Sand im Getriebe

DER GROSSE PROZESS GEGEN PROJEKTWERKSTÄTTLER ... REVISION UND VERFASSUNGSBESCHWERDE

Der OLG-Beschluss vom 29.3.2006 (Az. 2 Ss 314/05)


1. Befangenheitsantrag vor der Revision
2. Die Revisionsschriften
3. Alles unbegründet ... sagt die Staatsanwaltschaft
4. Gegenvorstellung des Angeklagten PN
5. März 2006: OLG Frankfurt verwirft Revision
6. Der OLG-Beschluss vom 29.3.2006 (Az. 2 Ss 314/05)
7. Pressereaktionen
8. Reaktionen nach Revisions-Abweisung
9. Links zur Revision
10. Verfassungsklage des zu 8 Monaten Haft Verurteilten in drei Teilen
11. Einreichung der Verfassungsklage und erste Zwischenerfolge
12. Verfassungsgericht hebt Urteile auf
13. Presse zum Verfassungsgericht
14. Ausblick auf die Prozess-Wiederholung
15. Links zur Verfassungsklage

Mit Kommentaren zu den jeweils gelb unterlegten Ausführungen (die Gelbmarkierung und die Unkenntlichmachung von Namen sind nicht im Original-Beschluss enthalten)






Mit dem Satz "... eine Genehmigung nach dem Versammlungsgesetz lag nicht vor ..." stellt das OLG eine implizite Behauptung auf, dass eine solche Genehmigung notwendig sei. Damit wird unterstellt, dass die Demonstration nicht rechtens und der Angriff auf die Demonstration eventuell rechtmäßig war. Allerdings ist für eine Versammlung eine Genehmigung nicht notwendig. Soweit mensch annimmt, dass die Behauptung, eine Genehmigung sei nötig, in der Ausführung des OLG implizit enthalten ist, ist sie nicht nur falsch, sondern offensichtlich als Notlüge erkennbar: Das OLG selbst hat in Form und Ablauf der Demonstration keinerlei Hinweise auf eine Unrechtmäßigkeit erkannt und deshalb durch eine gezielte Falschbehauptung den Eindruck der Unrechtmäßigkeit mit diesem Beschluss erzeugt. Das ist fast unglaublich, dass hier eine ziemlich hohe richterliche Ebene eine derartige gezielte Rechtsbeugung vornimmt und in einem Verfahren zum Zwecke der Aufrechterhaltung einer Haftstrafe hinsichtlich bestehender Rechtsverhältnisse schlicht lügt.
Im weiteren Satz behauptet das OLG selbst, das "deshalb" die Polizei "eingriff", also die Demonstration angriff und (ohne Vorwarnung oder Auflösung) zerschlug durch Beschlagnahme des Transparentes, des Megaphons und Festnahme des Redner. Das "deshalb" bezieht sich nur auf den vorstehenden Satz, in dem nur das Stattfinden der Demonstration und das Nichtvorhandensein einer Genehmigung geschildert werden. Das heißt: Das OLG behauptet, das Stattfinden einer Demonstration bei fehlender Genehmung sei ausreichender Grund für eine Zerschlagung der Polizei unter Auslassung aller formalen Zwischenschritte und ohne Ausprobieren anderer, weniger die Rechte beschneidender Zwangsmassnahmen. Da Genehmigungen vom Gesetz her gar nicht vorgesehen sind, behauptet das OLG folglich, dass jede Demonstration, nur weil sie stattfindet, jederzeit und sofort von der Polizei auf jede Art zerschlagen werden kann.

Der Vorgang ist von grundlegender Bedeutung: Sowohl die Polizei im direkten Geschehen am 11.1.2003 sowie alle (!) gerichtlichen Instanzen und die Oberstaatsanwaltschaft haben bezüglich des Versammlungsrechts rechtliche Falschbehauptungen aufgestellt. Bis auf den offensichtlich unwissenden Polizeiführer muss allen anderen Instanzen unterstellt werden, dass sie absichtlich gelogen haben, um eine Verurteilung zu ermöglichen. Denn allen ist durch den Angeklagten die grundgesetz- und versammlungsgesetzkonforme Rechtslage geschildert worden. Dennoch haben sie in Urteilen, Beschlüssen und Stellungnahmen Falschbehauptungen zur Rechtslage gemacht. Das stellt zum einen einen Bruch des Grundgesetzes, Art. 8, dar und zum zweiten bewusste Rechtsbeugung im Amt.




In der Ablehnung einer Pflichtverteidigung benennt das OLG die Möglichkeit, die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (also vor dem Beschluss des OLG) zu verlangen. Nur: Wie soll das gehen, wenn das OLG seinen Beschluss gar nicht begründet hat, d.h. niemand weiß, ob ein Fehler vorhanden ist, der von der Rechtspflegerin verschuldet wurde? Trickreich wird auch hier letztlich nur das Ziel verfolgt, eine Verteidigung vor Gericht unmöglich zu machen.

Der zweite oben kenntlich gemachte Satz ist ein Hammer: "Extensive Wahrnehmung prozessualer Rechte" deutet implizit darauf hin, dass das Oberlandesgericht die Auffassung vertritt, dass Rechte im Strafprozess nicht dazu da sind, sie auch zu nutzen. Was eine Selbstverständlichkeit ist, wird hier zum Sonderfall "extensive Wahrnehmung" aufgebauscht und damit implizit in Frage gestellt. Zudem unterstellt das OLG, dass die Angeklagten mit formellen Rügen die "schwierige Sach- und Rechtslage zu schaffen versuchen". Will heißen: Wer vor Gericht nicht nur passiv alles über sich ergehen lässt, will als Selbstzweck eine schwierige Sach- und Rechtslage erzeugen - und nicht vielleicht sich verteidigen, Vorgänge durchleuchten usw. Angesichts dieses Satzes ist nicht überraschend, dass das OLG keine einzige der formellen Rügen im Beschluss überhaupt erwähnt, geschweige denn begründet zurückgewiesen hat. Offensichtlich hatte das OLG von vorneherein die Auffassung, die formellen Rügen dienten nur der Verkomplizierung der Sach- und Rechtslage und es müsste sich damit daher auch nicht beschäftigen.


Der hier markierte Absatz ist der einzige Satz, mit dem das OLG überhaupt auf die Revisionsbegründung eingeht. Der Rest des Beschlusses behandelt ja die Beschwerde gegen den Beiordnungsantrag und wiederholt in Kurzfassung die angefochtenen Urteile (mit dem Zusatz, dass die Demonstration nicht genehmigt war - diesen Unsinn hatten andere Gerichte nicht behauptet).


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