Projektwerkstatt Saasen

BUNTE VERSAMMLUNGEN ORGANISIEREN, ANMELDEN, DURCHSETZEN

Übernachten und Versorgung auf Versammlungen


1. Einleitung zu Demotipps und -recht
2. Was ist eine Versammlung?
3. Sind Sitzblockaden eine Versammlung?
4. Die Unterscheidung: Normal-, Eil- und Spontanversammlungen
5. Demo-Leitung und innere Struktur
6. Der Ort einer Versammlung
7. Spezial: Autobahnen als Versammlungsort
8. Übernachten und Versorgung auf Versammlungen
9. Auf dem Weg zur Demo
10. Anmeldung einer Versammlung und Kooperationszwang für Behörden
11. Links
12. Materialien zu Demorecht und -organisation

Lange umstritten war die Frage, ob Veranstaltungs- und Schlafzelte zu einer Versammlung gehören können - entweder als Ausdrucksform des Protestes oder auch nur als Bestandteil einer Versammlung, deren Hauptcharakter anderer Natur ist. Dafür gibt es inzwischen aber etliche Urteile.

Aus der Pressemitteilung 33/2022 des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.5.2022 (Az. 6 C 9.20 - Urteil vom 24. Mai 2022)
Auf eine gewisse Dauer angelegte Protestcamps wie das in Rede stehende Klimacamp sind als Versammlungen durch das Grundrecht der Versammlungsfreiheit geschützt, wenn sich aus der Gesamtkonzeption des Veranstalters nach objektivem Verständnis ein auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteter kommunikativer Zweck ergibt. Es obliegt dem Veranstalter, den Meinungskundgabezweck für die gesamte Dauer der Veranstaltung zu substantiieren. ...
Infrastrukturelle Einrichtungen eines als Versammlung zu beurteilenden Protestcamps unterfallen dem unmittelbaren Schutz durch Art. 8 GG, wenn sie entweder einen inhaltlichen Bezug zur bezweckten Meinungskundgabe der Versammlung aufweisen oder für die konkrete Veranstaltung logistisch erforderlich sind und zu ihr in einem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang stehen. Auch diesem Maßstab genügt die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Es hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass das Klimacamp ohne die genannten Infrastruktureinrichtungen nicht hätte durchgeführt werden können und die Veranstaltungsfläche sowie die Übernachtungsflächen auf dem Sportplatz und dem hier umstrittenen, 800 Meter entfernten Feld eine räumliche Einheit gebildet haben.


