RECHTSLEXIKON
Strafrechtslexikon
1. Leitsatz- und mehr Kommentierungen aus der Kanzlei Döhmer
2. Juristische Recherche im Internet
3. Strafrechtslexikon
4. Versammlungsgesetz
5. EMRK © 1997
6. Rechte der Straf- und Untersuchungsgefangenen - kleines Lexikon
7. HSOG - öffentliche Sicherheit & Ordnung Leitsatzkommentar
8. Gewaltschutzgesetz - GewSchG Leitsatzkommentar
9. Umgangsrecht - Umgangspflicht - Förderungsungspflicht
10. Testamentsvollstreckung §§ 2197 - 2228 BGB Leitsatzkommentar
11. Sorgerecht © 1997 bis heute
12. Leitsatzkommentar zum Markengesetz © 1997 bis heute
13. Kündigungsschutzgesetz - Leitsatzkommentar © 1997 bis heute
14. Insolvenzordnung - Leitsatzkommentar © 1997 bis heute
15. Anfechtungsgesetz - Leitsatzkommentar
16. Bundesurlaubsgesetz mit Leitsätzen
17. Fluggastrechte - Schadensersatz
18. Domain-Recht - Rechtsprechung
19. Ersatz des Personenschadens
A***
aberratio ictus
Abfangen von Daten § 202 b StGB
Abgleichung personenbezogener Daten § 98 a StPO
Abhören eines Ferngesprächs über Lautsprecher - Verwertbarkeit
Abhören von Mandantengesprächen in der JVA
Abhören von Telefongesprächen eines Rechtsanwalts
Abhörmaßnahmen
Abhörmaßnahmen außerhalb von Wohnungen § 100 f StPO
Ablehnung eines Dolmetschers
Ablehnung eines Richters § 24 StPO
Ablehnung eines Richters - Selbstanzeige - Selbstablehnung § 30 StPO
Ablehnung eines Sachverständigen § 74 StPO
Ablehnungszeitpunkt - äußerster § 25 StPO
Absicht
Absprachen im Strafverfahren
Absprachen - Verständigung § 257 c StPO
Absolute Revisionsgründe § 338 StPO
Akteneinsicht des Gefangenen
Akteneinsicht des Verteidigers § 147 StPO
Akteneinsicht für Beschuldigte ohne Rechtsanwalt
Akteneinsicht für Privatpersonen § 475 StPO
Akteneinsicht in der laufenden Hauptverhandlung
Akteneinsicht - Waffengleichheit
Anklageschrift - Tatbegriff - Umgrenzungsfunktion § 200 StPO
Anordnung und Durchführung der Beschlagnahme § 98 StPO (n.F)
Anrechnung § 51 StGB
Anwesenheitspflicht des Angeklagten § 231 StPO
Audiodateien - Ausgestaltung des Besichtigungsrechts
Ausbleiben des Angeklagten - Haftbefehl § 230 StPO
Auskunftsverweigerungsrecht § 55 StPO
Ausschluss der Öffentlichkeit zum Schutz von Persönlichkeitsrechten § 171 b GVG
Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe § 57 StGB
B***
Bankrott § 283 StGB
Begründung der Revision § 344 StPO
Begünstigung § 257 StGB
Beihilfe § 27 StGB
Beleidigung § 185 StGB
Berufskraftfaher - wirtschaftliche Konsequenzen eines Verlustes der Fahrerlaubnis
Beschuldigtenvernehmung - Tatvorwurf - Belehrungspflicht - Schweigerecht § 136 StPO
Beschuldigtenvernehmung - Vernehmung durch Polizei - Belehrungspflicht § 163 a StPO
Beschuldigtenvernehmung - verbotene Vernehmungsmethoden § 136 a StPO
Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr § 299 StGB
Besondere persönliche Merkmale § 28 StGB
Betäubungsmittelgesetz
Betrug § 263 StGB
Beugehaft
Bewährung - Strafaussetzung § 56 StGB
Bewährung - Strafaussetzung bei lebenslanger Freiheitsstrafe § 57 a StGB
Beweisanträge in der Hauptverhandlung § 244 StPO
Beweisantrag - verspätet
Beweiserhebung vor Eröffnung des Hauptverfahrens § 202 StPO
Beweiswert - DNA-Analyse
Bild-Ton-Aufzeichnung einer Zeugenvernehmung
Bildung krimineller Vereinigungen § 129 StGB
Bildung terroristischer Vereinigungen § 129 a StGB
Blutentnahme - körperliche Untersuchung des Beschuldigten § 81 a StPO
Brandstiftung § 306 StGB
Brandstiftung - besonders schwere § 306 b StGB
Brandstiftung - schwere § 306 a StGB
Brandstiftung mit Todesfolge § 306c StGB
Brechmitteleinsatz
Bundeskriminalamt
Bundeszentralregister
Beweiswürdigung
C***
Cache-Speicher
Cannabis, Marihuana, Haschisch & Co.
Computerbetrug § 263 a StGB
Computersabotage § 303 b StGB
condicio sine qua non
Crackabhängigkeit
D***
Dabeisein - bloßes - Beihilfe
Darstellung der Aussagen von Zeugen im Urteil
Daten speichern, verändern, nutzen § 484 StPO
Datenabgleich und Datenübermittlung § 98 b StPO (n.F.)
Datenbestand - Beschlagnahme
Datenermittlung - Mobilfunk
Datenlöschung - Rechtsweg
Datenträger
Datenveränderung § 303 a StGB
Datenverarbeitung
Dauer der Jugendstrafe § 18 JGG
Dauer der Unterbringung § 67 d StGB
Dauerdelikte
Deutsches Recht - Anwendbarkeit
Diebstahl § 242 StGB
Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchdiebstahl § 244 StGB
Diebstahl - schwerer Bandendiebstahl § 244 a StGB
Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen § 248 a StGB
Dienstgeheimnisse und besondere Geheimhaltungspflicht - Verletzung § 353 b StGB
Dinglicher Arrest § 111 d StPO
Direkter Vorsatz
DNA-Analyse - Beweiswert
Dokumentation zum Thema Beweiswürdigung
E***
Einschleusen von Ausländern § 96 AufenthG (n. F.)
Entscheidungen des BGH seit 4/99 (RA Strate)
Entscheidung über Sicherungsverwahrung § 275 a StPO
Entziehung der Fahrerlaubnis § 69 StGB
Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung
Europäisches Haftbefehlsgesetz - EuHbG
European Criminal Bar Association
Europol
EU-Verfahrensrechte (DISKUSSIONSPAPIER)
F***
Falsche uneidliche Aussage - Versuch der Anstiftung zur Falschaussage § 159 StGB
Falsche uneidliche Aussage § 153 StGB
Fehlurteile
Fehlurteile - häufige Ursachen
Folterverbot - EMRK
Freiheitsentziehung
G***
Gefährdung des Straßenverkehrs § 315 c StGB
Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr § 315 b StGB
Gefährliche Körperverletzung § 224 StGB
Gegenstand des Strafurteils - prozessuale Tat § 264 StPO
Geheimdienstliche Agententätigkeit § 99 StGB
Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (mit EuHbG II)
Gesetzlicher Richter
Gründe des Strafurteils § 267 StPO
Gründe für die Ablehnung eines Richters § 24 StPO
Grundgesetz
Gesamtstrafenbildung § 54 StGB
Gesamtstrafenbildung - nachträgliche § 55 StGB
H***
Haftbefehl - Ausbleiben des Angeklagten § 230 StPO
Handakten des Verteidigers
Handeln für einen anderen § 14 StGB
Handlung
Hauptverhandlung
§ 231 a StPO
§ 232 StPO
§ 273 StPO (n.F.)
Hausfriedensbruch § 123 StGB
Haus- und Familiendiebstahl § 247 StGB
Hehlerei § 259 StGB
Hessische Strafverteidigervereinigung
Higgins (Datenbank über Fehlurteile in Kanada und den USA)
Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten § 46 b StGB
Hilfsbeweisantrag
Hinweise zur Tatortfrage
Hinweispflicht wegen Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts § 265 StPO
I***
Innocent Inmates Assocation of Ohio
Internet-Kriminalität
J***
Jugendgerichtsgesetz
Justizirrtum
K***
Kostenrechtsprechung
wegedurchdenknast.de/
Körperliche Untersuchung des Beschuldigten § 81 a StPO
Körperverletzung mit Todesfolge § 227 StGB
Körperverletzung - schwere § 226 StGB
Krawatte des Verteidgers
Krimi-Forum
Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (KFN-Forschungsberichte zum Download)
Kronzeugenregelung - Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten § 46 b StGB
L***
Landfriedensbruch § 125 StGB
Landfriedensbruch - besonders schwerer § 125 a StGB
Lehrstuhl für Strafrecht und Kriminologie (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg - Studien zu den Auswirkungen einer gewaltfreien Erziehung)
Leitung der Verhandlung § 238 StPO
List - ?kriminalistische"
Lockspitzeleinsatz - Anstiftung
Lügendetektor
M***
Machenschaften von Polizeibeamten - Verurteilung um jeden Preis
Mailbox
Mannesmann-Verfahren
Maßregeln der Besserung und Sicherung § 7 JGG
Maßregelung der Verteidigung
Massenuntersuchung - Selbstbelastungsfreiheit
Maut-Gebührendaten
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg i. Br.
Mediendelikte (Kommentar von Ass. Jur., Dipl. Jur. Alexander Schultz)
Medizinische Beratung
Mehrdeutige Tatsachenfeststellung
Mehrere Straftaten eines Jugendlichen § 31 JGG
Mehrfachbelegung von Hafträumen
Mehrfachverteidigung - Verbot
Mehrmalige Bestrafung
Meineid § 154 StGB
Menschenhandel § 180b StGB a.F.
Menschenhandel - Förderung des Menschenhandels § 233a StGB (neu)
Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft § 233 StGB (neu)
Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung § 232 StGB (n.F.)
Menschenrechte - Durchsetzung und Anerkennung durch Mitgliedsstaaten
Milderung des allgemeinen Strafrechts; Sicherungsverwahrung - § 106 JGG
Minderjährige - Entziehung
Missachtung von EG-Richtlinien - Alkohol
Missbrauch von Notrufen § 145 StGB
Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten § 266 b StGB
Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen § 132 a StGB
Missbrauchsverbot - allgemeines
Misshandlung von Schutzbefohlenen § 225 StGB
Mitbestrafte Nachtat
Mittäterschaft - § 25 StGB
Mitteilung der Anklageschrift
Mitteilung über die Besetzung des Gerichts § 222 a StPO
Mittelbare Falschbeurkundung § 271 StGB
Mittelbare Täterschaft
Mobiltelefon
Molekulargenetische Untersuchungen
Mord § 211 StGB
Müllentsorgungsbetrug
N***
Nachstellung § 238 StGB
Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe § 55 StGB
Nebenklage - Zulässigkeit § 395 StPO
Nötigung § 240 StGB
Notstand
Notwehr (Nothilfe) § 32 StGB
O***
Opferschutz
Opferschutz - Verletztenbeistand - Rechtsvertretung des Verletzten vor Erhebung der öffentlichen Klage § 406 g StPO
Organisierte Kriminalität (Indikatoren)
P***
Personen- und Sachbegriffe § 11 StGB
Persönliche Vernehmung in der Hauptverhandlung § 250 StPO
Pflicht des Angeklagten zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung § 231 StPO
Polizei
Polizei Hessen
Polizei-Newsletter
Promillerechner
www.blutalkohol-homepage.de
www.firstsurf.com/promille.htm
www.rzuser.uni-heidelberg.de/~df6/promillator.htm
Prozessuale Tat - Gegenstand des Strafurteils § 264 StPO
R***
Ratenzahlung
Raub § 249 StGB
Raub - schwerer § 250 StGB
Rechtliches Gehör
Rechtsbeugung § 339 StGB
***
Rechtsprechung des BGH zum
BtMG im Jahr - 2000 - 2001 - 2002 - 2003 - 2004 - 2005 - 2006 - 2007 (nicht fortgeführt)
Strafrecht - 1998 - 1999 - 2000 - 2001 - 2002 - 2003 - 2004 - 2005 - 2006 - 2007 (nicht fortgeführt - Übergang in Lexikon)
Verkehrsstrafrecht - 1997 - 1998 - 1999 - 2000 - 2001 - 2002 - 2003 - 2004 - 2005 - 2006 - 2007 (nicht fortgeführt - Übergang in Lexikon)
***
Revisionsbegründung § 344 StPO
Revisionsbegründungsfrist - Revisionsschrift § 345 StPO
Revisionsgründe - absolute § 338 StPO
Rücktritt vom Versuch § 24 StGB
S***
Schuldfähigkeit - vermindert § 21 StGB
Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen § 20 StGB
Schutz der Wohnung
Schwere Körperverletzung § 226 StGB
Schwerer Bandendiebstahl § 244 a StGB
Schwerer Raub § 250 StGB
Selbstanzeige - Selbstablehnung § 30 StPO
Selbstleseverfahren - Verlesung der zum Beweis dienenden Schriftstücke § 249 StPO
Sexueller Missbrauch - Ausnutzung eines Beratungsverhältnisses § 174 c StGB
Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung § 177 StGB
Sexueller Missbrauch von Kindern - schwerer § 176 a StGB
Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen § 174 StGB
Sitzungspolizei § 176 GVG
Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis § 69 a StGB
Steuerstrafgesetze (AO 1997 - Leitsatzkommentar)
StGB (Gesetzestext)
StPO (Gesetzestext)
Strafaussetzung § 56 StGB
Strafaussetzung bei lebenslanger Freiheitsstrafe § 57 a StGB
Strafklageverbrauch
Strafklageverbrauch bei Dauerdelikten
Strafklageverbrauch - Durchführungsübereinkommen (SDÜ)
Strafrecht, Steuer- u. Wirtschaftsstrafrecht (RAe Spormann pp.)
Strafurteil § 260 StPO
Strafvereitelung § 258 StGB
Strafverteidiger-Vereinigungen (Organisationsbüro)
Strafverfolgung § 6 PflVG
Strafvollzug - kleines Lexikon (bearbeitet von RA Döhmer, Gießen)
Strafzumessung bei Jugendlichen und Heranwachsenden
Strafzumessungsgrundsätze § 46 StGB
T***
Tatbegriff - Anklageschrift - Umgrenzungsfunktion § 200 StPO
Tatbegriff - Gegenstand des Strafurteils - prozessuale Tat § 264 StPO
Telefonate einer Untersuchungsgefangenen mit ihrem Verteidiger
Telefonüberwachung und Rechtsstaat
Tiefgreifende Bewusstseinsstörung (§ 21 StGB)
Tipps und Hinweise
Todesfälle bei Kindern durch Misshandlungen und Vernachlässigung in den Industrieländern (Unicef-Gewaltstudie)
Totschlag - minder schwerer Fall § 213 StGB
Totschlag § 212 StGB
Trunkenheit im Verkehr § 316 StGB
Ü***
Überwachung der Telekommunikation eines Rechtsanwalts
Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation § 100 a StPO (n.F.)
U***
Unmittelbarkeitsgrundsatz - Persönliche Vernehmung in der Hauptverhandlung § 250 StPO
Unterbrechung der Hauptverhandlung - Fristen § 229 StPO
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus § 63 StGB
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt § 64 StGB
Unterschlagung § 246 StGB
Untersuchungshaft
Untersuchungshaft über 6 Monate hinaus - § 121 StPO
Untersuchungshaftvollzug § 119 StPO n.F.
Untreue § 266 StGB
Urteilsabsetzungsfrist § 275 StPO
Urteilsabsprachen - grundsätzlich zulässig - gesetzliche Regelung notwendig
Urteilsgründe - formelle Anforderungen - Gründe des Strafurteils § 267 StPO
V***
Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts § 265 StPO
Verbotene Protokollverlesung § 252 StPO
Verbotene Vernehmungsmethoden § 136 a StPO
Verdeckter Ermittler § 110 a StPO
Verfall - Härtevorschrift § 73 c StGB
Verfall - Voraussetzungen § 73 StGB
Verfall des Wertersatzes § 73 a StGB
Vergewaltigung; sexuelle Nötigung § 177 StGB
Verkehrsstrafrecht
Verlesung der Niederschrift über frühere richterliche Vernehmung § 251 StPO
Verlesung der zum Beweis dienenden Schriftstücke § 249 StPO
Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei einem Beschluss § 33 a StPO
Verminderte Schuldfähigkeit § 21 StGB
Vermummungsverbot - § 17a VersG
Vernehmung des Beschuldigten § 163 a StPO
Verschlüsselte Kommunikation mit der Kanzlei Döhmer
Verständigung § 257 c StPO
Versuch § 22 StGB
Versuch - Rücktritt vom Versuch § 24 StGB
Versuch - Strafbarkeit § 23 StGB
Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen § 86 a StGB
Volksverhetzung § 130 StGB (n.F. ab 22.03.2011)
Vorführung - Ausbleiben des Angeklagten § 230 StPO
Vorübergehende Abwesenheit - Hauptverhandlung § 231 c StPO
W***
Wahlfeststellung
Wahrnehmung berechtigter Interessen § 193 StGB
Wartezeit von 15 Minuten
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 44 StPO
Z***
Zeugnisverweigerungsrecht aus beruflichen Gründen § 53 StPO
Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen § 52 StPO
Zeugnisverweigerungsrecht der Gehilfen § 53 a StPO
ZSHG - Gesetz zur Harmonisierung des Schutzes gefährdeter Zeugen
Zuständigkeitsbestimmung durch BGH § 13 a StPO
Zuständigkeit - zusammenhängende Straftaten § 13 StPO
Zustellungen in Strafsachen
Zustellungsvollmacht § 145 a StPO
Zwangsgeld gegen Vollzugsbehörde - Rechtsstaat endet vor den Grenzen Gießens
Zweck des Strafprozesses
Zweifelssatz
Zweiter Pflichtverteidiger
Zwischenverfahren
***
A
aberratio ictus
Es handelt sich um eine besondere Form des Irrtums im Sinne eines Fehlgehen des Angriffs. Ein den Vorsatz ausschließender Irrtum in Form der sog. aberratio ist gegeben, wenn der Angriff gegen das vom Täter anvisierte Opfer fehlgeht und einen Dritten trifft. In einem solchen Fall ist der Täter nur wegen Versuchs und daneben ggf. noch wegen einer Fahrlässigkeitstat strafbar.
Abfangen von Daten § 202 b StGB
Wer unbefugt sich oder einem anderen unter Anwendung von technischen Mitteln nicht für ihn bestimmte Daten (§ 202a Abs. 2) aus einer nichtöffentlichen Datenübermittlung oder aus der elektromagnetischen Abstrahlung einer Datenverarbeitungsanlage verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.
Siehe auch unter ?Ausspähen von Daten".
Abgleichung personenbezogener Daten § 98 a StPO
(1) Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, daß eine Straftat von erheblicher Bedeutung
1. auf dem Gebiet des unerlaubten Betäubungsmittel- oder Waffenverkehrs, der Geld- oder Wertzeichenfälschung,
2. auf dem Gebiet des Staatsschutzes (§§ 74a, 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes),
3. auf dem Gebiet der gemeingefährlichen Straftaten,
4. gegen Leib oder Leben, die sexuelle Selbstbestimmung oder die persönliche Freiheit,
5. gewerbs- oder gewohnheitsmäßig oder
6. von einem Bandenmitglied oder in anderer Weise organisiert
begangen worden ist, so dürfen, unbeschadet §§ 94, 110, 161, personenbezogene Daten von Personen, die bestimmte, auf den Täter vermutlich zutreffende Prüfungsmerkmale erfüllen, mit anderen Daten maschinell abgeglichen werden, um Nichtverdächtigte auszuschließen oder Personen festzustellen, die weitere für die Ermittlungen bedeutsame Prüfungsmerkmale erfüllen. Die Maßnahme darf nur angeordnet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre.
(2) Zu dem in Absatz 1 bezeichneten Zweck hat die speichernde Stelle die für den Abgleich erforderlichen Daten aus den Datenbeständen auszusondern und den Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln.
(3) Soweit die zu übermittelnden Daten von anderen Daten nur mit unverhältnismäßigem Aufwand getrennt werden können, sind auf Anordnung auch die anderen Daten zu übermitteln. Ihre Nutzung ist nicht zulässig.
(4) Auf Anforderung der Staatsanwaltschaft hat die speichernde Stelle die Stelle, die den Abgleich durchführt, zu unterstützen.
(5) § 95 Abs. 2 gilt entsprechend.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Abfrage von Kreditkartendaten durch die StA bei Kreditkartenunternehmen stellt keinen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 I i.V. mit Art. 1 I GG dar, wenn die Kreditkartendaten bei den Unternehmen nur maschinell geprüft, mangels Übereinstimmung mit den Suchkriterien (hier: Abbuchungsbetrag, Zeitraum, Empfängerbank, Merchant-ID) aber nicht als Treffer angezeigt und der StA daher nicht übermittelt wurden. Die Abfrage von Kreditkartendaten, die sich auf eine konkret beschriebene Tathandlung (hier: Verschaffung des Zugangs zu einer Internetseite mit kinderpornografischen Inhalten durch Zahlung eines bestimmten Betrags an einen bestimmten Empfänger auf den Philippinen) beziehen, berührt die Kreditkarteninhaber, welche die Tatkriterien erfüllten und deren Daten daher an die StA übermittelt wurden, in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. § 161 I StPO ist jedoch eine verfassungsgemäße Ermächtigungsgrundlage für diesen Eingriff, der wie alle Ermittlungshandlungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen muss. Eine Rasterfahndung i.S. von § 98a StPO liegt nicht vor, wenn die Strafverfolgungsbehörde von privaten Stellen Auskünfte zu speziellen Täter-Daten erhält, also nicht die Gesamtdateien zum weiteren Abgleich mit anderen Dateien übermittelt bekommt. Kern der Rasterfahndung ist der Abgleich der herausgefilterten Datenbestände mehrerer Speicherstellen, der die Verknüpfung verschiedener Sachbereiche ermöglicht, um ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen (BverfG, Beschluss vom 17.02.2009 - 2 BvR 1372, 1745/07, NJW 2009, 1405 ff).
Abhören eines Ferngesprächs über Lautsprecher - Verwertbarkeit
Wird ein Ferngespräch von einem im Geschäftszimmer eines Kaufmanns stehenden Fernsprechapparat aus geführt, so müssen die Gesprächsteilnehmer damit rechnen, daß ein Mithörgerät oder ein Lautsprecher angeschlossen sein könnte. Kommt auf diese Weise der Inhalt des Ferngesprächs ohne Täuschung oder Überlistung der Gesprächspartner zur Kenntnis eines Dritten, so kann sich keiner der Gesprächspartner auf eine Verletzung seiner "persönlichkeitsrechtlichen Eigensphäre" berufen, wenn der Dritte als Zeuge über den Inhalt des Gesprächs vernommen wird (BGH NJW 1964, 165 - 166).
Abhören von Mandantengesprächen in der JVA
Es bleibt offen, ob der Besuchsraum einer Justizvollzugsanstalt, in dem Verteidigergespräche geführt werden, ebenso wie die Kanzleiräume des Rechtsanwalts durch das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 I GG) geschützt wird. Die herausgehobene Bedeutung der unkontrollierten Berufsausübung des Rechtsanwalts gebietet die besonders sorgfältige Beachtung der Eingriffsvoraussetzungen und des Grundsatzes der Verhältnismäßígkeit beim Abhören von Gesprächen mit einem inhaftierten Mandanten und bei der Durchsuchung der Kanzleiräume. Das Gewicht des Eingriffs verlangt Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen (hier: der Rechtsanwalt sei der Geldwäsche verdächtig) hinausreichen. Die Darlegungen zum Geldwäscheverdacht erfordern deshalb auch die Schilderung des Vortatverdachts (BVerfG, Beschluss vom 04.07.2006 - 2 BvR 950/05, StV 2006, 505 zu GG Art. 12 I, 13, StPO §§ 100c, § 100d, 105).
Abhören von Telefongesprächen eines Rechtsanwalts
Telefongespräche werden von den Begriffen ?Privatleben" und ?Korrespondenz" i.S. von Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) erfasst. Eine Person kann unter bestimmten Voraussetzungen nur deswegen, weil es geheime Abhörmaßnahmen gibt oder Vorschriften, die sie zulassen, geltend machen, Opfer einer Verletzung von Art. EMRK Artikel 8 EMRK zu sein, ohne beweisen zu müssen, dass sie selbst abgehört worden ist. Die Worte ?gesetzlich vorgesehen" in Art. EMRK Artikel 8 EMRK Artikel 8 Absatz II EMRK verlangen zunächst, dass die angegriffene Abhörmaßnahme eine Grundlage im staatlichen Recht hat. Sie beziehen sich aber auch auf die Qualität des Gesetzes und verlangen, dass das Gesetz für die betroffenen Personen zugänglich ist und dass sie vorhersehen können, welche Folgen es für sie hat. Außerdem muss das Gesetz rechtsstaatlichen Anforderungen genügen. Das moldawische Gesetz ist nicht ausreichend bestimmt gefasst. Es legt insbesondere die Art der Straftaten, bei denen eine Abhörgenehmigung erteilt werden kann, nicht eindeutig fest und bezeichnet auch nicht ausreichend deutlich die Gruppen von Personen, bei denen Telefongespräche abgehört werden dürfen. Auch eine eindeutige zeitliche Begrenzung ist nicht vorgesehen. Wer Gefahr läuft, abgehört zu werden, bleibt unklar. Die Richter müssen vor Erteilung der Genehmigung nicht prüfen, ob die Erfordernisse für das Abhören erfüllt sind. Dass fast allen Genehmigungsanträgen stattgegeben worden ist, deutet darauf hin, dass die Richter nicht prüfen, ob zwingende Gründe für das Abhören bestehen. Wegen dieser Mängel des Gesetzes war die Abhörmaßnahme nicht ?gesetzlich vorgesehen". Damit ist Art. EMRK Artikel 8 EMRK verletzt (EGMR, Urteil vom 10.02.2009 - 25198/02 Iordachi u.a./Moldau, NJW 2010, 2111ff).
Siehe unter ?Nachträglicher Rechtsschutz gegen Wohnungsdurchsuchung und Telefonüberwachung", ?Telefonüberwachung" und ?Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation".
Abhörmaßnahmen
Siehe unter ?Herstellung von Lichtbildern, Observations- und Abhörmaßnahmen".
Abhörmaßnahmen außerhalb von Wohnungen § 100 f StPO
(1) Auch ohne Wissen der Betroffenen darf außerhalb von Wohnungen das nichtöffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln abgehört und aufgezeichnet werden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in § 100a Abs. 2 bezeichnete, auch im Einzelfall schwerwiegende Straftat begangen oder in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat, und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
(2) Die Maßnahme darf sich nur gegen einen Beschuldigten richten. Gegen andere Personen darf die Maßnahme nur angeordnet werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit einem Beschuldigten in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten führen wird und dies auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
(3) Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.
(4) § 100b Abs. 1, 4 Satz 1 und § 100d Abs. 2 gelten entsprechend.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Erkenntnisse aus einer gegen einen Angehörigen richterlich angeordneten Überwachungsmaßnahme nach § 100f StPO unterliegen auch bei berechtigter Aussageverweigerung nach § 52 StPO keinem Verwertungsverbot. Das Grundgesetz schützt Beschuldigte nicht vor der Verwertung der Ergebnisse heimlicher Ermittlungsmaßnahmen, soweit diese sich gegen - nicht zu den zeugnisverweigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträgern gehörende - Angehörige des Beschuldigten richten und es sich nicht um Ergebnisse einer Vernehmungssituation oder der Umgehung einer solchen Situation handelt (hier: Abhörung eines in einem Pkw geführten Gesprächs zwischen dem Bruder des Beschuldigten und einem Mittäter im Rahmen eines anderweitigen Ermittlungsverfahrens; BverfG, Beschluss vom 15.10.2009 - 2 BvR 2438/08 zu GG Art. 1 I, 2 II 2, 3 I, 20 III; StPO §§ 52, 53, 100c VI, 100f II, III, 160a I 2 u. 5, II 3; NJW 2010, 287 ff).
*** (BGH)
Ein in einem Kraftfahrzeug mittels akustischer Überwachung aufgezeichnetes Selbstgespräch eines sich unbeobachtet fühlenden Beschuldigten ist im Strafverfahren - auch gegen Mitbeschuldigte - unverwertbar, da es dem durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit zuzurechnen ist (im Anschluss an BGH, Urteil vom 10. August 2005, 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206; BGH, Urteil vom 22.12.2011 - 2 StR 509/10):
?... 1. Das nichtöffentlich geführte Selbstgespräch unterliegt einem selbständigen Beweisverwertungsverbot von Verfassungs wegen (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 210; Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, 1988, S. 264; LR/Gössel, StPO, 26. Aufl., Einl. L Rn. 88; Jahn, Gutachten C zum 67. Deutschen Juristentag 2008, C 84; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 26. Aufl., § 36 Rn. 45; SK/Wolter, StPO, 4. Aufl. 2010, § 100f Rn. 35).
a) Der absolut geschützte Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung wird aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Januar 1973 - 2 BvR 454/71, BVerfGE 34, 238, 245; Beschluss vom 14. September 1989 - 2 BvR 1062/87, BVerfGE 80, 367, 373). Sein Schutzbereich wird durch heimliche Aufzeichnung des nichtöffentlich geführten Selbstgesprächs der Zielperson staatlicher Ermittlungsmaßnahmen und deren Verwertung in der Hauptverhandlung berührt (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 212). Ob das nichtöffentlich gesprochene Wort zum absolut geschützten Kernbereich oder zu dem nur relativ geschützten Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört, ist durch Gesamtbewertung aller Umstände im Einzelfall festzustellen. Aus einer Kumulation von Umständen folgt hier, dass die Selbstgespräche des Angeklagten S. K. dem Kernbereich zuzurechnen sind. Dazu zählen die Eindimensionalität der ?Selbstkommunikation', die Nichtöffentlichkeit der Äußerungssituation, die mögliche Unbewusstheit der Äußerungen im Selbstgespräch, die Identität der Äußerung mit den inneren Gedanken beim Selbstgespräch und die Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes.
Der Grund für den absoluten Schutz eines Kernbereichs der Persönlichkeitsentfaltung besteht in der Eröffnung einer Möglichkeit für Menschen, sich in einem letzten Rückzugsraum mit dem eigenen Ich befassen zu können, ohne Angst davor haben zu müssen, dass staatliche Stellen dies überwachen (vgl. Senat, Urteil vom 16. März 1983 - 2 StR 775/82, BGHSt 31, 296, 299 f.). Die Gedanken sind grundsätzlich frei, weil Denken für Menschen eine Existenzbedingung darstellt (vgl. Mahrenholz/Böckenförde/Graßhof/Franßen in BVerfG, Beschluss vom 14. September 1989 - 2 BvR 1062/87, BVerfGE 80, 367, 381). Den Gedanken fehlt aus sich heraus die Gemeinschaftsbezogenheit, die jenseits des Kernbereichs der Persönlichkeitsentfaltung liegt. Gleiches gilt für die Gedankenäußerung im nicht öffentlich geführten Selbstgespräch (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 213). Gedanken werden typischerweise in Form eines ?inneren Sprechens' entwickelt (vgl. Tönnies, Selbstkommunikation, 1994, S. 16). Denken und Sprache, die dem Menschen als einzigem Lebewesen zur Verfügung steht, sind untrennbar miteinander verbunden. Die Gedankeninhalte des inneren Sprechens treten vor allem in Situationen, in denen der Sprechende sich unbeobachtet fühlt, durch Aussprechen hervor. Das möglicherweise unbewusste ?laute Denken' beim nichtöffentlich geführten Selbstgespräch nimmt sodann an der Gedankenfreiheit teil. Bedeutung für die Zuordnung zum Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung hat dabei auch die Nichtöffentlichkeit der Äußerungssituation. Zwar fanden die hier in Rede stehenden Selbstgespräche nicht in einer Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG statt, woraus sich eine ?Vermutung' hätte ergeben können, ?dass der Kernbereich tangiert sein kann' (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 210); dies folgt auch aus dem Zusammenhang von § 100c Abs. 4 mit § 100f StPO. Hieraus ist aber nicht zu schließen, dass der Schutz des Kernbereichs der Persönlichkeit in Bezug auf Äußerungen sich ausschließlich auf den räumlichen Bereich von Wohnungen beschränke. Vielmehr kann auch das ?Alleinsein mit sich selbst' in einem Pkw diesen Schutz begründen. Es bestand aus der Sicht des Angeklagten S. K. nicht die Gefahr, dass andere Personen den Inhalt seiner Äußerungen im Selbstgespräch erfassten. Der rechtlich geringere Schutz des Aufenthaltsorts im Auto gegenüber der Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG (zur Relativierung bei der Äußerung im Krankenzimmer BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 212) wird hier deshalb im Einzelfall dadurch kompensiert, dass tatsächlich das Risiko einer Außenwirkung der spontanen Äußerungen nahezu ausgeschlossen war; das Selbstgespräch konnte nur durch eine heimliche staatliche Überwachungsmaßnahme erfasst werden. Die Nichtöffentlichkeit der Gesprächssituation war daher bei einer Gesamtbewertung der Umstände des Einzelfalls derjenigen in einer Wohnung gleichzusetzen.
b) Auf den Inhalt der Gedankenäußerung und dessen mehr oder weniger großen Sozialbezug kommt es demgegenüber bei Selbstgesprächen nicht entscheidend an. Insoweit gilt etwas anderes als bei der Fixierung von Gedanken in einem Tagebuch oder bei der Erfassung des Gesprächs eines Beschuldigten mit Dritten.
Die Tagebuchentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 14. September 1989 - 2 BvR 1062/87, BVerfGE 80, 367, 374), bei der wegen Stimmengleichheit eine Grundrechtsverletzung nicht festgestellt werden konnte, kann nicht ohne Weiteres auf die Frage der Zuordnung des heimlich abgehörten Selbstgesprächs zum Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung oder zur allgemeinen Persönlichkeitssphäre übertragen werden. War dort der Raum, in dem die Anfertigung von Notizen stattfand, für die Frage der Verwertbarkeit der schriftlich fixierten Gedanken im Strafverfahren ohne Belang, weil die Notizen freiwillig der Sicherstellung preisgegeben wurden, so erlangt im vorliegenden Fall das Kriterium der Nichtöffentlichkeit des Ortes der Gedankenäußerung erhebliche Bedeutung. Spielte in der Tagebuchentscheidung die Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes keine Rolle, weil der Betroffene seine Gedanken dort im Tagebuch fixiert und bei diesem Schreibvorgang unter Umständen auch noch repetiert hatte, so erlangt die Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes als Abgrenzungskriterium im vorliegenden Fall besonderes Gewicht. In der Tagebuchentscheidung waren überdies auch präventive Überlegungen für die Annahme der Verwertbarkeit von Bedeutung (aaO S. 377, 380), weil die dort fraglichen Tagebuchaufzeichnungen vor der Tatbegehung gemacht worden waren und bei rechtzeitiger Erfassung durch die Polizeibehörden theoretisch auch zur Verhinderung der Tat als Maßnahme der Gefahrenabwehr hätten genutzt werden können. Dagegen spielt die Möglichkeit der Prävention zugunsten anderer Grundrechtsträger als Frage der Grundrechtskollision hier keine Rolle (vgl. auch BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 214).
Das ?Selbstgespräch' kann auch nicht mit einem Zwiegespräch gleichgesetzt werden, das regelmäßig nicht dem absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung zuzuordnen ist, wenn es mit seinem Inhalt einen Tatbezug und damit Sozialbezug aufweist (vgl. BVerfG, Urteil vom 3. März 2004 - 1 BvR 2378/98, 1084/99, BVerfGE 109, 279, 319; Beschluss vom 12. Oktober 2011 - 2 BvR 236/08 u.a.; Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 u.a.; vgl. auch § 100c Abs. 4 Satz 3 StPO). Es unterscheidet sich von einem solchen Gespräch schon dadurch, dass die Äußerungen nicht auf Verständlichkeit angelegt und jedenfalls auch durch unwillkürlich auftretende Bewusstseinsinhalte gekennzeichnet sind (BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 213).
c) Der somit gebotene Kernbereichsschutz entfällt nur, wenn der Grundrechtsträger den Bereich der privaten Lebensgestaltung von sich aus öffnet, bestimmte Angelegenheiten der Öffentlichkeit zugänglich macht und damit die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09). Dies geschieht nicht ohne weiteres schon dadurch, dass er sich außerhalb des besonders geschützten Bereichs seiner Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG aufhält, sofern er einen anderen Rückzugsraum wählt, in dem er sich unbeobachtet fühlen kann. Das war hier hinsichtlich des Pkw der Fall. Nach außen gerichtete Äußerungen in einem Pkw, in dem die betreffende Person allein ist, können nicht Äußerungen in der Öffentlichkeit gleichgestellt werden. Es bleibt deshalb bei der Zuordnung der Selbstgespräche des Angeklagten S. K. zum absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung mit der Folge ihrer Unverwertbarkeit.
2. Das Beweisverbot entfaltet wegen seiner Absolutheit, die ein Beweiserhebungsverbot für die Hauptverhandlung bezüglich der im Vorverfahren erlangten Informationen einschließt (vgl. Schwaben, Die personelle Reichweite von Beweisverwertungsverboten, 2005, S. 101 f.), seine Wirkung auch auf die nicht unmittelbar von der akustischen Überwachung im Vorverfahren betroffenen Mitangeklagten.
Die Unverwertbarkeit des Selbstgesprächs von S. K. als Indiz für und gegen alle Angeklagten (zur Frage der ?Überkreuzverwertung' Jahn, Gutachten C zum 67. Deutschen Juristentag 2008, C 114 f.) entspricht den Verboten, die in §§ 100a Abs. 4 Satz 2, 100c Abs. 5 Satz 3 StPO für den Fall des Eingriffs in den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung positivrechtlich geregelt sind. Der Gesetzgeber hat dort für den Fall, dass tatsächlich der Kernbereich betroffen ist, jede Verwendung der hierüber erlangten Informationen im Strafverfahren ausgeschlossen. Er ist damit nicht dem Gedanken gefolgt, dass Beweisverwertungsverbote auch mit Blick auf die Ambivalenz ihrer Beweisbedeutung als Be- oder Entlastungsbeweis ausschließlich den Bedeutungsgehalt von Belastungsverboten haben sollen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 215; Jahn aaO C 112 ff.). Zwar hat der Gesetzgeber in § 100f StPO auf eine entsprechende Kernbereichsregelung verzichtet, jedoch gilt für das unmittelbar aus der Verfassung abgeleitete Beweisverwertungsverbot in diesem Zusammenhang nichts anderes. Auch Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG spricht gegen die Verwertbarkeit der Selbstgesprächsinhalte für oder gegen Dritte, weil insoweit ein selbständiges Beweisverwertungsverbot begründet wird (vgl. zur ausnahmsweise absoluten Wirkung eines Beweisverbots im Übrigen auch §§ 136a Abs. 3, 69 Abs. 3 StPO).
3. Das Urteil beruht hinsichtlich aller Angeklagten auf der Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Das Selbstgespräch wurde als Indiz für die Tatbegehung überhaupt sowie für die Täterschaft des Angeklagten S. K. herangezogen. Obwohl eine Reihe von weiteren Indizien für dieses Beweisergebnis spricht, kann der Senat nicht sicher ausschließen, dass die Verurteilung des Angeklagten S. K. auf der Verwertung seiner Äußerungen in den überwachten Selbstgesprächen beruht. Das Landgericht hat daraus auch Hinweise auf die Mittäterschaft der Mitangeklagten I. und W. K. entnommen. Auch deren Verurteilung beruht auf der Verwertung der Selbstgespräche. Ob eine Verurteilung eines Angeklagten oder mehrerer Angeklagten auch ohne die Verwertung der aufgezeichneten Selbstgespräche des Angeklagten S. K. möglich ist, muss dem neuen Tatrichter vorbehalten bleiben. ..."
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Veranlasst eine Privatperson unter Verheimlichung ihres Ermittlungsinteresses einen Tatverdächtigen mit ihr ein abgehörtes und aufgezeichnetes Gespräch über die Tat zu führen, begründet dies keinen zu einem Beweisverwertungsverbot führenden Verstoß gegen §§ 136, 136a, 163a IV 4 StPO (BGH, Beschluss vom 31.03.2011 - 3 StR 400/10 zu StPO §§ 100 f, 136, 136a, 163a IV; MRK Art. 6 I).
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Zur Frage der Zulässigkeit einer heimlichen Überwachung von Ehegattengesprächen in einem eigens dafür zugewiesenen separaten Besuchsraum in der Untersuchungshaft ohne die übliche erkennbare Überwachung. Die heimliche akustische Überwachung eines Ehegattengesprächs im Besucherraum einer U-Haftanstalt kann sich als Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren mit der Folge eines Beweisverwertungsverbots darstellen (BGH, Urteil vom 29.04. 2009 - 1 StR 701/08 zu StPO § 100f; EMRK Art. 6 I 1):
?... Nach den Feststellungen des LG kam der nicht vorbestrafte Angekl., ein marokkanischer Staatsangehöriger, nach seiner Hochzeit im Jahr 2006 mit seiner Frau nach Kempten. Dort besuchte er ab Oktober 2006 einen Deutschkurs. Seine Deutschlehrerin war die ebenfalls verheiratete A G, das spätere Opfer der Tat. Zwischen ihr und dem Angekl. entwickelte sich ab Februar 2007 eine außereheliche intime Beziehung. Während für A G von Anfang an feststand, dass sie für den Angekl. weder ihren Ehemann noch ihre beiden Kinder verlassen würde, entwickelte der Angekl. die Vorstellung, gemeinsam mit A G Deutschland zu verlassen und ins Ausland zu gehen. Nachdem diese die Sommerferien gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Kindern in Litauen verbracht hatte, kehrte sie mit ihrer Familie am Abend des 8. 9. 2007 nach Kempten zurück. Am 12. 9. 2007 traf sie sich mit dem Angekl. in dessen Wohnung. Bei diesem Treffen, das von dem Angekl. heimlich gefilmt wurde, kam es zunächst einvernehmlich zum Geschlechtsverkehr, anschließend verlangte der Angekl. von A G, dass sie ihre Familie verlassen solle. Als sie dieses Ansinnen zurückwies, kam es zwischen ihr und dem Angekl. zu einem heftigen Streit. Der Angekl. warf ihr vor, auch noch mit anderen Männern außereheliche Beziehungen zu unterhalten. Außerdem drohte er ihr, ihren Mann von ihrer Affäre zu unterrichten und ihr Leben ?kaputt' zu machen. Am nächsten oder übernächsten Tag kam es wegen dieser Streitigkeit auf einem Parkplatz zu einer Aussprache zwischen dem Angekl. und A G, in deren Verlauf der Angekl. vorgab, ihre Entscheidung, sich nicht von ihrem Mann zu trennen, zu akzeptieren. Tatsächlich war er hiermit jedoch nicht einverstanden. Deshalb versuchte der Angekl. am Morgen des 17. 9. 2007, dem Tattag, mehrfach A G anzurufen, weil er sich noch einmal mit ihr treffen wollte. Als er sie von seinem Mobiltelefon aus erreichte, telefonierte der Angekl. 20 Minuten mit ihr, bis sein Gesprächsguthaben aufgebraucht war. Dann rief er sie von seinem Festnetzanschluss in der ehelichen Wohnung an und telefonierte nochmals eine halbe Stunde mit ihr. A G war schließlich mit einem weiteren Treffen einverstanden. Dieses fand um 10 Uhr auf dem Parkplatz eines Supermarkts in Kempten statt. Von dort aus fuhren A G und der Angekl. gemeinsam in dem Pkw der Familie G zum Oyweiher, einem kleinen Stausee zwischen B. und W. Dort kam es erneut zu einem Streit, weil sich A G weiterhin weigerte, ihre Familie zu verlassen und mit dem Angekl. ins Ausland zu gehen. Der Angekl. schlug ihr daraufhin heftig ins Gesicht, so dass es bei ihr zu erheblichem Nasenbluten kam. Mit einem weiteren kräftigen Schlag gegen den Hals brach er ihr das rechte obere Kehlkopfhorn. Dann entschloss er sich, A G zu töten, weil sie nicht bereit war, ihre Familie zu verlassen und mit ihm ins Ausland zu gehen. Der Angekl. wollte damit seinen absoluten Macht- und Besitzanspruch gegenüber A G durchsetzen. Er erwürgte sie und legte ihren Leichnam in einer versteckt liegenden Erdmulde ab. Sodann bedeckte er die Leiche mit belaubten Ästen. A G's Handtasche versenkte er im Oyweiher. Anschließend fuhr er zurück nach Kempten, wo er das Auto der Familie G auf dem Parkplatz eines ehemaligen Elektronik-Fachmarkts abstellte. Von dort ging er zu Fuß zu seinem 900 m entfernt geparkten Fahrzeug und fuhr nach Hause, wo er noch an seinem Computer arbeitete. Danach holte er seine Ehefrau von der Arbeit ab, fuhr mit ihr zur Bank und hob von ihrem gemeinsamen Konto 10800 Euro ab. Bereits am Nachmittag des 17. 9. 2007 fiel auf, dass A G verschwunden war. Sie hatte ihren Sohn nicht wie üblich von der Schule abgeholt und war auch über ihr Mobiltelefon nicht zu erreichen. Über ihre Telefonverbindungsdaten konnte festgestellt werden, dass sie zuletzt mit dem Angekl. telefoniert hatte. Nachdem am 21. 9. 2007 der Pkw der Familie G verlassen aufgefunden worden war, wurde der Angekl. festgenommen. Seitdem befindet er sich auf Grund richterlichen Haftbefehls in der JVA Kempten in Untersuchungshaft. Bei der Durchsuchung der Garage des Angekl. fand die Polizei eine funktionsfähige halbautomatische Kurzwaffe, zwei Gaspistolen und ein Fallmesser, für die der Angekl. keine waffenrechtliche Erlaubnis besaß. Am 9. 12. 2007 wurde A G's stark verwester Leichnam zufällig am Oyweiher entdeckt.
Der Angekl. bestritt die Tat. Das LG hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angekl. im Wesentlichen gestützt auf die Erkenntnisse aus den Telefonverbindungsdaten vom Tattag, auf die vom Opfer stammenden Blutspuren an der vom Angekl. am Tattag getragenen Kleidung, auf von ihm stammende DNA-Spuren im Fahrzeug der Getöteten und auf die vom Angekl. am 12. 9. 2007 heimlich gefertigte Videoaufzeichnung seines Zusammenseins mit A G in seiner Wohnung. Außerdem hat es die Strafkammer als ein deutliches Indiz für die Täterschaft des Angekl. angesehen, dass er in einem heimlich abgehörten Gespräch mit seiner Ehefrau, das am 15. 10. 2007 in einem separaten Besuchsraum der Haftanstalt stattfand, noch vor dem Auffinden der Leiche geäußert hatte, dass A G tot sei. In diesem Gespräch bat der Angekl. seine Ehefrau zudem, die Schuld für A G's Tod auf sich zu nehmen und gegenüber den Ermittlungsbehörden anzugeben, dass sie zwei Russen mit deren Ermordung beauftragt habe, um den Angekl. dafür zu bestrafen, dass er sie hintergangen habe. Das LG hat den Angekl. wegen Mordes, begangen aus niedrigen Beweggründen, und wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von zwei Schusswaffen und in weiterer Tateinheit mit dem Besitz eines verbotenen Fallmessers zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die sichergestellten Waffen wurden eingezogen. Die Revision des Angekl. griff mit Verfahrensrügen und der Sachrüge die Verurteilung wegen Mordes an. Das Rechtsmittel führte insoweit und im Gesamtstrafenausspruch zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LG. ...
B. Die Revision des Angekl. hat hinsichtlich der allein noch angegriffenen Verurteilung wegen Mordes bereits mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Gegenstand der Rüge ist die Beanstandung, die Strafkammer habe zu Unrecht die Erkenntnisse aus dem am 15. 10. 2007 in einem separaten Besuchsraum während der Untersuchungshaft heimlich abgehörten Gespräch zwischen dem Angekl. und seiner Ehefrau zur Überführung des Angekl. herangezogen. Auf die übrigen Verfahrensrügen und die Sachrüge kommt es daher nicht mehr an.
I. Der Verfahrensrüge liegt folgender Geschehensablauf zu Grunde:
Mit Beschluss vom 25. 9. 2007 ordnete der Ermittlungsrichter des AG Kempten auf Antrag der StA an, dass Besuchskontakte zwischen dem Angekl. und seiner Ehefrau in der Untersuchungshaft in einem separaten Raum durchzuführen und die dabei geführten Gespräche mittels Anbringung von Mikrofonen abzuhören und aufzuzeichnen seien. Die Anordnung wurde darauf gestützt, dass nach den bisherigen Ermittlungen davon ausgegangen werden müsse, dass der Angekl. A G getötet habe. Sie sei seit einem Treffen mit dem Angekl. am 17. 9. 2007 spurlos verschwunden. Die Angaben des Angekl., A G sei während des Treffens auf ihrem Mobiltelefon angerufen worden, habe russisch mit dem Anrufer gesprochen und sei im Anschluss an das Treffen mit dem Angekl. zu zwei Russen ins Auto gestiegen, seien auf Grund der eingeholten Telefonverbindungsdaten widerlegt. Es sei deshalb zu erwarten, dass der Angekl. mit seiner Ehefrau Einzelheiten zur Tat besprechen werde. Ohne die Abhörmaßnahme seien die weiteren Ermittlungen aussichtslos oder würden wesentlich erschwert.
In Vollziehung der ermittlungsrichterlichen Anordnung wurden die Gespräche des Angekl. mit seiner Ehefrau bei deren jeweils halbstündigen Besuchen in der Untersuchungshaft von beiden unbemerkt akustisch überwacht. Die Gespräche fanden jeweils in einem separaten Raum der Haftanstalt statt; dabei wurde - entsprechend der richterlichen Anordnung - seitens der Ermittlungsbehörden bewusst auf die sonst übliche Anwesenheit einer Aufsichtsperson verzichtet, so dass dem Angekl., der sich mit seiner Ehefrau in seiner Muttersprache unterhalten konnte, der Eindruck einer unüberwachten Gesprächssituation vermittelt wurde. Um gleichwohl eine Verwertung der Äußerungen des Angekl. gegenüber seiner Ehefrau zu ermöglichen, wurden die Gespräche mittels einer Abhöreinrichtung elektronisch aufgezeichnet und zudem in einen Nebenraum übertragen, wo sie von einer Dolmetscherin mitgehört wurden. Auf der Grundlage der elektronischen Gesprächsaufzeichnung fertigte die Dolmetscherin anschließend noch eine wörtliche Übersetzung in schriftlicher Form. Hierdurch wurde auch dokumentiert, dass der Angekl. bei dem am 15. 10. 2007 aufgezeichneten Gespräch seiner Ehefrau mitgeteilt hatte, dass A G tot sei. In dem aufgezeichneten Gespräch forderte der Angekl. seine Ehefrau mehrfach auf, ihm ein Alibi zu verschaffen. Sie solle eine Videonachricht anfertigen und an die StA und seine Verteidiger schicken. Darin solle sie die Verantwortung für den Tod der A G auf sich nehmen und behaupten, sie habe aus Eifersucht zwei russische Auftragsmörder engagiert, die A G für 30000 Euro getötet hätten. Anschließend solle seine Ehefrau nach Italien fliehen.
Am fünften Hauptverhandlungstag wurde die Niederschrift dieses aus der marokkanischen Sprache übersetzten Gesprächs zwischen dem Angekl. und seiner Ehefrau auf Anordnung des Vorsitzenden verlesen. Den von der Verteidigung gegen die Verwertung des abgehörten Gesprächs erhobenen Widerspruch wies das LG mit der Begründung zurück, dass die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Überwachungsmaßnahme vorgelegen hätten und die dabei gewonnenen Erkenntnisse deshalb verwertbar seien.
II. Die Revision beanstandet, dass die Erkenntnisse aus dem abgehörten Gespräch nicht hätten verwertet werden dürfen. Die gerichtlich angeordnete Abhörmaßnahme sei insbesondere deshalb unstatthaft gewesen, weil Gespräche eines Untersuchungsgefangenen mit Angehörigen im Rahmen eines Besuchs in der Untersuchungshaft nach § 100f StPO nur dann abgehört werden dürften, wenn der Besuch erkennbar von einem Vollzugsbeamten überwacht werde. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Vielmehr habe die zur Überwachung geschaffene Besuchssituation einen ?unmittelbar täuschenden und irreführenden Charakter' gehabt, indem dem Angekl. erlaubt worden sei, seine Ehefrau in einem separaten Raum und ohne die in der Untersuchungshaft übliche (erkennbare) Überwachung durch einen Vollzugsbeamten zu empfangen. Das Vorgehen der Ermittlungsbehörden sei gezielt darauf ausgerichtet gewesen, den Angekl. und seine Ehefrau ?in Sicherheit zu wiegen' und bei ihnen den Eindruck zu erwecken, sie könnten unbelauscht über ?alles' sprechen. Dies führe zur Unzulässigkeit der Abhörmaßnahme und zu einem Verbot der Verwertung der hierbei gewonnenen Erkenntnisse. Auf der unzulässigen Verwertung der Abhörmaßnahme beruhe das Urteil, weil das LG seine Überzeugung von der Täterschaft des Angekl. maßgeblich auf die Erkenntnisse aus der Abhörmaßnahme gestützt habe.
III. Die zulässige Rüge hat Erfolg. Das am 15. 10. 2007 heimlich abgehörte Gespräch zwischen dem Angekl. und seiner Ehefrau bei deren Besuch in der Untersuchungshaft durfte nicht zu Beweiszwecken verwertet werden. Die Gesamtschau der Umstände der akustischen Gesprächsüberwachung belegt eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 20 III GG i.V. mit Art. 2 I GG). Dies ist im vorliegenden Fall durch ein Beweisverwertungsverbot zu kompensieren.
1. Das Beweisverwertungsverbot lässt sich allerdings nicht unmittelbar aus § 100f StPO und auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung der Kernbereichsregelungen in § 100c und § 100a StPO herleiten.
a) Die ermittlungsrichterliche Anordnung der Maßnahme erging auf der Grundlage des hierfür einschlägigen § 100f StPO. Allein daran gemessen, wäre das Vorgehen nicht zu beanstanden.
aa) Denn das nichtöffentlich gesprochene Wort wurde mit technischen Mitteln außerhalb von Wohnungen abgehört und aufgezeichnet. Der Besuchsraum der Haftanstalt ist keine Wohnung i.S. des Art. 13 GG. Bereits Hafträume einer Justizvollzugsanstalt werden vom Schutzbereich des Art. 13 GG nicht umfasst, da das Hausrecht der Anstalt die Befugnis der Vollzugsbediensteten beinhaltet, die Hafträume jederzeit unabhängig vom Einverständnis der dort untergebrachten Gefangenen zu betreten (BVerfG, NJW 1996, 2643 = NStZ 1996, 511). Für Besuchsräume gilt dies wegen der dort bestehenden besonderen Überwachungs- und Eingriffsbefugnisse des Anstaltspersonals (für die Untersuchungshaft gem. § 119 III StPO, Nr. 27 I und III UVollzO; für die Strafhaft gem. § 168 III StVollzG) erst recht (BGHSt 44, 138 [141] = NJW 1998, 3284 = NStZ 1999, 145; vgl. auch Roxin, NStZ 1999, 149 [150f.]); sie schaffen keine räumliche Privatsphäre, wie sie bei einer Wohnung besteht.
bb) Der Ermittlungsrichter hat in seinem Anordnungsbeschluss vom 25. 9. 2007 dargelegt, dass gegen den Angekl. der Verdacht das Mordes - einer Katalogtat nach § 100a S. 1 Nr. 2 StPO a.F. (jetzt: § 100a II Nr. 1 lit. h StPO) - bestand und dass die Erforschung des Sachverhalts ohne die Überwachungsmaßnahme aussichtslos oder erheblich erschwert gewesen wäre (vgl. § 100f I, II und IV i.V. mit § 100d II StPO).
Der Ermittlungsrichter hat den ihm hierbei zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten (vgl. BGHSt 47, 362 = NJW 2003, 368 = NStZ 2003, 215 [216] m.w. Nachw.). Seine Bewertung der Beweislage und des Subsidiaritätsgrundsatzes war mindestens vertretbar. So war namentlich die Leiche des vermissten Tatopfers noch nicht aufgefunden und ausweislich der Telekommunikationsverbindungsdaten hatte der Angekl. kurz vor dem Verschwinden des Opfers mit diesem telefoniert.
cc) Dass der Anordnungsbeschluss keine ausdrückliche Befristung der Maßnahme auf drei Monate enthielt (vgl. § 100f II i.V. mit § 100b II 4a.F. sowie § 100f IV i.V. mit § 100b I 4 StPO n.F.), ist hier unschädlich. Die Überwachung wurde innerhalb von drei Monaten durchgeführt und damit noch vor Überschreiten der vom Gesetzgeber für derartige Maßnahmen normierten zeitlichen Obergrenze.
dd) Die Maßnahme war auch nicht allein schon deshalb unzulässig, weil, wie die Revision meint, jedes Gespräch des Untersuchungsgefangenen mit einem Besucher ?erkennbar von einem Beamten überwacht' werden müsse. Die akustische Gesprächsüberwachung darf nach § 100f I StPO ?auch ohne Wissen der Betroffenen' angeordnet werden. Insofern wäre - gemessen an § 100f StPO - die Entscheidung des 3. Strafsenats des BGH vom 24. 7. 1998 (BGHSt 44, 138 = NJW 1998, 3284 = NStZ 1999, 145), falls sie so zu verstehen wäre, schon durch die später erfolgte Gesetzgebung überholt. Zudem war das Kriterium ?Erkennbarkeit der Besuchsüberwachung' so nicht zu verstehen; denn für den 3. Strafsenat war es lediglich eines von mehreren Kriterien, das im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall für die Zulässigkeit auch heimlicher Überwachungsmaßnahmen streiten konnte. Eine zusätzliche Eingriffsvoraussetzung für derartige Gesprächsüberwachungen sollte damit nicht statuiert werden (vgl. auch Schneider, NStZ 2001, 8 [14]).
b) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Kernbereichsregelungen des § 100c oder des § 100a StPO entsprechend anzuwenden sind. Denn selbst nach den diesen Vorschriften zu Grunde liegenden gesetzgeberischen Wertungen läge hier kein Beweiserhebungs- oder -verwertungsverbot vor.
aa) Die in §§ 100c, 100a StPO zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung normierten Beweiserhebungs- und -verwertungsverbote beruhen auf den Vorgaben des BVerfG in BVerfGE 109, 279 (= NJW 2004, 999 = NStZ 2004, 270) zu den sich aus Art. 1 und Art. 13 GG ergebenden Grenzen einer akustischen Wohnraumüberwachung. Die Regelungen entsprechen diesen Vorgaben (vgl. BVerfG [3. Kammer des Zweiten Senats], NJW 2007, 2753).
Der Gesetzgeber hatte bei der Neuregelung der §§ 100aff. StPO ein in sich geschlossenes Regelungskonzept vor Augen, dem je nach Eingriffsintensität der Maßnahmen abgestufte Verwertungsverbote zu Grunde liegen. Ersichtlich deshalb hat er für § 100f StPO - anders als bei §§ 100c und 100a StPO - keinen Kernbereichsschutz vorgesehen. Von daher könnte sich bereits die Frage stellen, ob Gerichte überhaupt noch befugt sind, diese gesetzgeberische Konzeption durch eine Ausweitung der Kernbereichsregelungen der §§ 100a und 100c StPO auf § 100f StPO zu durchbrechen. Für eine entsprechende Anwendung - freilich nur im Einzelfall - könnte aber immerhin sprechen, dass auch bei einer akustischen Gesprächsüberwachung außerhalb von Wohnungen der Kernbereich tangiert sein kann und dass der Gesetzgeber den - eher ungewöhnlichen - Fall der heimlichen Gesprächsüberwachung von Untersuchungsgefangenen mit nahen Angehörigen nicht im Blick hatte.
bb) Eine entsprechende Anwendung des Beweiserhebungsverbots des § 100c IV 1 StPO oder des § 100a IV 1 StPO kommt aber schon deshalb nicht in Betracht, weil die ex ante zu treffende Kernbereichsprognose des Ermittlungsrichters bei der hier gegebenen Fallgestaltung negativ ausgefallen ist und auch so ausfallen musste. Wegen des Gesprächsinhalts käme auch ein Verwertungsverbot auf Grund der Ausnahmeregelung des § 100c V 3 StPO nicht in Betracht.
(1) Schon die ?Art der zu überwachenden Räumlichkeiten' - hier der Besuchsraum der Untersuchungshaftanstalt - drängt zu einer negativen Kernbereichsprognose. Dass sich Untersuchungsgefangene auf Grund gerichtlicher Entscheidungen und damit staatlichen Zwangs in der Untersuchungshaft befinden, führt nicht dazu, dass der Besuchsraum der Haftanstalt als unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung des Untersuchungsgefangenen einzustufen wäre. Ein Einzelbesuchsraum in der Haftanstalt wird auch nicht dadurch zum geschützten Privatraum, dass bei Besuchen von der gem. § 119 III StPO, Nr. 27 I und III UVollzO gebotenen offenen Besuchsüberwachung durch einen Vollzugsbeamten abgesehen wird. Der Untersuchungsgefangene muss auf Grund der Beschränkungen und des Zwecks der Untersuchungshaft jederzeit damit rechnen, dass Vollzugsbedienstete den Besuchsraum ohne Vorankündigung betreten und von ihren Überwachungs- und Eingriffsbefugnissen Gebrauch machen (vgl. BGHSt 44, 138 [141] = NJW 1998, 3284 = NStZ 1999, 145).
(2) Das gilt auch für Gespräche mit nahen Angehörigen, denn das ?Verhältnis der zu überwachenden Personen zueinander' lässt - jedenfalls bei einer Fallgestaltung wie hier - die Prognose begründet erscheinen, dass solche Gespräche nicht ausschließlich privaten Charakter, sondern auch ?Verdunkelungshandlungen' zum Gegenstand haben. Deshalb wird die Kernbereichsprognose noch eher negativ ausfallen müssen, als bei Gesprächen in Betriebs- oder Geschäftsräumen (§ 100c IV 2 StPO).
Der Überwachungsanordnung des Ermittlungsrichters lag die Prognose zu Grunde, der Beschuldigte werde mit seiner Ehefrau über die Tat sprechen. Diese Prognose ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden; denn sie stützte sich auf eine ausreichende Tatsachengrundlage. Es bestanden gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Angekl. mit A G seit längerer Zeit ein intimes Verhältnis gehabt hatte. Er hatte selbst eingeräumt, sich mit ihr noch am Tag ihres Verschwindens getroffen zu haben. Außerdem hatte er in Bezug auf einen angeblichen Telefonanruf, den A G während des Treffens von einem russisch sprechenden Anrufer erhalten habe, nachweislich die Unwahrheit gesagt, was letztlich auch zu seiner Verhaftung geführt hatte. Angesichts dieser Umstände war zu erwarten, dass die Ereignisse im Zusammenhang mit diesem Treffen und der Verhaftung des Angekl. Gegenstand des Gesprächs mit der Ehefrau sein würden.
cc) Tatsächlich hat sich die Prognose des Ermittlungsrichters auch bestätigt, weil der Angekl. mit seiner Ehefrau ?Gespräche über begangene Straftaten' führte; solche Gespräche sind nicht dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen (§ 100c IV 3 StPO).
Der Angekl. gab im Verlauf des überwachten Gesprächs nicht nur an, dass die zu diesem Zeitpunkt lediglich vermisste A G tot sei. Er forderte seine Ehefrau zudem mehrfach auf, eine Videoaufzeichnung anzufertigen und diese an die StA und seine Verteidiger zu schicken. In diesem Video sollte sie gestehen, aus Eifersucht zwei russische Auftragsmörder mit der Tötung A G's beauftragt zu haben, die von diesen dann gefesselt und verletzt worden sei. Weiterhin sollte sie angeben, Blut und Sperma des Angekl. am Mund bzw. an der Scheide des Opfers hinterlassen zu haben. Die Äußerungen des Angekl. im abgehörten Gespräch mit seiner Ehefrau enthielten somit Angaben, die sich auf die ihm vorgeworfene Straftat - nämlich die Ermordung A G's - bezogen.
Der Senat braucht deshalb auch nicht zu entscheiden, ob die Erhebungs- und Verwertungsverbote des § 100c IV und V StPO für den Fall der Wohnraumüberwachung, die in § 100f StPO keine Entsprechung haben, auf Grund eines Erst-recht-Schlusses für den Bereich der akustischen Überwachung außerhalb von Wohnungen überhaupt zur Anwendung kommen können.
2. Auch wenn danach ein Erhebungs- und Verwertungsverbot aus § 100f StPO - selbst bei unterstellter entsprechender Anwendung der Kernbereichsregelungen der §§ 100c, 100a StPO - nicht hergeleitet werden kann, liegt bei der hier gegebenen Fallgestaltung ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 20 III GG i.V. mit Art. 2 I GG) mit der Folge eines Beweisverwertungsverbots vor.
