Sand im Getriebe

KURZNACHRICHTEN ZU REPRESSIONSTHEMEN

2018


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Dezember
Urteilsentwurf schon vorher in der Akte – alles rechtens!?
Im Prozess vor dem Harburger Amtsgericht wegen der Blockade eines Urantransportes im Hamburger Hafen 2014 machten der Angeklagte und seine Verteidigung in der Akte eine bemerkenswerte Entdeckung. Neben einem vorgeschriebenen Prozess-Ablaufplan fanden sie eine stichpunktartige Urteilsbegründung, versehen mit dem Vermerk „Bitte vor der Akteneinsicht alle Unterlagen dringend entfernen“. Da die Entdeckung noch vor Beginn der Beweisaufnahme geschah, stellte der Angeklagte einen Befangenheitsantrag wegen des Verdachts der Voreingenommenheit. Doch der wurde abgelehnt. Es sei völlig normal, Urteile vorab zu schreiben: „Es ist dem Tatrichter unbenommen, sich schon vor der Hauptverhandlung durch die Fertigung eines Urteilsentwurfs entsprechend dem jeweiligen Ermittlungs- bzw. Verfahrensstands auf die Hauptverhandlung vorzubereiten." Bericht unter nirgendwo.info/blog/2018/10/29/anti-atom-prozess-am-ag-hh-harburg-urteilsentwurf-existiert-vor-prozessbeginn/

Geplante Erleichterung von Entmündigung könnte am Bundesrat zu scheitern
Die Justiz-Minister-Konferenz der Länder (JUMIKO) hat bei ihrem letzten Treffen die Stellung der Betroffenen im Betreuungsrecht gestärkt: „Die Arbeitsgruppe spricht sich gegen eine gesetzliche Festlegung von Eignungskriterien sowie gegen eine abstrakt-generelle Regelung zum Berufsbild für Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer aus.“ Psychiatrie-Betroffene begrüßten die Formulierung. „Endlich und mit aller Deutlichkeit wird den Ausbildungs- und Qualifizierungsforderungen der Berufsbetreuer ein klare Absage erteilt und diese trefflich begründet: Vorsorgevollmacht und „Betreuung“ dienen der Wahrnehmung selbstverständlicher Bürgerrechte der Betroffenen.“ Damit ließe sich vorhersagen, dass aus den Professionalisierungswünschen der Berufsbetreuer*innen nichts mehr werde – einem entsprechenden Gesetz müsste der Bundesrat nämlich zustimmen. Mehr auf www.zwangspsychiatrie.de/2018/06/jumiko-die-gesetzliche-festlegung-von-eignungskriterien-von-betreuern-sind-nicht-erforderlich-und-abzulehnen/

Lehrfilm „Unter Paragraphen“ wieder online
Der Film zeigt, wie ein Gerichtsverfahren ablaufen müsste. Heimliche Mitschnitte in Strafverfahren zeigen dann, dass die Realität davon stark abweicht: Richter*innen brechen beliebig des Gesetz, verwehren den Angeklagten ihre Rechte und beschimpfen sie sogar. Der 90minütige Film bietet aber noch ein drittes: Immer wird erläutert, wie mensch sich wehren könnte - mit praktischen Tipps und den rechtlichen Grundlagen. Insofern ist "Unter Paragraphen" Aufklärung und Lehrfilm zugleich. Die jetzt neu hochgeladene Fassung ist eine verpixelte Variante des Originalfilms aus 2016, der aus unbekannten Gründen von Youtube in Deutschland gesperrt wurde. Link: youtu.be/C-nWjn6g8zM (Download über www.projektwerkstatt.de Materialien Filme).

Die Rangfolge von Gesetzen und politischer Widerstand
Nur wenige Gesetze schaffen den Rahmen für politischen Protest, setzen ihm Schranken (häufig) oder erweitern die Handlungsmöglichkeiten (selten). Für Letzteren kann das Versammlungsrecht genutzt werden, da es niederrangige Gesetze wie Polizeirecht und Straßenverkehrsordnung außer Kraft setzt. Zwar setzt es gleichzeitig auch neue Schranken durch Formvorschriften und demospezifische Straftaten, aber bei geschickter Anwendung verdrängt es mehr Beschränkungen als es neue schafft. Hintergrund ist die Rangfolge von Gesetzen. Höchstes Recht in Deutschland ist das Grundgesetz, an zweiter Stelle folgen alle unmittelbar aus dem Grundgesetz abgeleiteten Gesetze. Hierzu gehören das Presserecht, die Strafgesetze und vieles mehr – und eben auch das Versammlungsrecht (abgeleitet aus Artikel 8 GG). Leider ist das Grundgesetz selbst kaum direkt zu nutzen, weil die konkreten Formulierungen für eine Einklagbarkeit oft zu ungenau sind. Umso wichtiger ist die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, denn dieses bietet die zur praktischen Anwendung nötigen Definitionen und Konkretionen. Wer diese nicht alle lesen will, kann sich der Kommentarbücher bedienen, die zu allen wichtigen Gesetzen erschienen sind. Zum Grundgesetz gilt das Werk „Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland“ von Dieter Hömig und Heinrich Amadeus Wolff (12. Auflage 2018, 1006 S., 39 €) als Standardwerk. Für jeden Artikel finden sich umfangreiche Erläuterungen mit Angabe der Fundstellen bei Bundes- und Landesverfassungsgerichten. Die Auslegung des für politische Aktion besonders wichtigen Versammlungsfreiheits-Paragraphen umfasst beispielsweise 12 Seiten mit 24 Randnummern.

