Offener Raum

KONSUMKRITIK-KRITIK: VOM IRRTUM DER VERBRAUCHER_INNENMACHT

Ausblendungen: Die Bio-Tomaten auf den Augen und Ohren


1. Einleitung
2. Die Machtfrage ausblenden: Selbstreduzierung aufs Konsument*innendasein
3. Wirkung der Kaufentscheidung wird stark überschätzt
4. Risiken und Nebenwirkungen: Die Kommerzialisierung des Guten
5. Ausblendungen: Die Bio-Tomaten auf den Augen und Ohren
6. Gutes Gefühl für Reiche - Niedermache der Armen
7. Kritik, Zweifel, aber keine grundlegende Analyse
8. Statt Ablasshandel und Schmieren der Getriebe: Aneignung der Verhältnisse
9. Irrtümer der Konsumkritik und Gegenmittel an Beispielen
10. Links und Materialien

Mit Geldausgeben die Umwelt zu retten gleicht der Idee, mit Öl eine Feuer zu löschen. Sie ist ein Baustein des Öko-Kapitalismus, der in den PR-Abteilungen von Firmen und Parteien in Mode gekommen ist, aber dennoch nur eines darstellt: Die Vereinigung des Unvereinbaren. So werden Umweltschutz und Kapitalismus Freunde. Was vor 30 Jahren von (fast) allen als Gegensatz begriffen wurde, versinkt in einem einzigen Brei öko-propagandistischer Selbstbelügung. Wachstum wird vom Schreckgespenst zum politischen Handlungsansatz - selbstverständlich begrünt bis zur ungenierten PR für ein neues Wirtschaftswunder, tituliert als "Green New Deal". Konsum, früher recht betriebsblind zum Horror aller Verzichtsethik erklärt, mutierte mit wachsendem Kontostand der Protagonist_innen zum euphorisierenden Gestaltungsmittel. Geld, einstmals Inbegriff des Bösen (was immer recht vereinfachend war) ist heute zentrales Gleitmittel hinüber in die bessere Welt. Was Gefahr war, mutiert zur Hoffnung. Aus Gegensätzen wächst Vereintes.

Im Original: Kaufen, kaufen, die Welt damit retten

Kopfbereich der Kaufen, kaufen, kaufen, aber öko ... - Seite www.karmakonsum.de. Christoph Harrach, laut Eigendarstellung der "Founder, Change Designer & Chief Executive Blogger" (welch ein Titel ...) wurde von pro-kapitalistischer Seite passend geehrt und beschrieben. Wieder von der eigenen Internetseite: "Die FAZ kürte ihn im gleichen Jahr zu einem der 15 Köpfe der Frankfurter Wirtschaft. 2011 betitelte das Handelsblatt sein Portrait mit "Der Mann für das gute Gewissen."

Auch Stromverschwendung und Umweltschutz gingen plötzlich zusammen (Foto aus der Sonnenenergie 7/2007, S. 27):

Radio- und Internetwerbung der triodos-Bank, veröffentlicht am 10.10.2016
An alle, die mit Öko-Strom, Bio-Eiern und Alters-WGs die Welt retten wollen.
Gebt uns euer Geld. Und wir sind dabei.
Wir haben damit schon vor 35 Jahren angefangen. Darum sind wir von der Triodos Bank echt gut in all dem Öko-Gedöns, Schul-Kram und Sozial-Dingens.
Und das Beste: Da kommt am Ende für alle was rum. Für Mensch, Umwelt und Bankkonto.
Das ist unsere Geldmacherei.
Und das ist Europas führende Nachhaltigkeitsbank - Triodos Bank.
Denn Geld kann so viel mehr.


Aus einem Bericht über den Umzug des Gießener Weltladens, in: Gießener Anzeiger, 18.3.2018 (alternative Zeitungen der Stadt wurden natürlich nicht einmal eingeladen zur Eröffnung)
Wenn möglichst viele Verbraucher ihre Kaufentscheidungen hinterfragen, könne "die Welt ein bisschen gerechter und besser werden", so die Rathauschefin. ...
Fairer Handel, so Ilse Staude, sei die Alternative zum Kapitalismus.