Ein solcher Verstoß folgt aus einer Gesamtschau der Umstände bei der Durchführung der akustischen Gesprächsüberwachung und des Vorgehens der Ermittlungsbehörden vor dem Hintergrund der besonderen Situation des Angekl. in der Untersuchungshaft. Der Verstoß führt zu einem Beweisverwertungsverbot, weil das Beweismittel auf eine unzulässige, gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstoßende Weise erlangt wurde.
a) Das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren wurzelt im Rechtsstaatsprinzip i.V. mit den Freiheitsrechten des Grundgesetzes (Art. 20 III GG i.V. mit Art. 2 I GG). Es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt eines staatlichen Verfahrens herabzuwürdigen, und es verpflichtet den Staat zu korrektem und fairem Verfahren (BVerfG, Beschl. v. 18. 3. 2009 - 2 BvR 2025/07 m.w. Nachw.).
aa) Die Ausgestaltung des Strafverfahrensrechts in einer Weise, dass der Grundsatz des fairen Verfahrens gewahrt wird, ist in erster Linie dem Gesetzgeber und sodann - in den vom Gesetz gezogenen Grenzen - den Gerichten bei der ihnen obliegenden Rechtsanwendung und -auslegung aufgegeben. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst dann vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht - auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Gerichte - ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Forderungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde (BVerfG, Beschl. v. 18. 3. 2009 - 2 BvR 2025/07; vgl. auch BVerfGE 57, 250 [276] = NJW 1981, 1719 = NStZ 1981, 357; BVerfGE 64, 135 [145] = NJW 1983, 2762 = NStZ 1983, 466). Im Rahmen dieser Gesamtschau sind auch die Erfordernisse einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege in den Blick zu nehmen (vgl. BVerfGE 47, 239 [250] = NJW 1978, 1149; BVerfGE 80, 367 [375] = NJW 1990, 563 = NStZ 1990, 89). Das Rechtsstaatsprinzip, das die Idee der Gerechtigkeit als wesentlichen Bestandteil enthält, fordert nicht nur eine faire Ausgestaltung und Anwendung des Strafverfahrensrechts. Es gestattet und verlangt auch die Berücksichtigung der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann (vgl. BVerfGE 33, 367 [383] = NJW 1972, 2214; BVerfGE 46, 214 [222] = NJW 1977, 2355). Der Rechtsstaat kann sich aber nur verwirklichen, wenn ausreichende Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden (st. Rspr., vgl. nur BVerfGE 33, 367 [383] = NJW 1972, 2214; BVerfGE 46, 214 [222] = NJW 1977, 2355; BVerfG, Beschl. v. 18. 3. 2009 - 2 BvR 2025/07).
bb) Das Recht auf ein faires Verfahren umfasst dabei das Recht jedes Angeklagten auf Wahrung seiner Aussage- und Entschließungsfreiheit innerhalb des Strafverfahrens. Es hat in dem verfassungsrechtlich verankerten Gebot der Selbstbelastungsfreiheit (?nemo tenetur se ipsum accusare') und in den Vorschriften der §§ 136a, 163a IV 2 StPO seinen Niederschlag gefunden. Das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung bedeutet, dass im Rahmen des Strafverfahrens niemand gezwungen werden darf, sich durch seine eigene Aussage einer Straftat zu bezichtigen oder zu seiner Überführung aktiv beizutragen (vgl. BVerfGE 109, 279 [324] = NJW 2004, 999 = NStZ 2004, 270; BVerfGE 56, 37 [49] = NJW 1981, 1431). Nach der Rechtsprechung des EGMR ist das Schweigerecht eines Beschuldigten und seine Entscheidungsfreiheit, in einem Strafverfahren auszusagen oder zu schweigen, etwa dann verletzt, wenn die Strafverfolgungsbehörden in einem Fall, in dem sich der Beschuldigte für das Schweigen entschieden hat, eine Täuschung anwenden, um ihm Geständnisse oder andere belastende Angaben zu entlocken, die sie in einer Vernehmung nicht erlangen konnten, und die so erlangten Geständnisse oder selbst belastenden Aussagen in den Prozess als Beweise einführen (EGMR, StV 2003, 257 [259]). Ob das Schweigerecht in einem solchen Maß missachtet wurde, dass eine Verletzung von Art. 6 EMRK gegeben ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (EGMR, StV 2003, 257 [259]).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen stellt sich im vorliegenden Fall die heimliche akustische Überwachung des Ehegattengesprächs im Besucherraum bei einer Gesamtschau aller hierfür bedeutsamen Umstände als eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren dar.
aa) Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die gesetzlichen Regelungen der StPO sich als Konkretisierungen des Rechtsstaatsprinzips in seiner Ausgestaltung als Gebot fairer Verfahrensführung darstellen. Das gilt auch und besonders für die heimliche Gesprächsüberwachung nach den §§ 100a ff. StPO.
Hier liegt aber eine besondere Fallgestaltung vor, die dadurch gekennzeichnet ist, dass gleich mehrere unverzichtbare rechtsstaatliche Grundsätze tangiert wurden, und das nicht nur am Rande. Zwar sind die einzelnen Grundsätze - jeweils für sich isoliert betrachtet - noch nicht in einem Ausmaß verletzt, dass allein schon aus dem jeweils einzelnen Grundsatz ein Verwertungsverbot abzuleiten wäre. Eine derart isolierte Betrachtung würde indessen der hier von den Ermittlungsbehörden praktizierten Vorgehensweise nicht gerecht. Daraus folgt, dass eine der Gesamtsituation angemessene Bewertung nur durch eine Betrachtung des Verfahrens als Ganzes - also bei Berücksichtigung aller Umstände der Gesprächsüberwachung - erfolgen kann.
bb) Der Senat verkennt nicht, dass die Strafverfolgungsbehörden den Angekl. nicht durch gezieltes und beharrliches Einwirken seitens eines nur zu diesem Zweck auf ihn angesetzten Gesprächspartners zu einer selbstbelastenden Aussage veranlasst haben, wie dies etwa bei dem Einsatz eines Verdeckten Ermittlers oder bei dem Tätigwerden eines als Vertrauensperson eingesetzten Mitgefangenen der Fall sein könnte (vgl. dazu BGHSt 34, 362 [363] = NJW 1987, 2525 = NStZ 1989, 33; BGHSt 44, 129 [136] = NJW 1998, 3506 = NStZ 1999, 147; BGHSt 52, 11 = NJW 2007, 3138 [3141] = NStZ 2008, 110). Vielmehr wurde durch die eigentliche Überwachungsmaßnahme lediglich ?abgeschöpft', was der Angekl. aus freien Stücken gegenüber seiner Ehefrau äußerte, weil er sich unbeobachtet fühlte. Für sich genommen begegnet dies keinen rechtlichen Bedenken, zumal die Ermittlungsbehörden auf den Gesprächsinhalt der Eheleute keinerlei Einfluss genommen haben.
cc) In die für die Frage, ob dem Angekl. ein faires Verfahren zuteil wurde, vorzunehmende Gesamtschau sind aber auch die besonderen Verhältnisse des Untersuchungshaftvollzugs und die Ausgestaltung der Ehegatten-Besuchskontakte durch die Ermittlungsbehörden im konkreten Fall einzubeziehen.
(1) Der Vollzug der Untersuchungshaft hat den Zweck, die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und die spätere Strafvollstreckung sicherzustellen. Die Untersuchungshaft darf aber weder dazu missbraucht werden, das Aussageverhalten des Beschuldigten zu beeinflussen (BGHSt 34, 362 [363] = NJW 1987, 2525 = NStZ 1989, 33), noch darf sie auf eine Totalausforschung des Untersuchungsgefangenen hinauslaufen. Deshalb wäre es unzulässig, wenn etwa sämtliche Gespräche eines Untersuchungsgefangenen ohne konkreten Anlass abgehört würden, um überhaupt erst feststellen zu können, ob die Informationserhebung für das Strafverfahren relevante Inhalte betrifft (vgl. BVerfGE 109, 279 [323] = NJW 2004, 999 = NStZ 2004, 270; BGHSt 44, 138 [143] = NJW 1998, 3284 = NStZ 1999, 145; Schneider, NStZ 2001, 8 [14]). Andererseits müssen Besuche in der Untersuchungshaft oft bereits deshalb - offen oder verdeckt - überwacht werden, damit Verdunkelungshandlungen verhindert werden können.
(2) Deswegen war es im vorliegenden Fall, in dem angesichts der Beweissituation Verdunkelungshandlungen nicht fernlagen, für sich allein auch nicht bedenklich, dass die Kontaktmöglichkeiten des Angekl. zu seiner Ehefrau während der Untersuchungshaft zeitlich und örtlich erheblich eingeschränkt wurden. Vor dem Hintergrund des Zwecks der Untersuchungshaft hatte der Angekl. auch keinen Anspruch darauf, mit seiner Ehefrau ungestört und unüberwacht sprechen zu können.
(3) Allerdings ist in die Gesamtbetrachtung auch die durch die Haft bedingte Beschränkung des Angekl. einzubeziehen, die ihm ein Ausweichen auf einen anderen Gesprächsort - etwa eine Wohnung - unmöglich machte. Er war daher darauf angewiesen, auch Persönliches, das keinen Bezug zu der ihm vorgeworfenen Tat hatte, im Rahmen dieser Besuche mit seiner Ehefrau zu besprechen. Auch dieser Umstand macht die Überwachungsmaßnahme für sich allein nicht zu einer unfairen Verfahrensgestaltung; denn die Überwachung wurde angeordnet, weil auf Grund konkreter Anhaltspunkte damit zu rechnen war, dass gerade der Tatvorwurf und nicht nur persönliche Dinge der Ehegatten zur Sprache kommen würden. Es lag auf der Hand, dass der gegen den Angekl. erhobene gravierende Tatvorwurf und die Umstände, die zu seiner Verhaftung geführt haben, zwischen den Eheleuten zur Sprache kommen würden, zumal es lebensfremd gewesen wäre, anzunehmen, die Ehefrau würde die außereheliche Beziehung des Angekl. zu der Person, deren Tötung dem Angekl. zur Last lag, unerörtert lassen. Auch wenn es in einer solchen Situation einem Beschuldigten regelmäßig schwer fallen dürfte, nicht über den Tatvorwurf zu sprechen - insbesondere, um nicht eventuelles Täterwissen zu offenbaren - stellt die akustische Überwachung der Besuchskontakte zum Ehegatten noch keinen Zwang zur Selbstbelastung dar. Der Beschuldigte kann letztlich selbst entscheiden, was er seinem Ehegatten offenbart und was nicht, auch wenn der in Betracht kommende Gesprächsstoff angesichts der Überwachungssituation erheblich eingeschränkt ist.
dd) In der von den Beschränkungen des Untersuchungshaftvollzugs geprägten Gesprächssituation erlangt hier aber das Vorgehen der Ermittlungsbehörden besonderes Gewicht, das die Fehlvorstellung beim Angekl. nicht nur hervorrufen musste, sondern auch sollte, er könne mit seiner Ehefrau unüberwacht sprechen.
Zwar ist die Anwendung einer kriminalistischen List auch bei Ermittlungsmaßnahmen in der Haftanstalt nicht unzulässig; auch ist es gerade das Charakteristikum von heimlichen Überwachungsmaßnahmen, dass der Überwachte sich unbeobachtet fühlt.
Die Ermittlungsbehörden haben sich aber in einer Situation, in der dem Angekl. ein Ausweichen auf ein von ihm selbst gewählten Gesprächsort nicht möglich war, nicht darauf beschränkt, die Gespräche des Angekl. zu seiner Ehefrau akustisch zu überwachen. Sie haben vielmehr bewusst eine von den üblichen Abläufen in der Untersuchungshaft derart abweichende Besuchssituation geschaffen, dass nicht lediglich ein Irrtum des Angekl. ausgenutzt wurde. Vielmehr wurde, anders kann man das Vorgehen nicht verstehen, die Situation - gezielt - zur Erlangung einer gerichtsverwertbaren Selbstbelastung des Angekl. herbeigeführt. Im Rahmen ihres Vorgehens haben die Ermittlungsbehörden mit mehreren aufeinander abgestimmten Maßnahmen dem Angekl. den Eindruck vermittelt, er erhalte nun eine Sonderbehandlung und dürfe sich völlig ungestört und ohne jegliche Überwachung mit seiner Ehefrau - noch dazu in marokkanischer Sprache - unterhalten.
Zum einen wurde für die Besuche der Ehefrau des Angekl. nicht der gewöhnlich verwendete Besuchsraum genutzt; vielmehr wurde dem Angekl. für den Besuchskontakt mit seiner Ehefrau ein ?separater Raum' zugewiesen. Zum anderen fanden diese Besuche - abweichend von den üblichen Abläufen in der Haftanstalt - stets ohne offene Überwachung durch einen Vollzugsbeamten statt. Besuche in der Untersuchungshaft werden aber nach § 119 III StPO entsprechend Nr. 27 UVollzO in der Regel erkennbar überwacht, gerade weil bei diesen auch die Gefahr von Verdunkelungshandlungen besteht und deshalb ein unmittelbares Eingreifen durch den überwachenden Beamten erforderlich werden kann (vgl. Nr. 27 III UVollzO).
Angesichts dieser Einwirkung auf das Vorstellungsbild des Angekl., die ihn zu der Fehlvorstellung gelangen ließ, die Besuche würden nicht überwacht, ist das Vorgehen der Ermittlungsbehörden unter gezielter Ausnutzung der besonderen Situation des Untersuchungshaftvollzugs zur Erlangung einer prozessverwertbaren Selbstbelastung des Angekl. schon vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich verankerten Verbots eines Zwangs zur Selbstbelastung (?nemo tenetur se ipsum accusare') bedenklich.
Dieser Bewertung steht hier nicht entgegen, dass - isoliert betrachtet - der Abwesenheit eines Vollzugsbediensteten zur Besuchsüberwachung nach außen regelmäßig allenfalls der Erklärungsinhalt zukommt, dass Beeinträchtigungen der Haftzwecke während des Besuchs von Seiten der Strafverfolgungsbehörden nicht besorgt werden (vgl. Schneider, NStZ 2001, 8 [14]). Jedenfalls dann, wenn einem Untersuchungsgefangenen für die Kontakte mit der Ehefrau abweichend von der allgemeinen Praxis stets ein gesonderter Raum zur Verfügung gestellt wird, in dem zu keinem Zeitpunkt ein Vollzugsbediensteter zur Gesprächsüberwachung anwesend ist, verliert die Überwachungsmaßnahme den Charakter einer bloßen ?Abschöpfung' freiwilliger Äußerungen und wird zur bewussten Irreführung (zum Ausnutzen eines bestehenden Irrtums durch die Strafverfolgungsbehörden vgl. BGHSt 39, 335 [348] = NJW 1994, 596 = NStZ 1994, 292).
Zwar hat diese - wie auch die Verteidigung zu Recht in der Hauptverhandlung hervorgehoben hat - noch nicht die Qualität einer Täuschung oder eines unzulässigen Zwangs i.S. von § 136a StPO. Jedenfalls in der Gesamtschau stellt sich hier aber das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden mit Blick auf die besondere Situation des Untersuchungshaftvollzuges als Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren dar. Die Beweisgewinnung greift danach in erheblicher Weise in die Verfahrensrechte des Angekl. ein und war somit unzulässig. Sie hat ein Beweisverwertungsverbot zur Folge.
c) Eine andere Wertung ergibt sich hier auch nicht mit Blick auf die bei der Gesamtschau der maßgeblichen Umstände zu beachtenden Erfordernisse einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege.
Dieser kommt freilich bei schwerwiegenden Delikten - wie hier beim Tatvorwurf des Mordes - erhebliche Bedeutung zu. Der Grundsatz des fairen Verfahrens verlangt nicht, allein im Hinblick auf die besonderen Umstände des Untersuchungshaftvollzugs von heimlichen Ermittlungsmaßnahmen in der Haftanstalt - generell - Abstand zu nehmen. Im Gegenteil gebietet es gerade der Rechtsstaat, dass auch in Justizvollzugsanstalten effektive Ermittlungen durchgeführt werden, um zu gewährleisten, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden können.
Dies bedeutet, dass auch in der Untersuchungshaft akustische Überwachungsmaßnahmen gem. § 100f StPO grundsätzlich zulässig und - wenn andere erfolgversprechende Maßnahmen nicht in Betracht kommen - sogar geboten sein können. Allerdings ist bei der Anordnung und Durchführung von Maßnahmen, die letztlich darauf gerichtet sind, den Beschuldigten ?als Beweismittel gegen sich selbst' zu verwenden, auf die besonderen Umstände der Haft Bedacht zu nehmen. Daran fehlte es hier.
Gegen die Zulässigkeit einer solchen Maßnahme bestehen dagegen keine Bedenken, wenn der Untersuchungsgefangene weiß oder jedenfalls - etwa durch entsprechende Hinweise - wissen kann, dass Besuchskontakte generell oder im konkreten Fall - auch akustisch - überwacht und aufgezeichnet werden. So gewonnene Erkenntnisse wären nach den dargelegten Maßstäben verwertbar.
3. Die Verurteilung des Angekl. wegen Mordes beruht auf dem Verfahrensfehler. Zwar liegt es angesichts der Fülle und des Gewichts der übrigen Beweisanzeichen nicht fern, dass das LG auch dann zu einer Verurteilung des Angekl. wegen Mordes gelangt wäre, wenn es die Erkenntnisse aus der akustischen Gesprächsüberwachung in der Untersuchungshaft nicht verwertet hätte. Da die Strafkammer aber die heimlich aufgezeichneten Äußerungen des Angekl. während des Besuchskontakts mit seiner Ehefrau ausdrücklich zu seiner Überführung herangezogen und als ?deutliches Indiz' für seine Täterschaft gewertet hat, kann der Senat nicht ausschließen, dass sie diesen Erkenntnissen letztlich ausschlaggebende und damit fallentscheidende Bedeutung beigemessen hat. ..."
*** (OLG)
Zulässigkeitsvoraussetzung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft ist, dass nach deren Auffassung die angefochtene gerichtliche Entscheidung sachlich oder rechtlich unrichtig ist. Maßgeblich hierfür ist grundsätzlich die Entscheidungsformel; aufgrund besonderer Rechtsvorschriften oder -sätze können die Entscheidungsgründe bestimmend sein. Zur daraus folgenden Unzulässigkeit einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen einen ihren Antrag auf akustische Wohnraumüberwachung (§ 100c StPO) ablehnenden Beschluß des Landgerichts, wenn die Staatsanwaltschaft als alleinige Eingriffsgrundlage § 100a StPO erachtet, aber zuvor ihr Antrag auf Telekommunikationsüberwachung (hier: Installation einer Entschlüsselungs-Software zur Überwachung des über Internet geführten Telekommunikationsverkehrs) nach Ausschöpfung des Beschwerderechtsweges erfolglos geblieben ist (OLG Hamburg, Beschluss vom 12.11.2007 - 6 Ws 1/07 zu StPO §§ 100a, 100c, 100d, 100f, 160 Abs. 2, 304 Abs. 1; GVG §§ 74a Abs. 4, 120 Abs. 4 S. 2).
***
Ablehnung des Richters
Siehe unter ?Gründe für die Ablehnung eines Richters".
Ablehnung eines Dolmetschers
Auf den Dolmetscher sind die Vorschriften über Ausschließung und Ablehnung der Sachverständigen entsprechend anzuwenden. Es entscheidet das Gericht oder der Richter, von dem der Dolmetscher zugezogen ist (§ 191 GVG). Die Ablehnung eines Dolmetschers wegen Besorgnis der Befangenheit folgt daher den Regeln des § 74 StPO.
Zusatzbemerkungen hinter einer Übersetzung eines Dolmetschers von Gesprächen aus einer Telefonüberwachung begründen die Besorgnis der Befangenheit, wenn sie Schlußfolgerungen aus vorangegangenen Gesprächen darstellen, da der Dolmetscher sich auf die genaue Übertragung des Gesprochenen zu beschränken hat, aber keine Schlüsse daraus ziehen darf (LG Darmstad StV 1995, 239).
Ist ein Dolmetscher, der in der Hauptverhandlung die Einlassung des Angeklagten übersetzt hat, mit Erfolg wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden, kommt eine Vernehmung des Dolmetschers als Zeuge über die von ihm übersetzte Einlassung des Angeklagten nicht in Betracht (LG Köln StV 1994, 460).
Die Falschübersetzung durch einen Dolmetscher, durch die der Beweiswert einer Zeugenaussage im Gegensatz zu der tatsächlich gemachten Äußerung in belastender Richtung ?aufgebessert' wird, begründet aus der Sicht des Angeklagten die Besorgnis der Befangenheit. Die erfolgreiche Ablehnung eines Dolmetschers wegen Besorgnis der Befangenheit hat zur Folge, dass die unter seiner Mitwirkung vorgenommenen Beweiserhebungen nicht verwertet werden können, wenn nicht auszuschließen ist, dass die bisherige Übersetzungstätigkeit ebenfalls mit Mängeln behaftet war (LG Berlin StV 1994, 180).
Vom Dolmetscher bei einer Übersetzung angebrachte Zusätze, die Wertungen darstellen, die zu treffen erst Sache der tätigwerdenden Strafverfolgungsorgane sind, können die Besorgnis der Befangenheit des Dolmetschers rechtfertigen (LG Darmstad StV 1990, 258).
Ablehnung eines Sachverständigen § 74 StPO
(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, daß der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.
(2) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. Die ernannten Sachverständigen sind den zur Ablehnung Berechtigten namhaft zu machen, wenn nicht besondere Umstände entgegenstehen.
(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; der Eid ist als Mittel der Glaubhaftmachung ausgeschlossen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Zur Befangenheit eines Sachverständigen bei Äußerungen, die nicht im Zusammenhang mit dem Gutachterauftrag stehen (BGH, Beschluss vom 14.04.2011 - 1 StR 458/10).
***
Bewusst falsche Angaben eines Sachverständigen über Ermittlungen vor oder bei Erstellung des Gutachtens können zwar grundsätzlich die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. Die bloße Nichtoffenlegung einer Erkenntnisquelle reicht hierfür aber nicht aus, da es dem Sachverständigen nicht verwehrt ist, mithilfe der ihm nach § 80 StPO übertragenen Befugnisse den Sachverhalt im Rahmen des zur Gutachtenerstattung Erforderlichen (weiter) aufzuklären (BGH, Beschluss vom 06.04.2011 - 2 StR 73/11 zu StPO §§ 74, 80).
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?... 2. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, ein Antrag auf Ablehnung des psychiatrischen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 74 StPO) sei zu Unrecht zurückgewiesen worden.
a) Zur Begründung des Ablehnungsantrags war vorgetragen worden:
(1) Bei einer Exploration, bei der auch der Verteidiger anwesend war, habe der Sachverständige der Angeklagten folgendes auseinandergesetzt: Der Bundesgerichtshof habe schon einmal eine Entscheidung der - erkennenden - Strafkammer aufgehoben, der ein Sachverhalt zu Grunde gelegen habe, der dem ähnlich sei, wie er von der Angeklagten behauptet werde. In einem weiteren ebenfalls vergleichbaren Fall sei deshalb die Strafe nach Auffassung des Vorsitzenden der Strafkammer zu milde ausgefallen. Deshalb werde der Vorsitzende bei der geringsten Unstimmigkeit Einlassungen wie die der Angeklagten gar nicht erst glauben. Die Angeklagte solle sich daher ihre Einlassung nochmals durch den Kopf gehen lassen.
(2) Im Übrigen sei dem Sachverständigen im Rahmen dieser Expoloration erklärt worden, dass die Angeklagte erst in der Hauptverhandlung weitere Angaben zum Tatgeschehen machen werde. Nachdem der Verteidiger die Vollzugsanstalt wieder verlassen gehabt habe, habe der Sachverständige sich dann aber doch die Angeklagte nochmals vorführen lassen und versucht, sie zum Tatgeschehen zu befragen.
(3) Außerdem sei sein - vorläufiges - Gutachten unvollständig.
b) Die Strafkammer hat zu diesem Vorbringen den Sachverständigen angehört und weitere Ermittlungen angestellt. Sodann hat sie den Antrag zurückgewiesen.
(1) Die in Anwesenheit des Verteidigers abgegebene Empfehlung des Sachverständigen zu einer Überprüfung der Einlassung - die, so der Sachverständige, mit dem Akteninhalt nicht übereingestimmt habe - hat sie als ?übertriebene Fürsorge' des Sachverständigen bewertet. Auf die in dem Ablehnungsantrag näher ausgeführten Darlegungen des Sachverständigen zu den Gründen für seine Prognose - die dieser in seiner Stellungnahme weder bestätigt noch bestritten hatte - ist sie dabei nicht eingegangen.
(2) Soweit der Antrag auf Vorbringen zum Geschehen gestützt war, das sich abgespielt haben soll, nachdem der Verteidiger die Vollzugsanstalt verlassen hatte, wurde der Antrag abgelehnt, weil die ihm zu Grunde liegenden Behauptungen nicht erwiesen seien. Nach den Angaben des Sachverständigen stelle es sich vielmehr so dar, dass er, nachdem er zuvor in ihre Krankenakte im Revier Einblick genommen gehabt habe, die Angeklagte in Abwesenheit des Verteidigers nur zu ihrer depressiven Verstimmung am Tattag befragt habe, wie dies auch mit dem Verteidiger vereinbart gewesen sei; zum Tatgeschehen habe er sie nicht befragt.
(3) Die (behauptete) Unvollständigkeit des vorläufigen Gutachtens sei bedeutungslos. Entscheidend sei das endgültige Gutachten.
c) Die Revision hält diesen Beschluss für fehlerhaft. Zur Begründung führt sie näher aus, dass und warum die Strafkammer den in dem Ablehnungsantrag geschilderten Geschehensablauf hinsichtlich des Befragungsversuchs in Abwesenheit des Verteidigers hätte als bewiesen ansehen müssen. Demgegenüber befasst sich das Revisionsvorbringen nicht mit den Teilen des Beschlusses, die den Ablehnungsantrag zurückweisen, soweit dieser auf die Empfehlung des Sachverständigen, das Verteidigungsvorbringen zu überdenken, und die Unvollständigkeit des vorläufigen Gutachtens gestützt war.
d) Der Senat neigt nicht zu der Auffassung, dass ein Sachverständiger verständigerweise das Misstrauen hervorruft, er selbst sei zum Nachteil einer Angeklagten voreingenommen, wenn er ihr und ihrem Verteidiger eingehend erläutert, dass und warum aus seiner Sicht ein bestimmtes Verteidigungsvorbringen bei Gericht keinen Erfolg haben wird und deshalb dessen Abänderung empfiehlt. Einer Entscheidung hierüber bedarf es aber nicht. Der Ablehnungsantrag ist nämlich mit mehreren, voneinander unabhängigen Vorwürfen begründet, die Entscheidung hierüber dementsprechend auf mehrere, ebenso voneinander unabhängige Gründe gestützt. Eine solche Entscheidung hat das Revisionsgericht nur in dem Umfang zu überprüfen, in dem sie von der Revision ausweislich ihrer Begründung als rechtsfehlerhaft gerügt ist (zur Maßgeblichkeit der ?Angriffsrichtung' einer Rüge vgl. auch BGH NStZ 2007, 161, 162; Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 34; Cirener/Sander JR 2006, 300 jew. m. w. N.). Dies ist hinsichtlich des Teils des Beschlusses nicht der Fall, der sich mit der angesonnenen Änderung des Verteidigungsvorbringens befasst.
Unabhängig von alledem bemerkt der Senat, dass ein Sachverständiger keine Fürsorgepflicht für den Erfolg (der Anklage oder) der Verteidigung hat. Vielmehr hat er sich darauf zu beschränken, den ihm von seinem Auftraggeber (Staatsanwaltschaft oder Gericht) vorgegebenen Sachverhalt (vgl. § 78 StPO) aus seiner fachlichen Sicht zu bewerten. Findet er im Rahmen seiner Tätigkeit Anhaltspunkte für einen abweichenden Sachverhalt - diese können sich auch aus (neuen) Angaben des Beschuldigten (Angeklagten) ergeben - hat er seinen Auftraggeber hierauf hinzuweisen; gegebenenfalls kann er dann als (sachverständiger) Zeuge in Betracht kommen (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 264, 265 m. w. N.). Die Bewertung derartiger Anhaltspunkte ist allein Sache des Gerichts, das dem Sachverständigen gegebenenfalls zu verdeutlichen hat, von welchem Sachverhalt - erforderlichenfalls welchen alternativen Sachverhalten - er bei seinem Gutachten auszugehen hat. Zu (hier jedenfalls unbestritten behaupteten) Voraussagen, wie und warum das Gericht Beweiswürdigung und Strafzumessung vermengen werde, und einer Beratung von Verfahrensbeteiligten über ihr Prozessverhalten ist ein Sachverständiger keinesfalls berufen (zur Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche vgl. auch Nedopil NStZ 1999, 433, 437 f.). Wie hier deutlich wird, kann derartiges Verhalten zu Missdeutungen Anlass geben und so das Verfahren belasten.
e) Hinsichtlich der gerügten Bewertung der geltend gemachten Befragung in Abwesenheit des Verteidigers bleibt die Revision ebenfalls erfolglos:
Das Recht des Beschuldigten (Angeklagten), sich in jeder Lage des Verfahrens anwaltlicher Hilfe zu bedienen, führt nicht zu einem Anwesenheitsrecht des Verteidigers bei der Exploration durch einen Sachverständigen, der mit der Erstellung eines Gutachtens (hier: zur Frage der Schuldfähigkeit der Angeklagten) beauftragt ist (BGH NStZ 2003, 101). Hier ist nun allerdings geltend gemacht, der Sachverständige habe - gleichwohl - zunächst zugesagt, (weitere) Explorationen nur in Anwesenheit des Verteidigers vorzunehmen, sich dann aber nicht an diese Zusage gehalten. Es verstünde sich auch bei einem solchen - freilich inkonsequenten - Verhalten des Sachverständigen nicht von selbst, dass allein die Stellung sachgerechter Fragen - anderes ist weder konkret behauptet noch sonst ersichtlich - verständigerweise die Besorgnis begründete, der Sachverständige sei zum Nachteil der Angeklagten befangen.
Einer abschließenden Entscheidung hierüber bedarf es aber nicht, da die Strafkammer die in dem Ablehnungsantrag aufgestellten tatsächlichen Behauptungen als widerlegt ansieht. Mit dem Vorbringen, in Wahrheit sei es doch so gewesen, wie in dem Antrag behauptet, kann die Revision nicht gehört werden. Bei der Beurteilung der Ablehnung von Sachverständigen ist das Revisionsgericht an die Tatsachen gebunden, die der Tatrichter seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat. Eigene Ermittlungen des Revisionsgerichts kommen - anders als bei der Richterablehnung - nicht in Betracht. Es entscheidet als Rechtsfrage, ob die Strafkammer über das Ablehnungsgesuch ohne Verfahrensfehler und mit ausreichender Begründung befunden hat (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 1994, 388; BGH bei Becker NStZ-RR 2002, 66 m. w. N.). Die Strafkammer ist in ihrem Beschluss aber rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, die Äußerung des Sachverständigen zu dem Ablehnungsantrag ergebe, dass er seine Absprache mit dem Verteidiger eingehalten habe. Unabhängig davon belegen die Ausführungen des Sachverständigen jedenfalls, dass er nicht davon ausgegangen ist, eine mit dem Verteidiger getroffene Vereinbarung zu verletzen. Selbst wenn das Verhalten des Sachverständigen zunächst die Besorgnis der Befangenheit begründet hätte, hätte die Erläuterung des Sachverständigen diese Besorgnis ausgeräumt. Es gilt insoweit nichts anderes als hinsichtlich der dienstlichen Erklärung eines wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Richters. Diese kann ebenfalls ein ursprünglich berechtigt erscheinendes Misstrauen ausräumen (vgl. BGH wistra 2002, 267; StV 2004, 356, 357 jew. m. w. N.).
f) Soweit die Ablehnung mit der Unvollständigkeit des vorläufigen Gutachtens begründet ist, sind die Ausführungen der Strafkammer, mit denen dieser Teil des Ablehnungsantrags zurückgewiesen wurde, von der Revision nicht erkennbar angegriffen. Es gilt insoweit nichts anderes als hinsichtlich der geltend gemachten Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen wegen seiner Empfehlungen zum Verteidigungsverhalten. Darauf, dass allein der (im Übrigen nicht in einer den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise mitgeteilte) Inhalt eines Gutachtens - also die fachliche Qualität des Gutachters - in aller Regel die Besorgnis der Befangenheit ohnehin nicht begründen könnte (vgl. BGHR StPO § 74 Ablehnung 1 m. w. N.), kommt es daher nicht mehr an. ..." (BGH, Beschluss vom 12.09.2007 - 1 StR 407/07)
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Eine Ablehnung ein Sachverständigen nach § 74 I 1 StPO i.V.m. § 22 Nr. 4 StPO ist u. a. möglich, wenn der Sachverständige in der Sache als Beamter der Staatsanwaltschaft oder als Polizeibeamter tätig gewesen ist.
Eine Verfahrensrüge kann nicht darauf gestützt werden, daß ein vor Beginn der Hauptverhandlung gestellter und zurückgewiesener Befangenheitsantrag gegen einen Sachverständigen zu Unrecht abgelehnt worden sei, wenn der Befangenheitsantrag in der Hauptverhandlung nicht wiederholt worden ist. Auf die mangelnde Sachkunde eines Sachverständigen kann ein Befangenheitsantrag gegen diesen nicht gestützt werden (BGH StV 2002, 350).
Ist ein Sachverständiger vor der Hauptverhandlung (auch) für eine Brandversicherung beruflich tätig geworden und bezahlt worden, bei der ein Gebäude gegen Brand versichert war, rechtfertigt dies aus der Sicht eines Angeklagten, dem der Vorwurf der Brandstiftung gemacht wird, die Besorgnis, dass der Sachverständige bei Erstattung seines Gutachtens in dem Strafverfahren gegen ihn nicht unbefangen sein würde (BGH StV 2002, 4 f).
Angaben eines erfolgreich abgelehnten Sachverständigen dürfen der gerichtlichen Beweiswürdigung dann nicht zugrundegelegt werden, wenn dieser nicht als Zeuge oder sachverständiger Zeuge über die Tatsachen vernommen worden ist, die ihm bei Durchführung des erteilten Auftrages bekanntgeworden waren (BGH StV 2002, 8 f).
Der sich aus der Beauftragung einer als Therapeutin des zu begutachtenden Zeugen tätigen Psychologin als Sachverständige zur Frage dessen Glaubwürdigkeit ergebende Rollenkonflikt mag im Einzelfall die Besorgnis der Befangenheit begründen, stellt aber keinen gesetzlichen Ausschließungsgrund dar (BGH StV 1996, 130).
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Erklärt ein Sachverständiger anläßlich eines Falles, in dem die Straftatbestände der §§ 212 oder 226 StGB zu beurteilen sind, auf die Bemerkung eines Dritten, daß die Sache wohl ?auf eine Bewährung herauslaufen' werde, ?er hoffe das nicht', so kann dies von einem Außenstehenden und auch vom Angeklagten dahin aufgefaßt werden, der Sachverständige erwarte und erhoffe eine Strafhöhe, die eine Aussetzung nicht mehr erlaube. Eine Freiheitsstrafe in einer solchen Höhe kommt in aller Regel dann in Betracht, wenn die Fallgestaltung des minder schweren Falles ausscheidet. Dabei ist, wie auch hier, von entscheidender Bedeutung die Frage der (verminderten) Schuldfähigkeit des Angeklagten. Die vor Abschluß der Beweisaufnahme einem Dritten gegenüber abgegebene Äußerung eines psychiatrischen Sachverständigen, er hoffe nicht, daß gegen den Angeklagten eine zur Bewährung aussetzbare Freiheitsstrafe verhängt werde, ist deshalb geeignet, auch bei einem vernünftigen Angeklagten den Eindruck entstehen zu lassen, der Sachverständige sei in seiner die Schuldfähigkeit des Angeklagten betreffenden Auffassung so verfestigt, daß er nicht mehr in der Lage ist, sein Gutachten unparteüsch zu erstatten. Die vom Angeklagten behauptete Äußerung des Sachverständigen Dr. D. gegenüber dem Redakteur R. kann daher geeignet sein, sein ?Mißtrauen in die Unparteilichkeit' des Sachverständigen zu begründen, insbesondere dann, wenn der Sachverständige nach einer solchen Äußerung sein Gutachten durch eine ?überspitzte Wortwahl' gegenüber Fragen der Verteidigung rechtfertigt. ..." (BGH StV 1981, 55 f).
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Ein Polizei-/Zollbeamter, der bei einer Vernehmung gedolmetscht hat und deswegen als Dolmetscher wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden ist, kann zu den von ihm übersetzten Angaben Dritter als (sachverständiger) Zeuge gehört werden (BayObLG StV 2001, 264 f).
Geht ein Sachverständiger über den ihm erteilten Gutachterauftrag in der Weise hinaus, daß er an einen Entlastungszeugen eine Fangfrage richtet und die Antwort des Zeugen damit kommentiert, dieser sei auf seine Frage ?hineingeplumpst', muß dies bei jedem vernünftig urteilenden Angeklagten den Eindruck vermitteln, der Sachverständige trete in der Hauptverhandlung mit einer für ihn negativen Zielrichtung auf (OLG Hamburg StV 1987, 142 f).
Lehnt der Angeklagte den Sachverständigen ab, der ihn auf seine Zurechnungsfähigkeit und auf seine Verhandlungsfähigkeit hin untersuchen soll, und verwirft das erkennende Gericht das Ablehnungsgesuch, so unterliegt diese Entscheidung nicht der Beschwerde (Hanseatisches OLG, Beschluss vom 01.08.1967 - 1 Ws 381/67).
Der Beschluß, mit dem das erkennende Gericht den Antrag des Angeklagten abgelehnt hat, den gemäß § 81 Abs. 1 StPO anzuhörenden Sachverständigen für befangen zu erklären, unterliegt gemäß § 305 StPO nicht der Beschwerde (OLG Celle, Beschluss vom 06.10.1965 - 5 Ws 292/65, NJW 1966, 415).
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Findet die Bewertung des Tatgeschehens durch den Sachverständigen in seiner (vorläufigen) Begutachtung im Ergebnis der Ermittlungen, wie es in den Akten seinen Niederschlag gefunden hat, keine hinreichende Stütze, begründet dies die Besorgnis der Befangenheit (LG Frankfurt StV 1995, 125).
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Läßt sich nicht ausschließen, daß ein einer kriminaltechnischen Untersuchungsstelle angehörender Sachverständiger aufgrund von Dienstanweisungen im Range einer Rechtsverordnung einer möglichen Weisung der Strafverfolgungsbehörde Folge leisten muß, begründet dies die Besorgnis der Befangenheit (AG Bautzen StV 1998, 125).
Ablehnung - nur noch dringende Amtshandlungen des Abgelehnten § 29 StPO
(1) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten.
(2) Wird ein Richter während der Hauptverhandlung abgelehnt und würde die Entscheidung über die Ablehnung (§§ 26 a, 27) eine Unterbrechung der Hauptverhandlung erfordern, so kann diese so lange fortgesetzt werden, bis eine Entscheidung über die Ablehnung ohne Verzögerung der Hauptverhandlung möglich ist; über die Ablehnung ist spätestens bis zum Beginn des übernächsten Verhandlungstages und stets vor Beginn der Schlußvorträge zu entscheiden. Wird die Ablehnung für begründet erklärt und muß die Hauptverhandlung nicht deshalb ausgesetzt werden, so ist ihr nach der Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegender Teil zu wiederholen; dies gilt nicht für solche Handlungen, die keinen Aufschub gestatten. Nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs dürfen Entscheidungen, die auch außerhalb der Hauptverhandlung ergehen können, unter Mitwirkung des Abgelehnten nur getroffen werden, wenn sie keinen Aufschub gestatten.
Leitsätze/Entscheidungen:
Absatz I:
?... a) Fraglich erscheint bereits, ob der abgelehnte Tatrichter der Wartepflicht des § 29 I StPO unterlag.
Geht das Ablehnungsgesuch vor der Hauptverhandlung ein, bestimmt sich die Befugnis des abgelehnten Richters zur Vornahme richterlicher Handlungen grundsätzlich ab diesem Zeitpunkt nach § 29 I StPO (h.M.; vgl. nur Meyer-Goßner 46. Aufl., § 29 Rn 1, 9). Danach hat ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten. Unaufschiebbar im Sinne dieser Vorschrift sind Handlungen, die wegen ihrer Dringlichkeit nicht anstehen können, bis ein Ersatzrichter eintritt (vgl. BGH NStZ 2002, 429, 430; LR-Wendisch 25. Aufl., § 29 Rn 14; KK-Pfeiffer 4. Aufl., § 29 Rn 3; Meyer-Goßner § 29 Rn 4 - jew. mwN). Ob dies auch dann zu gelten hat, wenn das Ablehnungsgesuch - wie hier - unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt wird, oder ob zur Vermeidung rechtsmissbräuchlichen Vorgehens in Fällen dieser Art § 29 II StPO anzuwenden sein wird, braucht der Senat nicht zu entscheiden.
b) Auch unter Zugrundelegung der Maßstäbe des § 29 I StPO verstieß jedenfalls der Beginn der Hauptverhandlung durch Aufruf der Sache und Feststellung der Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten nicht gegen die Wartepflicht. Das Verfahren, das sich ursprünglich gegen 4 Angeklagte richtete, war bereits einmal ausgesetzt worden. Ein weiterer für September 2000 vorgesehener Termin konnte nicht durchgeführt werden. Für die nunmehr terminierten 20 Verhandlungstage waren neben den 8 Verteidigern, ein Sachverständiger, ein Dolmetscher und zahlreiche, insbesondere ausländische Zeugen geladen. Angesichts des Umstands, dass das Ablehnungsgesuch erst in der Nacht vor dem 1. Hauptverhandlungstermin angebracht worden war, stellte der Beginn der Hauptverhandlung bei dieser Sachlage eine dringliche, keinen Aufschub gestattende Handlung i.S. des § 29 I StPO dar (anders OLG Düsseldorf StV 1994, 528, in einem Fall, in welchem das Ablehnungsgesuch allerdings bereits 1 Woche vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt worden war).
c) Die richterlich angeordnete Verlesung der Anklage sowie die Feststellung ihrer Zulassung durch den Eröffnungsbeschluss am 2. Hauptverhandlungstag, waren allerdings unter keinem Gesichtspunkt mehr unaufschiebbar i.S. von § 29 I StPO. Unbeschadet der aus der unterbliebenen Beanstandung der Anordnungen des Vorsitzenden resultierenden Bedenken gegen die Zulässigkeit der erhobenen Rüge (vgl. BGH NStZ 2002, 429, 430) bleibt die Verfahrensbeschwerde jedoch schon deshalb ohne Erfolg, weil das Urteil auf dem allein gerügten formalen Verstoß gegen § 29 I StPO nicht beruht (§ 337 StPO9. ...
bb) Hat ein abgelehnter Richter, dessen Ablehnung später für begründet erklärt oder zu Unrecht zurückgewiesen wird, unter Verstoß gegen § 29 I StPO in dem weiteren Verfahren mitgewirkt, so kann dies der Ablehnende mit dem dafür vorgesehenen absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO geltend machen. Er kann auch in dem Fall, dass ein erkennender Richter nach der Eröffnung des Hauptverfahrens, aber noch vor Beginn der Hauptverhandlung abgelehnt wird, mit der Verfahrensbeschwerde nach § 338 Nr. 3 StPO rügen, dass der abgelehnte Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat (vgl. BGHSt 31, 15 = NJW 1982, 1712). Mit dieser Regelung wäre es jedoch wertungsmäßig nicht in Einklang zu bringen, wenn schon der formale Verstoß gegen die Wartepflicht des § 29 I StPO - unabhängig von der Begründetheit des Ablehnungsgesuchs - für sich gesehen die Revision begründen oder gar zur Unwirksamkeit der betroffenen Prozesshandlungen führen (so OLG Düsseldorf StV 1994, 528) würde. Zu einer dahin gehenden Auslegung des § 29 I StPO besteht nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift kein Anlass. Eine solche ist angesichts des absoluten Revisionsgrundes des § 338 Nr. 3 StPO zur Wahrung der berechtigten Interessen des Ablehnenden nicht geboten.
cc) Da der Bf. mit der Verfahrensbeschwerde ausdrücklich nur den (formalen) Verstoß gegen die Wartepflicht des § 29 I StPO und nicht (auch) die Verletzung des § 338 Nr. 3 StPO gerügt hat und das Befangenheitsgesuch als unbegründet zurückgewiesen worden ist, steht - ohne dass der Senat die Begründetheit des Ablehnungsantrags zu überprüfen hätte - fest, dass der abgelehnte Richter zu keinem Zeitpunkt befangen gewesen ist (vgl. BGHSt 4, 208, 210 = NJW 1953, 1114). Es kann daher ausgeschlossen werden, dass der Verstoß gegen die Wartepflicht des § 29 I StPO sich hier zum Nachteil des Angekl. ausgewirkt hat (BGHSt 4, 208 = NJW 1953, 1114; vgl. auch BGH NStZ 1996, 398 [zur Überschreitung der Höchstfrist des § 29 II 1 StPO]; ebenso wie hier i. Erg. OLGe München NStZ 1993, 354; Hamm NStZ 1999, 530; Düsseldorf JMBlNW 1997, 223; KK-Pfeiffer § 29 Rn 5; a.A. OLG Düsseldorf StV 1994, 528). ..." (BGH, Beschluss vom 03.04.2003 - 4 StR 506/02)
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? ... aa) Ein Verstoß gegen § 29 I StPO liegt nicht vor. Nach dieser Bestimmung hat ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten. Dies ist so zu verstehen, dass er nicht nur das Recht, sondern die Pflicht hat, unaufschiebbare Amtshandlungen vorzunehmen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner 45. Aufl., § 29 Rn 2). Unaufschiebbar sind dabei nach allgemeiner Ansicht Handlungen, die wegen ihrer Dringlichkeit nicht anstehen können, bis ein Ersatzrichter eintritt (vgl. LR-Wendisch 25. Aufl., § 29 Rn 14; KK-Pfeiffer 4. Aufl., § 29 Rn 3; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO, Rn 4). Hierzu können auch Zeugenvernehmungen gehören, wenn andernfalls der Verlust des Beweismittels droht (vgl. LR-Wendisch aaO; KK-Pfeiffer aaO, zum Fall der Vernehmung eines todkranken Zeugen).
Ob eine Amtshandlung unaufschiebbar i.S. des § 29 I StPO ist, unterliegt indes nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung. Dem Richter ist bei der Beurteilung des Begriffs der Unaufschiebbarkeit ein Spielraum einzuräumen; es genügt, dass seine Entscheidung vertretbar und nicht ermessensfehlerhaft ist (vgl. LR-Wendisch aaO, Rn 43; KK-Pfeiffer aaO, Rn 14; KMR-Paulus 8. Aufl., § 29 Rn 4 und 27; HK-StPO-Lemke 3. Aufl., § 29 Rn 18). Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Verfahrensweise des LG aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Den 3 betroffenen Zeugen, darunter 2 Rechtsanwälten, war - nachdem der Vorsitzende die Erteilung entsprechender Visa veranlasst hatte - die Einreise nach Deutschland ohne erkennbare Schwierigkeiten möglich. Die Revision trägt selbst vor, dass sie von vorneherein geplant hatten, noch 2 weitere Tage, d.h. bis zum 8. 11. 2000, in Deutschland zu bleiben, und dass sie ihren Aufenthalt auch noch bis zum 10. 11. 2000 hätten ausdehnen können. Es musste daher aus der Sicht der erkennenden StrK nicht die Besorgnis bestehen, die offensichtlich aussagebereiten Zeugen könnten an dem Erscheinen zu einem späteren Termin gehindert oder aus sonstigen Gründen zu einer Zeugenaussage nicht mehr bereit sein. Allein der Umstand, dass ein Zeuge von weither anreisen muss, vermag noch nicht die Unaufschiebbarkeit seiner Vernehmung i.S. des § 29 I StPO zu begründen (vgl. auch LR-Wendisch aaO, Rn 15). ..." (BGH, Urteil vom 14.02.2002 - 4 StR 272/01)
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Werden die Richter im Zwischenverfahren wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und legt der Angeschuldigte gegen diesen, den Antrag zurückweisenden Beschluß sofortige Beschwerde ein, ist ein von den abgelehnten Richtern während des Beschwerdeverfahrens gefaßter Eröffnungsbeschluß wirkungslos, wenn das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt wird, da im Zeitpunkt des Erlasses des Eröffnungsbeschlusses das Ablehnungsgesuch noch nicht erledigt war und es sich nicht um eine unaufschiebbare Maßnahme handelte (OLG Frankfurt am Main StV 2001, 496 ff).
Ein Verstoß gegen § 29 StPO macht die Entscheidung des abgelehnten Richters nicht unwirksam. Der Verstoß gegen § 29 StPO kann durch die endgültige Zurückweisung des Befangenheitsgesuchs durch das Beschwerdegericht geheilt werden (OLG Hamm, Beschluss vom 20.05.1999 - 2 Ws 158, 161-164/99, NStZ 1999, 530).
Die vorläufige Amtsunfähigkeit eines abgelehnten Richters tritt - jedenfalls außerhalb einer mündlichen Verhandlung - schon mit dem Eingang des Ablehnungsgesuchs bei Gericht ein. Auf die Kenntnis des abgelehnten Richters von diesem Gesuch kommt es nicht an (OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.11.1997 - 3 Ws 921/97, NJW 1998, 1238).
Nimmt der wegen Besorgnis der Befangeheit abgelehnte Richter Handlungen vor, die nicht zu den unaufschiebbaren im Sinne des § 29 Abs. 1 StPO gehören, bevor über das Ablehnungsgesuch entschieden worden ist, so sind diese Handlungen unwirksam unabhängig davon, ob das Gesuch begründet, unbegründet oder unzulässig ist (OLG Düsseldorf StV 1994, 528).
Absatz II:
?... bb) Vergeblich rügt die Revision auch eine Verletzung des § 29 II 1 StPO. Bedenken bestehen bereits gegen die Zulässigkeit dieser Rüge, da es der Angekl. bzw. sein Verteidiger ausweislich der Sitzungsniederschrift unterlassen haben, die Entscheidung des Vorsitzenden, nicht von der Möglichkeit der Fortsetzung der Hauptverhandlung nach § 29 II 1 StPO Gebrauch zu machen, zu beanstanden und einen Gerichtsbeschluss gem. § 238 II StPO herbeizuführen. Es entspricht allgemeiner Rechtsauffassung, dass die Entscheidung, die Hauptverhandlung nach Stellung eines Befangenheitsgesuchs fortzusetzen, eine Maßnahme i.S. des § 238 I StPO darstellt mit der Folge, dass sie mit der Revision in zulässiger Weise nur beanstandet werden kann, wenn hierüber eine Entscheidung des Gerichts herbeigeführt worden ist (vgl. BGH Urt. v. 3. 12. 1982 - 2 StR 210/82; LR-Wendisch Rn 33; KK-Pfeiffer Rn 14; Kleinknecht/Meyer-Goßner Rn 16 - alle aaO). Es liegt daher nahe, dass dies dann auch für die - umgekehrte - Fallkonstellation zu gelten hat, dass die Verhandlung auf Anordnung des Vorsitzenden nicht fortgesetzt, sondern bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch unterbrochen wird.
Diese Frage bedarf hier jedoch keiner abschließenden Entscheidung, da die Rüge jedenfalls sachlich nicht begründet ist. Nach § 29 I StPO gilt der Grundsatz, dass der abgelehnte Richter sich aller Amtshandlungen zu enthalten hat, die nicht unaufschiebbar sind. Zwar kann ausnahmsweise, wenn ein erkennender Richter nach Beginn der Hauptverhandlung abgelehnt wird, diese gem. § 29 II 1 StPO in den dort bezeichneten zeitlichen Grenzen bis zur Entscheidung über die Ablehnung fortgesetzt werden, falls die Entscheidung über die Ablehnung eine Unterbrechung der Hauptverhandlung erforderlich machen würde. Zweck dieser durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 eingefügten Regelung ist es, Verfahrensverzögerungen auf Grund von ersichtlich unbegründeten oder jedenfalls im Ergebnis wenig aussichtsreichen Ablehnungsgesuchen zu begegnen (vgl. die Begr. der BReg. zum Gesetzentwurf, BT-Dr 8/976, S. 22, 23 und 34; Rieß NJW 1978, 2265, 2268; Schroeder NJW 1979, 1527, 1528f.). Die Entscheidung über die Fortsetzung der Hauptverhandlung hat der Vorsitzende im Rahmen der Sachleitung (vgl. BT-Dr 8/976, S. 34) nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Die hier getroffene Entscheidung, die Hauptverhandlung nicht fortzusetzen, sondern - dem Grundsatz des § 29 I StPO folgend - bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zu unterbrechen, lässt danach Rechtsfehler nicht erkennen. Insbesondere kann von einer fehlerhaften Ermessensausübung oder gar willkürlichen Entscheidung keine Rede sein. Der Vorsitzende hat - wie seine Erklärung, ?über die Rechtmäßigkeit der Anwesenheit der beiden Wachtmeister [müsse] ? im Ablehnungsverfahren entschieden werden', zeigt - das gegen ihn gerichtete Ablehnungsgesuch jedenfalls nicht als offensichtlich unbegründet angesehen. Dies sprach gegen eine Fortsetzung der Hauptverhandlung (vgl. auch KMR-Paulus aaO, Rn 9). Hinzu kommt, dass mit dem Befangenheitsantrag seitens des Angekl. gerade gerügt worden war, der Vorsitzende übe durch die Zuziehung von 2 Justizwachtmeistern in unzulässiger Weise Druck auf die vom Angekl. benannten Alibizeugen aus. In Anbetracht dieses Umstandes konnte es auch nicht im wohlverstandenen Interesse des Angekl. liegen, dass nach Stellung der Ablehnungsanträge unter der Verhandlungsleitung gerade des abgelehnten Richters mit der Vernehmung dieser - für den Angekl. wichtigen - Zeugen in der mit dem Ablehnungsgesuch beanstandeten Weise fortgefahren wird. Die Revision trägt auch selbst nicht vor, eine solche Verfahrensweise beantragt oder auch nur angeregt zu haben. ... (BGH, Urteil vom 14.02.2002 - 4 StR 272/01)
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Auf einen Verstoß gegen die Pflicht zu beschleunigter und fristgerechter Entscheidung über ein in der Hauptverhandlung angebrachtes Befangenheitsgesuch kann die Revision nur dann erfolgreich gestützt werden, wenn das Urteil auf diesem Verfahrensfehler beruht (hier verneint bei unzulässiger Anwesenheit des abgelehnten Richters bei der Belehrung eines Zeugen; BGH, Beschluss vom 04.03.1996 - 5 StR 452/95, StV 1997, 113).
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?... Die Revision macht geltend, mit der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch hätte nicht bis zum übernächsten Hauptverhandlungstag gewartet werden dürfen, mindestens begründe aber die Überschreitung der absoluten Höchstfrist des § 29 II 1 Halbs. 2 StPO die Revision.
Der Senat kann offenlassen, ob als Verstoß gegen das Gebot beschleunigter Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch (§ 29 II 1 Halbs. 1 StPO) gerügt werden kann, das Gericht hätte aus tatsächlichen Gründen früher als geschehen entscheiden können.
Selbst wenn hier neben dem Verstoß gegen die Höchstfrist des § 29 II 1 Halbs. 2 StPO auch ein Verstoß gegen das Gebot beschleunigter Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch (§ 29 II 1 Halbs. 1 StPO) vorliegen sollte, ist ausgeschlossen, daß das Urteil auf dem einen oder anderen Verstoß beruhen kann. Darauf kommt es aber an, denn das Gesetz hat Verstöße der vorliegenden Art nicht zu absoluten Revisionsgründen erklärt.
Das Gebot beschleunigter Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch will bewirken, daß ein abgelehnter Richter, dessen Ablehnung möglicherweise für begründet erklärt werden wird, nicht länger als unbedingt nötig auf das Prozeßgeschehen einwirken kann. So gesehen kann schon zweifelhaft sein, ob in Fällen, in denen das Ablehnungsgesuch unbegründet ist, auf einer Verzögerung der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch überhaupt etwas beruhen kann. Im vorliegenden Fall kann ein Beruhen mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Nach der dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden war frühestens am 6. 2. 1995 eine Entscheidung über das Ablehnungsgesuch möglich. Zwischen diesem Zeitpunkt und der Entscheidung über das Gesuch lag lediglich eine 3 Minuten dauernde Belehrung eines Zeugen und die durch das Versäumnis des Gerichts erforderlich gewordene Erörterung der Sach- und Rechtslage zum weiteren Verfahren. Daß die Anwesenheit des abgelehnten Richters bei der Belehrung eines Zeugen auf die spätere Entscheidung des Gerichts von Einfluß gewesen sein könnte, ist ausgeschlossen. Soweit die Revision sich im übrigen auf die Rechtsprechung zu § 229 StPO bezieht, verweist der Senat auf seine Entscheidung BGHR StPO § 229 II 1 Hemmung 2. ..." (BGH, Beschluß vom 04.03.1996 - 5 ARs 452/95, NStZ 1996, 398)
Ablehnungsbeschluss - Beweisantrag
Siehe unter ?Beweisanträge in der Hauptverhandlung"
Ablehnungsgründe - Beweisantrag
Siehe unter ?Beweisanträge in der Hauptverhandlung"
Ablehnungszeitpunkt - äußerster § 25 StPO
(1) Die Ablehnung eines erkennenden Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse, in der Hauptverhandlung über die Berufung oder die Revision bis zum Beginn des Vortrags des Berichterstatters, zulässig. Alle Ablehnungsgründe sind gleichzeitig vorzubringen.
(2) Nach diesem Zeitpunkt darf ein Richter nur abgelehnt werden, wenn
1. die Umstände, auf welche die Ablehnung gestützt wird, erst später eingetreten oder dem zur Ablehnung Berechtigten erst später bekanntgeworden sind und
2. die Ablehnung unverzüglich geltend gemacht wird.
Nach dem letzten Wort des Angeklagten ist die Ablehnung nicht mehr zulässig.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... 1. Das Ablehnungsgesuch des Verurteilten ist verspätet und daher unzulässig. Entscheidet das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung im Beschlusswege (hier gemäß § 349 Abs. 2 StPO), so kann ein Ablehnungsgesuch in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO nur so lange statthaft vorgebracht werden, bis die Entscheidung ergangen ist (BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - 3 StR 425/06, BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 17; BGH, Beschluss vom 7. August 2007 - 4 StR 142/07, NStZ 2008, 55; BGH, Beschluss vom 19. August 2010 - 4 StR 657/09). Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn die Ablehnung mit einem Antrag nach § 356a StPO verbunden wird, der sich, wie auch im vorliegenden Fall (s. unten 2.), deswegen als unbegründet erweist, weil die gerügte Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nicht vorliegt, so dass insoweit nicht mehr in eine erneute Sachprüfung einzutreten ist. Denn § 356a StPO verfolgt allein den Zweck, dem Revisionsgericht, das in der Sache entschieden hat, Gelegenheit zu geben, im Falle des Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör diesem Mangel durch erneute Sachprüfung selbst abzuhelfen, um hierdurch ein Verfassungsbeschwerdeverfahren zu vermeiden. Dieser Rechtsbehelf dient hingegen nicht dazu, einem unzulässigen Ablehnungsgesuch durch die unzutreffende Behauptung einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG doch noch Geltung zu verschaffen (BGH aaO).
Dem Antrag des Verurteilten, ihm die zur Entscheidung über sein Ablehnungsgesuch berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen, war nicht nachzukommen. § 24 Abs. 3 Satz 2 StPO findet keine Anwendung, wenn das Ablehnungsgesuch ohne Ausscheiden der abgelehnten Richter (§ 26a Abs. 2 Satz 1 StPO) als unzulässig zu verwerfen ist (BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - 3 StR 425/06, BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 17; BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2005 - 5 StR 269/05, BGHR StPO § 24 Abs. 3 Satz 2 Besetzungsmitteilung 1). Der beantragten Einholung dienstlicher Äußerungen der abgelehnten Richter bedurfte es daher ebenfalls nicht.
2. Die Anhörungsrüge ist unbegründet. Der Senat hat bei seiner Entscheidung keine Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen der Antragsteller zuvor nicht gehört wurde, kein zu berücksichtigendes Vorbringen übergangen und auch sonst den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Insbesondere hat der Senat auch zu dem im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbK durchgeführten Freibeweisverfahren keinen Verfahrensstoff berücksichtigt, zu dem der Antragsteller nicht hätte Stellung nehmen können.
Mit Antrag vom 20. Oktober 2010 hat der Generalbundesanwalt ?im Hinblick auf die nachträglich erlangten Erkenntnisse zum Aufenthaltsort des Angeklagten" die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbK als gegeben angesehen und deswegen beantragt, die Revision des Angeklagten durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Er hat dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er das in seiner ursprünglichen Antragsschrift hinsichtlich einzelner Taten aufgezeigte ?vorläufige Verfahrenshindernis" nicht mehr für gegeben hält. Auf seinen hierauf gestellten Antrag vom 9. November 2011 wurde dem Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt S. , Akteneinsicht gewährt. Am 27. November 2011 hat Rechtsanwalt S. dann in einem umfangreichen Schriftsatz zum Antrag des Generalbundesanwalts vom 20. Oktober 2011, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO durch Beschluss zu verwerfen, Stellung genommen.
Der Senat hat über die Revision des Angeklagten - unter Berücksichtigung auch der in der Stellungnahme der Verteidigung vom 27. November 2011 neu vorgetragenen Argumente - eingehend beraten und dann dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 StPO entschieden. Der Umstand, dass er der Rechtsauffassung der Revision nicht gefolgt ist, begründet keinen Gehörsverstoß. Art. 103 Abs. 1 GG zwingt die Gerichte nicht dazu, jedes Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2007 - 2 BvR 746/07; BGH, Beschluss vom 7. November 2011 - 1 StR 452/11). ..." (BGH, Beschluss vom 02.05.2012 - 1 StR 152/11)
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Bei der Frage, ob die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit infolge von Umständen, die dem zur Ablehnung Berechtigten erst nach Vernehmung des ersten Angeklagten zur Person bekannt geworden sind, unverzüglich angebracht wurde, ist allein der Zeitpunkt der Kenntnis des ablehnungsberechtigten Angeklagten von den dem Ablehnungsgesuch zugrundeliegenden Tatsachen maßgeblich. Eine etwaige schuldhafte verspätete Kenntnisnahme dieser Tatsachen durch den Verteidiger wird dem Angeklagten nicht zugerechnet (BGH, Beschluss vom 17.12.2009 - 3 StR 367/09).
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?... Soweit der Beschwerdeführer mit seinem Ablehnungsgesuch vom 20. April 2007 die Mitglieder der Strafkammer im Hinblick auf die vorgenommene Verfahrensabtrennung als befangen abgelehnt hat, kann diese Rüge bereits deswegen keinen Erfolg haben, weil das Ablehnungsgesuch gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO wegen Verspätung als unzulässig zu verwerfen war. Das Ablehnungsgesuch war entgegen § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO nicht unverzüglich angebracht worden.
a) An die Auslegung des Begriffs ?unverzüglich" im Sinne des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO ist im Interesse einer zügigen Durchführung des Verfahrens ein strenger Maßstab anzulegen. Die Ablehnung muss zwar nicht ?sofort", aber ?ohne schuldhaftes Verzögern", das heißt ohne unnötige, nicht durch die Sachlage begründete Verzögerung geltend gemacht werden. Durch die Sachlage begründet ist lediglich die Verzögerung, die dadurch entsteht, dass der Antragsteller, nachdem er Kenntnis vom Ablehnungsgrund erlangt hat, eine gewisse Zeit zum Überlegen und Abfassen des Gesuchs benötigt. Welche Zeitspanne dafür einzuräumen ist, ist eine Frage der jeweiligen Umstände des Einzelfalls (st. Rspr.; BGHR StPO § 25 Abs. 2 Unverzüglich 5 m.w.N.). Nach diesen Maßstäben muss der Angeklagte nicht zwingend vor Unterbrechung der Hauptverhandlung nach Kenntnis des Ablehnungsgrundes das Ablehnungsgesuch anbringen. Es ist ihm gegebenenfalls eine gewisse Zeit zur Überlegung und Absprache mit dem Verteidiger einzuräumen. Erforderlichenfalls hat er jedoch das Ablehnungsgesuch außerhalb der Hauptverhandlung anzubringen, insbesondere dann, wenn mehrere Werktage zwischen den Hauptverhandlungsterminen liegen (st. Rspr.; BVerfG NStZ-RR 2006, 379, 380; BGH NStZ 1996, 47, 48; 1993, 141; 1982, 291). So verhält es sich auch hier.
