Projektwerkstatt Saasen

STELLUNGNAHME DES OBERSTAATSANWALTES ZUR REVISION

Alles unbegründet ... sagt die Staatsanwaltschaft


1. Befangenheitsantrag vor der Revision
2. Die Revisionsschriften
3. Alles unbegründet ... sagt die Staatsanwaltschaft
4. Gegenvorstellung des Angeklagten PN
5. März 2006: OLG Frankfurt verwirft Revision
6. Der OLG-Beschluss vom 29.3.2006 (Az. 2 Ss 314/05)
7. Pressereaktionen
8. Reaktionen nach Revisions-Abweisung
9. Links zur Revision
10. Verfassungsklage des zu 8 Monaten Haft Verurteilten in drei Teilen
11. Einreichung der Verfassungsklage und erste Zwischenerfolge
12. Verfassungsgericht hebt Urteile auf
13. Presse zum Verfassungsgericht
14. Ausblick auf die Prozess-Wiederholung
15. Links zur Verfassungsklage

Staatsanwaltschaft HESSEN bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Geschaftszeichen 5Ss314105, Datum 13.10.2005

S t e l l u n g a h m e
in der Strafsache
g e g e n

1.) Jörg Be r g s t e d t
2.) Patrick N e u h a u s

w e g e n gefährlicher Körperverletzung pp.

Zu den Revisionen der Angeklagten
gegen das Urteil des Landgerichts Gießen vom 03.05.2005 sowie
zu den Beschwerden der Angeklagten
gegen den Beschluss des Landgerichts Gießen vom 11.07.2005

Az.: 5/33 Ns 8910 Js 219753/03 (2/04)

I.

Mit Urteil vom 15.12.2003 hat das Amtsgericht Gießen den Angeklagten Bergstedt wegen Sachbeschädigung in 8 Fällen, wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in 2 Fällen, dabei in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher und in einem Fall mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Hausfriedensbruchs und wegen Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten sowie den Angeklagten Neuhaus wegen Hausfriedensbruchs und wegen Sachbeschädigung in 9 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 10,- Euro verurteilt.

Auf die hiergegen von beiden Angeklagten eingelegten Berufungen hat das Landgericht Gießen mit Urteil vom 03.05.2005 das angefochtene Urteil aufgehoben, den Angeklagten Bergstedt we gen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung in 6 Fällen, wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Hausfriedensbruchs und wegen Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten sowie den Angeklagten Neuhaus wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung in 6 Fällen und wegen Hausfriedens bruchs zu einer Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10,- Euro verurteilt, wobei dem An geklagten Neuhaus gestattet wurde, die Strafe in monatlichen Raten von jeweils 50,- Euro zu bezahlen, und die Angeklagten im Übrigen freigesprochen.

Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils form- und fristgerecht eingelegten so wie in gleicher Weise begründeten Revisionen, denen m. E. ein Erfolg zu versagen sein wird.

Ferner hat das Landgericht Gießen mit Beschluss vom 11.07.2005 die Anträge der Angeklagten, ihnen für die Durchführung der Revision jeweils einen Pflichtverteidiger zu bestellen, zurück gewiesen (vgl. Bl. 281 Bd. VI d. A.).

Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Beschwerden vom 19.08.2005 (vgl. Bl. 286 Bd. VI d. A.) bzw. 22.08.2005 (vgl. 131. 290 Bd. VI d. A.), denen das Landgericht Gießen nicht abgeholfen hat (vgl. Bl. 293 Bd. VI d. A.) und m. E. ebenfalls ein Erfolg zu versagen sein wird.

II.

Soweit sich die Angeklagten mit ihren Beschwerden vom 19.08.2005 bzw. vom 22.08.2005 ge gen den Beschluss des Landgerichts Gießen vom 11.07.2005 wenden, sind die betreffenden Be schwerden zwar zulässig und formgerecht eingelegt, jedoch aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht gerechtfertigt.

Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main hat bereits in seinem Beschluss vorn 14.01.2005 (Az.: 3 Ws 10105), durch den die Beschwerde des Angeklagten Bergstedt gegen den Beschluss des Landgerichts Gießen vom 22.06.2004 zurückgewiesen wurde, durch den wiederum der Antrag des Angeklagten Bergstedt auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers für das Berufungsverfahren abgelehnt worden war, zutreffend dargelegt, dass auch schon in der Berufungsinstanz kein Fall einer notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO gegeben war, da weder aus der Anzahl der Verhandlungstage noch der Zeugen oder aus der Vielzahl der Tatvorwürfe auf eine beson dere "Schwierigkeit der Sache" i . S. d. § 140 Abs. 2 S. 1 StPO geschlossen werden kann (vgl. Bl. 21 Bd. V d. A.).

Von der dortigen Beurteilung im Rahmen des Revisionsverfahrens abzuweichen besteht kein Anlass, denn für die Begründung der Revision ist ein Pflichtverteidiger grundsätzlich nicht bei zuordnen, da die Revisionsbegründung vor dem Rechtspfleger erklärt werden kann; Ausnahmen bestehen nur bei Abfassung besonders schwieriger Revisionsrügen (vgl. OLG Hamm NSJ 82, 345-, OLG Koblenz, Rpfleger 84, 366).

Dass im vorliegenden Fall die Revisionsbegründung besondere Schwierigkeiten - im Sinne von über die generell hiermit verbundenen noch hinausgehende - macht, ist nicht ersichtlich. Hierge gen spricht insbesondere der Umstand, dass die Begründung der Revision des Angeklagten Neuhaus gerade nicht durch den von diesem am Tag der Urteilsverkündung (erneut) bevollmächtigten Wahlverteidiger (vgl. B. 242 Bd. V d. A.) erfolgt ist, sondern der Angeklagte Neuhaus sie selbst gegenüber dem Rechtspfleger des Landgerichts Gießen erklärt hat.

III.

Die Rüge der Nichteinhaltung der Urteilsabsetzungsfrist des § 275 Abs. 1 S. 2 StPO, mit der der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 7 StPO geltend gemacht wird, ist vom Angeklagten Neuhaus nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Weise und damit bereits nicht zulässig erhoben worden.

Bei Verfahrensrügen muss die Revisionsbegründung die den Verfahrensmangel enthaltenden Tatsachen in Form bestimmter Behauptungen so genau angeben, dass das Revisionsgericht allein atiforund dieser Begründung und ohne Rückgriff auf die Akten prüfen kann, ob der behauptete Verfalirensfehler vorlIeot. falls das tatsächliche Vorbringen zutrifft (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl. Rdz. 20 ff. zu § 3 44).

Danach gehört zum notwendigen Revisionsvorbringen im Falle der Rüge der Verletzung der Urteilsabsetzungsfrist des § 275 StPO die Angabe, wann das Urteil verkündet und wann es zu den Akten gebracht wurde (vgl. BGHSt 29, 203).

Zwar geht aus der Revisionsbegründung des Angeklagten Neuhaus hervor, dass das Urteil am 0 1.05.2005 verkündet worden ist. Die bestimmte Behauptung, wann das Urteil zu den Akten gebracht wurde, enthält sie hingegen nicht. Auch der Schilderung über den Besuch des Ange klagten Bergstedt auf der Geschäftsstelle der Strafkammer vom 11.07.2005 ist lediglich die Be hauptung zu entnehmen, dass die Mitarbeiter der Serviceeinheit diesem gegenüber angegeben haben, keine Kenntnis davon zu haben, dass das Urteil mit den Gründen bereits zur Akte gelangt ist, was weder die Tatsachenbehauptung beinhaltet, dass die Mitarbeiter der Serviceeinheit mitgeteilt hätten, dass das Urteil zu diesem Zeitpunkt nicht zur Akte gelangt ist, noch die Behauptung, dass das Urteil zu diesem Zeitpunkt nicht zur Akte gelangt ist.

Die Rüge der Verletzung des Akteneinsichtsrechts nach § 147 StPO, mit der der absolute Revi sionsgrund des § 338 Nr. 8 StPO geltend gemacht wird, ist vom Angeklagten Neuhaus ebenfalls nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Weise und damit bereits nicht zulässig erhoben worden.