Beweisantragsrecht im Strafvollzug gestärkt
Das Berliner Kammergerichts hat am 1.2.2018 in einem Revisionsurteil (Az. 121 Ss 71/17) die Rechte von Angeklagten und ihren Verteidiger*innen gestärkt. Danach dürfen Beweisanträge nicht mehr pauschal abgelehnt werden mit dem Hinweis, das angebotene Beweismittel sei ungeeignet. Vielmehr seien an eine solche Ablehnung hohe Anforderungen zu stellen, schreibt das Gericht: „Zwar kann ein Beweisbegehren, das sich auf ein völlig ungeeignetes Beweismittel stützt, nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt werden. Dabei muss es sich aber um ein Beweismittel handeln, dessen Inanspruchnahme von vornherein gänzlich aussichtlos wäre ... Völlig ungeeignet ... ist ein Beweismittel nur dann, wenn das Gericht ohne Rücksicht auf das bisher gewonnene Beweisergebnis feststellen kann, dass sich mit ihm die Beweistatsache nach sicherer Lebenserfahrung nicht erzielen lässt (...). Der ablehnende Beschluss bedarf einer Begründung, die ohne jede Verkürzung oder sinnverfehlende Interpretation der Beweisthematik alle tatsächlichen Umstände dartun muss, aus denen das Gericht auf die völlige Wertlosigkeit des angebotenen Beweismittels schließt.“

Buchvorstellung „Jugendstrafvollzugsrecht“
Das „Handbuch“ (so der Untertitel) beeindruckt zunächst durch 118 Seiten mit allgemeinen Einführungen, Statistiken, Literatur- und Adressenlisten zur Praxis des Einsperrens junger Menschen. Erst dann folgen die Gesetzestexte und ihre Erläuterung. Da der Strafvollzug seit der Föderalismusreform Ländersache ist, ist das Buch nach Sachbereichen gegliedert. Die Hauptkapitel gliedern sich – seltsamerweise als Paragraphen gekennzeichnet – unter anderem in Grundlagen, Vollzugsplanung, Unterbringung, Ausbildung, Außenkontakte, Zwang, Rechtsmittel und Organisation. Sie enthalten eine tabellarische Synopse der Länderregelungen und darauf folgende Beschreibungen, für die Urteile und Literatur ausgewertet wurde.

November
Rückblick zu Repression am Hambacherforst
Der EA (Ermittlungsausschuss) hat für den Zeitraum von Ende August bis Ende September 2018 eine Bilanz polizeilicher Übergriffe und weiterer Handlungen gezogen und auf de.indymedia.org/node/24824 veröffentlicht. Schon ihre Einleitung beinhaltet eine klare Kritik: "In den letzten Wochen konnten wir – teils durch Berichte von Beteiligten und Augenzeug*innen, teils durch die Live-Streams – zahlreiche unrechtmäßige Handlungen seitens der RWE und der Polizei miterleben, die teilweise das Leben von Aktivist*innen gefährdeten. Dies sind keine außergewöhnlichen Vorfälle. Im Gegenteil: Insbesondere im Hambacher Forst verhält sich die Polizei und die RWE Security seit Jahren genauso. Der einzige Unterschied ist, dass während der Räumungen in den letzten Wochen deutlich mehr mediale Aufmerksamkeit gegeben war und die Übergriffe und Misshandlungen in kürzeren Zeitabständen erfolgten." Danach folgt ein umfangreicher Text über die Einrichtung des Gefahrengebietes, Einschränkungen der Pressefreiheit, Gewalt seitens der Polizei und Vorkommnisse in der Gefangenensammelstelle.

Ein Resümee zu fünf Jahren Sicherungsverwahrung (SV)
Thomas Meyer-Falk, politisch engagierter Gefangener in der JVA Freiburg, hat eine Bewertung seiner fünfjährigen Haft in der dem Absitzen seiner Strafe folgenden SV veröffentlicht. Darin beschreibt er einerseits die Veränderung, die es gegenüber der früheren Lage gibt, in der noch kein Abstandsgebot zu den Bedingungen zur „normalen“ Haft bestand. Zum anderen zieht er ein kritisches Fazit, welches er am Ende auf einen Satz verdichtet: „In einer unlebendigen Umgebung, werden Menschen wie tote Dinge beschrieben und behandelt.“ Der gesamte Text steht unter de.indymedia.org/node/25129.

21.-23.12. Training zu offensiv geführten Gerichtsverfahren (Prozesstraining)
Einführung zu rechtlichen Grundlagen der Repression (vor allem Straf- und Strafprozessrecht, aber auch Hinweise auf relevante Spezialgesetze). Schilderung des Ablaufs eines Gerichtsverfahrens. Dann Training in Form eines Rollenspiels zu einem kompletten Gerichtsprozess mit der Möglichkeit, verschiedene Rollen auszuprobieren (Zeug*in, Angeklagte*r, Publikum, Wachmensch). Das Seminar findet in der Projektwerkstatt Saasen (nahe Gießen, gut per Zug oder Trampen erreichbar) statt. Mehr auf www.prozesstipps.siehe.website.