Der Angeklagte hatte bereits vor der Anordnung der Vorsitzenden Richterin vom 16. April 2007, das gegen ihn durch Kammerbeschluss unmittelbar zuvor abgetrennte Verfahren bis zur Fortsetzung am 24. April 2007 zu unterbrechen, Kenntnis von den seiner Ansicht nach die Richterablehnung begründenden Umständen. Ein Ablehnungsgesuch hat der Verteidiger daraufhin gleichwohl nicht angekündigt; vielmehr haben er und der Angeklagte den Sitzungssaal verlassen. Das Ablehnungsgesuch ist erst am Freitag, den 20. April 2007 per Telefax angebracht worden. Dies ist nicht unverzüglich. Angesichts des überschaubaren Sachverhalts (Abtrennung des gegen den Angeklagten geführten Strafverfahrens) wäre es möglich und zumutbar gewesen, spätestens am Vormittag des 17. April 2007 die Mitglieder der Strafkammer wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.
b) Der Umstand, dass das Landgericht die Verwerfung der Ablehnung nicht auf den Verwerfungsgrund der Verspätung gestützt hat, ist unbeachtlich. Denn das Revisionsgericht ist im Rahmen des § 338 Nr. 3 StPO nicht gehindert, auf einen nach dem Revisionsvorbringen ersichtlich vorliegenden anderen Verwerfungsgrund aus § 26a Abs. 1 StPO abzustellen, weil in einem solchen Fall die Anwendung des § 26a Abs. 1 StPO dem Angeklagten den gesetzlichen Richter nicht entziehen kann (BVerfG - Kammer - NStZ-RR 2006, 379, 380; BGHR StPO § 25 Abs. 2 Unverzüglich 5; § 26a Unzulässigkeit 16). ..." (BGH, Beschluss vom 10.06.2008 - 5 StR 24/08)
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Notwendige Wiederholung eines Ablehnungsgesuchs nach ausgesetzter Hauptverhandlung (gegen BGHSt 31, 15; nicht tragend):
?... Es erscheint sachgerecht, aus § 25 Abs. 1 StPO herzuleiten, dass der Angeklagte Ablehnungsgründe, die er bereits in einer ausgesetzten Hauptverhandlung erfolglos zum Gegenstand eines Befangenheitsantrags gemacht hat, zur Erhaltung einer Revisionsrüge nach § 338 Nr. 3 i.V.m. § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO zu Beginn der neuen Hauptverhandlung in der in § 25 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschriebenen konzentrierten Form ausdrücklich nochmals benennen muss. Dies stünde im Einklang mit der Regelung in §§ 222b, 338 Nr. 1 StPO und dem Erfordernis der Erhebung eines Widerspruchs in der Hauptverhandlung als Voraussetzung für bestimmte Verfahrensrügen. Zudem wäre so Klarheit in der Frage gewonnen, ob der Angeklagte überhaupt noch die Besorgnis einer Befangenheit des früher abgelehnten Richters hegt, was - namentlich in Fällen eines längeren Verfahrensfortgangs - durchaus zweifelhaft sein kann. Nach Veröffentlichung dieser Entscheidung sähe sich der Senat künftig - vorbehaltlich eines Verfahrens nach § 132 GVG - nicht gehindert, entsprechende Rügen nach § 338 Nr. 3 StPO als unzulässig anzusehen.
b) In der Sache wären die Rügen indes - ungeachtet mehrerer überflüssiger unsachlicher Negativbewertungen im gesamten Rügevorbringen - jedenfalls nicht offensichtlich unbegründet. Der Vorsitzende hätte den Verteidiger über den kurzfristigen Eingang neuen belastenden Aktenmaterials bereits vor Beginn der Einlassung des Angeklagten zur Sache (§ 243 Abs. 4 StPO) unterrichten müssen (vgl. BVerfGE 63, 45, 62; BGHSt 36, 305, 308 f.; Laufhütte in KK 5. Aufl. § 147 Rdn. 1, 4, 19). Ein solcher Verfahrensverstoß kann für sich die Besorgnis der Befangenheit begründen (vgl. einerseits BGH StV 1995, 396, andererseits BGH, Beschluss vom 17. November 1999 - 1 StR 290/99), zumal wenn der Vorsitzende die Chance, in seiner dienstlichen Erklärung sein zu Recht beanstandetes Vorgehen zu korrigieren, nicht hinreichend nutzt (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 3 Revisibilität 1; BGH NStZ 2006, 49). Hinsichtlich des zweiten gegen den Berichterstatter gerichteten Ablehnungsgesuchs, mit dem Umstände der Zurückweisung des ersten Ablehnungsgesuchs gegen den Vorsitzenden beanstandet wurden, begegnet der Beschluss nach § 27 Abs. 1 StPO wegen der Richterbesetzung Bedenken. Er ist zwar ohne Mitwirkung des abgelehnten beisitzenden Richters, aber wiederum unter dem Vorsitz des zuvor abgelehnten Strafkammervorsitzenden ergangen. Dass auch dieser wegen des engen Zusammenhangs beider Ablehnungsanträge nach zutreffendem Verständnis des § 27 Abs. 1 StPO - ungeachtet der Erfolglosigkeit des ersten Antrags - an der Beschlussfassung über den zweiten Antrag nicht hätte mitwirken dürfen, in deren Mittelpunkt weiterhin die Bewertung seiner beanstandeten Verfahrensführung stand, ist bereits in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorgezeichnet (vgl. BGHSt 44, 26, 28 m.w.N.) und erscheint auch unter Bedacht auf das Gebot zwingend, dass ein ?Entscheiden in eigener Sache" zu vermeiden ist (vgl. BVerfG - Kammer - NJW 2005, 3410; ferner BGH NJW 2005, 3436, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). ..." (BGH, Beschluss vom 26.01.2006 - 5 StR 500/05).
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Vom Erfordernis der Unverzüglichkeit der Stellung eines Befangenheitsantrags ist der Antragsteller auch bei einer Verhandlungsunterbrechung nicht freigestellt. Die ihm zur Verfügung stehende Überlegungsfrist verkürzt sich, wenn seinem Verteidiger die Ablehnungsgründe schon länger bekannt sind (BGH StV 1995, 396).
Ergibt sich während der Dauer einer Zeugenvernehmung ein Umstand, der die Besorgnis der Befangenheit eines Richters begründet, kann die Vernehmung des Zeugen zu dem gerade behandelten Einzelthema zu Ende geführt werden, ohne daß die Befürchtung bestünde, ein Ablehnungsantrag könne durch die hierdurch bedingte kurze zeitliche Verschiebung wegen Verspätung als unzulässig verworfen werden (BGH StV 1986, 281).
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Stützt sich ein Ablehnungsgesuch auf eine Äußerung des Vorsitzenden in einer nach der Äußerung ausgesetzten Hauptverhandlung, ist das Ablehnungsgesuch in der erneuten Hauptverhandlung rechtzeitig angebracht, wenn es innerhalb der Fristen des § 25 Abs. 1 StPO gestellt wird (OLG Brandenburg StV 1997, 455 f).
Entsteht durch Äußerungen des Vorsitzenden am Ende eines Verhandlungstages ein Ablehnungsgrund, so ist dieser bei kürzerer Unterbrechung der Hauptverhandlung (hier um 2 Tage) in der Regel noch unverzüglich geltend gemacht, wenn der Ablehnungsantrag zu Beginn des nächsten Verhandlungstages gestellt wird (OLG Köln StV 1988, 287 f).
Abrechnungsbetrug - Kassenarzt
? ... a) Nach §§ 27 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3, 31 Abs. 1 SGB V haben die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung einen Anspruch auf Krankenbehandlung. Als Bestandteil der Krankenbehandlung sind Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln als Sachleistung zu erbringen (§ 2 Abs. 2 S. 1 SGB V). Ein derartiger Sachleistungsanspruch kann grundsätzlich nur dadurch begründet werden, daß ein Vertragsarzt das Arzneimittel auf Kassenrezept verordnet und damit die Verantwortung für die Behandlung übernimmt; denn die §§ 31 ff. SGB V begründen keine unmittelbar durchsetzbaren Ansprüche auf ?Versorgung' mit von dem Versicherten gewählten Arznei- oder Hilfsmitteln, sondern ausfüllungsbedürftige Rahmenrechte. Ein bestimmtes Arzneimittel kann der Versicherte daher erst dann beanspruchen, wenn es ihm als ärztliche Behandlungsmaßnahme in Konkretisierung des gesetzlichen Rahmenrechts vom Vertragsarzt als einem mit öffentlichrechtlicher Rechtsmacht ?beliehenen' Verwaltungsträger verschrieben wird (vgl. BSGE 73, 271, 278 f., 280 f.; 77, 194, 199 f.: ?Vertragsarzt als 'Schlüsselfigur' der Arzneimittelversorgung'; vgl. auch BSG SozR 3-2500 § 39 SGB V Nr. 3, S. 9; SozR 3-2500 § 13 SGB V Nr. 12, S. 59; krit. Neumann in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts 2002, § 12 Rdnr. 17 ff.). Bei Verordnung einer Sachleistung handelt der Vertragsarzt also kraft der ihm durch das Kassenarztrecht verliehenen Kompetenzen (vgl. etwa §§ 72 Abs. 1, 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V) als Vertreter der Krankenkasse (BSGE 73, 271, 278; 77, 194, 200). Mit Wirkung für und gegen die Krankenkasse gibt er die Willenserklärung zum Abschluß eines Kaufvertrages über die verordneten Medikamente ab.
Der Apotheker, dem das Kaufvertragsangebot der Krankenkasse mit Vorlage der kassenärztlichen Verordnung durch den Versicherten (als Boten) angetragen wird, nimmt dieses an, indem er dem Versicherten das verordnete Arzneimittel aushändigt. Es handelt sich um einen zwischen der Krankenkasse und dem Apotheker - unter Einschaltung des Vertragsarztes als Vertreter der Krankenkasse - geschlossenen Vertrag zugunsten des Versicherten (vgl. BSGE 77, 194, 200; Schmidt in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd. 2, Stand: 48. Lfg. November 2002, § 31 SGB V Rdnr. 95). Nach anderer Auffassung soll zwar der Kaufvertrag zwischen Apotheker und Versichertem zustande kommen, wobei die daraus resultierende Zahlungspflicht des Versicherten die Krankenkasse durch eine antizipierte Schuldübernahme übernehme, der Apotheker also ebenfalls einen Zahlungsanspruch gegenüber der zur Erstattung verpflichteten Krankenkasse habe (vgl. Obermayer, Das ärztliche Rezept, Diss. Gießen 1991, S. 148 ff., 152; Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, 1990, S. 217 ff., 232, 237; Wigge, NZS 1999, 584, 586 unter Hinweis auf die - insoweit nicht tragenden - Erwägungen in BGHZ 89, 250, 254 f.; jew. m. w. N.). Diese unterschiedlichen Auffassungen wirken sich aber bei den hier zu entscheidenden Fragen nicht aus.
Dem Apotheker obliegt bei Vorlage des kassenärztlichen Rezeptes eine eigenständige, aber begrenzte Prüfungspflicht, deren Modalitäten in § 17 ApoBetrO und - soweit es sich um spezielle Pflichten bei der Arzneimittelabgabe an Versicherte handelt - in § 129 SGB V und in den das Nähere bestimmenden Rahmenverträgen über die Arzneimittelversorgung auf Bundesebene (§ 129 Abs. 2 bis 4 SGB V) bzw. ergänzenden Arzneilieferungsverträgen auf Landesebene (§ 129 Abs. 5 SGB V) festgelegt sind. Er hat insoweit zunächst zu prüfen, ob die vorgelegte ärztliche Verordnung (§§ 73 Abs. 2 Nr. 7, 129 Abs. 1 SGB V) den formalen Anforderungen entspricht, sie bspw. den Namen, die Berufsbezeichnung und die Anschrift des verschreibenden Arztes, den Namen der Person, für die das Arzneimittel bestimmt ist und die abzugebende Menge der verschriebenen Arzneimittel enthält (vgl. etwa § 4 Abs. 2 Arzneilieferungsvertrag v. 4. 5. 1995 - ALV -, abgedruckt bei Gerdelmann/Rostalski, Arzneimittel - Rezeptprüfung, Beratung und Regreß, Stand: September 2003, Bd. 1, Nr. 270; s. auch § 2 Abs. 1 der Verordnung über verschreibungspflichtige Arzneimittel v. 30. 8. 1990, BGBl. I 1866). Daneben hat er zu prüfen, ob das Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen ist (§§ 34, 93 SGB V). Schließlich muß er gem. § 17 Abs. 8 ApoBetrO einem erkennbaren Arzneimittelmißbrauch in geeigneter Weise entgegentreten, insbes. den Empfänger der Medikamente informieren und beraten, um dazu beizutragen, Gefahren im Umgang mit Arzneimitteln zu verhüten oder zu mindern, wobei die ärztliche Therapie nicht beeinträchtigt werden darf (vgl. auch § 20 ApoBetrO).
Über diese pharmazeutische und pharmakologische Prüfungspflicht hinaus ist der Apotheker grundsätzlich nicht verpflichtet, die Angaben des Arztes zu überprüfen, insbes. ob die Verschreibung sachlich begründet ist (§ 4 Abs. 4 S. 3 ALV; vgl. auch BSGE 77, 194, 207 f., 209; Cyran/Rotta, Apothekenbetriebsordnung, 4. A. [Stand: 1. 7. 2000] § 17 Rdnr. 22; Pfeil/Pieck/Blume, Apothekenbetriebsordnung, 5. A., Stand: 1999, § 17 Rdnr. 125; Obermayer, a. a. O., S. 163 ff.); denn es wäre eine zeitlich-fachliche Überforderung des Apothekers und würde seiner Stellung im System der Kassenversorgung nicht entsprechen, wenn er jedes ihm vorgelegte Rezept auf dessen medizinische Richtigkeit überprüfen sollte (BSGE a. a. O.). Nach der sozialrechtlichen Kompetenzverteilung ist der Apotheker ?weder ein medizinischer Obergutachter noch eine Aufsichtsbehörde des Arztes' (BSGE a. a. O.); allein die Krankenkasse kann die Nichterforderlichkeit einer Leistung i. S. d. § 12 Abs. 1 SGB V überprüfen lassen und bei den entsprechenden Prüfungsgremien eine Wirtschaftlichkeitsprüfung (auch) mit dem Ziel eines Arzneimittelregresses beantragen (§ 106 Abs. 2, 2 a Nr. 1, 5 SGB V; vgl. im einzelnen dazu auch Schwerdtfeger NZS 1998, 97, 101 f.). Weiterhin kann die Krankenkasse gegen Vertragsärzte, die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen, bei der Kassenärztlichen Vereinigung Maßnahmen nach § 81 Abs. 5 SGB V anregen bzw. die Entziehung der Zulassung (§ 95 Abs. 6 SGB V) beantragen (vgl. im einzelnen BSGE 77, 194, 203).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen halten die Erwägungen des LG zur Täuschung durch den Angekl. N. rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Täuschungshandlung besteht nach dem Wortlaut des Gesetzes in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen. Täuschung ist danach jedes Verhalten, das objektiv irreführt oder einen Irrtum unterhält und damit auf die Vorstellung eines anderen einwirkt (BGHSt 47, 1, 3 m. w. N.). Bei schlüssigem Verhalten ist entscheidend, welcher Erklärungswert dem Gesamtverhalten des Täters nach der Verkehrsanschauung zukommt (vgl. auch BGH NJW 1995, 539 f.).
aa) Das LG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß der Angekl. N. bei den Apothekern keinen tatbestandsmäßigen Irrtum erregt hat. Soweit mit der Vorlage der Rezepte konkludent behauptet worden ist, daß es sich bei den vom Vertragsarzt verschriebenen Medikamenten und Hilfsmittel um notwendige Leistungen handele, fehlt es an einem Irrtum der Apotheker, der für die von ihnen jew. getroffene Verfügung, die Aushändigung der parenteralen Nahrung an den Angekl. N., kausal geworden ist. Ob die Leistungen notwendig i. S. d. § 12 Abs. 1 SGB V sind, haben die Apotheker grundsätzlich nicht zu prüfen. Da es sich bei den eingereichten Rezepten um ordnungsgemäß ausgestellte kassenärztliche Verordnungen handelte, waren die Apotheker - aufgrund des Rechtsanspruchs der Versicherten auf Versorgung i. S. d. § 31 SGB V - verpflichtet (§ 4 Abs. 1 S. 1 ALV), die kassenärztlichen Verschreibungen gem. § 17 Abs. 4 ApoBetrO unverzüglich einzulösen (?zivilrechtlicher Kontrahierungszwang', vgl. auch Cyran/Rotta a. a. O. Rdnr. 158; Pfeil/Pieck/Blume a. a. O. Rdnr. 125; Obermayer, a. a. O., S. 164, 166); hierbei war es für sie ohne Bedeutung, ob die verschriebenen Medikamentenmengen das Maß des Notwendigen (§ 12 Abs. 1 SGB V) überschritten.
Ob etwas anderes für den Fall gilt, daß die kassenärztliche Verordnung in der Weise offensichtlich mißbräuchlich ist, daß (ausnahmsweise) die Verpflichtung des Apothekers begründet wird, die Abgabe der Überverordnungsmenge zu verweigern (vgl. auch BSGE 77, 194, 208), kann letztlich dahin gestellt bleiben. Nur bei ganz offensichtlichen, objektiv klar erkennbaren Verletzungen kassenärztlicher Pflichten darf der Apotheker, der bei Zweifeln an der Richtigkeit der Verschreibung jedoch zunächst Rückfrage beim Arzt nehmen muß (vgl. dazu Cyran/Rotta a. a. O. und Rdnr. 22, 261; Pfeil/Pieck/Blume a. a. O. Rdnr. 155), das verschriebene Arzneimittel - allerdings nur für eine kurze Übergangszeit bis zum Eingreifen der von den Prüfinstanzen zu ergreifenden Maßnahmen (vgl. auch BSGE a. a. O., S. 208 f.) - nicht abgeben. Besteht der verschreibende Arzt auf uneingeschränkter Beachtung seiner Verschreibung, so ist der Apotheker regelmäßig berechtigt und verpflichtet, die ärztliche Verordnung auf Kosten der Krankenkasse auszuführen (vgl. Pfeil/Pieck/Blume a. a. O.).
Daß die Verletzung der kassenärztlichen Pflichten in dieser Weise offensichtlich gewesen ist, ist weder festgestellt noch liegt sie nach den bisher getroffenen Feststellungen nahe. Dagegen spricht schon der Umstand, daß die Krankenkasse keinen Anlaß gesehen hat, den Angekl. Dr. Sch. im Tatzeitraum an der Fortsetzung der Verordnungsweise zu hindern. Die TKK erfüllte vielmehr ihre Zahlungsverpflichtungen auch dann noch, als ihr der Apotheker F. seine Bedenken hinsichtlich der Verordnungsmenge mitteilte. Hinzu kommt, daß die Apotheker regelmäßig keinen (medizinischen) Einblick in das Arzt-Patienten-Verhältnis haben, so daß sich ihnen die Notwendigkeit sozialversicherungsrechtlicher Leistungen gerade nicht erschließt.
bb) Der Angekl. N. hat aber auch keine seinen Vermögensvorteil bewirkende Täuschungshandlung gegenüber der Krankenkasse begangen.
Die Vermögensverfügung, die letztlich den Vorteil des Angekl. N. und spiegelbildlich den Schaden der Krankenkasse bewirkt hat, hat der Mitangekl. Dr. Sch. durch Ausstellung der die Krankenkasse zur Leistung verpflichtenden Arzneimittelverordnungen getroffen. Der Angekl. Dr. Sch. - insoweit als Vertreter der TKK handelnd - kannte jedoch nach den Feststellungen die den Mangel begründenden Umstände; insoweit wurde die Krankenkasse nicht getäuscht.
Auch durch die mit Wissen des Angekl. N. erfolgte Weiterleitung der ärztlichen Verordnungen an die TKK durch die (gutgläubigen) Apotheker hat er keine Täuschung der Krankenkasse begangen, die diese zu einer ihm vorteilhaften Vermögensverfügung veranlaßt hätte. Sofern die Krankenkasse überhaupt eine inhaltliche Prüfung auf die medizinische Notwendigkeit verordneter Heilmittel nach Leistungserbringung vornimmt, erfolgt diese - wie ausgeführt - ausschließlich im Hinblick auf eine nachträgliche Korrektur medizinisch nicht indizierter Maßnahmen im Innenverhältnis des Vertragsarztes zur Krankenkasse (vgl. Schwerdtfeger a. a. O. S. 101; Igl in GK-SGB V, Stand: Juni 1999, § 12 Rdnr. 32 m. w. N.). Insoweit bestünde jedoch keine Stoffgleichheit zwischen der unterlassenen Geltendmachung etwaiger Regreßansprüche gegenüber dem Angekl. Dr. Sch. und dem vom Angekl. N. erstrebten Vermögensvorteil.
Nach alledem können die Schuldsprüche keinen Bestand haben.
3. Aufgrund der getroffenen Feststellungen hat sich der Angekl. N. aber an einer durch den Angekl. Dr. Sch. zum Nachteil der TKK begangenen Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) beteiligt.
a) Tathandlung der Untreue des Angekl. Dr. Sch. nach § 266 Abs. 1 StGB ist seine im Außenverhältnis wirksame, aber im Verhältnis zum Geschäftsherrn bestimmungswidrige Ausübung der Befugnis zur Vermögensverfügung oder Verpflichtung (Mißbrauchstatbestand).
Nach den Prinzipien des kassenärztlichen Abrechnungssystems handelt der Vertragsarzt bei Ausstellung einer Verordnung - wie ausgeführt - als Vertreter der Krankenkasse, indem er an ihrer Stelle das Rahmenrecht des einzelnen Versicherten auf medizinische Versorgung konkretisiert. Der Kassenarzt darf allerdings den materiellen (und formellen) Rahmen der kassenärztlichen Versorgung nicht verlassen (vgl. nur BSGE 73, 271, 278, 281 f.). Er darf deshalb Leistungen, die jenseits der Bandbreite offener Wertungen nach den Regeln der ärztlichen Kunst (vgl. Schwerdtfeger a. a. O., S. 101) eindeutig nicht notwendig, nicht ausreichend oder unzweckmäßig sind, nicht verordnen (§§ 12 Abs. 1 S. 2, 70 Abs. 1 S. 2 SGB V). Verschreibt der Kassenarzt dennoch ein Medikament zu Lasten der Krankenkasse, obwohl er weiß, daß er die Leistung wie hier i. S. d. § 12 Abs. 1 SGB V nicht bewirken darf, mißbraucht er diese ihm vom Gesetz eingeräumten Befugnisse. Damit verletzt er seine Betreuungspflicht gegenüber dem betroffenen Vermögen der Krankenkasse. Indem der Arzt Medikamente auf Rezept verschreibt, erfüllt er die im Interesse der Krankenkasse liegende Aufgabe, gem. § 31 Abs. 1 SGB V ihre Mitglieder mit Arzneimitteln zu versorgen. Da er bei Erfüllung dieser Aufgabe der Krankenkasse gegenüber kraft Gesetzes (§ 12 Abs. 1 SGB V) verpflichtet ist, nicht notwendige bzw. unwirtschaftliche Leistungen nicht zu bewirken, kommt darin eine Vermögensbetreuungspflicht zum Ausdruck (vgl. auch Goetze, Arzthaftungsrecht und kassenärztliches Wirtschaftlichkeitsgebot, 1989, S. 178). Der Arzt nimmt insoweit Vermögensinteressen der Krankenkasse wahr (vgl. Goetze a. a. O., S. 179).
b) Mangels eigener Pflichtenstellung kommt eine Beteiligung des Angekl. N. an der Untreue des Angekl. Dr. Sch. nicht als (Mit-) Täter, sondern nur als Gehilfe (§ 27 StGB) oder - naheliegend - als Anstifter (§ 26 StGB) in Betracht. Das bedarf jedoch ergänzender Feststellungen. ..." (BGH StV 2004, 422 ff).
***
?... Der Angekl. eröffnete im Jahr 1997 eine Zahnarztpraxis als reine Privatpraxis, weil er einen Antrag auf Zulassung als Kassenarzt wegen seiner Vorstrafen nicht als erfolgversprechend ansah. Um auch Kassenpatienten behandeln und die für diese erbrachten Leistungen abrechnen zu können, setzte er ab Ende 1997 den als Kassenarzt zugelassenen Zeugen R., der seine eigene Zahnarztpraxis wegen hoher Schulden und fehlender Einnahmen hatte aufgeben müssen, in seiner Praxis gegen eine monatliche Zahlung von 6 000 DM als ?Strohmann' ein. Der Angekl. behandelte neben den Privatpatienten 90 ? der Kassenpatienten, R. nur die restlichen 10 ?. Entsprechend der von beiden getroffenen Abrede rechnete R. jedoch gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung N. (im folgenden: KZV) auch die vom Angekl. durchgeführten Behandlungen als eigene ab.
Auf diese Weise wurden der KZV im Zeitraum v. 12. 1. 1998 bis 10. 4. 2000 in 37 Fällen von R. unterzeichnete Leistungsanträge vorgelegt. Die KZV zahlte nach Prüfung der Unterlagen Honorare in Höhe von insgesamt rund 1,26 Millionen DM an R. aus. Das Geld vereinnahmte - abgesehen von der monatlichen Zahlung von 6 000 DM an R. - der Angekl. für sich.
Bereits in einer bei der KZV im August 1998 eingegangenen und an die StA weitergeleiteten anonymen Anzeige wurde der Angekl. bezichtigt, Behandlungen von Kassenpatienten über einen anderen Kassenarzt abzurechnen. Da der Name des Kassenarztes nicht mitgeteilt war, wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt. Nachdem in einer weiteren, direkt an die StA gerichteten anonymen Anzeige der Name des abrechnenden Kassenzahnarztes mit ?R.' genannt worden war, nahm sie die Ermittlungen wieder auf und unterrichtete die KZV am 20. 4. 1999. Diese stellte daraufhin hausinterne Ermittlungen an. Aufgrund der durch sie gewonnenen Erkenntnisse faßte ihr Vorstand am 16. 6. 1999 den Beschl., 50 ? der beantragten Leistungen, jedoch entsprechend den maßgeblichen Satzungsregeln maximal 50 000 DM einzubehalten und nur die darüber hinausgehenden Beträge auszubezahlen. Die KZV hatte, nachdem sie in früheren Fällen bei einer restriktiveren Vorgehensweise in Gerichtsverfahren unterlegen war, in der Satzung festgelegt, daß eine Zurückbehaltung nur bei sehr dichtem Verdacht und nur auf Grund eines Vorstandsbeschl. möglich sei. ...
II. Der Schuldspruch hält - in dem durch die teilweise Einstellung des Verfahrens beschränkten Umfang - der rechtlichen Nachprüfung aufgrund der Sachrüge stand.
1. Zum Irrtum: Das LG hat, soweit es die vor dem 20. 4. 1999 bearbeiteten Abrechnungsanträge betrifft, ohne Rechtsfehler angenommen, daß die Sachbearbeiter der KZV die Auszahlungen trotz des bereits entstandenen, bis dahin allerdings noch relativ vagen Verdachts auf Grund eines täuschungsbedingten Irrtums veranlaßt hatten. Soweit es für die späteren Abrechnungen wegen des durch die zweite Anzeige verstärkten und konkretisierten Verdachts einen Irrtum i. S. d. § 263 StGB aus Rechtsgründen verneint und den Angekl. nur wegen versuchten Betrugs verurteilt hat, ist dieser nicht beschwert, so daß für die Entscheidung über seine Revision offen bleiben kann, ob es dabei nicht von einem zu engen Maßstab ausgegangen ist.
a) Zur Bedeutung von Zweifeln für die Annahme eines Irrtums: Welchen Einfluß beim Betrugstatbestand Zweifel des Opfers an der Wahrheit der vorgetäuschten Tatsache auf die Annahme eines Irrtums haben, ist in der Lit. umstritten.
Die h. M. geht davon aus, daß auch der Zweifelnde i. S. d. § 263 StGB irre und Zweifel so lange irrelevant seien, als er die Wahrheit der Tatsache noch für möglich halte. Der Getäuschte falle der List des Täters auch dann zum Opfer, wenn er trotz seiner Zweifel infolge der Täuschung die Vermögensverfügung vornehme. Ein tatbestandsmäßiger Irrtum sei erst dann nicht mehr gegeben, wenn er zwar die vorgespiegelte Tatsache für möglich halte, jedoch zur Frage der Wahrheit innerlich nicht Stellung beziehe, ihm der Wahrheitsgehalt gleichgültig sei und er die Vermögensverfügung unabhängig von ihrer Wahrheit treffe (vgl. insbes. Lackner in LK 10. A., § 263 Rdnr. 79 ff.; Tiedemann in LK, 11. A., § 263 Rdnr. 84 ff.; Cramer in Schönke/Schröder, StGB, 26. A., § 263 Rdnr. 40; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT Bd. 1, 8. A., § 41 Rdnr. 59 ff.; Rengier, Strafrecht BT Bd. 1, 4. A., § 13 Rdnr. 21; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT Bd. 2, 24. A., § 13 Rdnr. 510; jew. m. w. N.).
Demgegenüber vertritt eine Mindermeinung mit durchweg viktimologisch orientierten Erwägungen und im einzelnen differierenden Abgrenzungen die Auffassung, daß der Betrugstatbestand bei zweifelnden Opfern wegen deren verminderter Schutzbedürftigkeit nicht anwendbar sei (Hassemer, Schutzbedürftigkeit des Opfers und Strafrechtsdogmatik, S. 131 ff., 147; Ellmer, Betrug und Opfermitverantwortung S. 281 ff.; Kurth, Das Mitverschulden des Opfers beim Betrug, S. 175 ff., 183 ff., 194 ff.). Teilweise wird dabei auf den Intensitätsgrad des Zweifels oder auf dessen Konkretisierung abgestellt (Krey, Strafrecht BT Bd. 2, 2. A., Rdnr. 373, 374; Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 248).
Die Rspr. des BGH stimmt im wesentlichen mit der h. A. im Schrifttum überein (BGH wistra 1990, 305; 1992, 95, 97; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 21; vgl. auch BGHSt 2, 325, 326). Allerdings wurden bislang - soweit ersichtlich - nur Fälle entschieden, in denen das Opfer von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Wahrheit der behaupteten Tatsache (?wenn er die Möglichkeit der Unwahrheit für geringer hält') ausgegangen ist.
Dem Senat geben die Ausführungen des Bf. keine Veranlassung, von den Grundsätzen der bisherigen Rspr. abzugehen. Die viktimologisch motivierten Ansätze zur Einschränkung des Betrugstatbestandes wegen geringerer Schutzbedürftigkeit des zweifelnden Tatopfers finden im Wortlaut des § 263 StGB keine Stütze und nehmen den strafrechtlichen Schutz vor Angriffen auf das Vermögen durch Täuschung unangemessen weit zurück. Die These, daß keines Schutzes vor solchen Angriffen bedürfe, wer Zweifel an der Wahrheit einer behaupteten, für seine Entscheidung über eine Vermögensverfügung erheblichen Tatsache hege, trifft nicht zu. Die ihr zugrunde liegende Vorstellung, daß sich das Tatopfer bei solchen Zweifeln vergewissern oder von der schädigenden Vermögensverfügung Abstand nehmen könne, läuft auf eine dem Strafrecht fremde Bewertung eines Mitverschuldens hinaus, das auch sonst nicht tatbestandsausschließend wirkt, und begegnet zudem in ihren tatsächlichen Prämissen Bedenken: Insbes. in Fällen, in denen das Tatopfer unter Täuschung über das Vorliegen der Voraussetzungen auf gesetzlich oder vertraglich geschuldete Leistungen in Anspruch genommen wird, ist seine Freiheit, die Erfüllung wegen Zweifeln an der Wahrheit der anspruchsbegründenden Behauptungen zu verweigern, faktisch schon durch das mit der Weigerung verbundene Prozeßrisiko begrenzt. Das wird durch die hier vom LG getroffenen Feststellungen anschaulich bestätigt: Danach waren für die KZV in der Vergangenheit gerichtliche Verfahren, in denen sie von Ärzten auf Zahlungen in Anspruch genommen wurde, die sie wegen aufgetretener Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Abrechnungen zurückgehalten hatte, negativ ausgegangen. Gerade aus dieser Erfahrung hatte sie ihre Satzung dahin geändert, daß nur bei Vorliegen eines ?sehr weit konkretisierten Verdachtes' Zahlungen zurückgehalten werden dürfen. Damit ist aber die Entscheidungssituation für den Sachbearbeiter der KZV in gewisser Weise mit der eines Richters vergleichbar, der i. S. d. § 263 StGB auch dann irrt, wenn er Zweifel an der Richtigkeit des vom Kläger behaupteten Sachverhalts hat, der Klage aber stattgeben muß, weil der Beklagte säumig ist oder die Beweislast ausnahmsweise diesen trifft (vgl. zum Irrtum beim Prozeßbetrug Tiedemann, a. a. O., Rdnr. 86; Cramer a. a. O. Rdnr. 51; Amelung GA 1977, 16).
Danach spielt es für die Tatbestandsmäßigkeit - entgegen dem Vorbringen der Revision - keine Rolle, ob die Entscheidungsträger der KZV bei sorgfältiger Prüfung die Täuschung durch den Angekl. und seinen Mittäter R. hätten erkennen können, denn selbst leichtfertige Opfer werden durch das Strafrecht geschützt (st. Rspr., vgl. BGHSt 34, 199, 201; BGH wistra 1992, 95, 97; MDR 1972, 387 m. w. N.).
Zur Frage, bis zu welcher Intensität Zweifel des Getäuschten die Annahme eines Irrtums nicht ausschließen oder - umgekehrt - mit welchem Grad der Wahrscheinlichkeit er die behauptete Tatsache für wahr halten muß, damit ein Irrtum bejaht werden kann, neigt der Senat in Fortführung der bisherigen Rspr. und in Übereinstimmung mit der oben dargestellten h. M. in der Lit. zu der Auffassung, daß - über die bislang vom BGH entschiedenen Fälle hinaus - Zweifel solange nicht geeignet sind, die Annahme eines tatbestandsmäßigen Irrtums in Frage zu stellen, als das Opfer gleichwohl noch die Wahrheit der behaupteten Tatsache für möglich hält und deswegen die Vermögensverfügung trifft, also trotz seiner Zweifel, seien sie auch noch so erheblich, der List des Täters zum Opfer fällt (Lackner a. a. O.). Auch bei einem solchen Geschädigten ist noch eine Fehlvorstellung vorhanden, die für die Vermögensverfügung ursächlich wird und unter den tatbestandlichen Begriff des Irrtums subsumiert werden kann. Hinzu kommt, daß erhebliche praktische Bedenken gegen eine Abgrenzung nach Wahrscheinlichkeitsgraden bestehen. Diese ließen sich begrifflich schwer fassen und würden Feststellungen erforderlich machen, die über die Grenzen dessen hinausgingen, was die Beweisaufnahme leisten kann.
Die Frage braucht indes hier nicht abschließend entschieden zu werden. Auch ausgehend von der bisherigen Rspr., nach der ein Argwohn des Tatopfers für das Tatbestandsmerkmal des Irrtums jedenfalls dann unschädlich ist, wenn es die Möglichkeit der Unwahrheit für geringer hält als die der Wahrheit, ist die Annahme eines Irrtums und eines vollendeten Betrugs in den Fällen 1 bis 20 nicht zu beanstanden. Es liegt auf der Hand, daß durch die im August 1998 eingegangene anonyme Anzeige, die den Angekl. namentlich nannte, aber keinen Hinweis darauf enthielt, über welchen zugelassenen Kassenarzt er von ihm erbrachte Leistungen abrechnete, kein mit der Prüfung von Abrechnungen des R. befaßter und für die Auszahlungsanordnung zuständiger Mitarbeiter der KZV auf den Gedanken verfallen ist, daß gerade in dessen Anträgen die vom Angekl. durchgeführten Behandlungen abgerechnet sein könnten, und diesen Sachverhalt dann auch noch als wahrscheinlicher angesehen hat als die von R. behauptete Selbsterbringung der Leistungen. Ebendies bringt das angefochtene Urteil mit der Feststellung, daß die ?maßgeblichen Entscheidungsträger' in der KZV vor dem 20. 4. 1999 allenfalls einen vagen Verdacht hatten, noch hinreichend deutlich zum Ausdruck. Etwas anderes läßt sich im übrigen auch dem Vorbringen der Revision nicht entnehmen, die sich insofern im Kern ihrer Ausführungen auf den Vorwurf beschränkt, den zuständigen Mitarbeitern hätten bei sorgfältigerer Prüfung Zweifel kommen können und müssen, die, wie sie - allerdings zu Unrecht - meint, einen Irrtum ausgeschlossen hätten.
Soweit das LG den Angekl. in den Fällen 22 bis 37 wegen des nunmehr verstärkten und in Richtung des R. konkretisierten Verdachts nur wegen versuchten Betrugs verurteilt hat, liegt nahe, daß es gemessen an den vorstehenden Maßstäben zu strenge Anforderungen an die Annahme eines täuschungsbedingten Irrtums gestellt hat. Hierdurch ist der Angekl. jedoch nicht beschwert.
b) Zur gerichtlichen Feststellung des Irrtums: Der Bestand des angefochtenen Urteils wird im Ergebnis auch nicht dadurch gefährdet, daß es das LG unterlassen hat, in den Urteilsgründen im einzelnen darzustellen, wer in den Abrechnungsfällen jew. die ?maßgeblichen Entscheidungsträger' innerhalb der KZV gewesen waren und welche konkreten Vorstellungen diese über die Wahrheit der Angaben in den Anträgen hatten.
aa) Da der Tatbestand des Betrugs voraussetzt, daß die Vermögensverfügung durch den Irrtum des Getäuschten veranlaßt worden ist, müssen die Urteilsgründe regelmäßig darlegen, wer die Verfügung getroffen hat und welche Vorstellungen er dabei hatte. Die Überzeugung des Gerichts, daß der Verfügende einem Irrtum erlegen war, wird dabei in aller Regel dessen Vernehmung erfordern. Nur in einfach gelagerten Fällen - insbes. bei der betrügerischen Erschleichung von Leistungen zum Nachteil von Unternehmen, in denen die Prüfung der anspruchsbegründenden Voraussetzungen in einem standardisierten, auf massenhafte Erledigung ausgerichteten Abrechnungsverfahren erfolgt - wird sich die tatrichterliche Überzeugung je nach den näheren Umständen ausnahmsweise auch in anderer Weise gewinnen lassen, etwa durch Vernehmung eines Abteilungsleiters oder Innenrevisors, der betriebsintern die Schadensfälle bearbeitet hatte und von daher zu den Vorstellungen der einzelnen Sachbearbeiter berichten kann (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 9). Eine solche mittelbare Beweiserhebung wird jedoch dann nicht ausreichen, wenn vor der Verfügung ein erheblicher Verdacht einer betrügerischen Täuschung laut geworden ist oder sich sonst Anhaltspunkte für weitergehende Erkenntnisse des konkret für die Verfügung zuständigen Mitarbeiters ergeben haben, da dann fraglich wird, ob dieser noch einem Irrtum erlegen war und durch diesen zur Verfügung veranlaßt worden ist.
Bei arbeitsteilig tätigen Unternehmen, Körperschaften und Personenmehrheiten wird in der Regel auch festzustellen sein, wer im konkreten Fall auf welcher Grundlage und mit welchen Vorstellungen die Entscheidung über die Erbringung der vom Täter erstrebten Leistung getroffen und damit die Verfügung vorgenommen hat. Im allgemeinen werden Prüfungen und Auszahlungsanordnungen auf der üblicherweise dafür vorgesehenen Sachbearbeiterebene getroffen. Im Einzelfall kann die Entscheidung aber auch - etwa wegen der Größenordnung eines Geschäfts oder auf Grund eines geschöpften Verdachts - einer vorgesetzten Ebene vorgelegt worden sein, die dann die Entscheidung selbst trifft oder dem Sachbearbeiter Weisung für die Erledigung des Vorgangs erteilt. In diesen Fällen kann die Beurteilung der Irrtumsfrage sich insbes. dann als problematisch erweisen, wenn entweder nachgeordnete Hilfspersonen oder Vorgesetzte bessere Erkenntnisse als der irrende Verfügende gehabt und unter Verstoß gegen ihre dienstlichen Pflichten eine entsprechende Information oder Weisung zur Verhinderung einer Verfügung unterlassen haben (vgl. Tiedemann, a. a. O., Rdnr. 82 m. w. N.).
bb) Das angefochtene Urteil gibt auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens keine Veranlassung, zu diesen zum Teil noch wenig geklärten Rechtsfragen des näheren Stellung zu nehmen:
Für die Fälle 1 bis 20 reichen die allerdings recht pauschalen Feststellungen noch aus. Ihre - hier für die Annahme eines Irrtums genügende (s. o. zu Buchst. a)) - Überzeugung, daß die ?maßgeblichen Entscheidungsträger' innerhalb der KZV vor dem 20. 4. 1999 lediglich einen vagen Verdacht hatten, hat die StrK ohne Rechtsfehler dadurch gewonnen, daß sie fünf in unterschiedlichen Funktionen - vom Hauptgeschäftsführer bis zur Leiterin des Prüfungswesens - tätige Zeugen vernommen und sie insbes. auch zur Behandlung und Bewertung der ersten anonymen Anzeige befragt hat. Da sich dabei keine Anhaltspunkte dafür ergeben haben, daß es innerhalb der KZV weitergehende Erkenntnisse gegeben haben könnte, durfte die StrK angesichts des standardisierten, auf Massenerledigung angelegten Abrechnungsverfahrens auch ohne namentliche Feststellung und Vernehmung der einzelnen Sachbearbeiter den Schluß ziehen, daß auch diese allenfalls einen lediglich vagen Verdacht hatten, der - wie dargelegt - einen Irrtum nicht in Frage stellt.
Für die nach dem 20. 4. 1999 bearbeiteten Anträge (Fälle 21 bis 37) hätte das LG dagegen - angesichts des nunmehr deutlich stärkeren Verdachts - auf die Feststellung der jew. verfügenden Mitarbeiter und deren Vorstellungen über die Wahrheit der behaupteten Tatsachen nicht verzichten dürfen, wenn es den Angekl. wegen vollendeter Betrugstaten hätte verurteilen wollen. Da die StrK indes für diesen Zeitraum ohnehin einen Irrtum verneint und daher nur versuchten Betrug angenommen hat, kommt es auf die tatsächlichen Vorstellungen der Mitarbeiter der KZV ohnehin nicht an. Vielmehr genügt, daß der Angekl. mit einem Irrtum der zuständigen Sachbearbeiter rechnete oder ihn jedenfalls ernsthaft für möglich hielt. Das hat das LG rechtsfehlerfrei festgestellt.
2. Zum Vermögensschaden: Die StrK hat in der Auszahlung der Honorare an den Zeugen R. für die Leistungen, die der Angekl. als Nichtkassenarzt erbracht hatte, ohne Rechtsfehler einen entsprechenden Vermögensschaden gesehen. Nach der für den Bereich des Sozialversicherungsrechts geltenden streng formalen Betrachtungsweise (vgl. BGH NStZ 1995, 85 f.) genügt hierfür bereits der Umstand, daß der Angekl. ohne kassenärztliche Zulassung nicht berechtigt ist, an der durch die KZV erfolgten Verteilung der von den Kassen bezahlten Honorare teilzunehmen. Dabei spielt es keine Rolle, daß den Kassen infolge der Behandlung ihrer Patienten durch den Angekl. Aufwendungen in möglicherweise gleicher Höhe erspart blieben, die ihnen durch die Behandlung durch einen anderen, bei der Kasse zugelassenen Arzt entstanden wären. Denn eine solche Kompensation findet bei der Schadensberechnung nicht statt (BGH NStZ 1995, 85, 86), zumal ein anderer hypothetischer Sachverhalt zugrunde gelegt wird und offen bleiben muß, ob ein anderer Arzt die gleiche Behandlungsweise gewählt hätte.
Soweit der Bf. Bedenken gegen diese streng formale sozialversicherungsrechtliche Betrachtungsweise anmeldet und unter Bezugnahme auf Stimmen aus dem strafrechtlichen Schrifttum (vgl. Volk NJW 2000, 3385 ff.) Einschränkungen verlangt, kann offen bleiben, ob dem zu folgen ist. Die Notwendigkeit von Einschränkungen wird diskutiert für Fälle des Abrechnungsbetrugs begangen durch Ärzte, die sich als Partner einer zugelassenen Gemeinschaftspraxis ausgaben, in Wahrheit aber lediglich Angestellte waren und denen deshalb vorgeworfen wurde, sich die Zulassung erschlichen zu haben (vgl. OLG Koblenz, MedR 2001,144 f.). In solchen Fällen mag tatsächlich zweifelhaft sein, ob der Irrtum der Verantwortlichen bei der Kassenärztlichen Vereinigung nicht allein eine ?Statusfrage', nicht aber die Abrechnungsvoraussetzungen betrifft und ob nicht die Auszahlung des Honorars deswegen auch keinen Vermögensschaden begründet. Daraus läßt sich aber für die Beurteilung der Strafbarkeit des Angekl. nichts ableiten. Anders als die Ärzte in den genannten Fällen, die immerhin wirksam zugelassen waren und im übrigen - nach Genehmigung - auch als Angestellte eines Kassenarztes hätten tätig werden dürfen, gehört der Angekl. nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten; mit den Abrechnungen, die er und der Mittäter R. vorgelegt haben, ist nicht lediglich über berufsständische ?Statusfragen' getäuscht worden ... " (BGH StV 2003, 276 ff).
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?... Die für die Abrechnungszeiträume 1981 bis 1983 getroffenen Feststellungen beruhen - abgesehen davon, daß sie nicht für jedes Quartal aufgeschlüsselt sind - auf einer unzureichenden Beweisgrundlage.
In seinem Urt. v. 17. 5. 1978 - 2 StR 18/78 - (bei Holtz MDR 1978, 803) hat der BGH Bedenken dagegen erhoben, daß der Tatrichter Schuldfeststellungen im Wege der Hochrechnung auf die Tatsache gründet, daß sich der Täter schon einmal so verhalten hat. Diese Bedenken bestehen fort. Früheres strafbares Verhalten kann ein Indiz dafür sein, daß die vorgeworfene Tat nicht persönlichkeitsfremd ist. Als alleiniger Tatnachweis ist dieser Umstand ungeeignet; er würde zu einer Verdachtsstrafe führen. Dagegen ist es zulässig, Hochrechnungen zur Oberprüfung eines Geständnisses und damit zur Absicherung eines anderweit gewonnenen Beweisergebnisses zu verwenden (vgl. BGHR StPO § 261 Geständnis 1).
Hier hat das LG Beweismittel, welche einen unmittelbaren Beweis des Tatgeschehens in den Jahren 1981 bis 1983 ermöglicht hätten, nicht benutzt. Auch die Hochrechnung ist eine Extrapolation', eine Schlußfolgerung aus der Beanstandungsquote, die es für die nachfolgenden Jahre 1984/85 ermittelt hat. Die Hochrechnung ist ferner nur unter der Voraussetzung einwandfrei, daß sich der Angekl. von 1981 bis 1983 ebenso verhalten hat wie danach. Daher stand dem LG nicht etwa eine durch andere Beweismittel überprüfte Hochrechnung oder umgekehrt ein durch Hochrechnung untermauertes Ergebnis von Zeugenvernehmungen zur Verfügung. Die aus der Vernehmung des Praxispersonals erlangte Überzeugung des LG, daß der Angekl. sich stets gleichartig verhalten habe, konnte als Voraussetzung der Hochrechnung nicht zugleich ihrer Bestätigung dienen. Dem LG blieben für seine Überzeugungsbildung somit lediglich die 1984/85 begangenen strafbaren Handlungen des Angekl. und die Zeugenbekundungen, aus denen sich nach seiner Meinung ergab, daß dieser zuvor in gleicher Weise tätig geworden war. Darauf konnte die Feststellung, daß der Angekl. an jedem Quartalsende von Anfang 1981 bis Ende 1983 betrügerisch Schäden in bestimmter Höhe verursacht hat, jedoch nicht gestützt werden.
Das Praxispersonal war zwar teilweise selbst in das Tatgeschehen verstrickt, und auch sonst waren die Vorgänge in der Praxis dergestalt, daß sie in der Erinnerung von Zeugen haften bleiben mußten. Das LG führtjedoch selbst aus, daß die gehörten Beweispersonen dem Tatzeitraum nunmehr weit entrückt sind. Seine Annahme, ihre Erinnerung sei für die Zeit ab 1981 zuverlässig, entbehrt einer näheren Begründung. Das LG verkennt hierbei, daß die zuletzt beobachtete Gleichförmigkeit der Handlungsweise des Angekl. eine Unterscheidung und zeitliche Zuordnung einzelner Tatphasen in der Erinnerung kaum gestattete. Darüber, ob und inwieweit der Angekl. selbst unrichtige Eintragungen in den Krankenscheinen vornahm, konnten die Zeugen verläßliche Angaben ohnehin nicht machen. Die Ermittlung von Einzelheiten des Tatverhaltens war jedoch von besonderer Bedeutung, weil die Serie nach den Feststellungen Anfang 1981 begonnen hat. Es wäre nicht ungewöhnlich, wenn der Angekl. zunächst zögernd, mit Unterbrechungen und Modifizierungen vorgegangen wäre und die von den Zeugen beobachtete Gleichförmigkeit seines Verhaltens erst allmählich entwickelt hätte. Daß er nicht immer in derselben Weise tätig geworden ist, ergibt sich im übrigen auch aus den Feststellungen. Hiernach hat er die Krankenscheine zunächst unregelmäßig, ab 1983/84 aber stets einen Monat vor Quartalsende überprüfen lassen, um sein Abrechnungsverhalten entsprechend anzupassen. Bei dieser Sachlage bedurfte es tatnäherer Beweismittel, damit sich das LG seine Überzeugung auf einer ausreichenden Grundlage bilden konnte.
b) Für die Abrechnungszeiträume 1984 und 1985 ist der Schuldspruch - sieht man von der unzutreffenden Annahme einer fortgesetzten Tat ab - an sich nicht zu beanstanden. Die auf der Vernehmung von 62 Patienten beruhenden Einzelfeststellungen des Urteils ergeben, daß der Angekl. in diesen Jahren an jedem Quartalsende manipulierte Abrechnungsunterlagen eingereicht und damit jeweils den Tatbestand des Betruges verwirklicht hat.
Bedenken ergeben sich hier auch nicht daraus, daß sich das LG zur Ermittlung der Schadenshöhe, mithin des Schuldumfangs, mathematisch-statistischer Methoden bedient hat.
Über das Ergebnis der Beweisnahme entscheidet der Tatrichter gemäß § 261 StPO nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung Das Revisionsgericht kann die Beweiswürdigung nur in engen Grenzen nachprüfen, so etwa darauf, ob sie auf einer Verletzung von Erfahrungssätzen beruht oder sich letztlich auf Vermutungen gründet (BGH NStZ 1983, 277; 1981, 33). Von gesicherten Tatsachenfeststellungen ausgehende statistische Wahrscheinlichkeitsrechnungen gehören zu den Mitteln der logischen Schlußfolgerung, welche dem Tatrichter grundsätzlich ebenso offenstehen wie andere mathematische Methoden. Das hat die Rspr. vielfach anerkannt. So kann im Zivilprozeß der Beweis der Vaterschaft mit Hilfe einer biostatistischen Wahrscheinlichkeitsrechnung geführt werden, welche sich auf die bei den Beteiligten vorhandenen Blutmerkmale stützt (BGHZ 61, 165, 172; BGHNJW 1987, 2286). Ebenso ist im Strafverfahren anerkannt, daß der Richter ein erbkundliches Gutachten nicht als unbrauchbares Erkenntnismittel ablehnen darf, weil es auch auf Grundsätzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung beruht (BGHSt 5, 34, 35). Statistische Berechnungen sind ferner in die Bestimmung der Grenze der allgemeinen Fahruntüchtigkeit eingeflossen (BGHSt 21, 157, 160) und haben maßgebendes Gewicht für die Rückrechnung der BAK aus einer Blutprobe oder aus einer festgestellten Trinkmenge auf den Tatzeitwert (Gerchow u. a., Blutalkohol 1985, 77).
In jenen Fällen waren freilich jeweils bestimmte äußere Umstände oder Wirkungszusammenhänge zu ermitteln. Der vorliegende Fall liegt anders.
Das LG hat mit Hilfe einer mathematisch-statistischen Methode das über einen längeren Zeitraum hinweg andauernde Verhalten eines einzelnen Menschen festgestellt. Das ist nicht deshalb unzulässig, weil der Angekl. die strafrechtlich erheblichen Tathandlungen nur an den Quartalsenden durch die gebündelte Einreichung der Abrechnungsunterlagen beging. Grundlage des Taterfolges waren nämlich die zahlreichen unrichtigen Eintragungen auf den Krankenscheinen.
Ein derartiges Verhalten ist einer mengenmäßigen Erfassung durch statistische Wahrscheinlichkeitsrechnungen zugänglich. Hier waren die unrichtigen Eintragungen auf den Krankenscheinen nicht Ausfluß singulärer Willensentscheidungen, denen ein unverwechselbares persönliches Gepräge anhaftete. Sie erhielten ihren Sinn vielmehr durch massenhafte Wiederholung, weil allein dadurch ein nennenswerter Ertrag zu erzielen war; die einzelne Leistung wird von den Kassen jeweils nur mit geringfügigen Beträgen honoriert. Dabei lag es von vornherein nahe, daß der Angekl. typisierte Verhaltensmuster entwickelte, welche ihm selbst oder seinem Personal die schematisierte Wiederholung erleichterten. So hat er sich bei seinen Manipulationen auf wenige Gebührenziffern konzentriert und dabei bestimmte, wiederkehrende Verschleierungsformen gewählt, etwa das ?Splitting' (Verteilung an sich nur einmal abrechenbarer Leistungen auf mehrere Tage oder Patienten). Ein solches Verhalten ist für Zwecke der Schadensberechnung mit einer statistischen Hochrechnung quantitativ erfaßbar, wenn gesichert ist, daß der Täter sein Verhalten über den untersuchten Zeitraum hinweg gleichmäßig beibehalten hat oder wenn Veränderungen zuverlässigen Eingang in die Rechnung finden. Ist dies gesichert, gelten für die Erfassung von Handlungen eines einzelnen Menschen nach den Gesetzen der Logik keine Besonderheiten. Daß dies naturwissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, haben dem LG die gehörten Sachverständigen dargetan. An den Beweis, daß der Täter sein Verhalten nicht verändert hat, sind aber hohe Anforderungen zu stellen, weil geringe Abweichungen bei einer Hochrechnung erhebliche Auswirkungen haben können.
Von besonderer Bedeutung ist hierbei zunächst eine nähere Untersuchung der gezogenen Stichprobe. Ergeben sich bereits aus ihr Auffälligkeiten, etwa Unterbrechungen der Handlungsreihe oder Häufungen in bestimmten Zeiträumen, wird eine Hochrechnung problematisch. Das LG hat dies beachtet. Der Sachverständige Prof. Dr. B hat ihm ausdrücklich bestätigt, daß die Werte der Stichprobe über den langen Zeitraum von acht Quartalen auf gleichartiges Fehlverhalten deuten. Auch für den Senat ergeben sich aus den bei den 62 Patienten getroffenen Einzelfeststellungen keine Auffälligkeiten Zusätzlich hat das LG auf die Bekundungen der vernommenen Arzthelferinnen abgehoben, die mit vielen Einzelheiten geschildert haben, wie der Angekl. über die Jahre hinweg verfahren ist. Die tatrichterlichen Feststellungen sind damit hinreichend durch Tatsachen belegt und durch sachverständige Beratung untermauert. Der sachverständig beratenen StrK oblag auch die Entscheidung, daß die Stichprobe für eine Hochrechnung ausreichend groß bemessen war, und ihr oblag ferner die Beurteilung der von den Sachverständigen angewandten Methode. Diesen Aufgaben hat sich die StrK ebenfalls in rechtlich nicht zu beanstandender Weise unterzogen.
Diese Feststellungen genügen rechtlich für die Bestimmung des Schuldumfangs. Daß es sich um Wahrscheinlichkeitsaussagen handelt, welche begrifflich völlige Gewißheit des Tatrichters ausschließen, steht dem nicht entgegen. Das LG hat die der Hochrechnung innewohnende Streuung berücksichtigt und die ermittelte Vertrauensuntergrenze als mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,5? zutreffend festgestellt. Die so bestimmte Schadenshöhe hat hier keine Bedeutung für die Grenzen der Rechtskraft des Urteils, sondern dient allein der Rechtsfolgenbemessung. Diese ist auch dann rechtlich einwandfrei möglich, wenn ihre tatsächliche Grundlage eine gewisse Bandbreite aufweist. So sieht § 40 Abs. 3 StGB ausdrücklich vor, daß bei der Geldstrafe die Grundlagen für die Bemessung des Tagessatzes geschätzt werden dürfen. Ähnliche Vorschriften enthalten §§ 73b, 74c Abs. 3 StGB für Verfall und Einziehung (dazu BGH NStZ 1989, 361). Der BGH läßt unter bestimmten Voraussetzungen bei der Steuerhinterziehung nach § 370 AO die Schätzung der hinterzogenen Beträge zu (BGHR AO § 370 1 Nr. 2 Steuerschätzung 1-3), und er hat auch im Rahmen von Betrugsverfahren die Schätzung des Schadens nicht beanstandet, wenn die Sachlage seine genaue Ermittlung nicht gestattete (BGH NJW 1958, 1244). So verhält es sich auch hier. Die Vernehmung aller Patienten des Angekl. hätte im Ermittlungsverfahren zu großen Verzögerungen geführt und die wenigstens zeitweise Beschlagnahme der Patientenkartei des Angekl. erfordert. Den zeitlichen und personellen Rahmen einer dem Gewicht des Anklagevorwurfs entsprechenden Hauptverhandlung hätte die Vernehmung gesprengt. Daher wäre eine Schätzung zulässig gewesen, und auch eine ihr insoweit vergleichbare Hochrechnung ist als Grundlage der Rechtsfolgenbemessung rechtlich nicht zu beanstanden.
III. Die dargelegten Rechtsfehler nötigen zur Aufhebung des Schuldspruchs in seinem ganzen Umfang. Jedoch sind die rechtsfehlerfreien Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen für die Abrechnungszeiträume 1984 und 1985 hiervon nicht betroffen, als Grundlage für das weitere Verfahren geeignet und können daher bestehenbleiben. Sofern der neue Tatrichter das Verhalten des Angekl. in diesem Zeitraum als Abfolge selbständiger Betrugstaten würdigt, ist er nicht gehindert, durch ergänzende Feststellungen aus der Gesamtschadenssumme bestimmte Einzelbeträge den jeweiligen Taten zuzuordnen. ..." (BGH StV 1990, 149 ff).
Abschiedsbrief
Der Abschiedsbrief eines Angeklagten, den dieser anläßlich eines Suizidversuchs an das Tatopfer schreibt, darf als Beweismittel verwendet werden (BGH NJW 1995, 269).
Absehen von Anklage bei unwichtigen Nebenstraftaten § 154 StPO
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2. darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... 2. Der Rechtsfolgenausspruch hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Revision hat mit einer letztlich zulässig erhobenen Verfahrensrüge Erfolg, mit der sie eine Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht geltend macht.
Sie beanstandet zu Recht, dass das Landgericht bei der Bemessung der Einzelstrafen ohne vorherigen Hinweis strafschärfend Sachverhalte berücksichtigt hat, hinsichtlich derer in der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2 StPO verfahren wurde (vgl. BGHSt 31, 302, 303; BGHR StPO § 154 Abs. 2 Hinweispflicht 1, 2 und 3; BGH StV 2000, 656). Durch die Verfahrenseinstellung wird regelmäßig ein Vertrauen des Angeklagten darauf begründet, dass ihm der ausgeschiedene Prozessstoff nicht mehr angelastet werde. Deswegen gebieten es die faire Verfahrensgestaltung, aber auch der Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs, vor einer dennoch beabsichtigten nachteiligen Verwertung einen Hinweis zu erteilen, um den Vertrauenstatbestand wieder zu beseitigen (BGHSt 30, 197; BGHR § 154 Abs. 2 Hinweispflicht 4; BGH StV 2004, 162). Ein solcher Hinweis ist aber nicht erfolgt.
Er war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Im Hinblick auf den von der Staatsanwaltschaft am ersten Hauptverhandlungstag gestellten Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO beschränkte das Landgericht bereits vor dem stattgebenden Beschluss zumindest teilweise die Beweisaufnahme auf die nicht von dem Antrag betroffenen Taten. Vor diesem Hintergrund durfte der Angeklagte nach Erlass des Einstellungsbeschlusses darauf vertrauen, dass die eingestellten Taten nicht verwertet werden würden. Zwar hat der Angeklagte die Taten - wie das Urteil ausweist - gestanden. Deshalb konnte das Verteidigungsverhalten des Angeklagten zu den Tatvorwürfen durch die Beschränkung nicht beeinflusst werden. Doch war der Hinweis erforderlich, um dem Angeklagten Gelegenheit zu geben, durch Anträge auch zum Schuldgehalt der von der Einstellung betroffenen Taten auf die Strafhöhe Einfluss zu nehmen (vgl. BGH StV 2000, 656).
Auf dem Verfahrensverstoß beruht der Strafausspruch auch. Anders als der Generalbundesanwalt sieht der Senat in der Begründung der Strafzumessung keinen nur überflüssigen, aber letztlich unschädlichen Verweis auf die eingestellten Taten (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 16. April 2007 - 5 StR 335/06). Das Landgericht stellt vielmehr ausdrücklich die strafschärfende Wirkung von fünf der eingestellten Taten fest, die es auch hinsichtlich des verursachten Sachschadens gewichtet. Hieran anknüpfend wertet es sodann nachteilig, dass der Angeklagte in einem Zeitraum von über einem Jahr Unruhe und Angst verbreitet hat (UA S. 7). Dies stützt sich nicht nur auf die abgeurteilten Taten, wie schon deren nur acht Monate umfassender Zeitraum belegt, sondern bezieht auch die eingestellten Taten mit ein.
Da der Strafausspruch schon insoweit keinen Bestand haben kann, bedarf es eines Eingehens auf die weiteren, gegen den Strafausspruch gerichteten Verfahrensrügen nicht.
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Begründung der vom Landgericht angenommenen uneingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten revisionsrechtlicher Prüfung nicht standgehalten hätte. Da eine Aufhebung der Schuldfähigkeit sich nach den Feststellungen jedoch sicher ausschließen lässt, berührt dieser Mangel den Schuldspruch nicht.
Das Landgericht geht im Anschluss an den vom Gericht hinzugezogenen Sachverständigen vom Vorliegen einer dissozialen Persönlichkeitsstörung bei dem nicht vorbestraften Angeklagten aus, die nur in Verbindung mit ?massiven konstellativen Faktoren wie starker Trunkenheit' das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit begründen könne. Diese Wertung und die Einordnung der starken Trunkenheit als schwere andere seelische Abartigkeit sind bereits für sich genommen zweifelhaft. Darauf kommt es aber nicht an, da die Anknüpfungspunkte für die Wertung lückenhaft sind. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit des Angeklagten und seiner Entwicklung findet nicht statt (vgl. BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 4, 9, 16, 24, 29). Angesichts der aus der Darstellung der persönlichen Verhältnisse ersichtlichen Besonderheiten - der nicht minderbegabte Angeklagte besuchte eine Förderschule und steht seit Jahren unter Betreuung, die während des Tatzeitraums erweitert worden ist - hätte es einer eingehenderen Erörterung bedurft, ob die Schuldfähigkeit aufgrund einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erheblich vermindert war. Hierbei wären auch das Tatbild, die darin zum Ausdruck kommende Affinität des Angeklagten zu Feuer sowie das unmittelbare Nachtatverhalten des Angeklagten besonders in den Blick zu nehmen gewesen. Soweit das Landgericht hierzu im Anschluss an den Sachverständigen lediglich ausführt, dass ?Gefühle der Wut oder des Hasses ? keine Kriterien der Pyromanie' seien, gehen diese Ausführungen hinsichtlich der drei Brandstiftungen an den Kraftfahrzeugen ins Leere. Denn solche Motive oder auch andere offensichtliche und erkennbare Motive im Sinne der Nr. 1 der diagnostischen Leitlinien des ICD-10 zu F 63.1 sind hierzu jedenfalls nicht festgestellt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 30. September 2008 - 5 StR 305/08).
Zudem lässt sich den Urteilsgründen nicht nachvollziehbar entnehmen, wieso das Landgericht dem im Ermittlungsverfahren beauftragten, hinsichtlich der Diagnose abweichenden psychiatrischen Gutachten nicht zu folgen vermochte. Es hat ausführlich unter Aufzählung der Anknüpfungstatsachen dargestellt, dass dieses frühere Gutachten von einer ?testpsychologisch nachweisbaren kombinierten Persönlichkeitsstörung' ausgegangen sei, die zu einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit bei den Taten geführt habe. Das Landgericht erkennt zwar zutreffend, dass dies eine Wertung der abweichenden Anknüpfungspunkte und Darlegungen der Sachverständigen erfordert hätte, wird diesen Anforderungen aber nicht gerecht. Vielmehr beruft es sich auf die Zuverlässigkeit und Erfahrung des vom Gericht hinzugezogenen Gutachters und negiert im Anschluss an ihn lediglich die Diagnose des früheren Gutachtens ohne Darstellung oder Auseinandersetzung mit den hierfür ausschlaggebenden Kriterien.
Sollte das neue Tatgericht - was ungeachtet des bisherigen Ergebnisses nicht fern liegt - zur gesicherten Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit gelangen, wird es auch § 63 StGB in den Blick zu nehmen haben. ..." (BGH, Beschluss vom 27.11.2008 - 5 StR 526/08)
***
?... Die Verfolgung der in zeitlichem Zusammenhang mit der Erhebung der ersten (später zurückgenommenen) Anklage mit Verfügung vom 28. Juli 2004 nach §§ 154, 154a StPO vorläufig eingestellten Straftaten konnte wieder aufgenommen werden.
Die staatsanwaltliche Verfügung ist als vorläufige Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 StPO, nicht als Verfahrensbeschränkung nach § 154a Abs. 1 StPO zu qualifizieren. Verwertungs- und Sicherungshandlungen bleiben regelmäßig auch dann selbständige prozessuale Taten, wenn sie materiellrechtlich als mitbestrafte Nachtaten für eine selbständige Bestrafung ausscheiden (vgl. KK-Engelhardt, StPO 5. Aufl. § 264 Rdn. 4). Die die Möglichkeit der Wiederaufnahme einschränkenden Absätze 3 und 4 des § 154 StPO gelten nur im Fall einer gerichtlichen Einstellung. Die Staatsanwaltschaft kann hingegen das Verfahren jederzeit wieder aufnehmen (vgl. BGHSt 30, 165; 37, 10, 13). ..." (BGH, Beschluss vom 25.01.2006 - 1 StR 438/05).
***
Ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis liegt nicht vor, wenn über die Wiedereinbeziehung vorläufig eingestellter Taten bei einer Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht das nunmehr mit der Sache befaßte Gericht entschieden hat, wenn die Sache zu einem Spruchkörper gleicher Art bei dem gleichen örtlich zuständigen Gericht angeklagt war (hier: Anklage zum LG und Zurückverweisung an gleiches LG). Die Frage der Entscheidung, ob die Wiedereinbeziehung nicht von demselben Spruchkörper beschlossen wurde, betrifft die geschäftsplanmäßige Zuständigkeit und die ordnungsgemäße Gerichtsbesetzung, die nur auf eine Verfahrensrüge hin überprüfbar ist (BGH, Beschluss vom 13.07.2005 - 1 StR 184/05).
