Laienverteidigung

STELLUNGNAHMEN ZUM SEXISMUSVORWURF

Gegen Vorverurteilung und Willkür!


1. Per Email I
2. Per Email II
3. Text in der Zeitung "alaska" (unter Internas, S. 44)
4. Per Email III
5. Gegen Vorverurteilung und Willkür!
6. Ohne Titel (Kritik an bisherigen Debattenbeiträgen)

Einladung an einen Ausgeschlossenen zum Bundesweiten Infoladentreffen (BILT)

Jena, 22.01.01
Liebe Genossinnen & Genossen,
liebe Freundinnen & Freunde,

wie wir aus dem Protokoll des letzten BILT vom 23./24.09.00 erfahren haben (unsere Delegierten waren schon abgereist), wurde auf dem Abschlußplenum am Sonntag der Beschluß gefaßt, Jörg Bergstedt (im folgenden: JB) aufgrund gegen ihn erhobener Sexismus- und Vergewaltigungsvorwürfe vom nächsten BILT auszuladen. Dort sollen dann in seiner Abwesenheit anhand eines Briefes von Gisela, Kalle, Heidi und Arthur von der Gießener Initiative gegen Atomanlagen (GIgA) und einer schriftlichen Stellungnahme JBs die Vorwürfe diskutiert und eventuelle Konsequenzen beschlossen werden. Warum der beschlossene Ausschluß JBs von dieser Auseinandersetzung, an welcher er sich anscheinend gerne beteiligen würde, zweckmäßig und notwendig sein soll, geht aus dem Protokoll nicht hervor.

Auslöser der Debatte auf dem BILT war ein Brief von vier Leuten aus der GIgA, der einzelnen Plenumsteilnehmern/-innen bekannt war und der mit dem letzten Protokoll verteilt wurde. In diesem Brief wird von daran Beteiligten eine Auseinandersetzung um die Person JBs in der Gießener linken Szene und der Zeitung “Unzensiert” beschrieben. JB wird in diesem Brief sexistisches und dominantes Verhalten, mangelnde Diskussionsbereitschaft und Diffamierung seiner Kritiker/-innen sowie Vergewaltigung vorgeworfen; alle erwähnten Kritikern/-innen des Vorgehens von Gisela, Kalle, Heidi und Arthur, nämlich den Nicht-Unterstützern/-innen ihres Briefes aus der GIgA und Jutta von der Projektwerkstatt Saasen (PW), werden zudem als Täterschützer/-innen “entlarvt”. Als Konsequenz fordern die Gießener Vier “den Ausschluß von JB aus allen linken Zusammenhängen und sozialen Räumen!!!”

Wie sehen die Vorwürfe im einzelnen aus?

Als erstes der schwerste Vorwurf der Vergewaltigung: “Sexismus- und Vergewaltigungsvorwürfe verjähren nicht!”, schreiben Gisela, Kalle, Heidi und Arthur auf Seite 1. Auf Seite 4 wird der Vorwurf durch ein Zitat eines Leserbriefes in der UnZ 34 konkretisiert: “Ich bin mir sicher, daß auch Paul Römer und Jörg (...) Vergewaltiger sind.” In diesem Zusammenhang wurde auch JBs Adresse veröffentlicht, wie aus Jörgs zitiertem Leserbrief in der UnZ 44 und der dazugehörigen Fußnote (S. 4) hervorgeht. Anschließend an o.a. Zitat schreiben die Gießener/-innen: “Jemand wie Jörg, der sich selbst dem linken Spektrum zugehörig fühlt (...), müßte diese Aussage verstehen. Es handelt sich um keinen konkreten Vergewaltigungsvorwurf, sondern um einen potentiellen Vergewaltigungsvorwurf, der als politischer Begriff Männer veranlassen soll, sich (...) mit ihrem Sexismus auseinanderzusetzen.” JBs Gegner/-innen in dem Streit stellen also selbst fest, daß er keine Frau vergewaltigt hat bzw. keine Hinweise darauf existieren. Vergewaltiger ist er also nur nach einer u. E. untauglichen Definition, die ohne Ausnahme auf alle anderen Männer auch des BILT zutrifft.

