Laienverteidigung

GEGEN KOHLE ... MACH ICH ALLES! KLIMASCHUTZ VON UNTEN, TAGEBAUE STOPPEN

Prozesse wegen Aktionen im Jahr 2012


1. Kohle, Klima, Katastrophen
2. Braunkohle und Widerstand
3. RWE & Rheinisches Braunkohlerevier
4. Mitteldeutsches Braunkohlerevier
5. Lausitz
6. Klimacamp/Ende Gelände 2015 ... und die Strafprozesse
7. Prozesse wegen Aktionen im Jahr 2013 (u.a. Klimacamp in Manheim = Tagebau Hambach)
8. Prozesse wegen Aktionen im Jahr 2012
9. Links und Materialien

Strafprozesse gegen Kohlebahn-Blockierer (Klimacamp 2012, Aktion am 8.8.2012)


Die Gerichtsakte zum Strafprozess ist umfangreich, vor allem dank vieler Bilderserien von Seiten der Polizei und von Seiten des RWE-Konzerns. So wurden Vergleichsbildserien über Personen angefertigt, d.h. RWE verfügt offenbar über eine eigene Datei der GegnerInnen. Laut umfangreicher Strafanzeige des Konzerns schätzt dieser das Geschehen als Nötigung, Störung öffentlicher (!) Betriebe und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz ein. Das ist interessant, weil RWE damit selbst behauptet, "öffentlich" zu sein, und dass die Aktion eine Versammlung war. Im Zivilprozess (siehe nächster Absatz) behauptet RWE das Gegenteil - offenbar wird hier argumentiert, wie es gerade am besten passt. Wegen dieser Unklarheiten hat der Angeklagte Jörg Bergstedt mit seinem Anwalt Tronje Döhmer die Aussetzung des Zivilverfahrens beantragt, bis diese Frage im Strafprozess geklärt ist. Denn ansonsten würde das Zivilverfahren auf einer Lüge von RWE beruhen.