Nicht nur durch eine Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO selbst, sondern auch schon durch die Abtrennung eines Verfahrens ?mit dem Ziel einer eventuellen Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO' wird zugunsten des Angeklagten ein Vertrauen darauf begründet, daß ihm der abgetrennte Prozeßstoff nicht mehr angelastet werde. Um diesen Vertrauenstatbestand wieder zu beseitigen, bedarf es eines gerichtlichen Hinweises (BGH, Beschluss vom 07.05.2003 - 5 StR 103/03).
Eine aus § 154 II StPO folgende Sperrwirkung kommt nicht in Betracht, wenn es an einer wirksamen, ausreichend konkreten Anklageerhebung gefehlt hat, sofern kein besonderer Vertrauensschutz nach dem Fairnessgrundsatz eingreift (BGH, Urteil vom 22.08.2001 - 5 StR 431/00).
Eine Berücksichtigung eingestellter Verfahrensteile bei der Strafzumessung kommt nur dann in Betracht, wenn die Taten in der Hauptverhandlung prozessordnungsmäßig festgestellt worden sind (BGH, Beschluss vom 02.08.2000 - 5 StR 143/00).
Hat das Gericht selbst die Anregung zur teilweisen Einstellung des Verfahrens gegeben und die Staatsanwaltschaft daraufhin einen entsprechenden Antrag gestellt, verstößt es gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens, wenn das Gericht im Zusammenhang mit dem Urteil nur in einem Teil der Fälle die Verfahrenseinstellung tatsächlich vorgenommen hat. Das Gericht wäre verpflichtet gewesen, dem Angeklagten einen Hinweis zu geben, daß es inzwischen in einzelnen Fällen zu einer anderen Beurteilung gelangt ist (BGH StV 1999, 353 f).
Ist das Verfahren hinsichtlich eines Anklagepunktes gem. § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt worden, ist hierdurch ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, wodurch eine belastende Verwertung mit jener Tat zusammenhängender Umstände im Rahmen der Beweiswürdigung nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens entsprechend § 265 StPO nicht ohne einen vorherigen Hinweis an den Angeklagten erfolgen darf (BGH, Beschluß v. 16. 9. 1997 - 5 StR 491/97, StV 1998, 252).
Widerspricht die Verteidigung einer Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO mit der Zielrichtung, einen Freispruch zu erreichen, und entzieht sich das Gericht aus der Sicht der Verteidigung der Auseinandersetzung mit deren Einwendungen durch die Einstellung, kann die Verteidigung darauf vertrauen, daß der ausgeschiedene Verfahrensstoff ohne entsprechenden Hinweis bei der Beweiswürdigung des verbliebenen Verfahrensstoffes nicht mehr berücksichtigt wird (BGH StV 1996, 585).
Stellt die wegen des Verdachts verbotener Preisabsprachen ermittelnde Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen Betruges im Hinblick auf weitere prozessual selbständige Taten nach § 154 I StPO ein, so kann die Verwaltungsbehörde die Submissionsabsprache unter dem Gesichtspunkt der Kartellordnungswidrigkeit weiter verfolgen (BGH, Beschluss vom 19.12.1995, BGHSt 41, 385).
*** (OLG)
Die vorläufige Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 1 StPO führt zu keinem endgültigen Strafklageverbrauch und damit zu keinem Verfolgungshindernis gemäß Art. 54 SDÜ (OLG Nürnberg, Beschluss vom 23.06.2009 - 1 OLG Ausl 130/07).
***
Mit der Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO durch Gerichtsbeschluss entsteht ein in jeder Lage des Verfahrens zu beachtendes Verfahrenshindernis, das nur durch einen förmlichen Wiederaufnahmebeschluss beseitigt werden kann. Ein Wiederaufnahmebeschluss ist unwirksam und beseitigt das Verfahrenshindernis nicht, wenn die materiellen Voraussetzungen für die Wiederaufnahme nicht vorliegen (KG, Beschluss vom 19.03.2009 - (4) 1 Ss 98/09 (59/09)).
***
Hat der Tatrichter über die ihm in der Anklage unterbreitete Tat entschieden, so hat er grundsätzlich zugleich die etwa erforderliche Entscheidung über die Verpflichtung des Staates zur Entschädigung des Angeklagten für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen zu treffen. Eine Zurückstellung dieser Entscheidung bis zur Erledigung eines weiteren Verfahrens, das von der Staatsanwaltschaft nach § 154 I StPO eingestellt worden ist, von dieser aber wiederaufgenommen werden soll, scheidet aus (OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996, 223).
*** (LG)
Wird ein vor Verfahrenseinstellung nach § 154 StPO gestellter Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger nicht beschieden und anschließend unter Hinweis auf die Verfahrenseinstellung abgelehnt, hat im Beschwerdeverfahren rückwirkend die Verteidigerbestellung zu erfolgen, wenn die Voraussetzungen für eine notwendige Verteidigung im Zeitpunkt der Antragstellung vorgelegen haben (LG Aachen StV 2004, 125 f).
Liegen während der gesamten Dauer eines Strafverfahrens bis zu dessen Einstellung gem. § 154 Abs. 2 StPO die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung vor, ist im Falle der rechtzeitigen Beantragung der Beiordnung eines Pflichtverteidigers die Beiordnungsentscheidung auch dann noch nachzuholen, wenn ein Verteidiger tatsächlich schon tätig geworden ist, bevor der gestellte Beiordnungsantrag eine Bescheidung erfahren hat (LG Bremen StV 2004, 126 f).
Ablehnung von Schöffen, Geschworenen, Urkundsbeamten, Protokollführern § 31 StPO
(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten für Schöffen sowie für Urkundsbeamte der Geschäftsstelle und andere als Protokollführer zugezogene Personen entsprechend.
(2) Die Entscheidung trifft der Vorsitzende. Bei der großen Strafkammer und beim Schwurgericht entscheiden die richterlichen Mitglieder. Ist der Protokollführer einem Richter beigegeben, so entscheidet dieser über die Ablehnung oder Ausschließung.
Hinweise/Leitsätze/Entscheidungen:
Es gelten die Bestimmungen §§ 22, 23, 24 ff StPO.
*** (BGH)
Ein offenes Bekenntnis eines Schöffen zu Methoden der Selbstjustiz und zur Eintreibung von Forderungen mit Hilfe rechtswidriger Drohungen in seiner beruflichen Tätigkeit als Inkassounternehmer begründet jedenfalls dann die Besorgnis der Befangenheit, wenn eine - wenn auch nur mittelbare - Verbindung eines solchen Verhaltens zu dem Strafverfahren besteht, in dem der ehrenamtliche Richter tätig ist (BGH, Urteil vom 28.04.2010 - 2 StR 595/09 zu StPO §§ 24 Abs. 2, 31 Abs. 1, 338 Nr. 3).
*** (LG)
Angesichts des verantwortungsvollen Amtes eines Schöffen ist von diesem zu erwarten, daß er seinen Lebenswandel darauf einstellt, einer Hauptverhandlung ausgeruht und nüchtern folgen zu können, so daß es für einen Angeklagten die Besorgnis der Befangenheit begründen kann, wenn durch dauerhafte körperliche Erschöpfung des Schöffen der Eindruck entsteht, dieser würde dem Schicksal des Angeklagten extrem gleichgültig gegenüberstehen (LG Bremen StV 2002, 357).
Die Oberbekleidung eines Schöffen, die Rechtsradikalen zugeordnet wird (hier: Sweatshirt mit der Aufschrift ?Pit Bull Germany'), kann aus der Sicht eines Angeklagten ausländischer Abstammung die Besorgnis der Befangenheit begründen (LG Berlin StV 2002, 132).
***(AG)
Es begründet die Besorgnis der Befangenheit aus der Sicht eines Angeklagten, wenn ein Schöffe während einer Verhandlungspause durch Lektüre der am Platz des Vorsitzenden liegenden Anklageschrift von dem dort mitgeteilten wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen Kenntnis erlangt (AG Dortmund StV 1994, 422).
Absehen von Strafe
Nach § 60 StGB sieht das Gericht von Strafe ab, wenn die Folgen der Tat, die den Täter getroffen haben, so schwer sind, dass die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt wäre. Muss der Täter wegen der Tat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt werden, so kann nicht von Strafe abgesehen werden.
Absehen von Vollstreckung und Nachholen der Vollstreckung bei Auslieferung oder Ausweisung § 456 a StPO
(1) Die Vollstreckungsbehörde kann von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, einer Ersatzfreiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung absehen, wenn der Verurteilte wegen einer anderen Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert, an einen internationalen Strafgerichtshof überstellt oder wenn er aus dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgewiesen wird.
(2) Kehrt der Ausgelieferte, der Überstellte oder der Ausgewiesene zurück, so kann die Vollstreckung nachgeholt werden. Für die Nachholung einer Maßregel der Besserung und Sicherung gilt § 67 c Abs. 2 des Strafgesetzbuches entsprechend. Die Vollstreckungsbehörde kann zugleich mit dem Absehen von der Vollstreckung die Nachholung für den Fall anordnen, daß der Ausgelieferte, der Überstellte oder Ausgewiesene zurückkehrt, und hierzu einen Haftbefehl oder einen Unterbringungsbefehl erlassen sowie die erforderlichen Fahndungsmaßnahmen, insbesondere die Ausschreibung zur Festnahme, veranlassen; § 131 Abs. 4 sowie § 131 a Abs. 3 gelten entsprechend. Der Verurteilte ist zu belehren.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Ansicht, § 456 a StPO könne nur Ausländer betreffen, ist bereits deshalb unzutreffend, weil Art. 16 II 2 GG nun auch gesetzliche Regelungen zur Auslieferung Deutscher zulässt (BVerfG, Beschluss vom 09.10.2003 - 2 BvR 1497/03).
*** (OLG)
Der Antrag eines ausgewiesenen Verurteilten auf Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB ist bei Vorliegen der formellen Voraussetzungen auch dann zulässig, wenn die Staatsanwaltschaft nach § 456a StPO von der weiteren Vollstreckung der Freiheitsstrafe abgesehen hat und sich der Verurteilte nicht (mehr) im Inland aufhält (Anschluss an OLG Köln StV 2009, 261 f. = StraFo 2009, 218 f. = OLGSt StGB § 57 Nr. 48). Die nach § 454 Abs. 1 S. 3 StPO gebotene mündliche Anhörung darf auch dann ausnahmsweise unterbleiben, wenn sie dem Verurteilten deshalb unzumutbar ist, weil er infolge seiner Ausweisung nicht zu seiner Anhörung einreisen kann, ohne die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe (§ 456a Abs. 2 S. 1 StPO) und möglicherweise eine Strafverfolgung wegen Verstoßes gegen ausländerrechtliche Strafbewehrungen befürchten zu müssen (Anschluss an OLG Köln a.a.O., OLG Karlsruhe StV 2005, 677 f. = StraFo 2005, 258 f. = NStZ-RR 2005, 223 f. = Justiz 2005, 360 f. und OLG Düsseldorf NStZ 2000, 333 = StV 2000, 382 f.; a.A.: OLG Hamm, Beschluss v. 23.02.2010 - 3 Ws 39/10 = StRR 2010, 317 f.). Will der Verurteilte das Risiko einer Verhaftung und Aufnahme in den Strafvollzug für den Fall seiner Einreise nicht in Kauf nehmen, ist es seine Sache, bei der Vollstreckungsbehörde die Aussetzung des Vollstreckungshaftbefehls für die Dauer der Durchführung des Verfahrens nach § 454 Abs. 1 und Abs. 2 StPO, § 57 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zu erwirken (Anschluss an OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Bamberg, Beschluss vom 12.10.2010 - 1 Ws 561/10).
***
Zur Unzulässigkeit der weiteren Strafvollstreckung nach Verzicht der Staatsanwaltschaft auf die weitere Vollstreckung gem. § 456 a StPO, wenn der Verurteilte nach seiner Abschiebung unfreiwillig in die Bundesrepublik zurückkehrt (OLG Celle StV 2003, 90).
Bewährung ist nicht deshalb prozessual überholt, weil von der StA zwischenzeitlich von der Vollstreckung der Strafe nach § 456 a StPO abgesehen und der Verurteilte abgeschoben worden ist. Denn das Absehen von der Vollstreckung ist eine vorläufige Maßnahme, weil die Vollstreckung nachgeholt werden kann, wenn der Ausgewiesene freiwillig in die Bundesrepublik zurückkehrt (OLG Celle StV 2003, 90 f).
Wurde gem. § 456a II StPO nach Rückkehr des Verurteilten in die Bundesrepublik die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe angeordnet, so kommt ein erneutes Absehen von dessen Vollstreckung gem. § 456a I StPO nur bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht. Diese müssen so gewichtig sein, dass gegenüber der grundsätzlich angezeigten Durchsetzung des staatlichen Vollstreckungsanspruchs eine weitere Inhaftierung des Verurteilten nicht vertretbar erscheint (OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.11.2000 - 3 VAs 45/00, NStZ-RR 2001, 93).
*** (LG)
Unterbleibt die nach § 456a Abs. 2 S. 4 StPO vorgeschriebene Belehrung in einer für den Verurteilten verständlichen Sprache, liegt ein Vollstreckungshindernis für die Nachholung der Strafvollstreckung vor (LG Bayreuth, Beschluss vom 26.01.2011 - StVK 2131/10):
?... I. Das LG Weiden i.d.Opf. verurteilte den Ast. am 25. 11. 1993 wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 6 J..
Diese Strafe verbüßte der Verurteilte ab dem 16.03.1994 in der JVA St. Georgen-Bayreuth. ... Mit Verfügung v. 06.10.1994 ordnete die StA an, dass von der weiteren Vollstreckung der mit dem Urt. des LG Weiden i.d.OPf. verhängten Freiheitsstrafe von 6 J. abgesehen wird, § 456a StPO. Für den Fall der Rückkehr des Verurteilten in die Bundesrepublik Deutschland hat die StA die Nachholung der Vollstreckung der verbleibenden Restfreiheitsstrafe angeordnet, § 456a Abs. 2 S. 3 StPO.
Der Verurteilte wurde am 28.11.1994 vom Flughafen München aus nach Sofia/Bulgarien abgeschoben.
Der Verurteilte wurde aufgrund des Vollstreckungshaftbefehls der StA Weiden am 22.10.2010 am Flughafen München bei der grenzpolizeilichen Einreisekontrolle festgenommen und zunächst in die JVA Stadelheim, anschließend in die JVA St. Georgen-Bayreuth eingeliefert.
Der Verurteilte lässt über seinen Verteidiger vortragen, die Nachholung der Strafvollstreckung gem. § 456a StPO sei unzulässig, da er 1994 nicht ordnungsgemäß gem. § 456a Abs. 2 S. 4 StPO belehrt worden sei und sich deshalb über die Folgen einer Einreise nach Deutschland nicht bewusst gewesen sei.
In der Akte befinde sich zwar die Verfügung der StA Weiden, der JVA zwei beglaubigte Abschriften der Anordnung nach § 456a StPO auszuhändigen mit der Bitte um Kenntnisnahme, Aushändigung einer Abschrift an den Verurteilten und Belehrung des Verurteilten gegen Unterschrift über die Rechtsfolgen im Fall der Rückkehr gem. § 456a Abs. 2 StPO; ob dies seitens der JVA tatsächlich ausgeführt worden ist, sei der Akte mangels Vorhandenseins entsprechender Unterlagen nicht zu entnehmen.
Die StA ist demgegenüber der Ansicht, der Verurteilte sei über die Wirkungen der Entscheidung gem. § 456a StPO und die Rechtsfolgen im Falle seiner Rückkehr belehrt worden. Die JVA habe auf die staatsanwaltschaftliche Anordnung v. 06.10.1994 die Belehrung bestätigt. Dies ergebe sich aus der Entlassungsmitteilung der JVA v. 18.11.1994.
Der Verteidiger weist darauf hin, dass der Verurteilte weder zum damaligen Zeitpunkt (der Abschiebung) noch zum jetzigen Zeitpunkt der deutschen Sprache in ausreichendem Umfang mächtig sei. Er verstehe nur einige Brocken deutsch. Eine ordnungsgemäße Belehrung hätte in jedem Fall der Hinzuziehung eines Dolmetschers bedurft.
Die StA weist demgegenüber auf mehrere in deutscher Sprache verfasste Schreiben, unterzeichnet von dem Verurteilten, sowie auf das Protokoll einer richterlichen Anhörung (zur Frage der vorzeitigen Entlassung) v. 12.07.1994 durch den Einzelrichter der StVK hin, das den Vermerk enthält: ?Mit dem Verurteilten war eine ausreichende Verständigung ohne Dolmetscher möglich'. ...
II. Der zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 458 Abs. 1 StPO hat auch in der Sache Erfolg.
Nach Auffassung des Gerichts ist im vorliegenden Fall nicht (mehr) feststellbar, ob die ordnungsgemäße Belehrung gem. § 456a Abs. 2 S. 4 StPO (i.V.m. § 17 Abs. 2 StVollstrO) ordnungsgemäß erfolgt ist.
Unterbleibt jedoch die gebotene Belehrung, liegt nach ganz herrschender Meinung (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., Rn. 8; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1999, 222) ein Vollstreckungshindernis vor.
Der Zweck des § 456a Abs. 2 S. 4 StPO besteht darin, einen einfach strukturierten Verurteilten, der seine Entlassung falsch - nämlich als endgültig verstehen könnte - bei einer Rückkehr nach Deutschland nicht gleichsam ?ins offene Messer' laufen zu lassen (so in der Anmerkung von Groß zu OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.09.2008, 2 Ws 252/08 - beides in Juris -). Das Erfordernis der verständlichen Belehrung ergibt sich aber auch aus Art. 6 Abs. 3 EMRK sowie dem Grundsatz des fairen Verfahrens.
Somit ist erforderlich, dass der Verurteilte nicht nur belehrt, sondern auch für ihn verständlich - erforderlichenfalls unter Zuziehung eines Dolmetschers oder anderer sprachkundiger Personen - belehrt worden ist (OLG Stuttgart, RPfl 1981, S. 120; OLG Hamburg, NStZ-RR 1999, 123; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1999, 222).
Dies greift auch § 17 Abs. 2 StVollstrO auf, wonach die verurteilte Person ?in einer für sie verständlichen Sprache' zu belehren ist und die Belehrung aktenkundig zu machen ist. Diese Vorschrift soll gerade Nachweisschwierigkeiten, wie sie im vorliegenden Fall auftreten, vermeiden.
Aktenkundig ist lediglich die Verfügung der StA Weiden v. 06.10.1994, wonach die JVA St. Georgen-Bayreuth um Aushändigung einer Abschrift der Anordnung und Belehrung des Verurteilten gegen Unterschrift gebeten worden ist. Ob und in welcher Art und Weise diese Anordnung seitens der JVA ausgeführt worden ist, ist gerade nicht (mehr) aktenkundig.
Aus dem formelhaften Hinweis in der Entlassungsmitteilung der JVA, der Verurteilte sei nach ?Belehrung gem. § 456a StPO' entlassen worden, ist jedenfalls nicht ersichtlich, ob der Verurteilte die Belehrung über die Folgen seiner Rückkehr dem Inhalt nach auch verstanden hat.
Solches ergibt sich auch nicht mit hinreichender Sicherheit aus dem Hinweis des Einzelrichters der StVK des LG Bayreuth anlässlich der richterlichen Anhörung v. 12.07.1994, mit dem Verurteilten sei eine ausreichende Verständigung ohne Dolmetscher möglich gewesen. Eine Verständigung mit einem ausländischen Verurteilten über die Frage der vorzeitigen Entlassung ist wegen der relativen Einfachheit der Sachlage auch auf niedrigem sprachlichen und intellektuellen Niveau möglich. Dies kann nicht ohne weiteres auf die Belehrung nach § 456a Abs. 2 S. 4 StPO übertragen werden, da erfahrungsgemäß vielen ausländischen Verurteilten nicht bewusst ist, dass eine Nachholung der Vollstreckung bei einer Rückkehr nach Deutschland unabhängig davon möglich ist, ob die Einreise ausländerrechtlichen Vorschriften widerspricht oder nicht.
Auch auf die verschiedenen in deutscher Sprache gehaltenen und vom Verurteilten unterschriebenen Schreiben an die Justizbehörden kann es nicht ankommen, da bereits aufgrund des unterschiedlichen Schriftbildes ersichtlich ist, dass sich der Verurteilte, wie bei ausländischen Gefangenen üblich, von einem Mitgefangenen hat helfen lassen.
Auch die von der stellvertretenden Leiterin der JVA St. Georgen-Bayreuth erläuterten Handhabungen vor und seit Mitte der 90er Jahre sprechen eher dagegen, dass der Verurteilte in verständlicher Weise belehrt worden ist. Für die Belehrung geeignete Formblätter werden ohnehin erst seit Mitte der 90er Jahre verwendet und werden im Übrigen nach Ablauf von 10 J. vernichtet.
Im Ergebnis kann somit seitens des Gerichts nicht festgestellt werden, dass der Verurteilte ausreichend über die Möglichkeit der Nachholung der Strafvollstreckung belehrt worden ist. Dies führt zu einer Unzulässigkeit der Strafvollstreckung. ..."
Absolute Revisionsgründe § 338 StPO
Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,
1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222 a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, soweit
a) die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
b) der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist,
c) die Hauptverhandlung nicht nach § 222 a Abs. 2 zur Prüfung der Besetzung unterbrochen worden ist oder
d) das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit es nach § 222 b Abs. 2 Satz 2 festgestellt hat;
2. wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3. wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4. wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5. wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6. wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7. wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8. wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.
Leitsätze/Entscheidungen:
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(1) Beruhensfrage (I)
(2) Besetzungsrüge (Ziffer 1)
(3) Ausschluss vom Richteramt (Ziffer 2)
(4) Befangenheit (Ziffer 3)
(5) Zuständigkeit (Ziffer 4)
(6) Anwesenheit (Ziffer 5)
(7) Öffentlichkeit (Ziffer 6)
(8) Keine Entscheidungsgründe (Ziffer 7):
(9) Verteidigung (Ziffer 8)
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(1) Beruhensfrage (I)
?... Das Landgericht hat den Angeklagten wegen 26 Taten des (überwiegend schweren) sexuellen Missbrauchs zum Nachteil von zwei Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt und die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten. Die Revision des Angeklagten rügt mit Einzelbeanstandungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie hat mit einer Verfahrensrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Die Revision stellt das Verfahren im Zusammenhang mit dem Ausschluss des Angeklagten gemäß § 247 StPO in zweifacher Weise zur Prüfung: Soweit sie rügt, die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Angeklagten hätten nicht vorgelegen, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf. Zutreffend beanstandet sie hingegen, dass das Landgericht während der Vernehmung einer Zeugin in Abwesenheit des Angeklagten eine von dem Beschluss nach § 247 StPO nicht gedeckte Beweiserhebung vorgenommen habe. Während der Vernehmung der Zeugin hat das Landgericht Lichtbilder in Augenschein genommen und eine Urkunde verlesen. Durch die Niederschrift über die Hauptverhandlung wird bewiesen (§ 274 StPO), dass es sich dabei um eine förmliche Beweisaufnahme gehandelt hat. Die Sachbeweiserhebung in Abwesenheit des Angeklagten war durch den Beschluss nach § 247 StPO nicht gedeckt (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 247 Rdn. 7 m. w. N. zur st. Rspr.). Da sie auch nicht später in Anwesenheit des Angeklagten wiederholt wurde, ist der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gegeben.
Der Verfahrensverstoß führt hier allerdings ausnahmsweise nur zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs. Auch wenn ein absoluter Revisionsgrund nach § 338 StPO gegeben ist, gefährdet dies den Bestand des angefochtenen Urteils nicht, soweit ein Einfluss des Verfahrensfehlers auf das Urteil zum Nachteil des Beschwerdeführers denkgesetzlich ausgeschlossen ist (BGH NJW 1977, 443; BGHR StPO § 338 Beruhen 1; Beschl. vom 31. Januar 2001 - 3 StR 528/00). So liegt es hier, soweit das Landgericht den Angeklagten schuldig gesprochen hat. Die Überzeugung von den Taten des Angeklagten beruht auf dem Geständnis des Angeklagten und der Inaugenscheinnahme der zahlreichen kinderpornographischen Bildserien und Videosequenzen, die der Angeklagte von seinen Tathandlungen angefertigt hat. Die fehlerhaft durchgeführten Sachbeweiserhebungen konnten hingegen zum Schuldspruch nichts beitragen. Sie betrafen eine Zeugin, mit der der Angeklagte im Jahr 2000 sexuelle Kontakte hatte, und waren lediglich geeignet, das Aussehen des damals 15jährigen Mädchens und dessen Aussageverhalten in einem früheren Strafverfahren gegen den Angeklagten aufzuklären. Zu dem Schuldspruch hatten sie keinerlei Bezug. ..." (BGH, Beschluss vom 19.07.2007 - 3 StR 163/07)
(2) Besetzungsrüge (Ziffer 1):
Die unzureichende Sprachkompetenz eines der deutschen Sprache nicht mächtigen Schöffen begründet dessen Unfähigkeit. Die Erforderlichkeit einer hinreichenden Sprachkompetenz gilt auch für die Rechtslage vor der Neuregelung in § 33 Nr. 5 GVG (BGH, Urteil vom 26.01.2011 - 2 StR 338/10 zu StPO §§ 338 Nr. 1, 226 Abs. 1; GVG §§ 33 Nr. 5, 52 Abs. 1 Nr. 2).
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Zur unerlässlichen Mitwirkung eines dritten Berufsrichters in einem wegen komplexer Rechtsbeugungsvorwürfe umfangreichen und schwierigen Strafverfahren (BGH, Beschluss vom 07.07.2010 - 5 StR 555/09 zu § 76 II GVG):
?... Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit schwerer Freiheitsberaubung verurteilt. Gegen den Angeklagten M. hat es eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, gegen den Angeklagten P. eine solche von einem Jahr und acht Monaten. Zur Kompensation rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung sind jeweils sechs Monate Freiheitsstrafe als vollstreckt erklärt worden. ...
Der Beschwerdeführer M. führte als Richter am Amtsgericht den Vorsitz in einer Schöffengerichtssache gegen B. A. vor dem Amtsgericht Eisenhüttenstadt. A. wurde zur Last gelegt, als Nachlasspfleger in sechs Fällen Nachlassvermögen in Höhe von insgesamt etwa 400.000 ? veruntreut zu haben. Am 30. Juni 2005 verurteilte ihn das Schöffengericht unter Vorsitz des Beschwerdeführers M. schließlich zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren. M. war nach dem Jahresgeschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts lediglich noch für die Erledigung dieses schöffengerichtlichen Verfahrens zuständig, dessen Hauptverhandlung am 16. Dezember 2004 begonnen hatte. Im Übrigen (90 ?) war er an das Landgericht Frankfurt/Oder abgeordnet. Der Beschwerdeführer P. ist Oberstaatsanwalt und nahm als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder an der überwiegenden Anzahl der Hauptverhandlungstage teil.
A. ließ sich im Strafverfahren unter anderem von Rechtsanwalt R. verteidigen. Darüber war der Beschwerdeführer M. von Beginn an sehr ungehalten, weil er R. verdächtigte, an der Vortat des A. beteiligt gewesen zu sein. Er rechnete daher damit, dass R. Konfliktverteidigung betreiben würde, ?um von seiner eigenen Tatbeteiligung abzulenken sowie die Aufklärung des Sachverhalts zu verzögern und zu erschweren' (UA S. 13). Er war deshalb bestrebt, ?R. möglichst rasch der Beteiligung an den Taten des B. A. zu überführen und ihn auf diese Weise auch aus dem gegen B. A. anhängigen Strafverfahren auszuschließen' (UA S. 13). Seine im April 2004 erfolgte Vorlage an das Brandenburgische Oberlandesgericht mit dem Ziel, R. gemäß §§ 138a, 138c StPO als Tatbeteiligten auszuschließen, war ohne Erfolg geblieben (UA S. 14). Deshalb beschloss er, ?selbst gegen Rechtsanwalt R. zu ermitteln und ihn mit Zwangsmaßnahmen zu überziehen' (UA S. 14). Dabei war ihm bekannt, dass sowohl gegen R. als auch gegen A. s Ehefrau C. von der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Geldwäsche Ermittlungsverfahren eingeleitet worden waren. Der auch für das Verfahren gegen B. A. zuständige Dezernent, Staatsanwalt B. , erhob später, im Juni 2006, gegen R. und C. A. wegen Geldwäsche Anklage. Zum Ausgang dieses Verfahrens hat die Strafkammer keine Feststellungen getroffen.
In dem Schöffengerichtsverfahren wurde der Beschwerdeführer M. am 24. März 2005 (7. Hauptverhandlungstag) durch B. A. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Begründet wurde das Ablehnungsgesuch maßgeblich mit der Berichterstattung des früheren Direktors des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt W. im Oder-Spree-Fernsehen vom Vortag. Dieser nahm als Prozessberichterstatter an einer Vielzahl der Sitzungstage teil und kommentierte über diesen Sender ?tendenziös zu Lasten' des Angeklagten A. und des Verteidigers Rechtsanwalt R. das Prozessgeschehen; dabei verfügte er aus Sicht der Verteidigung A. s über Informationen, die er nur von M. erlangt haben konnte (UA S. 29).
Am 7. April 2005 (8. Hauptverhandlungstag) wurde der Beschwerdeführer M. erneut abgelehnt. Grund dafür war seine wörtliche Äußerung (UA S. 31): ?Hier gilt doch nicht die StPO, hier gilt doch die HPO. Die kennen Sie doch? Die kennt nur einen Paragraphen und der heißt: Der Strafprozess beginnt mit der Vollstreckung, alles weitere bestimmt der Vorsitzende!' Mit der Wendung ?HPO' meinte M. eine sogenannte ?Hüttenstädter Prozessordnung', mit der er Rechtsanwalt R. die Macht des Vorsitzenden demonstrieren wollte (UA S. 31). Die Ablehnungsgesuche wurden am 11. April 2005 (UA S. 36) und 21. April 2005 (UA S. 45) jeweils durch M. s Vertreterin zurückgewiesen.
Ebenfalls am achten Hauptverhandlungstag überreichte der als Zeuge vernommene Rechtsanwalt R. Ablichtungen eines Kaufvertrags über die Veräußerung seines Kraftfahrzeugs an C. A. . Der Beschwerdeführer M. nahm an, dass der Kaufvertrag rückdatiert worden sei, erhob sich, ?warf seine Robe nach hinten, deutete auf den Zeugen R. und rief: ?Sie sind festgenommen!'. Er hatte bereits vor dieser Sitzung den Entschluss gefasst, den Zeugen R. , B. A. und dessen Ehefrau festnehmen zu lassen, und dies mit P. besprochen, weil er sichergehen wollte, dass dieser die entsprechenden Haftbefehlsanträge stellen würde'
(UA S. 33). Entsprechend erhielt der Beschwerdeführer M. vom Beschwerdeführer P. drei vorbereitete schriftliche Anträge, mit denen dieser die Anordnung der Untersuchungshaft gegen B. A. wegen Untreue sowie gegen R. und C. A. wegen Geldwäsche und Begünstigung, bezüglich R. auch wegen uneidlicher Falschaussage beantragte. Sämtliche Anträge waren auf den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr sowie bei R. zusätzlich auf Fluchtgefahr gestützt. Der Beschwerdeführer M. vergab für die Haftbefehlsanträge betreffend R. und C. A. gerichtliche Aktenzeichen mit Gs-Registerzeichen, beschloss die Verbindung der Ermittlungsverfahren gegen R. und C. A. mit dem von ihm geführten Strafverfahren gegen B. A. und ordnete antragsgemäß Untersuchungshaft gegen alle drei an. R. und B. A. wurden im Sitzungssaal, C. A. acht Minuten später an ihrer Arbeitsstelle festgenommen.
Beiden Beschwerdeführern war bewusst, dass M. für eine eigenmächtige Verbindung der bei der Staatsanwaltschaft anhängigen und noch nicht abgeschlossenen Ermittlungsverfahren ebenso wenig zuständig war wie für den Erlass von Haftbefehlen in diesen Ermittlungsverfahren. Sie wollten insbesondere ?in Kenntnis des Fehlens tragender Haftgründe im Umgang mit einer vermeintlichen Konfliktverteidigung ein Exempel statuieren' und gingen davon aus, dass ?der Erlass der Haftbefehle durch einen anderen Richter, ebenso wie die Beantragung der Haftbefehle durch einen anderen Vertreter der Staatsanwaltschaft höchstwahrscheinlich nicht zu erreichen gewesen wäre' (UA S. 36/37).
Am 14. April 2005 (9. Hauptverhandlungstag) wurden R. und C. A. als Zeugen vernommen. Zwischenzeitlich war es auf Betreiben von Staatsanwalt B. zu Unterredungen mit dem Leitenden Oberstaatsanwalt gekommen, in deren Folge Staatsanwalt B. am 14. April 2005 die Entlassung von R. aus der Untersuchungshaft anordnete. Am folgenden Tag beschloss der Beschwerdeführer M. ?in den Straf- und Ermittlungsverfahren' gegen B. und C. A. sowie R. , dass die Haftbefehle gegen den Angeklagten A. sowie die ?Beschuldigte' C. A. aufgehoben werden, weil sich im Hinblick auf die Entlassung des ?Beschuldigten' R. der weitere Vollzug der Untersuchungshaft als unverhältnismäßig darstelle (UA S. 45); am selben Tag ordnete er ihre Entlassung an und hob später auch den Haftbefehl gegen R. sowie den Verbindungsbeschluss auf.
B. Die Revisionen haben bereits mit Besetzungsrüge Erfolg. Zu Recht beanstanden die Beschwerdeführer, dass die Strafkammer unter Verstoß gegen § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG mit nur zwei Berufsrichtern besetzt gewesen ist. Die fehlerhafte Besetzung des erkennenden Gerichts hat als absoluter Revisionsgrund die Aufhebung des Urteils zur Folge (§ 338 Nr. 1 StPO).
I. Den Rügen liegt folgender prozessualer Sachverhalt zugrunde:
1. Die Staatsanwaltschaft hat gegen die Beschwerdeführer unter dem 30. August 2007 Anklage wegen gemeinschaftlich begangener Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung zum Landgericht Frankfurt/Oder erhoben. Den zunächst ergangenen Nichteröffnungsbeschluss hat das Brandenburgische Oberlandesgericht am 29. Juli 2008 auf sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft aufgehoben und das Hauptverfahren vor dem Landgericht Potsdam eröffnet. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 6. Februar 2009 nach § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG von der Mitwirkung eines dritten Berufsrichters ohne Angabe von Gründen abgesehen; den von den Beschwerdeführern jeweils vor ihrer Vernehmung zur Sache erhobenen Besetzungseinwand, gestützt auf eine unvertretbare reduzierte Gerichtsbesetzung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG, hat das Landgericht (in der für die Hauptverhandlung vorgesehenen Besetzung) zurückgewiesen und zur Begründung mitgeteilt: ?Die Kammer hält sich für ordnungsgemäß besetzt. Eine willkürliche Entscheidung über die Besetzung ist nach hiesiger Meinung nicht erkennbar.'
2. Den bestreitenden Beschwerdeführern wurden durch die Anklageschrift ?mehrere evidente Rechtsverstöße', begangen zum Nachteil der Eheleute A. sowie des Rechtsanwalts R. , als einheitliche Tat der Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung zur Last gelegt. Im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung belief sich der Umfang der Leitakte bereits auf mehr als 900 Seiten.
Überdies oblag der Strafkammer die Aufklärung des komplexen Ausgangsverfahrens gegen B. A. , das ursprünglich zum Landgericht angeklagt, aber mit Blick auf die zu erwartende Rechtsfolge vor dem Schöffengericht eröffnet worden war. Unter dem Vorsitz des Beschwerdeführers M. war darüber mehr als ein halbes Jahr an 14 Hauptverhandlungstagen auch unter Hinzuziehung eines Sachverständigen verhandelt worden. Die Hauptaktenbände umfassten etwa 1.600 Seiten, wurden ebenso wie die Hauptakten der Ermittlungsverfahren gegen R. und C. A. (Umfang etwa 800 Seiten) als Kopieakten beigezogen und in der Darstellung der Beweismittel in der Anklageschrift berücksichtigt. Nach dem - durch die Gegenerklärung unwidersprochen gebliebenen (vgl. zur Bedeutung der Revisionsgegenerklärung Drescher NStZ 2003, 296, 300) - Revisionsvortrag umfassten allein die beigezogenen Verfahrensakten - ersichtlich nebst Beiakten - insgesamt mehr als 7.000 Seiten.
3. In der Hauptverhandlung gegen die beiden Beschwerdeführer traten vor dem Landgericht neben den Verteidigern zwei Nebenkläger mit jeweils einem anwaltlichen Beistand auf. Die Strafkammer terminierte zunächst sechs Hauptverhandlungstage und lud dazu 13 Zeugen; insgesamt verhandelte sie anschließend noch an vier weiteren Tagen bis zur Urteilsverkündung.
II. Den Besetzungsrügen kann der Erfolg nicht versagt werden. Durch die Verhandlung und Entscheidung in der Besetzung mit nur zwei Berufsrichtern hat die Strafkammer § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG verletzt, weil der Umfang der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines dritten Berufsrichters notwendig machte.
1. Gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG beschließt die - nicht als Schwurgericht zuständige - große Strafkammer bei der Eröffnung des Hauptverfahrens, dass sie in der Hauptverhandlung mit nur zwei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden besetzt ist, es sei denn, nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache erscheint die Mitwirkung eines dritten Berufsrichters erforderlich. Bei dieser Entscheidung steht der Strafkammer kein Ermessen zu; sie hat die Dreierbesetzung zu beschließen, wenn diese nach dem vorgenannten Maßstab notwendig erscheint. Jedoch ist dem Tatgericht bei der Auslegung der gesetzlichen Merkmale ein weiter Beurteilungsspielraum eröffnet, der die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen hat (BGHSt 44, 328, 334; BGH NStZ 2004, 56; StV 2004, 250, 251; Kissel/Mayer, GVG 6. Aufl. § 76 Rdn. 4). Maßgebend für die Bewertung des Umfangs der Sache sind etwa die Zahl der Angeklagten, Verteidiger und erforderlichen Dolmetscher, die Anzahl der angeklagten Taten, der Zeugen sowie anderer Beweismittel, namentlich die Notwendigkeit von Sachverständigengutachten, der Umfang der Akten sowie die voraussichtliche Dauer der Hauptverhandlung (BGHR GVG § 76 Abs. 2 Beurteilungsspielraum 3).
2. Bleibt im Einzelfall zweifelhaft, welche Gerichtsbesetzung für die sachgerechte Verfahrensbehandlung geboten ist, gebührt der Dreierbesetzung wegen ihrer gegenüber der reduzierten Besetzung strukturellen Überlegenheit, die sich bereits vor der 1993 erfolgten Einführung des § 76 Abs. 2 GVG bewährt hatte, der Vorrang (vgl. BGHSt 44, 328, 334; BGH JR 2004, 170). Die Beteiligung mehrerer Berufsrichter neben dem Vorsitzenden ist besonders geeignet, Aufgaben insbesondere auch in der Hauptverhandlung sachgerecht aufzuteilen, den Tatsachenstoff intensiver zu würdigen und schwierige Rechtsfragen besser zu bewältigen (vgl. BGH JR aaO; BTDrucks 12/1217 S. 46 f.). Die Besetzung der Strafkammer hat so unmittelbaren Einfluss auf die Qualität des Erkenntnisverfahrens; eine reguläre Besetzung der Strafkammer ermöglicht insbesondere eine straffe, effektive - und damit auch ressourcenschonende - Verhandlungsführung. Die Würdigung des Tatsachenstoffs und der Rechtsfragen durch drei Richter gewährleistet ferner die von der einzigen Tatsacheninstanz im Rechtszug geforderte hohe Qualität tatgerichtlicher Erkenntnis (BTDrucks aaO).
Der Senat merkt in diesem Zusammenhang an, dass die Rechtspraxis, soweit ersichtlich, den gebotenen sensiblen Umgang der großen Strafkammern mit der Besetzungsreduktion derzeit nicht widerspiegelt; anders ist ihre oftmals überwiegende, bei manchen Landgerichten ausschließliche Inanspruchnahme nicht erklärlich (vgl. BTDrucks 14/2777 S. 2 f.; 14/3831 S. 5; 16/3038 S. 32). Der Senat hielte es demgegenüber grundsätzlich für angezeigt, den der Beurteilung des Tatrichters unterstehenden Rechtsbegriff des Umfangs der Sache auch dahingehend weiter zu konturieren, dass jedenfalls bei einer im Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens absehbaren Verhandlungsdauer von wenigstens zehn Hauptverhandlungstagen von der Mitwirkung eines dritten Berufsrichters grundsätzlich nicht abgesehen werden darf (vgl. zu dieser Schwelle BGHSt 52, 355, 362; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 229 Rdn. 2; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 275 Rdn. 2). Ausnahmen mögen insbesondere bei weniger komplexen Verfahren möglich sein, wenn deren Umfang etwa allein durch eine Vielzahl für sich jeweils ganz einfach gelagerter Fälle bedingt ist.
3. Der absolute Revisionsgrund nach § 338 Nr. 1 StPO wegen eines Verstoßes gegen § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG liegt jedenfalls bei einer auf sachfremde Erwägungen gestützten Besetzungsentscheidung oder bei einem unvertretbaren Überschreiten des Beurteilungsspielraums durch das Tatgericht vor. Unter solchen Voraussetzungen ist die Anordnung reduzierter Besetzung objektiv willkürlich (vgl. BGHSt 44, 328, 333 ff.; BGHR GVG § 76 Abs. 2 Beurteilungsspielraum 3; BGH NStZ 2004, 56; Siolek in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 76 GVG Rdn. 16; Diemer in KK 6. Aufl. § 76 GVG Rdn. 3; Kissel/Mayer aaO § 76 Rdn. 5; Schlothauer StV 1993, 147, 150). Diese Voraussetzungen sind hier nach den Kriterien sowohl des Umfangs als auch der Schwierigkeit der Sache erfüllt.
Nur scheinbar waren nach dem konkreten Anklagesatz wenige Rechtsbeugungshandlungen aufzuklären, die an drei Hauptverhandlungstagen begangen wurden. Von Beginn an war evident, dass tatgerichtliche Feststellungen allein dieser Verfahrenshandlungen unzureichend sein würden. Gerade wegen der tatbestandlich gebotenen Bewertung der Verfahrensfehler im Rahmen des § 339 StGB war ersichtlich auch die aufwendige Rekonstruktion weiter Teile und Hintergründe des für sich bereits komplexen Ausgangsverfahrens vor dem Schöffengericht unerlässlich (§ 244 Abs. 2 StPO). Nur auf diese Weise konnte die Strafkammer ausschließen, dass die angeklagten Handlungen nicht etwa sachgerecht, vertretbar oder letztlich gar geboten waren.
Im Zeitpunkt der Besetzungsentscheidung lag daher auf der Hand, dass die von der Staatsanwaltschaft beigezogenen umfangreichen, mehrere tausend Seiten umfassenden Verfahrensakten aus dem zudem in der Sache komplizierten Strafverfahren gegen B. A. einschließlich der Ermittlungsakten der Verfahren gegen Rechtsanwalt R. und C. A. auszuwerten waren. Anhand dessen waren insbesondere die Hintergründe der von den Beschwerdeführern vermuteten Beteiligung von R. und C. A. an den Taten des B. A. durch die Strafkammer aufzuklären.
Der so ohnehin bereits erhebliche und komplexe Verhandlungsumfang wurde weiter geprägt durch die Auseinandersetzung mit verschiedenen, sämtlich anwaltlich beratenen Verfahrensbeteiligten, die voraussehbar jeweils unterschiedliche Interessen verfolgten. Dabei zeichnete sich schon durch die ausführlichen gegensätzlichen Gerichtsentscheidungen über die Eröffnung des Hauptverfahrens eine Auseinandersetzung über streitige, mindestens teilweise nicht alltägliche Rechts- und Verfahrensfragen ab. Diese Gesichtspunkte wurden hier auch nicht etwa entkräftet durch eine einfach gelagerte Beweisaufnahme (vgl. BGHSt 44, 328, 335 f.; BGHR GVG § 76 Abs. 2 Beurteilungsspielraum 3; BGH JR 2004, 170, 171). Vielmehr ließen auch die drohenden dienstrechtlichen Folgen einer Verurteilung für die nicht geständigen Beschwerdeführer von Anfang an erkennen, dass eine aufwendige und kontroverse Beweisaufnahme zu bewältigen sein würde.
Nach all dem war die Besetzungsentscheidung ebenso wie der nicht näher begründete, den Besetzungseinwand zurückweisende Gerichtsbeschluss nicht mehr vertretbar. Die Strafkammer hätte auf den Einwand hin die Besetzungsentscheidung aufheben müssen (BGH JR 2004, 170, 171). Das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes nach § 338 Nr. 1 StPO hat die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur Folge, über die eine große Strafkammer in nicht reduzierter Besetzung zu entscheiden haben wird.
C. Auf die sonstigen erhobenen Verfahrensrügen und die - nicht etwa zu einer begünstigenden Durchentscheidung führenden - sachlichrechtlichen Beanstandungen der Revisionen der Beschwerdeführer kommt es danach nicht mehr an. Der Senat sieht jedoch mit Blick auf das weitere Verfahren Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:
I. Die von der Strafkammer getroffenen Feststellungen zum Verfahren gegen B. A. vor dem Amtsgericht Eisenhüttenstadt sind - möglicherweise gar infolge der reduzierten Strafkammerbesetzung - derart zusammenhanglos und lückenhaft, dass sie eine sachlichrechtliche Überprüfung einiger der den Beschwerdeführern zur Last gelegten Verfahrenshandlungen für den Senat weitgehend nicht ermöglichen würden. Dies gilt namentlich für eine willkürliche Annahme von Haftgründen.
Darüber hinaus stellen Verfahrensrügen des Beschwerdeführers M. die Feststellungen zu ihm vorgeworfenen rechtsbeugerischen Verfahrenshandlungen teilweise in Frage. Dies gilt beispielsweise für die Feststellung der Haftgründe gegen Rechtsanwalt R. , wie für die Initiative des Beschwerdeführers M. in dem gegen diesen betriebenen Ausschließungsverfahren nach §§ 138a ff. StPO.
II. Der Senat merkt andererseits an: Im Gewicht von Verfahrensverstößen kann ein tragfähiges Indiz für eine sachwidrige Motivation im Sinne des § 339 StGB liegen. Weitere Indizien können sich aus den festzustellenden Begleitumständen ergeben.
1. Die Strafkammer geht zu Recht davon aus, dass Rechtsbeugung auch durch den Verstoß gegen Verfahrensvorschriften begangen werden kann (vgl. BGHSt 42, 343, 344; 47, 105, 109; BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 6; jeweils m.w.N.). Um nicht in jedem Rechtsverstoß bereits eine ?Beugung' des Rechts zu sehen, enthält das Tatbestandsmerkmal ein normatives Element; erfasst werden sollen davon nur elementare Verstöße gegen die Rechtspflege, bei denen sich der Täter bewusst und in schwerer Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei von Recht und Gesetz entfernt (vgl. BGHSt 32, 357, 364; 34, 146, 149; 38, 381, 383; 42, 343, 345; 47, 105, 109 ff.; BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 7; BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2009 - 4 StR 97/09 Tz. 10) und dadurch die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung begründet, ohne dass allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss (BGHSt 42, 343, 346, 351; BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 6).
2. Für die Erfüllung des ungeschriebenen tatbestandlichen Regulativs der konkreten Gefahr einer sachfremden Entscheidung (vgl. BGHSt 32, 357, 364) kann es sprechen, wenn ein Richter eine Entscheidung zum Nachteil einer Partei unter bewusster Begehung eines schwerwiegenden Verfahrensfehlers trifft. Ein derartiger schwerwiegender Verstoß kann in einer willkürlichen Zuständigkeitsbegründung als Missachtung des rechtsstaatlich besonders bedeutsamen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG jedenfalls dann liegen, wenn diese eine Verletzung weiterer wesentlicher grund- oder konventionsrechtlicher Rechtspositionen des Betroffenen bewirkt.
a) Der Beschwerdeführer M. war nach den bislang getroffenen Feststellungen für die Anordnung von Untersuchungshaft gegen R. und C. A. nicht zuständig. Nach der Geschäftsverteilung war M. im Jahre 2005 ausschließlich für die Erledigung des bereits rechtshängigen Schöffengerichtsverfahrens gegen B. A. zuständig.
aa) Die von ihm beschlossene Verbindung der bei der Staatsanwaltschaft anhängigen Ermittlungsverfahren gegen R. und C. A. mit dem beim Amtsgericht Eisenhüttenstadt rechtshängigen Verfahren gegen B. A. konnte eine Zuständigkeit nicht begründen. Die allein in Betracht kommende Verfahrensverbindung nach § 4 StPO war dem Angeklagten verschlossen. Es fehlte bereits an der erforderlichen Anklage (vgl. Meyer-Goßner, StPO 53. Aufl. § 4 Rdn. 4); nicht einmal ein entsprechender - freilich dafür nicht genügender - Verbindungsantrag des Beschwerdeführers P. als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft war gestellt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte ihre alleinige Dispositionsbefugnis über die Ermittlungsverfahren noch nicht verloren (vgl. Erb in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 4 Rdn. 3).
bb) Entgegen der Auffassung der Revision ergeben die bisherigen Feststellungen auch keine Zuständigkeit des Beschwerdeführers M. aus § 125 Abs. 1 StPO.
Als gegenüber § 162 Abs. 1 StPO speziellere Regelung ist danach vor Erhebung der öffentlichen Klage für den Erlass eines Haftbefehls grundsätzlich jeder Richter bei dem Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk ein Gerichtsstand begründet ist (vgl. auch Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 125 Rdn. 5). Im Falle verschiedener Gerichtsstände können daher auch mehrere Richter unterschiedlicher örtlich zuständiger Amtsgerichte zuständig sein, sofern deren Verhältnis nicht durch eine Zuständigkeitskonzentration nach § 58 GVG geregelt worden ist. Indes bestimmt § 125 Abs. 1 StPO nicht, wie sich die Zuständigkeit verschiedener Richter desselben in Betracht kommenden Gerichtsstands zueinander verhält. Die Annahme der Revision, aus § 125 Abs. 1 StPO folge die gleichrangige unmittelbare Zuständigkeit jedes Richters dieses Amtsgerichts, ist mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar.
Über den im Einzelfall nach § 125 StPO konkret zuständigen Richter haben die Bestimmungen der Geschäftsverteilungspläne der Gerichte Regelungen zu treffen (vgl. BVerfGE 19, 52, 59 f.; 20, 336, 344; 25, 336, 346). Auf diese Weise wird gewährleistet, dass der einzelne konkret zuständige Richter generell vorbestimmt ist, und verhindert, dass er ad hoc und ad personam bestimmt wird. Durch den Jahresgeschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt wurde die Zuständigkeit für ermittlungsrichterliche Befugnisse ausdrücklich zwei namentlich benannten Richtern und weiteren Vertretern, nicht jedoch dem ausschließlich noch für das Schöffengerichtsverfahren gegen B. A. zuständigen Beschwerdeführer M. zugewiesen. Die bisherigen Urteilsfeststellungen belegen damit eine zureichende generelle Bestimmung auch des nach § 125 Abs. 1 StPO zuständigen Richters.
Der Ermittlungsrichter ist funktionell für sämtliche amtsgerichtliche Entscheidungen im Verfahren zur Vorbereitung der öffentlichen Klage und damit auch für die Anordnung der Untersuchungshaft nach § 125 Abs. 1 StPO zuständig, sofern keine abweichende Regelung im Geschäftsverteilungsplan getroffen worden ist (vgl. Hilger in Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer [1990] S. 209, 213; Meyer-Goßner aaO § 162 Rdn. 13, § 125 Rdn. 2; Erb aaO § 162 Rdn. 16). Eine nähere Regelung eines Zuständigkeitsbereiches für den ?Haftrichter' im Geschäftsverteilungsplan ist regelmäßig entbehrlich, wenngleich als Spezialzuweisung möglich; der Strafprozessordnung ist ebenso wie dem Gerichtsverfassungsgesetz der Begriff und damit eine eigenständige regelungsbedürftige funktionale Zuständigkeit des ?Haftrichters' fremd.
cc) Von diesem Rechtsverständnis ging, soweit aus den bisherigen Feststellungen ersichtlich, auch der Beschwerdeführer M. aus. Er stützte seine Anordnung gerade nicht auf § 125 StPO; anderenfalls hätte es der offensichtlich rechtswidrigen Verbindung der Verfahren nicht bedurft.
b) Bei alledem erfolgte die Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG im Zusammenhang mit der Anordnung einer Freiheitsentziehung und berührte damit zugleich das Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), die zudem durch Richtervorbehalt (Art. 104 Abs. 2 GG) verfahrensrechtlich besonders abgesichert ist (vgl. Gusy in von Mangoldt/Klein/Starck, GG Band III 5. Aufl. Art. 104 Rdn. 13; ferner Art. 5 MRK).
III. Zur Revision des Beschwerdeführers P. merkt der Senat ergänzend an:
Die Strafkammer legt ihm zur Last, ?sich als Mittäter einer Rechtsbeugung schuldig gemacht zu haben', indem er ?aus sachfremden Erwägungen' und ?in Absprache mit dem Beschwerdeführer M. die Anträge auf Erlass der Haftbefehle' in der Kenntnis gestellt hat, dass ?keine tragenden Haftgründe gegeben waren' (UA S. 89).
1. Die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Beschwerdeführers P. (§ 25 Abs. 2 StGB) begegnet vor dem Hintergrund der getroffenen Urteilsfeststellungen rechtlichen Bedenken. Als Mittäter handelt, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die gemeinschaftliche Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung des anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung des einen Tatanteils erscheint (BGHSt 40, 299, 301; Fischer, StGB 57. Aufl. § 25 Rdn. 12 ff.). Erforderlich zur gebotenen Abgrenzung zur Teilnahme ist eine wertende tatrichterliche Gesamtschau. Daran fehlt es hier. Allein die - durch die Strafkammer wiederholt und gar apodiktisch angeführte - Tatmotivation des Beschwerdeführers P. trägt den für die Täterschaft notwendigen Willen zur Tatherrschaft noch nicht. Ob der Umfang seiner Beteiligung in Form der gestellten Haftanträge als notwendige Voraussetzung der Haftanordnungen für sich erhebliches Gewicht im Sinne einer objektiven Mitbeherrschung des Geschehens aufweist und daher ein tragfähiges Indiz für die Mittäterschaft darstellt, erscheint - ungeachtet der maßgeblichen Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft für die Ermittlungsverfahren gegen Rechtsanwalt R. und C. A. - jedenfalls nicht eindeutig. Sollte das neue Tatgericht keine weitergehenden Feststellungen namentlich zu einer gemeinsamen Tatplanung unter erheblicher Mitwirkung des Beschwerdeführers P. treffen können, so kann - bei entsprechendem Vorsatz - eine Beihilfe zur Rechtsbeugung in Betracht kommen.
2. Die knappen und wenig differenzierten Erörterungen der Strafkammer lassen indes selbst bei mittäterschaftlicher Erfolgszurechnung besorgen, dass dem Beschwerdeführer P. ein zu weiter Schuldumfang zur Last gelegt wurde. Auch bei Mittätern ist zunächst nach dem jeweils zurechenbaren Erfolgs- und Handlungsunwert zu differenzieren (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 4. Aufl. Rdn. 479). Namentlich Ausführungen zum angenommenen Handlungsunwert sind bislang - anders als beim Beschwerdeführer M. - unterblieben. Diese waren aber gerade auch im Blick auf die hinter der Bestrafung des Beschwerdeführers M. nur wenig zurückbleibende verhängte Sanktion unentbehrlich. ..."
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Die Bestimmung des Vorsitzenden einer großen Strafkammer ist auch nach der Neufassung des § 21g GVG Teil der vorschriftsmäßigen Besetzung i.S.d. § 338 Nr. 1 StPO. Zur Ersetzung des ausgeschiedenen Strafkammervorsitzenden durch den zum Ergänzungsrichter bestellten neuen Vorsitzenden in einer laufenden Hauptverhandlung. Zur Notwendigkeit der Erhebung eines Besetzungseinwands oder der Herbeiführung eines Gerichtsbeschlusses bei Bekanntwerden maßgeblicher Verfahrenstatsachen nach Beginn der Hauptverhandlung (BGH, Beschluss vom 08.01.2009 - 5 StR 537/08 zu StPO §§ 338 Nr. 1, 222b, 238 Abs. 2; GVG §§ 21e-g, 192).
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Die Teilabordnung eines (Vorsitzenden) Richters am Oberlandesgericht an ein Landgericht ist nach § 37 DRiG zulässig. § 27 Abs. 2 DRiG steht dem weder unmittelbar noch in analoger Anwendung entgegen. Vorsitzender eines Spruchkörpers bei einem Landgericht kann auch ein Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht sein, der an das Landgericht (rück-)abgeordnet wurde. Scheidet ein Richter aus einem Spruchkörper aufgrund der Übertragung eines Richteramtes bei einem anderen Gericht aus, ist ein Verhinderungsfall i.S.v. § 192 Abs. 2 GVG nicht gegeben, wenn die Hauptverhandlung, die unter Beteiligung des Richters begonnen wurde, aufgrund einer Rückabordnung nach § 37 DRiG innerhalb der Fristen des § 229 StPO in der ursprünglichen Besetzung der Richterbank fortgesetzt werden kann. Zur Notwendigkeit der Erhebung eines Besetzungseinwands bei Bekanntwerden maßgeblicher Verfahrenstatsachen nach Beginn der Hauptverhandlung (BGH, Beschluss vom 10.12.2008 - 1 StR 322/08 zu StPO §§ 338 Nr. 1, 222b; GVG §§ 21f, 192; DRiG §§ 27 Abs. 2, 37).
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Der Präsidiumsbeschluß, durch den wegen Überlastung der zuständigen ordentlichen Strafkammer eine Hilfsstrafkammer eingerichtet wird, muß so detailliert begründet sein, daß eine Prüfung seiner Rechtmäßigkeit möglich ist; von Verfassungs wegen sind Regelungen der Zuständigkeit, anders deren Anwendung, nicht lediglich am Maßstab der Willkür, sondern auf jede Rechtswidrigkeit hin zu überprüfen. Fehlt eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Dokumentation der Gründe, die für den Präsidiumsbeschluß für die Übertragung eines Verfahrens auf eine neu eingerichtete Hilfsstrafkammer maßgeblich waren, ist die Überprüfung, ob dieser Beschluß rechtmäßig war, nicht möglich (BGH, Beschluss vom 04.08.2009 - 3 StR 174/09 zu StPO §§ 338 Nr. 1, 222b, 344 Abs. 2 S. 2; GVG § 21e Abs. 3 S. 1).
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? ... 1. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Zu Recht beanstandet der Beschwerdeführer die Besetzung der Strafkammer in der Hauptver-handlung mit (nur) zwei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden (§ 76 Abs. 2 Satz 1 GVG i. V. m. § 338 Nr. 1 StPO). Im Einzelnen:
a) Die Staatsanwaltschaft hat den vier (früheren) Mitangeklagten des Beschwerdeführers in ihrer zunächst erhobenen Anklage vom 2. Juni 2005 folgen-de Straftaten vorgeworfen:
? Avni M. : Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, hiervon in vier Fällen bandenmäßig begangen;
? Sherif M. : Bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen;
? Shkelqim M. : Bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, in drei dieser Fälle als Gehilfe handelnd sowie
? Sokol M. : Bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen.
Unter dem 15. Juli 2005 hat die Staatsanwaltschaft sodann gegen den Beschwerdeführer Anklage erhoben und ihm - teilweise gemeinsam mit den vorgenannten Personen begangen - Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem Fall sowie bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 13 Fällen, in vier dieser Fälle in Tateinheit mit Anstiftung zur bandenmäßigen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zur Last gelegt. Beide Anklagen haben Handels- und Schmuggeltätigkeiten der Angeklagten mit Betäubungsmitteln in mehreren eu-ropäischen Ländern zum Gegenstand.
In den Anklageschriften hat die Staatsanwaltschaft insgesamt 23 Zeugen und mehrere Sachverständige sowie deren Gutachten zu Finger- und DNA-Spuren, zur Qualitätsbestimmung der aufgefundenen Betäubungsmittel, zum Stimmenvergleich sowie zur Abstammung der Angeschuldigten Besim und Sokol M. benannt bzw. vorgelegt. Neben insgesamt rund 250 "Überführungsstücken" und "Einziehungsgegenständen" sowie mehreren "Augen-scheinsobjekten" hat die Staatsanwaltschaft dem Landgericht in beiden Verfahren jeweils die Übersetzung von (denselben) rund 600 Telefonüberwachungsprotokollen vorgelegt. Die Akten haben damals aus 20 Bänden und mehreren - teils umfangreichen - Sonderheften bestanden. Im Rahmen der Ermittlungsverfahren waren - was dem Landgericht bekannt war - darüber hinaus insgesamt rund 82.500 Telefonate überwacht und aufgezeichnet worden.
Das Landgericht hat beide Anklagen am 11. Oktober 2005 zur Hauptverhandlung zugelassen, die Hauptverfahren eröffnet und gleichzeitig bestimmt, dass die Hauptverhandlung unter Mitwirkung des Vorsitzenden und eines Beisitzers stattfinden soll. Zugleich sind die Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden worden. Die Strafkammer hat zunächst zehn Hauptverhandlungstage bestimmt. Hierzu sind die zum damaligen Zeitpunkt gewählten bzw. bestellten sechs Verteidiger der Angeklagten sowie ein Dolmetscher (für die albanische Sprache), Zeugen indes "noch nicht" geladen worden.
Letztlich hat die Hauptverhandlung ab dem 31. Oktober 2005 an insgesamt 88 Verhandlungstagen bis zum 28. Mai 2008 stattgefunden. Dabei sind u. a. rund 80 der abgehörten und aufgezeichneten Telefonate in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Das Protokoll füllt vier Stehordner.
Den vor Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache von der Verteidigung des Angeklagten gegen die Besetzung der Kammer mit nur zwei Berufsrichtern erhobenen Einwand hat das Landgericht zurückgewiesen.
b) Bei dieser Sachlage ist die - nicht präkludierte (§ 222 b Abs. 1, § 338 Nr. 1 Buchst. b StPO analog; vgl. BGHSt 44, 328, 332 f.) - Besetzungsrüge begründet. Der Umfang der Sache machte die Mitwirkung eines dritten Berufsrichters unumgänglich.
Gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG beschließt die - nicht als Schwurgericht zuständige - große Strafkammer bei der Eröffnung des Hauptverfahrens, dass sie in der Hauptverhandlung mit nur zwei Berufsrichtern einschließlich des Vor-sitzenden besetzt ist, es sei denn, nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache erscheint die Mitwirkung eines dritten (Berufs-)Richters erforderlich. Bei dieser Entscheidung steht der Strafkammer kein Ermessen zu; sie hat die Dreierbesetzung zu beschließen, wenn dies nach Umfang oder Schwierigkeit der Sache notwendig erscheint. Jedoch ist der großen Strafkammer bei der Auslegung dieser gesetzlichen Merkmale ein weiter Beurteilungsspielraum eröffnet, bei dessen Ausfüllung allerdings die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind (BGHSt 44, 328, 334; BGH NStZ 2004, 56; StV 2004, 250, 251). Maßgebend für die Bewertung des Umfangs der Sache sind etwa die Zahl der Angeklagten, Verteidiger und erforderlichen Dolmetscher, die Zahl der dem oder den Angeklagten vorgeworfenen Straftaten, die Anzahl der Zeugen und anderen Beweismittel, die Notwendigkeit von Sachverständigengutachten, der Umfang der Akten sowie die voraussichtliche Dauer der Hauptverhandlung. In Zweifelsfällen verdient die Dreierbesetzung den Vorzug.
Jedoch begründet nicht jeder Verstoß gegen § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG eine durchgreifende Besetzungsrüge nach § 338 Nr. 1 StPO. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn die Strafkammer ihre Entscheidung auf sachfremde Erwägungen gestützt oder den ihr eingeräumten Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschritten hat, so dass die Besetzungsreduktion objektiv willkürlich erscheint (s. insgesamt BGHSt 44, 328, 333 ff.; BGH NStZ 2005, 56).
So liegt es hier. Die Hauptverhandlung war gegen fünf Angeklagte zu führen, denen eine Vielzahl schwerster, in je unterschiedlicher Zusammensetzung begangener Verbrechen nach dem Betäubungsmittelgesetz angelastet wurde. Den Angeklagten standen sechs Verteidiger zur Seite. Es war eine erhebliche Anzahl von Zeugen zu vernehmen, etliche Sachverständige waren zu hören und umfangreiche weitere Beweiserhebungen durchzuführen, für die die Strafkammer von vornherein mehr als zehn Hauptverhandlungstage als erforderlich ansah. Hierbei war namentlich für die Einführung der für den Tatnachweis entscheidenden Ergebnisse der Telefonüberwachung mit einem weit über das Übliche hinausgehenden Verhandlungsaufwand zu rechnen. Schon die Staatsanwaltschaft hatte von den rund 82.000 abgehörten Telefonaten ca. 600 für potentiell entscheidungsrelevant gehalten und dementsprechend hiervon übersetzte Protokolle der Gespräche vorgelegt. Deren Beteiligte waren zu identifizieren (Stimmvergleichsgutachten waren bereits im Ermittlungsverfahren ein-geholt worden), die Richtigkeit der Übersetzungen war gegebenenfalls zu prüfen und deren Inhalt zu bewerten. Angesichts dieses Umfangs der Sache war die Reduzierung der Richterbank auch bei Beachtung des der Kammer eingeräumten weiten Beurteilungsspielraums nicht mehr vertretbar. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass - wie sich dem Verfahrensgang, der Terminsverfügung und dem Revisionsvortrag entnehmen lässt - die Strafkammer zum Zeitpunkt der Entscheidung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG offensichtlich davon ausgegangen ist, das Verfahren durch eine Absprache einverständlich und damit kurzfristig erledigen zu können. Dies hätte eine Besetzungsreduktion aber allenfalls dann rechtfertigen können, wenn die Kammer nach dem bisherigen Verfahrensgang konkrete tatsächliche Anhaltspunkte dafür gehabt hätte, dass sich die Angeklagten in der Hauptverhandlung entsprechend den Anklagevorwürfen geständig zeigen werden und daher eine deutliche Beschränkung der ansonsten anstehenden Beweisaufnahme zu erwarten gewesen wäre. Dafür ist indes nichts ersichtlich.
