Offener Raum

SEILSCHAFTEN AUF GRÜNER SEITE: FILZ DER NGOS, GRÜNEN PARTEIEN UND BIOLANDBAUVERBÄNDE

Gentechnikkritik von rechts oder aus dem Off


1. Einleitung
2. Schwächen der Gentechnikkritik von NGOs und Bewegungsagenturen
3. Umwelt- und Biolandverbände fordern mehr Genversuchsfelder und -gelder!!!
4. In einem Boot? Die überraschende Nähe zwischen Ökos und Gentechnikfirmen
5. Warum passiert das? Von kulturellen Hintergründen verbandlicher Arbeit
6. Sonderfall Kirche: Für und gegen Gentechnik
7. Spalten, abgrenzen, distanzieren: Umwelt-NGOs und direkte Aktionen
8. Bio-Firmen als Nutznießer
9. Die Rolle der Medien
10. Gentechnikkritik von rechts oder aus dem Off
11. Links und Materialien

7.2.2008 in einem kleinen Ortsteil von Lauterbach: GentechnikgegnerInnen haben zu einer Veranstaltung geladen. Auf den Tischen liegen Informationsmaterialien herum. "Gentechnik - Nein danke!" heißt einer der bunten Flyer. Er stammt von der NPD Bayern. Auf den sechs Seiten des Faltblattes stehen Forderungen, wie sie auch in gentechnikkritischen Kreisen verbreitet sind: Gesunde Ernähung statt "Gen-Food", Einrichtung gentechnikfreier Zonen und ein staatliches Verbot für genmanipuliertes Saatgut. Mit einem Stapel dieser modischen Propaganda hatte sich eine Runde meist älterer Herren bei einem von der Bürgerinitiative "Zivilcourage" im Vogelsberg veranstalteten Vortrag eingerichtet. Die Gastgeber waren - immerhin - nicht zu bewegen, dass die Flyer auf ihrem Infotisch ausgelegt werden durften. Parteimaterial sei nicht erwünscht. In der Diskussionsrunde dann meldete sich einer der Herren zu Wort und begann eine flammende Rede, die exemplarisch zeigte, in welche Worthülsen der Gentechnikkritik rechte Ideologie verpackt wird. Er sprach von denbösen Konzerne aus "Amerika". Die unzulässige Vereinnahmung eines ganzen Kontinents war noch das geringere Problem. Auffälliger war, dass kein Wort fiel überBayer, BASF und KWS, obwohl doch viele deutsche Konzerne in der Gentechnikentwicklung sowie mit Nestlé, Syngentaund anderen weitere europäische Unternehmen in Entwicklung und Handel eineprägende Rolle spielen. Es gelte, so fuhr er dann fort, Europa zu retten vor den Amerikanern - ganz so, alswäre "Amerika" - was auch immer das ist - einheitlich für Gentechnik und "Europa" (was ist das?) - einheitlich dagegen. Klarer Widerspruch unterblieb, einige Wenige zeigten aber Unbehagen an. Ungefähr ein Drittel der ca. 100 Anwesenden applaudierte bei der Forderung, "Europa" vor "Amerika" zu retten. Am Ende der Veranstaltung wurde kurz ein bevorstehender Prozess gegen FeldbefreierInnen in Gießen thematisiert. Den rechten Herren fiel auch dazu nicht mehr ein als auf die Möglichkeit hinzuweisen, vor Gericht als Nationalität "Deutsches Reich" anzugeben und damit den Gerichtsprozess zu torpedieren. Als Literatur empfahl der Redner mit NPD-Flyerein Buch, das immer wieder von rechten GentechnikkritikerInnen stark gemacht wird. Es heißt "Saat der Zerstörung", ist verfasstvon F.W. Engdahl und wird in fast allengentechnikkritischen Kreisen gestreut.
Das Buch strotzt vor Anti-Amerikanismus. Bereits die Werbung für das Buch spricht für sich. Dort werden von vornherein nur die US-amerikanischen Konzerne überhaupt einbezogen: "Drei der vier privaten Unternehmen, die heute gentechnisch verändertes Saatgut anbieten, weisen eine unheilvolle jahrzehntelange Verbindung zur US-Kriegsmaschinerie des Pentagon auf." Kein Wort von BASF, Bayer und ihrer dunklen Vergangenheit. Das Buch sei eine "Geschichte über die dunkle Seite der Macht" und "dokumentiert, dass die amerikanische Rockefeller-Stiftung der treibende Motor hinter dieser Entwicklung ist" - selbstverständlich "zusammen mit privaten Forschungsinstituten und in Mittäterschaft der US-Regierung". Engdahl sieht "eine kleine mächtige Elite" und deren "gigantische Verschwörung". Alle anderen sind Opfer. Darunter ganz Europa. "Zur Zeit üben diese Firmen in Zusammenarbeit mit der US-Regierung einen enormen Druck auf Europa aus, damit auch hier alle Schranken gegen genmanipuliertes Saatgut fallen."
Engdahls Buch ist in einem Verlag herausgekommen, der rechte und Verschwörungstheorien verbreitet. Er heißt der Kopp-Verlag. Doch auch das war vielen keine Warnung, das Gedankengut selbst weiterzuverbreiten. Es ist auch nicht soweit entfernt von Aussprüchen aus der gesellschaftlichen Mitte. Oder hätte Gerhard Schröders Spruch nicht auch ins Engdahlbuch gepasst: "Mit mir ist eine Amerikanisierung der deutschen Gesellschaft nicht zu machen ... Nur Europa steht für den wirtschaftlichen, den sozialen, den kulturellen und den ökologischen Ausgleich." In der GLS-Zeitung bankspiegel darfKlaus Hänsch unwidersprochen behaupten, "Die Amerikaner sind ein Volk. Die Europäer sind verschiedene Völker." Und so ist der Reigen im Konkurrenzkampf des guten Europa gegen das böse Amerika breit und eine tragende Säule skurriler bis rechter Gentechnikkritik. Monsanto wird als Inbegriff für das Böse schlechthin stilisiert und hinter fast jeder Agro-Gentechnik Monsanto vermutet. Ulrike Höfken, MdB B'90/Grüne, befand: "Die Strategie von Großkonzernen, allen voran Monsanto, ist absolut aggressiv." Große deutsche Konzerne sind deshalb problematisch, weil sie von Monsanto gesteuert würden (was nebenbei völliger Quatsch ist - BASF und Bayer sind gegenüber Monsanto die wesentlich größeren Konzerne): "Leider befindet sich bereits BASF im Schlepptau einer Kooperation mit dem amerikanischen Konzern Monsanto".Genfelder deutscher Firmen wurden lange Jahre von Umweltverbänden und NGOs weniger bekämpft, einige NGOs veröffentlichen sogar reine Monsanto-Genfeldverzeichnisse (z.B. Gen-Mais-Karte von Greenpeace). Erst als nur deutsche Felder übrig blieben, geriet die BASF-Kartoffel Amflora ins Visier. Da war sie schon über zehn Jahre alt ...
Das alles ist nicht nur anti-amerikanisch orientiert, sondern ein optimaler Anknüpfungspunkt für Rechte und deren Gedankengeber. Das Problem mit rechten und esoterischen Gedanken in der Gentechnikkritik ist hausgemacht.