Als nächstes der Vorwurf des “dominanten und sexistischen Verhaltens von Jörg gegenüber FrauenLesben” in der PW Saasen (S.1) Worin dieses sich konkret äußerte, wird im folgenden nicht beschrieben; auf S. 5 wird allerdings der Auszug “alle[r] (einschließlich einer FrauenLesben WG) aus der PW” darauf zurückgeführt, eine sei “[i]m Frühjahr 2000 (...) von Jörg erklärter Maßen rausgeschmissen” worden. Daß hauptsächlich JBs sexistischer Druck auf die andern zu den Auszügen führte, läßt sich anhand des Briefes nicht nachvollziehen.

Auf jeder Seite des Briefs aus Gießen wird erwähnt, JB verweigere sich einer Auseinandersetzung über allgemeinen und seinen persönlichen Sexismus bzw. führe diese erst “nach der Aufforderung eines Mannes”. (S. 1) Zahlreiche Zitate aus Jörgs Leserbriefen in der UnZ werden als Belege herangezogen: “Dicker und dicker wird der Anteil in der Unzensiert, in dem nicht mehr Auseinandersetzung, Diskussion und Information herrscht, sondern persönliche[r] Erlebnisbericht, Niedermache und Selbsterfahrungsgeschwafel.”, “Natürlich ist die Diskussion um Unterdrückung (von Frauen (...)) wichtig.” (UnZ 33, S. 2), ein weiteres Zitat aus Nr. 33 auf Seite 3, welches nur einen Halbsatz lang ist, “Die Unterdrückung von Frauen durch Männer sowie, deutlich seltener, durch Frauen, ist viel zu komplex, um simple Weisheiten von sich geben zu können.”, “Das Problem der Unterdrückung muß umfassend betrachtet und angegangen werden! Viele Teile des Ganzen (...) kämpfen für ihre Befreiung und vergessen dabei, daß sie selbst häufig an anderer Stelle unterdrücken.” (UnZ 44, S. 3), “Ich habe nie die gesamte Sexismusdiskussion für sinnlos gehalten, sondern speziell die zu der Zeit in jeder Unzensiert etliche Seiten füllenden Berichte in Form von anonymen Interviews...”, “Kein Blödsinn sind dagegen viele andere Diskussionbeiträge zum Thema ‘Unterdrückung von Frauen’, daher sind auch viele Passagen in dem offenen Brief an mich falsch, weil sie irrtümlicherweise davon ausgehen, ich hätte die ganze Debatte gemeint.” (UnZ 44, S. 4) Worin JBs Sexismus, mit dem er sich dem Brief zufolge nicht auseinandersetzen wollte bzw. will, eigentlich besteht, bleibt unklar, zumal die einzigen konkreteren Vorwürfe sexistischen Verhaltens gegen ihn (daß er alle PW-Bewohner zum Auszug drängte bzw. zwang - s.o.) später datiert sind als JBs letzter von Gisela, Kalle, Heidi und Arthur zitierter Leserbrief in der Unzensiert 44. Was den Vorwurf angeht, “[e]ine Diskussion um Unterdrückung von FrauenLesben (...) erschien für Jörg nicht notwendig.” (S. 3), so wird dieser durch die angeführten Zitate nicht belegt; diese Zitate (von den Positionen, die er in seinen Büchern propagiert ganz abgesehen) beweisen eher das Gegenteil.

Zum Schluß kürzer gefaßt der Vorwurf der Diffamierung seiner Kritiker/-innen: Auf Seite 3 wird Jörg mit der Behauptung zitiert, daß die Seximusdebatte in der “Unzensiert” “nicht mehr Auseinandersetzung, Diskussion und Information (...), sondern persönliche[r] Erlebnisbericht, Niedermache und Selbsterfahrungsgeschwafel” sei: “ (...) reine Selbsterfahrung. Das könnten Protokolle von der Couch sein.” (UnZ 33) Die Erwähnung der Couch ist schärfste Polemik, über deren Berechtigung man streiten kann, “schlichtweg Diffamierungen von FrauenLesben” sind JBs Aussagen darüber, daß eine Sexismusdiskussion den Charakter von “persönliche[m] Erlebnisbericht, Niedermache und Selbsterfahrungsgeschwafel” haben kann und in den vorigen Ausgaben der “Unzensiert” gehabt habe, jedenfalls nicht unbedingt. Auf der letzten Seite schließlich sind zwei Zitate aus JBs Leserbrief in der UnZ 45 abgedruckt, die sich tatsächlich auf niedrigem Niveau bewegen. Im Kontext der gesamten Debatte in dieser Zeitung , v.a. angesichts der Tatsache, daß JB offenkundig ungerechtfertigt als “Vergewaltiger” mit Name und Adresse in Nr. 34 “geoutet” wurde (s.o.), sind diese Äußerungen jedoch nicht als einseitige “Beschimpfungen und Beleidigungen” zu interpretieren.