Aus dem Urteil des OVG Hamburg vom 11.06.2013 (Az. 4 Bs 166/13 und 5 E 2200/13)
Dem Begriff der Versammlung unterfallen nicht nur Veranstaltungen, auf denen argumentiert und gestritten wird. Dem Versammlungsbegriff sind vielmehr vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen zuzuordnen. Dabei steht den Grundrechtsträgern ein Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt,
Art und Inhalt der Veranstaltung zu (BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, 1 BvR 233/81,1 BvR 341/81, BVerfGE 69,315 ff., juris Rn. 60 f.). Sie haben das Recht, selbst über Art und Umstände der Ausübung ihres Grundrechts zu bestimmen, also zu entscheiden, welche Maßnahmen sie zur Erregung der öffentlichen Aufmerksamkeit einsetzen (vgl. BVerfG,
Beschl. v. 24.10.2001,1 BvR 1190/90 u.a., BVerfGE 104, 92 ff., juris Rn. 63), was sie zum Gegenstand öffentlicher Meinungsbildung machen und welcher Formen der kommunikativen Einwirkung sie sich bedienen wollen (BVerfG, Beschl. v. 12.7.2001, 1 BvQ 28/01 u.a., NJW 2001,2459 ff., juris Rn. 29f.). Hieraus folgt ein hohes Maß an Typen- und Gestaltungsfreiheit.
Zu Unrecht stellt die Beklagte darauf ab, ob einzelne Handlungen der Versammlungsteilnehmer oder von ihnen verwendete Gegenstände dem Versammlungsbegriff unterfallen oder ob sie für sich genommen "versammlungsimmanent" sind, und stellt in Frage, ob die Versammlung auch anders als angemeldet durchgeführt werden könnte, ohne an Wirkung
auf die öffentliche Meinungsbildung zu verlieren. Hierauf kommt es nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob die angemeldete Veranstaltung so, wie sie durchgeführt werden soll oder - wie hier - entsprechend den Auflagen des Verwaltungsgerichts nur durchgeführt werden kann, ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist oder ob ein anderer Zweck im Vordergrund steht (BVerfG, Beschl. v. 12.7.2001, 1 BvQ 28/01 u.a., NJW 2001,2459 ff.,juris Rn. 29).
Unter Beachtung dieser Grundsätze handelt es sich bei der angemeldeten und durch (auch gerichtliche) Auflagen beschränkte Veranstaltung nach ihrem Gesamtcharakter um eine Versammlung im Sinne von Art. 8 GG bzw. § 1 VersG. Angemeldet ist eine Dauermahnwache, mit der gegen die Unterbringungslage und die aufenthaltsrechtliche Situation der ca. 300 sich in Hamburg befindlichen Flüchtlinge aufmerksam gemacht werden soll.
Dies soll durch ein symbolisches Flüchtlingslager mit Zelten und Dixi-Toiletten, das von Passanten betreten werden kann, dargestellt werden. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin besteht nicht die Gefahr, dass sich allein durch die Erhöhung der Zahl der Zelte von einem auf drei und das Aufstellen einer Dixi-Toilette dieser Gesamtcharakter eines nur symbolischen Flüchtlingslagers ändert und ein echtes Lager entsteht, bei dem die Unterbringung von Flüchtlingen im Vordergrund steht und das nicht mehr als Versammlung, sondern als nach § 19 HWG erlaubnispflichtige Sondernutzung anzusehen wäre. ...
Soweit das Verwaltungsgericht das von der Antragsgegnerin verfügte Verbot des Nächtigens in den Zelten während der Dauermahnwache bestätigt und insoweit die aufschiebende Wirkung der Auflage Nr. 2 nicht wiederhergestellt hat, ist die angefochtene Entscheidung, wie der Antragsteller zu Recht geltend macht, zu ändern. Denn die nach
§ 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden Interessen führt zu dem Ergebnis, dass das Interesse des Antragstellers an einer dauerhaften Präsenz am Versammlungsort das Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung des Verbots überwiegt. Zweck der Versammlung ist, wie oben bereits ausgeführt, eine Dauermahnwache abzuhalten, bei der anhand der Errichtung eines symbolischen Flüchtlingscamps auf die derzeitige Situation der libyschen Flüchtlinge aufmerksam gemacht werden soll. Der Gesamtcharakter der Versammlung wird durch die andauernde Mahnwache, die "rund um die Uhr" stattfindet, geprägt. Dieser Charakter wird nicht bereits dadurch geändert, dass einzelne Versammlungsteilnehmer sich zwischendurch ausruhen und dabei auch schlafen. Die Versammlung verliert nicht das Gesamtgepräge einer Dauermahnwache, wenn Versammlungsteilnehmer Ruhepausen einlegen, um eine effektive Meinungskundgabe gewährleisten zu können (vgl. VGH München, Beschl. v. 12.4.2012, 10 CS 12.767, juris Rn . 12; im Ergebnis wohl auch OVG Münster, Beschl. v. 23.9.1991, 5 B 2541/91, NVwZ-RR 1992, 360 f.) . Insofern stellt das Verbot, in den Zelten zu nächtigen, eine unverhältnismäßige Einschränkung des Rechts auf Durchführung dieser Dauermahnwache dar.


Hier trat eine Veränderung durch die (dann später viel diskutierten) Proteste gegen den G20-Gipfel 2017 in Hamburg ein. Denn das Oberverwaltungsgericht definierte die Zulässigkeit von Schlafzelten ziemlich exakt. Es ist zu erwarten, dass sich Gerichte darauf nun grundsätzlich beziehen (das ist auch schon bei weiteren Protestcamps passiert).