Im Original: Schützt das gute Europa
Aus der Buchwerbung des Kopp-Verlages
Damit soll sichergestellt werden, dass Saatgut jedes Jahr neu erworben werden muss – ein Geschäft, das der Teufel nicht hätte besser erfinden können. Wird diese Entwicklung nicht aufgehalten, entsteht eine neue, bislang nicht für möglich gehaltene Form der Leibeigenschaft. Drei der vier privaten Unternehmen, die heute gentechnisch verändertes Saatgut anbieten, weisen eine unheilvolle jahrzehntelange Verbindung zur US-Kriegsmaschinerie des Pentagon auf. Einst produzierten sie 'Agent Orange', das Zehntausende in Vietnam tötete und selbst heute noch Folgeschäden verursacht. Zur Zeit üben diese Firmen in Zusammenarbeit mit der US-Regierung einen enormen Druck auf Europa aus, damit auch hier alle Schranken gegen genmanipuliertes Saatgut fallen. Dies ist keine Geschichte über Profitgier. Es ist vielmehr eine Geschichte über die dunkle Seite der Macht. In den 1970er Jahren erklärte Henry Kissinger: 'Wer das Öl kontrolliert, ist in der Lage, ganze Nationen zu kontrollieren; wer die Nahrung kontrolliert, kontrolliert die Menschen.' Das Buch dokumentiert, dass die amerikanische Rockefeller-Stiftung der treibende Motor hinter dieser Entwicklung ist. Zusammen mit privaten Forschungsinstituten und in Mittäterschaft der US-Regierung versucht eine kleine mächtige Elite 'Gott zu spielen' – mit erschreckenden Folgen für die Völker der Welt. Die vorliegende Arbeit dokumentiert eine gigantische Verschwörung. Diese ist aber leider keine Theorie oder Spekulation, sondern vielmehr rasant voranschreitende Realität.

Aus Bernd Hamm, „Hausaufgaben gemacht?“ in: Politische Ökologie Mai/Juni 2002 (S. 39)
Wenn es gelänge, im IWF eine eigenständige europäische Position, eine an nachhaltiger Entwicklung orientierte, durchzusetzen, dann wäre wahrscheinlich mehr für diesen geplagten Planeten zu erreichen.

Aus einem Interview mit Ex-Europaparlamentspräsident Klaus Hänsch im bankspiegel 2/02 der GLS-Bank (S. 9), Widerspruch der InterviewerInnen erfolgte nicht.
Die Amerikaner sind ein Volk. Die Europäer sind verschiedene Völker. ...
Die Europäische Union ist keine Weltmacht. Aber sie hat die Verantwortung einer Weltmacht, weil sie mit ihrem enormen ökonomischen und technologischen Potenzial überall in der Entwicklungsströme und Transfers beeinflusst. Wenn sie ökonomisch ein Riese ist und politisch ein Zwerg, dann handelt sie nicht bescheiden, sondern verantwortungslos. ... Es gibt einen europäischen Wertekanon, den wir anderen nicht aufdrücken dürfen, der aber als Beispiel dienen kann.