Zusammenfassung:
Das BILT hat auf dem letzten Treffen JB vorübergehend ausgeschlossen, um in seiner Abwesenheit gegen ihn gerichtete Vorwürfe zu diskutieren und eventuell Sanktionen zu beschließen. Daß sein Ausschluß von dem Treffen zweckmäßig und notwendig sein soll, wird nicht begründet. Die Entscheidung stützt sich auf Vorwürfe gegen JB, die vier Gießener/-innen in einem Brief erheben, der nur Einzelnen bekannt war. Der Brief selbst belegt die Vorwürfe gegen JB nicht bzw. nicht ausreichend.

Alles in allem hat das BILT u. E. die notwendige Sensibilität im Umgang mit derartigen Vorwürfen völlig vermissen lassen. Es hat durch seine (wenngleich zeitlich befristete) Vorentscheidung gegen JB einer beliebigen und inflationären Verwendung des Begriffes Vergewaltigung (i. S. d. “potentiellen Vergewaltigungsvorwurf[es]”) Vorschub geleistet und willkürlichen Ausschlüssen von Genossen/-innen und Freunden/-innen bzw. Forderungen danach Tür und Tor geöffnet.

Wie schon erwähnt waren unsere Delegierten schon vor dem Abschlußplenum am Sonntag abgereist. Wir halten die Ausschlußentscheidung des Plenums und die Art und Weise, wie laut Protokoll die Diskussion geführt wurde für falsch - und im konkreten Fall auch für gefährlich und selbstzerstörerisch. Wir möchten an dieser Stelle JB ausdrücklich zum nächsten BILT einladen und alle anderen Infoläden, die diese unsere Kritik unterstützen, auffordern, dasselbe zu tun.

Wir wollen die Vorgänge in Gießen und Saasen nicht vom Schreibtisch in Jena aus hiermit abschließend beurteilen. Was wir wollen, ist ein fairer und transparenter Klärungsprozeß ohne sachlich unbegründete Vorverurteilungen und -entscheidungen. In diesem Sinne machen wir folgende Vorschläge:
Da Jörg kein konkreter sexistischer Übergriff vorgeworfen wird und er auch keinen Sexismus propagiert, kann er auch an den nächsten BILT gleichberechtigt teilnehmen.
Die Vorwürfe gegen ihn sollten nicht auf dem nächsten Treffen, sondern auf dem übernächsten BILT diskutiert werden. Zu diesem Treffen, welches möglichst in der Nähe von Gießen stattfinden sollte, sollten wir Gisela, Kalle, Heidi und Arthur von der GIgA einladen, damit sie Nachfragen zu ihrem Brief (zumindest wir hätten welche) beantworten und uns detaillierter informieren können. (Sollten die Vier aufgrund knapper Finanzen ihre Anreise nicht bezahlen können, sollten wir das tun. So lieb und teuer sollten uns unsere Genossen/-innen und Freunde/-innen sein. Insgesamt wäre diese Lösung auch billiger als die massenhafte Bestellung der von Gisela, Kalle, Heidi und Arthur annoncierten Textsammlung.) Da die relevanten Vorgänge schon längere Zeit zurückliegen, wiegt u. E. der Vorteil, daß beim übernächsten Treffen die GIgA-Leute anwesend sein werden, größer als der damit verbundene Zeitverzug.
Auf dem übernächsten Treffen sollten verbindliche Richtlinien erarbeitet werden, die festlegen, unter welchen Umständen unbefristete oder befristete Ausschlüsse von Teilnehmern/-innen des BILT erfolgen sollen.

In Erwartung eurer Reaktionen verbleiben wir mit solidarischen Grüßen
Infoladen Jena

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