Das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes nach § 338 Nr. 1 StPO hat die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung der Sache zur Folge (§§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO). ..." (BGH, Urteil vom 18.06.2009 - 3 StR 89/09)
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Der Präsidiumsbeschluss über die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die Übertragung (auch) bereits anderweitig anhängiger Sachen an diese (§ 21 e Abs. 3 GVG) ist zu begründen. Mängel dieser Begründung können spätestens bis zur Entscheidung der Hilfsstrafkammer über einen in der Hauptverhandlung erhobenen Besetzungseinwand (§ 222 b StPO) behoben werden (BGH, Urteil. vom 09.04.2009 - 3 StR 376/08 zu GVG § 21 e Abs. 3, StPO § 338 Nr. 1 Buchst. b).
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Der Grundsatz der Unabänderlichkeit der mit der Eröffnung der Hauptverfahren getroffenen Entscheidungen über eine Besetzungsreduktion nach § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG oder § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG kann durchbrochen werden, wenn sich durch eine Verbindung erstinstanzlicher landgerichtlicher Verfahren die Schwierigkeit und/oder der Umfang der Sache erheblich erhöhen und sich deshalb die auf der Grundlage getrennter Verfahrensführung beschlossenen Besetzungsreduktionen als nicht mehr sachgerecht erweisen. Soll die in den noch getrennten Verfahren jeweils angeordnete reduzierte Besetzung auch nach der Verfahrensverbindung beibehalten werden, so ist eine entsprechende neue Beschlussfassung nicht erforderlich (BGH, Beschluss. vom 29.01.2009 - 3 StR 567/08):
?... Der Schuldspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Der näheren Erörterung bedarf lediglich die Verfahrensrüge, die erkennende Jugendkammer sei mit nur zwei Berufsrichtern nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 33 b Abs. 2 JGG, § 338 Nr. 1 StPO).
a) Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Heranwachsenden H. wegen des Vorwurfs der mittäterschaftlichen Beteiligung an einem Einbruchsdiebstahl und einer Brandstiftung Anklage bei der Jugendkammer und wenig später gegen den Angeklagten und zwei Mitangeklagte wegen derselben Tatvorwürfe Anklage bei der allgemeinen Strafkammer des Landgerichts Mönchengladbach erhoben. Die Strafkammern haben jeweils die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen und zugleich gemäß § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG bzw. § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG für die Hauptverhandlung die reduzierte Besetzung mit zwei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei (Jugend-) Schöffen bestimmt. Sodann hat die allgemeine Strafkammer die bei ihr anhängige Strafsache der Jugendkammer zur Übernahme und Verbindung vorgelegt. Diese hat außerhalb der Hauptverhandlung in der Besetzung mit drei Richtern die Übernahme des gegen den Angeklagten und die beiden Mitangeklagten gerichteten Verfahrens beschlossen und diese Sache zu dem bei ihr geführten Verfahren verbunden. Eine erneute Entscheidung nach § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG über eine reduzierte Besetzung in der Hauptverhandlung hat die Jugendkammer weder in dem Verbindungsbeschluss noch zu einem späteren Zeitpunkt getroffen.
Zu Beginn der Hauptverhandlung hat der Verteidiger des Angeklagten die Besetzung der erkennenden Jugendkammer mit nur zwei Berufsrichtern mit der Begründung beanstandet, die Jugendkammer hätte nach Verbindung der Verfahren die Besetzungsreduktion gemäß § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG erneut beschließen müssen. Da dies unterblieben sei, sei das erkennende Gericht mit nur zwei Berufsrichtern vorschriftswidrig besetzt. Im Übrigen erfordere der infolge der Verfahrensverbindung eingetretene überdurchschnittliche Umfang der Sache eine Verhandlung mit drei Berufsrichtern. Die Jugendkammer hat den Besetzungseinwand zurückgewiesen.
b) Die Verfahrensrüge ist zulässig erhoben. Dem Revisionsvorbringen sind die den behaupteten Verfahrensmangel begründenden Tatsachen zu entnehmen. Der vom Generalbundesanwalt vermissten wörtlichen Wiedergabe der Besetzungsentscheidung der Jugendkammer im Eröffnungsbeschluss vom 10. März 2008 hat es nicht bedurft; deren Inhalt kann in hinreichender Weise dem von der Revision mitgeteilten Beschluss der Jugendkammer über die Zurückweisung der Besetzungsrüge entnommen werden (vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. § 344 Rdn. 39 m. w. N.).
c) Die Rüge ist jedoch unbegründet.
aa) Die Besetzung des erkennenden Gerichts mit nur zwei Berufsrichtern war nicht deshalb fehlerhaft, weil die Jugendkammer nach Verbindung der Verfahren nicht erneut förmlich gemäß § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG über eine reduzierte Besetzung in der Hauptverhandlung entschieden hat.
(1) Gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG, § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG hat die große Straf- oder Jugendkammer die Entscheidung, dass sie die Hauptverhandlung in reduzierter Besetzung durchführt, bei der Eröffnung des Hauptverfahrens zu treffen. Ist die Besetzungsreduktion beschlossen, so gilt diese Entscheidung auch dann fort, wenn die Sache später mit einem anderen Verfahren verbunden wird, in dem die Anklage ebenfalls schon zugelassen und die Durchführung der Hauptverhandlung mit nur zwei Berufsrichtern angeordnet worden ist (zur Verbindung von Verfahren, in denen unterschiedliche Besetzungsentscheidungen getroffen worden sind, vgl. Siolek in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Nachtrag zu § 76 GVG Rdn. 4 ff.); denn dem Gesetz lässt sich keine Bestimmung entnehmen, wonach in einem derartigen Fall die ursprünglichen Entscheidungen in den verbundenen Verfahren ihre Wirksamkeit verlieren und über die Besetzungsreduktion durch die übernehmende große Straf- oder Jugendkammer neu beschlossen werden müsste. Schon dies schließt es aus, dass allein das Unterbleiben einer neuen Entscheidung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG oder § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG zur Regelbesetzung der großen Straf- oder Jugendkammer nach § 76 Abs. 1 GVG oder § 33 b Abs. 1 JGG führt und daher die Verhandlung in reduzierter Besetzung unter einer der Voraussetzungen des § 338 Nr. 1 Halbs. 2 StPO einen absoluten Revisionsgrund schafft.
(2) Dies bedeutet indessen nicht, dass der Grundsatz der Unabänderlichkeit der mit der Eröffnung der Hauptverfahren getroffenen Entscheidungen über eine Besetzungsreduktion nach § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG bzw. § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG (nunmehr jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 7. Dezember 2008, BGBl I 2348) nicht durchbrochen werden könnte, wenn sich durch eine Verbindung erstinstanzlicher landgerichtlicher Verfahren die Schwierigkeit und/oder der Umfang der Sache erheblich erhöhen und sich deshalb die auf der Grundlage getrennter Verfahrensführung beschlossenen Besetzungsreduktionen als nicht mehr sachgerecht erweisen. In einem solchen Fall ist es möglich - und gegebenenfalls sogar geboten -, die vor Verfahrensverbindung übereinstimmend angeordneten Besetzungsreduktionen rückgängig zu machen. Insoweit gilt:
Zwar kann eine einmal angeordnete Besetzungsentscheidung grundsätzlich nicht mehr geändert werden, wenn sie im Zeitpunkt ihres Erlasses gesetzesgemäß war. Eine nachträglich eingetretene Änderung des Umfangs oder der Schwierigkeit der Sache ist deshalb regelmäßig nicht geeignet, eine der geänderten Verfahrenslage angepasste neue Besetzungsentscheidung zu veranlassen (vgl. BGHSt 44, 328, 333; BGH NJW 2003, 3644, 3645). Hierdurch wird sichergestellt, dass Verfahrensbeteiligte nicht durch entsprechende Antragstellungen nach einer einmal gefassten Besetzungsentscheidung Einfluss auf die Schwierigkeit und den Umfang der Sache und damit auf die Bestimmung des gesetzlichen Richters nehmen können (vgl. BGHSt 44, 328, 333). Dieser Grundsatz hat zunächst uneingeschränkt auch dann gegolten, wenn die Änderung der Verfahrenslage durch eine gerichtliche Entscheidung herbeigeführt worden ist. Mit dem Gesetz zur Verlängerung der Besetzungsreduktion bei Strafkammern vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 1756) ist jedoch eine Ausnahme geschaffen und die Unabänderlichkeit der bei Eröffnung des Hauptverfahrens getroffenen Besetzungsentscheidung für die Fälle der Zurückweisung einer Sache durch das Revisionsgericht abgeschafft worden. § 33 b Abs. 2 Satz 2 JGG und gleichlautend § 76 Abs. 2 Satz 2 sowie § 122 Abs. 2 Satz 4 GVG bestimmen seither, dass nach Zurückverweisung der Sache das nunmehr für die Verhandlung und Entscheidung zuständige Gericht erneut nach § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG, § 76 Abs. 2 Satz 1 oder § 122 Abs. 2 Satz 2 GVG über seine Besetzung beschließen kann. In diesen Fällen wird eine Anpassung der Gerichtsbesetzung ermöglicht, wenn sich Umfang und/oder Schwierigkeit der Sache infolge der Revisionsentscheidung entscheidend verändert haben (vgl. BTDrucks. 14/3370 S. 3 und 14/3831 S. 6).
Die in diesen Ausnahmeregelungen zum Ausdruck gebrachten Rechtsgedanken sind auf den vorliegenden Fall zu übertragen.
Die Vorschriften tragen dem Umstand Rechnung, dass eine Revisionsentscheidung den Verfahrensstoff nachträglich derart verändern kann, dass die ursprüngliche, unter anderen Vorzeichen getroffene Besetzungsentscheidung den Maßstäben, die § 76 Abs. 2 Satz 1, § 122 Abs. 2 Satz 4 GVG, § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG für die Abgrenzung zwischen regelmäßiger und reduzierter Besetzung des zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers aufstellen, nicht mehr gerecht wird. Obwohl die Ausnahmeregelungen in erster Linie zur Entlastung der Justiz geschaffen wurden (vgl. BTDrucks. 14/3831 S. 2), erlaubt der Wortlaut des Gesetzes in Zurückverweisungsfällen eine Korrektur der ursprünglichen Besetzungsentscheidung in jeder Hinsicht: Es kann nach Zurückverweisung einer Sache nicht nur erstmals die reduzierte Besetzung mit zwei statt vormals mit drei Richtern angeordnet werden, sondern es ist auch möglich, eine früher beschlossene Besetzungsreduktion rückgängig zu machen (vgl. Siolek aaO Nachtrag zu § 76 GVG Rdn. 1).
Wie bei der Zurückverweisung einer Sache durch das Revisionsgericht können sich aber auch durch eine Verfahrensverbindung, mithin ebenfalls allein durch eine gerichtliche Entscheidung, der Umfang und der Schwierigkeitsgrad eines Verfahrens nachhaltig erhöhen, so dass sich die vor der Verfahrensverbindung übereinstimmend getroffenen Anordnungen über eine Besetzungsreduktion im Nachhinein als nicht mehr mit den in § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG bzw. § 76 Abs. 2 Satz 1, § 122 Abs. 2 Satz 4 GVG hierfür gesetzlich bestimmten Voraussetzungen vereinbar erweisen. Dem muss durch die Möglichkeit einer nachträglichen Korrektur der ursprünglichen Besetzungsentscheidungen Rechnung getragen werden (im Ergebnis ebenso Siolek aaO Rdn. 3 und 4; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 76 Rdn. 4).
(3) Aus all dem folgt für den hier zu beurteilenden Fall:
Die mit den jeweiligen Eröffnungsbeschlüssen gesetzmäßig (insoweit erhebt auch die Revision keine Beanstandungen) angeordneten Besetzungsreduktionen haben durch die spätere Verfahrensverbindung zwar ihre Bindungswirkung für das weitere Verfahren verloren nicht aber ihre Rechtswirksamkeit. Da durch die Verfahrensverbindung nur die Möglichkeit eröffnet worden ist, die Gerichtsbesetzung an die veränderte Sachlage anzupassen, wäre eine ausdrückliche Beschlussfassung der nach Verfahrensverbindung zuständigen Jugendkammer daher nur bei Abänderung der ursprünglichen Besetzungsentscheidung, also nur dann geboten gewesen, wenn sich nach deren Ansicht die Schwierigkeit und/oder der Umfang der Sache durch die Verfahrensverbindung entscheidend erhöht hätte. Da dies nicht der Fall gewesen ist und die Jugendkammer somit die bisher in beiden Verfahren übereinstimmend angeordnete Besetzung hat beibehalten wollen, ist eine entsprechende Beschlussfassung nicht erforderlich gewesen (ebenso zu einem Zurückverweisungsfall: BGH StraFo 2003, 134). Es hätte sich allenfalls aus Klarstellungsgründen empfohlen, die Beibehaltung der ursprünglichen Besetzung im Verbindungsbeschluss zum Ausdruck zu bringen.
bb) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, der nach Verbindung gesteigerte Umfang der Sache hätte eine Verhandlung in Dreierbesetzung erfordert, ist die Rüge aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen unbegründet. ..."
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?... Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Seine Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Sie rügt zu Recht, dass die Hauptverhandlung in einer gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG reduzierten Besetzung durchgeführt wurde (§ 338 Nr. 1 StPO).
1. Folgender Verfahrensablauf liegt zu Grunde:
Durch Eröffnungsbeschluss vom 11. September 2006 hat die Strafkammer das Hauptverfahren eröffnet, ohne dabei einen Beschluss gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG zu fassen. Am 9. Oktober 2007 hat sie den Eröffnungsbeschluss ?durch die Feststellung ergänzt, dass die Hauptverhandlung in der Besetzung mit zwei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen" stattfindet. Dieser Beschluss ist bis zur Hauptverhandlung der Verteidigung weder zugestellt worden noch sonst bekannt geworden. Auch eine Mitteilung der Gerichtsbesetzung nach § 222a Abs. 1 Satz 2 StPO ist bis zum Beginn der Hauptverhandlung nicht erfolgt. In der Hauptverhandlung hat der Vorsitzende die Gerichtsbesetzung mitgeteilt, ohne auf den Beschluss vom 9. Oktober 2007 hinzuweisen. Der Antrag der Verteidigung, die Hauptverhandlung wegen der erst jetzt mitgeteilten Besetzung zu unterbrechen, wurde nach einer Unterbrechung von fünf Minuten durch Gerichtsbeschluss mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Gericht ordnungsgemäß besetzt sei.
2. Der zulässig erhobenen Besetzungsrüge, die nicht präkludiert ist, kann der Erfolg nicht versagt werden. Mit nur zwei Berufsrichtern war das erkennende Gericht fehlerhaft besetzt.
a) Die Rüge ist zulässig, weil - wie die Revision vollständig mitgeteilt hat - die große Strafkammer die Hauptverhandlung nach § 222a Abs. 2 StPO zur Prüfung der Besetzung gar nicht unterbrochen hat (§ 338 Nr. 1 lit. c StPO; vgl. zudem im Anschluss an den Antrag des Generalbundesanwalts zur Unterbrechungsdauer Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 222a Rdn. 22).
b) Die Revision beanstandet zu Recht, dass das Landgericht in der Besetzung mit zwei - anstatt mit drei - Berufsrichtern (und zwei Schöffen) entschieden hat, obwohl es bei Eröffnung des Hauptverfahrens einen dahin gehenden Beschluss nach § 76 Abs. 2 GVG nicht gefasst hatte.
aa) Die Entscheidung über die Anzahl der an der Hauptverhandlung mitwirkenden Richter ist bei der Eröffnung des Hauptverfahrens zu treffen (vgl. BGHR GVG § 76 Abs. 2 Besetzungsbeschluss 1; Meyer-Goßner aaO § 76 GVG Rdn. 4). ?Bei der Eröffnung" bedeutet zugleich mit der Eröffnungsentscheidung; eine spätere Beschlussfassung ist nicht möglich, weil mit der Eröffnung des Hauptverfahrens feststehen muss, mit wie vielen Richtern das erkennende Gericht in diesem Verfahrensabschnitt besetzt ist (vgl. Begründung RegE des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 in BT-Drucks. 12/1217, S. 48; BGHSt 44, 328, 332; Siolek in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 76 GVG Rdn. 4). Die Entscheidung kann regelmäßig auch nicht mehr geändert werden (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 214; Meyer-Goßner aaO m.w.N.). Hiernach ist der (?Feststellungs"-)Beschluss des Landgerichts vom 9. Oktober 2007 ohne rechtliche Relevanz.
bb) Ist bei Eröffnung des Hauptverfahrens nicht nach § 76 Abs. 2 GVG beschlossen worden, dass die große Strafkammer in der Hauptverhandlung nur mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen besetzt ist, so muss die Strafkammer in der Hauptverhandlung mit drei Richtern tätig werden, und zwar auch dann, wenn der Ausspruch versehentlich unterblieben ist (vgl. BGHSt 44, 361, 362; BGH NStZ-RR 2006, 214; LG Bremen StV 2004, 251; Siegismund/Wickern wistra 1993, 139; Siolek aaO m.w.N.; Meyer-Goßner aaO; Diemer in KK 5. Aufl. § 76 GVG Rdn. 2; Kissel/Mayer, GVG 5. Aufl. § 76 Rdn. 8; vgl. differenzierend - nicht tragend - zum Regel-Ausnahme-Verhältnis BGHSt 44, 328, 331).
Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 GVG ist eine große Strafkammer in der Hauptverhandlung grundsätzlich mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt. Ein Abweichen von dieser gesetzlichen Vorgabe bedarf ausdrücklicher Beschlussfassung (§ 76 Abs. 2 GVG). ..." (BGH, Beschluss vom 05.08.2008 - 5 StR 317/08)
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?... b) Die - vom Generalbundesanwalt für durchgreifend erachtete - Besetzungsrüge nach § 338 Nr. 1 StPO dringt nicht durch.
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass das erkennende Gericht mit dem ursprünglich vom Vorsitzenden der Strafkammer von der Dienstleistung entbundenen und später von der Strafkammer erneut herangezogenen Hauptschöffen nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Die ursprüngliche Befreiung des Schöffen von der Dienstleistung am Hauptverhandlungstag sei nicht willkürlich gewesen und habe deshalb nicht mehr widerrufen werden können.
Der Schöffe hatte vor Sitzungsbeginn mitgeteilt, dass er an der Wahrnehmung des Termins verhindert sei, weil er selbst Angeklagter in einem zwei Wochen vorher stattfindenden Strafverfahren wegen Verdachts der Eingehung einer Scheinehe sei. Der Vorsitzende der Strafkammer hatte ihn daraufhin für die Sitzung gemäß §§ 77, 54 Abs. 1 GVG von der Dienstleistung befreit und die Heranziehung einer Hilfsschöffin angeordnet. Im Hauptverhandlungstermin rügte der Beschwerdeführer, dass das Gericht mit der herangezogenen Hilfsschöffin nicht vorschriftsmäßig besetzt sei. Die Entpflichtung des Schöffen sei willkürlich erfolgt, weil das Strafverfahren gegen den Schöffen vor Beginn der Hauptverhandlung rechtskräftig beendet worden sei und die Unfähigkeitsgründe des § 32 GVG nicht vorgelegen hätten. Daraufhin stellte das Landgericht - ohne Mitwirkung des in Urlaub befindlichen geschäftsplanmäßigen Vorsitzenden - gemäß § 222b Abs. 2 Satz 2 StPO fest, dass es nicht vorschriftsmäßig besetzt sei, zog wieder den Hauptschöffen hinzu und begann anschließend sofort unter dessen Mitwirkung erneut mit der Hauptverhandlung.
aa) Der Senat lässt offen, ob die Zulässigkeit der Rüge - was nicht fern liegt - bereits an § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO scheitert, weil der auf den Besetzungseinwand ergangene Gerichtsbeschluss in der Revisionsbegründung nicht ganz vollständig mitgeteilt worden ist (vgl. die Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft Hamburg vom 5. Juli 2007 zu 2).
bb) Die Rüge ist jedenfalls als widersprüchliches Prozessverhalten nicht statthaft (vgl. hierzu BGHR StPO § 218 Ladung 5, § 247 Ausschließungsgrund 1, § 344 Abs. 2 Satz 2 Missbrauch 1 und § 349 Abs. 1 Unzulässigkeit 2; BGH NStZ 1997, 451; BGH, Beschluss vom 29. August 2007 - 1 StR 387/07). Zur Begründung der Besetzungsrüge beruft sich der Beschwerdeführer im Revisionsverfahren auf die Willkürfreiheit der Entbindung des Hauptschöffen und die sich daraus ergebende Bindungswirkung jener Vorsitzendenentscheidung (§§ 77, 54 Abs. 1 und Abs. 3 GVG), wohingegen er seinen Besetzungseinwand in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht gerade auf die Willkür derselben Entscheidung gestützt hatte. Das Landgericht ist dem Besetzungseinwand gefolgt und hat dabei mit dem zulässigen sofortigen Neubeginn der Verhandlung (vgl. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl., § 222b Rdn. 34; Meyer-Goßner aaO § 222b Rdn. 12) im Sinne einer sofort möglichen Heilung des geltend gemachten Besetzungsfehlers dem erklärten Wunsch des Beschwerdeführers entsprochen. Damit ist dieser insoweit in der Besetzungsfrage, zu welcher er einen etwaigen revisionsrechtlichen Einwand nach dem Normengefüge aus §§ 222a, 222b, 338 Nr. 1 StPO bereits zu Beginn der Hauptverhandlung zu erheben gehalten war, klaglos gestellt worden. Danach kann er im Revisionsverfahren mit einer seinem Besetzungseinwand direkt entgegenstehenden Besetzungsrüge kein Gehör mehr finden.
Widersprüchliches Verhalten verdient keinen Rechtsschutz (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Missbrauch 1). Eine Statthaftigkeit derart spezifisch widersprüchlichen Prozessverhaltens lässt sich auch nicht etwa aus § 222b Abs. 2 Satz 3 StPO ableiten. Soweit aus dieser Vorschrift tatsächlich ein genereller Ausschluss der Präklusion nach Besetzungsänderung (h. M., vgl. nur Gollwitzer aaO Rdn. 35) herzuleiten sein sollte, kann dieses in dem vorliegenden Sonderfall einer sofortigen Weiterverhandlung in einer dem Besetzungseinwand entsprechenden Besetzung nur für den Bereich der geänderten Besetzung und, soweit einem Besetzungseinwand - wie hier - entsprochen wurde, nur für andere Prozessbeteiligte gelten, die den Einwand ihrerseits nicht erhoben haben.
Die Unstatthaftigkeit solch widersprüchlichen Revisionsvorbringens drängt sich namentlich bei einer Besetzungsrüge aus einem Erst-Recht-Schluss auf: Wenn ein Revisionsführer allein aufgrund der passiven Hinnahme einer Gerichtsbesetzung vor dem Tatgericht mangels Erhebung eines Besetzungseinwands nach §§ 222a, 222b, 338 Nr. 1 StPO mit einer Besetzungsrüge ausgeschlossen sein kann, so muss solches erst recht gelten, wenn er - wie hier - mit einer Besetzungsrüge bei unveränderter Kenntnis der die Rüge begründenden Tatsachen just die Gerichtsbesetzung beanstanden will, die er im Rahmen des Verfahrens nach §§ 222a, 222b StPO ausdrücklich gewünscht hat.
cc) Ob die Rüge auch daran scheitern müsste, dass die Annahme einer unvertretbaren und daher als willkürlich zu wertenden Entbindungsentscheidung des Vorsitzenden in dem Beschluss des Landgerichts nach § 222b Abs. 2 Satz 1 StPO ihrerseits vertretbar und daher mit der Besetzungsrüge nicht angreifbar ist (vgl. Kuckein in KK 5. Aufl. § 338 Rdn. 46), bedarf danach keiner Entscheidung. Allein der Umstand, dass in jenem Beschluss der Willkürmaßstab nicht ausdrücklich benannt worden ist, stünde dem nicht entgegen. ..." (BGH, Urteil vom 01.04.2008 - 5 StR 357/07)
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Sind in einer Hauptverhandlung noch keine Erträge erzielt worden, die bei einer Unterbrechung fortwirkten, bei einer Aussetzung aber erneut gewonnen werden müssten, ist das Gericht in der Entscheidung, ob es die Hauptverhandlung unterbricht oder sie aussetzt, grundsätzlich frei. Eine solche Unterbrechungs- oder Aussetzungsentscheidung verstößt nicht gegen Art. 101 Abs. 1 GG, es sei denn, sie wäre willkürlich getroffen (BGH, Urteil 09.08.2007 - 3 StR 96/07 zu StPO § 228 Abs. 1, § 338 Nr. 1, GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2).
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?... 2. Die von den Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen versagen. Ergänzend zur Stellungnahme des Generalbundesanwalts in dessen Antragsschrift vom 8. März 2007 bemerkt der Senat zu den zulässig erhobenen Besetzungsrügen der Angeklagten Ay. und Al. Folgendes:
a) Das Präsidium des Landgerichts hat aufgrund einer Überlastungsanzeige des Vorsitzenden der großen Strafkammer 29 vom 31. Oktober 2005 mit einer Entschließung im Umlaufverfahren das am 2. November 2005 bei der großen Strafkammer 29 eingegangene Strafverfahren auf die neu gegründete Hilfsstrafkammer 29a abgeleitet.
Im rechtzeitig erhobenen Besetzungseinwand haben die Verteidiger geltend gemacht, ein zwingender sachlicher Anlass für die Umverteilung allein dieses Verfahrens habe nicht bestanden, weil ein 13 Tage später bei der großen Strafkammer 29 anhängig gewordenes weiteres Verfahren nicht ebenfalls abgeleitet worden sei. Des weiteren ist mit dem Besetzungseinwand geltend gemacht worden, dem Präsidium des Landgerichts sei bekannt gewesen, dass die Hilfsstrafkammer 29a mit dem Vorsitzenden und einem Beisitzer besetzt worden sei, die das Verfahren gegen K. geführt hätten, aus dem erst die Erkenntnisse für das vorliegende Verfahren erwachsen seien. Zudem sei dieser Vorsitzende von der Staatsanwaltschaft als Zeuge benannt worden. Eine solche Einzelfallzuweisung an eine derartig vorbefasste Strafkammer sei nicht vertretbar.
Der Vorsitzende der erkennenden Strafkammer 29a hat den Besetzungseinwand dem Präsidium zur Entscheidung über die darin liegende Gegenvorstellung gegen die Ableitung vorgelegt. Das Präsidium hat in seiner Sitzung vom 25. Januar 2006 keine Veranlassung gesehen, von der am 15. November 2005 getroffenen und am 30. November 2005 bestätigten Entscheidung abzugehen. Daraufhin hat das Landgericht die Besetzungsrüge als unbegründet zurückgewiesen, weil die Entscheidungen des Präsidiums für die Strafkammer bindend seien.
b) Der geltend gemachte Revisionsgrund des § 338 Nr. 1b StPO liegt nicht vor. Die erkennende Strafkammer war nicht vorschriftswidrig besetzt. Das Präsidium durfte die große Strafkammer 29 um nur eine Haftsache, nämlich das gegenständliche Verfahren entlasten (vgl. BGHSt 44, 161, 166). Der Vortrag der Revisionen belegt den geltend gemachten Ermessensfehler, es unterlassen zu haben, die abgeleitete Sache mit dem am 15. November 2005 bei der großen Strafkammer 29 eingegangen weiteren Verfahren abgewogen zu haben, nicht. Die Behauptung, zum Zeitpunkt des Präsidiumsbeschlusses am 15. November 2005 sei der Eingang der weiteren Sache bekannt gewesen, wird durch den Revisionsvortrag nicht bewiesen. Soweit die Revisionen auf die Kenntnis dieses Umstandes zum Zeitpunkt der bestätigenden Entscheidung vom 30. November 2005 und der Entscheidung über die Gegenvorstellung vom 25. Januar 2006 abstellen, wird nichts dafür vorgetragen, warum die Ableitung gerade der hier vorliegenden umfangreichen Haftsache einen Ermessensfehler des Präsidiums begründen könnte (vgl. BGHSt 44, 161, 170; vgl. auch BVerfG - Kammer - NJW 2005, 2689, 2690). Zu welchen Änderungen des Jahresgeschäftsverteilungsplans das Präsidium nach § 21e Abs. 3 GVG wegen Überlastung eines Spruchkörpers zwingt, ist weitgehend dem pflichtgemäßen Ermessen des Präsidiums überlassen (BGHSt aaO). Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sein eigenes Ermessen an die Stelle des pflichtgemäßen Ermessens des Präsidiums des Landgerichts zu setzen (BGHSt aaO m.w.N.).
Das Präsidium hat das ihm zustehende Ermessen auch nicht dadurch überschritten, indem es daran festgehalten hat, die erkennende Hilfsstrafkammer 29a mit zwei Richtern zu besetzen, die in der Ausgangssache gegen K. und O. Recht gesprochen haben. Das Interesse der Rechtspflege an einer problemlosen Handhabung des konkreten Verfahrens ist nicht Entscheidungsmaßstab für die Ableitungsentscheidung. Hierfür kommt es lediglich auf die konkrete Überlastung oder unzureichende Auslastung des jeweiligen Spruchkörpers unter Beachtung des Abstraktionsprinzips an (vgl. BGHSt aaO).
Diese Auffassung wird aus rechtssystematischer Sicht bestätigt durch die in § 338 Nr. 2 und 3 StPO genannten Revisionsgründe und den diesen zugrunde liegenden Verfahrensvorschriften. Nur in deren Rahmen können allein behauptete Verstöße gegen die Neutralitätspflicht eines Richters geltend gemacht werden. Schließlich machen die Revisionen auch vor dem Hintergrund des weiteren - aber offensichtlich unbegründeten - Antrags gemäß § 22 Nr. 5 StPO analog nicht mehr als eine schlichte Vorbefassung des Vorsitzenden und eines Beisitzers geltend. Daran ändert auch die - ersichtlich vorsorgliche - Benennung des Vorsitzenden als Zeugen in der Anklageschrift für dessen Wahrnehmungen in der Hauptverhandlung gegen K. nichts. In einem solchen Fall könnten sogar die erkennenden Richter noch zur Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch in analoger Anwendung von § 26a Abs. 1 Nr. 2 Alternative 1 StPO berufen sein (vgl. BVerfG - Kammer -, Beschluss vom 29. Januar 2007 - 2 BvR 1743/06; BGHSt 50, 216, 220). Daraus folgt, dass das Präsidium des Landgerichts bei Nichtbeachtung einer schlichten Vorbefassung sein Ermessen nicht überschritten haben kann. ..." (BGH, Beschluss vom 22.05.2007 - 5 StR 94/07)
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?... Näherer Erörterung bedarf lediglich die Rüge der vorschriftswidrigen Besetzung des erkennenden Gerichts (§ 338 Nr. 1 StPO).
1. Die 2. große Strafkammer des Landgerichts Limburg hatte den Angeklagten am 11. November 2004 wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen sowie wegen weiterer Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat mit Beschluss vom 8. April 2005 das Urteil im Schuldspruch wegen erpresserischen Menschenraubs, im Gesamtstrafenausspruch und soweit eine Maßregel nach § 64 StGB nicht angeordnet worden war, aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Limburg vom 13. Dezember 2004 für das Geschäftsjahr 2005 war für aufgehobene und zurückverwiesene Schwurgerichtssachen und Strafsachen der 2. Strafkammer die 1. Strafkammer zuständig. Durch nicht begründeten Präsidiumsbeschluss vom 27. Juli 2005 wurde die Zuständigkeit für zurückverwiesene Strafsachen auf die 5. Strafkammer übertragen, auch für Zurückverweisungen vor dem 1. August 2005, soweit noch kein Hauptverhandlungstermin bestimmt worden war. Mit Schriftsatz vom 2. November 2005 übersandte der Verteidiger des Angeklagten der 1. Strafkammer den Entwurf einer Besetzungsrüge, der u. a. der Präsidiumsbeschluss vom 27. Juli 2005 und ein Auszug aus dem Geschäftsverteilungsplan betreffend die 1. Strafkammer beigefügt waren. Gerügt wurde, dass der Präsidiumsbeschluss vom 27. Juli 2005 keine Begründung für die Umverteilung enthalte, dass es sich um eine unzulässige Einzelzuweisung handele und dass die Voraussetzungen des § 21 e Abs. 3 GVG nicht vorgelegen hätten. Als Hintergrund für die Übertragung wurde in dem Entwurf einer Besetzungsrüge mitgeteilt, dass man nach Auskunft des Vorsitzenden der 1. Strafkammer zu Beginn des Geschäftsjahres vergessen hätte, der 1. Strafkammer für aufgehobene Strafsachen der 2. Strafkammer Schöffen zuzulosen. Dies sei dem Vorsitzenden erst bei der Bearbeitung der ersten zurückverwiesenen Sache aufgefallen. In diesem Fall hätten nach Auffassung der Verteidigung gemäß § 46 GVG Schöffen aus der Hilfsschöffenliste ausgelost werden müssen.
Mit Beschluss vom 17. November 2005, der Verteidigung am selben Tage übersandt, begründete das Präsidium die Änderung der Geschäftsverteilung nachträglich. In der Hauptverhandlung vom 24. November 2005 vor der 5. Strafkammer erhob der Verteidiger sodann die im Schriftsatz vom 22. November 2005 formulierte Besetzungsrüge.
2. Die auf § 338 Nr. 1 StPO gestützte Rüge, das Gericht sei mit den in der Besetzungsrüge mitgeteilten Gerichtspersonen der 5. Strafkammer nicht vorschriftsmäßig besetzt, hat keinen Erfolg. Die Rüge ist präkludiert, weil der Angeklagte den Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung in der Hauptverhandlung nicht in der vorgeschriebenen Form gemäß § 222 b Abs. 1 Satz 2 StPO erhoben hat.
a) Die Zulässigkeit einer Besetzungsrüge setzt voraus (§ 338 Abs. 1 Nr. 1 b StPO), dass der Besetzungseinwand bereits in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht ?rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemacht worden ist'. Die Vorschrift des § 338 Abs. 1 Nr. 1 b StPO nimmt damit Bezug auf § 222 b Abs. 1 Satz 2 StPO, der bestimmt, dass die Tatsachen, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung ergeben soll, anzugeben sind. Mit den durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 eingeführten Rügepräklusionsvorschriften der §§ 338 Nr. 1, 222 b Abs. 1 StPO wollte der Gesetzgeber erreichen, dass Besetzungsfehler bereits in einem frühen Verfahrensstadium erkannt und geheilt werden, um zu vermeiden, dass ein möglicherweise mit großem justiziellem Aufwand zustande gekommenes Strafurteil allein wegen eines Besetzungsfehlers im Revisionsverfahren aufgehoben und in der Folge die gesamte Hauptverhandlung - mit erheblichen Mehrbelastungen sowohl für die Strafjustiz als auch für den Angeklagten - wiederholt werden muss (BT-Drucks. 8/976 S. 24 ff.). Deshalb müssen alle Beanstandungen gleichzeitig geltend gemacht werden (§ 222 b Abs. 1 Satz 3 StPO). Ein Nachschieben von Gründen ist nicht statthaft (Meyer-Goßner StPO 49. Aufl. § 222 b Rdn. 7; Tolksdorf in KK-StPO 5. Aufl. § 222 b Rdn. 7; Gollwitzer in LR 25. Aufl. § 222 b Rdn. 18). Diese Grundsätze gelten auch bei evidenten Besetzungsmängeln, die allen Verfahrensbeteiligten ohne weiteres erkennbar oder sogar bekannt sind. Auch in diesen Fällen sind deshalb alle konkreten Tatsachen, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit der Besetzung ergeben soll, zur Erhaltung der Besetzungsrüge im Einzelnen vorzubringen. Die Rechtsprechung stellt mit Blick auf den Normzweck und im Sinne der Intentionen des Gesetzgebers hohe Anforderungen an den Inhalt des Besetzungseinwands. Die Begründungsanforderungen an den Besetzungseinwand entsprechen weitgehend den Rügevoraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (BGHSt 44, 161, 162; BT-Drucks. 8/976 S. 47). Fehlt die erforderliche umfassende Begründung, insbesondere ein hinreichend substantiierter Tatsachenvortrag, so ist der Besetzungseinwand nicht in der vorgeschriebenen Form geltend gemacht, mithin nicht zulässig erhoben worden.
b) In der Hauptverhandlung vor der 5. Strafkammer wurde als Besetzungseinwand der Schriftsatz vom 22. November 2005 verlesen, wie von der Revision vorgetragen und vom Protokoll belegt wird; darüber hinaus wurden keine Einwendungen mündlich vorgetragen und auch nicht auf sonstige Schriftstücke oder Aktenbestandteile (mündlich) Bezug genommen.
Die Ausführungen des Schriftsatzes vom 22. November 2005 genügen den Anforderungen an einen formgerechten Besetzungseinwand nicht. Aus ihnen wird schon nicht deutlich, unter welchem rechtlichen Aspekt die Übertragung der Zuständigkeit für zurückverwiesene allgemeine Strafsachen von der 1. Strafkammer auf die 5. Strafkammer beanstandet werden soll, und welche Tatsachen dem zugrunde liegen. Die Verteidigung behauptet darin nur, diese Übertragung der Zuständigkeit auf eine andere Strafkammer sei von § 21 e Abs. 3 GVG nicht erfasst, trägt aber keine Tatsachen dafür vor, um welche Fallgestaltung es sich hier handelt.
aa) In der kurzen Schilderung des Verfahrensablaufs wird zwar durch kursives Schriftbild hervorgehoben, dass der Präsidiumsbeschluss vom 27. Juli 2005 keine weitere Begründung für die Übertragung der Zuständigkeit enthalte, ferner wird mitgeteilt, dass die Übertragung auch für Zurückverweisungen vor dem 1. August 2005 gelten solle. Ob damit (auch) die fehlende Begründung und eine rechtsfehlerhafte Einzelzuweisung gerügt werden sollen, bleibt aber unklar, nachdem in dem Schriftsatz weiter geschildert wird, dass das Präsidium mit Beschluss vom 17. November 2005 eine Begründung nachgeholt habe, die aber die Änderung der Geschäftsverteilung nicht rechtfertige. Dass das Nachholen einer Begründung unzulässig sei, wird nicht geltend gemacht. Dass von der Übertragung lediglich eine einzige Sache - die vorliegende - betroffen war, wird nicht dargelegt. In dem zuvor der 1. Strafkammer übersandten Entwurf einer Besetzungsrüge hatte der Verteidiger die Besetzung hingegen ausdrücklich auch unter diesen beiden Aspekten gerügt und näher erläutert.
bb) In dem Schriftsatz vom 22. November 2005 wird der Inhalt des Präsidiumsbeschlusses vom 17. November 2005 zudem nur auszugsweise wie folgt mitgeteilt: ?? der Vorsitzende der 1. Strafkammer habe sich an einem Vorgehen nach § 46 GVG mangels Fehlens einer planwidrigen Regelungslücke im Hinblick auf die Möglichkeit der Änderung der Geschäftsverteilung gehindert gesehen. Dieser Ansicht habe sich das Präsidium angeschlossen.' Dazu äußert die Verteidigung in dem Besetzungseinwand die Auffassung, dass diese Begründung die Änderung der Geschäftsverteilung nicht rechtfertige, da ein Grund nach § 21 e Abs. 3 GVG nicht vorliege und der Katalog des § 21 e Abs. 3 GVG abschließend sei.
Diese Beanstandung ist für sich allein gesehen nicht verständlich, ihr Rügeinhalt erschließt sich nur demjenigen, der die vorangegangenen Verfahrensvorgänge, insbesondere den ?Entwurf' einer Besetzungsrüge vom 2. November 2005 und den Präsidiumsbeschluss vom 17. November 2005 kennt. In dem Besetzungseinwand wird lediglich vorgetragen, dass das Gesetz in § 46 GVG eine Regelung zur Behandlung ?des vorliegenden Problems' enthalte, ohne dieses ?Problem' näher darzulegen. Die im Präsidiumsbeschluss geschilderten Hintergründe für die Zuständigkeitsübertragung - dass für die 1. Strafkammer keine Schöffen gewählt seien für die Verhandlung zurückverwiesener allgemeiner Strafsachen der 2. Strafkammer - teilt die Verteidigung mit dem Besetzungseinwand nicht mehr mit, ebenso wenig den mit dem ?Entwurf' der Besetzungsrüge zunächst vorgelegten Auszug aus dem Geschäftsverteilungsplan betreffend die 1. Strafkammer, der auch Angaben zu deren sonstigen Zuständigkeiten und ihren Sitzungstagen enthält. Es kann dahingestellt bleiben, ob insoweit eine Bezugnahme auf Unterlagen bei den Strafakten der Kammer ausreichen würde (vgl. BGHSt 44, 161, 163), denn eine solche Bezugnahme wird von der Revision nicht behauptet und ergibt sich auch nicht aus dem Inhalt des Schriftsatzes vom 22. November 2005. Auch das Protokoll enthält hierzu keine Angaben.
Dem tatsächlich erhobenen Besetzungseinwand mangelt es mithin an dem erforderlichen umfassenden und substantiierten Tatsachenvortrag. Ohne Kenntnis von den zugrundeliegenden tatsächlichen Umständen und den rechtlichen Erwägungen des Präsidiums für die Übertragung der Zuständigkeit von der einen auf die andere Strafkammer lässt sich nicht beurteilen, ob zum Zeitpunkt des Präsidiumsbeschlusses die Voraussetzungen des § 21 e Abs. 3 GVG vorlagen und die Strafkammer den Besetzungseinwand zu Recht zurückgewiesen hat oder ob die (tatsächlichen oder vermeintlichen) Besetzungsmängel der 1. Strafkammer rechtlich anders hätten gelöst werden können oder müssen. ..." (BGH, Urteil vom 25.10.2006 - 2 StR 104/06)
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?... Die Verfahrensrügen sind jedenfalls unbegründet, weil nach dem Revisionsvorbringen den Anforderungen an die Herstellung der Öffentlichkeit bei der Schöffenauslosung genügt worden ist.
Für die Auslosung der Reihenfolge der Hauptschöffen nach § 77 Abs. 1 GVG i. V. m. § 45 Abs. 2 Satz 1 GVG gelten dieselben Bedingungen wie für die Verfahrensöffentlichkeit vor dem erkennenden Gericht nach § 169 GVG (BGH NStZ 1984, 89). Der Grundsatz der Öffentlichkeit besagt, dass jedermann ohne Ansehung seiner Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen und ohne Ansehung bestimmter persönlicher Eigenschaften die Möglichkeit hat, an den Verhandlungen des Gerichts als Zuhörer teilzunehmen (BGHSt 27, 13, 14, st. Rspr.).
Unbeschadet der Tatsache, dass es zur Vermeidung von Verfahrensbeschwerden wie diesen angezeigt ist, generell die Schöffenauslosung ebenso wie eine Hauptverhandlung in Strafsachen anzukündigen und - regelmäßig in einem Sitzungssaal - durchzuführen, ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden, gewisse Anforderungen an den interessierten Bürger, der sich den Zugang zu einer öffentlichen Verhandlung in einem Gericht verschaffen will, zu stellen. Die Möglichkeit, ohne besondere Schwierigkeiten an einer öffentlichen Gerichtsverhandlung teilzunehmen, bedeutet nicht, dass dem Bürger, der heute bei vielen Gerichten aus Sicherheitsgründen durch Bedienstete kontrolliert wird, nicht zuzumuten wäre, ein Richterzimmer oder einen Verhandlungssaal entweder über ein Vorzimmer zu betreten oder den Einlass durch Klopfen zu erlangen. Dem entspricht es, dass die Öffentlichkeit in einem Verhandlungssaal auch dann als gewahrt anzusehen ist, wenn zwar die unmittelbare Tür verschlossen ist, potentielle Zuhörer aber durch die geöffnete Saaltür den Zuhörerraum betreten können (Senatsurteil vom 14. Juli 1970 - 1 StR 102/70; Kissel/ Mayer, GVG 4. Aufl. § 169 Rdn. 22). Die Voraussetzungen für eine ?öffentliche" Verhandlung liegen auch dann vor, wenn die Eingangstür des Gerichtsgebäudes - etwa aus Sicherheitsgründen - verschlossen ist, der Zuhörer sich aber mit Hilfe einer Klingel Einlass verschaffen kann (BVerwG NVwZ 2000, 1298).
So liegt der Fall auch hier. Nach den dienstlichen Stellungnahmen des Präsidenten des Landgerichts, die für das Revisionsgericht hinsichtlich der Beschreibung der tatsächlichen Verhältnisse grundsätzlich maßgeblich sind (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Januar 2006 - 1 StR 527/05), liegt sein Dienstzimmer in einem für den Besucherverkehr frei zugänglichen Teil des Landgerichts. Zwar ist sein Dienstzimmer, in dem bisher nicht nur Schöffenwahlen, sondern auch andere Sitzungen stattfinden, mit einem (nicht drehbaren) Knauf und nicht mit einer Klinke gegen einen gänzlich ungehinderten Eintritt gesichert. Es bereitet dem interessierten Zuhörer keine besonderen Schwierigkeiten, entsprechend dem hier angebrachten Hinweisschild das Präsidentenzimmer durch das regelmäßig besetzte Vorzimmer zu betreten oder durch Klopfen an der Tür Einlass zu erlangen (vgl. in ähnlichem Sinne schon Senat NStZ 1985, 514). ..." (BGH, Beschluss vom 23.03.2006 - 1 StR 20/06).
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Überbesetzung einer Großen Strafkammer und gesetzlicher Richter Für die Berechnung einer absoluten Grenze der Überbesetzung eines Spruchkörpers ist dessen vollständige Besetzung maßgeblich (BVerfG, Beschluß vom 03.05.2004 - 2 BvR 1825/02 zu GVG §§ 76, 78 b Abs. 1; StPO § 338 Nr. 1; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2).
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Die Entscheidung über die Besetzung der Großen Strafkammer in der Hauptverhandlung (§ 76 Abs. 2 GVG) kann nicht deshalb geändert werden, weil wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplans eine andere Strafkammer für den Fall zuständig geworden ist (BGH, Beschluss vom 23.08.2005 - 1 StR 350/05).
Wird eine Strafsache auf einen Tag zwischen zwei ordentlichen Sitzungstagen terminiert, die zu diesem Zeitpunkt bereits mit Fortsetzungsverhandlungen in anderen Sachen belegt waren, so handelt es sich nicht um eine ordentliche Sitzung, bei der der Sitzungstag lediglich nach vorn oder nach hinten verlegt worden ist, sondern um eine außerordentliche Sitzung, für die Hilfsschöffen heranzuziehen sind (BGH, Beschluss vom 07.06.2005 - 2 StR 21/05).
Die Mitwirkung von Hilfsschöffen ist nur für außerordentliche Sitzungen vorgesehen. In seiner Entscheidung, wie zur Terminierung anstehende Strafsachen auf die ordentlichen und die notwendig gewordenen außerordentlichen Sitzungen zu verteilen sind, ist der Vorsitzende insoweit nicht frei, als außerordentliche Sitzungen nicht an die Stelle von ordentlichen Sitzungen treten und sie ersetzen dürfen (BGH, Beschluss vom 09.02.2005 - 2 StR 421/04).
Auch unter Berücksichtigung des weiten tatrichterlichen Beurteilungsspielraums macht die Verhandlung über eine Anklage wegen 21 Verbrechen mit einem Aktenumfang von 10 Hauptakten, 21 Fallakten und einer zu erwartenden mehrmonatigen Hauptverhandlung mit mindestens 43 Zeugen die Mitwirkung eines dritten Berufsrichters notwendig (BGH, Beschluss 16.12.2003 - 3 StR 438/03).
Eine große Strafkammer, die nicht als Schwurgericht tätig ist, kann geschäftsplanmäßig mit drei Beisitzern besetzt sein (BGH, Beschluß vom 11.11.2003 - 5 StR 359/03 zu StPO § 338 Nr. 1; GVG §§ 21 e, 76).
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? ... Der GBA hat bereits in seiner Antragsschrift darauf hingewiesen, daß die von allen Angekl. erhobenen Rügen, die Zuständigkeit und Besetzung der erkennenden StrK sei gesetzwidrig manipuliert worden, deshalb unzulässig sind, weil die Bf. die bei den Akten befindliche Stellungnahme des Präsidenten des LG als Vorsitzenden des Präsidiums zu den Gründen der beanstandeten Änderung des Geschäftsverteilungsplans nicht mitgeteilt haben.
Eine solche Änderung des Geschäftsverteilungsplans während des Geschäftsjahres kann gesetzwidrig sein, wenn Gründe nach § 21 e Abs. 3 GVG nicht vorliegen oder sachfremde Gesichtspunkte die Entscheidung des Präsidiums bestimmen. Trägt der Bf. in einem solchen Fall die Gründe nicht vor, die das Präsidium nach der Stellungnahme seines Vorsitzenden zu der Änderung der Geschäftsverteilung veranlaßt haben, und behauptet er lediglich die Willkürlichkeit der Maßnahme, fehlt es nicht nur an der Mitteilung entscheidungserheblicher Tatsachen. Der Bf. entzieht durch einen derart lückenhaften Vortrag seiner Behauptung, die Maßnahme sei gesetzwidrig, den Boden, weil er sich mit den gegen seine Behauptung sprechenden Umständen nicht auseinandersetzen muß. Dies macht die Rügen unzulässig (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO). ..." (BGH StV 1994, 534 ff).
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In einem Fall versehentlich unterbliebener Beschlußfassung gem. § 76 Abs. 2 GVG bei der Eröffnung des Hauptverfahrens ist eine nachträgliche Reduzierung der Anzahl der Berufsrichter noch vor Beginn der Hauptverhandlung grundsätzlich nicht mehr möglich (LG Bremen StV 2004, 251).
Siehe auch unter ?Blinder Richter".
(3) Ausschluss vom Richteramt (Ziffer 2):
(4) Befangenheit (Ziffer 3):
?... 2. Von den auf die Verletzung des § 338 Nr. 3 StPO gestützten Verfahrensrügen, mit denen sich die Revision gegen die ?Zurückweisung' von neun Befangenheitsanträgen des Beschwerdeführers wendet, bedarf der näheren Erörterung nur die Rüge, mit der die Verwerfung des gegen den Vorsitzenden der Strafkammer gerichteten Ablehnungsgesuchs des Beschwerdeführers vom 18. Oktober 2007 beanstandet wird.
a) Zur Begründung dieses Ablehnungsgesuchs führte die Verteidigerin des Beschwerdeführers u. a. aus: Der Verteidiger des Mitangeklagten G. , Rechtsanwalt R. , habe im Zusammenhang mit der Vernehmung des Zeugen Gü. einen schriftlichen Antrag auf Wortlautprotokollierung angekündigt. Dabei sei es zu einer Auseinandersetzung zwischen Rechtsanwalt R. und dem Vorsitzenden gekommen, in deren Verlauf sich der Verteidiger gegen den Ton des Vorsitzenden verwahrt und die Verhandlungsführung beanstandet habe. Nach einer kurzen Unterbrechung der Sitzung habe der Vorsitzende ?völlig überraschend' den nicht gestellten, sondern nur angekündigten Antrag auf Protokollierung zurückgewiesen. Daraufhin habe sie die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt, weil sie keine Gelegenheit gehabt habe, für den Beschwerdeführer zu ?diesem Antrag' Stellung zu nehmen. Dies habe der Vorsitzende mit der Bemerkung kommentiert: ?Dies ist ja lachhaft'. Diese Bemerkung könne nur so verstanden werden, dass der Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör nicht ernst genommen werde, weil das Gericht sich sein Urteil zu dessen Nachteil bereits gebildet habe.
Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch durch Beschluss vom 25. Oktober 2007 gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 und Nr. 3 StPO als unzulässig verworfen. Die beanstandete Äußerung des abgelehnten Richters habe sich nicht gegen eine bestimmte Person gerichtet. Gründe, die geeignet seien, die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Beschwerdeführer zu begründen, seien ?ersichtlich' nicht vorgetragen worden. Zudem verfolge das ?mit einer völlig ungeeigneten Begründung' versehene Ablehnungsgesuch ?offensichtlich verfahrensfremde Zwecke, nämlich rein demonstrative'.
Die Revision macht geltend, dieser Beschluss sei ?aus den Gründen des Ablehnungsgesuchs' rechtsfehlerhaft, weil die Voraussetzungen des § 26a StPO nicht vorgelegen hätten.
b) Die Verfahrensrüge greift nicht durch.
Eine Prüfung des Revisionsvorbringens unter dem rechtlichen Gesichtspunkt, ob dem Beschwerdeführer im Ablehnungsverfahren der gesetzliche Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) durch eine willkürliche Anwendung der Zuständigkeitsregelungen der §§ 26a, 27 StPO entzogen worden ist (vgl. BVerfG NJW 2005, 3410; NJW 2006, 3129; BGH NStZ 2006, 50; Senatsbeschluss vom 10. April 2008 - 4 StR 443/07), ist dem Senat verwehrt. Kommen - wie hier - mehrere Verfahrensmängel in Betracht, muss vom Beschwerdeführer die Angriffsrichtung der Rüge deutlich gemacht und dargetan werden, welcher Verfahrensmangel geltend gemacht wird (vgl. BGH NStZ 1998, 636; 1999, 94). Dass mit der Verfahrensrüge (auch) eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG im Ablehnungsverfahren geltend gemacht werden soll, lässt sich dem Revisionsvorbringen jedoch nicht entnehmen. Eine so verstandene Rüge hätte zudem nur dann den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO genügt, wenn vorgetragen worden wäre, dass die Strafkammer über das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters (§ 26a Abs. 2 Satz 1 StPO) entschieden hat. Dass dies der Fall war, ergibt sich nicht schon aus der Verwerfung des Gesuchs als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO. Vielmehr kann ein Ablehnungsgesuch auch noch von dem nach § 27 StPO beschließenden Gericht als unzulässig verworfen werden (BGHSt 21, 334, 337). Es liegt sogar nahe, das Regelverfahren nach § 27 StPO zu wählen, wenn die Frage der Unzulässigkeit nicht klar und eindeutig zu beantworten ist (vgl. BVerfG NJW 2005, 3410, 3412; BGH NStZ 2006, 50, 51).
Die danach verbleibende Prüfung der Rüge der ?Zurückweisung' des Ablehnungsgesuchs nach Beschwerdegrundsätzen ergibt folgendes:
Das Gesuch war zwar zulässig, insbesondere war seine Begründung nicht aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet. Das Gesuch war aber, die Richtigkeit der behaupteten Ablehnungsgründe unterstellt, sachlich nicht begründet. Die Reaktion des Vorsitzenden auf die Rüge der Verteidiger des Beschwerdeführers, ihnen sei vor der Entscheidung über die vom Verteidiger des Mitangeklagten G. gestellten Antrages keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, war zwar in der Form unangemessen. Die Unmutsäußerung des Vorsitzenden war aber unter den gegebenen Umständen aus der Sicht eines verständigen Angeklagten (vgl. BGHSt 21, 334, 341) nicht geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu rechtfertigen.
Unmutsäußerungen eines abgelehnten Richters dürfen nicht isoliert, sondern müssen in dem Zusammenhang, in dem sie gefallen sind, betrachtet werden (vgl. BGH NStZ 2000, 325). Das Protokoll über die Hauptverhandlung und das Vorbringen der Revision belegen, dass die Atmosphäre zwischen dem Gericht und den Verteidigern sowohl des Beschwerdeführers als auch des Mitangeklagten G. während der gesamten Hauptverhandlung erheblich gespannt war. Erst im Verfahren entstandene Spannungen zwischen Gericht und Verteidigern begründen jedoch in aller Regel nicht die Besorgnis der Befangenheit (vgl. BGH NStZ 2005, 218 m. N.). Diese kann sich allerdings aus Reaktionen des Richters ergeben, die in keinem vertretbaren Verhältnis zu dem sie auslösenden Anlass stehen (vgl. BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 8). So liegt es hier jedoch nicht. Auch am 27. Hauptverhandlungstag war es während der Vernehmung des Polizeibeamten Gü. , die zwischen 10:08 Uhr und 11:00 Uhr fünfmal, davon zweimal auf Antrag des Beschwerdeführers, unterbrochen wurde, zu Spannungen zwischen dem Vorsitzenden und den Verteidigern, insbesondere dem Verteidiger des Mitangeklagten G. gekommen. Entgegen dem Vorbringen der Revision hatte dieser im Verlauf der Vernehmung des Zeugen Gü. nicht ?lediglich' angekündigt, schriftlich einen Antrag auf Protokollierung zu stellen. Vielmehr beantragte der Verteidiger des Mitangeklagten G. ausweislich des Protokolls, dem insoweit gemäß § 274 StPO Beweiskraft zukommt, mündlich ?die wörtliche Protokollierung einer Äußerung des Zeugen.' Nach zwei kurzen Unterbrechungen der Hauptverhandlung und einem Wortwechsel zwischen dem Vorsitzenden und dem Verteidiger des Mitangeklagten G. lehnte der Vorsitzende diesen Antrag mit der Begründung ab, dass es auf den Wortlaut der Äußerung des Zeugen unter keinem, wie auch immer gearteten rechtlichen Gesichtspunkt ankomme. Von der Möglichkeit, gemäß § 274 Abs. 3 Satz 2 StPO die Entscheidung des Gerichts zu beantragen, machte keine der an der Verhandlung beteiligten Personen Gebrauch. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Reaktion des Vorsitzenden auf die Rüge der Verteidiger des Angeklagten, sie hätten keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Antrag gehabt, als eine spontane, noch verständliche Unmutsäußerung dar. ..." (BGH, Beschluss vom 09.06.2009 - 4 StR 461/08)
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?... Das Landgericht hat die Grenzen, innerhalb derer die abgelehnten Richter selbst über den Antrag entscheiden konnten (vgl. hierzu BVerfG NJW 2005, 3410; 2006, 3129), nicht überschritten. Es hat die Ablehnung auf § 26 a Abs. 1 Nr. 3 StPO gestützt und seine Überzeugung von der dem Antrag zugrunde liegenden Verschleppungsabsicht rechtsfehlerfrei gewonnen aus dem Antrag selbst (abgelehnt waren neben der erkennenden Kammer zehn weitere, in Strafkammern tätige Berufsrichter des Landgerichts), der Verfahrenssituation (Ende des von der Kammer vorgesehenen Beweisprogramms) sowie aus dem dem Antrag vorangehenden Prozessgeschehen (ganztägige Auseinandersetzung um die Verhandlungsfähigkeit des die Aufnahme von Nahrung und Flüssigkeit verweigernden Angeklagten, bei der der Verteidiger sogar - vergeblich - das Verwaltungsgericht angerufen hatte). Zur Begründung der Prozessverschleppung sind die Richter nicht umhin gekommen, auch das eigene Verhalten im Verlauf des Verhandlungstages zu schildern. Zu Richtern "in eigener Sache" sind sie dadurch nicht geworden. Die zu § 26 a Abs. 1 Nr. 2 StPO entwickelten Grundsätze (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 26 a Rdn. 4 a m. w. N.) gelten hier insoweit nicht. ..." (BGH, Beschluss vom 13.03.2008 - 3 StR 509/07).
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?... 2. Der Befangenheitsrüge (§ 338 Nr. 3 StPO) liegt folgendes Geschehen zugrunde: Die Berichterstatterin und der Vorsitzende der Strafkammer kamen nach Prüfung der Akten am 5. Dezember 2006 übereinstimmend zu der Einschätzung, dass die Angeklagte im Falle eines umfassenden glaubhaften Geständnisses angemessen bestraft würde, wenn eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten nicht überschritten würde. Der Vorsitzende rief noch am gleichen Tag den Verteidiger an und teilte ihm ?diese Prognose" der Berufsrichter mit. Der Verteidiger kündigte am 6. Dezember 2006 nach Besprechung mit seiner Mandantin gegenüber dem Vorsitzenden deren geständige Einlassung an. Das Hauptverfahren wurde noch am 6. Dezember 2006 eröffnet und unter Verzicht der Angeklagten auf Einhaltung der Ladungsfrist Termin zur Hauptverhandlung auf den 12. Dezember 2006 bestimmt. Zeugen wurden nicht geladen.
Der Vorsitzende teilte schließlich am 11. Dezember 2006 dem Anklageverfasser, der auch zum Sitzungsdienst in dieser Sache eingeteilt worden war, mit, dass ein Geständnis angekündigt sei und er eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten für angemessen erachte. Dieser Strafprognose widersprach der Staatsanwalt.
Vor Beginn der Hauptverhandlung bemerkte der Verteidiger gegenüber dem Sitzungsvertreter, dass er die Zusage des Vorsitzenden betreffend die Freiheitsstrafe für den Fall eines Geständnisses der Angeklagten als verbindlich betrachtet habe und überrascht sei, dass der Staatsanwalt nichts davon wisse. Der Staatsanwalt lehnte sodann die Berufsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit ab, weil sich das Gericht bei dieser Sachlage unter bewusster Ausklammerung der Staatsanwaltschaft bereits vor Beginn der Hauptverhandlung auf eine Strafe verbindlich festgelegt habe. Das Befangenheitsgesuch ist als unbegründet zurückgewiesen worden.
3. Ob die Verfahrensrüge mangels Mitteilung des weiteren Prozessverhaltens der Staatsanwaltschaft nach Bekanntgabe und Protokollierung einer Strafobergrenze zu Beginn der Hauptverhandlung zulässig ist (vgl. zur eventuellen Maßgeblichkeit dieses Vortrags für die Frage der Statthaftigkeit einer solchen Revisionsrüge BGHSt [GS] 50, 40, 52; BGHR StPO § 338 Nr. 3 Revisibilität 4 und 5), kann dahinstehen. Die Rüge greift jedenfalls in der Sache nicht durch.
a) Sie ist offensichtlich unbegründet, soweit die beisitzende Richterin betroffen ist. Diese hat nach dem gesamten Revisionsvortrag lediglich ihre richterliche Pflicht als Berichterstatterin erfüllt, indem sie die Sach- und Rechtslage geprüft und eine - ersichtlich nicht einen gerechten Schuldausgleich missachtende (vgl. BGHSt 45, 312, 318 f.) - vorläufige Prognose zur Strafhöhe im Falle eines Geständnisses gestellt hat. An allen weiteren Vorgängen, die von der Revision zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit herangezogen werden, war die abgelehnte Richterin nicht beteiligt.
b) Auch in Bezug auf den Vorsitzenden ist die Rüge unbegründet. Soweit sie sich darauf stützt, der Vorsitzende habe dem Verteidiger ohne Beteiligung der Staatsanwaltschaft eine verbindliche Strafobergrenze zugesichert, spricht nichts für ein solches Geschehen, was indes eine Besorgnis der Befangenheit hätte nahe legen können (vgl. BGHSt 45, 312, 316; BGHR StPO vor § 1/faires Verfahren - Vereinbarung 16).
aa) Allerdings hat der Vorsitzende gegenüber dem Verteidiger eine nach Einschätzung der Berufsrichter angemessene Strafobergrenze von drei Jahren und sechs Monaten genannt. Dies rechtfertigt nicht die Annahme einer Besorgnis der Befangenheit. Der Vorsitzende hat in beiden dienstlichen Erklärungen - bestärkt in der Stellungnahme zur Verfahrensrüge - bekundet, dass er - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verbindlichkeit zugesicherter Strafobergrenzen - die mitgeteilte Strafe als Prognose verstanden wissen wollte, und hat ersichtlich bei dem Verteidiger eine solche Kenntnis des Verfahrensrechts vorausgesetzt, die eine dahingehende Wertung ermöglicht hätte. Damit war die möglicherweise vom Verteidiger als verbindliche Zusicherung missverstandene Erklärung des Vorsitzenden aber nicht von einem entsprechenden Bindungswillen des Vorsitzenden getragen. Eine Befangenheit wegen der Erklärung gegenüber dem Verteidiger aus Sicht der Staatsanwaltschaft scheidet - insoweit übereinstimmend mit der Auffassung des Generalbundesanwalts - aus.
bb) Soweit die Revision geltend macht, der Vorsitzende habe gezielt an der Staatsanwaltschaft vorbei Vorgespräche mit der Verteidigung geführt (vgl. BGHR StPO vor § 1/faires Verfahren - Vereinbarung 15 und 16; BGHSt [GS] 50, 40, 47), und behauptet, dass der Sitzungsstaatsanwalt über die Kommunikation zwischen Gericht und Verteidigung vollständig in Unkenntnis gelassen werden sollte, ist dieser auf Schlussfolgerungen beruhende Vortrag nicht durch Indizien des Geschehensablaufs bewiesen. Im Gegenteil: Der Vorsitzende war berechtigt, auch einseitig mit der Verteidigung zwecks Förderung des Verfahrens Kontakt aufzunehmen (vgl. BGHSt 42, 46, 47; BGHR StPO vor § 1/faires Verfahren - Vereinbarung 15), und erst in der Hauptverhandlung verpflichtet, dies offenzulegen (vgl. BGHSt 42, 46, 50; 43, 195, 206). Letztlich spricht nichts gegen die Richtigkeit der Stellungnahme des Vorsitzenden zur Verfahrensrüge, dass er entschlossen gewesen sei, den Inhalt der Vorgespräche in der Hauptverhandlung öffentlich zu machen und zu protokollieren. Aus der Mitteilung des Vorsitzenden an den Staatsanwalt am Tag vor der Hauptverhandlung, die neben der Ankündigung des Geständnisses durch den Verteidiger die Straferwartung der Berufsrichter zum Inhalt hatte, konnte der Staatsanwalt zudem auf eine entsprechende Information des Verteidigers vor seiner Ankündigung unschwer schließen. Zwar wären eine eindeutiger gefasste Mitteilung an den Staatsanwalt über die Vorbesprechung und eine sachlich klarere Ausräumung bei der Staatsanwaltschaft eingetretener Missverständnisse in der dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden (vgl. zu deren Bedeutung BGHSt 23, 200, 203; BGHR StPO § 338 Nr. 3 Revisibilität 1) vorzugswürdig gewesen. Gleichwohl ist dem Verhalten des abgelehnten Strafkammervorsitzenden bei besonnener Betrachtungsweise eine bewusst unvollständige Unterrichtung der Staatsanwaltschaft nicht zu entnehmen.
cc) Auch in einer Gesamtschau mit weiteren Umständen lässt sich eine Besorgnis der Befangenheit nicht erkennen. Der Vorsitzende ist nicht vorschnell auf eine Urteilsabsprache ausgewichen, ohne zuvor pflichtgemäß die Anklage tatsächlich anhand der Akten und insbesondere auch rechtlich überprüft zu haben (vgl. BGHSt [GS] 50, 40, 49 m.w.N.). Die Verfahrensgestaltung (Verzicht auf Ladung von Zeugen; Hinwirken auf Verzicht der Einhaltung der Ladungsfrist) setzte zwar ein starkes Vertrauen des Vorsitzenden in das Zustandekommen einer verfahrensverkürzenden Absprache voraus. Solches kann angesichts der rechtlichen Zulässigkeit dieser Praxis (vgl. BGHSt aaO), zumal bei der hier besonders zügig durchzuführenden Haftsache, aber ebenfalls keine Befangenheit begründen. ..." (BGH, Urteil vom 12.09.2007 - 5 StR 227/07)
***
Ein Ablehnungsgesuch ist auch dann i. S. v. § 338 Nr. 3 StPO ?mit Unrecht verworfen', wenn die unter Mitwirkung des abgelehnten Richters beschlossene Verwerfung gem. § 26 a StPO als unzulässig auf einer willkürlichen oder die Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG grundlegend verkennenden Rechtsanwendung beruht; auf die sachliche Berechtigung der Ablehnungsgründe kommt es in diesem Fall nicht an (Abkehr von BGHSt 23, 265; im Anschluß an BVerfG [Kammer], Beschl. v. 2. 6. 2005 - 2 BvR 625 und 638/01 [= StV 2005, 478]; BGH, Beschluss vom 10.08.2005 - 5 StR 180/05).