Zum notwendigen Revisionsvorbringen gehört bei der Rüge einer unzulässigen Beschränkung der Verteidigung gemäß § 338 Nr. 8 StPO wegen Verletzung des Akteneinsichtsrechts nach § 147 StPO zum einen der Vortrag, dass in der Hauptverhandlung erfolglos ein Aussetzungsan trag, mindestens aber ein Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens gestellt worden ist (vgl. KG VRS 83, 428), zum anderen muss auch eine konkret-kausale Beziehung zwischen einem etwai gen Verfahrensfehler (z. B. unvollständige Akteneinsicht §§ 147, 228 StPO, Verstoß gegen ein faires Verfahren Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG, Verletzung rechtlichen Gehörs Art. 103 Abs. 1 GG) und einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt, d.h. ein konkretes Ergebnis für den Fall ordnungsgemäßer Akteneinsicht, dargetan werden (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 50). Bei des kann den Ausführungen des Angeklagten Neubaus nicht entnommen werden.

Aus dem gleichen Grund ist auch die vorn Angeklagten Neuhaus erhobene Rüge der Verletzung vo n zwischen dem Gericht und den Angeklagten getroffenen Vereinbarungen, wonach die Beweisaufnahme und die Plädoyers zeitlich getrennt an unterschiedlichen Tagen stattfinden sollten, ferner der 29.04.2005 Ausweichtermin sein sollte, falls das Verfahren nicht an 25.04.2005 abge schlossen sein sollte, und eine Pause bis nach Pfingsten gemacht werden sollte, falls auch der 29.04.2005 nicht als Ausweichtermin ausreicht, nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Weise ausgeführt und damit bereits nicht zulässig erhoben.

In der Sache wird mit der betreffenden Rüge ebenfalls der absolute Revisionsgrund der unzuläs sigen Beschränkung der Verteidigung nach § 338 Nr. 8 StPO, hier durch Verstoß gegen das Gebot eines fairen Verfahrens, geltend gemacht, ohne dass jedoch in der Revisionsbegründung die konkret-kausale Beziehung zwischen dem etwaigen Verfahrensfehler und einem für die Ent scheidung wesentlichen Punkt dargetan wird.

Soweit der Angeklagte Neuhaus die Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit nach § 338 Nr. 6 StPO mit der Begründung rügt, dass der Antrag, EJHW Weber bei der Eingangskontrolle in dem Verfahren nicht weiter einzusetzen, weil wegen dessen rüder Eingangskontrollen zu be fürchten gewesen sei, dass Bürger von ihrem Recht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung kei nen Gebrauch machen würden, vom Gericht abgelehnt worden sei, ist auch diese Rüge nicht in einer den Anforderungen des §§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Weise und damit bereits nicht zulässig erhoben worden.

Zum einen wird schon nicht bestimmt behauptet, dass durch das Verhalten des betreffenden Wachtmeisters bei den Einlasskontrollen tatsächlich potentielle Zuschauer daran gehindert wor den sind, Gebrauch von ihrem Recht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung zu machen, son dern lediglich eine entsprechende "Befürchtung" des Angeklagten geäußert. Zum anderen wer den die angeblich „rüden" Einlassmethoden nicht hinreichend konkretisiert, um dem Revisions gericht eine Überprüfung daraufhin zu ermöglichen, ob aufgrund dieser Methoden überhaupt be rechtigter Anlass für derlei Befürchtungen bestand. Des Weiteren geht aus den Ausführungen des Angeklagten Neuhaus auch nicht hervor, ob der fragliche Wachtmeister auch nach der Ab lehnung des Antrags durch das Gericht weiter bei den Eingangskontrollen im Einsatz war oder dabei ggf. weiter seine angeblich "rüden" Einlassmethoden an den Tag gelegt hat, was aber Vor aussetzung für die Annahme einer etwaig dem Gericht zurechenbaren Beschränkung der Öffent lichkeit wäre, die allein einen absoluten Revisionsgrund nach § 338 Nr. 6 StPO darstellt (vgl. BGHSt 22, 297).

Die Rüge der Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit nach § 338 Nr. 6 StPO durch den Angeklagten Neuhaus mit der weiteren Begründung, dass an den Hauptverhandlungstagen am 24.03. und 25.04.2005 jeweils dieselbe männliche Person aus dem Sitzungssaal entfernt worden ist, weil diese jeweils einen Hut trug und nicht bereit war, diesen im Gerichtssaal abzunehmen, ist hingegen unbegründet.

Zwar stellt auch die unberechtigte Entfernung auch nur eines einzelnen Zuhörers eine ungesetzli che Beschränkung der Öffentlichkeit nach § 338 Nr. 6 StPO dar (vgl. BGHSt 17, 201). Aller dings war die Entfernung des Zuschauers nicht unberechtigt, sondern erfolgte in Wahrnehmung der sitzungspolizeilichen Befugnisse des Gerichts nach §§ 175 Abs. 1, 177 S. 1 GVG, da das Tragen einer Kopfbedeckung im Gerichtssaal, sofern es nicht aus religiösen oder sonstigen besonderen sachlichen Gründen (z. B. Verdeckung entstellender Kopfverletzungen) geschieht, als Ungebühr bzw. Verletzung der Würde des Gerichts anzusehen ist (vgl. KG Berlin, Beschl. v. 02.10.1997 - 1 AR 1207/97 - 4 Ws 215/97 -). Da solche besonderen sachlichen Gründe für das Tragen des Hutes im Sitzungssaal durch den fraglichen Zuschauer vom Angeklagten Neuhaus nicht vorgetragen werden, vielmehr aus dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 24.03.2005 hervorgeht, dass die betreffende Person die Frage des Gerichts nach besonderen Gründen für das Tragen der Kopfbedeckung im Gerichtssaal explizit verneint hatte (vgl. Bl. 86 Bd. V d. A.), war das Gericht berechtigt, die Person auf ihre jeweilige Weigerung hin, den Hut abzunehmen, des Sitzungssaals zu verweisen bzw. sie durch die Justizwachtmeister entfernen zu lassen.

Auch die Rüge der Verletzung der §§ 24, 25 StPO wegen unzutreffender Ablehnung des Befan genheitsantrags gegen die Schöffin Schmidt als verspätet, mit der der absolute Revisionsgrund

des § 338 Nr. 3 StPO geltend gemacht wird, ist vom Angeklagten Neuhaus nicht in einer den

Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Weise und damit bereits nicht zulässig

erhoben worden.

Bei der Rüge des § 3 18 Nr. i StPO muss jeweils der gesamte Inhalt des Ablehnungsgesuchs und des dieses zurückweisenden Gerichtsbeschlusses mitgeteilt werden, im Falle der Rüge, dass der Ablehnungsantrag zu Unrecht als verspätet verworfen worden ist, aber auch der Verfahrensab lauf so geschildert werden, dass sich aus ihm die Rechtzeitigkeit beurteilen lässt (vgl. BGH MDR 77,109).

Insbesondere die Frage der Rechtzeitigkeit des Ablehnungsantrags gegen die betreffende Schöf fin lässt sich auf der Grundlage der Ausführungen des Angeklagten Neuhaus nicht beantworten. Hierzu genügt insbesondere nicht die Behauptung, dass die Tätigkeit der Schöffin im Vorstand des SPD-Unterbezirks den Angeklagten erst im Laufe des Prozesses, nämlich erst als Reaktion auf den in Rede stehenden Befangenheitsantrag, bekannt geworden sei. Dies besagt nämlich nichts über dessen Rechtzeitigkeit, da er unter Zugrundelegung dieser Behauptung zwangsläufig auch nicht auf die (doch erst nach Stellen des Antrags) bekannt gewordene Tätigkeit der Schöf fin im Vorstand des SPD-Unterbezirks gestützt gewesen sein kann, sondern auf andere Umstän de gegründet worden sein muss. Ob diese mit dem Ablehnungsantrag rechtzeitig im Sinne des § 25 StPO vorgebracht wurden, lässt sich der Revisionsbegründung des Angeklagten Neuhaus jedoch nicht entnehmen.