Strafverfahren politisieren: Der § 34 StGB (Rechtfertigender Notstand)
Bei allen Aktivitäten, die zu einem Strafverfahren führen, aber einen politischen Zweck verfolgt haben, sollte der § 34 Strafgesetzbuch geprüft werden. Denn wenn eine Verteidigung ganz oder als Teil-Strategie auf diesem aufbaut, können Beweisanträge zu den in diesem Paragraphen genannten Kriterien einer gesellschaftlichen Legitimation der angeklagten Handlung gestellt werden (Notwendigkeit, Versagen staatlicher Stellen, Ausmaß der Gefahr usw.). Das politisiert einen Prozess sehr stark und ist den beteiligten Behörden oder Firmen oft sehr unangenehm. Der Wortlaut: „Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.“

Hilfe gesucht: Gerichtsanträge überarbeiten
Auf der Seite www.prozesstipps.siehe.website gibt es einen Downloadbereich mit sehr vielen Standardanträgen, die mensch in Strafverfahren, z.T. auch in anderen Gerichtsverhandlungen stellen kann. Sie sind teilweise schon einige Jahre alt - und sicherlich fehlen auch etliche, die in den letzten Jahren irgendwo verfasst wurden. Da die Internetseiten offen zugänglich sind, nützt die Sammlung vielen und es wäre lohnenswert, wenn die Anträge stets vollständig, gut sortiert und aktuell erreichbar sind. Gesucht sind Menschen, die Lust haben, die vorhandenen Anträge auf Fehler, mangelnde Aktualität, falsche Verlinkungen usw. zu prüfen. Kontakt: Projektwerkstatt (06401-903283, saasen@projektwerkstatt.de).

Das Ende der Interessenvertretung Inhaftierter
Es war eine Art Selbsthilfe von Gefangenen, die überwiegend nicht aus politischen Bewegungen stammten und von dieser zum Teil auch recht unfreundlich missachtet wurden. Doch in vielen Fällen konnte Unterstützung organisiert werden, damit per Beschwerde oder Klage Haftbedingungen und Willkür zurückgedrängt worden sind. Nach dem gesundheitlichen Ausfall des bisherigen Sprechers und Restriktionen gegen weitere Aktive sind die Internetseite www.ivi-info.de und die Kontaktadresse erloschen. Eine Folge-Internetseite ist www.prison-watch.de. Das Iv.I.-Archiv soll in das Anti-Knast-Archiv der bisherigen Unterstützungsstruktur der Iv.I., der Projektwerkstatt Saasen, integriert werden. Hierfür ist Hilfe gesucht.

Rechts- und Organisationstipps für Ehrenamtliche
Wer sich engagiert, möchte dafür nicht auch noch Scherereien mit Ämtern oder Strafverfolgungsbehörden kommen. Daher ist rechtliches Grundwissen nützlich. Bernd Jaquemoth hat dafür den Ratgeber „Vereinsrecht und Ehrenamt“ verfasst (2014, Verbraucherzentrale in Düsseldorf, 190 S., 12,90 € zzgl. Porto). Nüchtern, übersichtlich gegliedert und angereichert mit kleinen Tipps, Hinweisen zu Gefahrenpunkten oder Beispielen werden die wichtigsten Fragen zu Gründung und Führung von Vereinen sowie dem Engagement im Ehrenamt abgehandelt. Das ist nützlich für alle, die Funktionen im Verein innehaben oder sich „nur“ engagieren, aber dabei um Rechte und Pflichten wissen wollen. Bestellmöglichkeit über www.vz-ratgeber.de. Eher als Warnung zu verstehen ist hingegen Claudia Pinls „Freiwillig zu Diensten?“ (2013, Nomen in Frankfurt, 144 S.). Die Autorin rückt mit etlichen Beispielen und grundlegenden kritischen Analysen dem Ehrenamts-Mythos zu Leibe. Das ist nämlich längst weitgehend in den neoliberalen Umbau der Gesellschaft integriert worden – als billiger Ersatz für das, was früher vom Staat gewährleistet oder zumindest gefördert wurde. Nach einer Kritik dieser Politik folgen etliche Beispiele, die die Grundthese illustrieren. Am Ende folgt nicht der Aufruf, sich zurückzuziehen, sondern die Rahmenbedingungen zu beachten und politische Forderungen zu stellen.

September
Schwarzfahr-Freispruch in München: Staatsanwaltschaft pokert – Revision!
Am 26.4.2018 sprach das Landgericht München einen Aktionsschwarzfahrer vom Vorwurf der „Erschleichung“ einer Leistung frei. Das Urteil war folgte logisch auf die Feststellungen in der Beweisaufnahme, war die angeklagte Handlung doch eine bundesweit angekündigte Demo für Nulltarif und gegen die Kriminalisierung des Schwarzfahrens – und der sogenannte „Täter“ mit anderen Beteiligten, Schildern, Transparenten und Flyern in den Zügen unterwegs. Doch die Staatsanwaltschaft geht volles Risiko und will das Urteil auf Oberlandesgerichtsebene überprüfen lassen. Ihr Argument: Eine Beförderung beginnt schon mit dem Betreten der Bahn und nicht erst mit der Abfahrt des Zuges. Setzt sie sich mit dieser absurden Rechtsauffassung durch, beginge jede*r eine Straftat, die*der zu einem Fahrkartenautomaten in der Bahn schreitet. Geht die Revision verloren, wäre bayernweit die Bahn frei für Aktionsschwarzfahrer*innen (genauer auf www.schwarzstrafen.siehe.website).

Verkehrswende- und Aktionsschwarzfahrworkshops
Bonn, Mönchengladbach, Göttingen, Halle, Rüsselsheim, Schwäbisch Hall, München, Gießen, Darmstadt … die Liste der Orte wird immer länger, in denen schon Verkehrswende-Aktionsworkshops stattfanden. Überall anders kann das auch noch geschehen. Nach einer inhaltlichen Einführung werden Aktionsideen vorgestellt und dann das Aktionsschwarzfahren geübt. Kontakt für Terminabsprachen über die saasen@projektwerkstatt.de (www.verkehrswende.siehe.website).

