Laienverteidigung

WAS DARF DIE POLIZEI?

Die rechtliche Grundlage: Landes-Polizeigesetze


1. Recht gilt auch für Uniformierte - eigentlich ...
2. Die rechtliche Grundlage: Landes-Polizeigesetze
3. Platzverweis
4. Gewahrsam
5. Rechtsschutzprobleme bei "Sicherheitseingriffen"
6. Verfassungsschutz
7. Sich wehren ...
8. Texte, Links und Materialien

In allen Ländern existieren Polizeigesetze. Diese bilden die Grundlage für das Polizeihandeln. Polizeirecht gilt aber nur, solange nicht andere Spezialgesetze oder höheres Recht dieses bricht. So ist z.B. das Versammlungsrecht höherrangig (weil Grundrecht) als das Polizeirecht. Das heißt praktisch, dass die Polizei keine TeilnehmerInnen einer Demonstration des Platzes verweisen kann (außer wenn die AnmelderInnen das so wollen - aber das ist dann eher eine Art "Hausrecht" auf der Demo).


Das Wissen um eigene Rechte und die Rechte der Polizei kann helfen bei der Einschätzung der Situation. Es gehört zur Aneignung von Handlungsmacht. Allerdings gilt das auch wirklich nur für die Frage der Einschätzung, denn die Realität ist eine andere – und zwar eine recht einfache:

  1. Die meisten PolizistInnen haben von den rechtlichen Grundlagen ihrer Handlung keine Ahnung.
  2. KeinE PolizistIn muss fürchten, dass sie bei der Verletzung der Rechtsgrundlagen ihres Handelns irgendwelchen Ärger bekommt. Denn die Logik ist einfach: Wer als normaler Mensch etwas Verbotenes tut, bekommt Ärger mit dem Zivil- oder sogar Straf-/Ordnungswidrigkeitenrecht. Wenn Uniformierte oder andere Repressionsorgane rechtswidrig handeln, bekommt höchstens die Institution als Ganzes irgendwann später einen Brief eines überprüfenden Gerichts, dass die Polizei nicht hätte so handeln dürfen. Damit ist der Fall dann bereits auch abgehandelt. Es gibt nicht einmal Entschädigungsregelungen für illegale Inhaftierungen nach Polizeirecht usw.
  3. Selbst wenn Uniformierte oder RichterInnen strafbare Handlungen begehen (also über Verstöße gegen Polizei- oder Versammlungsrecht hinausgehende Handlungen), ist sehr unwahrscheinlich, dass sie belangt werden, denn die Polizei ist selbst zuständig für Ermittlungen auch bei Tatverdacht aus den eigenen Reihen, zudem schützen die Staatsanwaltschaften und Gerichte uniformierte StraftäterInnen durch Einstellungsbeschlüsse.

Für die Praxis der Begegnung mit der Polizei heißt das: Es gibt Rechtsgrundlagen für das Verhalten der Polizei, aber die Uniformierten können diese missachten, ohne dass das direkte Konsequenzen hat.

Ganz im Gegenteil: In ihrer Ausbildung erfahren PolizeibeamtInnen eher, dass ihr Tun immer richtig ist. Das folgende Schaubild stammt aus einem Lehrbuch für PolizeianwärterInnen ("Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht"). Danach kann die Polizei ihr Handeln unterschiedlich begründen, aber das Ergebnis ist immer dasselbe - sie schreitet ein. Ein Nicht-Handeln ist bei der Polizei nicht vorgesehen, ob eine Handlung sinnvoll oder rechtmäßig ist, wird nicht überprüft. Wenn kein Gesetz hilft, kann die "Generalklausel" verwendet werden, die deckt alles ab.


Abb. Polizei hat immer Recht

Schaubild aus dem Lehrbuch "Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht": Die Polizei kann ihr Handeln unterschiedlich begründen, aber das Ergebnis ist immer dasselbe - sie schreitet ein. Ein Nicht-Handeln ist bei der Polizei nicht vorgesehen, ob eine Handlung sinnvoll oder rechtmäßig ist, wird nicht überprüft. Wenn kein Gesetz hilft, kann die "Generalklausel" verwendet werden, die deckt alles ab. Das findet sich auch im begleitenden Text. Das Buch ist ein führendes Lehrbuch in der Polizeiausbildung. Da wundert nichts mehr ..."