Aus einen Schreiben des Forums Gesundheit und Umwelt beim Hygiene-Museum Dresden, 15.10.1999
Das Ganze geht aus von der Idee, daß Konsumverhalten ein wichtiger Einflußfaktor auf nachhaltige Entwicklung ist ...
Für mich persönlich ist Konsumverhalten nicht privatistisch, sondern es IST politisches Handeln: nämlich sich die Funktionsweise des Kapitalismus zunutze machen. Wo kein Markt ist, ist kein Angebot - und umgekehrt.


Aus Ralf Hoppe: "Der Kunde als Krieger", in: Spiegel 36/2008 (S. 57)
Auf utopia.de, auf karmakonsum.de oder transfair.org, bei konsumguerilla.de oder ethicalconsumer.org, auf ecotopten.de oder lohas.de, in Büchern wie "Shopping hilft die Welt verbessern", "Die Einkaufsrevolution" oder "Gute Marken, böse Marken" gibt es praktischen Beistand und moralischen Überbau. In den USA werden die neuen Konsumenten "Lohas" genannt, was für "Lifestyle of Health and Sustainability" steht. ...
Dass es kein richtiges Leben geben könne im falschen, dieses dröhnende Diktum Theodor Adornos und seit 40 Jahren Lebensmotto aller systemkritischen Geister schieben die kritischen Konsumenten beiseite und zücken stattdessen ihre Kreditkarten, um sich einen Gürtel zu kaufen aus recyceltem Feuerwehrschlauch. Man benutzt die süß-warmen Kosmetika von Dr. Hauschka, jener Marke, die angeblich auch Brad Pitt und Madonna verwenden. Bio-Vibratoren gibt es ebenfalls, aus Ahornholz, 96 Euro, was will man mehr?
Starken Zulauf bekommt die Kaufgemeinde von Leuten, die seit Jahren ökologisch denken, globalisierungskritisch argumentieren und vom Klimawandel um den Schlaf gebracht werden - um nun endlich an der Ladentheke zur Tat zu schreiten. Peter Unfried, stellvertretender Chefredakteur der "taz", hat seine "lebensverändernde Bewusstseinserweiterung" in einem Buch festgehalten, das so etwas wie die Gebrauchsanweisung der Shopping-Krieger geworden ist. Ihm geht es darum, die Glaubwürdigkeitslücke zu schließen zwischen Denken und Kaufen, zwischen blitzgescheiter Weltanschauung und verlogenem Konsum. "Neue Ökos" nennt er sich und seinesgleichen, und die würden sich von alten Ökos dadurch unterscheiden, dass sie mehr Geld hätten, mehr Stil, mehr Spaß, mehr Einsicht in die Macht der Märkte. Geld regiert die Welt, das ist nicht länger ein Stoßseufzer, das ist ein Schlachtruf.
Unfried gab sich eines Tages einen Ruck und kaufte ein Drei-Liter-Auto; andere, wie Natalie Golob, entwickelten ihr konsumistisches Denken über Jahre, wurden ganz langsam immer radikaler.
Sie trägt jetzt, im Nürnberger Weltladen, ihr Einkaufskörbchen an die Kasse, zahlt 13 Euro und 8 Cent. Ding-dingeling, das Windspiel bimmelt abermals, als sie den Laden verlässt, in ihrem Rucksack Honig aus Mexiko, Schokolade aus Brasilien und Bananen aus Ecuador. Für sie heißt das, dass sie nicht einfach nur fünf Bananen kauft, sondern auch ein gutes Gefühl ...