Heilbronn: Bußgeldverfahren wg. Neckarcastor eingestellt
Am 17.8.2018 wurde vor dem Amtsgericht Heilbronn gegen eine Aktivistin verhandelt, der vorgeworfen wurde in der Nähe einer Kletteraktion gegen einen CASTOR-Transport auf dem Neckar die Angabe ihrer Personalien gegenüber der Polizei verweigert zu haben. Nach Auseinandersetzungen um eine Einlassverfügung (die Polizisten gestattete mit Schusswaffen im Saal zu sein) sowie Streit um die Hinzuziehung von fehlenden Dokumenten zu den Akten wurden ein Polizist und eine Polizistin vernommen, die sich jedoch beide nicht an die angebliche Personalienverweigerung erinnerten. Das von Anfang an vollkommen unsinnige, weil auf einem ausgedachten Vorwurf basierende Verfahren wurde dann nach ca. anderthalbstündiger Verhandlung schließlich eingestellt. Weitere Verfahren im Kontext mit Neckar-CASTOR-Blockaden laufen noch. Weitere Infos: nirgendwo.info

Aktualisierter Kommentar zum Maßregelvollzugsrecht
Durch mehrere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in den Jahren 2011 bis 2013 gerieten die Rechtsgrundlagen für Zwangsbehandlungen als „krank“ definierter Menschen ins Wanken. Bemerkenswert schnell zogen die Gesetzgeber in Bund und Ländern Verfahren durch, um wieder eine Rechtsgrundlage für Gewaltanwendungen in psychiatrischen Kliniken zu haben. Heinz Kammeier und Helmut Pollähne haben nun ihren Kommentar „Maßregelvollzugsrecht“ (2018, Verlag De Gruyter in Berlin, 951 S., 159,95 Euro) in der vierten Auflage auf die neue Lage aktualisiert. Minutiös erläutern sie die Handlungsgrundlagen der forensischen Psychiatrie. Dabei gehen sie nicht Paragraph für Paragraph vor, sondern gliedern ihr Werk systematisch. Das macht das Lesen leichter, das Buch könnte auch als Lehrbuch durchgehen. Erschwert wird umgekehrt die konkrete Suche zu Erläuterungen, wenn es um einen speziellen Paragraphen geht. Alle relevanten Gesetze sind aber im Wortlaut abgedruckt.

Tipps zum Art. 8 GG: Versammlungsrecht
Demorecht bricht Polizeirecht
Polizei handelt am liebsten nach Polizeirecht: Personalienkontrolle, Durchsuchungen, Platzverweise oder Gewahrsamnahmen zur Gefahrenabwehr. Nur: Bei Demonstrationen gilt das gar nicht. Aus Dietel/Gintzel/Kniesel: Demonstrations- und Versammlungsfreiheit zu § 1, Rdn. 18: „Das VersammlungsG stellt für unmittelbar versammlungsbezogene Eingriffe eine abschließende Regelung dar, die als speziellere Regelung einem Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht und seine Ermächtigungsgrundlagen ausschließt.“ Mehr in der Broschüre „Kreativ demonstrieren“ über www.aktionsversand.siehe.website.

Was ist eine Demo, sprich: Wann gilt Versammlungsrecht?
Klare Antwort, die vielleicht überrascht: Fast immer bei politischen Aktivitäten in der Öffentlichkeit – und zwar ob die Akteur*innen wollen oder nicht. Denn jede „öffentliche Meinungskundgabe einer Personenmehrheit“ (also ab 2 Personen) ist eine Demo, sagt das Verfassungsgericht. Also fast alles, was wir machen – ob die Demo angemeldet oder nicht, spielt keine Rolle. Geht die Polizei dagegen nach Polizeirecht vor, ist es illegal. Und passiver Widerstand nach § 113 StGB nicht mehr strafbar …

Demorecht bricht Straßenverkehrsordnung
Wer für Aktivitäten eine Straße nutzen will, braucht nur eine Versammlung zu formen – dann gilt die StVO nicht mehr. Gewahr bleiben müssen nur noch Verhältnismäßigkeitsgrundsätze (also eher nicht: Drei Leute fünf Stunden auf der Autobahn). und andere Gesetze, die direkt aus dem Grundgesetz abgeleitet werden.

Platzverweis-Sofortaufhebung
Platzverweise basieren auf Polizeirecht. Versammlungsrecht steht darüber. Wo also zwei oder mehr Menschen des Platzes verwiesen werden, können sie eine Demo dagegen (oder zu etwas anderem) durchführen – also spontan und sofort. Für Dauer und Ort der Demo ist der Platzverweis dann aufgehoben.

Allzeit Demo-bereit
Die meisten Kundgebungen sind langweilig und eher der Versuch, aus vielen Menschen eine gefügige Herde zu formen. Polizei und Demo-Elite freut das. Das Versammlungsrecht ist aber eigentlich vielfältiger. Nutzt das und seid stets in der Lage, aus zwei oder mehr Menschen eine Demo zu formen – z.B. durch Verteilen von Flyer oder Malen mit Kreide. Dann hebelt Ihr eine Menge Gesetze aus … wenn es gerade nützt.

Vermummungsverbot nach § 17a VersG
Der Absatz 2 lautet: „Es ist auch verboten, an derartigen Veranstaltungen in einer Aufmachung, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern, teilzunehmen oder den Weg zu derartigen Veranstaltungen in einer solchen Aufmachung zurückzulegen, …“ Das ist das sogenannte Vermummungsverbot. Danach ist Vermummung nur strafbar, wenn sie dazu dient, die Erkennung zu verhindern. Zu anderen Zwecken: Erlaubt – zumindest dort, wo noch das Bundesgesetz gilt. Sind schon Landes-Versammlungsgesetze erlassen, bitte dort gucken.

