Laienverteidigung

RECHTLICHES GEHÖR

Gegenvorstellung


1. Aus dem Gesetz
2. Grundsatzbeschluss des Verfassungsgerichts"plenums"
3. Urteile und Kommentare
4. Gegenvorstellung
5. Dürfen Angeklagte rausgeworfen werden?
6. Rechtsschutzprobleme bei "Sicherheitseingriffen"
7. Links

Wer findet, im rechtlichen Gehör verletzt worden zu sein, muss möglichst sofort reagieren. An das Gericht, welches das Gehör versagt hat, muss ein formloses Schreiben gerichtet werden, was warum falsch war, wozu Gehör eingefordert wird und möglichst auch, welche veränderten Schlüsse das Gericht ziehen würde, wenn es sich das anhören (durchlesen ...) würde, was zu sagen wäre. Für Strafverfahren gilt das im laufenden Prozess oder auch bei Entscheidungen außerhalb der Verhandlungen ständig. Statt eines Schreibens kann der Protest auch bei Gericht zu Protokoll gegeben werden. Im Gerichtsjargon heißt die Protestnote "Gegenvorstellung". Nach entsprechenden Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes gilt dieses inzwischen auch dann noch, wenn der Rechtsweg beendet ist. Oft denkt mensch dann: Jetzt ist alles aus. Aber wenn rechtliches Gehör verwirkt wurde, also die Gericht etwas nicht beachtet oder sichtbar nicht mit in die Entscheidung haben einfließen lassen, kann mensch auch nach einem letztinstanzlichen Urteil eine "Gegenvorstellung" erheben. Das Gericht entscheidet dann nochmals. Aber: Es kann einfach nochmal wie vorher entscheiden. Dagegen gibt es dann keine Handlungsmöglichkeit mehr - der Rechtsschutz zum rechtlichen Gehör ist pro Fall nur 1x gegeben und dummerweise auch bei demselben Gericht, dass schon den Fehler gemacht hat ...

Seit 2004 gilt das neue Gesetz, welches vorsieht, dass nach Abschluss des Rechtsweges (also nach der letzten normalen Instanz) eine sogenannte "Anhörungsrüge" möglich ist, d.h. obwohl eigentlich der Rechtsweg abgeschlossen ist, kann nochmal eingegriffen werden, wenn der Mangel darin liegt, dass irgendetwas gar nicht berücksichtigt wurde. Aus einer Pressemitteilung des Bundesjustizministeriums zu dieser Neuerung:
Soweit Rechtsbehelfe nicht (mehr) zur Verfügung stehen, wird mit der Anhörungsrüge ein eigenständiger Rechtsbehelf geschaffen. Die Anhörungsrüge ist bei dem Gericht zu erheben, das die gerügte Entscheidung erlassen hat.
Ein Beispiel: Das Oberverwaltungsgericht weist eine Beschwerde von Frau B. zurück, mit der sie sich gegen die Stilllegung ihres Bauvorhabens durch das Verwaltungsgericht wendet. Dabei hat das Oberverwaltungsgericht einen wichtigen Schriftsatz von Frau B. übersehen. Bisher konnte sich Frau B. dagegen nur mit der Verfassungsbeschwerde wehren. Künftig kann sie sich mit der Anhörungsrüge unmittelbar an das Oberverwaltungsgericht wenden. Das Gericht muss dann prüfen, ob ihm ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs unterlaufen ist und ob das Gericht anders entschieden hätte, wenn es den Schriftsatz gekannt hätte.



Strafprozessordnung (StPO) zur Gegenvorstellung

StPO § 33a
Hat das Gericht in einem Beschluss den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt und steht ihm gegen den Beschluss keine Beschwerde und kein anderer Rechtsbehelf zu, versetzt es, sofern der Beteiligte dadurch noch beschwert ist, von Amts wegen oder auf Antrag insoweit das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. § 47 gilt entsprechend.

§ 47
(1) Durch den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird die Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung nicht gehemmt.
(2) Das Gericht kann jedoch einen Aufschub der Vollstreckung anordnen.


Revision

StPO § 356a
Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. § 47 gilt entsprechend.