Aus Ludwig Stiegler/Michael Müller*: "Frieden mit der Natur machen", FR vom 12.9.2002 (S. 14) (*SPD-Bundestagsfraktionschef und sein Stellvertreter 1998-2002)
Die Europäische Union hat die geistigen wie die materiellen Mittel, um zu einer nachhaltigen Entwicklung zu kommen. Gestützt auf einen Markt mit rund 400 Millionen Verbrauchern, hat sie nicht weniger Möglichkeiten als die USA, die globale Epoche zu gestalten. ...
Von daher ist Nachhaltigkeit ein Konzept, das der Globalisierung eine europäische Perspektive gibt.


"Berliner Rede" von Bundespräsident Johannes Rau am 19.5.2003, Auszug:
Überall da, wo die Europäer sich darauf verständig haben, gemeinschaftlich zu handeln - in Wettbewerbsfragen, bei der gemeinsamen Währung, im Handel - sind wir ein starker Faktor und eine Macht, mit der jeder auf der Welt gerne und gut zusammenarbeiten möchte.

Ulrike Höfken, MdB B'90/Grüne im Interview der Thüringer Allgemeinen, 23.6.2008
Die Strategie von Großkonzernen, allen voran Monsanto, ist absolut aggressiv. Leider befindet sich bereits BASF im Schlepptau einer Kooperation mit dem amerikanischen Konzern Monsanto, dessen Versuche, Patente auf die verschiedensten Nutztiere und Nutzpflanzen zu legen, es leider schon zahlreich gibt. Diese Patente sind aus meiner Sicht absolut unsittlich. Die Kooperation mit einem deutschen Konzern finde ich sehr peinlich.

Rechte Parteien und Gruppen nehmen das Geschenk des offenen Einfallstores gern an. Die Koordination der "Initiative für eine gentechnikfreie Region Nebel/Krakow am See" lag mehr als zwei Jahre in den Händen eines NPD-Mitgliedes. Auch andersorts mischen Personen aus solchen Spektren mit. Auf Versammlungen werden ständig anti-amerikanische Stimmungen aufgebaut oder krude Verschwörungstheorien als Hintergrund der Durchsetzung der Agro-Gentechnik formuliert.

Oben: Nazi-Demo. Foto aus Freitag, 13.10.2006 (S. 4). Unten: NPD macht auf öko.



Verschwörungstheorie: Welterklärung mit Kopfschoner!
Als Verschwörungstheorie bezeichnet man im weitesten Sinne jeden Versuch, ein Ereignis, einen Zustand oder eine Entwicklung durch eine Verschwörung, also als zielgerichtetes, konspiratives Wirken von Personen zu einem illegalen oder illegitimen Zweck, zu erklären. Bieten sie doch einfache Erklärungsmodelle für die unbefriedigende Lage. Wer immer die Entwicklung der Welt nicht mag, wer Ungerechtigkeiten spürt oder selbst in einer bedrückenden Lage ist, kann mit Verschwörungstheorien zwar keine Verbesserung erreichen, aber wenigstens die Schuldfrage klären, ohne allzuviel Denkkraft zu investieren. Denn Herrschaft ist meist komplex, es ist anstrengend, die verschiedenen Mechanismen, Konkurrenzen und Elitestrukturen auch nur annähernd zu erfassen, um zu begreifen, warum was geschieht. Zwar haben Menschen unterschiedliche Gestaltungsmacht in dieser Gesellschaft, aber nirgendwo ist ein Zentrum der Macht. Es gibt sie nicht, die StrippenzieherInnen von allem. Das ist doof für alle, die schnell und einfach die Welt erklären wollen. Darum haben Verschwörungstheorien Hochkonjunktur: Wie schön entlastet es doch den Kopf, wenn mensch sich einreden kann, irgendwo sitzen die Bösen, die alles lenken - oder es existiere ein diffuser großer Keilriemen, der die Welt antreibt. Doch solche Sparsamkeit im Denken ist nicht nur gefährlich, weil auf diesen Bildern auch die Vernichtungsphantasien (historisch vor allem gegen „die Juden“, heute oft gegen „den Islam“ oder „die USA“) basieren. Sie sind zudem eher für die nützlich, denen sie eigentlich entgegentreten sollen: Den Funktionseliten moderner Herrschaftssysteme, die ungestört in den intransparenten und zentrumslosen Sphären gesellschaftlicher Gestaltungsmacht agieren, während viele unzufriedene Menschen sich mit Chemtrails, Zinseszins- und Finanzkapitalhetze oder an ausgewählten Bankiersfamilien dieser Welt abarbeiten ...