Juni mit Schwerpunkt Klima-Antirepression
Wer dauernd über dieses Thema informiert sein will, sollten den Newsletter bestellen unter news_klima-antirepression@riseup.net.

Ende Gelände 2015 war kein Hausfriedensbruch
Ein langer Atem zahlt sich aus: Die Freisprüche vom letzten Sommer in den Ende Gelände 2015 Hausfriedensbruch Verfahren wurden rechtskräftig. Auch die Staatsanwaltschaft sieht inzwischen ein, dass in einem nicht vollständig umfriedeten Tagebau kein Hausfriedensbruch vorliegen kann. Bei allen Betroffenen, die keiner Einstellung zugestimmt haben, nimmt die Staatsanwaltschaft jetzt den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zurück. Das heißt, es wird gesetzlich so, als hätte es nie ein Verfahren gegeben. Selbst bei Personen welche die Strafbefehle zahlten, lässt die Staatsanwaltschaft das Verfahren zurücksetzen und zahlt die Strafen zurück – ein Vorgehen was ziemlich selten ist. Bei dem Großteil der Verfahren waren Angeklagte, Antirepressionsgruppen und Unterstützer*innen also sehr erfolgreich mit Durchhaltevermögen. Es laufen jetzt noch vereinzelte Verfahren wegen Landfriedensbruch oder dem Blockieren der Autobahn durch eine Kletteraktion. Unterstützt die verbliebenen Angeklagten, die stellvertretend für alle noch vor Gericht stehen, bei ihren Prozessen. Informationen über anstehende Termine auf antirrr.blogsport.de/.

Strafbefehle und Prozesstermine wegen Ende Gelände 2016
Zwei Jahre sind seit der friedlichen Besetzung von Baggern und Kohlebahnen durch EndeGelände in der Lausitz vergangen. Am damaligen Pfingstwochenende haben 4.500 Menschen über zwei Tage lang gegen die Zerstörungswut von Vattenfall/LEAG protestiert und für Stillstand auf dem gesamten Betriebsgelände gesorgt. Nach all der Zeit verschicken Staatsanwaltschaft und Amtsgericht in Cottbus nun seit Jahresbeginn einige Strafbefehle wegen vermeintlichem Hausfriedensbruch. Außerdem werden von der LEAG immer wieder einzelne Unterlassungserklärungen verschickt. Von Strafverfahren sind bisher ca. zehn Personen betroffen und haben sich an die Lausitz-Rechtshilfegruppe CAT gewendet. Viele Menschen haben Einspruch gegen die Strafbefehle eingelegt und wehren sich gegen die Vorwürfe. Ein erster Prozesstermin wurde für den 21. Juni am Amtsgericht Cottbus angesetzt. CAT möchte alle Betroffenen aus der Lausitz 2016 mit einem offenen Ohr und praktischen Ratschlägen bei ihrer Auseinandersetzung mit den Behörden unterstützen. Bitte schreibt an cat@nirgendwo.info, wenn ihr Post von der Staatsanwaltschaft oder Amtsgericht bekommen habt. Kein Mensch wird alleingelassen, viele stehen zusammen und wehren sich gemeinsam gegen Kriminalisierung und Repression!

Prozess um erste Ankettblockade von Kohlezug soll doch starten
Sechs Jahre ziert sich das Amtsgericht Kerpen schon, bot vor einigen Monaten sogar Einstellung gegen eine Geldzahlung an. Doch die Angeklagten wollen einen Freispruch. Denn für die mehrstündige Blockade eines Kohlezuges auf der Hambachbahn im August 2012, immerhin die erste dieser Art, wurde eine Anklage wegen „Störung einer der öffentlichen Versorgung mit … Kraft dienenden Anlage“ verfasst. Der Prozess muss also klären, ob ein Braunkohlekraftwerk überhaupt nötig ist, also der Versorgung oder, wegen der großen Stromüberproduktion, nur dem Profit dient. Der genaue Termin für den Prozess steht noch nicht fest, das Gericht hat Terminvorschläge ab Mitte Juli unterbreitet.

Polizeiliche Bus-Entführung statt Prozessbesuch
Am 29. März fand in Kerpen ein Gerichtsprozess gegen zwei Personen statt, die nach einer Barrikadenräumung im Hambacher Forst in Untersuchungshaft landeten (Decknamen UP2 und UP11). UP2 saß bis zum Prozess noch in U-Haft. Um solidarische Menschen vom Prozessbesuch abzuhalten, entführte die Polizei kurzerhand einen Linienbus mit zahlreichen Personen, die zum Prozess anreisen wollten, aber auch mit anderen Fahrgästen, und leitete ihn zur Polizeistation um, wo alle von der Polizei zum Braunkohlewiderstand gerechneten Personen durchsucht und kontrolliert wurden. Das Gericht hatte für den Tag Ausweiskontrollen angekündigt, mit der zusätzlichen Kontrolle ging es also vermutlich auch darum, Ausweisdaten von Menschen in die Polizeidatenbanken zu bekommen. Mit dieser Umleitung des Busses hielt sich die Polizei vermutlich mal wieder nicht an ihre eigenen Gesetze, deshalb reichten drei Betroffene jetzt Klage vorm Verwaltungsgericht Köln ein. Bitte meldet euch bei antirrr@riseup.net, wenn ihr auch betroffen wart und Personalien abgegeben habt - vielleicht gibt es noch weitere Möglichkeiten gegen die Entführung oder mindestens die folgende polizeiliche Datenspeicherung vorzugehen. Pressemitteilung zur Klage-Einreichung: antirrr.blogsport.de/2018/04/25/polizeiliche-busentfuehrung-
klage-eingereicht/