Die Rüge des Angeklagten Neuhaus, dass ihm zu Unrecht kein Pflichtverteidiger nach § 140 Abs. 2 StPO beigeordnet worden ist, mit der der absolute Revisionsgrund des § 338 Abs. 5 StPO geltend gemacht wird, ist zwar in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügen den Weise und damit zulässig erhoben, da dem Vorbringen des Angeklagten Neuhaus auch ent nommen werden kann, dass dessen (Wahl-)Verteidiger am 1. Hauptverhandlungstag das Mandat niedergelegt hatte, fortan also kein Verteidiger für den Angeklagten Neuhaus an der Hauptver handlung teilgenommen hat. Die Rüge ist jedoch unbegründet, da kein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO gegeben war und das Gericht die Beiordnung eines Pflichtverteidigers zu Recht abgelehnt hat (vgl. auch schon oben unter II.).

Soweit der Angeklagte Neuhaus die Verletzung des § 260 Abs. 1 StPO mit der Begründung rügt, dass ausgeschlossen ist, dass das am 12. Verhandlungstag, an dem man nochmals in die Beweis aufnahme eingetreten war, anschließend die zuvor am 11. Verhandlungstag gehaltenen Plädoyers wiederholt worden waren und der Angeklagte Bergstedt erneut das letzte Wort hatte, verkündete Urteil in einer weiteren geheimen Beratung des Gerichts im Anschluss an die Wiederholung der Plädoyers und des letzten Wortes des Angeklagten Bergstedt entstanden ist, ist diese Rüge nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Weise und damit bereits nicht zulässig erhoben worden.

Denn sie entbehrt der bestimmten Behauptung, dass eine nochmalige Beratung der Mitglieder des Gerichts im Anschluss an den Wiedereintritt in die Hauptverhandlung sowie die Wie derholung der Plädoyers und des letzten Wortes des Angeklagten Bergstedt tatsächlich in jeg licher Form unterblieben ist.

Die bloße Schlussfolgerung des Angeklagten Neuhaus, dass eine geheime Beratung nicht statt gefunden haben kann, weil der Urteilsentwurf computergeschrieben in der Weise vorgefertigt war, dass nur noch das Strafmaß schriftlich ergänzt werden musste, ist hierfür nicht ausreichend, weil schon unklar bleibt, was der Angeklagte Neuhaus unter einer "geheimen Beratung" genau versteht, ob für ihn hierzu z. B. allein eine Beratung der Mitglieder des Gerichts im Beratungs zimmer während einer förmlichen Unterbrechung der Hauptverhandlung gehört.

Mithin lässt die vom Angeklagten Neuhaus gezogene Schlussfolgerung die Möglichkeit offen, dass es zu einer erneuten Beratung wenigstens in Form einer kurzen Verständigung zwischen den Mitgliedern des Gerichts noch im Sitzungssaal gekommen ist, ohne dass hierzu die Haupt verhandlung eigens förmlich unterbrochen worden wäre. Diese Form nochmaliger Beratung nach Abschluss der Beweisaufnahme, dem Halten der Schlussvorträge und der Erteilung des letzten Wortes an die Angeklagten sowie dem nochmaligem Eintritt in die Beweisaufnahme unter Wiederholung der Schlussvorträge und des letzten Wortes genügt, wenn bei der Entscheidung einfacher Fragen rascheste Verständigung zwischen den Mitgliedern des Gerichts möglich ist (vgl. BGH NJW 92, 3181), was hier der Fall war, da der Wiedereintritt in die Hauptverhandlunglediglich zu dem Zweck erfolgt war, einen Beschluss des Gerichts zu verkünden, durch den die Gründe für die vorangegangenen Ablehnungen zweier Beweisanträge der Angeklagten durch das Gericht geändert wurden (vgl.Bl. 234 Bd. V i. V. in. Bl. 237 Bd. V d. A.).

Auch spricht für eine nochmalige Beratung des Gerichts in der vorbezeichneten Form gerade der vom Angeklagten Neuhaus für seine Schlussfolgerung herangezogene Umstand, dass der Urteils entwurf nicht komplett computergefertigt vorgeschrieben war, sondern zumindest das Strafmaß erst noch handschriftlich ergänzt worden ist. Diese Vorgehensweise des Gerichts macht nämlich nur Sinn, wenn der handschriftlich ergänzte Teil (und damit auch das gesamte Urteil) nicht be reits endgültig abschließend vorberaten war, sondern sich die Gerichtsmitglieder vorbehalten hatten, sich erst noch im Sitzungssaal nochmals darüber zu verständigen, ob es bei einem etwaig vorberatenen Ergebnis verbleiben soll.

Soweit der Angeklagte Neuhaus die Verletzung des § 261 StPO jeweils mit der Begründung rügt, dass diverse Beweisanträge der Angeklagten vom Gericht abgelehnt worden sind, handelt es sich inhaltlich um die Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 3 - 6 StPO, die vom Angeklagten Neuhaus wiederum nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Weise und damit bereits nicht zulässig erhoben worden ist, da es an der Mitteilung des jeweili gen konkreten Inhalts der betreffenden Beweisanträge, d.h. der Benennung der jeweiligen be stimmten Beweistatsache und des jeweiligen bestimmten Beweismittels, fehlt.

IV.

Soweit die Verletzung der Urteilabsetzungsfrist nach § 275 StPO und damit der absolute Revi sionsgrund des § 338 Nr. 7 StPO auch vom Angeklagten Bergstedt geltend gemacht wird, ist dessen Rüge ebenfalls nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Weise und damit bereits nicht zulässig erhoben worden.

Auch die diesbezüglichen Ausführungen des Angeklagten Bergstedt enthalten keine bestimmte Tatsachenbehauptung, wann das Urteil zu den Akten gebracht wurde. Ihnen kann lediglich die Behauptung entnommen werden, dass dem Angeklagten Bergstedt bei dessen Besuch beim Landgericht Gießen mitgeteilt wurde, dass niemand in der Geschäftsstelle eine Erinnerung hat, dass die Akten und das Urteil dort schon eingegangen ist, ohne dass dies jedoch zugleich die Be hauptung beinhalten würde, dass das Urteil zum Zeitpunkt des Besuchs des Angeklagten Bergstedt auf der Geschäftsstelle des Landgerichts tatsächlich nicht zu den Akten gelangt ist.

Auch die weitere Schlussfolgerung des Angeklagten Bergstedt, dass die Akten selbst ausschließ lich Hinweise darauf enthalten, dass das Urteil zu spät fertiggestellt wurde, ist diesbezüglich ebenso wenig ausreichend wie die mangels entsprechender konkreter Tatsachenbehauptung vom Revisionsgericht nicht weiter auf ihre Schlüssigkeit hin überprüfbare Wertung des Angeklagten Bergstedt, dass die im vorliegenden Fall neun Wochen betragende Urteilsabsetzungsfrist nicht eingehalten sei.

Im Obrigen wäre die Rüge im Falle ihrer Erhebung in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Weise auch unbegründet. Das schriftliche Urteil ist ausweislich des nach § 275 Abs. 1 S. 5 StPO darauf angebrachten Vermerks der Geschäftsstelle dort am 05.07.2005 und damit innerhalb der bei insgesamt 12 Hauptverhandlungstagen nach § 275 Abs. 1 S. 2, Var. 3 StPO einzuhaltenden Frist von 9 Wochen nach der am 03.05.2005 erfolgten Urteilsver kündung eingegangen.

Soweit der Angeklagte Bergstedt rügt, dass einer der Angeklagten direkt vor der Hauptverhand lung am 6. Verhandlungstag am 11.04.2005 von Angehörigen der Bereitschaftspolizei tätlich an gegriffen und dabei nicht unerheblich verletzt worden ist und deshalb nicht verhandlungsfähig war und der Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung für diesen Tag vom Gericht zu Un recht abgelehnt worden ist, womit der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO geltend ge macht wird, ist auch diese Rüge nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Weise und damit bereits nicht zulässig erhoben worden.