Im Original: Definitionen Verschwörungstheorie ...
Aus Wikipedia zu "Verschwörungstheorie"
Der Begriff Verschwörungstheorie wird oft kritisch oder abwertend verwendet. In der Rhetorik ist die mediale Diskreditierung des Gegners vermittels eines solchen Vorwurfs ein erprobtes Instrument. Die Charakterisierung als Verschwörungstheoretiker ist Gegenstand von Diskussionen.
Grundlage vieler Verschwörungstheorien ist ein dezidiertes und vereinfachendes Welt- und Geschichtsbild, das auf der Grundannahme basiert, dass Strukturen der sozialen Wirklichkeit durch Handlungen von Personen direkt steuernd beeinflusst werden können. Vor dem Hintergrund der gegenseitigen strukturellen Abhängigkeiten und hochgradigen Vernetzungen komplexer sozialer Systeme gilt diese Voraussetzung heute jedoch allgemein als unplausibel. Sozialwissenschaftliche Modelle zeigen, dass sich weitreichende Ereignisse in Gesellschaft, Wirtschaft oder Staat nicht allein durch das zielgerichtete Handeln von Personen oder Personengruppen verursachen lassen. Man geht hier vielmehr vom Zusammenwirken vieler verschiedener subjektiver Gründe und objektiver Bedingungen aus, die aus Strukturen, Konjunkturen, Absichten, Gegenabsichten, Irrtümern und schlichten Zufällen bestehen und sich zudem gegenseitig beeinflussen. Die Auffassung, eine relativ kleine Personengruppe könne wichtige gesellschaftliche Ereignisse zentral steuern, gilt daher als unterkomplex. ...
Eine Zentralsteuerungshypothese sieht hinter bestimmten Ereignissen oder Entwicklungen das gezielte, verborgene Wirken von Personen oder Personengruppen, etwa von Geheimbünden oder Geheimdiensten. Dafür kann es gute Gründe geben, da solche Verschwörungen in vielen Bereichen der Wirklichkeit tatsächlich vorkommen. Als Beispiele können mafiose Strukturen, verschiedene Formen der Wirtschaftskriminalität und Lobbyismus angeführt werden. Auch wenn sie das Geschehen in der Regel nur als ein Faktor von vielen beeinflussen, können verborgene Steuerungszusammenhänge für manche Ereignisse von ausschlaggebender Bedeutung sein.

Definition auf der Seite der Skeptiker (GWUP), die aber auch wiederum selbst oft vereinfacht argumentieren
Eine Verschwörungstheorie ist die sachlich unbegründete Annahme, ein bestimmtes, meist negatives Geschehen sei das Ergebnis einer Verschwörung. Durch ihre Argumentation widersetzen sich Verschwörungstheorien jeglicher logischen Widerlegung, deshalb sind sie wissenschaftlich wertlos. Viele Vertreter von parawissenschaftlichen Behauptungen versuchen, ihre Thesen durch Verschwörungstheorien zu stützen (Beispiele s.u.).

Grundlage einer Verschwörungstheorie ist nach dem Modell von Thomas Grüter der Verschwörungsglaube, d. h. der Verdacht, dass eine Personengruppe heimlich Böses plant. Stärker ausgearbeitet als der Verschwörungsglaube ist die Verschwörungslegende, die bestimmte Ereignisse als Ergebnis eines Komplotts erklärt, ohne dies jedoch schlüssig zu beweisen. Die Verschwörungstheorie schließlich bündelt Verdacht und Legenden zu einem fest gefügten System.

Verschwörungstheorien enthalten teils reale Elemente, verquicken diese jedoch mit Erfundenem und bloßen Mutmaßungen zu einer „Parallelwirklichkeit“. Im Gegensatz zur rationalen Ursachenforschung zeichnen sich Verschwörungstheorien durch ihre Immunisierung aus. Äußert eine Person Zweifel oder führt sie Gegenargumente an, wird sie mit dem Vorwurf konfrontiert, selbst zu den Verschwörern zu gehören. Damit wird die Verschwörungstheorie der wissenschaftlichen Überprüfung entzogen. Die vorgebrachten Argumente für die Verschwörung halten jedoch keiner kritischen Untersuchung stand.

  • Dieser Text zu Verschwörungstheorien basiert auf einem Artikel von Jörg Bergstedt in grünes blatt 2/2010
Weitere Infos zu Verschwörungstheorien:
  • Eine leideretwas simpel gestrickte Sammlung war www.esowatch.org, inzwischen zwangsabgeschaltet
  • Daniel Kullas Buch „Entschwörungstheorien“ mit vielen Beispielen (leider ohne Belege und Quellen)
  • Buch von Colin Goldner: "Die Psycho-Szene. Das Buch über den Psychomarkt" und eines von Claudia Barth: "Über alles in der Welt - Esoterik und Leitkultur: Eine Einführung in die Kritik irrationaler Welterklärungen"
  • Sammlungen zu Verschwörungstheorien von Tobias Jaecker
  • taz-Sammlung "Die 21 besten Verschwörungstheorien"
  • Wer die andere Seite mal angucken will, kann das Verlagsverzeichnis des Kopp-Verlags durchblättern. Da ist alles drin, was den Kopf entlastet ...

