Sand im Getriebe

PROJEKTWERKSTATT ODER WURFZELT?
GEDANKEN ZUR SCHWIERIGKEIT DES LEBENS ...

Viele Wege führen in die Projektwerkstatt - und wieder aus hier heraus


1. Einleitung
2. Viele Wege führen in die Projektwerkstatt - und wieder aus hier heraus
3. Widerstandsnomadisch leben ... und die Projektwerkstatt nutzen!
4. Rückblicke
5. Einfach nur wohnen oder als Gruppe tagen? Nein danke!
6. Seiten zum Thema

Ein Text von Jörg (dem einzigen der ersten Generation, der noch im Haus aktiv ist)

Es gibt viele Möglichkeiten, in der Projektwerkstatt aktiv zu sein. Mensch kann nur für ein Projekt oder eine Angelegenheit vorbeikommen und das nutzen, was dafür passt. Das dauert dann vielleicht nur ein paar Stunden oder Tage - und mensch kann das allein oder als Gruppe machen.
Andere kommen für eine bestimmte Zeit in die Projektwerkstatt. Vielleicht wollen sie da auch an einem oder mehreren Projekten schrauben, aber etwas mehr "mitnehmen": Die Bibliotheken und Archive genießen, das unabhängige und selbstorganisierte Leben kennenlernen, Aktionsmethoden üben oder etwas Anderes. Viele von ihnen werden sich für diese Phase auch ein bisschen einrichten, ihre Reste an Eigentum mitbringen usw. Das ist möglich, aber mit dem Start in Saasen wandelt sich einiges - hin zu einem Leben ohne (viel) Eigentum, unabhängig von ständigen Geldflüssen und frei von Regeln und Entscheidungsgremien.
Ein größerer Sprung wäre die Idee, ohne festgelegtes Ende die Projektwerkstatt als Ort für konkrete Aktivitäten und als dauernden Stützpunkt im eigenen Leben zu wählen. Auch dann liegt es nahe, sich dafür auch im Haus einrichten, eigenen Kram einzubringen. Doch wie in einer eigenen Wohnung soll sich auch dann niemand niederlassen. Denn die Projektwerkstatt ist ein experimenteller Raum des regel- und eigentumsfreien Lebens - zudem immer zum Hauptzweck politischer Aktivität.
Wer mit all dem nicht auf Dauer klarkommt, hat dann noch (mindestens) zwei weitere Möglichkeiten. Die eine wäre, das Haus als Sprungbrett zu nutzen, also dorthin zu kommen, die Idee unabhängiger, selbstorganisierter und widerständiger Kultur von Aktion und Alltag kennenzulernen, auszuprobieren, zu "üben" - und dann von dort etwas Eigenes aufzubauen. Das kann ein weiteres Projekt in der Nähe sein mit anderem Schwerpunkt - oder die Gründung ähnlicher Aktionsplattformen in anderen Orten oder Regionen. Wir würden uns sehr, sehr freuen, nicht so allein zu bleiben mit den 4 oder 5 Einrichtungen dieser Art zur Zeit im deutschsprachigen Raum. Wer zwar nicht auf Dauer in der Projektwerkstatt bleiben will, sie aber als Ort politischer Aktivität schätzt und deshalb in der Nähe wohnen möchte, kann dort auch starten und sich dann etwas Anderes suchen, z.B. eine Wohnung oder ein Haus als WG, für weitere Aktivitäten und mehr.

Das sind die Möglichkeiten, die Projektwerkstatt zu nutzen - und alle Zwischenformen. Es wäre schön, wenn ihr euch dazu eigene Gedanken macht und mit einem Plan kommt. Der kann auch mal verändert werden, aber was immer wenig schön war, waren all die Menschen, die kamen, aber nicht wussten, was sie überhaupt in der Projektwerkstatt wollten - oder einfach die angenehme Ausstattung nutzen, um nur ihr Ding zu machen, aber sich für die Aktionsplattform gar nicht interessierten. Wer so wenig kapiert, was ein Leben in freier Vereinbarung ist, wäre dann in einer eigenen Wohnung besser aufgehoben.

