Projektwerkstatt Saasen

BASISTEXTE UND DEBATTEN

Gewaltdebatte auf Hoppetosse (Auszüge aus drei Mails)


1. Kritik an platter, vermittlungsloser Militanz
2. Halt, keine Gewalt!
3. Lügen über Abläufe bei Demonstrationen und Protesten
4. Gewaltdebatte auf Hoppetosse (Auszüge aus drei Mails)

ich traue mir zwar nicht zu, den Fall in Köln aus dem fernen Leipzig wirklich beurteilen zu können, v.a. ohne über die Sachlage ausreichend (d.h. über die hier versandten mails hinaus) informiert zu sein. Ich persönlich halte Gewalt, besonders gegen Personen, für kein Mittel, welches auf dem Weg zur Emanzipation hilfreich ist - was nicht heißt, das sie nicht mitunter notwendig sein oder zumindest als notwendig erscheinen kann: den Übergriff auf die Kölner Jusos heiße ich daher gewiss nicht gut.
Was mich aber wundert, ist das einige Personen hier offenbar mit zweierlei Maß messen. Wenn ein gewisser Joschka F. Ziel einer Attacke mit ´nem Farbbeutel wird, ist es ´ne supertolle, kreativ-widerständige Aktion - wenn Kölner Jusos eins auf die Fresse kriegen, wird plötzlich „infantile Inquisitions-like“ eine Art szeneinterner Strafverfolgung gegen die Täter aufgezogen - zusätzlich zur polizeilichen! - und sich mit den Opfern mehr oder weniger uneingeschränkt solidarisiert.
Ich weiß nicht, wie ihr zu dieser Beurteilung kommt, sehe jedoch zwei mögliche Erklärungsebenen:
1) die moralisierende:
Also von wegen Fischer sei ja ganz schlimm und um was gegen den Krieg zu tun, ist Gewaltanwendung samt Körperverletzung gegen ihn schon okay etc. pp. - auf die beiden Jusos träfe dies aber nicht zu Dies halte ich aber für gefährlich verkürzt, da:
a) der Farbbeutelwurf den Krieg (oder auch die Zustimmung der Grünen zu ihm) nicht aufhalten würde - soviel politische Klarheit sollte der Täter schon gehabt haben
b) Fischer, auch wenn er den Krieg guthieß und ihn vorantrieb, nicht „Schuld“ an ihm ist, im Sinne von Fischer weg -> kein Krieg mehr
c) auch die Jusos ja Mitglieder einer Kriegspartei sind - wo ist der Unterschied? Das sie (noch) keine ausreichend wichtigen Pöstchen haben? Was nicht ist, kann ja noch werden ...


Daraus folgere ich: die Gewaltanwendung gegen Personen war entweder in beiden Fällen („moralisch“) okay oder sie war in beiden Fällen („moralisch“) daneben - alles andere scheint mir opportunistisch.
2) die politisch-taktische:
Natürlich macht sich die Aktion gegen Fischer von der Öffentlichkeitswirksamkeit, so wegen „Erregungskorridor“ und dergleichen“ besser, auch wenn das wohl hauptsächlich aus oben genannten Verkürzungen resultiert und auch wenn alle mir bekannten Bürgis meinten, dass sich Leute unglaubwürdig machen, wenn sie aus pazifistischen Gründen Gewalt anwenden.
Aber zurück zum Thema: Wenn der Angriff auf die Kölner Jusos nur aus Gründen der Taktik für falsch gehalten wird, dann besteht auch kein Grund für eine szeneinterne „Strafverfolgung“; eine Diskussion zum Thema dürfte erstmal ausreichen.
Faulheit, Luxus, Anarchie
Micha


Tut mir leid, ich habe eine dritte und vierte:
3. Die der Angemessenheit
Jede politische Aktion hat viele Wirkungen und es ist wichtig, richtig viele Ueberlegungen einzubeziehen. Direkte Aktion bedarf des Kopfes. Und der Reflexion, also im besten Fall der Kommunikation (wenn mensch nicht allein ist ;-)
Direkte Intervention z.B. hat oft verdammt schlechte Karten, Menschen nicht direkt anzugehen, verbal, mitunter koerperlich, selten gesundheitsgefaehrdend, absolut-ausnahmsweise lebensgefaehrdend. Das liegt an der Situation. Die zu erfassen und zu bewerten, ist wiederum Sache des Kopfes.
Im Konkreten: Fischer ist politisch Verantwortlicher eines Krieges (nicht der einzige, das ist klar), der viele toetet, extrem viele verletzt und Massen vertreibt. Ziel ist die Thematisierung des KRieges, des Schreckens, der politischen Verantwortung insgesamt und der Gruenen bzw. des Symbols Fischer speziell. Dein Kopf rotiert. Was tun? Petition? Unterschriftensammlung? Heute wuerden viele vielleicht Attac-Fahnen schwingen und ihren Tobin-Pfarrern zujubeln. Aber MEIN Kopf signalisiert: Das bringst nicht. Ich waege ab. Und komme zu der Ueberzeugung: Der Farbbeutel war angemessen. Dasselbe bei den Jusos: ... (brauch ich wohl nicht zu schreiben, dass MEIN Kopf da auf andere Ideen kaeme).
*MEIN schreibe ich hier uebrigens gross, um deutlich zu machen, dass andere Koepfe andere Ergebnisse bringen koennen.
4. Gewalt von unten
Gewalt ist nicht gleich Gewalt. Die von unten richtet sich gegen strukturelle Gewalt. Es ist der Schlag gegen den unterdrueckenden Ehemann, die Eltern, den Arbeitgeber, den General, den ... Auch hier ist der Kopf zu benutzen. Herrschaft kann subversiv begegnet werden oder mit Gewalt bis hin zu militaerischen Logiken. Der Farbbeutel wurf ist ein Akt gegen strukturelle Gewalt, daher Gewalt von unten.
Bei den Jusos: Nix zu erkennen, dass diese beiden strukturelle Gewalt ausueben. Die SPD schon, aber stehen diese beiden dafuer? Das mag sein, muss dann ueber ueberlegt, abgewogen werden. Der Kopf muss arbeiten, dazu ist er da. Prinzipiell Gewalt abzulehnen, heisst den Kopf im konkreten Fall nicht mehr zu benutzen und zu akzeptieren, dass es viele, viele Situation gibt, wo ich nix mehr machen kann. Nach Hause gehe.
Der Farbbeutel ist eine Mischung aus 3 und 4.
Oder viel kuerzer von jemandem, der eben formulieren kann:
„Wenn ich die Wahl haette zwischen Feigheit und Gewalt, so wuerde ich zur Gewalt raten.“
Wer hats gesagt?*
Gruß Jörg

*Mahatma Gandhi

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