Im Zusammenhang mit Umweltzerstörung, Globalisierung und Konzernmacht werden verschiedene Verschwörungstheorien besonders häufig benannt. Einige seien hier beispielhaft genannt - und zerpflückt. Da sind zunächst Rockefeller und Rothschild.
Die zwei Familiendynastien, sicherlich keine Wohltätigkeitsunternehmen, sollen die Welt steuern, überall ihre Finger drin haben und sich auf geheimen Treffen (z.B. im Bilderberger-Hotel) die Welt aufteilen.
Eine absurde Annahme schon aus der Unmöglichkeit heraus, 7 Milliarden Menschenvon einer Stelle steuern zu wollen. Das geht schon logistisch nicht. Außerdem sind die Sphären der Macht sichtbar von Konkurrenzen durchzogen, z.B. USA gegen Europa oder wahlweise gegen China, BASF gegen Monsanto, EADS gegen Boing, Microsoft gegen Google, Papst gegen Ajatollahs usw.
Die zweite beliebte Verschwörungstheorie ist die Herrschaft des
Finanzkapitals oder die brutale Zinsknechtschaft. Das klingt erstmal ganz schlüssig: Das Finanzkapital regiert die Welt oder der Zwang zur Begleichung des Zinseszinses prägt alles ökonomische Geschehen. In der Folge bremst die allgegenwärtige Spekulation das produktive Wirtschaften. Doch auch das istabsurd, denn in diesem Wirtschaftsgeschehen besteht überall einpermanenter Druck zur erneuten Verwertung aller Werte, zur Steigerung von Profit und zur Akkumulation wirtschaftlicher Machtmittel (Kapital, Boden, Patente ...). Konzerne, Banken und Regierungen können das verstärken, aber sie sind nicht die Ursache. Spekulative Finanzaktionen unterscheiden sich in der zentralen Logik auch gar nicht von anderen Wirtschaftszweigen. Überhaupt: Was ist die Investition in Immobilien - Spekulation oder Produktion? Außerdem wäre der Welt wohl wenig geholfen, wenn weniger in Devisen und mehr in Rüstung, Atomkraftwerke, Flughäfen und Palmölplantagen investiert wird.
Dann wird es skurril: Nicht nur mit der Gentechnik wollen böse Mächte die Welt steuern, sondern in die Abgase der Flugzeuge werden absichtlich Stoffe gemischt (sog. Chemtrails), damit ... ja, da sind sich die Verschwörungsfans gar nicht einig, wofür das Ganze eigentlich dient. Aber es ist da, sogar Fotos beweisen das. Ein Vorschlag für den Grund des Ganzen ist, dass Gifte beigemischt werden, um die Weltbevölkerung zu reduzieren. Kann das sein? Die meisten Flugzeuge fliegen über Europa und Nordamerika. Also sollen wohl vor allem NordamerikanerInnen und EuropäerInnen ausgelöscht werden. Sind die - in der Tat ja kritikwürdigen - Bevölkerungskontrollprogramme für Asien und Afrika dann nur eine Ablenkung vom wirklichen Ziel, die Menschen in den EU und USA zu liquidieren? Einschließlich derer, die das Ganze anzetteln und ja dieselbe Luft atmen?
Dass in Flugzeugabgasen viel Gift enthalten ist und Fliegen deshalb auch ein Problem darstellt, bleibt trotzdem klar. Das Problem sind aber nicht die Beimischungen, sondern das Kerosin und die Flughäfen selbst.
Wer auf gentechnikkritischen Veranstaltungen - und auch anderswo - zugegen ist, begegnet einer weiteren bemerkenswerten Sparte verschwörungstheoretischer Argumentationskunst: Den Reichsdeutschen. Sie behaupten, die BRD würde nicht existieren, weil die Verfassung nie vom Volk angenommen wurde.
Stimmt leider nicht - auch wenn es schade ist, denn wenn Staaten nicht existieren würden, deren Verfassung nie vom „Volk“ (was ist das?) angenommen wurde, dann würden ganz schön viele vom Globus verschwinden. Deutschland im übrigen komplett, denn was die Reichsdeutschen da brabbeln, gilt ja für 3. Reich und alle Vorphasen genauso. Tipp: Den Reichsdeutschen zustimmen und das Argument erweitern: Es gibt nicht nur die BRD, sondern ganz Deutschland gar nicht, denn nie hat ein "Volk" der Gründung dieser Nation zugestimmt. Meistens finden die Reichdeutschen diese Interpretation aber gar nicht mehr so toll.
Beispiele für Gentechnikkritiker_innen, die öffentlich auch rechte und Verschwörungstheorien verbreiten
  • William F. Engdahl, Autor von "Saat der Zerstörung", hat inzwischen etliche Bücher im Kopp-Verlag über alle möglichen Themen geschrieben, vorzugsweise zu Verschwörungen und Weltbeherrscher
  • Klaus Faißner, Autor mehrerer Anti-Gentechnik-Bücher, schreibt regelmäßig Anti-USA- und pro-nationalistische Texte in "Compact", der wichtigsten Zeitung der vereinfachten Welterklärungen mit starken rechten Ausrichtungen, z.B. für die EU-Austrittsinitiative der Initaitive Heimat&Umwelt in Österreich oder als Unterstützung der "Staatsmänner wie Ungarns Viktor Orbán, die sich im Sinne ihres Volkes für den Nationalstaat einsetzen".
Das Gegenprogramm: Skeptisch denken, kritisch analysieren
Alles, was mit einfach scheinenden Erklärungen herüberkommt, sollte kritisch beäugt werden. Oder überhaupt alles. Denn dazu ist der Kopf da - und das beste Gegengift zu Verschwörungstheorien und Regierungspropaganda heißt schlicht, immer skeptisch zu sein, zu hinterfragen und viele Quellen zu nutzen. Beginnen Sie gleich mit diesem Text und diesem Buch insgesamt: Nichts ist eine Bibel - schon gar nicht die Bücher, die sich dreist auch noch so nennen, um besonders wichtig genommen zu werden. Ihr Kopf ist der Partner, auf den Sie sich am meisten verlassen können. Und schon der macht viele Fehler!
Das kann dann auch das Eindringen rechten und anti-emanzipatorischen Gedankenguts abwehren. Die Ausweitung der Gentechnikkritik durch die Herrschaftsbrille und das offensive Formulieren einer Zukunft, in der nicht die Zunahme von Kontrolle, Macht und Reglementierung, sondern deren Verschwinden die menschliche Produktivkraft für ein besseres Leben nutzbar macht, bietet die notwendige unddeutliche Abgrenzung gegenüber antiemanzipatorischen Blickwinkeln. Solange nämlich nur Gesundheit und Umweltschutz die Kritik ausmachen, können sich Rechtsextreme, AnbeterInnen fremder Mächte (von kosmischer Energie bis zu irgendwelchen Göttern, deren Willen zu befolgen sei oder deren Werke mit der Gentechnik besudelt würden) oder FreundInnen entfesselter Regulierungswut durch immer neue Gesetze und Ordnungstruppen (Kameras an allen Feldern?) problemlos einreihen. Die Unterschiede würden nicht auffallen. Sie wären im Kern ja auch gar nicht vorhanden. Wo aber eine emanzipatorische Orientierung sichtbar wird, entspannt sich die Lage. Wer sich um die Machtfülle von Staaten oder Göttern, die Reinheit von Völkern oder die Unversehrtheit von Heimat sorgt, steht dann im Widerspruch dazu. Ausgrenzungen sind gar nicht mehr nötig, weil der Unterschied sichtbar ist.