Die Hauptwirkung bereits ist fatal. Ökokonsum kurbelt die Wirtschaft an. Neue Branchen entstehen und weiten sich aus. Der Zugriff auf auf möglichst viel und billiges Land, Rohstoffe, Transportwege und menschliche Arbeitskraft treibt auch unter Öko-Labeln das Geschehen an. Hinzu kommen die Nebenwirkungen, von denen nur eine ist, dass der Kapitalismus gnadenlos jede Branche auffrisst - spätestens dann, wenn sie einige wirtschaftliche Bedeutung erreicht hat. Lebensmittel- und andere Produktionsmethoden richten sich mehr und mehr auf reinen Profit aus. Wie überall im Kapitalismus ist aber mehr Kasse, d.h. höherer Profit,nur dann zu machen, wenn - neben höheren Preisen - Mensch und/oder Natur noch stärker ausgebeutet werden.


Reboundeffekte
Ein inzwischen ziemlich gut untersuchtes Feld sind die Reboundeffekte. Damit wird beschrieben, dass Einsparungen an einer Stelle zu Mehrverbrauch an anderer Stelle führen, also ein nachhaltiger Konsum oft von Vornherein keinen Effekt auf die Umweltbilanz hat. Wer zum Beispiel ein Elektroauto besitzt, benutzt das häufiger. Offenbar führt das Gefühl, umweltfreundlich unterwegs zu sein, zu einem Vernachlässigen der Verkehrsmittel Fuß, Fahrrad und ÖPNV. E-Autos führen dadurch zu mehr Fahrten und damit zu mehr Verkehr, mehr Gefahren, mehr Feinstaub (Reifenabrieb), mehr Energieverbrauch und letztlich auch zu mehr Autoproduktion wegen dem höheren Verschleiß.

Beispiele für Reboundeffekte:
  • Mehr fahren mit E-Auto (statt Fahrrad oder ÖPNV)
  • E-Auto als zusätzliches Auto
  • Energiesparlampen länger brennen lassen
  • Gespartes Geld für Mehrkäufe einsetzen
  • PV-Anlagenbetreiber*innen mit Eigenstromverbrauch
  • Werbung Ökostromanbieter: E-Autos, Toaster usw.
  • Sparsamere Geräte, aber mehr davon (und auf Standby oder öfter angeschaltet)

  • Text "Reboundeffekt frisst Effizienzsteigerung" ++ Film dazu

Artikel "Rebounds bekämpfen, Effizienz wirksam umsetzen"von Fritz Lietzsch, in: forum Nachhaltig Wirtschaften 1/2023 (S. 110ff)
Aus Umweltsicht sind Rebound-Effekte ein Problem: Viele Unternehmen bemühen sich mit hohem Einsatz, ihren Ressourcenverbrauch durch Energie- und Materialeffizienzmaßnahmen zu reduzieren. Doch die absoluten Verbräuche sinken nicht im gewünschten Maße, weil die Einsparungen neue Verbräuche ermöglichen und beispielsweise in Wachstum investiert werden. Ein BMBF-Projekt hat solche Rebound-Effekte erforscht und zeigt Auswege für Wirtschaft und Politik.
Wie kommen Rebound-Effekte zustande? Während ihre Entstehung im Verbrauchersegment bereits gut erforscht ist, lagen ihre Ursachen im Unternehmensbereich lange im Dunkeln. Das Forschungsprojekt ,,Ganzheitliches Management von Energie-und Ressourceneffizienz in Unternehmen" (MERU) hat nun die Entstehungsmuster beleuchtet. Fallstudien und die zusätzliche Befragung von 30 Unternehmen untermauern folgende Rebound-Effekte:

