. Das aber wäre eine große Chance, denn viele der Proteste erregen hohe Aufmerksamkeit und erreichen viele Menschen. Die Wucht der Anti-Atom-Bewegung hätte nicht nur die Energiegewinnungsformen, sondern auch die Besitzverhältnisse an Energienetzen und -anlagen verändern können. Doch der Netzkauf in Schönau blieb eine Ausnahme, die zudem nicht emanzipatorischen Überzeugungen entsprach, sondern der Not, innerhalb der bestehenden Eliten keine FürsprecherInnen zu finden.
Hier ist Änderung nötig. Um langfristig die Verhältnisse zu verändern und Umweltschutz nicht zu einem ständigen Reparaturbetrieb mit Abhängigkeit zum Zuspruch der Mächtigen zu den Ideen der Protestierenden zu machen, müssen andere Beteiligungsformen durchgesetzt und schließlich der Zugriff auf Flächen und Ressourcen aus Parlamenten und Firmen zu den Menschen verlagert werden. Wenn diese Forderungen in bestehende Proteste integriert werden, wäre schon einiges gewonnen. Hinzu können direkte Aktionsformen kommen, bei denen nicht gegen die Zerstörung der Umwelt geschimpft, sondern die Gestaltungsmacht in dieser Welt auch real umgestaltet werden. Also: Die besetzten Häuser und Flächen nicht den BesetzerInnen (das wäre nur Machtwechsel), sondern allen bzw. niemandem. Firmen, Stadtwerke, Versorgungseinrichtungseinrichtungen, Grundstücke, Konsumpaläste usw. besetzen, aneignen, verwandeln und den Mechanismen von Markt und Staat entreißen - je nach Lage und Angst vor Repression tatsächlich oder wenigstens symbolisch.

Aneignung von Wissen
Mit den Beteiligungsmöglichkeiten müssen auch die Beteiligungsfähigkeiten steigen. Das bedeutet nicht nur Wissen um ökologische Zusammenhänge, sondern auch um Beteiligungsformen, Streitkultur oder den Zugang zu Wissen und Handlungsmöglichkeiten. Hier liegt ein weites Feld vor allen, die daran mitwirken wollen. Denn der Wille zur Mitwirkung ist unter Jahrzehnten demokratischer Bevormundung verschüttet. Rein theoretischer Art wird der Zugang auch nicht gelingen: Das Motiv, sich Wissen anzueignen, ist im besten Fall die Chance, es auch anwenden zu können. Daher ist die Veränderung der Machtverhältnisse, z.B. die tatsächliche Steigerung von Handlungskompetenz, der beste Ansporn, sich das notwendige Wissen auch anzueignen. Die BewohnerInnen eines Häuserblocks, die ihr Grundstück (Innenhof, Abstandsgrün u.ä.) auch tatsächlich selbst gestalten dürfen, werden eher geneigt sein, sich über Varianten, architektonische oder ökologische Fragen zu informieren wie diejenigen, nur beratende und dann oft vernachlässigte Meinungen abgeben.

Klartext reden
Nie vergessen werden sollte, die Visionen einer Welt von unten laut zu benennen, denn das Utopische schafft den Drang zu Mehr. Es kann zu neuen Projekten, Weiterentwicklung der Bisherigen und zum produktiven Streit über alles motivieren. Zudem bietet das Nachdenken über mehr als die konkreten Einzelprojekte die Chance, für dieses Ziel wieder Bündnisse zu schaffen mit anderen sozialen Bewegungen, die gemeinsam an einer Welt von unten arbeiten. Konkrete Kristallisationspunkte wie konkrete Modelle oder der Widerstand gegen neoliberalen Wahn können der Anfang sein. Abschied zu nehmen ist von der vor allem in NGO Kreisen gern verbreiteten Mär vom guten Staat, von der "good governance", die die Auswüchse des Neoliberalismus eindämmen soll. Der Staat organisiert die Ausbeutung. Er ist Gegner, nicht Partner. Hoffnung für die Umwelt und die Menschen gibt es erst dann, wenn die Menschen den Zugriff auf ihre Lebensressourcen erhalten. Und Umweltminister, Daimler Manager usw. von den Podien der sog. Umweltbewegung verschwinden!

Zum nächsten Text, dem vierten Text im Kapitel zur Praxis und konkreten Anwendungsfeldern: Große Infrastruktur

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