Aktionsschwarzfahren: Freispruch in München!
Der § 265a StGB lautet (Auszug): „Wer ... die Beförderung durch ein Verkehrsmittel ... in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“ Das machen sich die sogenannten Aktionsschwarzfahrer*innen zu Nutze: Sie kennzeichnen sich mit einem Hinweisschild am Körper und verteilen Flyer für ihr jeweiliges Thema, z.B. die Einführung des Nulltarifs für Busse und Bahnen. Das Landgericht München hat jetzt in einem aufsehenerregenden Urteil bestätigt: Das ist nicht strafbar. Ob das Urteil auf Dauer Bestand haben wird, ist allerdings noch nicht sicher, denn die heftig für eine Verurteilung kämpfende Staatsanwaltschaft hält sich die Revision zur Zeit noch offen. Allerdings ginge sie damit auch das Risiko ein, auf noch höherer Ebene zu verlieren. Die 60 € bleiben auch bei demonstrativem Schwarzfahren fälli. Sie sind keine Strafe, sondern ein erhöhter Fahrpreis. Das ist dann Zivilrecht und der Betrag nur eintreibbar bei Menschen, die über den Pfändungsgrenzen verdienen (z.Zt. etwas mehr als 1100 € pro Monat). Genauer auf www.schwarzstrafen.siehe.website.

Einstellung nach SA-Vergleich
Wegen der Blockade eines Tiertransporters war ein Aktivist vom Amtsgericht Nienburg zu drei Monaten ohne Bewährung verurteilt worden. Das Urteil erregte Aufmerksamkeit, weil der Richter im Urteil formulierte, dass solche Aktionen denen der SA, die per Straßenterror das Dritte Reich vorbereitete und absicherte, gleichen würden (www.taz.de/!5449773/). In der Berufung vor dem Landgericht Verden wurde der Justizskandal im Mai 2018 schnell beerdigt – Einstellung gegen Geldzahlung (www.blickpunkt-nienburg.de/nienburg/lkw-dach-landgericht-9868440.html).

April
Schwarzfahrprozess in Gießen: Einstellung ohne Kosten
Die weiße Weste ist geblieben: Aktionsschwarzfahrer bleiben in Gießen von Strafen verschont. Das Verfahren wegen zweier Schwarzfahrten mit Hinweisschild, dessen Freispruch Ende 2016 vom Oberlandesgericht auf Revision der Staatsanwaltschaft aufgehoben wurde, ist vom Landgericht am 15.3.2018 eingestellt worden (Berichte auf de.indymedia.org/node/19020). Für die Zukunft wichtig war, dass sich alle im Gerichtssaal einig waren, dass die inzwischen erweiterte Form des Aktionsschwarzfahrens (nicht nur mit Schild, sondern auch mit Flyern) eindeutig nicht strafbar sei. Der Gießener Anzeiger schrieb am Folgetag: „Die Richterin nannte als Gründe für die Einstellung vor allem die lange Zeit zwischen der eigentlichen Tat und dem laufenden Prozess. Außerdem habe sich die Verfahrensweise der Aktivisten geändert, sodass die Frage, ob es sich bei dem ursprünglichen Verhalten 2013 um ein strafbares gehandelt habe, nicht mehr weiter vor immer höheren Gerichten geklärt werden müsse. Dieser Sichtweise schloss sich auch Jörg Bergstedt an. Wobei er anmerkte, dass bislang zwar die Gießener Gerichte so urteilten, dass ein Fahren mit Hinweisschild und zusätzlichem Verteilen von Flyern nicht unter die Vorschrift des Paragrafen falle, diese Rechtsauffassung aber nicht von allen Gerichten geteilt werde.“ Daher ist jetzt wichtig, auch in anderen Städten dieser Rechtsauffassung und damit dem straffreien Schwarzfahren zum Durchbruch zu verhelfen (www.schwarzstrafen.siehe.website). Das eigentliche Ziel er Aktionen bleibt aber ohne der Nulltarif, also das fahrscheinlose Fahren in Bussen und Bahnen (www.verkehrswende.siehe.website).

Beweisanträge dürfen nicht vorüberlegt sein?
Am 28.2.2018 fanden in Straubing mehrere Prozesse gegen Aktivist*innen statt, die im Februar 2016 an einer Blockade einer Schlachthofbaustelle in Bogen beteiligt gewesen seien sollten. Beim zweiten Verfahren wurde einem Menschen vorgeworfen, auf einen Kran geklettert zu sein. Spannend war vor allem die mehrfache Ablehnung von Beweisanträgen mit der Begründung, "sie seien vorher vorbereitet gewesen und dienen deshalb offensichtlich nur der Prozessverschleppung". Solche Entscheidungen würden zu erheblichen Beeinträchtigungen von Angeklagtenrechten führen, wenn sie sich als Prozesspraxis durchsetzten. Mit dem Gesetzeswortlaut der Strafprozessordnung und der bisherigen Rechtsprechung zum Beweisantragsrecht hat solche Auslegung aber wenig zu tun. Beweisanträge sind die schärfste Waffe der Verteidigung, was leider auch viele anwaltsgeführte Prozesse vermissen lassen. Die Bundesregierung weiß um die Möglichkeiten solcher Strategien. Im aktuellen Koalitionsvertrag wurde vereinbart, das Beweisantragsrecht zu schleifen. Ein Bericht zu den Verfahren in Straubing mit einer lesenswerten Stellungnahme einer Angeklagten steht unter de.indymedia.org/node/18530.