Zur Frage des Errichtens von Schlafzelten
Aus der Pressemitteilung des Oberverwaltungsgerichts Hamburg am 5.7.2017 zum Urteil 4 Bs 148/17
Einschränkungen seien zum Schutz der Grünanlage möglich. Untersagt werden könnten zudem u.a. solche Zelte und Einrichtungen, die allein der Beherbergung von Personen dienen sollten, welche anderweitig an Versammlungen teilnehmen wollten. Dies bedeute zur Überzeugung des Gerichts, dass für Teilnehmer an den politischen Veranstaltungen des Protestcamps auch Schlafzelte und versorgende Infrastruktureinrichtungen vorsorglich dem Versammlungsrecht zu unterstellen und als Teil der Versammlung zu behandeln seien. ... Die Beschränkung auf zusätzlich bis zu 300 Schlafzelte für 2-3 Personen ergebe sich daraus, dass damit für alle Teilnehmer, die nach den räumlichen Kapazitäten der Veranstaltungszelte an den Veranstaltungen im Protestcamp teilnehmen könnten, auch eine Schlafmöglichkeit bestünde. ... Die Aufstellung von bis zu 300 Schlafzelten könne nicht im Hinblick auf mögliche Gefahren für Rechtsgüter von Dritten untersagt werden. Eine auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützte Gefahrenprognose sei von der Versammlungsbehörde nicht hinreichend dargelegt worden. Insbesondere seien keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorgetragen worden, dass der Elbpark Entenwerder trotz seiner Entfernung zur Innenstadt ein möglicher naheliegender Ausgangspunkt für Blockaden von Protokollstrecken und sonstigen unter Sicherheitsaspekten sensiblen Punkten im Stadtgebiet sei. Die Lage des Protestcamps im Elbpark Entenwerder sei insoweit nicht mit derjenigen eines Protestcamps im Stadtpark zu vergleichen. Auch seien keine konkreten Belege dazu vorgelegt worden, dass bei früheren Versammlungen aus Protestcamps heraus Straftaten begangen worden seien.

Wer also eine bestimmte Personenzahl auch zum Übernachten bringen will, muss ein Programm auf der Fläche der Demo selbst organisieren, welches zu dieser Anzahl passt. Übernachten ist nach dem OVG-Urteil nicht möglich zwecks Teilnahme an anderen Demos (z.B. irgendwo anders).

Noch wichtiger waren die erstrittenen Beschlüsse, unter anderem auch durch das Verfassungsgericht, bei den Protesten rund um den Dannenröder Forst. Die Frage der Übernachtung prägte zum Beispiel den Beschluss 1 BvR 2146/20, der für eine in der Instanz vorher enthaltene Aussage des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes noch zusätzlich mit einer aufschiebenden Wirkung versah, so dass die Übernachtungen im Protestcamp am Dannenröder Forst möglich wurden. Vorher hatte der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Fällen die Übernachtung als integralen Bestandteil einer mehrtägigen Versammlung bejaht.