Die weiteren Inhalte der Akte und des Verfahrens folgen hier als Übersicht. Die Veröffentlichung von Aktenbestandteilen vor deren Erörterung in einer Gerichtsverhandlung ist verboten. Das gilt selbst für die Anklageschrift. Der Staat will offenbar strafen, ohne dass Transparenz hergestellt werden kann - naja, bei einem Gesetz, was wesentlich aus der Kaiserzeit stammt, ist das vielleicht ebensowenig überraschend wie die Reaktion darauf, dass hier doch u.a. die Anklage zu lesen war: Es gab ein Ermittlungsverfahren, zwei Hausdurchsuchungen, Rechnerbeschlagnahmen usw. Das können sie ... während sie nicht einmal in der Lage sind, auf simple Briefanfragen zu antworten. Denn bis heute weigern sich Polizei und Staatsanwaltschaft, überhaupt zu benennen, was sie nicht im Netz sehen wollen. Erst durch die Akteneinsicht nach der Hausdurchsuchung wurde das klar. So sind hat die folgende Übersicht keine Links mehr zu den Aktenscans, die aus dem Netz entfernt wurden. Ansage an die Repressionswahnsinnigen in Robe und Uniform: Das wäre auch einfacher gegangen ...
  • Auf dem Vorblatt zu Blatt 1 sowie auf Bl. 8 und 16 wird von "Störung öffentlicher Betriebe" gesprochen
  • Strafanzeige des RWE-Konzerns: Erste Fassung ++ Spätere, umfangreichere Formulierung
  • Ermittlungsergebnisse der Polizei: Erste Beschreibung in Strafanzeige ++ Tatortfundbericht ++ Zwischenbericht ++ Lageplan
  • Laut Bl. 4 gab es eine Aufforderung, die Gleise zu verlassen ++ nirgendwo wird notiert, dass die Versammlung aufgelöst wurde
  • Auf Bl. 7 wird behauptet, die Polizei hätte die Blockierer freigeschnitten (auf Bl. 28 steht es dann korrekt: RWE war es)
  • Auf Bl. 17 wird ein Stolperdraht herbeiphantasiert und fotografiert (Draht, extra mit Steinen markiert, der beide Gleise verbindet)
  • Zum Gewahrsam der Aktivisten: Gewahrsambogen ++ Verlauf und Entlassung ++ Beschwerde Betroffener ... Festnahme erfolgte laut Bl. 77 um 12.14 Uhr, Entlassung laut Bl. 89 um 21.14 Uhr - also genau 9 Stunden. Das wird zu erklären sein ...
  • Auf Bl. 77 wird Jörg Bergstedt als "GEWA LIMO" bezeichnet, was "Gewalttäter links motiviert" heißt. Auch das wird zu erklären sein ...
  • Die Polizei Köln überprüft die Personalien und erhält laut Bl. 87 von der Polizei Grünberg, dass der Verhaftete dort bekannt ist und in der Nähe ein Haus mit "Renovierungsstau" besitze.
  • Bl. 81ff. enthalten die Vorgänge zur ED-Behandlung und DNA-Probeentnahme (alle auf Basis der StPO - was interessant ist, weil das Amtsgericht Kerpen die Beschwerde zur Inhaftierung an das Verwaltungsgericht Köln übergeben will ... dann aber dürfte es keine strafprozessorale Sache sein)
  • Die schon bekannten, seltsamen Verhaltensweisen des EA Köln (Ermittlungsausschuss, der eigentlich von Repression Betroffenen helfen soll - und nicht der Polizei) werden ab Bl. 145 dokumentiert. Unter anderem bietet der EA an, Geld zu organisieren für Kautionen. Ein Rechtsanwalt willigt ein, dass statt direkter Ansprache der Gefangenen Fragen an diese von der Polizei vermittelt werden.
  • Danach folgen etliche Seiten zu Überlegungen, die Inhaftierten länger festzuhalten, z.B. als Untersuchungs- oder Hauptverhandlungshaft. Auf Bl. 174 wird ein Haftgrund verneint, ab Bl. 179 überlegt die Staatsanwaltschaft neu. Eine besondere Rolle spielt dabei eine behauptete Gefährlichkeit der Gruppe wegen ihrer internationalen Zusammensetzung und dem dabei mitwirkenden Jörg Bergstedt, der "wegen unterschiedlicher Straftaten auch international erheblich in Erscheinung getreten" sei (Bl. 146f.). Wird auch zu klären sein, was damit gemeint ist ...
  • Besonders gesichert werden die Knoten der Aufhängeseile von den Transparenten, da diese wahrscheinlich DNA-Spuren enthalten könnten (Bl. 160). Es gibt aber dann später keine Informationen über Auswertungen.
  • Zusammenfassungen der Staatsanwaltschaft: Erster Vermerk ++ Zweiter Vermerk ++ Rechtliche Würdigung ab Bl. 249 mit spannenden Überlegungen zu den in Frage kommenden Delikten "Störung öffentlicher Betriebe" (wird bejaht, also angeklagt), "Nötigung" (wird verneint), "Sachbeschädigung" (wird verneint) und "Verstoß gegen das Versammlungsgesetz" (wird bejaht, aber eingestellt, da vergleichsweise unerheblich).
  • Ab Bl. 236: Bildersammlung RWE (Beispiel) ++ Staatsanwaltschaft bejaht Antrag zur Pflichtverteidigung (Bl. 265)
  • Anklageschrift ab Bl. 254 ++ Beiordnung von RA Tronje Döhmer als Pflichtverteidiger am 29.4.2013

Dann schien es endlich soweit: Mo, 23.10. um 9 Uhr am Amtsgericht Kerpen (Nordring 2-8, Saal 110/1. Etage) - dazu jedenfalls lud das Gericht ein
Strafprozess wegen der Kohlezugblockade 2012 (Hambachbahn) ++ Ladung
Die Kohlezugblockade war neben der Besetzung des Hambacherforstes der Auftakt zu einer intensiven Phase des Widerstandes gegen die Erweiterung von Tagebauflächen, den Abriss von ganzen Orten, dem Verfeuern der Kohle und des Massenausstoßes von Klimagasen. Das Ziel der symbolischen Aktionen wurde erreicht: Inzwischen ist der Braunkohlewiderstand breit und politisch wirksam geworden. Die Durchsetzung des Kohleausstiegs scheint möglich. Die Anklage bietet hervorragende Möglichkeiten, die Verfeuerung von Kohle und ihre Folgen zu thematisieren. Sowohl ist diese für die Versorgung der Bevölkerung nicht lebenswichtig (die Anklage behauptet das einfach mal so und bastelte daraus den Vorwurf nach § 316b, Abs. 1 Nr. 2, 2. Variante) noch als auch gibt es viele Rechtfertigungsgründe für die Aktion, weil viel wichtigere Rechtsgüter auf dem Spiel stehen (daher zieht § 34 StGB). In jeden Fall müssen Sinnhaftigkeit und Folgen von Braunkohleabbau und -verstromung geprüft werden. Ziel ist ein Freispruch, weil Braunkohle überflüssig und der Widerstand gerechtfertigt ist - 2012 genauso wie heute!!!