Im Original: Gentechnik und Herrschaftskritik ...
Emanzipatorische Gentechnikkritik
Aus Jörg Bergstedt:"Gentechnik und Herrschaft: Eine Kritik aus emanzipatorischer Perspektive"
Durch die „Herrschaftsbrille“, d.h. mit herrschaftsdemaskierendem Blick, hat die aktuell entwickelte Gentechnik bereits deutlich erkennbare Nachteile. Diese lassen sich auch nicht durch weitere „Sicherheitsforschung“ abschaffen – daher kippt auch das Argument der heute propagandistisch fast immer als Sicherheitsforschung deklarierten Gentec-Versuche. Im Folgenden sollen Kritikpunkte gegen Gentechnik benannt werden, die im System dieser Technik verankert sind und innerhalb der herrschenden Verhältnisse antiemanzipatorische Tendenzen stärken:
Verschärfung von Abhängigkeiten:
Bereits häufiger in die Diskussion eingebracht wurde der Hinweis auf steigende Abhängigkeiten der VerbraucherInnen und der LandwirtInnen. Die Entwicklung der Gentechnik bei Profit- und Machtorientierung soll die KundInnen an die Produkte der Firma ketten durch Knebelverträge, Kombinationen von Saatgut und Spritzmittel sowie Patentierungen. Hier gibt es bereits eine Vielzahl von Entwicklungen, d.h. die Probleme bestehen bereits - weitere können hinzukommen (und werden, wenn Verwertungslogik weiterhin die Ökonomie dieser Welt bestimmt). ...
Ausdehnung von Profit und Macht in neue Lebensbereiche: Neue Profit- und Machtsphären entstehen durch die Ausdehnung der Verwertungslogik auf bisher nicht erfasste Lebensbereiche, z.B. die Patentierung von Tieren und Pflanzen, Gensequenzen usw. Hierdurch werden die Spielräume für eine selbstbestimmte Entwicklung eingeschränkt, da die patentierten Organismen und Sequenzen für selbstorganisierte Ökonomien verloren gehen. Wissen und Möglichkeiten der Nahrungsmittelversorgung, der Bekämpfung von Krankheiten und Verletzungen oder anderer lebenswichtiger Technologien sind nicht für alle Menschen gleich verfügbar, sondern werden von profitorientierten Unternehmen gehortet. Da Konzerne aufgrund der Regel der ständigen Verwertung und des Marktes immer alle Möglichkeiten ausnutzen, sich Profit, Monopol und Macht zu sichern, ist das Patent auf Leben keine Spitze des Eisberges, sondern ein Grundmuster, dass unter Herrschaftsverhältnissen zur Gentechnik dazugehören wird. ...
Gentechnik im Kapitalismus wird Hunger und Armut verstärken ...
Weitere Verschärfung von Hunger und Elend durch künstliche Verknappung: Selbst dort, wo die Ausdehnung von Elend, Ausbeutung, Armut und Hunger sehr offensichtlich dem Zweck der Profitmaximierung dient, ist die Forschung und Entwicklung sofort dabei. Dass Firmen und EntwicklerInnen dann bewusst den Weg über Leichen wählen, ist wieder kein Zufall oder eine Entartung kapitalistischer Wirtschaft, sondern folgt schlicht deren Grundlogiken. ...
Die Macht des Faktischen: Wer in der Lage ist, zu handeln und damit die Ausgangsposition der Debatte zu definieren, gewinnt (oft bedeutsam) an Macht. In der Debatte um Gentechnik stützt vor allem der Staat die gentechnikbefürwortende Seite durch die Genehmigung von Anwendungen der Gentechnik. Diese führt nämlich dazu, dass die Gentechnik vorhanden ist - und die Debatte darum geht, ob sie wieder wegkommt. Das ist eine entscheidende Veränderung. Würde nämlich erst diskutiert und dann gehandelt, wären die BefürworterInnen der Gentechnik in einer deutlich schlechteren Lage.
Hinzu kommt, dass der Staat die formalisierte Macht des Faktischen mit seinen Durchsetzungsarmeen (Behörden, Polizei, Gerichte) absichert. ...
Ingenieursdenken statt Sozialpolitik oder soziale Prozesse: Gentechnik ist vom Ansatz her ein Reparieren an Natur und Mensch – zumal mit technischen Mitteln, d.h. es lenkt den Blick vom Sozialen auf das Technische. Die Ziele der Gentechnik aber sind fast ausnahmslos soziale: Gesundheit, Lebensmittelverteilung (nicht deren vermehrte Erzeugung, denn die Menge ist nicht das Problem!), Überwachung, Eugenik bis Euthanasie. Somit fördert die Gentechnik prinzipiell die Ausdehnung des Ingenieursdenkens auf soziale Fragen. Die Gesellschaft und die in ihr lebenden Menschen werden immer stärker zu einem Gegenstand des Sezierens in Laboren und Fabriken. Die gesellschaftliche Debatte verlagert sich immer weiter auf das ohnehin in Sozialpolitik, Bildung und Erziehung, Strafwesen und Medienpolitik bereits prägende Optimieren von Menschen für bestimmte Interessen und definierte Anforderungen statt einer Veränderung der Lebensbedingungen nach den Bedürfnissen der Menschen. ...
Forschung für Profit und Macht (Monopole, Kontrolle usw.): Aus Profit- und Machtinteressen kombinieren die Konzerne und Institutionen der Gentechnik ihre gentechnischen Veränderungen mit Kontroll- und Steuerungsmechanismen. Damit verfolgen sie nicht Ziele des Umweltschutzes, der sicheren Nahrungsmittelversorgung oder der Hilfe für LandwirtInnen, wie sie in ihrer Werbung stets als Grund für Gentechnik angeben. Sondern sie wollen die Weiterverwendung des Saatgutes, ja selbst die Verbesserung des Saatgutes durch Weiterzüchtung unterbinden, wenn sie ihnen keinen Profit bringt, und vereinfachte Nachweismöglichkeiten für (z.B. aus der puren Not heraus entstandene) Weiterverwendungen haben. Zudem wollen sie den Einsatz und die Wirkungen besser steuern können. So entwickeln Konzerne zur Zeit gentechnische Schaltersequenzen, die bestimmte Wirkungen der Pflanze bei Kontakt mit bestimmten chemischen Substanzen auslösen. Dadurch ist nicht nur der Kombinationsverkauf z.B. mit Pestiziden garantiert, sondern es lassen sich auch ganz andere Anwendungsfälle vorstellen, deren von Machtinteressen angetriebene Erforschung längst läuft: Beispielsweise die Möglichkeit, in Konfliktfällen durch das Besprühen ganzer Landschaften gezielt Hungersnöte auszulösen. ...
Überlegene Diskurssteuerung: Die überlegene Macht zur Steuerung von Diskursen verschärft das vorhandene materielle Gefälle, d.h. die unterschiedlichen Handlungspotentiale. So können die Ziele wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Aktivitäten verfälscht und z.B. Änste geschürt werden, um damit dann scheinbare Lösungen für erfundene Probleme zu verkaufen. Ein prägnantes Beispiel ist der behauptete Hunger durch das Bevölkerungswachstum. Hier ist nicht nur erfunden, dass Agro-Gentechnik überhaupt hilfreich wäre, sondern auch das Problem selbst ist frei erfunden. Denn nicht die Menge der Menschen, sondern die Art von Wirtschaft und Regierung sind die Ursache des Hungers. Dadurch, dass es gelingt, die Diskurse zu steuern, lassen sich auch Lösungsmöglichkeiten bewerben. ...
Zusammenfassend lässt sich sagen: Unter den bestehenden gesellschaftlichen Bedingungen dienen Forschung und Anwendung der Gentechnik prinzipiell Profit- und Machtinteressen. Das gilt auch für andere Forschungs- und Technikbereiche. Daher ist mit der Kritik an der Gentechnik auch die Kritik an den Herrschaftsstrukturen in der Gesellschaft zu benennen. Die anderen, zur Zeit im Vordergrund stehenden, gesundheitlichen und ökologischen Argumente gegen die Agro-Gentechnik bestehen darüber hinaus weiter.


