Sand im Getriebe

POLIZEIGEWALT

CPT-Standards: Straflosigkeit von Gewalt durch Polizei und Justiz


1. Einleitung
2. Für eine Welt ohne Polizei
3. Polizeigewalt überall
4. Polizeigewalt ist Alltag ...
5. Cop Culture
6. Polizei gegen politische Opposition
7. Folter und Polizeimethoden
8. Sanktionen? Fehlanzeige ...
9. CPT-Standards: Straflosigkeit von Gewalt durch Polizei und Justiz
10. Sicherheitswahn bei Bahn & Co.
11. Polizeiwaffen
12. Weitere Links zur Polizei


Keine Strafverfolgung
Seite 81 f.:
Die Glaubwürdigkeit des Verbots von Folter und anderen Misshandlungsformen leidet mit jedem Fall, in dem Amtspersonen, die für solche Delikte verantwortlich sind, für ihre Handlungen nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Wenn Informationen zutage treten, die auf Misshandlung hindeuten, und darauf keine sofortige und wirksame Reaktion erfolgt, werden diejenigen, denen der Sinn danach steht, Personen zu misshandeln, denen die Freiheit entzogen ist, leicht zu dem Glauben kommen – und dies aus gutem Grunde – dass sie dies straflos tun können. Alle Anstrengungen, Menschenrechtsprinzipien durch strikte Einstellungspolitik und berufliche Aus- und Fortbildung zu fördern, werden untergraben. Indem sie es unterlassen, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, tragen die betroffenen Personen – Mitarbeiter, Vorgesetzte, Untersuchungsbehörden – letztlich zum Verfall der Werte bei, welche die Fundamente einer demokratischen Gesellschaft bilden.
Wenn hingegen Amtspersonen, die Folter und Misshandlung anordnen, genehmigen, dulden oder selbst vornehmen, für ihre Handlungen oder Unterlassungen vor Gericht gebracht werden, liegt darin die unzweideutige Botschaft, dass solches Verhalten nicht toleriert wird. Abgesehen von ihrer erheblichen Abschreckungswirkung wird diese Botschaft der allgemeinen Öffentlichkeit die Bestätigung vermitteln, dass niemand über dem Gesetz steht, auch nicht diejenigen, die für seine Wahrung verantwortlich sind. Das Wissen, dass die für Misshandlung Verantwortlichen vor Gericht gestellt worden sind, wird gleichfalls eine vorteilhafte Wirkung auf die Opfer haben. ...
es muss eine klare Verständigung dahingehend bestehen, dass die Schuld für Misshandlung sich über die eigentlichen Täter hinaus auf jeden erstreckt, der weiß oder wissen sollte, dass Misshandlungen geschehen, und sie nicht verhütet oder meldet. Dies erfordert sowohl die Existenz einer klaren Berichtslinie als auch das Ergreifen von Schutzmaßnahmen für Hinweisgeber. ...
Gleichwohl hat das CPT festgestellt, dass die Strafverfolgungsbehörden in bestimmten Ländern über einen erheblichen Ermessensspielraum im Hinblick auf die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen verfügen, wenn Informationen in Bezug auf die mögliche Misshandlung von Personen, denen die Freiheit entzogen ist, ans Licht kommen. ...
Im Verlauf seiner Besuche trifft das CPT allerdings häufig Personen an, die behaupten, sich bei Staatsanwälten oder Richtern über Misshandlungen beschwert zu haben, ihre Gesprächspartner jedoch daran nur geringes Interesse gezeigt hätten, selbst wenn sie Verletzungen an sichtbaren Körperteilen aufwiesen. Die Existenz derartiger Vorkommnisse konnte gelegentlich durch Feststellungen des CPT bestätigt werden. Beispielsweise hat das CPT kürzlich eine gerichtliche Verfahrensakte überprüft, die über die Aufnahme von Misshandlungsbeschwerden hinaus auch verschiedene Blutergüsse und Schwellungen im Gesicht, auf den Beinen und auf dem Rücken der betroffenen Person vermerkte. Ungeachtet der Tatsache, dass die in die Akte aufgenommenen Informationen als prima facie Beweis für Misshandlung gedeutet werden könnten, leiteten die zuständigen Behörden keine Ermittlung ein und waren nicht imstande, eine plausible Erklärung für ihre Untätigkeit zu geben.
Es ist gleichfalls nicht ungewöhnlich, dass Personen behaupten, sie hätten Angst gehabt, sich über Misshandlung zu beschweren, weil bei der Anhörung vor dem Staatsanwalt oder Richter genau dieselben Gesetzesvollzugsbeamten anwesend gewesen seien, die sie vernommen hätten, oder dass ihnen ausdrücklich mit der Begründung, dies sei ihrem Wohl nicht dienlich, von einer Beschwerde abgeraten worden sei.