Da die betreffende Rüge nur von dem Angeklagten, in dessen Abwesenheit (bzw. hier: trotz des sen Verhandlungsunfähigkeit) verhandelt worden ist, geltend gemacht werden kann (vgl. BGH NJW 90, 846), genügt hier zum einen nicht die Mitteilung, dass einer der beiden Angeklagten tätlich angegriffen und verletzt wurde, vielmehr hätte es der Angabe bedurft, um welchen Ange klagten es sich dabei handelte. Zum anderen hätten die Art und das Ausmaß der Verletzungen konkretisiert werden müssen, um das Revisionsgericht in die Lage zu versetzen, anhand des Revisionsvorbringens die Frage der Verhandlungsfähigkeit bzw. -unfähigkeit des betroffenen An geklagten beurteilen zu können.

Soweit der Angeklagte Bergstedt die Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit nach § 338 Nr. 6 StPO mit der Begründung rügt, dass es bei Eingangskontrollen seitens des leitenden durch suchenden Beamten mehrfach zu Gewalttätigkeiten gekommen ist und der Antrag der Angeklag ten, diese Forrnen der Einschüchterung zu unterbinden, vom Gericht abgelehnt worden ist, ist diese Rüge ebenfalls nicht in einer den Anforderungen des §§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Weise und damit bereits unzulässig erhoben worden.

Zum einen wird auch vom Angeklagten Bergstedt nicht bestimmt behauptet, dass durch das Verhalten des betreffenden Beamtens bei den Einlasskontrollen tatsächlich potentielle Zuschauer daran gehindert worden sind, Gebrauch von ihrem Recht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung zu machen. Zum anderen geht aus den Ausführungen des Angeklagten Neuhaus auch nicht hervor, ob der fragliche Beamte auch nach der Ablehnung des Antrags durch das Gericht weiter bei den Eingangskontrollen im Einsatz war oder es dabei ggf. weiter zu Gewalttätigkeiten gekommen ist, was aber Voraussetzung für die Annahme einer etwaig dem Gericht zurechenbaren Beschränkung der Öffentlichkeit wäre (vgl. auch schon oben unter 111.).

Die Rüge der Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit nach § 338 Nr. 6 StPO durch den Angeklagten Bergstedt mit der weiteren Begründung, dass zweimal eine Person aus dem Saal entfernt wurde, weil sie einen flut aufhatte und diesen nicht absetzte, ist hingegen nach den obi gen Ausführungen unter 111. zu der betreffenden Verfahrenrüge des Angeklagten Neuhaus, auf die insoweit vollumfänglich verwiesen werden kann, unbegründet.

Die Rüge des Angeklagten Bergstedt, dass den Angeklagten am 2. Verhandlungstag wesentliche Bestandteile der Akten gefehlt hätten, mit der die Verletzung des Akteneinsichtsrechts nach § 147 StPO und damit verbunden der absolute Revisionsgrund der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung nach § 338 Nr. 8 StPO geltend gemacht wird, ist ebenfalls nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Weise und damit bereits nicht zulässig erhoben worden.

Zwar geht aus der Revisionsbegründung des Angeklagten Bergstedt hervor, dass wegen der feh lenden Aktenbestandteile (erfolglos) ein Unterbrechungsantrag gestellt worden ist. Jedoch enthält sie keine Angaben darüber, welche Aktenbestandteile genau den Angeklagten gefehlt haben. Diesbezüglicher Angaben hätte es im vorliegenden Fall schon deshalb bedurft, weil den Ausfüh rungen des Angeklagten Bergstedt auch zu entnehmen ist, dass dieser bereits im Juni 2004 um fänglich Einsicht in die Akten genommen hat, ohne dass in der Revisionsbegründung jedoch näher dargelegt würde, welche Bestandteile erst nach dieser vorangegangenen Einsichtnahme zu den Akten gelangt sind und mithin für den Angeklagten Bergstedt neu waren. Ohne die betreffenden konkreten Darlegungen kann jedoch durch das Revisionsgericht nicht darüber befunden werden, ob es sich dabei wirklich um "wesentliche" Bestandteile gehandelt hat.

Darüber hinaus wird auch in der Revisionsbegründung des Angeklagten Bergstedt eine konkret kausale Beziehung zwischen einem etwaigen Verfahrensfehler und einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt, d.h. ein konkretes Ergebnis für den Fall ordnungsgemäßer Akteneinsicht nicht dargetan.

Aus dem zuletzt genannten Grund ist auch die vom Angeklagten Bergstedt erhobene Rüge der Verletzung von zwischen dem Gericht und den Angeklagten getroffenen Vereinbarungen, wonach die Beweisaufnahme und die Plädoyers zeitlich getrennt an unterschiedlichen Tagen statt finden sollten, ferner der 29.04.2005 Ausweichtermin sein sollte, falls das Verfahren nicht an 25.04.2005 abgeschlossen sein sollte, und eine Pause bis nach Pfingsten gemacht werden sollte, falls auch der 29.04.2005 nicht als Ausweichtermin ausreicht, mit der ebenfalls der absolute Revisionsgrund der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung nach § 338 Nr. 8 StPO, hier durch Verstoß gegen das Gebot eines fairen Verfahrens, geltend gemacht wird, ohne dass jedoch in der Revisionsbegründung die konkret-kausale Beziehung zwischen dem etwaigen Verfahrens fehler und einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt dargetan wird, nicht in einer den An forderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Weise ausgeführt und damit bereits nicht zulässig erhoben.

Die Rüge der Verletzung der §§ 24, 25 StPO wegen unzutreffender Ablehnung des Befangenheitsantrags gegen die Schöffin Schmidt als verspätet, mit der der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO auch vom Angeklagten Bergstedt geltend gemacht wird, ist von diesem ebenfalls nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Weise und damit bereits nicht zulässig erhoben worden.

Auch auf der Grundlage der Revisionsbegründung des Angeklagten Bergstedt lässt sich die Frage der Rechtzeitigkeit des betreffenden Ablehnungsgesuchs nicht beantworten. Den diesbezüglichen Ausführungen des Angeklagten Bergstedt lässt sich konkret lediglich entnehmen, dassder Befangenheitsantrag gegen die Schöffin Schmidt am 5. Verhandlungstag am 07.04.2005 gestellt worden ist, diese am 1. Verhandlungstag, dessen Datum dabei nicht genannt wird, erwähnt hat, Mitglied der SPD-Kreistagsfraktion zu sein, die über eine Parteiversammlung des SPD-Unterbezirks Gießen zusammengestellt wurde, und sich „im Verhandlungsverlauf“ gezeigt hat, dass gegen die Angeklagten als Begründung für eine polizeiliche Maßnahme eine Sachbeschädigung vorgebracht wurde, bei der dieser SPD-Unterbezirk die Strafanzeige gestellt hatte. Wann genau der Verhandlungstag stattfand, an dem sich dies gezeigt hat, und wie viele Kalendertage zwischen diesem und dem Verhandlungstag lagen, an dein schließlich der Befangenheitsantrag gestellt wurde, wird hingegen nicht mitgeteilt. Diese Angaben wären jedoch erforderlich, um darü ber befinden zu können, ob die Stellung des Befangenheitsantrags in der Hauptverhandlung am 07.04.2005 als "unverzüglich" i. S. d. § 25 Abs. 2 Nr. 2 StPO anzusehen ist oder der Antrag nicht noch vorher außerhalb der Hauptverhandlung hätte gestellt werden müssen, um noch als rechtzeitig erfolgt gelten zu können, was etwa anzunehmen ist, wenn eine Verhandlung länger unterbrochen ist (vgl. BGHSt 21, 334).