Aus der Entscheidung vom 25. September 2020 (Az. 2 B 2335/20)
Die unter Ziffer 1 der Verfügung des Antragsgegners vom 4. September 2020 getroffene Feststellung, die vom Antragsteller angemeldeten Mahnwachen unterfielen nicht dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit, soweit es den Aufbau von Zelten bzw. das Aufstellen von Wohnwagen zum Übernachten oder zum Bewohnen von Teilnehmern sowie auf eine gewisse Dauer angelegte Versorgungseinrichtungen für die Teilnehmer umfasse, kann nach der in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage keinen Bestand haben. Ebenso wie bei dem im Beschluss des Senats vom 11. September 2020 (Az. 2 B 2254/20) in Rede stehenden Protestcamp in Stadtallendorf/Festplatz Schweinsberg ist auch bei den in diesem Verfahren zu betrachtenden Mahnwachen eine konzeptionelle und inhaltliche Verknüpfung der Übernachtungsinfrastruktur mit der Versammlung gegeben. Maßgeblich ist insoweit, dass von dem Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters nach Art. 8 Abs. 1 GG prinzipiell auch die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung umfasst werden (VGH Kassel, Beschluss vom 11. September 2020 - 2 B 2254/20 - Bl. 7 des amtlichen Umdrucks u.H.a. OVG NW, Beschluss vom 16. Juni 2020 - 15 A 3138/18 -, juris Rn. 54). In Fällen wie dem vorliegenden mit einer geplanten Nutzung der für die Versammlung bzw. Mahnwache vorgesehenen Fläche als Dauerstandort über einen Zeitraum von 6 Monaten ist es er-forderlich aber auch ausreichend, wenn die damit verbundene Nutzung einen hinreichenden funktionalen und konzeptionellen Bezug zu der Versammlung aufweist. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn die Versammlung in der vom Veranstalter vorgesehenen Form ohne die Übernachtungsfläche nicht hätte stattfinden können und der ersichtliche Konnex dieser Einrichtung mit der Erreichung/Ermöglichung eines konkreten kommunikativen Versammlungszwecks unverändert notwendige Bedingung für die Berufung auf das Versammlungsgrundrecht darstellt (VGH Kassel, Beschluss vom 11.09.2020 - 2 B 2254/20 -, ebda) ...
Art. 8 Abs. 1 GG schützt auch infrastrukturelle Ergänzungen der Versammlung in Form von Informationsständen, Sitzgelegenheiten, Imbissständen oder auch Zelten, sofern sie funktional-versammlungsspezifisch eingesetzt werden. Infrastrukturelle Begleiteinrichtungen einer Versammlung sind damit nicht in jedem Fall dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit zuzuordnen. Dies ist vielmehr nur dann anzunehmen, wenn die jeweils in Rede stehenden Gegenstände und Hilfsmittel zur Verwirklichung des Versammlungszwecks funktional, symbolisch oder konzeptionell im Sinne der konkreten kollektiven Meinungskundgabe notwendig sind (OVG NW, Beschluss vom 16. Juni 2020 -15 A 3138/18 - juris Rn. 56 f. u.H.a. die Rspr.). Ob bestimmte Gegenstände oder infrastrukturelle Einrichtungen, die von den Veranstaltern zur Durchführung der Versammlung als notwendig erachtet werden, in diesem Sinne unmittelbar versammlungsbezogen sind, ist von der Versammlungsbehörde nach einem objektiven Maßstab auf der Grundlage des Vorbringens der Veranstalter im Einzelfall zu beurteilen (OVG NW, a.a.O., juris Rn. 58 f. m.w.N. auf die Rspr.).
… weil der Aufbau von Zelten bzw. das Aufstellen von Wohnwagen zum Übernachten oder zum Bewohnen sowie das Aufstellen stationärer ortsfester Versorgungseinrichtungen für die Teilnehmer auf dem jeweiligen Versammlungsgelände vom Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG umfasst ist.

Wegweisend war zudem der Beschluss zur Waldbesetzung auf der A14-Trasse.