ein Theaterstück entwerfen und einüben ... Sprühschablonen basteln ... Blockadematerialien anfertigen und Aktion üben ... Projekte, eine Kampagne oder eine konkrete Aktion planen ...
Seminare oder andere Treffen vorbereiten bzw. durchführen ... Filme schneiden, Broschüren oder Flugblätter erstellen - und wenn es passt, auch gleich drucken/vervielfältigen ...
Fahrräder, Hänger usw. reparieren, etwas aus Holz oder Metall produzieren ...
Eine Ausstellung entwerfen und machen ... Musikstücke oder Hörspiele entwickeln und aufnehmen ... Das Jahrestreffen der Umsonstladencrew oder der Café-Gruppe oder ... Recherchieren, Lesen, Informieren, einen Vortrag vorbereiten ...
Das alles und noch viel mehr, würd' ich machen, wenn ich in der Projektwerkstatt wär ...
Und das ist eigentlich ganz einfach, denn das Haus ist genau dafür ausgelegt. Ihr könnt - allein, zu zweit oder zu mehreren - einfach kommen und all das (bzw. noch viel mehr) im Haus tun. Das Haus ist dabei kein neutraler Ort, sondern bietet das Arbeitsmaterial für all diese Tätigkeiten. Es ist genau dafür da ... also eher nicht für beliebige Bildungsveranstaltungen mit Frontalunterricht, erst recht nicht für privates Leben (zwecks Studieren, Arbeiten gehen oder Rumhängen), sondern für politische Aktivität (welcher Art auch immer).
Damit das gut geht, gibt es auch gute Rahmenbedingungen: Räume zum Treffen, für Vorträge oder Filmgucken, Küche(n) und Sanitäreinrichtungen, große Bibliotheken, viele kleine Sitzecken und natürlich die vielen Arbeitsgeräte. Falls es länger als einen Tag dauert, sind sogar Übernachtungsräume da. Einmal für Gruppen mit 19 Betten (plus Platz für Gruppenzelt oder Isomatten) und zusätzlich für Leute, die eher einzeln oder in kleinen Runden mal da sind, noch ein Raum mit 14 Betten.

Für eine Phase dabei sein ...
Gehen wir mal davon aus, das obige Angaben für die meisten Projektgruppen oder Einzelaktiven, die das Haus mit seiner Infrastruktur nutzen wollen, reichen. Manche aber wollen länger da sein, z.B. um sich in ein Thema einzuarbeiten oder eine ganze Kampagne nicht nur zu planen, sondern auch von der Projektwerkstatt aus durchzuführen. Auch das geht. Zwar gibt es im Haus keine Privatheit - sowohl nicht für Menschen wie auch für Organisationen, d.h. es gibt kein gesondertes Büro für irgendjemand. Aber für alle Projekte können die vorhandenen Geräte genutzt werden.

Ob nun allein oder als kleine Runde - die Projektwerkstatt kann für Euch auch mehrere Tage, Wochen oder Monate ein Aktionsort sein. Ob durchgehend oder immer mal wieder: Ihr könnt dann für das Projekt oder die Aktivitäten, die Ihr hier machen wollt, noch weitere Materialien ins Haus bringen und Euch damit selbst eine optimale Arbeitsumgebung schaffen. Ihr lebt dann einfach die Zeit mit, am besten natürlich in der Kooperation mit den Anderen hinsichtlich der ständigen Re-Organisierung im Haus. Privaträume aber gibt es nicht - das ist und bleibt eines der Experimente in der offenen Aktionsplattform.

Egal wie lange, immer gilt: Die Arbeitsmöglichkeiten in der Projektwerkstatt hängen davon ab, wie sich alle im Haus verhalten. Was verbraucht ist, verloren oder kaputt geht bzw. gar einfach mitgenommen wird, ist weg - für Euch und für alle Anderen. Wer noch etwas hinzufügt, verbessert die Handlungsmöglichkeiten für sich und Andere. Dazwischen liegen viele Varianten. Bedingungen gibt es nicht - so ist ohne Weiteres möglich, für eine Aktion mit den Materialien des Hauses zu machen ... und vielleicht später, d.h. ganz unabhängig davon, selbst etwas zur Ausstattung beizutragen. Gesucht ist solche Unterstützung immer, sowohl durch aktive Mitwirkung wie auch durch Ergänzung der Ausstattung.

Die Projektwerkstatt nutzen und als (einen) eigenen Lebensmittelpunkt wählen
Es gibt ab und zu Menschen, die ihr Leben noch intensiver mit der Projektwerkstatt verknüpfen, z.B. nirgends mehr woanders eine Wohnung oder einen ständigen Aufenthaltsort haben. Auch das ist möglich, auch wenn hier eine der Konfliktherde des Hauses bestehen. Denn die Grenze zum Privatleben ist unscharf. Schließlich ist politische Aktion nicht klar definiert. Für viele ist esoterisches Getue, spirituelle Gymnastik oder das Lesen marxistischer Literatur eine Art politischer Betätigung. Das soll hier auch nicht definiert werden. Aber: Dafür ist das Haus nicht eingerichtet. Es geht in der Projektwerkstatt so gut und so schlecht wie in jeder beliebigen Privatwohnung. Auf dem Sofa sitzen und meditieren oder lesen, ist zwar möglich - ärgerlich wäre es aber, wenn die Projektwerkstatt dafür ausgewählt wird, weil hier das Wohnen mit Fullservice nichts kostet, zudem kein_e Vermieter_in nervt. Nein: Wählt die Projektwerkstatt als Euren Aktivitäts- und Lebensmittelpunkt, wenn Ihr politisch intervenieren wollt in die Welt da draußen. Und falls das dann irgendwann wieder vorbei ist, dann sucht auch bitte wieder andere Orte auf. Auch wenn es Euch dann natürlich längst aufgefallen ist, dass Wohnen in der Projektwerkstatt kostenlos und mit Vollpension ist. Dafür aber sorgen andere Leute, die eigentlich politisch aktiv sein wollen. D.h. wer hier das Haus (nur) für Anderes als politische Aktion nutzt, zieht nicht nur die Möglichkeiten der Projektwerkstatt für Anderes ab, sondern auch Zeit und Kraft derer, die hier eigentlich politisch aktiv sein wollen.