Auch stellt der Hinweis, dass der Ablauf der Abgabe des Befangenheitsantrag am 5. Verhand lungstag im Protokoll der Verhandlung zu ersehen ist und danach der schon vor Beginn der Verhandlung im Gerichtssaal befindliche Zeuge Steyskal wieder aus dem Gerichtssaal geschickt wurde, weil der Angeklagte Bergstedt sich sofort meldete und den Befangenheitsantrag ankün digte, nicht eine zur ordnungsgemäßen Begründung der betreffenden Verfahrensrüge erforderliche bestimmte Tatsachenbehauptung dar, da lediglich vorgetragen wird, dass sich dies dem Hauptverhandlungsprotokoll zufolge so zugetragen hat, nicht aber, ob dies auch wirklich so ge schehen ist.

Die Rüge des Angeklagten Bergstedt, dass ihm zu Unrecht kein Pflichtverteidiger nach § 140 Abs. 2 StPO beigeordnet worden ist, ist jedenfalls unbegründet, da kein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO gegeben war und das Gericht die Beiordnung eines Pflichtverteidigers zu Recht abgelehnt hat (vgl. auch schon oben unter II. und III.).

Soweit der Angeklagte Bergstedt eine Verletzung des § 257 Abs. 1 StPO mit der Begründungrügt, dass mehrfach persönliche Erklärungen der Angeklagten zu vorangegangenen Zeugenaussagen vom Gericht zurückgestellt worden sind, ist dieses Vorbringen im Revisionsverfahren unbe achtlich, da es sich bei § 257 Abs. 1 StPO um eine bloße Ordnungsvorschrift handelt, auf deren Verletzung die Revision nicht gestützt werden kann, sofern nur das rechtliche Gehör insgesamt gewährt worden ist (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Rdz. 9 zu § 257).

Die Rüge des Angeklagten Bergstedt, dass diverse Beweisanträge und Hilfsbeweisanträge vom Gericht zu Unrecht abgelehnt bzw. nicht beschieden worden sind, mit der in der Sache die Verletzung des 244 Abs. 6 StPO geltend gemacht wird, ist nicht in einer den Anforderungen des § i44 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Weise und damit bereits nicht zulässig erhoben worden, da es an der Mitteilung des jeweiligen konkreten Inhalts der betreffenden Beweisanträge, d.h. der Benennung der jeweiligen bestimmten Beweistatsache und des jeweiligen bestimmten Beweismittels, fehlt.

Soweit der Angeklagte Bergstedt die Verletzung des § 260 Abs. 1 StPO mit der Begründung rügt, dass das Urteil nach dem Wiedereintritt in die Beweisaufnahme und den nochmaligen Plädoyers direkt und ohne Unterbrechung nach dem Ende der nochmaligen Beweisaufnahme erfolgt Ist, ist diese Rüge zwar in einer den Anforderungen des § 3441 Abs. 22 S. 2 StPO genügenden Weise und damit zulässig erhoben worden, da die Ausführungen des Angeklagten Bergstedt die bestimmte Tatsachenbehauptung enthalten, dass das Gericht auch keine Beratung im Gerichtssaal selbst durchgeführt hat.

Die Rüge ist indes unbegründet. Es ist nicht als bewiesen anzusehen, dass eine nochmalige Beratung der Mitglieder des Gerichts im Anschluss an den Wiedereintritt in die Hauptverhandlung sowie die Wiederholung der Plädoyers und des letzten Wortes des Angeklagten Bergstedt tatsächlich in jeglicher Form unterblieben ist.

Für eine vorherige Beratung des Gerichts direkt vor der Urteilsverkündung spricht zum einen der Inhalt des Protokolls der Hauptverhandlung vom 03.05.2005, wonach nach der erneuten Schließung der Beweisaufnahme der Angeklagte Bergstedt seinen Antrag wiederholte, der Vertreter der Staatsanwaltschaft sich auf die im Termin vom 29.04.2005 durch Staatsanwalt Vaupel gestellten Anträge bezog, der Angeklagte das letzte Wort hatte und das Urteil nach geheimer Bera tung verkündet wurde (vgl. Bl. 356 f. Bd. VI d. A.). Zwar ist die Beratung kein Teil der Hauptverhandlung und zählt damit nicht zu den wesentlichen Förmlichkeiten im Sinne des § 273 StPO (vgl. BGHSt 5, 294; 3 7, 14 1) mit der Folge, dass einem Protokollvermerk über die Durchführung einer Beratung nicht die absolute Beweiskraft des § 274 StPO zukommt, vielmehr über die Fra ge, ob eine (ggf. nochmalige) Beratung unmittelbar vor Urteilsverkündung stattgefunden hat, im Revisionsverfahren in freier Beweiswürdigung zu entscheiden ist (vgl. OLG Köln NSJ-RR 02, 33 7). Hierbei kommt einem entsprechenden Vermerk im Protokoll jedoch durchaus indizielle Wirkung zu (vgl. BGH NJW 87, 3210).

Für die (nochmalige) Beratung der Mitglieder des Gerichts durch kurze Verständigung am Richtertisch, die als ausreichend anzusehen ist, wenn bei der Entscheidung einfacher Fragen rascheste Verständigung zwischen den Mitgliedern des Gerichts möglich ist (vgl. BGH NJW 92, 3181), was hier der Fall ist, da der Wiedereintritt in die Hauptverhandlung lediglich zu dem Zweck erfolgt war, einen Beschluss des Gerichts zu verkünden, durch den die Gründe für die vorangegangenen Ablehnungen zweier Beweisanträge der Angeklagten durch das Gericht geändert wurden (vgl. Bl. 234 Bd. V 1. V. in. Bl. 237 Bd. V d. A.), spricht ferner der Umstand, dass auch nach dem Revisionsvorbringen des Angeklagten Bergstedt der Urteilsentwurf nicht komplett computergefertigt vorgeschrieben war, sondern zumindest das Strafmaß erst noch handschriftlich ergänzt worden ist. Diese Vorgehensweise des Gerichts macht nämlich nur Sinn, wenn der handschriftlich ergänzte Teil (und damit auch das gesamte Urteil) nicht bereits endgültig abschließend vorberaten war, sondern sich die Gerichtsmitglieder vorbehalten hatten, sich erst noch im Sitzungssaal erneut darüber zu verständigen, dass es bei einem etwaig vorberatenen Ergebnis verbleiben soll.

Schließlich steht der Annahme einer (nochmaligen) Beratung der Mitglieder des Gerichts durch kurze Verständigung am Richtertisch nicht die Behauptung des Angeklagten Bergstedt zwingend entgegen, dass auch eine solche Verständigung nicht erfolgt ist, da es gut vorstellbar erscheint, dass er als Juristischer Laie von der Erforderlichkeit einer förmlichen Unterbrechung der Verhandlung zur Beratung des Gerichts im Beratungszimmer ausging oder seine Aufmerksamkeit in erster Linie darauf gerichtet war, ob der erhoffte Freispruch (vgl. Bl. 232 Bd. V d. A.) erfolgt und ihm daher ein solch kurzer, der Verkündung vorausgehender Vorgang entgangen ist (vgl. BGH, a.a.O.).

Selbst wenn man dennoch davon ausgehen würde, dass auch keine nochmalige Beratung des Ge richts durch kurze Verständigung im Gerichtssaal stattgefunden hat, so kann im vorliegenden Fall insbesondere angesichts des Umstands, dass der Wiedereintritt in die Hauptverhandlungle diglich zu dem Zweck erfolgt war, einen Beschluss des Gerichts zu verkünden, durch den die Gründe für die vorangegangenen Ablehnungen zweier Beweisanträge der Angeklagten durch das Gericht geändert wurden, ausnahmsweise ausgeschlossen werden, dass sich ein etwaiger Verstoß gegen § 260 StPO auch auf das Urteil ausgewirkt hat, da die weitere Verhandlung offenkundig keinen neuen Prozessstoff ergeben hat (vgl. BGH NJW 1951, 206, NStZ 0 1, 106).

