Offener Raum

REDEBEITRAG ZU ANTIRASSISMUS IM ALLTAG (14.9.2002 AUF DER DEMO IN GIESSEN)

Antirassistischer Widerstand


1. Antirassistische Praxis
2. Antirassismus und Herrschaftskritik verbinden!
3. Antirassismus im Alltag
4. Antirassistischer Widerstand

Antirassisismus muß nicht auf Events beschränkt sein. Es ist sehrwohl möglich, erfolgreich Sand ins Getriebe der Abschiebemaschineriezu streuen - auch wenn das System als solches weiter besteht. Dafürgibt es Beispiele ... hier ein bemerkenswertes aus Italien: Ende Januar stürmteeine Gruppe von etwa 100 entschlossenen Menschen Abschiebeknast in Bologna,der so eben fertig gestellt wurde. Bei hellichtem Tag wurde der Knast vonunvermummt agierenden Menschen Stück für Stück demontiert.Dieser Knast war gedacht, um Menschen bis zur Abschiebung zu internieren,deren einziges „Vergehen“ darin besteht, keine Papiere zu haben.
Nun gibt es in Italien eine ganz andere Widerstandskultur und mehr Erfahrungenmit direkten Aktionen. Aber auch in der BRD gibt es Beispiele für entschlossenenantirassistischen Widerstand mit Erfolg: Anfang des Jahres verhinderten inBremen 120 Menschen durch geschickte Blockaden und weitere Aktionen vorläufigdie Abschiebung einer kurdischen Familie. In Bremen sind mehr als fünfhundertstaatenlose Kurdinnen und Kurden aus dem Libanon seit mehr als zwei Jahrenakut von Abschiebung bedroht. Seit gut 10, einige sogar schon seit 15 Jahrenleben sie als Flüchtlinge in Bremen. Die meisten sind als Kinder undJugendliche dort aufgewachsen, gehen zur Schule, machen ihre Lehre oder Ausbildung.Dies, während ihre Eltern durch die Asylgesetzgebung und das bis heutewährende faktische Arbeitsverbot auf den Bittstellerstatus verdammtsind: zum Nichtstun, zur organisierten Langeweile, zum ausgegrenzten Fremden.
Trotz vieler Aktionen stand irgendwann der Abschiebtermin für die ersteFamilie vor der Tür ... ab 6.00 Uhr morgens sollten sie sich zum "Abtransport"bereithalten, wobei ein Sohn der Familie bereits Montag früh von derPolizei in Abschiebehaft gesteckt wurde. Doch die Sondergruppe des AusländeramtesBremen, die Polizei und PolitikerInnen hatten die Rechnung ohne eine Gruppevon FrühausteherInnen gemacht. Pünktlich um 5.30 Uhr versammeltensich über 120 SchülerInnen, AntirassistInnen, AntifaschistInnenund viele andere vor dem Haus der Familie Z. in der Bremer Neustadt. Diemit Holzpaletten, Tannenbäumen und anderem Spermüll ausgestattetenFrühaufsteherInnen blockierten die Strasse und die Strassenbahnschienenmit zwei Barrikaden. Dann wurde ein fester Menschenblock vor den Eingängendes Einfamilienhauses gebildet, Ketten gemacht, Transparente zum Schutz gehaltenund Pink-Silver-AktivistInnen begannen, zwischen den Barrikaden, künstlerischradikale Performance darzubieten. Mit Megaphondurchsagen und Flugblätternwurden NachbarInnen und der langsam einsetzende Berufsverkehr (ausnahmsweisenur zu Fuß - Strasse war ja dicht) über die Aktion informiertund aufgefordert, sich der Blockade anzuschliessen. Die Resonanz war gut,einige Menschen blieben stehen, unterhielten sich mit den AktivistInnen undzeigten ihre Solidarität. Die Bremer Polizei war von den Aktivitätenüberrascht worden.
Entgegen vieler Erwartungen ließen größere Polizeieinheitenauf sich warten. Das tat der Stimmung vor Ort allerdings keinen Abbruch,es wurden weiter Parolen gerufen und Tee geschlürft, der von nettenMenschen an die Blockade herangetragen wurde. Gegen 8.00 Uhr etwa setztensich dann 20 müde aussehende Bullen ihre Helme auf, schlenderten zuden Barrikaden und begannen mit der Unterstützung von den Bremer Entsorgungsbetriebendie Barris abzubauen. Pink-Silver erschwerte ihnen diese Arbeit gehörig.Nach getaner Arbeit setzten die Bullen ihre Helme wieder ab und verkrümmeltensich in ihre Autos - ihnen war nur wichtig das der Verkehr wieder läuft!Über das Megaphon wurde kurze Zeit später verkündet, daßdie Ausländerbehörde und die Polizei gegenüber der Presseversichert hätten, heute fände keine Abschiebung mehr statt. Somitkonnte die Blockade des Wohnhauses der Familie Z. dann beendet werden, wobeies zu keiner Zeit ein Beinbruch gewesen wäre, hätte die Polizeidie Blockade vorm Haus aufgelöst und den Innenbereich gestürmt- die Familie war nämlich gar nicht anwesend.
Natürlich kann dadurch die staatliche Abschiebemaschinerie nicht ausgeschaltetwerden - dazu wären erheblich breitere Proteste und mehr Bewegung erforderlich.Aber es deutet zumindest an, dass Widerstand möglich ist, dass Entschlossenheit,Übung und Kreativität einen Ausweg aus der Ohnmächtigkeitschaffen können. Diese Beispiele stehen am Ende meiner Rede, weil siemir Mut machen, sich Rassismus zu widersetzen ... und natürlich hoffeich, dass sich dieser Mut auch auf andere, auf euch überträgt!Und auch wenn Rassismus hier den Schwerpunkt bildete, ist das Gesagte aufalle anderen Bereiche übertragbar, wo Menschen sich gegen Herrschaftwehren. Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, die Entmündigung vonKindern und psychatrisierten Menschen, rassistische Klischees - überallsind es ähnliche Logiken, die Menschen unterschiedliche Wertigkeitenzuschreiben und benutzt werden, um Hierarchien zu rechtfertigen. Überallbesteht die Notwendigkeit, Herrschaft anzugreifen ...

Laßt uns handlungsfähig werden gegen Rassismus! an jeder Stelle ...
Laßt uns Alternativen zu Fremdbestimmung und Kategorisierung von Menschen aufbauen!
Für eine Welt ohne Rassismus, Nationen und Herrschaft!

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