Die im Schaubild gezeigte Logik ist die offizielle Variante dessen, was der Polizei oft unterstellt wird – begründet aus den täglichen Erfahrungen mit Uniformierten.



Das kann Angst machen, aber das Uniformierte sich immer im Recht wähnen oder das Recht für ihre Handlungen nicht beachten (wollen), hat viele Seiten. Sie bietet auch Handlungsmöglichkeiten. Am einfachsten ist der Gegenblöff: Wenn die Uniformierten nicht wissen, was rechtlich gilt, kann mensch auch alles Mögliche behaupten. Manch Cop reagiert irritiert.
Solange die Polizei nach Polizei- oder Versammlungsrecht handelt, kann mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht gedroht werden. Für die PolizistInnen ist dabei nicht das Verfahren beängstigend (das Urteil können sie sich aufs Klo hängen, das berührt keine konkrete Person), möglicherweise aber die Aussicht, als ZeugIn geladen und vom aktuellen Kontrahenten ausgefragt zu werden. Dieses Argument zieht sogar fürs Strafrecht: Auch da die Person, die z.B. eine Durchsuchung oder Festnahme durchführt, als ZeugIn vor Gericht – ausgefragt durch die/den dann AngeklagteN.
Die krude Situation, dass Polizei immer Recht hat, weil sie niemals „Unrecht“ bekommen kann, lässt sich theatralisch, subversiv usw. in Aktionen umsetzen. Wenn Mars-TV, Clowns oder andere Theaterspiele die Situation demaskieren, wenn Polizei-Jubeltruppen die Allmacht anbeten oder beklatschen oder wenn Flugblätter den kruden Handlungsrahmen des Polizeirechts thematisieren, engt sich der Spielraum der Polizei wieder ein. Zumindest wird das Verhalten der Uniformierten dann anders vermittelt. Während „Das dürfen Sie doch gar nicht!“ ein unendlicher Langweiler ist, weil ja keinem Cop irgendetwas Neues erzählt wird, zeigen Jubel oder theatralische Inszenierung Handlungsfähigkeit auch unter Repressionsdruck.
Schließlich ist noch die Verschränkung von Straf- und Polizeirecht zu beachten. Das kann Menschen Selbstsicherheit geben in den konkreten Auseinandersetzungen. Zwar hilft das in dem Moment noch nichts, aber es begrenzt die Angst.
  • Der Paragraph des Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) legt fest, dass eine Bestrafung nur möglich ist, wenn die Polizeihandlung, gegen die der Widerstand erfolgte, rechtmäßig war. Diese Formulierung baut eine Brücke zwischen Polizei-/Versammlungrecht und Strafrecht. Das kann nicht nur Angst vor Strafe nehmen, sondern bietet eine gesetzliche Grundlage für offensive Prozessführung. Wer nämlich nach diesem Paragraphen angeklagt wird, kann die Polizeihandlung in Frage stellen. Es darf vor Gericht nicht unterbunden werden, Fragen zum Polizeieinsatz und zu den konkreten Handlungen der Polizei einschließlich der Rechtsgrundlagen zu fragen. So verkehrt der Prozess die Anklage- und Verteidigungslogiken. Die Polizei muss ihr Verhalten erklären. Sie aber sitzt im ZeugInnenstand, d.h. sie muss antworten und (eigentlich) auch die Wahrheit sagen. Besser geht es kaum für offensiv geführte Prozesse ...
  • In anderen Fällen kommt es für die Strafzumessung (Strafhöhem Bewährung u.ä.) an, welche Motive bei der Tat bestanden und welche Rahmenbedingungen zur Tat führten oder diese beeinflussten. Mit dieser Begründung lassen sich auch dann Fragen an die Polizei stellen.

NS-Jurist Dr. Best, zitiert in: Harnischmacher, Robert: "Die Polizei im NS-Staat", in: Kriminalistik 7(2006 (S. 469)
Die Polizei handelt nie rechtlos oder rechtswidrig, soweit sie nach den von den Vorgesetzten - bis zur Obersten Führung - gesetzten Regeln handelt ... Solange die Polizei diesen Willen der Führung vollzieht, handelt sie rechtmäßig.

Geld zahlen für Polizeieinsätze?
Es reicht schon, dass Aktionen, Proteste und Versammlungen ständig von der Polizei gestört werden - jetzt wollen die auch noch Geld dafür.

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