*** (OLG)
Bestellt das Gericht aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung einen vom Angeklagten nicht gewünschten Pflichtverteidiger, kann - nach den Gegebenheiten des Einzelfalls - der Angeklagte Grund zur Annahme einer Befangenheit des Richters haben. Werden einem neu bestellten Pflichtverteidiger die Akten ohne weiteres in seine Kanzleiräume überstellt, kann sich bei der Verweigerung der Mitgabe der Akten in die Geschäftsräume des Wahlverteidigers der Eindruck einer Ungleichbehandlung aufdrängen, was die Besorgnis der Befangenheit zur Folge haben kann (OLG Dresden, Beschluss vom 17.07.2009 - 1 Ss 347/09 zu StPO §§ 24, 338 Nr. 3, 213, 147 Abs. 4).
(5) Zuständigkeit (Ziffer 4):
Die Jugendschutzkammer hat ihre Zuständigkeit nicht deshalb willkürlich bejaht, weil ihr die Sache durch das Beschwerdegericht zur Eröffnungsentscheidung vorgelegt wurde ((BGH, Beschluss vom 07.03.2012 - 1 StR 6/12):
?... 1. Ohne Erfolg beanstandet der Angeklagte, die Jugendschutzkammer habe ihre sachliche Zuständigkeit willkürlich angenommen und ihn dadurch seinem gesetzlichen Richter entzogen (vgl. hierzu u.a. auch BGH, Urteil vom 22. April 1997 - 1 StR 701/96 = BGHSt 43, 53 ff.; BGH, Urteil vom 27. Februar 1992 - 4 StR 23/92 = BGHSt 38, 212 ff.).
Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 4 StPO ist nicht gegeben.
a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Die Staatsanwaltschaft Hechingen hatte am 7. Dezember 2010 wegen der genannten Taten und eines weiteren, in der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten Vorwurfs Anklage zum Amtsgericht - Strafrichter -Albstadt erhoben. Mit Beschluss vom 12. Mai 2011 lehnte der Strafrichter die Eröffnung des Hauptverfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts ab. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft (§ 210 Abs. 2, § 311 StPO) hob die zuständige Beschwerdekammer des Landgerichts Hechingen mit Beschluss vom 30. Juni 2011 den Ablehnungsbeschluss auf und entschied zugleich, dass die Akten über die Staatsanwaltschaft Hechingen der Großen Jugendkammer - Jugendschutzkammer - des Landgerichts Hechingen zur Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens vorzulegen seien, wobei sie zur Begründung der Vorlage auf die besondere Bedeutung der Sache (§ 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG) verwies. Die Staatsanwaltschaft Hechingen legte daraufhin die Akten mit dem Antrag, das Hauptverfahren dort selbst zu eröffnen, der Jugendschutzkammer vor. Die - hinsichtlich der Berufsrichter mit der Beschwerdekammer personenidentisch besetzte - Jugendschutzkammer ließ gegen die schriftsätzlich vorgebrachten Einwände des Verteidigers mit Beschluss vom 8. August 2011 die Anklage zu und eröffnete (vor sich selbst) das Hauptverfahren. In der Hauptverhandlung wurde keine Zuständigkeitsrüge erhoben.
b) Die Rüge ist unbegründet. Die Jugendschutzkammer (§ 74b GVG) hat ihre sachliche Zuständigkeit nicht willkürlich (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 338 Rn. 32) angenommen.
Ein Richterspruch ist willkürlich, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist, sodass sich der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (BVerfG NJW 1996, 1336; BVerfGE 87, 273, 278 f.; BGH, Urteil vom 8. Dezember 1992 - 1 StR 594/92, NJW 1993, 1607 f.). Eine gerichtliche Zuständigkeitsbestimmung darf sich bei Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen nicht so weit von dem Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernen, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1992 - 1 StR 594/92, NJW 1993, 1607 f.). Bei der Auslegung und Anwendung des Gesetzes kann von Willkür dann nicht gesprochen werden, wenn sich ein Gericht mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (BVerfG NJW 1996, 1336; BVerfGE 87, 273, 279). Selbst eine objektiv falsche Anwendung von Zuständigkeitsnormen genügt unter diesen Umständen für eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG regelmäßig nicht (vgl. BVerfGE 29, 198, 207; 9, 223, 230; ebenso BGH, Urteil vom 13. Februar 1980 - 3 StR 57/80 (S), BGHSt 29, 216, 219).
Bei Anwendung dieser Maßstäbe vermag der Senat in der Bejahung ihrer Zuständigkeit durch die Jugendschutzkammer keine Willkür zu erkennen.
aa) Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang der Verweis der Revision auf die personenidentische Besetzung der Jugendschutzkammer mit der Beschwerdekammer. Die Zuständigkeit ist allein nach Maßgabe der Gerichte und Spruchkörper zu beurteilen. Sind diese nach der Geschäftsverteilung mit denselben Richtern besetzt, bleibt die Lösung hieraus etwaig resultierender Konflikte im Einzelfall ausschließlich den §§ 22 ff. StPO vorbehalten, wobei es über die Personenidentität hinaus des Hinzukommens weiterer Umstände bedarf.
bb) Aus der Tatsache, dass die Jugendschutzkammer den Eröffnungsbeschluss als solchen - auch im Hinblick auf die strittige Frage der sachlichen Zuständigkeit - nicht begründet hat, lässt sich der Vorwurf willkürlichen Verhaltens nicht ableiten. Zwar kann eine Entscheidung im Einzelfall willkürlich sein, wenn sie jeder Begründung entbehrt (vgl. BVerfG NJW 1995, 2911 f.; NJW 1996, 1336); dies gilt jedoch nur dann, wenn sich die Gründe nicht schon aus den für die Verfahrensbeteiligten erkennbaren Besonderheiten des Falles ergeben (vgl. BVerfG NJW 1996, 1336). So aber liegt der Fall hier, da durch das vorausgegangene Beschwerdeverfahren, namentlich den sorgfältig begründeten Beschluss vom 30. Juni 2011, die maßgeblichen Erwägungen der Zuständigkeitsbestimmung bereits offengelegt waren. Wie auch das Revisionsvorbringen zeigt, war für alle Verfahrensbeteiligten offensichtlich, dass die Jugendschutzkammer sich diese Begründung bei ihrer Eröffnungsentscheidung zu Eigen gemacht hat.
cc) Die Annahme ?besonderer Umstände' i.S.d. § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG erfolgte ebenfalls ohne Willkür.
Die von der Beschwerdekammer aufgeführten und von der Jugendschutzkammer ersichtlich übernommenen Kriterien - u.a. die besondere Stellung des Angeklagten als verbeamteter Lehrer, das lokalmediale Interesse an der Aufklärung vor dem Hintergrund einer aktuellen gesamtgesellschaftlichen Diskussion um Übergriffe in Erziehungsverhältnissen, das öffentliche Aufsehen, welches die Vorfälle in der eher ländlichen Gegend erregten, die Unruhe im Alltag der Schule - sind unter Beachtung der einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung herangezogen worden. Auch im Hinblick auf die Zuständigkeit der Jugendschutzkammer als eines Jugendgerichts (§§ 26, 74b GVG) wurde rechtsfehlerfrei auf das Kriterium der notwendigen Einvernahme jugendlicher Zeugen abgestellt (§ 26 Abs. 2, 1. Alt. GVG).
Der von der Revision in diesem Zusammenhang vorgebrachte Einwand des Zeitablaufs vermag den Vorwurf der Willkür nicht zu begründen. Auch unter Berücksichtigung der Zeitspanne zwischen den Tatzeiten und der Durchführung des Strafverfahrens werden die aufgezeigten Kriterien jedenfalls nicht in einem solchen Maße abgeschwächt, dass ihre weitere Berücksichtigung fehlerhaft oder gar willkürlich wäre.
dd) Auch in der Sache trifft der Vorwurf nicht zu, die Jugendschutzkammer habe durch ihre Eröffnungsentscheidung die Bestimmungen über das Vorlageverfahren (§§ 209, 210 StPO) willkürlich umgangen.
Es kann hier dahinstehen, ob ein fehlerhaftes Vorlageverfahren die Annahme von Willkür bei der Bejahung seiner Zuständigkeit bei dem letztlich erkennenden Gericht begründen kann. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn das Vorlageverfahren seinerseits nicht willkürlich erfolgt ist.
Die Begründung des Beschlusses vom 30. Juni 2011 zeigt, dass sich die Beschwerdekammer eingehend mit dem Umfang ihrer Prüfungs- und Entscheidungskompetenz beschäftigt hat. Sie hat dabei die unterschiedlichen Rechtsansichten dargelegt und ist mit überzeugenden Gründen zu einem vertretbaren Ergebnis gelangt.
(1) Die Annahme einer eigenen Prüfungskompetenz des Beschwerdegerichts hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit des Strafrichters unterliegt keinen Bedenken. Insbesondere war die Beschwerdekammer weder durch die in der Anklage von der Staatsanwaltschaft getroffene Zuständigkeitsbestimmung noch durch die Zielrichtung der staatsanwaltschaftlichen Beschwerde in ihrer Prüfungskompetenz beschränkt.
Bei der Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit sind die Gerichte an Anträge der Staatsanwaltschaft nicht gebunden. Vor Entscheidungen des angerufenen erstinstanzlichen Gerichts die sachliche Zuständigkeit betreffend (§§ 225a, 270 StPO) bestehen ab dem Zeitpunkt der Anklageerhebung allenfalls (vorherige) Anhörungspflichten (vgl. Meyer-Goßner aaO, § 270 Rn. 14 mwN); selbst diese entfallen bei § 209 Abs. 2 StPO (vgl. Stuckenberg in Löwe/ Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 209 Rn. 41 mwN; Schneider in KK, StPO, 6. Aufl., § 209 Rn. 15).
Gleiches gilt im Beschwerdeverfahren. Zwar richtete sich im vorliegenden Fall die Beschwerde maßgeblich gegen die Ablehnung des hinreichenden Tatverdachts durch den Strafrichter und nicht gegen die der Ablehnungsentscheidung immanente Zuständigkeitsbestimmung. Eine Beschränkung des Prüfungsumfangs trat dadurch jedoch nicht ein.
Das Beschwerdegericht prüft bereits grundsätzlich die angefochtene Entscheidung nicht nur im Hinblick auf das konkrete Beschwerdebegehren, sondern umfassend (vgl. Cirener in Graf (Hrsg.), BeckOK StPO, Edit. 13, § 309 Rn. 5).
Dieser Grundsatz wird für Beschwerden nach § 210 Abs. 2 StPO allerdings teilweise eingeschränkt. Bei einer Beschwerde gegen die Eröffnung vor einem Gericht niederer Ordnung (§ 210 Abs. 2, 2. Alt. StPO) soll dem Beschwerdegericht nach einer in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung die Prüfung der weiteren Voraussetzungen der Eröffnung, namentlich des hinreichenden Tatverdachts, grundsätzlich untersagt sein (vgl. KG NStZ-RR 2005, 26 mwN; OLG Saarbrücken wistra 2002, 118; aA jedoch BayObLG NJW 1987, 511; Rieß in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 210 Rn. 22; Meyer-Goßner aaO, § 210 Rn. 2).
Für den umgekehrten Fall, in dem sich - wie im vorliegenden Fall geschehen - die Beschwerde gegen die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens richtet (§ 210 Abs. 2, 1. Alt. StPO), wird ein Prüfungsverbot hinsichtlich der Zuständigkeitsfrage demgegenüber nicht vertreten. Vielmehr wird hier eine Prüfungskompetenz ausdrücklich angenommen; lediglich über den weiteren Verfahrensgang, namentlich über die zu treffende Entscheidung des Beschwerdegerichts, besteht Uneinigkeit (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Februar 1986 - 1 Ws 27/85, MDR 1986, 605 f.; Stuckenberg aaO, § 210 Rn. 29; Schneider aaO, § 210 Rn. 11; Julius in Heidelberger Kommentar zur StPO, 4. Aufl., § 210 Rn. 12; Reinhart in Radtke/Hohmann, StPO, 1. Aufl., § 210 Rn. 7; Meyer-Goßner JR 1986, 471 ff.).
Der Senat teilt die Auffassung, dass sich jedenfalls bei einer Beschwerde gemäß § 210 Abs. 2, 1. Alt. StPO die Prüfungskompetenz des Beschwerdegerichts auch auf die Zuständigkeit erstreckt.
Für eine durchgreifende Prüfungskompetenz spricht insbesondere, dass nach § 6 StPO die Gerichte zur Prüfung der sachlichen Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens verpflichtet sind; die Kontrolle der Zuständigkeit der Ausgangsgerichte erfolgt auch in den Rechtsmittelinstanzen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 1957 - 2 StR 575/56, BGHSt 10, 74 ff.; Meyer-Goßner aaO, § 309 Rn. 6; § 328 Rn. 7).
(2) Auch die von der Beschwerdekammer im Ergebnis gewählte weitere Vorgehensweise, die Akten zur Entscheidung über die Eröffnung an die Jugendschutzkammer (vgl. hierzu auch § 209a Nr. 2 StPO) des Landgerichts vorzulegen, ist zumindest vertretbar und unter dem Gesichtspunkt der Willkür nicht zu beanstanden.
(a) Die Berechtigung zur Vorlage der Akten an das für zuständig befundene ranghöhere Gericht wird in Rechtsprechung und Schrifttum befürwortet (vgl. OLG Frankfurt aaO; dem folgend z.B. Julius aaO, § 210 Rn. 12; für den Fall, in dem - wie hier - das zuständige Gericht auch gegenüber dem Beschwerdegericht ein solches höherer Ordnung darstellt, auch Stuckenberg aaO, § 210 Rn. 31, der im Übrigen eine direkte Eröffnung vor dem im Vergleich zum Ausgangsgericht höherrangigen Gericht fordert, aaO, § 210 Rn. 29 und Reinhart aaO, § 210 Rn. 7, der im Übrigen für eine Zurückverweisung an das Ausgangsgericht votiert).
Demgegenüber wird auch vertreten, dass sich das Beschwerdegericht einer Sachentscheidung zu enthalten habe und unter Aufhebung der Ausgangsentscheidung die Sache lediglich zur erneuten Entscheidung über die Eröffnung an das Ausgangsgericht zurückverweisen dürfe (vgl. Meyer-Goßner JR 1986, 471 ff.; grds. auch Reinhart aaO, § 210 Rn. 7).
Nach einer weiteren Auffassung soll das Beschwerdegericht das Hauptverfahren vor dem rangniederen Ausgangsgericht eröffnen können (vgl. Schneider aaO, § 210 Rn. 11).
Nach den beiden letzten Auffassungen hat das Beschwerdegericht nur die Möglichkeit, eine Verweisung der Sache durch das Ausgangsgericht an das höhere Gericht anzuregen (vgl. Meyer-Goßner aaO und Schneider aaO).
Mit diesen widerstreitenden Auffassungen hat sich die Kammer im Beschluss vom 30. Juni 2011 auseinandergesetzt und sich für die Möglichkeit der Vorlage an das ranghöhere Gericht ausgesprochen.
(b) Für diese Vorlageentscheidung sprechen gewichtige sachliche Gründe:
Durch die Vorlage an das ranghöhere Gericht bleibt diesem die eigenständige Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens vorbehalten; die gesetzliche Systematik des Vorlageverfahrens wird gewahrt. Darüber hinaus sichert diese Vorgehensweise die Durchsetzung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts gegenüber dem Ausgangsgericht, während die auf eine - unverbindliche - Anregung beschränkten Auffassungen im Streitfalle nur auf die Möglichkeit der Zurückverweisung oder Eröffnung vor einem anderen, dem Ausgangsgericht gleichgeordneten Gericht (§ 210 Abs. 3 StPO) zurückgreifen können. Die direkte Vorlage durch das Beschwerdegericht trägt zudem prozessökonomischen Aspekten und dem Gedanken der Verfahrensbeschleunigung Rechnung. Ein Instanzenverlust ist nicht zu befürchten; vielmehr wird durch die Vorlage ein neuer Instanzenzug für die Eröffnungsentscheidung gewährt.
Sinn und Zweck der §§ 209, 210 StPO legen eine Vorlageentscheidung des Beschwerdegerichts nahe.
Die in § 209 Abs. 2 StPO enthaltene Formulierung, wonach die Vorlage durch das Gericht zu erfolgen hat, ?bei dem die Anklage eingereicht ist', zwingt im Hinblick auf § 309 Abs. 2 StPO, der dem Beschwerdegericht aufgibt, ?die in der Sache erforderliche Entscheidung' zu treffen, nicht dazu, die Vorlageberechtigung ausschließlich dem erstinstanzlichen Gericht zuzusprechen.
Für die Entscheidungen des Beschwerdegerichts im Zwischenverfahren sind die §§ 209, 210 StPO vielmehr gemeinsam mit § 309 Abs. 2 StPO zu lesen. Nach dem Wortlaut des § 210 Abs. 3 StPO, der mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 1999 - 2 BvR 1067/99 mwN), gibt das Beschwerdegericht lediglich ?der Beschwerde statt' und kann- zusätzlich - das Hauptverfahren vor einem anderen, dem Ausgangsgericht gleichgeordneten Gericht eröffnen. Die grundsätzlich notwendige Entscheidungsformel i.S.d. ?Stattgabe' wird jedoch allein aus § 210 Abs. 3 StPO heraus nicht verständlich, sondern erschließt sich erst unter Hinzuziehung des § 309 Abs. 2 StPO, der ?die in der Sache erforderliche Entscheidung' fordert.
Auch die in § 210 Abs. 3 StPO gegebene Möglichkeit, vor einem anderen, mit dem Ausgangsgericht gleichrangigen Gericht zu eröffnen, führt nicht im Umkehrschluss dazu, dass - materiell - eine andere Entscheidung als die Eröffnung des Hauptverfahrens ausgeschlossen ist. Denn die Bestimmung des § 210 Abs. 3 StPO ist dem § 354 Abs. 2 StPO nachempfunden (vgl. bereits BT-Drucks. I/530, S. 44 zu Nr. 83). Während dessen Vorgängernorm - § 394 Abs. 2 StPO aF - bereits in der 1877 in Kraft getretenen Fassung der StPO vorhanden war, fand § 210 Abs. 3 StPO - als § 204 Abs. 1 Satz 3 StPO aF - erst durch Verordnung vom 13. August 1942 im Zuge des Versuchs einer Beseitigung des Eröffnungsverfahrens Eingang in das Gesetz (RGBl. 1942, S. 512). Nach Kriegsende wurde diese Bestimmung als § 210 Abs. 3 StPO dem im Übrigen in der vor dem Krieg geltenden Fassung wiederhergestellten § 210 (Abs. 1 und 2) StPO angegliedert (BGBl. 1950 I, S. 455). Nach den Motiven (BT-Drucks. I/530, S. 44 zu Nr. 83) handelt es sich um eine ?Fortentwicklung des Verfahrensrechts, die beibehalten werden kann'. Daraus erhellt, dass die zusätzliche Entscheidungsmöglichkeit in § 210 Abs. 3 StPO eine Erweiterung, aber keine inhaltliche Begrenzung der aus § 210 Abs. 1 und 2 StPO eigenständig zu ermittelnden Entscheidungsmöglichkeiten im Eröffnungsverfahren bewirken sollte.
Dass ungeachtet der sprachlichen Fassung des § 210 Abs. 3 StPO auch andere Entscheidungen als lediglich die Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Ausgangs- oder einem diesem gleichgeordneten Gericht möglich sind, zeigt sich auch aus Folgendem:
Obwohl § 210 Abs. 3 StPO keine Zuständigkeitsbestimmung für ein Gericht anderer Ordnung als der des Ausgangsgerichts vorsieht - eine dem § 354 Abs. 3 StPO vergleichbare Bestimmung fehlt -, darf nach einhelliger (und richtiger) Ansicht das Beschwerdegericht - im Hinblick auf § 209 Abs. 1 StPO - das Hauptverfahren auch vor einem rangniedrigeren als dem Ausgangsgericht eröffnen (vgl. Stuckenberg aaO, § 210 Rn. 28; Rieß aaO, § 210 Rn. 21; Ritscher in Graf, StPO, 1. Aufl., § 210 Rn. 7; Reinhart aaO, § 210 Rn. 7; Schneider aaO, § 210 Rn. 11). § 209 Abs. 1 StPO ist (auch hier) gemeinsam mit § 309 Abs. 2 StPO zu lesen, obwohl auf den ersten Blick alleiniger Normadressat das ?Gericht ist, bei dem die Anklage eingereicht ist'.
Ergibt sich aus alledem aber eine über § 210 Abs. 3 StPO hinausgehende Entscheidungskompetenz für das Beschwerdegericht in Fragen der sachlichen Zuständigkeit, so besteht kein Grund, in umgekehrter Richtung eine Sperrwirkung anzunehmen, die eine einander ergänzende Anwendung der §§ 209 Abs. 2 und 309 Abs. 2 StPO mit dem Ergebnis einer Vorlage an das zuständige höhere Gericht ausschließt.
Die Jugendschutzkammer hat daher ihre Zuständigkeit keinesfalls willkürlich angenommen. ..."
(6) Anwesenheit (Ziffer 5):
Die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen in Abwesenheit des aus der Hauptverhandlung entfernten Angeklagten betrifft einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung. Dies gilt nicht, wenn der Angeklagte Gelegenheit hat, die Vernehmung über eine Bild-Ton-Übertragung zeitgleich mitzuverfolgen und er vor der Entlassung des Zeugen nach ausdrücklicher Befragung des Vorsitzenden von seinem Fragerecht keinen Gebrauch machen will. Die Zulässigkeit der Verfahrensrüge der unzulässigen Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten setzt voraus, dass in der Revisionsbegründungsschrift die näheren Umstände der Video-Übertragung im Einzelnen vorgetragen werden (BGH, Urteil vom 09.02.2011 - 5 StR 387/10 zu StPO §§ 338 Nr. 5, 230, 247, 344 Abs. 2 S. 2).
***
Die Durchführung eines förmlichen Augenscheins während der Vernehmung eines Zeugen in Abwesenheit des aus dem Sitzungszimmer entfernten Angeklagten kann auch dann nicht als Teil der Vernehmung des Zeugen angesehen werden, wenn er eng mit dieser verbunden ist (BGH, Beschluss vom 05.10.2010 - 1 StR 264/10 zu StPO §§ 338 Nr. 5, 247, 230 Abs. 1).
***
Die Verfahrensrüge der fortdauernden Abwesenheit des aus dem Sitzungszimmer entfernten Angeklagten während der Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen ist auch ohne Beanstandung dieser Verfahrensweise nach § 238 Abs. 2 StPO zulässig (BGH, Beschluss vom 27.04.2010 - 5 StR 460/08 zu StPO §§ 247, 238 Abs. 2, 338 Nr. 5).
***
Die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen ist kein Teil der Vernehmung im Sinne von § 247 StPO. Die fortdauernde Abwesenheit eines nach § 247 StPO während einer Zeugenvernehmung entfernten Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen begründet regelmäßig den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO (BGH, Beschluss vom 21.04.2010 - GSSt 1/09).
***
Erklärt der nicht zum allgemeinen oder amtlichen Vertreter bestellte erschienene Rechtsanwalt, er sei als ?Vertreter' des beigeordneten Verteidigers erschienen, könne aber nicht als Verteidiger des Angeklagten auftreten, da er mit dem Verfahrensstoff nicht vertraut sei, liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO auch dann vor, wenn lediglich über die Abtrennung des Verfahrens verhandelt und entschieden wird (BGH, Beschluss vom 13.04.2010 - 3 StR 24/10 zu StPO §§ 338 Nr. 5, 4 Abs. 1, 140 zu StPO §§ 338 Nr. 5, 4 Abs. 1, 140).
***
?... Es stellt keinen durchgreifenden Rechtsfehler dar, dass Staatsanwalt - GL - R. den Schlussvortrag gehalten hat, obgleich er zuvor in der Hauptverhandlung als Zeuge zu der Frage vernommen wurde, ob einem anderen Zeugen möglicherweise Zugeständnisse gemacht worden seien. Während der Zeugenvernehmung war er als Sitzungsstaatsanwalt von StA - GL - B. vertreten worden. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die von der Revision erhobene Rüge keinen unbedingten Revisionsgrund im Sinne von § 338 Nr. 5 StPO betrifft (vgl. BGHSt 14, 265, 267). Des Weiteren bekräftigt der Senat seine im Urteil vom 25. April 1989 (NStZ 1989, 583 f.) geäußerten Bedenken, ob die bisherige Rechtsprechung so aufrecht zu erhalten ist, wonach ein als Zeuge in der Hauptverhandlung vernommener Staatsanwalt auch für den Rest der Hauptverhandlung an der Wahrnehmung der Aufgaben des Sitzungsvertreters gehindert sein kann (vgl. hierzu BGHSt 21, 85, 89); denn im Gegensatz zu als Zeugen vernommenen Richtern (§ 22 Nr. 5 StPO), Schöffen, Urkundsbeamten und Protokollführern (§ 31 in Verbindung mit § 22 Nr. 5 StPO) enthält die StPO für Beamte der Staatsanwaltschaft keine Regelung. Dass der Gesetzgeber eine entsprechende Ausschlussmöglichkeit nicht vorgesehen und auch zwischenzeitlich nicht geregelt hat, könnte ohne Weiteres darauf beruhen, dass ansonsten durch geschickte Beweisantragsstellung und in rechtsmissbräuchlicher Weise der mit der Sache befasste und eingearbeitete Anklagevertreter aus dem Verfahren entfernt werden könnte, was letztlich nahezu immer zu einer nach Verfassungsgrundsätzen zu vermeidenden Verfahrensverzögerung führen würde.
Letztlich kann der Senat diese Frage nochmals offen lassen; denn es kann vorliegend ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf dem behaupteten Verfahrensverstoß beruht. Zunächst kann der Senat auch aufgrund des Revisionsvorbringens nicht feststellen, dass der Sitzungsvertreter überhaupt die seiner Zeugenvernehmung zugrunde liegende Beweisbehauptung und seine darauf erfolgte Aussage im Schlussvortrag gewürdigt hat. Im Übrigen betraf die Aussage auch keine eigenen Wahrnehmungen des Staatsanwalts, sondern allein Fragen der dienstlichen Befassung mit dem Verfahren, welche auch - wie vorliegend geschehen - im Rahmen einer dienstlichen Äußerung in ausreichender Weise hätten geklärt werden können. Dies hätte auf keinen Fall einen Ausschluss des Sitzungsvertreters mit sich gebracht. ..." (BGH, Beschluss vom 24.10.2007 - 1 StR 480/07)
***
?... Der Beschwerdeführer macht mit Recht das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes des § 338 Nr. 5 StPO geltend.
a) Der Rüge liegt folgender, von dem Beschwerdeführer vollständig vorgetragener Verfahrensgang zu Grunde: Am ersten Tag der Hauptverhandlung schloss die Strafkammer den Angeklagten gemäß § 247 Satz 1 StPO und die Öffentlichkeit gemäß § 171 b Abs. 1 GVG ?während der Vernehmung der Zeugin Jaqueline B.' von der Verhandlung aus. Nach Ausführung des Beschlusses erschien diese Zeugin, die in diesem Verfahren Nebenklägerin ist. Als Stieftochter des Angeklagten u.a. nach § 52 StPO belehrt, erklärte sie, nicht aussagen zu wollen. Weiter ist im Protokoll festgehalten: ?Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Die Zeugin erklärte: 'Ich bin damit einverstanden, dass alles das verwertet wird, was ich in diesem Verfahren gegenüber der Kriminalpolizei, dem aussagepsychologischen Sachverständigen Dipl.-Psych. D. und der Richterin am AG R. gegenüber gesagt habe'. v.u.g. Die Öffentlichkeit wurde um 12.05 Uhr wieder hergestellt, die Zeugin wurde entlassen und der Angeklagte wieder vorgeführt. Dem Angeklagten wurde der wesentliche Inhalt der Aussage der Zeugin B. bekannt gegeben. Der Angeklagte äußerte sich dazu nicht'.
b) Bei diesem Verfahrensgang beanstandet die Revision mit Erfolg, dass der Angeklagte bei der Verhandlung über die Entlassung der Zeugin B. nicht anwesend war. Der Ausschluss des Angeklagten von der Verhandlung gemäß § 247 StPO ließ die Entfernung des Angeklagten nur während der Vernehmung der Zeugin zu. Die Verhandlung über die Entlassung gehört aber nicht mehr zur Vernehmung, sondern ist ein selbständiger Verfahrensabschnitt und grundsätzlich auch ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung (st. Rspr.; vgl. Meyer-Goßner StPO 49. Aufl. § 247 Rdn. 20 m. Rechtsprechungsnachweisen). Der Angeklagte, dessen Entfernung aus dem Sitzungssaal während der Vernehmung eines Zeugen durch das Gericht angeordnet worden ist, muss daher zur Verhandlung über die Entlassung des Zeugen wieder zugelassen werden. Das ist hier nicht geschehen.
c) Ein Ausnahmefall, in dem trotz vorschriftswidriger Abwesenheit des Angeklagten während der Verhandlung über die Entlassung der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO nicht eingreift, liegt nicht vor (vgl. BGH StV 2000, 239 m.w.N.). Insbesondere kann unter den hier gegebenen Umständen auch nicht ausnahmsweise schon denkgesetzlich jegliches Beruhen des Urteils auf der bloßen Abwesenheit des Angeklagten während der Entscheidung über die Entlassung der Zeugin ausgeschlossen werden (vgl. dazu zuletzt Senatsbeschluss vom 11. Mai 2006 - 4 StR 131/06 m.w.N.). Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob ein solcher Ausnahmefall dann anzunehmen wäre, wenn die Zeugin unter Berufung auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht ?schlicht' jegliche Angaben, die sich auf die Sache beziehen, unterlassen hätte. So liegt es hier im Hinblick darauf, dass die Zeugin trotz ihrer berechtigten Zeugnisverweigerung entsprechend der Senatsentscheidung BGHSt 45, 203 die Verwertung der bei ihren nicht richterlichen Vernehmungen gemachten Angaben gestattet und damit auf das in § 252 StPO enthaltene Verwertungsverbot verzichtet hat, nicht. Ob es sich anders verhielte, wenn die Zeugin diesen Verzicht von sich aus und ohne weitere Angaben erklärt hätte, kann dahin stehen. Denn die Gründe des angefochtenen Urteils weisen aus, dass die Zeugin - ersichtlich im Rahmen der im Protokoll der Hauptverhandlung vermerkten Erörterung der Sach- und Rechtslage - ihr prozessuales Verhalten näher erläutert und angegeben hat, ?sie habe nicht im Hinblick und mit Rücksicht auf die Zwangslage, die Wahrheit zu sagen und dadurch dem Angeklagten zu schaden, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, sondern um nicht noch einmal eine emotional und für sie schmerzhafte Befragung durchzustehen' (UA 11). Damit hat sie sich inzidenter auch zum Wahrheitsgehalt ihrer früheren Angaben geäußert, die eine wesentliche Grundlage für die Überzeugungsbildung der Strafkammer darstellen.
Bei dieser Sachlage musste dem Angeklagten Gelegenheit gegeben werden, die Erläuterung der Zeugin B. in ihrer Anwesenheit, jedenfalls aber vor ihrer Entlassung, zu hinterfragen, um möglicherweise auf eine Änderung ihrer Entscheidung hinzuwirken. Deshalb kann ein denkgesetzlicher Aufschluss des Beruhens auch nicht damit begründet werden, dass der Angeklagte nach Entlassung der Zeugin und seiner Unterrichtung gemäß § 247 Satz 4 StPO sich nicht geäußert hat. ..." (BGH, Beschluss vom 26.09.2006 - 4 StR 353/06 )
***
?... Die Revision beruft sich auf § 338 Nr. 5 StPO und rügt ?die Verletzung von § 140 Abs. 1, Abs. 2 und §§ 141 ff. StPO.' Der Sache nach macht sie geltend, der Angeklagte sei am 7. Verhandlungstag (24. August 2005) nicht ordnungsgemäß verteidigt gewesen.
Folgendes liegt zu Grunde: Der Angeklagte hatte im Laufe des Verfahrens schon einer ganzen Reihe von Rechtsanwälten schriftliche Verteidigervollmacht erteilt, zum Teil nach zwischenzeitlicher Mandatsbeendigung mehrfach. Seit dem 4. Verhandlungstag war Rechtsanwältin K. alleinige Verteidigerin, inzwischen vertritt sie den Angeklagten nicht mehr. Nach dem 5. Verhandlungstag (29. Juli 2005) erkrankte sie. Am 6. Verhandlungstag (22. August 2005) - Dauer: zehn Minuten - erschien ausweislich des Protokolls eine derselben Kanzlei angehörige Rechtsanwältin ?in Untervollmacht für RAin K. , die erkrankt ist. Der Angeklagte erklärte hiermit Einverständnis'. Im Übrigen beschränkte sich die Verhandlung auf eine Erklärung des Angeklagten, wonach er bestätigte, in Anwesenheit von Rechtsanwältin K. eine Erklärung abgeben zu wollen, und die Erörterung des weiteren Verfahrensgangs. Am 7. Verhandlungstag erschien Rechtsanwalt F. , ?der erklärte, dass er in Untervollmacht für RAin K. auftrete und eine schriftliche Untervollmacht nachreichen werde'. Es wurden drei Telefonkarten in Augenschein genommen und ein Notizzettel mit einer Adresse in Augenschein genommen und verlesen. Erklärungen wurden zu alledem nicht abgegeben, die Verhandlung dauerte sieben Minuten. Am nächsten Verhandlungstag (15. September 2005) erschien dann wieder Rechtsanwältin K. und führte die Verteidigung. Die am 24. August 2005 angekündigte Untervollmachtsurkunde war schon am 23. August 2005 ausgestellt. Sie gelangte allerdings erst im Rahmen des Revisionsverfahrens am 7. Februar 2006 zu den Verfahrensakten.
Der Verfahrensverlauf vom 7. Verhandlungstag lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
a) Ohne dass es auf Weiteres ankäme, wäre der Angeklagte nicht ordnungsgemäß verteidigt gewesen, wenn nicht die Voraussetzungen von § 138 Abs. 1 StPO erfüllt gewesen wären. Die Revision (Schriftsatz vom 8. Mai 2006) hat angeregt, der Senat möge ?klären, ob die ? Untervollmacht tatsächlich einem zugelassenen Rechtsanwalt erteilt worden ist'. Gestützt ist dies auf Erwägungen, die an den Inhalt des Anrufbeantworters des Anschlusses F. anknüpfen.
Verfahrensrügen sind in der Frist des § 345 StPO zu erheben. Diese ist hier nicht eingehalten. Freilich liegen hier Besonderheiten vor. Die Staatsanwaltschaft hat im Rahmen ihrer Revisionsgegenerklärung auf die genannte Untervollmachtsurkunde Bezug genommen, sie dem (jetzigen) Verteidiger aber nicht bekannt gemacht. Er hat von dieser Urkunde erst im Rahmen ihm vom Senat gewährter Akteneinsicht Kenntnis genommen.
Der Senat braucht nicht darüber zu befinden, ob und wie sich das geschilderte Verfahrensgeschehen auf die Frist des § 345 StPO auswirkt. Auch wenn man das genannte Vorbringen als rechtzeitig ansieht, fehlt es jedenfalls an der gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlichen schlüssigen tatsächlichen Behauptung einer Rechtsverletzung, da nicht eindeutig und klar behauptet ist, der als Rechtsanwalt F. aufgetretene Verteidiger sei in Wahrheit kein Rechtsanwalt. Eine entsprechende Vermutung in den Raum zu stellen, genügt nicht. Es wäre Sache der Revision gewesen, die tatsächliche Tragfähigkeit ihrer Erwägungen zu überprüfen, etwa durch ohne weiteres mögliche Anfragen bei der früheren Verteidigerin (vgl. BGH NStZ 2005, 283 f.; hierzu BVerfG StraFo 2005, 512 f.) oder bei zuständigen Stellen wie der Rechtsanwaltskammer oder dem Präsidenten des Landgerichts; gegebenenfalls hätte sie das Ergebnis ihrer Überprüfungen dem Senat darzulegen gehabt. Gebotener Vortrag kann nicht durch die Anregung ersetzt werden, der Senat möge prüfen, ob die angedeutete Möglichkeit eines Rechtsfehlers in tatsächlicher Hinsicht eine tragfähige Grundlage hat oder nicht.
b) Die Revision macht im Zusammenhang mit der Vollmachtsurkunde weiter geltend, an einer ordnungsgemäßen Verteidigung habe es (auch) deshalb gefehlt, weil im Termin vom 24. August 2005, (noch) keine schriftliche Untervollmacht für Rechtsanwalt F. vorgelegen habe. Eine solche Untervollmacht muss aber nicht notwendig schriftlich nachgewiesen werden (vgl. OLG Düsseldorf StraFo 1998, 227 f.; OLG Hamm JMBl. NW 1980, 83; OLG Köln VRS 60, 441 f.; Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. vor § 137 Rdn. 11). Deshalb gehen zugleich die Ausführungen der Revision ins Leere, wonach es unzulässig sei, die später zu den Akten gelangte schriftliche Untervollmacht vom 23. August 2005 zur Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen.
c) Über die genannten einzelfallbezogenen Fragen (beruflicher Status des Unterbevollmächtigten; Art des Nachweises seiner Unterbevollmächtigung) hinaus erhebt die Revision auch generelle Bedenken gegen die Berechtigung von Rechtsanwältin K. zur Erteilung einer Untervollmacht und dementsprechend gegen die Wirksamkeit dieser Untervollmacht.
(1) Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel in der Vollmacht für Rechtsanwältin K. , die ihr die Erteilung von Untervollmacht gestattete, bestehen nicht.
Für die in einer Verteidigervollmacht vorformulierte Befugnis zur Erteilung von Untervollmacht gelten, soweit hier von Interesse, die Regeln über Allgemeine Geschäftsbedingungen in Verträgen. Ob die genannte Befugnis wirksamer Bestandteil der Vollmacht ist, richtet sich insbesondere nach § 305c Abs. 1 BGB (vgl. zu alledem näher Jahn/Kett-Straub StV 2005, 601, 602 m. w. N. ). Sie ist allgemein ge-bräuchlich - auch sämtliche der (zahlreich) vom Angeklagten ausgestellten Verteidigervollmachten enthalten diese Klausel, zuletzt die für seinen jetzigen Verteidiger im Revisionsverfahren - und daher nicht überraschend im Sinne des § 305c BGB (Jahn/Kett-Straub aaO).
Die Revision meint, in diesem Zusammenhang habe es auch Bedeutung, dass der Angeklagte die deutsche Sprache nicht beherrsche. Der Senat braucht diesem Hinweis aber unter keinem Gesichtspunkt näher nachzugehen. Es erscheint fern liegend und ist auch nicht konkret behauptet, dass die Verteidiger nicht mit dem Angeklagten kommunizieren konnten (zur Dolmetscherzuziehung bei Verteidigergesprächen vgl. Wickern in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 185 GVG Rdn. 10).
(2) Der unterschiedlich beurteilten Frage, ob eine nur formularmäßig erteilte Zustimmung eine gemäß § 139 StPO genügende Grundlage zur Unterbevollmächtigung eines Referendars durch einen Verteidiger ist (verneinend KG JR 1972, 206; Bedenken hiergegen etwa bei Jahn/Kett-Straub aaO m. w. N. in Fußn. 19) braucht der Senat hier ebenfalls nicht näher nachzugehen. Selbst wenn in diesem Fall keine ausreichende Grundlage für die Unterbevollmächtigung vorläge, könnte dies wegen des Unterschieds zwischen einem Rechtsanwalt und einem Referendar nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen werden (vgl. Jahn/Kett-Straub aaO). All dies gilt noch mehr für die von der Revision genannte Entscheidung LG Berlin NStZ 2000, 51, die sich von der vorliegenden Fallgestaltung zusätzlich noch dadurch unterscheidet, dass die Bevollmächtigung des Referendars durch einen Pflichtverteidiger erfolgte (vgl. auch Jahn/Kett-Straub aaO Fußn. 19 a. E.).
(3) Die hier in Rede stehende Bevollmächtigung ist auch nicht dahin eingeschränkt, dass jedenfalls ein Verteidiger, ?der aufgrund seiner Prozesserfahrung und seines Bekanntheitsgrades ? besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nimmt', von einem ihm eingeräumten Recht, Untervollmacht zu erteilen, keinen Gebrauch machen dürfe (so LG Duisburg StV 2005, 600; auf diese Entscheidung weist die Revision hin). Ob diese Voraussetzungen bei Rechtsanwältin K. gegeben sind oder nicht, hatte die Strafkammer nicht zu prüfen. Das Gesetz behandelt nämlich alle zugelassenen Verteidiger, die ihre Stellung nicht einer Einzelfallprüfung des Gerichts verdanken (vgl. § 138 Abs. 2 StPO), gleich. Es räumt, wie sich aus § 138 Abs. 1 StPO ergibt, dem Gericht nicht die Möglichkeit ein, etwa im Rahmen der Prüfung der Wirksamkeit einer Untervollmacht, auf der Grundlage seiner eigenen Auffassung z.B. über die fachliche Qualität eines Verteidigers (?Prozesserfahrung') und das Maß des Vertrauens zu befinden, das er deshalb von seinen Mandanten erwarten darf (Jahn/Kett-Straub aaO).
(4) Auch im Übrigen gibt es keinen Rechtsanspruch des Angeklagten, auch dann ausschließlich vom (Haupt-)Verteidiger verteidigt zu werden, wenn er uneingeschränkt die Befugnis zur Erteilung von Untervollmachten erteilt hat. Weder ist eine solche Regelung ausdrücklich dem Gesetz zu entnehmen, noch gibt es übergeordnete Gesichtspunkte, die es gebieten würden, die bewährte und sinnvolle Möglichkeit der Unterbevollmächtigung in Strafsachen letztlich in Frage zu stellen. Missbräuche oder sonstige Fehlentwicklungen in der Praxis der Strafrechtspflege, die eine generell andere Beurteilung nahe legen könnten, sind nicht bekannt.
(5) All dies gilt entsprechend auch hinsichtlich des von der Revision hervorgehobenen Umstands, dass Rechtsanwalt F. nicht derselben Sozietät wie Rechtsanwältin K. angehört. Auch hieraus ergeben sich keine rechtlichen Einschränkungen der Rechtsanwältin K. vom Angeklagten uneingeschränkt eingeräumten Befugnis zur Erteilung von Untervollmacht. Es ist nicht ersichtlich, warum sich daran deshalb etwas ändern könnte, weil die Unterbevollmächtigte vom 6. Verhandlungstag in derselben Kanzlei tätig war wie Rechtsanwältin K. .
(6) Dass es schließlich auch keinen Rechtssatz gibt, wonach eine Unterbevollmächtigung unwirksam sei, wenn sie für einen Verhandlungsteil erteilt ist, in dem Beweis erhoben wird, bedarf keiner Darlegung.
d) Das sonstige Vorbringen der Revision, etwa
- das Gericht habe den Angeklagten nicht nach seinem Einverständnis mit der Verteidigung durch Rechtsanwalt F. befragt, wie dies am 6. Verhandlungstag geschehen sei;
- das Gericht hätte den Angeklagten darüber belehren müssen, dass er eine Verteidigervollmacht jederzeit kündigen kann;
- Rechtsanwalt F. habe nicht sachgerecht agiert,
kann der Revision ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.
Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass die behaupteten Fehler, selbst wenn man ihr Vorliegen unterstellt, nicht dazu führen könnten, dass ein ordnungsgemäß (unter)bevollmächtigter, anwesender Verteidiger als im Sinne des § 338 Nr. 5 StPO nicht anwesend anzusehen wäre; Erwägungen der Revision, weshalb das Urteil aus den genannten Gründen in besonderem Maße auf dem behaupteten Verstoß gegen § 338 Nr. 5 StPO beruhe, gehen daher schon im Ansatz ins Leere. Ebenso wenig stellt sich im Fall der Anwesenheit eines Wahlverteidigers oder eines von ihm ordnungsgemäß unterbevollmächtigten Verteidigers die Frage nach der Bestellung eines Pflichtverteidigers (§§ 141 ff. StPO). Das genannte Vorbringen ist daher schon im Ansatz keine schlüssige Behauptung der von der Revision geltend gemachten Verletzungen von § 338 Nr. 5, §§ 141 ff. StPO.
Aber auch wenn man auf all dies den Rechtsgedanken des § 300 StPO anwenden würde (vgl. auch § 352 Abs. 2 StPO), könnte es der Revision nicht zum Erfolg verhelfen.
(1) Das Gericht ist regelmäßig nicht verpflichtet, die Tätigkeit eines Verteidigers daraufhin zu überwachen, ob er seine Verteidigertätigkeit ordnungsgemäß erfüllt (vgl. BGH b. Holtz, MDR 1996, 120). Dies gilt nicht nur für die inhaltliche, sondern auch für die formale Gestaltung der Verteidigung. Macht der Verteidiger von einer ihm - wie dem Gericht bekannt ist - vom Angeklagten erteilten Befugnis Gebrauch, so braucht das Gericht dies im Grundsatz nicht zu hinterfragen. Besondere über die Erteilung der Untervollmacht hinausgehende Umstände des Einzelfalles, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung nahe legen könnten, sind nicht ersichtlich.
Daran ändert sich auch durch den Verlauf des vorangegangenen 6. Verhandlungstages nichts, wenn es auch regelmäßig untunlich ist, wenn das Gericht in identischen Verfahrenssituationen, dem Auftreten eines unterbevollmächtigten Verteidigers, unterschiedlich agiert, indem es einmal den Angeklagten nach seinem Einverständnis fragt und einmal nicht, zumindest das Protokoll unterschiedlich gestaltet.
Es bedarf jedoch keiner näheren Darlegung, dass eine nicht gebotene, aber auch unschädliche Frage nicht die objektive Rechtslage verändert hat.
(2) Eine Verletzung eines wie auch immer gearteten Vertrauenstatbestandes ist ebenfalls nicht ersichtlich.
Worauf sich ein Vertrauen überhaupt gerichtet haben soll, erschließt sich aus dem Vortrag,
- wegen des 6. Verhandlungstages habe der Angeklagte darauf vertraut, das Auftreten eines Unterbevollmächtigten sei nur mit seiner nochmaligen Einwilligung zulässig, wenn er vom Gericht danach gefragt wird;
- deshalb habe er am 7. Verhandlungstag geglaubt, es käme nicht auf sein nochmaliges Einverständnis an, da er nicht danach gefragt wurde;
nicht leicht.
Letztlich kann dies aber auf sich beruhen. Wie der Bundesgerichtshof in anderem Zusammenhang bereits entschieden hat, kann die Verletzung eines Vertrauenstatbestandes nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn der Angeklagte durch das in Rede stehende Verhalten in eine Lage versetzt wurde, die sein Verteidigungsverhalten beeinflusst hat und bei verständiger Einschätzung der Verfahrenslage auch beeinflussen konnte. Es lassen sich insoweit keine starren Regeln aufstellen, maßgeblich sind die Umstände des jeweiligen Verfahrens (BGH NStZ 2004, 277, 278 m.w.N.). Diese Grundsätze gelten auch hier. Allein das Erscheinen eines ordnungsgemäß unterbevollmächtigten Verteidigers war bei verständiger Würdigung nicht geeignet, den Angeklagten dazu zu veranlassen, sich hiergegen zu wehren. Darauf, dass es angesichts der Vielzahl der von ihm erteilten und widerrufenen Verteidigervollmachten auch fern liegt, er könne geglaubt haben, seine Möglichkeiten und Rechte hingen von einer Frage des Gerichts ab, kommt es daher nicht mehr an.
(3) Sprach aber nichts gegen die Wahrnehmung der Verteidigung durch den Unterbevollmächtigten, braucht das Gericht den Angeklagten offensichtlich auch nicht, wie die Revision meint, ?darauf hinzuweisen, dass es Probleme mit der Verteidigung durch den Unterbevollmächtigten geben könnte und er das Recht hat, ? von einem 'Sonderkündigungsrecht' ? Gebrauch zu machen'. Auf nichts gestützte Spekulationen des Gerichts über zu erwartende Schwierigkeiten können eine Fürsorgepflicht für einen Hinweis auf ein Kündigungsrecht (vgl. §§ 627, 671 BGB) nicht begründen. Der Senat kann daher auch offen lassen, wann und gegebenenfalls unter welchen Umständen ein Hinweis des Gerichts an den Angeklagten, er könne seinem Wahlverteidiger kündigen, überhaupt geboten sein könnte.
(4) Die Behauptung unzulänglichen Agierens durch Rechtsanwalt F. begründet die Revision damit, er habe nach den genannten Beweiserhebungen keine Erklärungen abgegeben. Er hätte sagen müssen, dass in den Niederlanden sämtliche Verkäufe von Telefonkarten schriftlich festgehalten würden, weshalb sich aus den Nummern der verlesenen Telefonkarten zahlreiche für den Angeklagten günstige Erkenntnisse ergeben hätten; zu dem Notizzettel mit der Adresse hätte er sagen müssen, dass es sich dabei um die Adresse eines bei dem Kauf des Pkw nicht zum Zuge gekommenen Mitinteressenten gehandelt hätte; dies hätte die Richtigkeit des Vorbringens des Angeklagten unterstrichen, dass er den Pkw gekauft und nichts von Rauschgift gewusst hätte (vgl. oben vor I.).
Wie dargelegt, hat das Gericht die Gestaltung der Verteidigung grundsätzlich nicht zu überprüfen oder zu kontrollieren (vgl. oben I. 1 d (1) ). Gründe, aus denen ausnahmsweise im Hinblick auf eine Fürsorgepflicht des Gerichts für den Angeklagten etwas anderes gelten könnte - etwa, weil die Unfähigkeit eines Verteidigers zu ordnungsgemäßer Verteidigung klar auf der Hand liegt (vgl. BGH b. Holtz MDR 1996, 120) - sind nicht erkennbar. Mit dem Vortrag, ein Verteidiger habe nach einer Beweiserhebung nicht von der Möglichkeit des § 257 Abs. 2 StPO Gebrauch gemacht, wird im Übrigen auch nicht behauptet, dass Vortrag zu dem Beweisergebnis nicht im Rahmen der Schlussausführungen erfolgte.
Abgesehen davon ist das, was nach Ansicht der Revision - die im Übrigen eine Aufklärungsrüge im Zusammenhang mit Telefonkarten und Notizzettel nicht erhebt - hätte vorgetragen werden sollen, inhaltlich (sehr) fern liegend. Allein die Behauptung, der Verteidiger habe fern liegende Gesichtspunkte dem Gericht nicht unterbreitet, kann jedoch die Möglichkeit eines Rechtsfehlers unter keinem Gesichtspunkt verdeutlichen.
e) Ein wie auch immer gearteter Rechtsfehler im Zusammenhang mit der Verteidigung des Angeklagten durch den ordnungsgemäß unterbevollmächtigten Rechtsanwalt F. ist nach alledem nicht zu erkennen. Die Strafkammer hat vielmehr, wie die nur geringe Förderung der Hauptverhandlung am 6. und. 7. Verhandlungstag (vgl. oben I. 1 vor a)) zeigt, der an diesen Tagen verhinderten Rechtsanwältin K. die Führung der Verteidigung des Angeklagten bis unmittelbar an die von § 229 StPO gezogenen Grenzen (vgl. hierzu Meyer-Goßner aaO § 229 Rdn. 11) ermöglicht.
2. Wie dargelegt (I. 1 d (4)) führt die Revision im Einzelnen aus, was der Verteidiger anlässlich der Beweisaufnahme über Notizzettel und Telefonkarten hätte erklären sollen. Angesichts dieses Vorbringens erhellt sich die tatsächliche und vor allem rechtliche Bedeutung der zusätzlichen Rüge, Notizzettel und Telefonkarten seien nicht Teil der Akten, zumindest nicht ohne weiteres. Der Senat braucht dem aber nicht näher nachzugehen, da dies nur ?vorsorglich' gerügt sein soll. Vorsorglich, also hilfsweise erhobene Verfahrensrügen sind jedoch nicht zulässig (BGH NStZ-RR 2006, 181, 182 m. w. N.), das entsprechende Vorbringen also einer inhaltlichen Überprüfung nicht zugänglich. ... (BGH, Beschluss vom 27.07.2006 - 1 StR 147/06)
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Entscheidet der Vorsitzende, dass ein Zeuge entsprechend dem Regelfall des § 59 StPO in der Fassung des 1. Justizmodernisierungsgesetzes nicht vereidigt werden soll, und wird diese Frage weder kontrovers erörtert noch zum Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung nach § 238 Abs. 2 StPO gemacht, so ist, wenn der für die Vernehmung nach § 247 StPO aus dem Sitzungssaal entfernte Angeklagte dabei nicht anwesend ist, dieser Verfahrensvorgang kein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung und der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO nicht gegeben (BGH, Beschluss vom 11. Juli 2006 - 3 StR 216/06 zu StPO §§ 247, 338 Nr. 5).
In einem Fall notwendiger Verteidigung begründet die alleinige Mitwirkung eines nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Scheinverteidigers an der Hauptverhandlung den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO. Ein nach Beratung durch den Scheinverteidiger erklärter Rechtsmittelverzicht des Angeklagten ist unwirksam. Der Angeklagte kann danach gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erlangen (BGH, Beschluss vom 05.02.2002 - 5 StR 617/01).
Nach ständiger Rechtsprechung gehören die Verhandlung und Entscheidung über die Vereidigung eines Zeugen nicht zur Vernehmung i. S. des § 247 S. 1 StPO, so daß i. d. R. der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gegeben ist, wenn der Angeklagte während dieses Verhandlungsteils von der Hauptverhandlung ausgeschlossen war. Ein Angeklagter, der während einer Zeugenvernehmung aus dem Sitzungssaal entfernt worden ist, muß von dem in seiner Abwesenheit Ausgesagten auch dann vor der Fortsetzung der Beweisaufnahme unterrichtet werden, sobald er wieder anwesend ist, wenn die während seiner Ausschließung durchgeführte Vernehmung lediglich unterbrochen worden war (BGH, Beschluss vom 23.06.1999 - 3 StR 212/99, StV 1999, 636).
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Verhängt das AG im beschleunigten Verfahren gegen den Angeklagten, der keinen Verteidiger hat, eine Freiheitsstrafe von sechs (oder mehr) Monaten, ohne ihm zuvor einen Verteidiger beigeordnet zu haben, so liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO vor (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.07.1999 - 2b Ss 217/99-79/99 I, StV 1999, 588).
Siehe auch unter ?Vorübergehende Abwesenheit einzelner Angeklagter während der Hauptverhandlung".
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(7) Öffentlichkeit (Ziffer 6):
?... Die Revisionen der Angekl. E. und Z. greifen mit der Rüge einer Verletzung des § 338 Nr. 6 StPO durch. Hierzu hat der GBA in seiner Antragsschrift v. 18.07.2011 hinsichtlich beider Rechtsmittel zutreffend ausgeführt:
?1. Die Revision macht erfolgreich geltend, dass vor der erneuten Vernehmung der Nebenklägerin am 30.06.2010 für den erfolgten Ausschluss der Öffentlichkeit ein neuer Gerichtsbeschluss gem. §§ 174 Abs. 1 S. 2, 171b Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GVG erforderlich gewesen wäre, ein solcher jedoch nicht ergangen und verkündet worden ist und auch durch die Bezugnahme des Vors. auf den vorausgegangenen Ausschließungsbeschl. der StrK v. 11.06.2010 nicht ersetzt werden konnte.
2. Die vom LG getroffenen Entscheidungen über den Ausschluss der Öffentlichkeit sind zwar nach § 171b Abs. 3 GVG insoweit unanfechtbar und deshalb der Revision entzogen (§ 336 S. 2 StPO), als es sich um die in § 171b Abs. 1 S. 1 GVG aufgeführten Voraussetzungen für den Ausschluss handelt. Doch kann in einem solchen Fall die Revision - wie hier - darauf gestützt werden, die Ausschließung der Öffentlichkeit sei nicht durch einen den Anforderungen des § 174 Abs. 1 GVG entsprechenden Beschluss gedeckt (vgl. BGH StV 1990, 10; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 171b GVG Rn. 12).
3. Die StrK hat mit Beschl. v. 11.06.2010 die Öffentlichkeit für die Dauer der Vernehmung der Nebenklägerin gem. §§ 174 Abs. 1 S. 2, 171b Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GVG ausgeschlossen. Zwar gilt ein Beschluss, der die Ausschließung der Öffentlichkeit für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen anordnet, grundsätzlich bis zur Beendigung des Verfahrens und deckt auch den Öffentlichkeitsausschluss, wenn eine Vernehmung unterbrochen und an einem anderen Verhandlungstag fortgesetzt wird (vgl. BGH NStZ 1992, 447). Doch wenn derselbe Zeuge in der laufenden Hauptverhandlung nochmals unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen werden soll, ist grundsätzlich gem. §§ 171b, 174 Abs. 1 S. 2 GVG ein neuer Gerichtsbeschluss erforderlich und mithin eine Anordnung des Vors., in der auf einen vorausgegangenen Ausschließungsbeschluss Bezug genommen wird, nicht ausreichend (vgl. BGH NStZ 1992, 447; 2008, 476 [= StV 2008, 126]; 2009, 286, 287; NStZ-RR 2009, 213, 214 [= StV 2009, 680]).
4. So lag es hier. Die Nebenklägerin wurde ausweislich des Sitzungsprotokolls am 18.06.2010 im Einvernehmen sämtlicher Verfahrensbeteiligter als Zeugin entlassen. Damit ist ihre Vernehmung abgeschlossen gewesen und ihre nochmalige Vernehmung am 30.06.2010 in nichtöffentlicher Sitzung hat einen neuen Gerichtsbeschluss gem. § 174 Abs. 1 S. 2 GVG erfordert. Ein solcher ist ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vor der Vernehmung der Zeugin am 30.06.2010 nicht ergangen und nicht verkündet worden. In der Sitzungsniederschrift ist insoweit jeweils vermerkt: ?Die Öffentlichkeit wurde gem. Beschl. der Kammer v. 11.06.2010, Anlage 3 zum Protokoll, für die Dauer der Vernehmung der Zeugin K. ausgeschlossen'. Das Protokoll ist im Hinblick auf die sonstige Protokollierung von Beschlüssen in diesem Punkt auch weder lückenhaft noch widersprüchlich (vgl. dazu BGH NStZ-RR 2009, 213, 214). Im Übrigen ist die StA in ihrer Revisionsgegenerklärung v. 25.05.2011 dem Vortrag des Bf. nicht entgegengetreten, sondern hat ausgeführt, dass die Verfahrenstatsachen insoweit zutreffend wiedergegeben seien. Durch das Protokoll ist daher bewiesen (§ 274 S. 1 StPO), dass vor der Vernehmung der Zeugin am 30.06.2010 der infolge ihrer zuvor angeordneten Entlassung zwingend vorgeschriebene Beschluss des Gerichts nach § 174 Abs. 1 S. 2 GVG nicht ergangen, jedenfalls aber nicht verkündet worden ist.
5. Es liegt auch nicht die von der Rspr. des BGH anerkannte Ausnahme von der Notwendigkeit eines erneuten Gerichtsbeschlusses vor (vgl. BGH StV 2008, 126, 127; NStZ 1992, 447). Danach kann ein solcher entbehrlich sein, wenn dem Protokoll zu entnehmen ist, dass die Entlassung des Zeugen sofort zurückgenommen wurde und die für den Ausschließungsbeschluss maßgebliche Interessenlage fortbestand, so dass sich die zusätzliche Anhörung zusammen mit der vorausgegangenen als eine einheitliche Vernehmung darstellt (BGH NStZ 1992, 447). So lag der Fall hier aufgrund des zeitlichen Abstands und der weiteren Beweisaufnahme zwischen den Vernehmungen ersichtlich nicht (die zu § 171b StGB ergangenen Entscheidungen - vgl. BGH StV 1990, 9 und 10 - betrafen jeweils anders gelagerte Sachverhalte).' ..." (BGH, Beschluss vom 17.08.2011 - 5 StR 263/11)
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?... 1. Sein Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 6 StPO, § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG Erfolg. Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
In der Hauptverhandlung vom 19. Mai 2008 wurde die Öffentlichkeit für die Dauer der Vernehmung der 15-jährigen Nebenklägerin N. gemäß § 172 Nr. 4 GVG durch Gerichtsbeschluss ausgeschlossen. Die Zeugin wurde sodann in nichtöffentlicher Sitzung vernommen und im Anschluss an ihre Vernehmung im Einvernehmen sämtlicher Verfahrensbeteiligter entlassen. Am nächsten Hauptverhandlungstag, am 20. Mai 2008, wurde die Nebenklägerin ein weiteres Mal unter Ausschluss der Öffentlichkeit als Zeugin gehört.
Der Beschwerdeführer rügt zu Recht, dass vor dieser zweiten Vernehmung für den Ausschluss der Öffentlichkeit ein neuer Gerichtsbeschluss gemäß § 174 Abs. 1 Satz 2, § 172 Nr. 4 GVG erforderlich war, ein solcher jedoch nicht ergangen und verkündet worden ist.
Zwar gilt ein Beschluss, der die Ausschließung der Öffentlichkeit für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen anordnet, grundsätzlich bis zur Beendigung des Verfahrens und deckt auch den Öffentlichkeitsausschluss, wenn eine Vernehmung unterbrochen und an einem anderen Verhandlungstag fortgesetzt wird (vgl. BGH NStZ 1992, 447). Die Zeugin ist hier jedoch im Anschluss an ihre Vernehmung am 19. Mai 2008 im Einvernehmen sämtlicher Verfahrensbeteiligter entlassen worden. Damit ist ihre Vernehmung abgeschlossen gewesen und ihre weitere Vernehmung am darauffolgenden Hauptverhandlungstag in nichtöffentlicher Sitzung hat einen neuen Gerichtsbeschluss gemäß § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG erfordert (vgl. BGH NStZ 1992, 447 und 2008, 476; Senatsbeschluss vom 9. Dezember 2008 - 3 StR 443/08). Ein solcher ist ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vor der Vernehmung der Zeugin am 20. Mai 2008 nicht ergangen und nicht verkündet worden. In der Sitzungsniederschrift ist lediglich vermerkt, dass die Öffentlichkeit "zur Fortsetzung der Vernehmung der Zeugin N. gemäß dem entsprechenden Beschluss vom 19.05.08 erneut ausgeschlossen wurde." Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist das Protokoll in diesem Punkt weder lückenhaft noch widersprüchlich, so dass die Aufklärung des Verfahrensgeschehens nicht dem Freibeweis zugänglich ist. Vielmehr ist durch das Protokoll bewiesen (§ 274 Satz 1 StPO), dass vor der Vernehmung der Zeugin am 20. Mai 2008 der infolge ihrer am Vortag angeordneten Entlassung zwingend vorgeschriebene Beschluss des Gerichts nach § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG nicht ergangen, jedenfalls aber nicht verkündet worden ist.