Der „Output-Effekt": In der Folge von Effizienzmaßnahmen erhöht ein Unternehmen durch Preissenkung, Produktionsausweitung oder Werbemaßnahmen seinen Absatz – und damit auch seine Ressourcenverbräuche.
Der „Faktor-Substitutions-Effekt": Ein Unternehmen ändert seine Produktionsverfahren oder seine Produktionsorganisation, etwa durch Automatisierung und Digitalisierung. Arbeitskraft wird also durch Energie-und Materialeinsatz ersetzt.
Der „Re-Utilisation Effekt": Ein Unternehmen erhöht im Zuge der Effizienzmaßnahme die Leistungsfähigkeit betrieblicher Prozesse. Ein Beispiel kann dies verdeutlichen: Das Unternehmen schafft effizientere Klimaanlagen an und ersetzt konventionelle Leuchtmittel durch LEDs. Es entscheidet sich aber, nun größere Flächen als bisher zu klimatisieren und die Produktionshallen heller als bisher auszuleuchten.
Der „Re-Design Effekt": Ein Unternehmen nutzt die Effizienzgewinne, um Leistung, Komfort oder Sicherheit eines Produkts zu erhöhen. So setzt zum Beispiel ein Kfz-Hersteller auf der einen Seite sparsamere Motoren ein, stattet die Kraftfahrzeuge auf der anderen Seite aber mit mehr Sonderausstattung aus. Das Gesamtgewicht des Wagens steigt, der Verbrauch bleibt damit gleich, statt zu sinken.
Der „Re-Investment -Effekt": Ein Unternehmen nutzt die Einsparungen, um neue Produkte, Produktvarianten und Dienstleistungen zu entwickeln, deren Herstellung wiederum Energie und Material verschlingt.
Der „Re-Spending Effekt": Ein Unternehmen nutzt die Effizienzgewinne, um kurzfristig orientierte Ausgaben zu tätigen, die neue Verbräuche auslösen. Es vergrößert zum Beispiel seinen Fuhrpark oder erhöht die Dividenden.

Komplexes Gesamtbild
Der zeitliche und kausale Zusammenhang zwischen der Effizienzmaßnahme und den neuen Verbräuchen ist dabei je nach Rebound-Effekt, definierter Systemgrenze und gewähltem Betrachtungszeitraum unterschiedlich gut zu beobachten.
Vergleichsweise leicht zu erkennen send noch die Output- und Re-Utilisation-Effekte. Daneben existieren auch Rebound-ähnliche Effekte wie das „Burden-Shifting" entlang von Wertschöpfungsketten. So können Automatisierungs- beziehungsweise Digitalisierungsprozesse in einem Unternehmen die Ressourcenverbräuche im Unternehmen zwar senken, aber in der Vorkette, beispielsweise bei den Herstellern von Robotern und Sensoren, erhöhen. Blickt man über den Tellerrand des einzelnen Unternehmens (und seiner Lieferketten) hinaus, kann die Absatzausweitung eines besonders ressourceneffizienten Unternehmens (Output-Effekt) interessanterweise dazu führen, dass weniger effizient und ökologisch arbeitende Mitbewerber verdrängt werden und so die Verbräuche im entsprechenden Markt insgesamt sinken. Dieser ökologisch vorteilhafte Effekt ist allerdings aufgrund intransparenter Märkte und Trägheitseffekte kaum plan- und steuerbar.

6 Tipps, um Rebounds zu begrenzen
Das MERU-Team hat einen Leitfaden mit Handlungsempfehlungen für Unternehmen entwickelt. Hier die wichtigsten Tipps:
1. Strategie: Die Unternehmensführung sollte unternehmensweit, aber auch im Rahmen der geplanten Effizienzmaßnahmen absolute Reduktionsziele für die Energie-und Materialverbräuche definieren.
2. Organisation: Zur Umsetzung der Einsparziele sollten die relevanten Funktionen und Prozesse identifiziert, Zuständigkeiten und Anreize geschaffen werden. Bestehende Leitlinien, Instrumente und Managementsysteme sind gegebenenfalls anzupassen. Kleiner Tipp mit großer Wirkung: Mitarbeitende breit einzubinden fördert Akzeptanz und Ideen.
3. Auswahl von Effizienzmaßnahmen: Auf der Basss einer Wesentlichkeitsanalyse sind Prozesse mit besonders hohen Ressourcen- und Energieverbräuchen (Hot Spots) zu identifizieren.
4. Planung und Durchführung: Bei der konkreten Maßnahmenplanung sind Rebound-Effekte mitzudenken. Ausschlaggebend ist die Definition einer Policy, wie mit den Kosteneinsparungen, die aus Effizienzmaßnahmen resultieren, umzugehen ist. Am besten verpflichtet sich das Unternehmen, in weitere, ambitionierte Umwelt- und Effizienzmaßnahmen zu investieren. So werden Verstärkungseffekte möglich (,,Reinforcement"), welche die Einsparungen aus der ursprünglichen Maßnahme weiter vergrößern.
5. Monitoring und Evaluation: Über die reine Vorher-Nachher-Messung ist das mittelfristige Monitoring wichtig, um erfassen zu können, ob eingesparte Mittel neue Verbräuche auslösen. Dabei sollten möglichst nicht nur isolierte Technologien oder Komponenten berücksichtigt werden, sondern die Gesamtsysteme und Lieferketten.
6. Kommunikation und Vernetzung: Rebound-Effekte sollten zum Gegenstand der internen und externen Unternehmenskommunikation gemacht und Lösungen im Austausch mit anderen Unternehmen und der Wissenschaft entwickelt werden.