Aber ... der Termin wurde kurzfristig abgesagt. Noch einige Wochen später bot das Gericht die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldzahlung an. Doch die Angeklagten denken gar nicht daran, irgendetwas abzudrücken für ihre Aktion. Seitdem ist wieder Schweigen im Walde ... aber nicht im Hambacherforst - dort ging der Widerstand weiter. Ende 2018 dann mit einem spektakulären Höhepunkt und dem vorläufigen Ende des Abholzens!

Februar 2019: Das Verfahren wird eingestellt - auf Staatskosten!!!
Beschluss des Gerichts vom 13.2.2019 ++ Presseinfo der Angeklagten auf Indymedia


Nebenzweig: Klage gegen Inhaftierung nach der Aktion
  • Einer der fünf Aktivisten, die bei der Aktion verhaftet und viele Stunden im Kölner Polizeipräsidium festgehalten wurden, hat am 11.8.2012 gegen diese Behandlung Beschwerde eingereicht.
  • Überraschenderweise hat sich das Amtsgericht Kerpen am 16.5.2013 für unzuständig erklärt und das Verfahren an das Verwaltungsgericht Köln weitergeleitet. Das wäre nur rechtmäßig, wenn das Amtsgericht davon ausgeht, dass die Sache mit Strafrecht nichts zu tun hat, sondern rein polizeirechtlich begründet sei. Wurden die Akten entsprechend inzwischen von der Polizei manipuliert, um einen neuen, besser vor Gericht durchsetzbaren Rechtsgrund zu konstruieren?
  • Die Polizei selbst reagierte spät (25.7.2013) und versuchte dann, die Verweisung an das Verwaltungsgericht zu verhindern - mit Bezug auf die Rechtsanalyse des Betroffenen. Doch das Amtsgericht blieb hart, wies am 8.8.2013 die Beschwerde ab und verkündete als Grund etwas ziemlich Eindeutiges: Es könne keine strafrechtlichen Grund erkennen, warum die Inhaftierung erfolgt sein könnte. Da wird es der Polizei wohl schwer fallen, nachträglich noch einen zu erfinden ... das Landgericht entschied aber am 27.9.2013 aufgrund der Beschwerde, das Amtsgericht sei zuständig. Das ist im Prinzip richtig, aber nun kommt es zu der absurden Situation, dass ein Amtsgericht entscheiden muss, welches sich für unzuständig hält, weil es keinen Grund der Festnahme sehen konnte. Mal sehen, ob es nun (unter Einfluss der Polizei und anderer Eliten) doch welche findet ...
  • Lang dauert's, aber irgendwann schreibt auch die Polizei ihre Märchenstunden, warum die Inhaftierung sein musste ...
  • Der Betroffene erwiderte dazu am 14.4.2014 ... und gewinnt: Beschluss und Bericht im Kölner Stadtanzeiger am 30.6.2014

Zivilprozess RWE gegen Aktivist
Anlass war eine Blockadeaktion gegen die Nord-Süd-Bahn, mit der RWE seine Kohle aus dem Tagebau Hambach zum Kraftwerk Niederaußem schafft. Die RWE will nun, dass er nie wieder da hingehen darf.

Am 28.6.2013 fand dann der erste Prozess mit Aktionen (u.a. Klaus der Geiger) im Gericht auch tatsächlich statt.


Auszug aus dem Protokoll (S. 2).



Das Urteil wurde am 16.8.2013 verkündet - erwartungsgemäß zugunsten der RWE.

Aus dem Urteil vom 16.8.2013:
Der Beklagte kann sich schließlich auch nicht auf drohende Gesundheitsbeeinträchtigungen als Rechtfertigung berufen. Eine solche Rechtfertigung ergibt sich weder aus den einfachgesetzlichen Erlaubnistatbeständen, insbesondere den §§ 227, 228 BGB und § 34 StGB, da deren tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, noch aus Art 2 Abs. 2 GG. Abgesehen davon, dass eine unmittelbare Grundrechtsbindung der Klägerin nicht gegeben ist, ist der Betrieb der Hambachbahn/Nord-Süd-Bahn und auch der Kraftwerke nicht rechtswidrig, sondern staatlich genehmigt. Wegen des Gewaltmonopols des Staates ist es dem Beklagten nicht gestattet, „sein Recht selbst in die Hand zu nehmen“. Würde man dem Beklagten in seiner Argumentation folgen, dann wäre es dem Beklagten ebenso erlaubt, jedes Kraftfahrzeug, Flugzeug oder jede emittierende Anlage zu zerstören oder deren Nutzung zu unterbinden. Dass dies nicht sein kann und darf, liegt auf der Hand.

Bericht Kölner Stadtanzeiger


Solche und ähnliche Schilder mit Bezug auf das Urteil hängte die RWE überall in der Landschaft auf.

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