Europäische Klagen gegen Laienverteidigung-Ausschluss eingereicht
Auch das Laienverteidigungswesen nach § 138, Abs. 2 der Strafprozessordnung (siehe www.laienverteidigung.siehe.website) soll weiter zurückgedrängt werden. Bis zum Verfassungsgericht haben deutsche Instanzen willkürliche Rauswürfe abgenickt. Da reichen justizkritische Veröffentlichungen an ganz anderen Stellen, in einem Fall sogar die Bekanntschaft zu einem justizkritischen Journalisten, um Ausschlüsse zu rechtfertigen – sogar nachträglich. Verteidiger*innen und Angeklagte eines Ende-Gelände-2015-Prozesses in Erkelenz sind deshalb jetzt vor den Europäischen Gerichtshof gezogen, um das Recht auf freie Wahl der Verteidiger*innen durchzukämpfen. Vorangegangen war der Rauswurf aller (!) Verteidiger*innen, nachdem diese zusammen mit den Angeklagten die Tatvorwürfe im Prozess erfolgreich zerlegt hatten (siehe Berichte auf www.taz.de/!5366337 und blog.eichhoernchen.fr/post/Ende-Gelaende-laesst-sich-nicht-einschuechtern).

Kritik der Zwangspsychiatrie: Ton-Bilder-Schau „Pippi im Folterland“
Die lange vorbereitete Ton-Bilder-Schau über Zwang, Willkür und Isolation in der Zwangspsychiatrie ist online. Es ist die Verfilmung einer Tonaufzeichnung am 2.3.2018 in Bremen (Veranstalter: StattPsychiatrie). Nach vier Fallbeispielen werden in ihr die Methoden von Zwang bis Folter geschlossener Anstalten dargestellt. Belegt sind diese mit Unterlagen derer, die den Zwang ausüben oder befürworten. Der Film kann nun für Filmabende, Seminare usw. genutzt werden - und auf Webseiten eingebunden werden. Die aktuelle Version ist unter youtu.be/pJXUbAWIAP0 zu finden. Wer die Schau live organisieren möchte, findet unter www.vortragsangebote.siehe.website entsprechende Beschreibungen und Kontaktdaten.

Rechtstipp des Monats: Hausfriedensbruch*
Der § 123 StGB lautet: „Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“ Klingt eindeutig. Wer eine Fläche oder ein Haus besetzt, in einen eingefriedeten Bereich vordringt, um z.B. eine Veranstaltung zu stören oder zu containern, begeht Hausfriedensbruch. Oder? Nein. Es kommt darauf an, wie das geschieht …
1. Schild „Betreten auf eigene Gefahr“ an Mauer, Zaun oder Eingang befestigen. Denn hängt ein solches Schild vor einer Hausbesetzung, vor dem Betreten eines Grundstückes oder der Besetzung einer Fläche, ist das Betreten ja erlaubt. Das Anbringen des Schildes kann auch deutlich vorher geschehen, denn es wird kaum jemensch auffallen und immer noch hängen, wenn Ihr dann kommt. Es bedeutet: Hier darf mensch rein, muss aber selbst aufpassen. Also kein Hausfriedensbruch!
Ähnlich wirken Schilder wie „Herzlich willkommen“, „Tag der offenen Tür“ oder Wegweiser zu Veranstaltungen. Sie heben für die, die dann deshalb kommen, den Hausfriedensbruch ebenfalls auf. Sie sind schließlich eingeladen. Solange niemensch klärt, wer die Schilder aufgehängt hat und wer wann gekommen ist, ist alles im grünen Bereich.
2. Wenn das Betreten nicht strafbar war (weil nicht eingefriedet oder durch genannte „Tricks“), würde es dennoch zum Hausfriedensbruch kommen, wenn mensch sich auf Aufforderung des Berechtigten nicht entfernt. Nur wer ist berechtigt? Da könnte ja jede*r kommen – also Nachweis fordern. Der ist oft nicht einfach zu beschaffen …
*Keine Gewähr, denn vor Gericht wird oft Recht gebeugt!