Im Original: Urteile zur Gegenvorstellung
Aus 2 BvR 152/04
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie gegenwärtig keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Beschwerdeführer hat den Rechtsweg nicht erschöpft (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG), weil über seine als Antrag nach § 33a StPO auszulegende Gegenvorstellung noch nicht entschieden ist.
Will ein Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde rügen, ihm sei bei Erlass eines Beschlusses im Strafverfahren rechtliches Gehör nicht gewährt worden, fordert das Gebot der Rechtswegerschöpfung, dass er zuvor von der durch § 33a StPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, sich durch einen entsprechenden Antrag nachträglich Gehör vor Gericht zu verschaffen (vgl.BVerfGE 33, 192 (194); 42, 172 (174); 42, 243 (245 ff.); 42, 252 (255) ). Dabei ist § 33a StPO so auszulegen und anzuwenden, dass er jeden Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG im Beschlussverfahren erfasst (vgl.BVerfGE 42, 243 (250)).


Aus 2 BvR 1707/02
Die Verfassungsbeschwerde ist bereits unzulässig. Die Verfassungsbeschwerde ist - nach Erschöpfung des Rechtswegs - binnen eines Monats zu erheben (§ 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Zwar greift der Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde formal insbesondere die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Mannheim vom 10. September 2002, zugegangen am 16. September 2002, an. Die geltend gemachten Rügen betreffen jedoch materiell ausschließlich den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss vom 23. Januar 2002. Die darauf bezogene und mit ordentlichen Rechtsbehelfen nicht mehr anfechtbare Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Mannheim datiert vom 2. April 2002 und ist dem Beschwerdeführer am 4. April 2002 zugegangen. Werden gegen mit ordentlichen Rechtsbehelfen nicht mehr angreifbare Entscheidungen Gegenvorstellungen erhoben, die ausschließlich materiell-rechtliche Rügen enthalten, so ist der Zeitpunkt des Zugangs der ursprünglichen Beschwerdeentscheidung für den Fristbeginn gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG maßgeblich (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. September 1999 - 2 BvR 1897/95 -, NJW 2000, S. 273). Dies gilt auch dann, wenn ein weiteres Beschwerdeverfahren durchgeführt wird, das den Gegenstand des vorangegangenen Beschwerdeverfahrens betrifft.

Aus 2 BvR 179/0
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Beschwerdeführerin den Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht erschöpft hat und die Verfassungsbeschwerde deshalb unzulässig ist.
1. Zwar kann ein Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs vorliegend nicht ausgeschlossen werden, da das Landgericht seiner Nichtannahmeentscheidung keine hinreichende Begründung beigefügt hat und im Hinblick auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Revisionsbegründung besondere Umstände die Annahme rechtfertigen könnten, das Landgericht habe die Einwände der Beschwerdeführerin gegen das erstinstanzliche Urteil nicht zur Kenntnis genommen und erwogen. Dies gilt schon deshalb, weil die Strafprozessordnung grundsätzlich nur den Beschluss, mit dem die Berufung angenommen wird (§ 322 a Satz 3 StPO), ausdrücklich von einer Begründungspflicht befreit und daraus im Schrifttum der Schluss gezogen wird, Entscheidungen, mit denen die Berufung wegen offensichtlicher Unbegründetheit als unzulässig verworfen werden, seien - gegebenenfalls knapp - zu begründen (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 322 a, Rn. 7; Ruß in: Karlsruher Kommentar, StPO, 4. Aufl., § 322 a, Rn. 1; Rautenberg in: Heidelberger Kommentar zur StPO, 2. Aufl., § 322 a, Rn. 8; Pfeiffer, StPO, 3. Aufl., § 322 a, Rn. 2; Brunner in: KMR, StPO, § 322 a, Rn. 3; Frisch in: Systematischer Kommentar zur StPO, 22. Lfg., § 322 a, Rn. 12).
2. Dennoch bleibt der Verfassungsbeschwerde der Erfolg versagt. Die Beschwerdeführerin hat es versäumt, im fachgerichtlichen Verfahren auf Nachholung des rechtlichen Gehörs gemäß § 33 a StPO anzutragen und damit den Rechtsweg im Sinne von § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu erschöpfen. Rügt ein Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde, ihm sei bei Erlass eines im Strafverfahren ergangenen Beschlusses rechtliches Gehör nicht oder nicht in ausreichendem Maße gewährt worden, so fordert der auch im Verfassungsbeschwerde-Verfahren geltende Grundsatz der Subsidiarität, dass er zuvor von der ihm durch § 33 a StPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat. § 33 a StPO ist nach feststehender Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts so auszulegen, dass er jeden Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG im Beschlussverfahren erfasst (vgl.BVerfGE 42, 243 (250) ). Da der Antrag nach § 33 a StPO grundsätzlich an keine Frist gebunden ist, ist die Beschwerdeführerin nicht gehindert, den versäumten Antrag nachzuholen.