Die Rüge des Angeklagten Bergstedt, dass es gegen die StPO verstößt, nach dem Schluss der Be weisaufnahme, den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Angeklagten sowie deren letztem Wort erneut in die Beweisaufnahme einzutreten und dann die Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten sowie deren letztes Wort zu wiederholen, ist unbegründet, da es an einer Vorschrift in der StPO fehlt, die ein solches Vorgehen für unzulässig erklärt. Es ist vielmehr all gemein anerkannt, dass der Wiedereintritt in die Beweisaufnahme auch nach Erteilung des letz ten Wortes an den Angeklagten möglich ist und das Gericht verpflichtet, nach erneuter Schlie ßung der Beweisaufnahme den Prozessbeteiligten ohne Rücksicht auf Umfang und Bedeutung der Weiterverhandlung nochmals Gelegenheit zum Schlusswort zu geben und dem Angeklagten abermals das letzte Wort zu erteilen (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Rdz. 27 zu § 258).

Die gerügte Verletzung des § 261 StPO, mit der der Angeklagte Bergstedt die landgerichtlichen Feststellungen und die Beweiswürdigung angreift, erweist sich inhaltlich als Sachrüge.

V.

Auch die auf die von beiden Angeklagten erhobene Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils lässt weder im Schuld- noch im Rechtsfolgenausspruch Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erkennen.

Die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen den Schuldspruch wegenge meinschaftlicher Sachbeschädigung in 6 Fällen und wegen Hausfriedensbruchs bezüglicher beider Angeklagter sowie wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit ge fährlicher Körperverletzung und wegen Beleidigung bezüglich des Angeklagten Bergstedt.

Die Urteilsgründe weisen hinsichtlich des Vorwurfs der Sachbeschädigung in 6 Fällen aus, dass in der Nacht vom 28. auf den 29.08.2002 in Reiskirchen in Ausführung eines zuvor von den beiden Angeklagten sowie anderen, unbekannt gebliebenen Personen, die die Aktivitäten der Angeklagten unterstützten, gemeinsam gefassten Entschlusses, während des Bundestagswahlkampfs 2002 Wahlplakate durch Aufkleber zu verunstalten, entweder die beiden Angeklagten oder ihre unbekannt gebliebenen Mittäter mit Wissen und Wollen der Angeklagten auf insgesamt 6 Wahlkampfplakate von SPD und CDU zuvor ausgeschnittene, in den Urteilsgründen detailliert beschriebene Teile von Computerausdrucken mit Klebstoff aufbrachten, wobei ihnen klar war, dass dic Aufkleber ohne Zerstörung des Untergrunds nicht mehr entfernt werden konnten (UA S.6).

Hinsichtlich des Vorwurfs des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit ge fährlicher Körperverletzung weisen die Urteilsgründe aus, dass der Angeklagte Bergstedt am 11.01.2003, nachdem er gegen 13:00 Uhr eine genehmigte Wahlveranstaltung der CDU in der Fußgängerzone der Giessener Innenstadt u. a. dadurch gestört hatte, dass er in einer Entfernung von etwa 10 - 12 in direkt vor dem CDU-Stand durch ein Megaphon in Richtung des Stands mit Unterbrechungen mehrfach hintereinander, insgesamt 10 Minuten lang, geredet hatte, das Megaphon trotz der Androhung des Polizeibeamten Walter, ihm dieses abzunehmen, wenn er es nicht freiwillig herausgebe, weiter umklammert hielt und seinen Oberkörper schützend darüber beugte, so dass es der Polizei nicht gelang, dem Angeklagten Bergstedt das Megaphon abzunehmen, woraufhin der Polizeibeamte Walter dem Angeklagten Bergstedt - wiederum erfolglos - die Ingewahrsamnahme für den Fall androhte, dass dieser weiter die Herausgabe des Megaphons verweigere, so dass der Angeklagte Bergstedt schließlich von zwei Polizeibeamten an den Oberarmen ergriffen wurde, um ihn zu einem unweit abgestellten Polizeifahrzeug zu verbringen. Als der Angeklagte Bergstedt sich weigerte, in das Fahrzeug einzusteigen, wurde er von den Beamten angehoben und in das Fahrzeug geschoben und gezogen, wobei der Polizeibeamte Walter die Füße des Angeklagten packte. Der Angeklagte Bergstedt, der schwere, halbhohe Schnürstiefel trug, deren Sohlen vom mit einem Eisen verstärkt waren, machte sodann eine Abwehrbewegung mit dem Bein in Richtung des Polizeibeamten Walter, obwohl dieser sich in gebeugter Haltung mit seinem Gesicht in der Nähe der Füße des Angeklagten Bergstedt befand, und traf ihn schmerzhaft mit der Schuhspitze in der Mitte der Stirn, wobei er diese Folge seines Handelns zumindest billigend in Kauf nahm.Der Polizeibeamte Walter erlitt dabei eine 3 mal 2 cm große, etwa in der Mitte der Stirn gelegene Hautverletzung und hatte eine zeitlang Kopfschmerzen (UA S. 7 ff).

Hinsichtlich des Vorwurfs des Hausfriedensbruchs weisen die Urteilsgründe aus, dass die beiden Angeklagten sich am Abend des 27.03.2003 von einer öffentlichen Stadtverordnetenversammlung im Giessener Stadthaus nicht entfernten, nachdem ein zumindest mit Wissen und Wollen der beiden Angeklagten mitgebrachtes Transparent etwa von der Größe eines Bettuchs wie von den Angeklagten geplant gegen 20:15 entrollt worden war und der Stadtverordnetenvorsteher zunächst den Angeklagten Bergstedt mindestens zweimal erfolglos zur Beseitigung des Transparentes und anschließend die beiden Angeklagten unmissverständlich zum Verlassen des Saales aufgefordert hatte. Als die Angeklagten auch der danach durch die vom Stadtverordnetenvorsteher herbeigerufenen Polizeikräfte ergangenen Aufforderung zum Verlassen des Saales nicht nachkamen, wurden sie schließlich von den Polizeibeamten aus dem Saal getragen und aus dem Stadthaus entfernt (UA S. 1 Of.).

Hinsichtlich des Vorwurfs der Beleidigung weisen die Urteilsgründe aus, dass der Angeklagte Bergstedt am 23.08.2003 im Seltersweg in Gießen in der Nähe eines Informationsstands der "Grünen" zur bevorstehenden Oberbürgermeisterwahl im Beisein der direkt neben ihm stehen den Kandidatin dieser Partei, der Zeugin Gülle, mit den Worten "Damit pisse ich Dich an!" aus einer Gießkanne Wasser auf das Portrait der Zeugin auf einem Wahlplakat goss und schließlich die Zeugin von vom bis etwa in Kniehöhe mit Wasser besprengte (UA S. 12).

Rechtsfehler bei der Feststellung der Tatsachen sind nicht ersichtlich. Nach § 261 StPO entschei det das Tatgericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung. Freie Beweiswürdigung bedeutet, dass es für die Beantwortung der Schuldfrage allein darauf ankommt, ob der Tatrichter die Überzeugung von einem bestimmten Sachverhalt erlangt hat oder nicht, diese persönliche Gewissheit ist für die Verurteilung aber auch genügend. Der Begriff der Überzeugung schließt die Möglichkeit eines anderen auch gegenteiligen Sachverhalts nicht aus; vielmehr gehört es gerade zu ihrem Wesen, dass sie sehr häufig möglichen Zweifeln ausgesetzt bleibt. Aufgabe des Tatrichters ist es, ohne Bin dung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verantwortlich zu prüfen, ob er sol che an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeu gen kann oder nicht (vgl. BGH 1957, 1039). Da die Beweiswürdigung allein Sache des Tatrichters ist, ist dessen in der Hauptverhandlung gewonnene Überzeugung für das Revisionsgericht bindend (vgl. Karlsruher Kommentar, StPO; 4. Aufl., § 261 Rdnr. 5 1) und die Überzeugungsbil dung nur in beschränktem Umfang nachprüfbar (vgl. BGH NStZ, 1999, 301; OLG Düsseldorf VRS 66, 359). Dabei schließt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung aus, dass das Revi sionsgericht dem Tatrichter vorschreibt, unter welchen Voraussetzungen er zu einer bestimmten Überzeugung kommen muss oder nicht kommen darf (vgl. BGH NStZ 2000, 48). Insbesondere ist res dein Revisionsgericht verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch eine eigene zu ersetzen (vgl. BGHSt 10, 108). Wenngleich die Beweiswürdigung allein Sache des Tatrichters ist, kann das Revisionsgericht auf die Sachrüge hin prüfen, ob ihm hierbei Fehler unterlaufen sind (vgl. BGH VRS 6-1, 39, 40). Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist oder wenn sie Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze aufweist sowie auch dann, wenn der Pflicht zur erschöpfenden Beweiswürdigung nicht genügt ist (vgl. Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 261 Rdnr. 182).