Es liegt auch nicht die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannte Ausnahme von der Notwendigkeit eines erneuten Gerichtsbeschlusses vor (vgl. BGH NStZ 1992, 447). Danach kann ein solcher entbehrlich sein, wenn dem Protokoll zu entnehmen ist, dass die Entlassung des Zeugen sofort zurückgenommen wurde und die für den Ausschließungsbeschluss maßgebliche Interessenlage fortbestand, so dass sich die zusätzliche Anhörung zusammen mit der vorausgegangenen als eine einheitliche Vernehmung darstellt. Hierfür enthält das Protokoll keine Anhaltspunkte. Nach der Entlassung der Zeugin am 19. Mai 2008 sind vielmehr nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit weitere Zeugen gehört worden. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass sich erst in dem weiteren Fortgang der Hauptverhandlung die Notwendigkeit einer erneuten Vernehmung der Zeugin ergeben hat.
2. Zwar führt bereits der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO zur Aufhebung des Urteils insgesamt. Jedoch weist der Senat ergänzend darauf hin, dass das Urteil in sachlich-rechtlicher Hinsicht zum Gesamtstrafenausspruch ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. In Anbetracht der Höhe der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe ist zu besorgen, dass sich das Landgericht bei ihrer Bemessung zu sehr von der Gesamtzahl der Einzeltaten und der Summe der Einzelstrafen hat leiten lassen (vgl. BGHR StGB § 54 I Bemessung 8 m. w. N.). Es hat die Einsatzstrafe von zwei Jahren und drei Monaten auf die dreieinhalbfache Dauer erhöht, ohne, wie hier geboten, zu berücksichtigen, dass der Angeklagte die Tatserie zum Nachteil desselben Tatopfers in einem engen situativen Zusammenhang beging.
3. Sollte der neue Tatrichter die letzte Tat (Übergriff im Zeitraum zwischen Sommer - und Herbstferien 2007) erneut - tateinheitlich - als vorsätzliche Körperverletzung würdigen, wird er Gelegenheit haben, zu prüfen, ob der erforderliche Strafantrag rechtzeitig und wirksam (§ 77 Abs. 3 StGB) gestellt wurde. Die Staatsanwaltschaft hat insoweit bislang nicht das Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung bejaht (§ 230 Abs. 1 StGB). ..." (BGH, Beschluss vom 03.03.2009 - 3 StR 584/08)
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Wenn derselbe Zeuge in der laufenden Hauptverhandlung nochmals unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen werden soll, ist grundsätzlich gemäß § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG ein neuer Gerichtsbeschluss erforderlich und mithin eine Anordnung des Vorsitzenden, in der auf einen vorausgegangenen Ausschließungsbeschluss Bezug genommen wird, nicht ausreichend (BGH, Beschluss vom 09.12.2008 - 3 StR 443/08 zu StPO § 338 Nr. 6; GVG § 174 Abs. 1).
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Die mit der Revision erhobene Verfahrensrüge, der Vorsitzende habe unter Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes einen Zuhörer aus dem Sitzungssaal entfernt, setzt voraus, dass der Angeklagte diese Anordnung des Vorsitzenden beanstandet und eine Entscheidung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 StPO herbeigeführt hat (BGH, Beschluss vom 29.05.2008 - 4 StR 46/08 zu StPO §§ 338 Nr. 6, 238, 337; GVG § 176 ff.).
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?... Ergänzend bemerkt der Senat zur Rüge nach §§ 338 Nr. 6 StPO, 171b GVG:
Eine Augenscheinseinnahme während des Ausschlusses der Öffentlichkeit für die Dauer einer Zeugenvernehmung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu beanstanden, wenn sie im Zusammenhang mit der Zeugenaussage steht oder sich aus ihr entwickelt (BGH, Urt. vom 24. April 1998 - 4 StR 12/98; BGH NStZ 2006, 117). Die fünf Lichtbilder, deren Augenscheinseinnahme gerügt wird, beziehen sich nach dem Revisionsvortrag auf die Wohnverhältnisse des Angeklagten, der Zeugin S. und der Zeugin M. , die untereinander verschiedene sexuelle Beziehungen unterhalten haben. Ein fehlender Zusammenhang zur Zeugenaussage S. über deren sexuelle Verhältnisse zum Angeklagten und anderen Personen ist nicht ersichtlich. Ein Rechtsfehler liegt nicht vor. ..." (BGH, Beschluss vom 15.04.2008 - 1 StR 132/08)
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?... 3. Die gemäß § 338 Nr. 6 StPO erhobene Verfahrensrüge ist unzulässig.
a) Zwar trägt die Revision vor, dass das Landgericht mit der folgenden Anordnung des Vorsitzenden anstatt durch Gerichtsbeschluss, wie es § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG vorsieht, die Öffentlichkeit ungesetzlich beschränkt hat: ?Im Einverständnis mit dem Angeklagten und dem Verteidiger wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit ausgeschlossen, da anderenfalls eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit eintreten kann." Diese - im Übrigen mit dem Wortlaut der in § 172 GVG genannten Ausschließungsgründe nicht vollständig übereinstimmende - Anordnung begründet nach tradiertem Verständnis (vgl. RGSt 64, 385, 388 m.w.N.) den geltend gemachten absoluten Revisionsgrund (BGH NStZ 1999, 371 [4 StR 585/98]), und zwar sogar bei eigener Antragstellung des Angeklagten auf Ausschluss der Öffentlichkeit (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 338 Rdn. 46 m.w.N.), daher auch hier, bei erklärtem Einverständnis des Angeklagten.
Der Senat bR. t nicht näher zu prüfen, ob die in dieser Rechtsauffassung zum Ausdruck kommende Bedeutung des Öffentlichkeitsgrundsatzes in dieser Verfahrenslage heutigen Vorstellungen von Verfahrensgerechtigkeit in unerträglichem Maß widerspricht und Anlass zur Prüfung einer Verwirkung einer darauf gerichteten Verfahrensrüge gegeben ist (vgl. Basdorf StV 1997, 488, 492; Mosbacher JR 2007, 387, 389; vgl. auch BGH NJW 2006, 3579, 3580). Der Senat weist lediglich auf Folgendes hin: Der Angeklagte hat hier nach Prüfung der Sach- und Rechtslage durch seinen Verteidiger ausdrücklich sein Einverständnis mit einer bestimmten verfahrensbezogenen Entscheidung - Ausschluss der Öffentlichkeit - als mit seinen Interessen übereinstimmend erklärt. Warum er dann im Revisionsverfahren berechtigt sein soll, in bewusster Abkehr von seinem in der Hauptverhandlung sachgerecht bekundeten Willen die Aufhebung des Sachurteils - zumal nicht etwa wegen einer sachlich verfehlten Einschränkung der Öffentlichkeit, sondern allein wegen eines formalen Fehlers - zu erlangen, erscheint widersprüchlich und erschließt sich weder aus der Interessenlage des Angeklagten noch aus dem Bedürfnis nach Einhaltung wesentlicher unverzichtbarer Verfahrensgrundsätze.
b) Jedenfalls genügt das Revisionsvorbringen nicht dem Erfordernis vollständigen Tatsachenvortrags nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Wegen der besonderen Fallkonstellation des Teilfreispruchs hätte es weiteren Vortrags bedurft, um den Senat in die Lage zu versetzen, zu prüfen, ob § 338 Nr. 6 StPO deshalb unanwendbar ist, weil das Beruhen des Urteils auf dem Fehler denkgesetzlich ausgeschlossen ist (vgl. BGHR StPO § 338 Aufhebungsumfang 1; § 338 Nr. 6 StPO Ausschluss 3; BGH NStZ 1999, 371 [1 StR 636/98]; Meyer-Goßner aaO § 338 Rdn. 50b). Die Revision hätte hierzu ausnahmsweise jedenfalls pauschal den Gegenstand der Aussage des Zeugen Ar. mitteilen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. April 2004 - 4 StR 67/04; BGH, Beschluss vom 8. August 2007 - 2 StR 224/07). Nur in dessen Kenntnis könnte in der Sache entschieden werden, ob die unter Verstoß gegen die Vorschriften über die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung erfolgte Zeugenvernehmung überhaupt zur Verurteilung des Angeklagten herangezogen worden ist und nicht etwa allein den der Freisprechung des Angeklagten anheim fallenden Tatkomplex betroffen hat (vgl. dazu UA S. 10 f., 13). Das Verbot einer Rekonstruktion der Hauptverhandlung, das primär Verfahrensrügen grundlegend einschränkt, die auf eine Verletzung des § 261 StPO gestützt sind, wird durch die hier verlangte Vortragspflicht nicht berührt, zumal keine Wiedergabe des Inhalts der Zeugenaussage im Einzelnen verlangt wird, sondern eine eher pauschale Bezeichnung des Vernehmungsgegenstands ausreichen wird. ..." (BGH, Urteil vom 04.12.2007 - 5 StR 404/07)
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?... § 338 Nr. 6 StPO ist nur einschlägig, wenn die Öffentlichkeit in ungesetzlicher Weise beschränkt worden ist, also nicht, wenn unter Nichtanwendung oder Verletzung der Vorschriften über den möglichen Ausschluss der Öffentlichkeit öffentlich verhandelt worden ist (st. Rspr., vgl. schon BGHSt 10, 202, 206 f.; vgl. auch Kuckein in KK 5. Aufl. § 338 Rdn. 84 m.w.N.).
b) Im Übrigen sind Entscheidungen gemäß § 171b Abs. 1 und Abs. 2 GVG gemäß § 171b Abs. 3 GVG unanfechtbar und daher gemäß § 336 Satz 2 StPO der Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Dies gilt auch für solche Entscheidungen, durch die, wie hier, der Ausschluss der Öffentlichkeit in einem geringeren Umfang als beantragt beschlossen worden ist (BGH NStZ 1996, 243 m.w.N.). ..." (BGH, Beschluss vom 19.12.2006 - 1 StR 583/06).
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Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO wird weder durch den Umstand, daß Gespräche über eine Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung stattfinden, noch dadurch begründet, daß das Ergebnis dieser Verständigung entgegen den Grundsätzen von BGHSt 43, 195 ff. nicht in die öffentliche Hauptverhandlung eingeführt wird (BGH, Urteil vom 19.08.2004 - 3 StR 380/03).
Nicht jede formale Verletzung der Begründungsvorschrift für den Ausschluss der Öffentlichkeit (§ 174 I 3 GVG) stellt einen absoluten Revisionsgrund nach § 338 Nr. 6 StPO dar. Dies gilt insbesondere dann, wenn der zur alleinigen Begründung im Beschluss genannte gesetzliche Ausschließungsgrund nicht im Ermessen des Gerichts stand (hier: § 171b II GVG) und sein Vorliegen für alle Verfahrensbeteiligten und die im Gerichtssaal anwesenden Zuhörer auf der Hand lag (BGH, Urteil vom 22.04.2004 - 3 StR 428/03).
Ein rechtlicher Hinweis gem. § 265 Abs. 2 StPO auf die Möglichkeit einer Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung darf nicht unter Ausschluß der Öffentlichkeit erteilt werden. Der Rechtsfehler erfordert die Aufhebung des Urteils nur im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen, wenn denkgesetzlich ausgeschlossen ist, daß die Entscheidung darüber hinaus von ihm zum Nachteil des Angeklagten beeinflußt worden ist (BGH, Beschluss vom 10.12.2002 - 5 StR 454/02).
Handlungen, die außerhalb der Hauptverhandlung vorgenommen werden dürfen, können auch im Rahmen der Hauptverhandlung während des Ausschlusses der Öffentlichkeit erledigt werden. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit liegt hierin nicht (BGH, Beschluss vom 25.10.2001 - 1 StR 306/01).
Die Befugnis des Vorsitzenden, als Zuhörer anwesende Zeugen aus dem Sitzungssaal zu weisen, besteht unabhängig davon, ob der betroffene Zuhörer bereits als Zeuge zur Hauptverhandlung geladen worden ist oder die Absicht der Zeugenvernehmung erst zu einem Zeitpunkt gefaßt wird, als sich der betreffende Zeuge bereits als Zuhörer im Sitzungssaal befindet. Dafür reicht es aus, wenn der Zuhörer nach vorläufiger tatrichterlicher Auffassung als Zeuge in Betracht kommt; ob er später tatsächlich gehört wird, ist unerheblich (BGH, Beschluß vom 07.11.2000 - 5 StR 150/00).
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?... Nachdem die JugK während der Einlassung des Mitangekl. H. zu seinen persönlichen Verhältnissen und zu seinem Lebenslauf die Öffentlichkeit gem. § 171 b GVG ausgeschlossen hatte, beschloß sie unter fortdauerndem Ausschluß der Öffentlichkeit auf Antrag des Verteidigers des Bf., daß die Öffentlichkeit auch während dessen Einlassung zu seinen persönlichen Verhältnissen und zu seinem Lebenslauf und während der Berichterstattung der Jugendgerichtshilfe gem. § 171 b GVG ausgeschlossen werde; der Beschl. schließt mit den Worten: ?Die Öffentlichkeit bleibt daher weiter ausgeschlossen.'
Mit Recht beanstandet der Bf., daß dieser Beschl. in nichtöffentlicher Sitzung verkündet wurde. Dies verletzte § 174 Abs. 1 S. 2 GVG, der grundsätzlich zur Information der auszuschließenden Öffentlichkeit über Anlaß und Ausmaß der Ausschließung eine öffentliche Verkündung des Beschl. gebietet. Ein Ausnahmegrund im Sinn des zweiten Halbsatzes der Vorschrift lag ersichtlich nicht vor. Es sind auch aus dem Urteil, dem Sitzungsprotokoll oder sonst keine Umstände erkennbar, welche die Annahme nahelegten, der den Mitangekl. betreffende persönliche Ausschließungsgrund hinge mit dem den Bf. betreffenden so eng zusammen, daß der fortdauernde Ausschluß der Öffentlichkeit von der ersten Beschlußfassung mit abgedeckt gewesen wäre. Hiergegen spricht schon der Umstand der weiteren - andernfalls überflüssigen - Beschlußfassung, ferner die allein auf den Bf. persönlich bezogene Begründung dieses zweiten Beschlusses.
Die Statthaftigkeit der Rüge ist nicht zweifelhaft. Sie wird nicht etwa dadurch in Frage gestellt, daß der Verteidiger den weiteren Ausschluß der Öffentlichkeit in nichtöffentlicher Verhandlung beantragt und gegen die Beschlußverkündung unter fortdauerndem Ausschluß der Öffentlichkeit keine Gegenvorstellung erhoben hatte. Es bedarf keiner Entscheidung, ob Abweichendes - ungeachtet der primären Verpflichtung des Gerichts, die Wahrung der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung zu garantieren - in besonders gelagerten Fällen in Betracht käme, etwa wenn der Verteidiger gerade auf die später gerügte Einschränkung der Öffentlichkeit angetragen hätte. Dies war hier, die nichtöffentliche Beschlußverkündung betreffend, nicht gegeben.
Auch sonst bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Rüge. Daß der Bf. weitergehende - wenn auch naheliegende unbegründete - Öffentlichkeitsverstöße im Zusammenhang mit der wiederholten Anwendung des § 171 b GVG geltend gemacht hat, vermag die Zielrichtung der für sich ausreichend klar vorgebrachten durchgreifenden Beanstandung nicht in Zweifel zu ziehen. Der absolute Revisionsgrund zieht die Aufhebung der Verurteilung des Bf. nach sich. ..." (BGH, Beschluß vom 29.06.1999 - 5 StR 300/99, StV 2000, 243).
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?... 2. Die Rüge ist nach diesem Ablauf unbegründet. Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO liegt nicht vor. Der sich aus dem Protokoll ergebende Verstoß gegen die Begründungspflicht nach § 174 Abs. 1 S. 3 GVG führt nicht zur Aufhebung des Urt.
a) Die durch § 174 Abs. 1 S. 3 GVG vorgeschriebene ausdrückliche Angabe des Grundes für den Ausschluß der Öffentlichkeit dient neben der Selbstkontrolle des Gerichts der Unterrichtung der Öffentlichkeit (BGHSt 1, 334, 336; 30, 298, 303 [= StV 1982, 106]; BGH StV 1982, 106, 108) und der späteren Nachprüfbarkeit jeder Entscheidung durch das Revisionsgericht (BGH StV 1996, 135 m.Anm. Park ; Diemer in KK 4. A. Rdnr. 4 zu § 174 GVG; K. Schäfer/Wickern in LR 24. A. § 174 GVG Rdnr. 14; Gössel NStZ 1982, 141 ff.; Park NJW1996, 2213, 2214). Allerdings bedarf es keiner ausdrücklichen Aufklärung der Zuhörer im Gerichtssaalüber Inhalt und Bedeutung derjenigen Vorgänge in der Hauptverhandlung, die unter Ausschluß der Öffentlichkeit verhandelt werden sollen (BGHSt 27, 117, 120; 30, 298, 304; vgl. auch BGHSt 1, 334, 336).
Ergibt sich aus den Urteilsgründen und dem Sitzungsprotokoll der Verfahrensablauf bis zur Entscheidung über den Ausschluß und zeigt dies auf,
- daß es für die Zuhörer im Gerichtssaal ohne weiteres erkennbar war, auf welche Prozeßhandlungen sich die Ausschließung beziehen sollte und welche Bedeutung diesen Prozeßhandlungen zukam,
- und kann auch das Revisionsgericht später aus dem gleichen Grunde sicher ausschließen, daß nach der konkreten Sachlage aus rechtlichen Gründen keine andere Entscheidung des Tatgerichts in Betracht kam,
ändert dies zwar nichts daran, daß ein Verstoß gegen die gesetzlich vorgeschriebene Begründungspflicht vorliegt. Angesichts des Zwecks der Begründungspflicht nach § 174 Abs. 1 S. 3 GVG ist der Verstoß, der zudem nur das Verfahren über den Ausschluß der Öffentlichkeit betraf und nicht zu deren unzulässiger Beschränkung geführt hat, nicht so schwer, daß deshalb der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO zu bejahen wäre (vgl. zu § 338 Nr. 5 StPO BGHSt 15, 194, 196; 22, 18, 20; BGH NStZ 1987, 84; 1993, 500).
b) Die Rspr. aller Strafsenate des BGH ging bisher allerdings davon aus, daß selbst dann, wenn für Verfahrensbeteiligte und Zuhörer der Ausschließungsgrund auf der Hand lag, auf dessen genaue Bezeichnung im Gerichtsbeschluß nicht verzichtet werden darf (BGHSt 1, 334, 335; 2, 56 f.; 3, 344, 345; 27, 117, 118; 27, 187, 188; 30, 298, 301 [= StV 1982, 106]; 38, 248 [= StV 1992, 456]; 41, 145, 146 [= StV 1996, 135]; BGH NJW 1977, 1643; StV 1981, 3; 1984, 146; NStZ 1983, 324; BGHR GVG § 174 Abs. 1 S. 3 Begründung 1 - 6; BGH, Urt. v. 11. 9. 1975 - 4 StR 417/75; Beschl. v. 18. 2. 1976 - 3 StR 13/76; Urt. v. 10. 3. 1976 - 3 StR 15/76; Beschl. v. 27. 11. 1987 - 2 StR 591/87 = BGHR a.a.O. Begründung 3).
Auch der erkennende Senat ist bereits der genannten Rspr. gefolgt (vgl. BGH GA 1975, 283). Sie wurde bisher nur vom 5. Strafsenat in seinem Urt. v. 30. 8. 1994 - 5 StR 403/94 - (NStZ 1994, 591 [= StV 1994, 641]) in Frage gestellt.
c) Der Senat möchte an dieser strikten Auffassung nicht festhalten und hat im Hinblick auf diese bisherige Rspr. mit Beschl. v. 20. 10. 1998 seine Absicht mitgeteilt, die Revision zu verwerfen (BGH NStZ 1999, 92). Er hat bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob an der entgegenstehenden Rspr. festgehalten wird (§ 132 Abs. 1 S. 3 GVG).
aa) Der 2. Strafsenat hat aufgrund des Beschl. v. 11. 12. 1998 - 2 ARs 473/98 - mitgeteilt, er sei mit einem vergleichbaren Fall nicht befaßt gewesen. Der vorliegende Fall gebe ihm auch keinen Anlaß, die Grundsätze seiner Rspr. zu § 174 Abs. 1 S. 3 GVG zu überprüfen. Hieran hat er auch auf ergänzende Anfrage des Senats am 26. 5. 1999 festgehalten.
bb) Der 3. Strafsenat hat durch Beschl. v. 12. 11. 1998 - 3 ARs 13/98 - ?unter Aufgabe entgegenstehender Rspr.' ausgeführt, ein absoluter Revisionsgrund gem. § 338 Nr. 6 StPO liege jedenfalls dann nicht vor, wenn der Grund für die Ausschließung der Öffentlichkeit zwar in dem Gerichtsbeschluß nicht ausdrücklich genannt sei, er sich aber aus den mit dem Ausschluß der Öffentlichkeit unmittelbar zusammenhängenden Verfahrensvorgängen - etwa dem protokollierten Antrag eines Prozeß beteiligten - ergebe, so daß er für alle Verfahrenbeteiligten sowie die Zuhörer auf der Hand liege und deshalb ein Verfahrensfehler sicher ausgeschlossen werden könne. Dies schränke nicht die Pflicht des Tatgerichts ein, bei der Verkündung des Beschlusses in den Fällen der § 171 b, 172 und 173 GVG anzugeben, aus welchem Grund die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden sei. Es bedeute vielmehr nur, daß nicht jede formale Verletzung der Begründungspflicht einen absoluten Revisionsgrund darstelle.
cc) Der 4. Strafsenat hat durch Beschl. v. 17. 12. 1998 - 4 ARs 9/98 - mitgeteilt, er halte an seiner bisherigen Rspr. fest, daß das Fehlen der Begründung in dem Beschl. über die Ausschließung der Öffentlichkeit auch dann ein Verstoß gegen § 174 Abs. 1 S. 3 GVG sei, wenn der Ausschließungsgrund für die Beteiligten und die Zuhörerschaft offen zutage liege (BGHSt 27, 187, 188; BGHR GVG § 174 Abs. 1 S. 3 Begründung 5). Er stimme jedoch angesichts der Besonderheiten der Sach- und Verfahrenslage in dem der Anfrage zugrundeliegenden Fall der vom erkennenden Senat beabsichtigten Entscheidung zu.
dd) Der 5. Strafsenat hat durch Beschl. v. 9. 12. 1998 - 5 ARs 60/98 - auf seine in NStZ 1994, 591 abgedruckte Entscheidung verwiesen, nach der das Fehlen einer ausdrücklichen Begründung unschädlich sei, wenn im Beschl. auf einen inöffentlicher Hauptverhandlung hinreichend begründeten Antrag auf Ausschließung der Öffentlichkeit Bezug genommen werde. Der Senat gibt auch etwa entgegenstehende Rspr. für die Fälle auf, in denen der Ausschluß grund ohne freibeweisliche Rekonstruktion des Inhalts der Hauptverhandlung offen zu Tage tritt.
e) Nach den auf die Anfrage vom 20. 10. 1998 ergangenen Äußerungen der anderen Senate sieht der Senat sich nicht gehindert, unter den besonderen Umständen des Falles einen die Revision begründenden Verfahrensfehler zu verneinen.
Der Senat kann ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung aus der in den Urteilsgründen wiedergegebenen Einlassung und dem Sitzungsprotokoll entnehmen, daß es sich bei dem ?sichergestellten Film' um den vom Angekl. hergestellten Tatfilm handelte. Nach der Einlassung des Angekl. und den Angaben der Geschädigten lag auch für die im Gerichtssaal anwesenden
Zuhörer der Grund für den späteren Ausschluß der Öffentlichkeit offen. Es ging bei dem vom Angekl. hergestellten Videofilm um die Darstellung der unter besonders erniedrigenden Umständen erfolgten Vergewaltigung, der in der Hauptverhandlung hätte vorgeführt werden sollen. Der Beschl. selbst läßt daher auch ohne weitere Begründung eindeutig erkennen, daß die Öffentlichkeit während der Dauer der vorgesehenen Vorführung des Videofilms ausgeschlossen werden sollte. Als Rechtsgrundlage konnten dafür nur der Schutz der Privatsphäre des Opfers (§ 171 b GVG, ein Widerspruch nach Abs. 1 S. 2 der Vorschrift erfolgte nicht) oder die Gefährdung der Sittlichkeit (§ 172 Nr. 1 GVG) oder beide Gründe zusammen in Betracht kommen. Die Voraussetzungen beider Vorschriften liegen ohne weiteres vor.
In einem solchen Ausnahmefall, bei dem die Richtigkeit der Entscheidung über den Ausschluß der Öffentlichkeit nicht in Frage steht, sondern es um die Verletzung einer Verfahrensvorschrift auf dem Weg zu der Entscheidung über den Ausschluß geht, vermag die fehlende ausdrückliche Angabe des Ausschlußgrundes weder unter dem Aspekt unzureichender Aufklärung der Zuhörer im Gerichtssaal noch unter dem unzureichender Überprüfbarkeit die Revision zu begründen. ..." (BGH, Urteil vom 09.06.1999 - 1 StR 325/98, StV 2000, 244 ff)
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Folgt ein Zuhörer einer vom Vorsitzenden mit sachbezogener Begründung ausgesprochen "Bitte" den Sitzungssaal zu verlassen, freiwillig, so liegt darin nach der Rechtsprechung des BGH kein die Revsion begründender Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz. Anders verhält es sich allerdings dann, wenn die "Bitte" in Wahrheit den Charakter einer Anordnung hatte (BGH, Beschluss vom 20.04.1999 - 4 StR 639/98, NStZ 1999, 426).
Der nach § 174 I 2 GVG zwingend vorgeschriebene Gerichtsbeschluß kann durch eine Anordnung des Vorsitzenden nicht ersetzt werden und begründet grundsätzlich den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO (BGH, Beschluss vom 01.12.1998 - 4 StR 585/98, StV 2000, 242).
Auch wenn nach § 171b III GVG die Frage, ob die Voraussetzungen für einen Öffentlichkeitsausschluß vorgelegen haben, der revisionsgerichtlichen Prüfung entzogen ist, kann gleichwohl als unzulässige Beschränkung der Öffentlichkeit gerügt werden, die Öffentlichkeit sei über den im Ausschließungsbeschluß festgelegten Umfang hinausgehend ausgeschlossen gewesen (BGH, Beschluss vom 13.03.1998 - 3 StR 67/98, StV 1998, 364).
Auch wenn ein Richter in einer Hauptverhandlung abgelehnt wird, gelten für das Ablehnungsverfahren weder der Grundsatz der Öffentlichkeit noch das Gebot der Anwesenheit des Angeklagten (BGH, Beschluss vom 17.04.1996 - 3 StR 34/96, MDR 1996, 951).
Der Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO liegt vor, wenn nur der die Öffentlichkeit ausschließende Beschluß in öffentlicher Sitzung verkündet, er jedoch nicht in öffentlicher Sitzung, sondern erst nach Ausschluß der Öffentlichkeit begründet wurde. Dies gilt jedenfalls dann, wenn mehrere Ausschließungsgründe in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 22.11.1995 - 3 StR 284/95, StV 1996, 135).
Ist die Öffentlichkeit zu Unrecht während eines Hinweises gem. § 265 StPO ausgeschlossen gewesen, so greift § 338 Nr. 6 StPO nicht ein, wenn sich der Hinweis allein auf einen Teil des Tatgeschehens bezog, der im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung gem. § 154a I Nr. 1, II StPO von der Strafverfolgung ausgenommen wird (BGH, Entscheidung vom 25.07.1995 - 1 StR 342/95, StV 1996, 133).
Gibt ein die Öffentlichkeit ausschließender Beschluß § 172 Nr. 1a GVG als Ausschließungsgrund an, so genügt die Angabe dieser Gesetzesbestimmung den Anforderungen des § 174 I 3 GVG (BGH, Entscheidung vom 10.05.1995 - 3 StR 145/95, MDR 1995, 942).
Der Grundsatz der Öffentlichkeit ist verletzt, wenn das Gericht bereits mit der Verhandlung beginnt, bevor allen rechtzeitig erschienenen Zuhörern Einlaß in den Sitzungssaal gewährt worden ist (BGH, Entscheidung vom 02.12.1994 - 2 StR 394/94, StV 1995, 116).
Ein Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz liegt nicht vor, wenn die Tür zum Zuhörerraum zwar verschlossen war, dies dem Vorsitzenden aber nicht "zuzurechnen" ist und er nach Bekanntwerden dieses Umstandes sofort die Öffnung der Tür angeordnet hat (BGH, Entscheidung vom 28.11.1994 - 5 StR 611/94, NStZ 1995, 143).
Wird die Öffentlichkeit für die Dauer einer Zeugenvernehmung ausgeschlossen, gilt der Beschluß über die Ausschließung bis zur Beendigung der Vernehmung. Ist dem Protokoll zu entnehmen, daß die Entlassung des Zeugen sofort zurückgenommen wurde und die für den Ausschließungsbeschluß maßgebende Interessenlage fortbestand, so daß sich die zusätzliche Anhörung zusammen mit der vorausgegangenen als eine einheitliche Vernehmung darstellt, so ist auch der weitere Öffentlichkeitsausschluß durch den zu Beginn gefaßten Beschluß gedeckt (BGH, Entscheidung vom 15.04.1992 - 2 StR 574/91, NStZ 1992, 447).
Wird die Öffentlichkeit zunächst für die Dauer der Vernehmung des Angeklagten zur Sache ausgeschlossen und der Öffentlichkeitsausschluß in der Folgezeit nicht durch einen ergänzenden Beschluß erweitert, so ist der Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt, wenn während der nichtöffentlichen Verhandlung auch Zeugen vernommen werden (BGH, Entscheidung vom 27.07.1990 - 2 StR 110/90, StV 1991, 199).
Der bloße Umstand, daß sich ein Zeuge handschriftliche Aufzeichnungen über Vorgänge der Hauptverhandlung macht, rechtfertigt grundsätzlich nicht, ihm das weitere Mitschreiben zu versagen, oder ihn gar des Sitzungssaals zu verweisen (BGH, Entscheidung vom 13.05.1982 - 3 StR 142/82, NStZ 1982, 389).
*** (OLG)
Wird die Hauptverhandlung kurzzeitig zum Zwecke der Einnahme einer Augenscheinseinnahme in einem anderen Sitzungssaal fortgesetzt, muß ein Hinweis auf den Wechsel des Sitzungssaals an der Gerichtstafel angebracht werden, um sicherzustellen, dass unbeteiligte Personen als beliebige Zuhörer Ort und Zeit der Weiterverhandlung ohne besondere Schwierigkeit erfahren können (OLG Dresden, Beschluss vom 11.12.2008 - 2 Ss 562/08 zu StPO §§ 338 Nr. 6; GVG § 169 S. 1).
***
Wird die Hauptverhandlung zur Wahrnehmung von Ortsterminen außerhalb des Gerichtsgebäudes fortgesetzt, so genügt es, wenn ein Treffpunkt örtlich und zeitlich bestimmt und dieser an der Gerichtstafel bekannt gemacht wird (BayObLG, Beschluss vom 31.07.2000 - 2 St RR 102/00 - NStZ-RR 2001, 49).
Der Grundsatz der Öffentlichkeit erfordert auch im Bußgeldverfahren, wenn die Hauptverhandlung außerhalb des Sitzungssaals fortgesetzt wird, zumindest dann einen Aushang am Gerichtssaal, in dem auf Ort und Zeit der (Weiter) Verhandlung hingewiesen wird, wenn in dem Ortstermin nicht nur die Öffentlichkeit in Augenschein genommen wird, sondern die Hauptverhandlung dort auch mit Urteilsverkündung zum Abschluss gebracht wird (OLG Hamm, Beschluss vom 10.07.2000 - 2 Ss OWi 216/00, StV 2000, 659).
Auf Grund des Hinweises am Gerichtseingang "Das Amtsgericht ist freitags ab 13:00 Uhr geschlossen" kann eine Hauptverhandlung die nach diesem Zeitpunkt stattfindet, gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit verstoßen (OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 25.09.1995 - 1 Ss 183/95, StV 1996, 138).
Die Beweiskraft des Protokolls, welches besagt, daß der Zeuge Angaben zur Sache gemacht hat, erstreckt sich nicht auf den Inhalt der Aussage. Befindet sich unmittelbar vor dieser Protokollfeststellung der Beschluß, daß über den Antrag auf Ausschließung der Öffentlichkeit in nichtöffentlicher Sitzzung zu verhandeln ist, so kann bei der Prüfung der Rüge der Verletzung der Öffentlichkeit die Frage, ob der Zeuge nur über Ausschließungsgründe ausgesagt hat, im Freibeweisverfahren geklärt werden (BayObLG, Entscheidung vom 13.05.1994 - 4 St RR 53/94, StV 1994, 532).
Wird der mit der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Verstoß gegen die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens darauf gestützt, daß bei Verlegung einer Hauptverhandlung in einen anderen Sitzungssaal des gleichen Gerichtsgebäudes diese Tatsache weder vor dem ursprünglich vorgesehenen Sitzungssaal vermerkt noch vor dem nunmehrigen Sitzungssaal auf die dort durchgeführte Hauptverhandlung hingewiesen wurde, erfordert $ 344 II 2 StPO die Angaben derjenigen - dem Beschwerdeführer zugänglichen - Umstände, nach denen das Gericht dies zu vertreten hatte. Der Tatrichter hat die ihm zumutbare Aufsichtspflicht hinsichtlich der Tätigkeit nachgeordneter Bediensteter (Protokollführer, Justizwachtmeister) im Falle der Verlegung der Sitzung in einen anderen Sitzungssaal jedenfalls dann nicht verletzt, wenn er vor Beginn der Hauptverhandlung deren Kenntlichmachung an dem Sitzungssaal, in dem sie schließlich stattfindet, angeordnet hat. Hat er sich dann nicht zusätzlich vergewissert, ob die Anordnung auch ausgeführt wurde, gereicht ihm dies grundsätzlich nicht zum Verschulden (BayObLG, Entscheidung vom 21.02.1994 - 3 Ob OWi 5/94, MDR 1994, 1235).
***
(8) Keine Entscheidungsgründe (Ziffer 7):
(9) Verteidigung (Ziffer 8):
Zum Akteneinsichtsrecht in Akten aus abgetrennten Verfahren, die dem Gericht nicht vorliegen. Zur Rüge der Beschränkung der Verteidigung in einem wesentlichen Punkt durch Ablehnung eines Antrags auf Beiziehung von Akten bzw. eines Akteneinsichtsantrags (BGH, Beschluss vom 23.02.2010 - 4 StR 599/09 zu StPO §§ 147, 244, 338 Nr. 8, 344 Abs. 2, 475):
?... Das LG hat den Angekl. H.-J. R. wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 J. verurteilt. ... Den Angekl. I. R. hat die StrK wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Hehlerei zu einer Freiheitsstrafe von 1 J. verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen das Urteil richten sich die auf Verfahrensrügen und die Verletzung des sachlichen Rechts gestützten Revisionen der beiden Angekl. Das Rechtsmittel des Angekl. H.-J. R. hat mit der Sachrüge (einen Teilerfolg). Im übrigen ist es, wie die Revision des Angekl. I. R. insgesamt, unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die von beiden Angekl. erhobenen Verfahrensrügen, mit denen sie eine Beschränkung der Verteidigung geltend machen, weil der Antrag, Einblick in die gesamten TKÜ-Protokolle des Ursprungsverfahrens der StA Koblenz zu gewähren, zurückgewiesen worden sei, haben keinen Erfolg.
a) Den Verfahrensrügen liegt im wesentlichen folgendes Geschehen zugrunde:
In dem gegen A. W. wegen des Verdachts des Diebstahls geführten Ermittlungsverfahren wurde im Jahr 2007 - zuletzt am 18. Oktober - die Überwachung seiner Mobilfunkanschlüsse angeordnet und durchgeführt. Aufgrund der dabei gewonnenen Erkenntnisse wurde das Ermittlungsverfahren am 22. 10. 2007 auf den Angekl. H.-J. R. und später auf I. R. als weitere Besch. erstreckt. Am 07. 03. 2008 trennte die StA das Verfahren gegen die beiden Angekl. ab und verfügte, die Akte ?vollständig' zu fotokopieren, wobei vermerkt ist, daß diese ?derzeit' aus zwölf Stehordnern bestehe und - u.a. - der ?LO TK-Maßnahmen' in der nächsten Woche von der Polizei nachgereicht werde. In dem Ermittlungsverfahren gegen A. W. (und dessen Bruder) wurde am 27. 03. 2008 Anklage zum LG Konstanz erhoben. Das gegen die Angekl. geführte Ermittlungsverfahren wurde - mit 4 Stehordnern Hauptakten, 3 Stehordnern Finanzermittlungen, 2 Sonderbänden KT-Maßnahmen, 8 Bänden Fallakten und 1 Karton mit Asservaten - am 13. 08. 2008 an die StA Saarbrücken abgegeben, die den Verteidigern der Angekl. am 30. 01. 2009 Akteneinsicht gewährte und unter dem Datum dieses Tages die Anklageschrift verfaßte.
In der Hauptverhandlung wurde zu mehreren überwachten Telefongesprächen Urkundenbeweis erhoben. Einen ?Beweisantrag' des Verteidigers des Angekl. H.-J. R., mit dem er die Beiziehung der vollständigen TKÜ-Protokolle des Strafverfahrens gegen A. W. und dessen Bruder sowie Einsicht in diese Akten begehrte, um festzustellen, ?daß in der Ermittlungsakte des vorliegenden Verfahrens die TKÜ Protokolle nur unvollständig enthalten sind', lehnte die StrK mit Beschl. v. 28. 07. 2009 wegen (tatsächlicher) Bedeutungslosigkeit ab, wobei sie ergänzend ausführte, daß sich - anders als vom Verteidiger vorgetragen - aus der Nummerierung der TKÜ-Protokolle (auf das Gespräch 1391 folgte das Gespräch 1406) keine Rückschlüsse darauf ziehen lassen, daß sich in der Akte des LG Konstanz weitere TKÜ-Protokolle befinden. Eine Beiziehung der Akten des LG Konstanz erfolgte - auch in der Folgezeit - nicht.
Sonstige Bemühungen um Akteneinsicht - auch in dem vor dem LG Konstanz durchgeführten Strafverfahren - wurden nach dem Vortrag der Revisionsführer von den Angekl. oder ihren Verteidigern nicht bzw. nach dem 30. 01. 2009 nicht mehr unternommen. Auch teilt die Revision nicht mit, welche konkreten weiteren Erkenntnisse sich aus der Einsicht in die TKÜ-Protokolle, die sich in den Akten des LG Konstanz befinden, ergeben hätten.
b) Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
Dabei kann dahinstehen, ob bei einem zeitweise gegen mehrere Besch. geführten Ermittlungsverfahren nach der Abtrennung des Verfahrens gegen einen oder mehrere Besch. das Akteneinsichtsrecht im anhängigen Verfahren auch solche Akten oder Aktenteile umfaßt, die dem Gericht tatsächlich nicht vorliegen, die aber in dem (auch und noch) gegen die Angekl. geführten Ermittlungsverfahren wegen der Taten angefallen sind, die letztlich Gegenstand der Anklageschriften geworden sind (vgl. BGH, Urt. v. 18. 06. 2009 - 3 StR 89/09). Dem könnte entgegenstehen, daß sich nach der bisherigen Rspr. der Anspruch auf Akteneinsicht nur auf die dem Gericht tatsächlich vorliegenden Akten bezieht (BGH, Urt. v. 26. 05. 1981 - 1 StR 48/81, BGHSt 30, 131, 138, 141 [= StV 1981, 500 m.Anm. Dünnbier], und Beschl. v. 11. 11. 2004 - 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 327 m.w.N. [= StV 2005, 423]; ähnlich [?bei Gericht vorliegende Unterlagen'] BGH, Beschl. v. 10. 10. 1990 - StB 14/09, BGHSt 37, 204, 206 [= StV 1991, 1]), also Aktenbestandteile aus anderen Verfahren dem Akteneinsichtsrecht nach § 147 Abs. 1 StPO selbst dann nicht unterliegen, wenn die Verfahren zeitweise gemeinsam geführt, später aber getrennt und diese im formellen Sinne ?fremden' Akten nicht beigezogen wurden (BGH, Beschl. v. 04. 10. 2007 - KRB 59/07, BGHSt 52, 58, 62 [= StV 2008, 452]; vgl. auch BGH, Urt. v. 26. 08. 2005 - 2 StR 225/05, BGHSt 50, 224, 229 [= StV 2005, 594]).
Den Rügen ist der Erfolg jedenfalls deshalb zu versagen, weil es für die Annahme, die Verteidigung sei in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt worden, nicht genügt, daß diese Beschränkung nur generell (abstrakt) geeignet ist, die gerichtliche Entscheidung zu beeinflussen. Vielmehr ist § 338 Nr. 8 StPO nur dann gegeben, wenn die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem Verfahrensverstoß und dem Urteil konkret besteht (vgl. die Nachweise bei Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 338 Rn. 59 und KK-Kuckein StPO 6. Aufl. § 338 Rn. 101). Bei der Rüge der Beschränkung der Verteidigung in einem wesentlichen Punkt durch Ablehnung eines Antrags auf Beiziehung von Akten bzw. eines Akteneinsichtsantrags ist daher ein substantiierter Vortrag erforderlich, welche Tatsachen sich aus welchen genau bezeichneten Stellen der Akten ergeben hätten und welche Konsequenzen für die Verteidigung daraus folgten (vgl. BGH, Urt. v. 26. 05. 1981 - 1 StR 48/81, BGHSt 30, 131, 138, 143 [= StV 1981, 500], und Beschl. v. 02. 02. 1999 - 1 StR 636/98, StV 2000, 248, 249 m.Anm. Ventzke). Damit korrespondiert das Erfordernis möglichst konkreten Vortrags bei einer Rüge wegen unterlassener Beiziehung von Akten unter dem Aspekt der Verletzung der Aufklärungspflicht (BGH, Beschl. v. 11. 11. 2004 - 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 328 m.w.N. [= StV 2005, 423]; vgl. auch BGH, Beschl. v. 21. 10. 2004 - 1 StR 324/04). Sollte eine solche konkrete Bezeichnung wesentlichen vorenthaltenen Aktenmaterials dem Verteidiger nicht möglich sein, weil ihm die Akten, in die er Einsicht nehmen will, verschlossen geblieben sind, so muß er sich - damit die Ausnahme von der an sich nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO bestehenden Vortragspflicht gerechtfertigt und belegt wird - jedenfalls bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge weiter um die Akteneinsicht bemüht haben und die entsprechenden Anstrengungen gegenüber dem Revisionsgericht auch dartun (BGH, Beschl. v. 11. 11. 2004 - 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 328 [= StV 2005, 423], und Urt. v. 23. 08. 2006 - 5 StR 151/06, StraFo 2006, 459, 460).
An einem solchen zumutbaren und jedenfalls nach § 475 StPO Erfolg versprechenden (vgl. BGH, Urt. v. 26. 08. 2005 - 2 StR 225/05, BGHSt 50, 224 [= StV 2005, 594]) Bemühen um Einsicht in die Akten der StA oder des LG Konstanz fehlt es vorliegend. ..."
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Die grundlegende Bedeutung des Rechts auf eine wirksame Verteidigung als Bestandteil eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens gebietet auf Antrag des Verteidigers die Unterbrechung der Hauptverhandlung, wenn es der Zeitraum zwischen Verteidigerbestellung und Beginn der Hauptverhandlung angesichts des Umfangs und der Schwierigkeit der Sache nicht zuließ, die Verteidigung ausreichend vorzubereiten. Eine ohne Unterbrechung durchgeführte substantielle Sachverhandlung verletzt den Anspruch des Angeklagten auf konkrete und wirkliche Verteidigung. Das Recht des Angeklagten, sich von einem Verteidiger seines Vertrauens verteidigen zu lassen, verbietet es in der Regel, Terminsnöte kompromißbereiter Wahlverteidiger ohne weiteres zu übergehen (BGH, Beschluss vom 24.06.2009 - 5 StR 181/09 zu StPO §§ 265 Abs. 4, 217, 218, 145, 338 Nr. 8, 344 Abs. 2 S. 2; MRK Art. 6 Abs. 3 lit. c).
***
? ... 2. Auf die sonstigen Beanstandungen der Revision des Angeklagten kommt es danach nicht mehr an. Der Senat sieht jedoch mit Blick auf das weitere Verfahren Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:
a) Unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer mit seiner Rüge nach § 338 Nr. 8 StPO eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt, also die Möglichkeit einer konkretkausalen Beziehung zwischen dem von ihm geltend gemachten Verfahrensfehler und dem Urteil, in hinreichender Weise dargelegt hat (vgl. BGHSt 30, 131, 135 ff.; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 338 Rdn. 59 m. w. N.), macht er jedenfalls im Ausgangspunkt zutreffend eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts (§ 147 Abs. 1 StPO) geltend.
aa) Dem liegt Folgendes zugrunde: Im Rahmen der Ermittlungen, die zu den Anklagen in vorliegendem Verfahren führten, hörten Polizei und Zoll in einem Zeitraum von zehn Monaten rund 82.500 Telefonate ab und zeichneten sie auf. Hiervon legte die Staatsanwaltschaft dem Landgericht mit Erhebung der Anklage die Aufzeichnungen von rund 600 als beweiserheblich eingeschätzten Telefongesprächen und deren vollständige deutsche Übersetzungen vor. Von den übrigen rund 81.900 Gesprächen wurden keine vollständigen Übersetzungen in die deutsche Sprache gefertigt, sondern (lediglich) inhaltliche Zusammenfassungen in deutscher Sprache und Kurzübersetzungen ins Deutsche. Diese wurden als Dateien auf dem Computer des Landeskriminalamts gespeichert; der Staatsanwaltschaft und auch dem Gericht wurden sie nicht zur Kenntnis gebracht.
Kurz nach Beginn der Hauptverhandlung stellte das Gericht den Angeklagten und ihren Verteidigern die Mitschnitte aller 82.500 in albanischer Sprache geführten Telefonate auf Datenträgern zur Verfügung. Außerdem sorgte es dafür, dass die Angeklagten und ihre Verteidiger mit Hilfe ebenfalls ausgehändigter Laptops sowie gerichtlich gestellter Dolmetscher die Möglichkeit erhielten, diese Originalaufzeichnungen in der Untersuchungshaftanstalt gemeinsam abzuhören.
Nachdem die Angeklagten und ihre Verteidiger im Rahmen der Vernehmung des polizeilichen Ermittlungsführers im April 2006 Kenntnis davon erhalten hatten, dass von allen 82.500 Telefongesprächen inhaltliche Zusammenfassungen in deutscher Sprache sowie Kurzübersetzungen ins Deutsche als Dateien im Computer des Landeskriminalamtes gespeichert waren und jederzeit ausgedruckt werden konnten, verlangten die Verteidiger Einsicht in diese Unterlagen und beantragten, das Gericht möge die Staatsanwaltschaft zu ihrer Vorlage veranlassen. Diese Anträge lehnte die Strafkammer durch Beschluss vom 30. August 2006 im Wesentlichen mit der Begründung ab, es handele sich bei den von der polizeilichen Ermittlungsgruppe gefertigten Dateien nicht um Aktenbestandteile im Sinne des § 147 StPO, sondern lediglich um ein "internes Hilfs- und Arbeitsmittel der Polizeibehörde", welches selbst nicht zu den Beweismitteln gehöre und als solches nicht dem Akteneinsichtsrecht der Verteidigung unterliege. Durch die Beiziehung der Aufzeichnungen sämtlicher überwachten Telefonate habe die Kammer diese zwar zum Aktenbestandteil gemacht. Auch dadurch seien jedoch die durch die Ermittlungsorgane gefertigten internen Vermerke und Inhaltszusammenfassungen zur Abschätzung der Relevanz des jeweils aufgezeichneten Telefongespräches nicht Aktenbestandteil geworden.
bb) Entgegen der Ansicht des Landgerichts sind die in Rede stehenden Dateien Gegenstand des Akteneinsichtsrechts nach § 147 Abs. 1 StPO. Dieses Recht bezieht sich auf die dem Gericht vorliegenden oder ihm im Falle der Anklage gemäß § 199 Abs. 2 Satz 2 StPO vorzulegenden Akten. Das sind nach herrschender Meinung die von der Staatsanwaltschaft nach objektiven Kriterien (vgl. § 160 Abs. 2 StPO) als entscheidungserheblich dem Gericht zu präsentierenden Unterlagen. Dazu gehören - verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfGE 63, 45; hierzu auch Lüderssen/Jahn in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 147 Rdn. 35 ff.) - zwar (nur) diejenigen, die durch die Identität der Tat und der des Täters konkretisiert werden ("formeller Aktenbegriff", vgl. BGHSt 30, 131, 138 f.; zu den sog. "materiellen und funktionalen Aktenbegriffen" vgl. Wohlers in SK-StPO § 147 Rdn. 27 ff.; Lüderssen/Jahn aaO § 147 Rdn. 41 ff.; Stuckenberg in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 199 Rdn. 8 ff.). Jedoch muss danach jedenfalls das gesamte vom ersten Zugriff der Polizei (§ 163 StPO) an gesammelte Beweismaterial, einschließlich etwaiger Bild- und Tonaufnahmen nebst hiervon gefertigter Verschriftungen, zugänglich gemacht werden, das gerade in dem gegen den Angeklagten gerichteten Ermittlungsverfahren angefallen ist (vgl. Meyer-Goßner aaO § 147 Rdn. 15; zum Begriff der Akten vgl. auch Schäfer NStZ 1984, 203). Eine Ausnahme gilt nur für Unterlagen oder Daten, denen eine allein innerdienstliche Bedeutung zukommt. Dies können etwa polizeiliche Arbeitsvermerke im Fortgang der Ermittlungen unter Bewertung der bisherigen Ermittlungsergebnisse oder sonstige rein interne polizeilichen Hilfs oder Arbeitsmittel nebst entsprechender Dateien sein (vgl. Meyer-Goßner aaO § 147 Rdn. 18 a). Im Bereich der Justizbehörden sind vom Akteneinsichtsrecht ausgenommen etwa entsprechende Bestandteile der staatsanwaltschaftlichen Handakten, Notizen von Mitgliedern des Gerichts während der Hauptverhandlung oder so genannte Senatshefte (vgl. Wohlers aaO § 147 Rdn. 32 ff.).
Nach diesen Maßstäben gehören die beim Landeskriminalamt als Computerdateien gespeicherten Unterlagen zu den nach § 199 Abs. 2 Satz 2 StPO dem Gericht vorzulegenden Akten. Sie sind konkret in den gegen die Angeklagten geführten Ermittlungsverfahren wegen der Taten angefallen, die letztlich Gegenstand der Anklageschriften geworden sind. Sie sind daher nicht mit Spurenakten vergleichbar, die Ermittlungsergebnisse zwar zu den nämlichen Straftaten enthalten, sich aber allein auf andere Personen beziehen, die im Laufe der Ermittlungen (vorübergehend) mit diesen Taten in Verbindung gebracht wurden (s. dazu BGHSt 30, 131; BVerfGE 63, 59). Es handelt sich auch nicht um rein polizeiinterne Hilfs- und Arbeitsmittel. Nach dem Vortrag der Revision, der im Kern im Einklang mit den - zum genauen Inhalt der Dateien allerdings knappen - Gründen des zurückweisenden Beschlusses der Strafkammer vom 30. August 2006 steht und dem im Revisionsverfahren auch nicht - etwa durch eine Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft - widersprochen worden ist, wurden von den auf albanisch geführten Telefonaten Kurzübersetzungen ins Deutsche und inhaltliche Zusammenfassungen in deutscher Sprache erstellt und gespeichert. Derartige Kurzübersetzungen und inhaltliche Zusammenfassungen sind aber Auswertungen gewonnenen Beweismaterials und als solche selbst potentielle Beweismittel. Dies unterscheidet sie von reinen Bewertungen, die an eine derartige Auswertung anknüpfen können und allein polizeiinternes Arbeitsmittel sind, wenn sie etwa der Strukturierung der weiteren Ermittlungen dienen. Den Verteidigern durfte danach die Einsichtnahme in die gespeicherten Dateien nicht verweigert werden.
b) Das angefochtene Urteil lässt im Fall II. 1. der Urteilsgründe (Fall 11 der Anklageschrift) die Möglichkeit offen, dass die Kuriere, die das Rauschgift vom Angeklagten übernahmen, schon zuvor fest entschlossen waren, die Betäubungsmittel zum Weitertransport nach Italien in die Bundesrepublik einzuführen (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 26 Rdn. 3 b m. w. N.). Zum Beleg einer diesbezüglichen Anstiftung durch den Angeklagten bedarf es daher gegebenenfalls weiterer Feststellungen.
c) Im Falle einer erneuten Verurteilung ist für die Freiheitsentziehung, die der Angeklagte in Frankreich erlitten hat, der Anrechnungsmaßstab festzulegen und in der Urteilsformel auszusprechen (§ 51 Abs. 4 Satz 2 StGB; vgl. Fischer aaO § 51 Rdn. 23). ..." (BGH, Urteil vom 18.06.2009 - 3 StR 89/09)
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?... 1. Die Verfahrensrüge, mit der die Verteidigung beanstandet, sie sei deswegen in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt worden (§ 338 Nr. 8 StPO), weil es das Landgericht unterlassen habe, über ihren Antrag ?auf Hinzuziehung der Verfahrensakten gegen in der Verhandlung vernommene Belastungszeugen zu entscheiden', greift nicht durch. Der Revisionsgrund nach § 338 Nr. 8 StPO ist nur gegeben, wenn die Verteidigung durch einen Gerichtsbeschluss unzulässig beschränkt worden ist. Dem steht es zwar gleich, wenn die Beschränkung darin liegt, dass es das Gericht unterlässt, einen Antrag der Verteidigung durch Beschluss zu bescheiden (BGH VRS 35, 132). Dies gilt indessen nur dann, wenn über den Antrag der gesamte Spruchkörper zu entscheiden hat (etwa § 228 Abs. 1 Satz 1, § 244 Abs. 6 StPO). Darf über den Antrag dagegen der Vorsitzende im Rahmen seiner Sachleitungsbefugnis (§ 238 Abs. 1 StPO) allein befinden, so kann dessen Unterlassen einer Entscheidung die Revisionsrüge nach § 338 Nr. 8 StPO nicht begründen (RGSt 61, 376, 378; Frisch in SK-StPO § 338 Rdn. 161; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 338 Rdn. 60). So liegt es hier. Bei dem Antrag auf Aktenbeiziehung handelte es sich wegen des Fehlens einer bestimmten Beweisbehauptung und der Nichtbezeichnung aus der Akten zu verlesender konkreter Schriftstücke nicht um einen Beweisantrag, über den die Strafkammer gemäß § 244 Abs. 6 StPO insgesamt zu entscheiden hatte, sondern allenfalls um einen Beweisermittlungsantrag. Über diesen durfte jedoch - zumindest vorab (s. § 238 Abs. 2 StPO) - der Vorsitzende allein befinden (vgl. BGHSt 6, 128; BGH NStZ 2008, 109 f.; Gollwitzer in LR 25. Aufl. § 244 Rdn. 121 sowie Meyer-Goßner aaO § 244 Rdn. 27 m. w. N.). ..." (BGH, Beschluss vom 17.07.2008 - 3 StR 250/08)
***
? ... b) Die weitere Beanstandung dieses Angeklagten, er sei in einem wesentlichen Punkt in seiner Verteidigung beschränkt worden (§ 338 Nr. 8 StPO), weil ihm die Einsichtnahme in Akten eines Parallelverfahrens versagt und die Beweisaufnahme ohne Rücksicht auf seine mangelnde Kenntnis hiervon durchgeführt und abgeschlossen worden sei, ist ebenfalls unzulässig. Unklar bleibt bereits, ob die Verteidigerin nicht doch im Laufe der Hauptverhandlung Akteneinsicht in die begehrten Aktenteile, die im Übrigen ein ebenfalls gegen diesen Angeklagten geführtes Strafverfahren betreffen, nehmen konnte. In einer im Hauptverhandlungstermin vom 16. September 2005 von der Verteidigerin zu Protokoll übergebenen Erklärung heißt es nämlich: ?Eine Durchsicht der TKÜ-Niederschriften in dem Verfahren der StA Halle hat ergeben, dass die Zeugen Sch. und K. keineswegs alle Telefonate in den hier zur Akte gereichten TKÜ-Beweismittelbandes gebracht haben, die von Bedeutung sind. Zur Akte gebracht wurden lediglich Gesprächsniederschriften von Telefongesprächen, die auf Anhieb sich als für die Angeklagten belastend darstellen ... Es existieren weitere Telefongespräche die aufgezeichnet, von denen aber kein Protokoll gefertigt wurde, die die Unschuld des Angeklagten belegen.' Eine hinreichende Darstellung des Umfangs der gewährten Akteneinsicht in der Revisionsbegründung ist indes zum vollständigen Rügevortrag notwendig (vgl. BGHSt 49, 317, 328). Darüber hinaus verhält sich der Beschwerdeführer nicht dazu, ob er sich gegebenenfalls bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist um die bislang angeblich versagte Akteneinsicht bemüht habe; auch hierzu war er zum Erhalt seiner Rüge verpflichtet (BGH aaO).
Mit Blick auf die im Anschluss an die zu vorstehender Erklärung abgegebene Bitte des Vorsitzenden, schnellstmöglich solche Telefonmitschnitte aus den eingesehenen Akten zu benennen, aus denen sich aus Sicht der Angeklagten Entlastendes ergeben soll, merkt der Senat an, dass es für die Verteidigung möglicherweise sachgerechter gewesen wäre, die behaupteten Entlastungsindizien durch Beweisanträge oder -anregungen in die Hauptverhandlung einzuführen, anstatt in der Revision das Verfahren des Landgerichts zu beanstanden. ..." (BGH, Urteil vom 23.08.2006 - 5 StR 151/06).
***
?... 2. In der Ablehnung des Aussetzungsantrages liegt ein Fehlgebrauch des dem Gericht durch § 265 Abs. 4 StPO eingeräumten Ermessens (vgl. BGH NJW 1958, 1736). Hierdurch ist der Angekl. in seiner Verteidigung unzulässig beschränkt worden (§ 338 Nr. 8 StPO).
a) Schon die Entscheidungen über Auswahl und Bestellung des Verteidigers stoßen auf Bedenken. Der Anspruch auf ein faires Verfahren, dem § 142 Abs. 1 S. 3 StPO Rechnung trägt, verlangt, daß dem Besch., wenn nicht wichtige Gründe entgegenstehen, ein Verteidiger seines Vertrauens bestellt werden muß, weil das Vertrauensverhältnis zwischen Angekl. und Verteidiger eine wesentliche Voraussetzung für eine sachdienliche Verteidigung ist (vgl. BVerfGE 9, 36, 38; 39, 238, 243; 68, 237, 256). Als solcher Verteidiger des Vertrauens war RA U. benannt worden. Ein sachlicher Grund, der dessen Beiordnung widersprochen haben könnte, ist nicht ersichtlich. Ein solcher ist nicht etwa daraus herzuleiten, daß RA U. am 17. 2. 1997 erklärt hatte, er sei am 18. 2. 1997 zur Verteidigung außerstande. RA U. hat dabei die Niederlegung des Wahlmandats mit der Erneuerung des Beiordnungsantrages verbunden und geltend gemacht, die bisher fehlende Beiordnung sei der Grund dafür, daß er sich bisher nicht genügend habe vorbereiten können. Dies ist umso weniger zu beanstanden, als dem Verteidiger wichtige Unterlagen (Anklageschrift und psychiatrisches Gutachten) nicht vorlagen. Die Bestellung eines anderen Verteidigers, der zur Verteidigung bereit war, und die Ablehnung der Bestellung von RA U. rechtfertigten sich auch nicht aus dem Umstand, daß die in § 121 StPO bestimmte Frist am 23. 2. 1997 ablief, worauf der Vorsitzende in seinem Beschl. v. 18. 2. 1997 abgestellt hat, mit dem er den Antrag auf Bestellung des RA U. zum Verteidiger zurückgewiesen hatte. Dem Anspruch auf beschleunigte Aburteilung des sich in Untersuchungshaft befindenden Angekl. durfte in Anbetracht des unmittelbar bevorstehenden Fristablaufs kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden.
b) Bei dieser Sachlage legte die mit dem Eintritt des neuen Verteidigers verbundene Änderung der Verfahrenslage (BGH NJW 1958, 1736; 1965, 2164) unter dem Gesichtspunkt des Rechts des Angekl. auf eine wirksame Verteidigung (Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK) und unter dem Gesichtspunkt der richterlichen Fürsorgepflicht (BGH a.a.O.) eine Aussetzung nahe: Allerdings hatte der bestellte Verteidiger erklärt, zur Verteidigung bereit zu sein. Eine solche Erklärung ist grundsätzlich ausreichend, weil der Verteidiger die Verteidigung und die Art und Weise, wie er sich auf sie vorbereitet und sie führt, selbst zu verantworten hat. Hier ergeben aber die dem Gericht bekannten Umstände, daß der Verteidiger nicht die Möglichkeit hatte, sich ausreichend auf die Hauptverhandlung vorzubereiten (vgl. BGH a.a.O.; BGH NJW 1973, 1985, 1986; BGH NStZ 1983, 281). Dies folgt ohne weiteres aus dessen Erklärung, noch etwas Zeit zu benötigen, um das vorbereitende psychiatrische Sachverständigengutachten mit dem Angekl. zu erörtern. Diese Erklärung erwies die Richtigkeit der Behauptung des Angekl., bis dahin keine Gelegenheit zu angemessener Verteidigerkonsultation gehabt zu haben. Daß auch tatsächlich noch Beratungsbedarf bestand, wovon ersichtlich auch das Gericht ausging, ergibt sich daraus, daß nach dem ersten Verhandlungstag eine Besprechung zwischen Angekl. und Verteidiger bis in die Nacht hinein stattfand. Bei dieser Sachlage konnte es auf die bloße Erklärung des Verteidigers, sich ?gründsätzlich in der Lage (zu fühlen), in diesem Verfahren als Pflichtverteidiger aufzutreten' , nicht ankommen (vgl. BGH NJW 1965, 2164, 2165).
Dies hat das LG verkannt. Es hat den Angekl. zur Sache vernommen, obgleich er seinen Verteidiger zuvor nicht in ausreichendem Maße befragen konnte. Darüber hinaus hatte der Verteidiger bis dahin keine Gelegenheit, das vorbereitende psychiatrische Sachverständigengutachten, das in diesem Schwurgerichtsverfahren von besonderer Bedeutung ist, mit dem Angekl. zu erörtern. ..." (BGH, Beschluss vom 24.06.1998 - 5 StR 120/98).
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Hat der Verteidiger seine Bestellung zum Verteidiger dem Gericht angezeigt und ist eine Ladung zum Hauptverhandlungstermin unterblieben, ist dem Aussetzungsantrag des Verteidigers stattzugeben. Unerheblich ist, ob ein weiterer Verteidiger geladen wurde und erschienen war, da bei mehreren Verteidigern jeder von ihnen unter den in § 218 Satz 1 StPO genannten Voraussetzungen geladen werden muß (BGH, Urteil vom 16.01.1985 - 2 StR 661/84).
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Der nicht geheilte Verstoß gegen die Pflicht zur Ladung des Verteidigers begründet die Revision des Angeklagten unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung (OLG München, Beschluss vom 25.01.2006 - 5 St RR 237/05).
Absicht
Ein Täter handelt absichtlich, wenn die Verwirklichung des tatbestandlichen Erfolges Ziel seines Handelns ist.
Absprachen im Strafverfahren
Absprachen zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger einerseits sowie dem Gericht und der Staatsanwaltschaft andererseits haben in der Praxis eine erhebliche Bedeutung erlangt. Die Zulässigkeit solcher Absprachen ist immer noch nicht umfassend geklärt. Gewichtige Stimmen halten eine gesetzliche Regelung für erforderlich.
Siehe unter ?Rechtsmittelverzicht", ?Urteilsabsprachen" und ?Verständigung § 257 c StPO".
Abtrennung von Verfahren
Eine Abtrennung von Verfahrensteilen ist zulässig, wenn es sich bei dem abgetrennten Verfahrensstoff um selbstständige prozessuale Taten handelt. Unzulässig ist sie aber, wenn sie eine Aufspaltung ein und der selben prozessualen Tat, also des von der Anklage umfassten geschichtlichen Vorgangs bewirken würde (BGH NStZ 2001, 105 zu § 264 StPO).
? ... Es kann offenbleiben, ob das Gericht verpflichtet gewesen wäre, die Abtrennung des Verfahrens gegen den Mitangekl. W zu begründen. Nach überwiegender Meinung liegt die Bejahung der prozessualen Zweckmäßigkeit bereits in dem die Trennung anordnenden Beschluss selbst, ohne dass es noch einer besonderen sachlichen Begründung bedürfte (so RGSt 52, 138, 140; 57, 44; LR-Wendisch 25. Aufl., § 4 Rn 26; KK-Pfeiffer 4. Aufl., § 4 Rn 7; a.A. SKStPO-Rudolphi 2. Lfg., § 4 Rn 11). ... (BGH NStZ 2001, 211).
Gegen die von dem Tatrichter in der Hauptverhandlung beschlossene Abtrennung und Aussetzung des Verfahrens gegen einen von mehreren Angeklagten ist die Beschwerde zulässig, wenn dies lediglich zur Verzögerung des abgetrennten Teils des Verfahrens führt. In diesem Fall steht der Zulässigkeit der Beschwerde die Vorschrift des § 305 S. 1 StPO nicht entgegen (OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996, 142).