Bei einem Prozeßkostenhilfe-Antrag: 2 BvR 2332/99 – und - 2 BvR 2376/99
Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie sind im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität unzulässig (vgl. Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. August 1996 - 2 BvR 662/95 -, NJW 1997, S. 46 und vom 7. Dezember 1998 - 2 BvR 214/98 -).
Die Beschwerdeführer haben es unterlassen, Gegenvorstellung beim Amtsgericht zu erheben und dort auf die Beseitigung der geltend gemachten Verfassungsverletzung hinzuwirken. Geht es um die Beseitigung anders nicht zu bereinigenden groben prozessualen Unrechts, ist in Literatur und Rechtsprechung anerkannt, dass ansonsten nicht weiter anfechtbare Beschlüsse ausnahmsweise abgeändert werden können. Die Beschwerdeführer hätten deshalb vor Einlegung ihrer Verfassungsbeschwerde Abhilfe zunächst durch diesen außerordentlichen Rechtsbehelf im fachgerichtlichen Verfahren suchen müssen (vgl.BVerfGE 63, 77 (78 f.)).


BVerfG, Beschluss vom 30. 4. 2003 - 1 PBvU 1/ 02
Inzwischen hat der Bundesgerichtshof unter Verweis auf die Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 entschieden, dass es ein außerordentliches Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof auch dann nicht gebe, wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts greifbar gesetzwidrig sei, insbesondere ein Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers verletze. In einem solchen Fall sei die angefochtene Entscheidung durch das Gericht, das sie erlassen hat, auf Gegenvorstellung hin zu korrigieren (vgl. BGHZ 150, 133). Das Bundesverwaltungsgericht ist dieser Auffassung gefolgt und hat entschieden, dass die gesetzliche Aufzählung der Zuständigkeiten des Bundesverwaltungsgerichts und die Regelung des Beschwerderechts künftig eine Befassung mit außerordentlichen Beschwerden nicht mehr zuließen (vgl. BVerwG, NJW 2002, S. 2657).
b) Nach Auffassung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts fordert das Grundgesetz bei entscheidungserheblichen Verstößen eines Gerichts gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör eine fachgerichtliche Abhilfemöglichkeit. ...
Der Grundgedanke einer Befassung des iudex a quo liegt schon den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Möglichkeit einer Selbstkontrolle der Fachgerichtsbarkeit im Wege einer Gegenvorstellung zu Grunde (vgl. BVerfGE 9, 89 [107]; 63, 77 [79]; 73, 322 [327]).


Abweichend: Verfassungsgericht in Brandenburg

VerfGBbg, Beschluss vom 17.12.1998 - VfGBbg 40/98
Durch die unter dem 20. Oktober 1997 erhobene formlose Gegenvorstellung und die hierauf ergangene Entscheidung des Landgerichts vom 24. Juli 1998 ist die Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde nicht unterbrochen oder neu in Gang gesetzt worden, weil eine Gegenvorstellung jedenfalls gegen eine den Rechtsweg abschließende strafrichterliche Entscheidung nicht zum Rechtsweg im Sinne des § 45 Abs. 2 VerfGGBbg gehört. ...
Einer formlosen Gegenvorstellung kommt diese Wirkung jedoch jedenfalls bei einer den Rechtszug abschließenden strafrichterlichen Entscheidung nicht zu. Sie ist - anders als der Antrag nach § 33a StPO, der insoweit einen Gegenschluß liefert - kein Rechtsbehelf, der es dem Gericht ermöglicht, seine eigene Entscheidung wieder aufzuheben.


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