Die Politik ist gefragt
Franziska Wolff vom Öko-Institut, Projektleiterin von MERU, betont: ,,Auch die Politik ist gefragt!". Sie kann die absolute Einsparung von Ressourcen priorisieren. Um diese tatsächlich zu erreichen, muss sie Energie-und Materialverbräuche dauerhaft – das heißt unabhängig von der aktuellen Energiepreisentwicklung – verteuern. Die daraus gewonnenen Einnahmen sollten zweckgebunden an Unternehmen und Haushalte zurückfließen. Mögliche Zwecke wären der Carbon-Leakage-Schutz, Investitionen in CO2-arme und ressourceneffiziente Industrieprozesse von emissionsintensiven Sektoren, die Förderung ökologischer Infrastrukturen oder die Senkung von Lohnnebenkosten. Darüber hinaus lassen sich Rebound-Effekte auch durch verpflichtende Umwelt-und Energiemanagementsysteme sowie Aus- und Fortbildung zum Thema Energie- und Materialeffizienz vermindern.


Ein Leitfaden mt Handlungsempfehlungen für Unternehmen kann heruntergeladen werden unte: meru-projekt.de/publikationen.

Etliche Bereiche entziehen sich der Nachfrage durch Einzelpersonen
Rüstung, Überwachungsanlagen, neue Gefängnisse und Zwangspsychiatrien, Finanzämter und Kriegsdenkmäler, Grenzbefestigungen und vieles mehr entstehen völlig jenseits der Frage von Nachfrage. Die Menschen, die von solcher Infrastruktur und ihren Folgen betroffen sind, verlangen nicht nach ihnen. Gefängnisse stehen nicht herum, weil Menschen in ihnen eingesperrt sein wollen. Panzermunition wird nicht gegossen, weil Menschen über Eisenmangel klagen. Wenn in Psychiatrien Menschen gefesselt werden, um sie voll Chemie spritzen zu können, so wäre der Begriff "Nachfrage" auch hier verschleiernd bis pervertiert. Die Dinge werden durchgesetzt, die Verbraucher_innen zum Konsum gezwungen. Einen Einfluss auf die gigantische Maschinerie der Unterdrückung und Zerstörung haben Kaufentscheidungen nicht.

Die genannten Beispiele mögen noch exotisch klingen. Sie haben wenig Bezug zum Alltag der Einzelnen (jedenfalls soweit die Wirkungen direkt spürbar sind). Doch ein weiteres Beispiel zeigt: Selbst der umweltbewusste Alltag lässt sich durch Kaufentscheidungen nicht wirklich gestalten.