Februar
Wichtiges Urteil für Langzeit-Psychiatrie-Inhaftierte
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat am 13.4.2017 festgelegt, dass die gesetzlichen Stufen von sechs oder zehn Jahren Haftdauer fortan zu erheblich verschärften Anforderungen führen, um eine Inhaftierung fortsetzen zu können. Das könnte für viele Freiheit nach jahrelanger Qual bedeuten. Auszüge aus dem Beschluss (Az. 3 Ws 66/17, Quelle: www.lareda.hessenrecht.hessen.de/lexsoft/default/hessenrecht_lareda.html#docid:7886477): „Nach der am 1. August 2016 in Kraft getretenen Neufassung von § 67d Abs. 6 Satz 2 und Satz 3 StGB gelten nach sechs bzw. zehn Jahren vollzogener Unterbringung erhöhte Anforderungen. Die Vorschrift ist die zentrale Regelung für die Stärkung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Rahmen der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (BT-Drs. 18/7244 S. 30).
Die erste Stufe von sechs Jahren hat der Gesetzgeber anhand der durchschnittlichen Unterbringungsdauer gewählt. Diese Schwelle soll dazu beitragen, dass die Mehrzahl der Unterbringungen vor diesem Zeitpunkt beendet wird. Zugleich ist damit klargestellt, dass eine Verweildauer von mehr als sechs Jahren als überdurchschnittlich lang angesehen werden kann (BT-Drs. aaO S. 32).
Die Anforderungen für die Fortdauer der Unterbringung nach sechs Jahren Unterbringungsdauer hat der Gesetzgeber in zweierlei Hinsicht verschärft. Zum einen kann die Gefahr rein wirtschaftlicher Schäden eine über sechs Jahre hinaus gehende Unterbringung nicht mehr rechtfertigen. Zum anderen wurden die Anforderungen im Hinblick auf die Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter dahin angehoben, dass grundsätzlich nur noch die Gefahr von solchen Straftaten ausreicht, bei denen die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Bei schweren Brandstiftungsdelikten liegen diese Voraussetzungen vor (BT-Drs. aaO S. 34).
Nach zehn Jahren Unterbringungsdauer gelten noch höhere Anforderungen. Hier hat der Gesetzgeber bewusst denselben Maßstab gewählt, der nach zehn Jahren vollzogener Sicherungsverwahrung anzulegen ist (§ 67d Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 StGB). Die Erledigung der Maßregel hängt danach nicht davon ab, ob dem Untergebrachten eine positive Prognose gestellt werden kann, sondern erfordert umgekehrt eine negative Prognose dahin, dass von ihm die Begehung rechtswidriger Taten zu erwarten ist, durch die die Opfer in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Die bloße Gefahr der Begehung solcher Taten reicht nach zehn Jahren vollzogener Unterbringung nicht mehr aus (BT-Drs. aaO S. 35f.). Bei der Prüfung der Frage, welche rechtswidrigen Taten von dem Betroffenen drohen, ist eine umfassende Gesamtabwägung vorzunehmen. Art und Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger Taten sind konkret zu bestimmen, da die bloße Möglichkeit die weitere Maßregelvollstreckung nicht rechtfertigt. Zu erwägen sind insbesondere das frühere Verhalten des Untergebrachten und die bislang von ihm begangen Taten, sowie die seit Anordnung der Maßregel veränderten Umstände. Ferner sind die Wirkungen der im Falle der Erledigung eintretenden Führungsaufsicht (§ 67d Abs. 6 Satz 4 StGB) und der damit verbundenen Folgen, insbesondere der möglichen Weisungen in die Betrachtung einzubeziehen (BT-Drs. aaO S. 30).“

Schwarzfahrparagraph vor dem Aus?
Eine der meistverfolgten Straftaten könnte demnächst aus dem Strafgesetzbuch verschwinden: Die Beförderungserschleichung. Den Aufschlag machte vor einigen Monaten ein CDU-Justizminister (der aus NRW). Vor kurzem legte dann der Chef des Richterbundes nach (rbb am 4.1.2018): „Der Deutsche Richterbund hat sich dafür ausgesprochen, das Schwarzfahren als Tatbestand aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Dadurch könnten die Gerichte entlastet werden, sagte der Vorsitzende des Richterbundes, Jens Gnisa, am Donnerstag im Inforadio des rbb: “Natürlich können sich die Verkehrsbetriebe besser gegen Schwarzfahren schützen. Sie tun es nicht, sparen Geld; dann soll es letztendlich der Staat mit seiner Strafjustiz richten.” Er halte das nicht für richtig, betonte Gnisa: “Die Berliner Justiz wird jährlich mit 40.000 Schwarzfahrten befasst, und gleichzeitig gibt es Personalknappheit. Die Dinge passen da nicht zusammen.”“
Dass Menschen nicht mehr wegen allerlei Kleinstdelikten, die zudem vor allem die Ärmeren treffen, eingesperrt werden, war und ist ein Ziel der Aktionsschwarzfahrer*innen. Aber nicht das einzige. Am Ende wollen sie mit den Aktionen den Nulltarif, also das fahrscheinlose Verkehrssystem durchsetzen (www.schwarzstrafen.siehe.website). Einen Höhepunkt gibt es demnächst wieder vor Gericht - nämlich endlich den Wiederholungstermin für den bislang spektakulärsten Prozess in Gießen! Wer zuschauen will: Do, 15.3. um 9 Uhr am Landgericht Gießen (Ostanlage15, Raum 227). Am dann folgenden Wochenende wollen die Aktionsschwarzfahrer*innen zu einem Informations- und Aktionsplanungswochenende in die Projektwerkstatt Saasen einladen (siehe www.projektwerkstatt.de/termine).

Kreative Aktion gegen Polizeiwerbung
Wer rund um den Jahreswechel durch die urbanen Betonwüsten Berlins lief, fand anstatt der Polizei- Werbeplakate der Kampagne „Da für Dich“ leere Flächen mit einem kleinen Hinweiszettel. Auf denen war zu lesen: „Warnung: Hier wurde ein Polizei-Plakat entfernt.“ Das Plakat erklärte auch warum: „Staatliche Gewalt kann Ihnen und Ihrer Gesundheit massiv schaden“. Zur weiteren Information war der Link www.g20-doku.org angeben. Solch kreative Aktionen sollte es häufiger geben statt der ständigen Begleitfolklore des Unabwendbaren in Form von Phrasen auf Demos oder in Szeneblättchen. Längerer Bericht und Fotos auf de.indymedia.org/node/17031.

Kampagne gegen Haftstrafen für Kleinstdelikte
Schwarzfahren, Mini-Diebstähle, Beleidigungen, Hausfriedensbruch, die falschen Drogen konsumieren, Staatssymbole verunglimpfen, Vermummen oder passive Bewaffnung auf Demos – diese und viele andere Kleinstdelikte, die keinem Menschen Gewalt antun, führen vor allem bei allen, die kein Geld zur Begleichung von Tagessätzen haben, zu Gefängnisaufenthalten. Das kriminalisiert die Gesellschaft und führt vielfach zu erheblichen sozialen Folgen für die Betroffenen. Aktivistis aus dem Umfeld der Projektwerkstatt rufen daher zu einer gemeinsamen Kampagne auf, Inhaftierungen für solche Delikte grundsätzlich auszuschließen. Kontakt: kobra@projektwerkstatt.de oder 06401-903283.

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