Gemessen an diesen Kriterien ist die in dem angefochtenen Urteil enthaltene Beweiswürdigung frei von Rechtsfehlern. Sie weist keine Widersprüche, Lücken oder Unklarheiten auf, sie ver stößt nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse und lässt nahe Möglichkeiten nicht außer Acht. Hinsichtlich sämtlicher Tatkomplexe wird in den Urteilsgründen ausführlich dargelegt, aufgrund welcher Beweismittel sich das Gericht jeweils von der Richtigkeit der von ihm zu Grunde gelegten Tatsachen überzeugt hat, insbesondere welchen Zeugen es in welchem Umfang jeweils Glauben geschenkt hat. Dabei setzen sich die Urteilsgründe Jeweils auch mit abweichenden Angaben der Angeklagten oder weiterer Zeugen sowie mit den sonstigen Umständen, die jeweils für oder gegen die Glaubhaftigkeit der vom Gericht für wahr erachteten Zeugenaussagen sprechen, insbesondere inhaltlichen Widersprüchen zu vorangegangenen Angaben der betreffenden Zeugen, möglichen Fehlerquellen, die einer verlässlichen Wahrnehmung des Geschehens durch die Zeugen entgegenstehen, etc., detailliert auseinander.

Dies gilt auch und gerade hinsichtlich der Aussagen der Zeugen Haberkom und Gontrum, die den gerichtlichen Tatsachenfeststellungen zum Tatkomplex des Überklebens der Wahlkampfplakate zu Grunde liegen (vgl. UA S. 6 E, 13 ff.), des Zeugen Walter in Bezug auf den Tatkomplex gefährliche Körperverletzung/Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und der weiteren hierzu gehörten Zeugen (UA S. 16 ff.) sowie schließlich der Zeugin Gülle bezüglich der Beleidigung zu deren Nachteil und der weiteren hierzu gehörten Zeugen (UA S. 22 f).

Darüber hinaus hat das Landgericht hinsichtlich des Überklebens der 6 Wahlkampfplakate eine Mitwirkung der beiden Angeklagten hieran in revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden der Weise daraus gefolgert, dass die Angeklagten nach den Angaben der Polizeibeamten Haberkorn und Gontrum von diesen am 29.08.2002 gegen 01:00 Uhr in einer Entfernung von ca. 250 m von den in Rede stehenden Wahlkampfplakaten angetroffen wurden, woraufhin der Ange klagte Bergstedt bei Annäherung des Streifenwagens in dessen Fahrtrichtung davonlief und erst nach einer 100 - 120 m langen Verfolgung bis zu einem am Straßenrand stehenden Bauschuttcontainer festgenommen werden konnte, in den er zuvor verschiedene Dinge warf. Bei der anschließenden Durchsuchung der Angeklagten wurden bei dem Angeklagten Bergstedt eine nicht angebrochene Dose mit Sprühkleber und bei dem Angeklagten Neuhaus eine Umhängetasche gefunden, in der sich zahlreiche aus- bzw. zurechtgeschnittene bedruckte Papierstücke befanden, u.a. solche, wie sie auf den 6 Wahlkampfplakaten Verwendung fanden. Nachdem die Beamten, die wegen des Verdachts eines Autodiebstahls im Einsatz gewesen waren und die Wahlplakate zunächst nicht wahrgenommen hatten, die beiden Angeklagten nach ca. einer halben Stunde wie der auf freien Fuß gesetzt hatten, bemerkten sie auf der Rückfahrt zur Dienststelle die überkleb ten Wahlplakate (UA S. 6 f).

Der vom Landgericht aus diesen Umständen gezogene Schluss, dass die Plakate aufgrund eines vorherigen gemeinsamen Tatentschlusses entweder bis um 01:00 Uhr von den Angeklagten selbst, womöglich zusammen mit weiteren unbekannten Mittätern, oder aber (allein) durch diese, mit Wissen und Wollen der beiden Angeklagten während jener halben Stunde überklebt wurden, in der sich diese im Gewahrsam der beiden Polizeibeamten befanden, ist zumindest möglich, zwingend muss er hingegen nicht sein, um revisionsgerichtlicher Überprüfung standzuhalten.

Das Landgericht hat die festgestellten Sachverhalte auch jeweils rechtlich zutreffend als von bei den Angeklagten gemeinschaftlich begangene sechsfache Sachbeschädigung nach §§ 303 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB hinsichtlich des Geschehens in der Nacht vom 28. auf den 29.08.2002, als durch den Angeklagten Bergstedt verwirklichte gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach § § 113 Abs. 1, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 52 StGB hinsichtlich des Geschehens vom 11.01.2003, als durch beide Angeklagte begangenen Hausfrie densbruch nach § 123 Abs. 1 StGB hinsichtlich des Geschehens vom 27.03.2003 sowie als durch den Angeklagten Bergstedt begangene Beleidigung nach § 185 StGB hinsichtlich des Gesche hens vom 23.08.2003 gewürdigt.

Hinsichtlich der Sachbeschädigungen an den 6 Wahlplakaten in der Nacht vom 28. auf den 29.08.2002 hat das Landgericht die nach den von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen womöglich nicht von den beiden Angeklagten selbst, sondern von unbekannt gebliebenen Mittä ters aufgrund eines vorangegangenen gemeinsamen Tatentschlusses mit Wissen und Wollen der dabei mit vor Ort anwesenden Angeklagten durchgeführten Überklebungen der Wahlplakate den Angeklagten zu Recht nach § 25 Abs. 2 StGB wie selbst vorgenommene Tatbestandshandlungen zugerechnet.

Ferner war der vom Angeklagten Bergstedt bei dem Geschehen vom 11.01.2003 gegen den Polizeibeamten Walter sowie die anderen einsatzbeteiligten Polizeibeamten geleistete Widerstand nicht nach § 113 Abs. 3 StGB wegen fehlender Rechtsmäßigkeit der betreffenden DiensthandIung straflos. Denn bei der betreffenden Aktion des Angeklagten Bergstedt handelte es sich nicht etwa um eine auch ohne die nach § 14 Abs. 1 VersammIG vorgeschriebene vorherige Anmeldung zulässige und von den Polizeibehörden zu duldende "Spontandemonstration" aus Anlass der tags zuvor erfolgten polizeilichen Durchsuchung in den Räumen der Projektwerkstatt in Saasen.

Zum einen ist nicht ersichtlich, warum eine Demonstration gegen die vorangegangene polizeiliche Ermittlungsmaßnahme nur im Falle ihrer kurzfristigen Anberaumung unter freiem Himmel einen in dieser Hinsicht denkbaren Sinn hätte erfüllen können und diesen bei Einhaltung der gesetzlichen Anmeldefrist hätte verlieren sollen (vgl. BVerwGE 26, 135). Zum anderen diente die vorangegangene polizeiliche Durchsuchungsmaßnahme dem Angeklagten Bergstedt offensichtlich lediglich als Vorwand dazu, gezielt die ihrerseits angemeldete und genehmigte CDU-Wahlveranstaltung mit seiner Megaphonansprache zu stören, weswegen er diese auch bewusst in der Nähe der Wahlveranstaltung und in deren Richtung hin hielt.