Mobilität - was wir individuell tun, wirkt sich nur auf uns aus
Wir können Fahrrad fahren, den Bus nehmen oder das Auto. Ob jedoch dadurch andere Verkehrssysteme entstehen, ist mehr als fraglich. Vielleicht ist noch möglich, durch den Kauf eines bestimmten Autos (Marke, Größe, Antriebstechnik o.ä.) diese Ausrichtung im Automobilmarkt zu stärken. Das war es aber auch. Der Rohstoffverbrauch bei der Produktion eines jeden Autos ist schon kaum noch steuerbar. Wie hoch die Fahrpreise sind oder ob gar der Nulltarif eingeführt wird, lässt sich weder mit Fahrradfahren noch mit massenhaftem Ticketkauf herbei führen. Die Frage der Mobilität ist eine politische. Wer Fahrrad fährt, verbessert nur die eigene Umweltbilanz, mehr nicht.

Gekaufte Umweltapparate
Wer sich dann empört, dass selbst Industriepropaganda aus der (Ex-)Öko-Ecke kommt, hat nicht verstanden, wie unter diesem Wirtschafts- und Machtsystem die Gesellschaft funktioniert. Gemacht wird, was Profit bringt. Das gilt für EADS, Bayer oder Lidl genauso wie für Bioland, Solarworld und Hess Natur. Es gilt aber auch für Grüne, BUND und alle, deren Stärke vor allem auf Geldeinnahme, Kapitalanhäufung und andere Formen der Macht beruht.


Der Rest bleibt normal: Sexismus im Ökokonsum
Genauso blauäugig wie der Glaube, im Kapitalismus könne irgendein Betrieb ohne Strafe des Untergangs darauf verzichten, das Maximale an Profit aus Mensch und Natur herauszuholen, ist die Hoffnung, dass Werbung durch und für Gutmenschen frei von anderen Unterdrückungsformen ist. Die unterbleiben nur genau so lange, wie das für den Profit uninteressant oder sogar abträglich ist. Dass platte Sexismen erst zögerlich in die Ökowerbung Eingang finden, liegt an der Zielgruppe, in der solche Blickfänge nicht als besonders zugkräftig gelten. Aber angekommen ist sie dort natürlich längst, wie das Bild zeigt.
Ohnehin ist die ganze Idee des nachhaltigen Konsums von der Anerkennung patriarchaler Gesellschaftsstrukturen geprägt. In den Anleitungen und bunten Prospekten zum ökologischen Verhalten sieht mensch meist Frauen vor dem Ladenregal. Die Firmen, denen sie ihr Geld hinterherwerfen, sind weiterhin meist aber von Männern geleitet. Denen ist es egal, wofür die Frauen das Geld ausgeben. Sie produzieren gerne auch "öko" - wenn es denn profitabel ist. Es kommt nur darauf an. Umwelt und Mensch auszubeuten ist kein Selbstzweck, sondern geschieht, weil es sich rechnet.

Aus dem B.A.U.M.-Jahrbuch 2016 (S. 33)

Nicht viel besser: Lookism der Vegan-Industrie - nur geile Körper ...


Öko-Propaganda aus der Industrie
Leicht fällt es der Industrie, Ökoideen als Propaganda einzubauen. Sie sind es gewöhnt, durch Werbung Nachfrage zu erzielen. Was dazu dienlich ist, wird gemacht. Der Profit ist einziger Erfolgsmaßstab. Politische Skrupel sind nur zulässig, wenn sie Gewinne steigern.

Aus: Presse-Information des Dualen Systems Deutschland, 20.6.2001
Die meisten Deutschen haben der DSD-Studie zufolge längst erkannt, dass sich Ökologie und Ökonomie nicht ausschließen. Zum einen sind deutlich mehr Deutsche (39 Prozent) davon überzeugt, dass hohe Umweltschutzauflagen langfristig der Wirtschaft nützen. ...
Im Vergleich zu anderen Aufgabengebieten der Politik wie beispielsweise Arbeitslosigkeit, Bildung oder Rente liegt der Umweltschutz in Deutschland nur an sechster Stelle. In Brasilien erreicht er immerhin Platz Fünf, in den USA und Polen jeweils Platz Vier und in Japan sogar Platz Eins.

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