Was nicht passt ...
  • Hierher kommen und warten, bis mensch zur politischen Aktion angeleitet wird.
  • Glauben, dass es irgendwelche Hauptamtlichen, Gelder oder Funktionär_innen gibt, die alles aufrecht erhalten und sich kümmern.
  • Glauben, dass Anarchie bedeutet, dass zwar niemand das Sagen hat, aber trotzdem die notwendigen Tätigkeiten des Alltags nur von einigen Wenigen geleistet werden, während mensch selbst sich um nichts kümmern muss.
  • Versuchen, den Laden zu übernehmen oder im Namen der Projektwerkstatt kluge Sprüche abgeben.
  • Im schönen Haus nur wohnen und von dort aus arbeiten, studieren usw.
  • Was ebenso nicht passt: Sich einnisten und mitschwimmen in der gut organisierten Projektwerkstatt, das Gefühl zu haben, irgendwie anders zu sein - aber ansonsten eher zu zeigen, dass ein fremdbestimmter Arbeitsplatz zum eigenen Leben besser passen würde.
  • Dauersurfern im Internet als Ersatz für die fehlende Orientierung durch andere Personen, Chef_innen usw. Das Internet hilft da, denn wenn ich keine eigenen Ideen oder Pläne habe, gibt es die Links, auf die ich klicken kann. Immer so weiter. Den ganzen Tag.
  • Nur noch in der eigenen Clique agieren und sich um die 3 bis 5 Kuschelpartner_innen kümmern, während die Restwelt vergessen wird. Auf Aktionen oder Camps fahren, um neue Kuschel- oder gar gezielt Sexualobjekte zu "jagen" (steht hier, weil es geschieht!).

Das sind keine Formen politischer Aktion (mehr). Die Projektwerkstatt ist ein politisches Aktionszentrum - und herzlich eingeladen sind alle, die es so nutzen wollen. Der Rest suche sich bitte andere Wohnungen oder gehe zu Grünen, NGOs bzw. anderen, am besten staatsfinanzieren Organisationen. Sind genug da. Der Sprung in die Selbstorganisierung, das Aneignen von Wissen und Überlebensfähigkeit und der Willen, sich selbst zu entfalten mit eigenen Ideen und Projekten sind selten und meistens auch nur halbherzig durchgeführt. So ist es auch kein Wunder, dass die meisten nach ein oder wenigen Jahren des Herumprobierens wieder zurückkehren in den Schoß der Gesellschaft, die vorgeformte Wege anbietet und die Menschen als willenlose Mitläufer_innen will. Da draußen ist Instantleben - die Projektwerkstatt das gegenkulturelle Programm.
Es nervt, wenn sogar die Hauptnutzer_innen der Projektwerkstatt zwar mit einer verständlichen und notwendigen Haltung der Verweigerung gegenüber Anforderungen von außen kommen, dann aber dort nichts entwickeln als selbstbestimmte Alternative, sondern nur einige Zeit die Substanz nutzen oder sogar einfach runterwirtschaften. Danachhauen sie dann einfach wieder ab in die Welt, die sie eigentlich nicht wollten, in die sie aber mangels eigenen Willens zur Selbstorganisierung genau hineinpassen. Eigene Aktionen entwickeln die Wenigsten - und ebenso ist die Infrastruktur, die sie hier mitnutzen, für sie eine Selbstverständlichkeit wie Zimmer, warme Heizung, funktionierende Geräte, Fenster, Türen und Wasserhähne, ein gefüllter Kühlschrank und überwiesene Stromrechnungen bei Mami und Papi. Viele stellen nur ihren (privaten!) Laptop hier ab, dazu ein paar (private!) Klamotten, behalten ihr (privates!) Geld und (ebenso privates!) Smartphone/Handy. Mehr brauchen sie eigentlich nicht, aber die Projektwerkstatt ist ein netter Rahmen mit Telefon, Internet, Heizung, vollem Kühlschrank usw., um das sich Andere kümmern ...

Leider ist all das, was hier als nicht passend beschrieben wurde, immer wieder Alltag in der Projektwerkstatt - bei einigen Menschen vom ersten Tag an, bei anderern erst im Laufe der Zeit. Die meisten derer, die politisch aktiv sind, schaffen Selbstorganisierung nie oder verändern sich im Laufe der Zeit wieder zum Normalen. Das ist (leider) üblich und deshalb kein Grund, Einzelne zu beschimpfen. Aber es sollte gelten: Wer sich wieder "normaler" orientiert oder die Phase politischer Widerständigkeit hinter sich lässt, geht. Da draußen in der bürgerlichen Republik passt es dann besser. Die Tür der Projektwerkstatt bleibt außerdem ja offen. Denn auch wer "nur" (noch) phasenweise politisch aktiv ist, ist im Haus dafür immer gerne gesehen.

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