Mithin war der Polizeibeamte Walter zunächst nach § 11 HSOG berechtigt, zur Unterbindung der Störung der Wahlveranstaltung durch den Angeklagten Bergstedt diesen zur Herausgabe des Megaphons unter der Androhung aufzufordern, es ihm abzunehmen, wenn er es nicht freiwillig herausgebe. Nachdem der Angeklagte Bergstedt daraufhin das Megaphon nicht herausgab, sondem fest umklammert hielt und seinen Oberkörper schützend darüber beugte, waren die Polizeibeamten nach §§ 52 Abs. 1, 54 Abs. 1 HSOG befugt, dem Angeklagten Bergstedt durch Anwendung unmittelbaren Zwanges im Sinne des § 55 Abs. 1 HSOG mit körperlicher Gewalt in Form der unmittelbaren körperlichen Einwirkung auf eine Person nach § 55 Abs. 2 HSGO das Megaphon abzunehmen (zu versuchen). Als ihnen dies aufgrund der Umklammerung des Megaphons durch den Angeklagten Bergstedt, der hierdurch schon den Tatbestand des § 113 Abs. 1 StGB verwirklichte, nicht gelang, waren die Polizeibeamten schließlich nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 HSOG berechtigt, den Angeklagten Bergstedt in Gewahrsam zu nehmen.

Hinsichtlich des von beiden Angeklagten am 27.03.2003 verwirklichten Hausfriedensbruches nach § 123 Abs. 1 StGB ist das Landgericht ferner zu Recht vom Vorliegen eines durch das Rechtsamt der Stadt Gießen namens und im Auftrag des Stadtverordnetenvorstehers, der dabei schriftlich erteilt worden war (UA S. 22), wirksam gestellten Strafantrags ausgegangen, der hier nach § 123 Abs. 2 StGB Verfolgungsvoraussetzung ist.

Durch die Begehung eines Hausfriedensbruchs nach § 123 StGB "Verletzter" im Sinne des § 77 Abs. 1 StGB und mithin Strafantragsberechtigter ist der Inhaber des Hausrechts (vgl. Tröndle/ Fischer, StGB, 52. Aufl., Rdz. 44 zu § 123), das nach § 58 Abs 4 HGO bei Stadtverordnetenversammlungen vom Stadtverordnetenvorsteher ausgeübt wird, der zudem nach § 58 Abs. 7 HGO die Gemeindevertretung generell in den von ihr betriebenen oder gegen sie gerichteten Verfahren vertritt und mithin strafantragsberechtigt war. Auch steht einer wirksamen Strafantragstellung nicht entgegen, das diese hier nicht durch den antragsberechtigten Stadtverordnetenvorsteher persönlich und/oder eigenhändig erfolgt ist, sondern dieser sich dabei durch das Rechtsamt ver treten ließ, da bei der Strafantragstellung eine Vertretung in der Erklärung generell als unbedenk lich anzusehen ist (vgl. BGH NStZ 82, 508).

Indem der Angeklagte Bergstedt am 23.08.2003 im Beisein der direkt neben ihm stehenden Zeugin Gülle mit den Worten "Damit pisse ich Dich an!" aus einer Gießkanne Wasser auf das Portrait der Zeugin auf einem Wahlplakat goss, hat er nicht nur seine Missachtung gegenüber dem Plakat, sondern auch in Bezug auf die darauf abgebildeten Person kundgetan und damit den Tatbestand des § 185 StGB zum Nachteil der Zeugin Gülle verwirklicht.

Da es bei dieser Art der Beleidigung auch nicht um eine Sachauseinandersetzung ging, sondern die Herabsetzung der Person der Zeugin im Vordergrund stand, war die Tat auch nicht nach § 193 StGB durch Wahrnehmung berechtigter Interessen, wie etwa der Meinungs- oder der Kunstfreiheit, gerechtfertigt.

Die Strafaussprüche begegnen ebenfalls keinen Bedenken. Das Landgericht hat für die Bemessung der zunächst für alle Taten zu bestimmenden Einzelstrafen jeweils die zutreffenden Straf rahmen des § 303 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder Geldstrafe) für die von bei den Angeklagten begangenen Sachbeschädigungen, des § 123 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe) für den von beiden Angeklagten begangenen Hausfriedensbruch, des § 185 StGB (Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder Geldstrafe) für die vom Angeklagten Bergstedt begangene Beleidigung sowie den hinsichtlich der von diesem begangenen gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach § 52 Abs. 2 S. 1 StGB anzuwendenden Strafrahmen des vom Gericht zu Gunsten des Angeklagten Bergstedt bejahten minder schweren Falles nach § 224 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren) zu Grunde gelegt.

Innerhalb dieser Strafrahmen hat das Gericht, die Leitgesichtspunkte des § 46 StGB berücksichtigend, die für die Einzelstrafen bestimmenden Strafzumessungserwägungen zutreffend aufge führt und in gleicher Weise gegeneinander abgewogen. Auch die unter Berücksichtigung der vom Landgericht angestellten maßgeblichen Strafzumessungserwägungen von diesem für die Einzeltaten jeweils bemessenen Einzelstrafen von 6 Monaten für die gefährliche Körperverletzung, jeweils 12 Tagessätzen für die 6 Sachbeschädigungen, 50 Tagessätzen für den Hausfriedensbruch und 40 Tagessätzen für die Beleidigung hinsichtlich des Angeklagten Bergstedt sowie von jeweils 10 Tagessätzen für die 6 Sachbeschädigungen und 30 Tagessätzen für den Hausfriedensbruch hinsichtlich des Angeklagten Neuhaus sind nicht zu beanstanden.

Gleiches gilt auch für die vom Gericht aus diesen Einzelstrafen nach Maßgabe des § 54 StGB gebildeten Gesamtstrafen von 8 Monaten Gesamtfreiheitsstrafe für den Angeklagten Bergstedt sowie von 50 Tagessätzen Gesamtgeldstrafe für den Angeklagten Neuhaus, ferner für die vom Gericht unter Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse des Angeklagten Neuhaus zutreffend auf 10,- Euro festgesetzte Höhe eines Tagessatzes.

Schließlich begegnet auch die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung für den Angeklagten Bergstedt durch das Landgericht keinen Bedenken. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Angeklagte sich den im Urteil getroffenen Feststellungen zufolge dahingehend geäußert hat, er werde sich auch in Zukunft weiter so verhalten wie bisher, staatliche Sanktionen, insbesondere Geld- oder Freiheitsstrafen, könnten ihn davon nicht abhalten, einen Gefängnisauf enthalt würde er als Bereicherung seiner Erfahrungen betrachten (UA S. 4) bzw. er glaubhaft versichert hat, dass ihn weder die Strafe noch die Vollstreckung der Strafe beeindrucken könnten (UA S. 30), gelangte die Kammer zu dem rechtsfehlerfreien Ergebnis, dass die nach § 56 Abs. 1 S. 1 StGB für eine Strafaussetzung zur Bewährung erforderliche positive Sozialprognose nicht besteht.

Soweit der Angeklagte Bergstedt in diesem Zusammenhang zur Begründung seiner Revision gel tend macht, dass dem Landgericht hinsichtlich der in den Urteilsgründen ihm zugeschriebenen Äußerungen teilweise eine Verwechslung mit dem Angeklagten Neuhaus unterlaufen sei, kann er mit diesem Vorbringen im Rahmen der revisionsgerichtlichen Überprüfung des angefochtenen Urteils nicht gehört werden, da dies auf eine unzulässige Rekonstruktion der Hauptverhandlung hinauslaufen würde.

Es wird beantragt,
die Beschwerden der Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Gießen vom 11.07.2005 als unbegründet zurückzuweisen und
die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gießen vom 03.05.2005 als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

Dr. Günther Staatsanwalt

Dieser Stellungnahme hat sich das OLG angeschlossen: Mit Beschluss vom 16. März 2006 wurden die Revision der beiden Projektwerkstättler verworfen, dass Urteil damit rechtskräftig.

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