Der Gegenentwurf: Was ist emanzipatorischer Umweltschutz?
Aus
der Internetseite www.umwelt-und-macht.siehe.website
Es gibt viele Gründe, warum Umweltschutz "out" ist, z.B. Vereinsmeierei, Konkurrenzdenken, kommerzielle Ziele, Bürokratie und Hierarchie. Filz mit Politik und Konzernen steht einer druckvollen Arbeit ebenfalls im Wege. Der wichtigste Punkt aber war und ist: Umweltschutz organisiert sich bislang immer von oben, d.h. die Menschen werden zur Zielgruppe von Strafandrohung, Bildungsarbeit, Appellen und finanziellen Steuerungen. Niemals sind sie AkteurInnen. Bei der Frage, wie Innenhöfe, Straßen, Stadtteile oder Landschaften gestaltet werden sollen, wenden sich UmweltschützerInnen an den Staat, neuerdings auch immer öfter an die Firmen als zunehmender Machtfaktor. Die Konzepte aus der Öko-Ecke stützen die Machtsysteme, zur Zeit begleiten sie die neoliberale Weltordnung. Das ökonomisches Diktat wird nicht in Frage gestellt, sondern begrünt: Ökosteuer, Ökoaudit oder Selbstverpflichtung. Oder schlimmer: Sogar selbst eingefordert oder umgesetzt "Ökos" sind heute die GegnerInnen von mehr BürgerInnenbeteiligung, und verwertungsfeindlichen Lösungen. Sie sind Öl im Getriebe von Markt und Staat.
Die Folgen: Umweltschutz verliert an Akzeptanz in der Bevölkerung, weil die bevormundet wird. Und er ist nicht mehr bündnisfähig mit sozialen Bewegungen, die Selbst- und Mitbestimmung zum Ziel haben.
Emanzipatorischer Umweltschutz will etwas ganz anderes: Die Menschen werden zu AkteurInnen. Die Straßen, Häuserblöcke und Landschaften müssen den Menschen gehören, die in ihnen leben. Niemand kann über Flächen und Orte bestimmen, ohne selbst betroffen zu sein. "Demokratisierung von Flächen- und Rohstoffverbrauch" heißt das Gegenkonzept zu Ordnungsrecht oder dem kapitalistischen Instrument Ökosteuer. Vision ist eine Welt von unten. Die kleinen Schritte dahin bestehen aus konkreten Projekte, die die Menschen zu den EntscheiderInnen machen: Windanlagen, die den Menschen drumherum gehören (statt teurer Großanlagen ohne örtliche Akzeptanz), Stromnetze im Besitz der BürgerInnen, ökologische Bauernhöfe im Gemeinschaftsbesitz, lokale Ökonomien ohne Apparate und vieles mehr.
Dazu gehört aber auch, die Visionen einer Welt von unten laut zu benennen, denn Visionen können motivieren. Zudem bleibt die Chance, für dieses Ziel wieder Bündnisse zu schaffen mit anderen sozialen Bewegungen, die gemeinsam an einer Welt von unten arbeiten. Konkrete Kristallisationspunkte wie konkrete Modelle oder der Widerstand gegen neoliberalen Wahn können der Anfang sein. Abschied zu nehmen ist von der vor allem in NGO Kreisen gern verbreiteten Mär vom guten Staat, von der "good governance", die die Auswüchse des Neoliberalismus eindämmen soll. Der Staat organisiert die Ausbeutung. Er ist Gegner, nicht Partner. Hoffnung für die Umwelt und die Menschen gibt es erst dann, wenn die Menschen den Zugriff auf ihre Lebensressourcen erhalten. Und Umweltminister, Daimler Manager usw. von den Podien der sog. Umweltbewegung verschwinden!