Qualität von Untersuchungen
Seite 85 f.:
Eine Untersuchung möglicher Misshandlung durch Amtspersonen muss das Kriterium der Gründlichkeit erfüllen. Sie muss geeignet sein, zu einer Entscheidung darüber zu führen, ob Gewalt oder andere angewandte Methoden unter den jeweiligen Umständen gerechtfertigt waren oder nicht, zur Identifizierung und in geeigneten Fällen zur Bestrafung der Betroffenen. Diese Verpflichtung richtet sich nicht auf ein bestimmtes Ergebnis, sondern auf die eingesetzten Mittel. Sie erfordert, dass alle vernünftigen Schritte unternommen werden, um Beweise über den Vorfall zu sichern, so unter anderem die vorgeblichen Opfer, Verdächtigen und Augenzeugen (z. B. Polizeibeamte im Dienst, andere inhaftierte Personen) zu identifizieren und zu vernehmen, Instrumente zu beschlagnahmen, die möglicherweise für Misshandlungen verwendet wurden, und Spuren zu sichern. Im gegebenen Fall sollte eine Autopsie stattfinden, die die Verletzungen vollständig und genau feststellt und die klinischen Befunde einschließlich der Todesursache objektiv analysiert.
Die Untersuchung muss gleichfalls in umfassender Weise durchgeführt werden. Das CPT ist Fällen begegnet, in denen trotz zahlreicher behaupteter, mit möglicher Misshandlung verbundener Vorfälle und Fakten der Umfang der Untersuchung unangemessen begrenzt war und wesentliche Geschehnisse und Begleitumstände, die auf Misshandlung hindeuteten, außer acht gelassen wurden. ...
In diesem Zusammenhang möchte das CPT klarstellen, dass es starke Bedenken im Hinblick auf die in vielen Ländern beobachtete Praxis hat, derzufolge Gesetzesvollzugs- oder Gefängnisbeamte Masken oder Sturmhauben tragen, wenn sie Festnahmen vornehmen, ...
Über die oben genannten Kriterien für eine effektive Untersuchung hinaus sollte ein hinreichendes Element öffentlicher Kontrolle der Untersuchung oder ihrer Ergebnisse vorhanden sein, um Verantwortlichkeit in der Praxis wie in der Theorie sicherzustellen. Das Ausmaß an öffentlicher Kontrolle kann durchaus von Fall zu Fall unterschiedlich sein. In besonders schwerwiegenden Fällen mag eine öffentliche Untersuchung angebracht sein. In allen Fällen muss das Opfer (oder, je nach Lage des Falles, seine Angehörigen) in das Verfahren in dem Ausmaß einbezogen werden, das zur Wahrung seiner legitimen Interessen erforderlich ist.

Kommentar: Nichts davon wird auch nur annäherungsweise eingehalten. Staatsanwaltschaften und Gerichte sind reine Vertuschungsbehörden, die Opfer von Polizei- und Justizgewalt werden regelmäßig schnell selbst angeklagt, während die Verfahren gegen die prügelnde Polizei oder Justiz eingestellt oder nie aufgenommen werden.


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