Aus dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Landes Sachsen-Anhalt vom 2.7.2021 (Az. 2 M 78/21)
Infrastrukturelle Begleiteinrichtungen einer Versammlung sind dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit zuzuordnen, wenn sie zur Verwirklichung des Versammlungszwecks funktional, symbolisch oder konzeptionell im Sinne der konkreten kollektiven Meinungskundgabe notwendig sind. Baulichen Anlagen eines Protestcamps, wie Baumhäuser, im Bereich der Trasse einer geplanten Autobahn kann symbolische Bedeutung für den Zweck zukommen, auf die öffentliche Meinungsbildung zum beabsichtigten Autobahnbau einzuwirken. ...
Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, ist entscheidend, ob diese "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist. Bleiben insoweit Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird. Die Beurteilung, ob eine "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstellt, ist im Wege einer Gesamtschau aller relevanten tatsächlichen Umstände vorzunehmen. Das besondere Gewicht, das die Verfassung der Versammlungsfreiheit beimisst, gebietet, dass alle wesentlichen Umstände in die Beurteilung einbezogen und ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigt werden. Wird dem nicht Rechnung getragen, erweist sich die Beurteilung als rechtsfehlerhaft, weil sie nicht den Vorgaben des Art. 8 Abs. 1 GG entspricht. Die Gesamtschau hat in mehreren Schritten zu erfolgen. Zunächst sind alle diejenigen Modalitäten der geplanten Veranstaltung zu erfassen, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielen. Zu vernachlässigen sind solche Anliegen und die ihrer Umsetzung dienenden Elemente, bei denen erkennbar ist, dass mit ihnen nicht ernsthaft die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung bezweckt wird, die mithin nur vorgeschoben sind, um den Schutz der Versammlungsfreiheit beanspruchen zu können. Bei der Ausklammerung von an sich auf die Meinungsbildung gerichteten Elementen unter Hinweis auf die mangelnde Ernsthaftigkeit des Anliegens ist mit Blick auf die besondere Bedeutung der Versammlungsfreiheit Zurückhaltung zu üben und ein strenger Maßstab anzulegen. In die Betrachtung einzubeziehen sind nur Elemente der geplanten Veranstaltung, die sich aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters als auf die Teilhabe an der Meinungsbildung gerichtet darstellen. Abzustellen ist in erster Linie auf einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt der Veranstaltung an ihrem Ort befindet. Auf diesen Betrachter kommt es deshalb in erster Linie an, weil eine Versammlung vorrangig durch ihre Präsenz an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit auf die öffentliche Meinung einwirken will. Die Betrachtung ist aber nicht auf solche Umstände beschränkt. Es können auch Umstände von Bedeutung sein, die nicht von einem Außenstehenden "vor Ort" wahrgenommen werden können. So liegt es etwa, wenn im Rahmen von den Veranstaltern zurechenbaren öffentlichen Äußerungen im Vorfeld der Veranstaltung zum Ausdruck gebracht wird, dass mit der Veranstaltung auf die öffentliche Meinungsbildung eingewirkt werden soll, diesen Äußerungen die Ernsthaftigkeit nicht abgesprochen werden kann und sie von einem durchschnittlichen Betrachter wahrgenommen werden können. Solche Äußerungen sind jedenfalls dann von Relevanz, wenn bei der geplanten Veranstaltung selbst Elemente der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung für einen Außenstehenden erkennbar gewesen wären. In diesem Fall erweisen sich die Äußerungen im Vorfeld als gewichtiges Indiz dafür, dass die geplante Veranstaltung mit Ernsthaftigkeit auch auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet gewesen wäre. Im Anschluss an die Erfassung der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sind diese ihrer Bedeutung entsprechend zu würdigen und in ihrer Gesamtheit zu gewichten. Daran schließt sich der zweite Schritt der Gesamtschau an, bei dem die nicht auf die Meinungsbildung zielenden Modalitäten der Veranstaltung zu würdigen und insgesamt zu gewichten sind. Schließlich sind - in einem dritten Schritt - die auf den ersten beiden Stufen festgestellten Gewichte der die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung betreffenden Elemente einerseits und der von diesen zu unterscheidenden Elemente andererseits zueinander in Beziehung zu setzen und aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters zu vergleichen. Überwiegt das Gewicht der zuerst genannten Elemente, ist die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung. Im umgekehrten Fall genießt die Veranstaltung nicht den Schutz des Versammlungsrechts. Ist ein Übergewicht des einen oder des anderen Bereichs nicht zweifelsfrei festzustellen, ist die Veranstaltung wie eine Versammlung zu behandeln (zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007, a.a.O., Rn. 16 ff.).
Art. 8 Abs. 1 GG schützt auch infrastrukturelle Ergänzungen der Versammlung in Form von Informationsständen, Sitzgelegenheiten, Imbissständen oder auch Zelten, sofern sie funktional-versammlungsspezifisch eingesetzt werden. Infrastrukturelle Begleiteinrichtungen einer Versammlung sind damit nicht in jedem Fall dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit zuzuordnen. Dies ist vielmehr nur dann anzunehmen, wenn die jeweils in Rede stehenden Gegenstände und Hilfsmittel zur Verwirklichung des Versammlungszwecks funktional, symbolisch oder konzeptionell im Sinne der konkreten kollektiven Meinungskundgabe notwendig sind. Ob bestimmte Gegenstände oder infrastrukturelle Einrichtungen, die von den Veranstaltern der Versammlung zur Durchführung der Versammlung als notwendig erachtet werden, in diesem Sinne unmittelbar versammlungsbezogen sind, ist von der Versammlungsbehörde nach einem objektiven Maßstab im Einzelfall zu beurteilen. Grundlage für diese Beurteilung ist das Vorbringen der Veranstalter. Sie legen gegenüber der Versammlungsbehörde dar, welche Gegenstände sie zur Durchführung der Versammlung in der geplanten Form benötigen. Auch bei der Entscheidung darüber, ob überhaupt eine Versammlung vorliegt, richtet sich die rechtliche Beurteilung danach, ob sich die Veranstaltung aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters als Versammlung darstellt, und ob der Veranstalter sein Konzept schlüssig dargelegt hat (zum Ganzen: OVG NW, Beschluss vom 16. Juni 2020 - 15 A 3138/18 - juris Rn. 56 ff.).

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