Kritische Analyse statt Dogmatismus- eine herrschaftskritische Warnung
Aus Jörg Bergstedt:"Gentechnik und Herrschaft: Eine Kritik aus emanzipatorischer Perspektive"
Aus der Idee von Unbestimmtheit der Zukunft folgt aus herrschaftskritischer Sicht eine Position, die manch radikalem/r GentechnikgegnerIn vielleicht zunächst aufstößt: Es ist nie emanzipatorisch, die Zukunft festschreiben zu wollen. Über das Geschehen in einigen Jahren, Jahrzehnten oder Jahrhunderten entscheiden nicht die Menschen jetzt, sondern dann. Deshalb ist es problematisch, nicht rückholbare Veränderungen vorzunehmen. Zwar ist Wandel auch immer ein Teil von Natur und Kultur (die ohnehin nicht trennbar sind), aber dennoch müssen grundlegende Eingriffe besonders gut überlegt und begründet werden. Das ist ein wichtiges Argument gegen Gentechnik. Allerdings folgt daraus nicht, dass auch unter gewandelten, z.B. herrschaftsfreien Verhältnissen jede Gentechnik abzulehnen ist. Denn diese Situation ist aus der heutigen heraus nicht wirklich plan- und vorstellbar. Daher wäre eine Festlegung ein anti-emanzipatorischer Akt, weil es Menschen der Zukunft Handlungsschranken auferlegen will. Daher sollte eine emanzipatorische Kritik der Gentechnik immer die konkreten Formen dieser Technik benennen und die Rahmenbedingungen, unter denen sie steht. Daraus kann eine grundlegende Ablehnung der Gentechnik folgen, denn alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens unterliegen aktuell sowohl der Profit- wie auch der Machtmaximierung, z.B. auch die Medizin. Es ist sogar sehr naheliegend, die Gentechnik unter aktuellen Bedingungen ganz abzulehnen. Aber eben nicht für immer, weil es grundsätzlich nicht sinnvoll ist, für Situationen etwas festlegen zu wollen, die mensch nicht kennt. Jedenfalls aus herrschaftskritischem Blick wäre das fatal. Denn die radikal herrschaftskritische Perspektive ist dort aufgehoben, wo aus politischen Positionen, die aus aktuellen emanzipatorischen Überlegungen resultieren, feststehende, nicht mehr hinterfragbare Dogmen werden. Herrschaftsfreiheit kennt keine Klarheiten außer der, das immer die Menschen selbst der Ausgangspunkt sind. Nicht steht höher als sie - keine Religion, Moral, kein Gesetz und keine Ideologie, auch wenn alle die das immer von sich so behaupten und mit Macht durchsetzen.


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