Abweichung vom Gutachten eines Sachverständigen
?... Zwar muss der Tatrichter nicht in jedem Fall, in dem er von dem Gutach-ten des in der Hauptverhandlung gehörten Sachverständigen abweichen will, einen weiteren Sachverständigen hinzuziehen. Voraussetzung ist aber, dass er die für die abweichende Beurteilung erforderliche Sachkunde besitzt, selbst wenn er erst durch das Gutachten genügend sachkundig geworden ist, um die Beweisfrage beurteilen zu können (vgl. BGH NStZ 2000, 437; vgl. auch Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. § 244 Rdn. 75 m.w.N.). Außerdem muss er die Ausfüh-rungen des Sachverständigen in nachprüfbarer Weise im Urteil wiedergeben, sich mit ihnen auseinandersetzen und seine abweichende Meinung begründen (vgl. BGH NStZ 1983, 377; 1994, 503; 2000, 550 f.). ..." (BGH, Beschluss vom 28.03.2006 - 4 StR 575/05).
actio libera in causa
Nach dem Grundsatz actio libera in causa kann auch ein Täter bestraft werden, der den Tatbestand im Zustand der Schuldunfähigkeit verwirklicht hat.
In welchem Umfang dieser Grundsatz Anwendung findet, ist umstritten. Nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs soll der Grundsatz bei Straßenverkehrsdelikten und bei bloßen Tätigkeitsdelikten keine Anwendung finden.
Der Täter muss den Tatbestand eines Strafgesetzes rechtswidrig verwirklicht haben im Zustand der Schuldunfähigkeit. Vorwerfbar ist seine Handlung, wenn der Täter in schuldfähigem Zustand einen Geschehensablauf in Gang gesetzt hat, der zur tatbestandlichen Handlung im schuldunfähigen Zustand geführt hat.
Der Vorsatz des Täters muss sich auf die Herbeiführung des Defekts bzw. der Schuldunfähigkeit richten. Außerdem muss der Vorsatz des Täters die Begehung einer bestimmten Straftat in ihren wesentlichen Zügen erfassen. Liegen diese Voraussetzungen vor, wird der Täter wegen eines Vorsatzdeliktes bestraft.
Hat der Täter vorsätzlich oder fahrlässig bezüglich der Herbeiführung der Schuldunfähigkeit gehandelt und fällt ihm lediglich bezüglich der Straftat Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur wegen eines Fahrlässigkeitsdelikts bestraft werden.
Auf § 323a StGB ist gesondert hinzuweisen.
Adhäsionsverfahren - Entscheidung über den Entschädigungsantrag § 406 StPO
(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die Entscheidung kann sich auf den Grund oder einen Teil des geltend gemachten Anspruchs beschränken; § 318 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Das Gericht sieht von einer Entscheidung ab, wenn der Antrag unzulässig ist oder soweit er unbegründet erscheint. Im Übrigen kann das Gericht von einer Entscheidung nur absehen, wenn sich der Antrag auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Antragstellers zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Der Antrag ist insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldes (§ 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) geltend macht, ist das Absehen von einer Entscheidung nur nach Satz 3 zulässig.
(2) Erkennt der Angeklagte den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise an, ist er gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen.
(3) Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Das Gericht erklärt die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar; die §§ 708 bis 712 sowie die §§ 714 und 716 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er anderweit geltend gemacht werden. Ist über den Grund des Anspruchs rechtskräftig entschieden, so findet die Verhandlung über den Betrag nach § 304 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung vor dem zuständigen Zivilgericht statt.
(4) Der Antragsteller erhält eine Abschrift des Urteils mit Gründen oder einen Auszug daraus.
(5) Erwägt das Gericht, von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen, weist es die Verfahrensbeteiligten so früh wie möglich darauf hin. Sobald das Gericht nach Anhörung des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag für nicht gegeben erachtet, sieht es durch Beschluss von einer Entscheidung über den Antrag ab.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Die Strafkammer hat die Anordnung, die dem Nebenkläger im Adhäsionsverfahren zugesprochene Summe mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. März 2007 (dem Tag nach der Tat) zu verzinsen, im Ergebnis zutreffend auf § 286 Abs. 2 Nr. 4, § 288 Abs. 1 BGB gestützt. Der Umstand, dass die Angeklagten das Geld mittels eines Raubüberfalls an sich gebracht haben, steht dem in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts erörterten Fall gleich, dass der Schuldner sich einer Mahnung entzieht (BT-Drucks. 14/6040 S. 146). Folglich kann dahinstehen, ob, wie der Generalbundesanwalt meint, der Zinsausspruch des angefochtenen Urteils nach § 849 BGB gerechtfertigt wäre; insoweit ist streitig, ob hiernach Verzugszinsen (so MünchKomm-BGB/Wagner 4. Aufl. § 849 Rdn. 3) oder lediglich Zinsen in Höhe des gesetzlichen Zinsfußes (§ 246 BGB; so Rüßmann in jurisPK-BGB 3. Aufl. § 849 Rdn. 4) geschuldet sind (vgl. auch BGH NJW 2008, 1084). ..." (BGH, Beschluss vom 14.05.2008 - 2 StR 190/08)
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Vor dem Hintergrund des Beschleunigungsgebots führt eine infolge eines Adhäsionsverfahrens zu erwartende Verzögerung einer Haftsache um nur wenige Tage regelmäßig dazu, die Ungeeignetheit der beantragten Verfahrensweise anzunehmen (OLG Celle, Beschluss vom 22.02.2007 - 1 Ws 74/07 zu StPO §§ 406 Abs. 1 S. 4, 120 Abs. 1; MRK Art. 5).
Bei der Entscheidung über Nichteignung eines Adhäsionsantrages gemäß § 406 Abs. 1 S. 4 StPO handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine Abwägung zwischen den Interessen der Geschädigten, ihre Ansprüche in einem Adhäsionsverfahren durchzusetzen, und den Interessen des Staates, seinen Strafanspruch möglichst effektiv zu verfolgen sowie dem Interesse des Angeklagten an einem fairen und schnellen Verfahrensfortgang vorzunehmen. Den Opferinteressen kommt dabei ein hohes, aber nicht von vornherein ein überwiegendes Gewicht zu. Auch nach der Änderung der Adhäsionsvorschriften durch das OpferRRG können die in der Rechtsprechung für den früheren Rechtszustand entwickelten Grundsätze zur Ungeeignetheit eines Adhäsionsantrages im Rahmen einer Gesamtbetrachtung bei der Entscheidung gemäß § 406 Abs. 1 S. 4 StPO berücksichtigt werden (OLG Hamburg, Beschluss vom 29.07.2005 - 1 Ws 92/05).
Adhäsionsverfahren - Form und Wirkung des Antrags des Verletzten § 404 StPO
(1) Der Antrag, durch den der Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlußvorträge gestellt werden. Er muß den Gegenstand und Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen und soll die Beweismittel enthalten. Ist der Antrag außerhalb der Hauptverhandlung gestellt, so wird er dem Beschuldigten zugestellt.
(2) Die Antragstellung hat dieselben Wirkungen wie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechtsstreit. Sie treten mit Eingang des Antrages bei Gericht ein.
(3) Ist der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt, so wird der Antragsteller von Ort und Zeit der Hauptverhandlung benachrichtigt. Der Antragsteller, sein gesetzlicher Vertreter und der Ehegatte oder Lebenspartner des Antragsberechtigten können an der Hauptverhandlung teilnehmen.
(4) Der Antrag kann bis zur Verkündung des Urteils zurückgenommen werden.
(5) Dem Antragsteller und dem Angeschuldigten ist auf Antrag Prozeßkostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, sobald die Klage erhoben ist. § 121 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gilt mit der Maßgabe, daß dem Angeschuldigten, der einen Verteidiger hat, dieser beigeordnet werden soll; dem Antragsteller, der sich im Hauptverfahren des Beistandes eines Rechtsanwalts bedient, soll dieser beigeordnet werden. Zuständig für die Entscheidung ist das mit der Sache befaßte Gericht; die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Leitsätze/Entscheidungen:
Das Verbot des § 308 Abs. 1 ZPO, einer Partei zuzusprechen, was nicht beantragt ist, gilt auch im Adhäsionsverfahren. Ein Verstoß gegen dieses Verbot ist im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten (BGH, Beschluss vom 27.05.2009 - 2 StR 168/09 zu StPO § 404; ZPO § 308).
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?... Die Adhäsionsanträge sind nicht rechtzeitig gestellt worden und schon deshalb unzulässig. Ein Adhäsionsantrag kann nicht mehr nach Beginn der Schlussvorträge in der tatrichterlichen Hauptverhandlung angebracht werden, soweit sie dem den Rechtszug abschließenden Urteil vorausgehen (BGH NStZ-RR 2005, 380; Beschl. vom 7. Dezember 2006 - 4 StR 505/06). Daher war die Antragstellung im Revisionsverfahren hier verspätet (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 404 Rdn. 4). Es kommt deshalb nicht darauf an, dass die Antragsschriften auch im Übrigen den gesetzlichen Anforderungen offensichtlich nicht genügen (vgl. § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO). Von einer Entscheidung über die Anträge war daher gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO abzusehen. Über die Kosten hat der Senat nach billigem Ermessen entschieden (vgl. § 472a Abs. 2 StPO). ..." (BGH, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 StR 503/07)
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?... Das Urteil kann keinen Bestand haben, soweit der Angeklagte dem Grunde nach zur Zahlung von Schmerzensgeld an die Nebenklägerinnen verurteilt worden ist. Die Adhäsionsanträge, durch die die Schmerzensgeldansprüche geltend gemacht worden sind, sind nicht in einer den Erfordernissen des § 404 Abs. 1 StPO genügenden Weise gestellt worden, was von Amts wegen zu beachten ist (BGH NStZ-RR 2005, 380; StraFo 2004, 386). Die außerhalb der Hauptverhandlung mit Schriftsätzen vom 19. April 2007 angebrachten Adhäsionsanträge sind dem Angeklagten entgegen § 404 Abs. 1 Satz 3 StPO nicht zugestellt worden. In der Hauptverhandlung hat die Strafkammer ausweislich des Protokolls lediglich die Anträge der Nebenklägerinnen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Adhäsionsverfahren gemäß § 404 Abs. 5 StPO mit den Prozessbeteiligten erörtert und sodann beschieden. Allein dies belegt jedoch nicht, dass auch die das Adhäsionsverfahren in der Sache bestimmenden Anträge der Nebenklägerinnen auf Feststellung der Pflicht des Angeklagten, ihnen dem Grunde nach ein Schmerzensgeld zu zahlen, gestellt worden sind (s. § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Eine Zurückverweisung der Sache allein zur prozessordnungsgemäßen Nachholung des Adhäsionsverfahrens kommt nicht in Betracht, denn die Anträge könnten nicht mehr rechtzeitig gestellt werden (s. § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO) und sind daher unzulässig (Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 406 Rdn. 10). Der Senat spricht daher aus, dass von einer Entscheidung über die Adhäsionsanträge abgesehen wird (§ 406 Abs. 1 Satz 3 und 6 StPO; vgl. Meyer-Goßner aaO § 406 a Rdn. 5). ..." (BGH, Beschluss vom 11.10.2007 - 3 StR 426/07)
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Ein außerhalb der Hauptverhandlung gestellter Adhäsionsantrag ist unwirksam, wenn er dem Angeklagten nicht förmlich zugestellt worden ist (BGH, Beschluss vom 26.08.2005 - 3 StR 272/05).
*** (OLG)
Die Verteidigerbestellung umfasst auch das Adhäsionsverfahren. Das Gebot der ?Waffengleichheit' spricht dafür, dass das Pflichtverteidigermandat auch ohne gesonderte Beiordnung die ?Verteidigung' gegen im Adhäsionsverfahren geltend gemachte Ansprüche umfasst, zumal ein Angeklagter gerade mit der Prüfung und gegebenfalls Abwehr zivilrechtlicher Haftungsansprüche regelmäßig eher überfordert sein dürfte als mit seiner Verteidigung gegen den Strafvorwurf. Einem Pflichtverteidiger kann daher im Einzelfall zusätzlich zu den Pflichtverteidigergebühren für seine Tätigkeit im Adhäsionsverfahren, wie von ihm beantragt, die Verfahrensgebühr sowie die Einigungsgebühr zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer zustehen (OLG Rostock, Beschluss vom 15.06.2011 - I Ws 166/11 zu StVO §§ 141, 140 Abs. 2, 404 Abs. 5; RVG VV Nr. 4143).
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Adhäsionsverfahren - Zulässigkeit des Antrags des Verletzten § 403 StPO
Der Verletzte oder sein Erbe kann gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht anderweit gerichtlich anhängig gemacht ist, im Strafverfahren geltend machen, im Verfahren vor dem Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes.
Hinweise:
Das Opfer einer Straftat hat die Möglichkeit, seine zivilrechtlichen Ansprüche gegen den Täter im Strafverfahren geltend zu machen. Die Einzelheiten sind in den §§ 403 - 406c StPO geregelt.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob der Antragsteller im Adhäsionsverfahren berechtigt ist, den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. ...
Der Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 14. März 2006 und der Beschluss des Landgerichts Heidelberg vom 3. April 2006 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
1. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet dem Einzelnen das Recht auf den gesetzlichen Richter.
Ziel der Verfassungsgarantie ist es, der Gefahr einer möglichen Einflussnahme auf den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung vorzubeugen, die durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter eröffnet sein könnte (vgl.BVerfGE 17, 294 (299); 48, 246 (254); 82, 286 (296); 95, 322 (327) ). Damit sollen die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden (vgl.BVerfGE 95, 322 (327)).
Deshalb verpflichtet Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG den Gesetzgeber dazu, eine klare und abstrakt-generelle Zuständigkeitsordnung zu schaffen, die für jeden denkbaren Streitfall im Voraus den Richter bezeichnet, der für die Entscheidung zuständig ist. Jede sachwidrige Einflussnahme auf die rechtsprechende Tätigkeit von innen und von außen soll dadurch verhindert werden. Die Gerichte sind bei der Anwendung der vom Gesetzgeber geschaffenen Zuständigkeitsordnung verpflichtet, dem Gewährleistungsgehalt und der Schutzwirkung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angemessen Rechnung zu tragen.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darüber hinaus auch einen materiellen Gewährleistungsgehalt. Die Verfassungsnorm garantiert, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (vgl.BVerfGE 10, 200 (213 f.); 21, 139 (145 f.); 30, 149 (153); 40, 268 (271); 82, 286 (298); 89, 28 (36)).
Der Gesetzgeber hat deshalb in materieller Hinsicht Vorsorge dafür zu treffen, dass die Richterbank im Einzelfall nicht mit Richtern besetzt ist, die dem zur Entscheidung anstehenden Streitfall nicht mit der erforderlichen professionellen Distanz eines Unbeteiligten und Neutralen gegenüberstehen. Die materiellen Anforderungen der Verfassungsgarantie verpflichten den Gesetzgeber dazu, Regelungen vorzusehen, die es ermöglichen, einen Richter, der im Einzelfall nicht die Gewähr der Unparteilichkeit bietet, abzulehnen oder von der Ausübung seines Amtes auszuschließen (vgl.BVerfGE 21, 139 (146) ; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Februar 2006 - 2 BvR 836/04 -, StraFo 2006, S. 232; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Juni 2005 - 2 BvR 625/01, 2 BvR 638/01 -, NJW 2005, S. 3410; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Juli 2005 - 2 BvR 497/03 -, NVwZ 2005, S. 1304).
2. Diese Grundsätze gelten auch für das Adhäsionsverfahren nach §§ 403 ff. StPO.
a) Ob dem Antragsteller im Adhäsionsverfahren ein Recht zur Ablehnung des Gerichts wegen Besorgnis der Befangenheit zukommt, ist im Schrifttum umstritten; die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich hierzu noch nicht verhalten. Die ein Ablehnungsrecht verneinende Ansicht stützt sich darauf, dass ein solches - anders als für die Staatsanwaltschaft, den Privatkläger und den Beschuldigten (§ 24 Abs. 3 Satz 1 StPO) sowie den Nebenkläger (§ 397 Abs. 1 Satz 3 StPO) - nicht gesetzlich vorgesehen sei. Dem Adhäsionskläger kämen auch nicht - wie dem Beschuldigten im Sicherungsverfahren (§ 414 Abs. 1 StPO), dem Einziehungsbeteiligten (§ 433 Abs. 1, § 440 Abs. 3 StPO), dem Antragsteller im Nachverfahren (§ 441 StPO) und dem Beteiligten im Verfahren bei Festsetzung von Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen (§ 444 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 433 Abs. 1 StPO) - die Befugnisse des Angeklagten und damit das Ablehnungsrecht zu. Ein Ablehnungsrecht des Adhäsionsklägers sei nicht erforderlich, weil er seine Ansprüche vor den Zivilgerichten verfolgen könne und also keine Rechtsnachteile erleide. Im Übrigen nehme die ablehnungsberechtigte Staatsanwaltschaft die Interessen des Geschädigten wahr (vgl. Wendisch, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl. 1999, § 24 Rn. 44 ff.; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl. 2001, § 404 Rn. 11; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. 2006, § 24 Rn. 20; Velten, in: Systematischer Kommentar, StPO, Stand: September 2003, § 404 Rn. 10; Stöckel, in: Kleinknecht/Müller/Reitberger, StPO, Stand: Februar 2006, § 404 Rn. 9; Hamm, NJW 1974, S. 682 (683)). Die Gegenansicht will dem Adhäsionskläger ein Ablehnungsrecht zuerkennen, da er nach Anbringung des Entschädigungsantrags Verfahrensbeteiligter sei und nicht schlechter als in einem Zivilprozess stehen dürfe (vgl. Engelhardt, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl. 2003, § 404 Rn. 12; Köckerbauer, NStZ 1994, S. 305 (307); Meier/Dürre, JZ 2006, S. 18 (21 f.); Teplitzky, MDR 1970, S. 106).
b) Das Adhäsionsverfahren nach §§ 403 ff. StPO eröffnet dem Geschädigten einer Straftat die Möglichkeit, im Strafverfahren materielle Kompensation für erlittene Schäden zu erlangen. Rechtstatsächliche Untersuchungen zeigen, dass für Opfer von Straftaten das Wiedergutmachungsbedürfnis, gerade auch in seiner finanziellen Dimension, generell eine sehr große Rolle spielt (vgl. Kilchling, NStZ 2002, S. 57 (62); ders., DVJJ-Journal 2002, S. 14 m.w.N.; BTDrucks 15/814, S. 6 m.w.N.). Im Einzelfall - wenn z.B. aufwändige Fahndungsmaßnahmen und Zwangsmittel erforderlich sind, um den staatlichen Strafanspruch durchzusetzen - kann die Anhaftung der Entschädigungsmöglichkeit an das Strafverfahren für den Geschädigten die einzige Möglichkeit darstellen, Kompensation zu erlangen. Der Gesetzgeber hat vor diesem Hintergrund die Rechte des Adhäsionsklägers mehrfach gestärkt in dem Bestreben, dem Adhäsionsverfahren in der Rechtswirklichkeit eine größere Bedeutung zu verschaffen (vgl. Brokamp, Das Adhäsionsverfahren - Geschichte und Reform, 1990; Dallmeyer, JuS 2005, S. 327; Hilger, GA 2004, S. 478 (482 ff.)). Mit den Änderungen durch das Opferrechtsreformgesetz vom 24. Juni 2004 (BGBl I S. 1354) beabsichtigte der Gesetzgeber, die Durchführung des Adhäsionsverfahrens zum Regelfall der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche des Opfers zu machen (vgl. BTDrucks 15/1976, S. 8 (16); Protokoll der 71. Sitzung des Deutschen Bundestags am 5. November 2003, S. 6082 A; Protokoll der 75. Sitzung des Deutschen Bundestags am 13. November 2003, S. 6470 B; Protokoll der 94. Sitzung des Deutschen Bundestags am 4. März 2004, S. 8401 B, 8403 C, 8406 B).
c) Vor diesem Hintergrund ist der Antragsteller im Adhäsionsverfahren als Rechtsuchender im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung anzusehen, dem die Ablehnung des gesetzlichen Richters offen steht, wenn dieser nicht die Gewähr der Unparteilichkeit bietet. Da das Adhäsionsverfahren seit seiner Stärkung durch das Opferrechtsreformgesetz den gesetzlichen Regelfall der Durchsetzung von Opferansprüchen darstellt, ist der Antragsteller in erheblichem Maße beschwert, wenn das Verfahren, veranlasst durch ein parteiliches Verhalten des gesetzlichen Richters, scheitert und der Antragsteller sich auf ein neues - zeit- und kostenintensives - Verfahren vor den Zivilgerichten verwiesen sieht.
3. Die gesetzliche Ausgestaltung des Adhäsionsverfahrens in §§ 403 ff. StPO kann in einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährleistung eines Ablehnungsrechts des Adhäsionsklägers genügenden Weise ausgelegt werden.
Zwar hat der Gesetzgeber ein solches Recht - anders als in § 24 Abs. 3 und § 397 Abs. 1 Satz 3 StPO - nicht ausdrücklich normiert. Dem Gesetzgebungsverfahren lässt sich aber entnehmen, dass er mit Blick auf einen die Sach- und Rechtslage einseitig grob verkennenden Vergleichsvorschlag des Gerichts gemäß § 405 Abs. 1 StPO oder Begleitumstände, die Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters begründen können, das Stellen eines Befangenheitsantrags auch nicht generell ausschließen wollte (vgl. BTDrucks 15/1976, S. 15). Allerdings bezieht sich der Gesetzgeber damit wohl auf das Ablehnungsrecht des Angeklagten (vgl. Protokoll der 75. Sitzung des Deutschen Bundestags am 13. November 2003, S. 6463 D - 6464 A m.d.H. auf BGHSt 37, S. 263 (264)). Dass der Gesetzgeber ein Ablehnungsrecht des Adhäsionsklägers erwogen hätte, ist nicht zu erkennen. Damit ist von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen.
Nach § 404 Abs. 2 StPO treten mit Eingang des Antrags bei Gericht die Wirkungen der Klageerhebung im bürgerlichen Rechtsstreit ein. Mit Einreichung der Klage bei Gericht ist im bürgerlichen Rechtsstreit die Möglichkeit eröffnet, ein Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 42 ZPO zu stellen (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl. 2005, § 42 Rn. 2). Die Rechtsfolgenverweisung des § 404 Abs. 2 StPO ist damit in verfassungskonformer Auslegung so zu verstehen, dass sie sich auf die Begründung eines Ablehnungsrechts des Adhäsionsklägers mit Eingang seines Antrags bei Gericht erstreckt. Über ein Ablehnungsgesuch des Adhäsionsklägers ist dann nach den für den Strafprozess geltenden Vorschriften der §§ 22 ff. StPO zu entscheiden. ..." (BVerfG, 2 BvR 958/06 vom 27.12.2006, Absatz-Nr. (1 - 22), www.BVerfG.de/entscheidungen/rk20061227_2bvr095806.html)
agent provocateur
Siehe unter ?Lockspitzeleinsatz - Anstiftung" und ?Strafzumessung".
Agentur für Grundrechte
Siehe unter ?Europäischer Haftbefehl".
Akustische Wohnraumüberwachung
Siehe unter ?Herstellung von Lichtbildern, Observations- und Abhörmaßnahmen".
Akteneinsicht - Aussetzung der Hauptverhandlung
?... Es mag zudem Einzelfälle geben, in denen der Grundsatz des fairen Verfahrens ausnahmsweise eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Freigabe der geheimgehaltenen Ermittlungsakten gebieten kann. Umstände, die das LG zu einem solchen Vorgehen hätten anhalten können, sind hier nicht ersichtlich und auch nicht dargetan. Für eine offensichtlich fehlerhafte Annahme einer Gefährdung des Untersuchungszwecks in dem Ermittlungsverfahren der StA Düsseldorf und eine unvertretbare Hinnahme der darauf gegründeten Akteneinsichtsversagung durch das LG fehlen ausreichende Anhaltspunkte. ..." (BGH, Beschluss vom 11.11.2004 - 5 StR 299/03)
***
?... 3. a) Im übrigen genügt der Vortrag nicht, dem Revisionsgericht darzulegen (auch aus dem Protokoll ergibt sich insoweit nichts), der Antrag auf Akteneinsicht habe sich auf Verfahrensakten oder (bereits) beigezogenen Akten bezogen. Allein die Akten des AG Augsburg 5 Ls 104 Js 140812/96 bezüglich H. wurden als Beiakten geführt. Insoweit bekam der Verteidiger R. am 2. 2. 1998 Akteneinsicht. Es trifft zu, daß aus der sog. ?H.-Akte' (5 Ls 104 Js 142405/96) Vorhalte gemacht und darin befindliche Skizzen in Augenschein genommen wurden. Die Revision verschweigt jedoch, daß diese Akten - infolge Verbindung - mit den vorgenannten beigezogenen Akten identisch sind, Akteneinsicht also gewährt worden war. Das Vorliegen weiterer Akten wird nicht in der revisionsrechtlich erforderlichen Bestimmtheit behauptet, sondern nur deren ?Verwendung' angesprochen. In diesem Rahmen verlesene Urkunden und nachgereichte Protokolle waren, wie sich aus dem Beschl. des LG ergibt, dem Verteidigerübergeben worden.
b) Selbst wenn man den Antrag auf Aussetzung und Akteneinsicht dahin auslegen könnte, er beziehe sich - neben der oben genannten, der Verteidigung tatsächlich zugänglich gemachten ?H.-Akte' - auf andere dem Gericht bereits vorliegende Akten, könnte die Rüge gleichwohl keinen Erfolg, haben, weil sie lediglich im Zusammenhang mit dem Aussetzungsantrag über § 338 Nr. 8 StPO durchgreifen könnte (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O., § 147 Rdnr. 43). Insoweit fehlt es aber an dem zu verlangenden substantiierten Vortrag, welche Tatsachen sich aus welchen genau bezeichneten Stellen der Akten ergeben hätten und welche Konsequenzen für die Verteidigung daraus folgten (vgl. BGH NStZ 1996, 99). Denn die Beschränkung gem. § 338 Nr. 8 StPO ?in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt' muß sich aus dem Tatsachenvortrag ergeben, um dem Revisionsgericht die Prüfung des Beruhens zu ermöglichen (vgl. BGH NStZ 1998, 369). Daß insoweit ?nicht auszuschließen (sei), daß sich bei Gewährung der Akteneinsicht Anhaltspunkte für eine weitergehende Verteidigung des Angekl. ergeben hätten', genügt nicht. ..." (BGH, Beschluss vom 02.02.1999 - 1 StR 636/98)
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? ... Die Rüge, das LG habe unter Verletzung der § 222 a Abs. 2 Nr. 8 StPO, § 338 Nr. 8 StPO - gemeint ist ersichtlich statt § 222 a § 265 Abs. 4 - einen Antrag des Verteidigers auf Vertagung, zumindest aber auf Unterbrechung der Hauptverhandlung für mindestens eine Woche zu Unrecht abgelehnt, greift nicht durch.
Der Antrag war damit begründet, der Verteidiger habe auf seinen Antrag beigezogene Strafakten gegen weitere Tatbeteiligte erst am 16./17./18. 1. 1995 erhalten und habe sie daher bis zum Beginn der Hauptverhandlung am 19. 1. 1995 nicht durcharbeiten können. Das LG hat den Antrag abgelehnt, und zwar insbes. deshalb, weil zwar der Hauptbelastungszeuge S. bereits am ersten Verhandlungstag vernommen werden sollte, dem Verteidiger aber bereits zugesagt war, daß S. nochmals, frühestens auf den 26. 1. 1995 vorgeladen werden solle, so daß der Verteidiger noch die Gelegenheit habe, Fragen an den Zeugen zu stellen oder Vorhalte zu machen, die sich aus den Beiakten ergeben könnten. Tatsächlich wurde S. am 26. 1. 1995 ergänzend vernommen. Bei diesem Ablauf des Verfahrens hätte der Bf. näher darlegen müssen, welche Anknüpfungspunkte für Fragen und Vorhalte sich aus den Akten ergeben haben, warum sich aus der Durcharbeitung der Akten ergebende Fragen nicht bei der erneuten Vernehmung des Zeugen eine Woche später angebracht werden konnten und warum nicht bis zu diesem Zeitpunkt der dem Angekl. gegebene Rat, sich nicht zur Sache einzulassen, überprüft werden konnte (vgl. BGH StV 1990, 532). Insoweit ist der Fall vergleichbar mit der Aufklärungsrüge hinsichtlich Beiziehung von Akten, die gleichfalls einen genauen Vortrag dazu voraussetzt, welche Beweistatsache wo in den Akten gefunden hätte werden können. ..." (BGH StV 1999, 298).
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?... Allerdings hätte der Angekl. in der Hauptverhandlung auf die Verteidigung durch RA H. verzichten können. Dies ist nicht geschehen. Weder in der rügelosen Einlassung noch im Unterlassen eines Aussetzungsantrags kann ein wirksamer Verzicht des Angekl. auf die Anwesenheit seines gewählten Verteidigers gesehen werden. Ein solcher Verzicht setzt die Kenntnis des Angekl. voraus, daß sein Verteidiger nicht geladen wurde und daß er deshalb die Aussetzung beantragen kann (vgl. RG GA 68 (1920) S. 355; Gollwitzer a.a.O. Rdnr. 19 und 24; Hanack-LR a.a.O. § 337 Rdnr. 275). Es ist nichts dafür zu ersehen, daß der vom Vorsitzenden des Tatgerichts nicht belehrte Angekl. sein Antragsrecht kannte. ..." (BGH, Urteil vom 09.10.1989 - 2 StR 352/89)
Der Verfahrensfehler führt zur Aufhebung des Urteils, weil nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Aufgaben von RA H. nach dem Willen des Angekl. vom bestellten Verteidiger mit übernommen worden sind und weil sich nicht ausschließen läßt, daß die Hauptverhandlung in Anwesenheit von RA H. zu einem für den Angekl. günstigeren Ergebnis geführt hätte. ..."
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Lehnt das Gericht einen zu Beginn der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung ab, weil ein rechtzeitig gestellter Akteneinsichtsantrag nicht beschieden und Akteneinsicht auch nicht gewährt worden ist, wird die Verteidigung des Angeklagten in unzulässiger Weise beschränkt. Dabei spielt es keine Rolle, daß einem weiteren zum Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalt rechtzeitig Akteneinsicht gewährt worden ist (BGH, Beschluss vom 16.10.1984 - 5 StR 643/84).
***
Fehlen in beigezogenen Ermittlungsakten in Zeugenvernehmungsniederschriften mehrere Seiten, wird nicht deutlich, ob eine vernommene Person als Beschuldigter oder Zeuge ausgesagt hat oder ist nicht erkennbar, ob die vernommene Person den Wortlaut der polizeilich gefertigten Niederschrift genehmigt hat, ist der aus § 147 StPO sich ergebende Anspruch der Verteidigung auf vollständige Akteneinsicht verletzt mit der Folge, daß die Hauptverhandlung auszusetzen ist, bis die Staatsanwaltschaft die betreffenden Vernehmungen ergänzt oder die Originalakten beigezogen und vorgelegt hat (LG Koblenz StV 1997, 238).
Akteneinsichtsrecht des Rechtsvertreters § 406 e StPO
(1) Für den Verletzten kann ein Rechtsanwalt die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, einsehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. In den in § 395 genannten Fällen bedarf es der Darlegung eines berechtigten Interesses nicht.
(2) Die Einsicht in die Akten ist zu versagen, soweit überwiegende schutzwürdige Interessen des Beschuldigten oder anderer Personen entgegenstehen. Sie kann versagt werden, soweit der Untersuchungszweck gefährdet erscheint oder durch sie das Verfahren erheblich verzögert würde.
(3) Auf Antrag können dem Rechtsanwalt, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen, die Akten mit Ausnahme der Beweisstücke in seine Geschäftsräume oder seine Wohnung mitgegeben werden. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
(4) Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befaßten Gerichts. Gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 kann gerichtliche Entscheidung nach Maßgabe des § 161 a Abs. 3 Satz 2 bis 4 beantragt werden. Die Entscheidung des Vorsitzenden ist unanfechtbar. Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.
(5) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 können dem Verletzten Auskünfte und Abschriften aus den Akten erteilt werden; die Absätze 2 und 4 sowie § 478 Abs. 1 Satz 3 und 4 gelten entsprechend.
(6) § 477 Abs. 5 gilt entsprechend.
Leitsätze/Entscheidungen:
Ist mit der Gewährung von Akteneinsicht an den Verletzten ein Eingriff in Grundrechtspositionen des Beschuldigten, namentlich in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung verbunden, darf sie erst gewährt werden, wenn der Beschuldigte Gelegenheit hatte, zum Gesuch Stellung zu nehmen (BVerfG, Beschluss vom 15. 4. 2005 - 2 BvR 465/05).
*** (BGH)
?... I. 1. Der GBA hat ein Ermittlungsverfahren gegen die oben genannten vormaligen Besch. wegen des Verdachts einer Strafbarkeit nach dem Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) und anderer Delikte geführt. Dieses Ermittlungsverfahren ist mit Verfügung des GBA v. 16.04.2010 gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Am 13.10.2010 hat der GBA eine offene Version der als geheime Verschlusssache eingestuften Einstellungsverfügung an RA K. übersandt. Dieser hatte sich als Vertreter des H. zur Akte gemeldet, dessen beiden Söhne durch den hier verfahrensgegenständlichen Luftangriff v. 04.09.2009 in A., getötet worden sein sollen. Gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens hat RA K. für den Ast. am 15.11.2010 bei dem OLG D. einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Klageerzwingungsverfahren (§ 172 Abs. 2, 3 StPO) gestellt.
2. Mit Verfügung v. 03.09.2010 hat der GBA RA K. auf dessen Antrag hin Akteneinsicht für H. gem. § 406e Abs. 1 StPO in die offenen und - nach Abgabe einer entsprechenden Verpflichtungserklärung - auch in die als ?VS-VERTRAULICH' eingestuften Teile der Ermittlungsakte gewährt. Eine Akteneinsicht in die als ?VS-GEHEIM' eingestuften Aktenbestandteile hat der GBA gem. § 406e Abs. 2 S. 1 StPO abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Das Interesse der am Einsatz der vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eingerichteten internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (International Security Assistance Force, ISAF) beteiligten Soldaten (und, wie in der Stellungnahme des GBA v. 25.01.2011 ergänzend ausgeführt: ihrer Informanten) an der Geheimhaltung der in den Akten enthaltenen militärischen Geheimnisse sei größer als das berechtigte Interesse der Verletzten, den gesamten Akteninhalt kennenzulernen. Die als ?VS-GEHEIM' eingestuften Aktenbestandteile enthielten ausschließlich militärisches Tatsachenmaterial oder setzten sich mit diesem auseinander. Gelangten diese Informationen an die Öffentlichkeit oder gar in die Hände des militärischen Gegners, führe dies zu einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben der am bewaffneten Konflikt beteiligten ISAF-Soldaten (und ihrer Informanten). Demgegenüber werde das Interesse der Verletzten, ein Klageerzwingungsverfahren zu betreiben, nicht beeinträchtigt, weil insoweit in erforderlichem Umfang Teilakteneinsicht gewährt werde. Insbes. die offene Version des Einstellungsvermerks biete eine ausreichende Grundlage zur Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 3 StPO.
Vor seiner Entscheidung über die Akteneinsicht gem. § 406e Abs. 1 StPO hatte der GBA sowohl den Verteidigern als auch dem Bundesministerium der Verteidigung Gelegenheit gegeben, zur Frage des schutzwürdigen Interesses an der Verweigerung der Akteneinsicht Stellung zu nehmen. Von dieser Möglichkeit haben sowohl der Verteidiger von K. als auch das Bundesministerium der Verteidigung Gebrauch gemacht. Das Bundesministerium der Verteidigung hat ausgeführt, dass als überwiegendes schutzwürdiges Interesse anderer Personen i.S.d. § 406e Abs. 2 S. 1 StPO auch das Wohl des Bundes zu berücksichtigen sei und dass dieses im konkreten Fall gegenüber berechtigten Interessen Geschädigter überwiege.
3. Gegen die teilweise Versagung der Akteneinsicht wendet sich der Ast. mit dem vorliegenden Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 406e Abs. 4 S. 2 StPO). ...
II. 1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist statthaft (§ 406e Abs. 4 S. 2 StPO) und auch im Übrigen zulässig.
a) Über die Gewährung der Akteneinsicht für den Verletzten entscheidet im vorbereitenden Verfahren die StA (§ 406e Abs. 4 S. 1 Hs. 1 StPO), hier mithin der GBA. Gegen die Entscheidung der StA kann gem. § 406e Abs. 4 S. 2 StPO gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 StPO zuständige Gericht beantragt werden. Zuständig für die vorliegend beantragte gerichtliche Entscheidung ist der Ermittlungsrichter des BGH (§ 162 Abs. 1 S. 1, § 169 Abs. 1 S. 2 StPO).
b) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist statthaft. Hierzu bedarf es keiner abschließenden Entscheidung hinsichtlich der Verletzteneigenschaft des Ast. (§ 406e Abs. 1 StPO). Denn der GBA hat diese unter Zurückstellung seiner in der Stellungnahme v. 25.01.2011 näher ausgeführten Restzweifel als hinreichend dargelegt angesehen und auf dieser Grundlage eine Einsichtnahme in Akte, soweit sie nicht als ?VS-GEHEIM' eingestuft ist, gewährt. Damit ist auch für die Entscheidung über den vorliegenden Antrag gem. § 406e Abs. 4 S. 2 StPO von der Verletzteneigenschaft des Ast. auszugehen.
2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist jedoch nicht begründet.
a) Gemäß § 406e Abs. 1 S. 1 StPO kann für den Verletzten ein RA die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, einsehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. In den in § 395 StPO genannten Fällen - und damit auch hier (§ 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO) - bedarf es einer solchen Darlegung indes nicht.
b) Nach § 406e Abs. 2 S. 1 StPO ist die Einsicht in die Akten - zwingend - zu versagen, soweit überwiegende schutzwürdige Interessen des Besch. oder anderer Personen entgegenstehen. Dieses Abwägungsgebot gilt auch für den Nebenklageberechtigten (§ 395 StPO; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 406e Rn. 6 m.w.N.; LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 406e Rn. 2).
Bei der Prüfung gem. § 406 Abs. 2 S. 1 StPO ist davon auszugehen, dass diese Vorschrift einen vertretbaren Ausgleich im schwierigen Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz, Verteidigungsinteressen, Wahrheitsfindung, Funktionsinteressen der Strafrechtspflege und dem legitimen, verfassungsrechtlich abzuleitenden Informationsanspruch des Verletzten sucht (BGH, Beschl. v. 18.01.1993 - 5 AR (VS) 44/92, BGHSt 39, 112, 115 [= StV 1993, 118]; LR/Hilger, a.a.O. Rn. 3; vgl. auch BT-Drucks. 10/5305, S. 18). Deshalb sind im Rahmen des § 406e Abs. 2 S. 1 StPO die gegenläufigen Interessen des Verletzten sowie des Besch. oder anderer Personen sorgfältig gegeneinander abzuwägen, um hierdurch festzustellen, welchem Interesse im Einzelfall der Vorrang gebührt (BVerfG, NJW 2007, 1052, 1053; BVerfG, ZIP 2009, 1270 Rn. 24; vgl. auch BVerfG NJW 2003, 501, 503).
c) Diese Grundsätze hat der GBA bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Die von ihm vorgenommene Abwägung der gegenläufigen Interessen lässt keinen Fehler erkennen und ist auch im Ergebnis zutreffend. Unter Würdigung des Inhalts der Akte - einschließlich der als ?VS-GEHEIM' eingestuften Bestandteile, die dem Gericht zur Entscheidung über den Antrag gem. § 406e Abs. 4 S. 2 StPO vorlagen - ist in Übereinstimmung mit dem GBA davon auszugehen, dass die schutzwürdigen Interessen anderer Personen, hier namentlich der Schutz von Leib und Leben der am ISAF-Einsatz beteiligten Soldaten und der Personen, die mit ihnen zusammenarbeiten, insbes. ihrer Informanten, das Informationsinteresse des Ast. überwiegen. Der GBA hat daher zu Recht eine Einsichtnahme in die als ?VS-GEHEIM' eingestuften Teile der Ermittlungsakte versagt.
aa) Dabei kann die in Rspr. und Lit., soweit ersichtlich, bisher noch nicht erörterte Frage offen bleiben, ob zu den anderen Personen gem. § 406e Abs. 2 S. 1 StPO auch die Bundesrepublik Deutschland gehört und im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung demnach das Wohl und Sicherheitsinteressen des Bundes zu berücksichtigen sind. Denn jedenfalls gehören die am ISAF-Einsatz beteiligten Soldaten sowie deren Mitarbeiter und Informanten zu dem Kreis der Personen, deren schutzwürdige Interessen im Rahmen der Abwägung gem. § 406e Abs. 2 S. 1 StPO zu berücksichtigen sind.
bb) Anders als der Ast. meint, sind andere Personen gem. dieser Vorschrift nicht nur solche, die in einem sehr engen, unmittelbaren Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren stehen und konkret individualisiert in den Akten benannt oder beschrieben sind. Eine solche Einschränkung des Personenkreises lässt sich weder dem Wortlaut der Vorschrift noch den Gesetzesmaterialien entnehmen. Sie ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck des § 406 Abs. 2 S. 1 StPO.
Nach der Gesetzesbegründung verfolgte der Gesetzgeber bei der Neugestaltung der formellen Verletztenbeteiligung am Verfahren das Ziel, dem Verletzten schon im Vorverfahren gewisse Mindestbefugnisse zu gewähren, wozu diesem u.a. ein gesetzliches Akteneinsichtsrecht eingeräumt und gleichzeitig sichergestellt werden sollte, dass die schutzwürdigen Interessen des Besch. und anderer Personen an der Wahrung ihrer persönlichen Daten nicht unvertretbar beeinträchtigt und Verfahrensverzögerungen vermieden werden (BT-Drucks. 10/5305, S. 8; vgl. auch die Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages, BT-Drucks. 10/6124, S. 12). Weiter wird in der Gesetzesbegründung ausgeführt, dass § 406e Abs. 2 S. 1 StPO mit Rücksicht auf die berechtigten Schutzinteressen und Belange des Besch. und Dritter vorsehe, dass eine Akteneinsicht des Verletzten im Interesse des Persönlichkeitsschutzes des Besch. oder Dritter zu versagen sei, wenn deren Interesse an der Geheimhaltung ihrer in den Akten enthaltenen persönlichen Daten überwiege (BT-Drucks. 10/5305, S. 18).
Mag auch der Schwerpunkt der Gesetzesbegründung in dem Schutz des Rechts der genannten Personen auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG; vgl. BVerfG, ZIP 2009, 1270 Rn. 16 m.w.N.) zu sehen sein (vgl. LR/Hilger, a.a.O. Rn. 9; KK-Engelhardt, StPO, 6. Aufl., § 406e Rn. 3), so lässt die Begründung doch keine Beschränkung der im Rahmen des § 406e Abs. 2 S. 1 StPO zu berücksichtigenden schutzwürdigen Interessen auf diesen Gesichtspunkt und damit auch keine entsprechende Beschränkung des schutzwürdigen Personenkreises auf solche Personen, deren personenbezogene Daten in der Akte enthalten sind, erkennen.
Dem entsprechend hat das BVerfG in den bereits erwähnten Entscheidungen ausgeführt, zu den schutzwürdigen Interessen des Besch. zähle auch (mithin: nicht alleine) sein Interesse an der Geheimhaltung persönlicher Daten (BVerfG, NJW 2007, 1052, 1053; BVerfG, ZIP 2009, 1270 Rn. 24). Dies gilt in gleicher Weise für die anderen in § 406e Abs. 2 S. 1 StPO genannten Personen.
Demgem. werden als schutzwürdige Interessen gem. § 406e Abs. 2 S. 1 StPO neben den persönlichkeitsrechtlichen Interessen im weitesten Sinne (vgl. hierzu im Einzelnen: LR/Hilger, a.a.O.; vgl. auch BeckOK-Weiner, Bearb. 15.01.2011, § 406e Rn. 3; Meyer-Goßner, a.a.O.) beispielsweise auch wirtschaftliche Interessen, wie etwa Geschäftsund Betriebsgeheimnisse umfasst (LR/Hilger, a.a.O. m.w.N.; vgl. auch BVerfG, wistra 2002, 335, 337).
Wenn aber bereits wirtschaftliche Interessen an der Geheimhaltung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen als schutzwürdige Interessen anerkannt sind, muss dies - wie der GBA in seiner Stellungnahme v. 25.01.2011 zutreffend ausgeführt hat - nach dem Sinn und Zweck des § 406e Abs. 2 S. 1 StPO auch - und erst recht - für militärische Geheimnisse gelten, die dem Schutz des durch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG garantierten Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit der Soldaten und der mit ihnen zusammenarbeiten Personen, hier insbes. der afghanischen Informanten, gelten (so auch BeckOK/Weiner, a.a.O., sowohl für militärische Geheimnisse als auch für die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit).
Entgegen der Auffassung des Ast. erfordert die Berücksichtigung des schutzwürdigen Interesses der vorstehend genannten Personen im Rahmen der Abwägung gem. § 406e Abs. 2 S. 1 StPO nicht, dass diese konkret individualisiert in den Akten benannt oder beschrieben sind. Denn die hier von einer Offenbarung der militärischen Geheimnisse ausgehende Gefahr für Leib oder Leben beschränkt sich nicht auf die mit dem verfahrensgegenständlichen Luftangriff unmittelbar im Zusammenhang stehenden Soldaten, Mitarbeiter und Informanten, sondern umfasst angesichts des Inhalts der als ?VS-GEHEIM' eingestuften Teile der Akte die in Afghanistan, insbes. in der oben genannten Provinz eingesetzten ISAF-Soldaten und die mit diesen zusammenarbeitenden Personen insgesamt.
In Übereinstimmung mit der Einschätzung des GBA ist aufgrund des Inhalts des geheimhaltungsbedürftigen Teils der Akte davon auszugehen, dass die darin enthaltenen Informationen, gelangten sie der Gegenseite zur Kenntnis, dieser einen erheblichen militärischen Vorteil verschaffen würden, der insbes. zu einem Angriff mit möglicherweise tödlichen Folgen genutzt werden könnte. Zudem bestünde eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben des Informanten, der in der Nacht des verfahrensgegenständlichen Luftangriffs die Informationen zu den auf der Sandbank sich aufhaltenden Personen geliefert hat, da der Akteninhalt Rückschlüsse auf dessen Identität zulässt und unweigerlich zu einer Namhaftmachung führen würde.
cc) Aus den vorstehend genannten Gründen folgt auch, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der erwähnten anderen Personen einem uneingeschränkten Akteneinsichtsrecht des Ast. entgegenstehen. Dabei ist im Rahmen der Abwägung der gegenläufigen Interessen auch zu berücksichtigen, dass der Verletztenvertreter, wie der GBA in seiner oben genannten Stellungnahme zutreffend ausgeführt hat, mit der bereits gewährten (Teil-) Akteneinsicht und der offenen Version des Einstellungsvermerks, die vom Originalvermerk in geringstmöglichem Maße abweicht und keine tatsachen- oder sinnverändernden textlichen Abweichungen aufweist, ausreichende Informationen für die Fertigung eines zulässigen Klageerzwingungsantrags (vgl. hierzu BVerfG, NJW 2000, 1027 m.w.N.) erhalten hat. Letzteres stellt auch die Antragsbegründung nicht in Abrede.
Dass der Ast. darüber hinausgehend im Klageerzwingungsverfahren aufgrund der Geheimhaltung nicht umfassend zu der vom GBA vorgenommenen Beweiswürdigung Stellung nehmen kann, ist angesichts des oben erwähnten Gewichts der schutzwürdigen Interessen der Soldaten, Mitarbeiter und Informanten hinnehmbar, zumal das OLG im Rahmen der (möglichen) Prüfung der Begründetheit des Klageerzwingungsantrags eine umfassende eigene Würdigung der Beweismittel von Amts wegen vorzunehmen haben wird.
dd) Ohne Erfolg macht der Ast. geltend, dem RA des Verletzten stehe ebenso wie dem Verteidiger des Besch., soweit nicht § 96 StPO eingreife, ein uneingeschränktes, auch die geheimnisbedürftigen Teile der Akte umfassendes Akteneinsichtsrecht zu. Der Ast. verkennt dabei, dass der Besch. in stärkerem Maße auf die Akteneinsicht angewiesen ist als der Verletzte. In der Gesetzesbegründung zu § 406e Abs. 2 S. 1 StPO wird hierzu ausgeführt, dass namentlich im Interesse der berechtigten Schutzinteressen und Belange des Besch. und Dritter, aber auch im Interesse der Wahrheitsfindung und der Verfahrensökonomie das Akteneinsichtsrecht des Verletzten stärkeren Restriktionen unterliegen müsse als das des Besch. nach § 147 StPO. Das Akteneinsichtsrecht sei für den Verletzten zwar ein wichtiges Informationsmittel, es sei für ihn aber nicht von der gleichen zentralen Bedeutung wie für den Besch., für dessen effektive Verteidigungsmöglichkeit es uneingeschränkt unerlässlich sei. Deshalb knüpfe das Gesetz bei § 406e StPO zwar in der Terminologie an § 147 StPO an, gestalte aber im Übrigen das Akteneinsichtsrecht des Verletzten selbständig aus (BT-Drucks. 10/5305, S. 18; ebenso KK-Engelhardt, a.a.O. Rn. 1; Meyer-Goßner, a.a.O. Rn. 1; LR/Hilger, a.a.O. Rn. 3).
ee) Auch die Ausführungen des Ast. zum Informationsfreiheitsgesetz (IFG) greifen nicht durch. Zwar enthält das IFG - anders als die StPO - u.a. eine spezielle Regelung, wonach der gem. § 1 IFG grundsätzlich bestehende Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen im Interesse des Schutzes besonderer öffentlicher Belange nicht besteht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegt (§ 3 Nr. 4 IFG). Die StPO enthält jedoch in § 406e StPO eine umfassende Regelung des Akteneinsichtsrechts des Verletzten und ermöglicht insbes. durch die im Rahmen der Versagungsgründe anzustellende einzelfallbezogene Abwägung der gegenläufigen Interessen (§ 406e Abs. 2 S. 1 StPO) sowie durch die Beurteilung einer möglichen Gefährdung des Untersuchungszwecks (§ 406e Abs. 2 S. 2 StPO) eine sachgerechte Berücksichtigung auch des Umstands der Geheimhaltungsbedürftigkeit bestimmter Aktenbestandteile.
ff) Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles führt der vom Ast. geltend gemachte Gesichtspunkt der Verschwiegenheitspflicht seines RA ebenfalls nicht zu einer Erstreckung des Akteneinsichtsrechts auf die als ?VS-GEHEIM' eingestuften Teile der Akte. Zwar ist im Rahmen der Abwägung gem. § 406e Abs. 2 S. 1 StPO zu berücksichtigen, dass der vom Ast. beauftragte RA, durch den Akteneinsicht genommen werden soll, als Organ der Rechtspflege in der Pflicht steht, seinem Mandanten nur die Auskünfte zukommen zu lassen, die zur Verfolgung von dessen Ansprüchen - oder hier der Klageerzwingung - dringend erforderlich sind (vgl. BVerfG, ZIP 2009, 1270 Rn. 25). Da der anwaltliche Vertreter des Verletzten jedoch aufgrund seiner verfahrensrechtlichen Funktion grundsätzlich berechtigt ist, die von ihm im Rahmen der Akteneinsicht gewonnenen Erkenntnisse an den Verletzten weiterzugeben und mit diesem zu erörtern (vgl. LR/Hilger, a.a.O. Rn. 4), und sich aus der Antragsbegründung ergibt, dass die Unterlagen, in die keine Akteneinsicht gewährt worden ist, als wesentlich für die Wahrnehmung des Mandats erachtet werden, liegt die Möglichkeit nicht fern, dass eine Erörterung des geheimhaltungsbedürftigen Tatsachenmaterials mit dem Ast. erfolgen wird.
In diesem Zusammenhang ist zudem zu berücksichtigen, dass der Ast. - ungeachtet des Umstands, dass sein Verhältnis zu den T. nicht geklärt werden konnte - in einem Dorf lebt, das von diesen kontrolliert wird. Damit bestünde bei einer uneingeschränkten Akteneinsicht jedenfalls die Gefahr, dass die T., erführen sie hiervon, den Ast. dazu bringen könnten, ihnen die ihm im Wege der Akteneinsicht bekannt gewordenen militärischen Geheimnisse mitzuteilen.
d) Schließlich begegnet die Versagung der Akteneinsicht in die als ?VS-GEHEIM' eingestuften Teile der Akte auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten (vgl. hierzu BVerfG, NJW 2003, 501, 503; BeckOK-StPO/Weiner, a.a.O.; KK-Engelhardt, a.a.O. Rn. 5; LR/Hilger, a.a.O. Rn. 8) keinen Bedenken. Ein milderes Mittel als die vollständige Versagung einer Einsichtnahme - etwa in Gestalt einer teilweisen Schwärzung oder von Auflagen (vgl. LR/Hilger, a.a.O. Rn. 4) - ist angesichts des Inhalts der als ?VS-GEHEIM' eingestuften Aktenbestandteile nicht gegeben. ..." (BGH, Beschluss vom 21.02.2011 - 4 BGs 2/11)
*** (OLG)
Der Umstand, dass ein Zeuge sich zur Auskunftsverweigerung berechtigt wähnt, begründet für den anwaltlichen Zeugenbeistand keinen Anspruch auf Akteneinsicht. Im Hinblick auf die Unbefangenheit bei der bevorstehenden Vernehmung wäre es nicht sachgerecht, dem Zeugen eine Vorbereitung seiner Aussage durch Akteneinsicht zu ermöglichen (KG, Beschluss vom 20.12.2007 - (1) 2 BJs 58/06 - 2 (22/07) zu StPO §§ 475, 477, 55, 147, 406e):
?... Der GBA führt gegen den Besch. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (?militante Gruppe [mg]'). In diesem Verfahren soll Z. als Zeuge vernommen werden. Mit Beschl. v. 22. 10. 2007 hat der Vors. dem Zeugen für die Dauer seiner Vernehmung RA M. gem. § 68b StPO als Zeugenbeistand beigeordnet. Die ebenfalls beantragte Akteneinsicht ist ihm durch den GBA verweigert und lediglich eine Ablichtung des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des BGH gegen B. v. 01. 08. 2007 übersandt worden. Der hiergegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
1. Über den zulässigen Antrag hat gem. §§ 475, 478 Abs. 3 S. 1 i.V.m. §§ 161a Abs. 3 S. 2 bis 4 StPO, 73 Abs. 1, 120 Abs. 3 GVG der Senat zu entscheiden. Soweit § 478 Abs. 3 S. 2 StPO anordnet, daß die Entscheidung ?des Vors.' unanfechtbar ist, wird damit für den Fall, daß die Entscheidung der StA im Ermittlungsverfahren angefochten wird, keine funktionale Zuständigkeit des Vors. begründet oder vorausgesetzt (vgl. KG, Beschl. v. 19. 04. 2001 - 4 VAs 1/01 -; LG Hildesheim, Beschl. v. 26. 03. 2007 - 25 Qs 17/06 - zitiert nach juris). Denn § 478 Abs. 3 StPO entspricht strukturell § 406e Abs. 4 StPO (vgl. BR-Drucks. 65/99, S. 61 ff., 63; Pfeiffer, StPO 5. Aufl., § 478 Rn. 4). Diese Vorschrift weist dem Vors. ?des mit der Sache befaßten Gerichts' die Zuständigkeit allein für den Fall zu, daß die Akteneinsicht während gerichtlicher Anhängigkeit des Verfahrens begehrt wird (vgl. Pfeiffer a.a.O. § 406 Rn. 4 f.). Eine Erweiterung der Zuständigkeit des Vors. zur Entscheidung über Anträge auf gerichtliche Entscheidungen gegen Verfügungen der StA ist mit § 478 Abs. 3 StPO nicht bezweckt.
2. Dem Antrag des RA auf Gewährung von Akteneinsicht kann nicht stattgegeben werden, weil Zwecke des Strafverfahrens entgegenstehen (§ 477 Abs. 2 S. 1 StPO).
a) Dem anwaltlichen Zeugenbeistand steht im Gegensatz zu dem Verteidiger (§ 147 Abs. 1 StPO) ein eigenes Recht auf Akteneinsicht nicht zu. Die Rechtsstellung des anwaltlichen Zeugenbeistands leitet sich aus der des Zeugen ab. Er hat keine eigenen Rechte als Verfahrensbeteiligter und keine weitergehenden Befugnisse als der Zeuge selbst (vgl. BVerfGE 38, 116; LR-Dahs, StPO 25. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 11; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 11, § 68b Rn. 5; KK-Wache, StPO 5. Aufl., § 161a Rn. 3). Einem Zeugen kommt daher, soweit er nicht Verletzter ist, ein Akteneinsichtsrecht lediglich als ?Privatperson' i.S.d. § 475 StPO zu, so daß auch der anwaltliche Zeugenbeistand ein Akteneinsichtsrecht allein nach dieser Vorschrift wahrnehmen kann (vgl. OLG Düsseldorf NJW 2002, 2806; OLG Hamburg, NJW 2002, 1590 [= StV 2002, 297]).
Aufgabe des Zeugenbeistands, ist es, den Zeugen während der Vernehmung bei der sachgerechten Wahrnehmung seiner prozessualen Rechte, insbes. von Auskunftsverweigerungsrechten gem. § 55 StPO oder Zeugnisverweigerungsrechten nach §§ 52 ff. StPO sowie bei der Verteidigung gegen Ordnungsmittel zu unterstützen. Darüber hinaus soll er bei Zeugen, die in ihrer Aussagefähigkeit beschränkt oder in ihrer Aussagebereitschaft gehemmt sind, dazu beitragen, Aussagefehler und Mißverständnisse zu verhindern. Soweit er im vorliegenden Fall dem Zeugen bei der anstehenden Entscheidung behilflich ist, ob er im Hinblick auf § 55 StPO einzelne Fragen nicht beantwortet, muß die Entscheidung jew. für die tatsächlich gestellte Frage getroffen werden und kann sich nicht danach richten, welche Fragen - aufgrund von Akteneinsicht - vorab als möglich angesehen werden. Zu der anstehenden Entscheidung muß der Beistand nicht den Inhalt der Sachakte kennen. Grundlage der Entscheidung ist vielmehr das Wissen oder die Einschätzung des Zeugen selbst, sich bei der wahrheitsgemäßen Beantwortung einer Verfolgung i.S.v. § 55 StPO auszusetzen (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 2002, 2806, 2807).
Die in der Lit. vertretene Ansicht, die ein Akteneinsichtsrecht des Zeugenbeistandes für den Fall fordert, daß anders wirksamer Beistand nicht möglich sei (vgl. KK-Senge, StPO 5. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 18a m.w.N. und § 68b Rn. 9), begegnet Bedenken.
Hiergegen spricht im vorliegenden Fall schon, daß diese Ansicht nicht auf das Verfahrensstadium abhebt, in dem selbst dem Verteidiger gem. § 147 Abs. 2 StPO die Akteneinsicht versagt werden könnte. Sie übersieht, daß der Gesetzgeber im Falle des Akteneinsichtsbegehrens eines Zeugen, der nicht Verletzter ist, den Strafverfolgungszwecken Vorrang eingeräumt hat (§ 477 Abs. 2 S. 1 StPO). Der Beistand darf den Zeugen nicht in der Aussage vertreten oder auf den Inhalt der Aussage Einfluß nehmen. Gerade dies ist aber nicht auszuschließen, wenn der Zeugenbeistand mit dem Zeugen anhand der durch die Akteneinsicht gewonnenen Kenntnisse inhaltliche Fragen erörtert. Erlaubte man dem Zeugen die Akteneinsicht, wäre nicht mehr nachvollziehbar, ob er Sachverhalte unbefangen aus seiner Erinnerung oder auf Grund der - ihm von seinem Beistand vermittelten Aktenlage darstellt. Vorhalte als Gedächtnisstütze würden ihren Sinn verlieren (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.). Die daraus resultierende Gefahr der Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung kann regelmäßig nicht hingenommen werden. Die Regelungen der §§ 58 Abs. 1 S. 1 und 243 Abs. 2 S. 1 StPO, welche die Unbefangenheit des Zeugen bei seiner Aussage sicherstellen sollen, zeigen, daß dem Gesetzgeber bewußt war, daß Qualität und Beweiswert einer Zeugenaussage ganz erheblich herabgesetzt sind, wenn dem Zeugen die Angaben des Angekl. oder der anderen Zeugen bekannt sind (vgl. von Schlieffen in Krekeler/Löffelmann, AnwK-StPO, Vorbemerkung zu § 48 Rn. 8). Folgerichtig hat die Rspr. wiederholt entschieden, daß der Zeuge seine Aussage ohne Kenntnis dessen machen soll, was Angekl. und andere Beweispersonen bekunden. Dadurch soll seine Unbefangenheit und seine Selbständigkeit der Darstellung erhalten bleiben (vgl. BGHSt 3, 386, 388; BGHR StPO § 338 Nr. 6 Zuhörer 6, 7). Eine Einsicht in die vollständigen Akten, insbes. in die Teile, die die Angaben anderer Zeugen und des Angekl. betreffen, verbietet sich daher grundsätzlich. Den Interessen des Zeugen kann regelmäßig durch Mitteilung des Beweisthemas und ggf. - wie vorliegend geschehen - durch Erteilung von Auskünften aus der Akte ausreichend Rechnung getragen werden.
Soweit der Ast. meint, die Beratung des Zeugen Z. über seine Rechte aus § 55 StPO nur in Kenntnis des Akteninhalts wahrnehmen zu können, ist zu bedenken, daß die Entscheidung über die Verfolgungsgefahr eine Rechtsfrage ist, über die das Gericht, nicht aber der Zeuge oder der Angekl. zu entscheiden hat (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 55 Rn. 10). Der Zeuge, der sich zur Auskunftsverweigerung berechtigt wähnt, ist auch im Ermittlungsverfahren ausreichend dadurch geschützt, daß ihm gem. § 161a Abs. 3 StPO der Weg zu einer gerichtlichen Entscheidung freisteht, - falls er mit Zwangsmitteln zu seiner Aussage bewegt werden soll. Im Falle einer unterlassenen Belehrung oder fehlerhaften Anwendung des § 55 StPO ist er zudem durch ein Verwertungsverbot in einem späteren Verfahren gegen sich geschützt (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Einleitung Rn. 55a und § 55 Rn. 17 m.w.N.).
b) Hinzu kommt, daß die Akteneinsicht durch den Zeugenbeistand in das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgende Recht des Besch. auf informationelle Selbstbestimmung eingreift. Die Vorschrift des § 406e StPO zeigt, daß der Gesetzgeber ?im schwierigen Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz, Verteidigungsinteressen, Wahrheitsfindung, Funktionsinteressen der Strafrechtspflege und dem legitimen, verfassungsrechtlich abzuleitenden Informationsanspruch des Verletzten einen vertretbaren Ausgleich' (LR-Hilger, StPO 25. Aufl., § 406e Rn. 3; vgl. auch BGHSt 39, 112, 116) gesucht hat und nur dem verletzten Zeugen regelmäßig ein Akteneinsichtsrecht zubilligen wollte. Selbst diesem insoweit begünstigten Zeugen kann nach § 406e Abs. 2 StPO im Interesse der Wahrheitsfindung und der Verfahrensökonomie die Akteneinsicht versagt werden. Erst recht ist daher dem nicht durch die Straftat verletzten Zeugen und seinem Beistand die Akteneinsicht zu verweigern, wenn dies die Verfahrenszwecke gefährdet.
c) Im Interesse der Wahrheitsfindung und einer unbeeinflußten Zeugenaussage ist die gem. § 475 Abs. 2 StPO grundsätzlich mögliche Akteneinsicht hier zu versagen, weil Zwecke des Strafverfahrens entgegenstehen (§ 477 Abs. 2 StPO). Im Hinblick auf die Unbefangenheit bei der Vernehmung wäre es nicht sachgerecht, dem Zeugen eine Vorbereitung seiner Aussage durch Akteneinsicht zu ermöglichen. Das dem Zeugen durch die Übersendung des Haftbefehls sowie durch das Schreiben des GBA v. 19. 10. 2007 mitgeteilte Beweisthema - sein enger Kontakt zu dem Besch. - bildet den Rahmen der anstehenden Zeugenbefragung. Der Zeuge hat sich aufgrund des Beweisthemas vorzubereiten und nicht aufgrund der Bewertung der verfahrensgegenständlichen Akten. Den schutzwürdigen Interessen des Zeugen ist durch die ihm gegebenen Informationen hinreichend Genüge getan. ..."
*** (LG)
Für die Gewährung von Akteneinsicht in staatsanwaltschaftliche Ermittlungsvorgänge kann es ausreichen, wenn es nach dem Vorbringen des Antragsstellers möglich erscheint, dass er dadurch zivilrechtliche Ansprüche gegen den Beschuldigten oder Dritte verifizieren kann; es ist im Verfahren auf gerichtliche Entscheidung gegen eine entsprechende staatsanwaltschaftliche Verfügung nicht Aufgabe der Strafkammer, zu prognostizieren, wie ein oberlandesgerichtlicher Zivilsenat über diese möglichen zivilrechtlichen Ansprüche entscheiden könnte. Ein Insolvenzverwalter kann Verletzter i.S. des § 406e StPO sein (Fortführung von Kammer, NJW 2008, 531, und NStZ-RR 2008, 43; LG Hildesheim, Beschluss vom 06.02.2009 - 25 Qs 1/09 zu GVG § 74c; NdsZustVO-Justiz § 2; StPO §§ 406e, 475; InsO § 80 I).
***
Die über die Akteneinsicht nach § 406e StPO entscheidende Stelle hat die gegenläufigen Interessen von Verletzten und Beschuldigten gegeneinander abzuwägen, um festzustellen, welchem Interesse im Einzelfall der Vorrang gebührt. Ist mit der Gewährung von Akteneinsicht ein Eingriff in Grundrechtspositionen des Betroffenen verbunden, so ist regelmäßig dessen Anhörung erforderlich (LG Krefeld, Beschluss vom 1. 8. 2008 - 21 AR 2/08, NJW 2009, 537).
*** (AG)
Geschädigte eines Kartells haben zur Geltendmachung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche kein Recht auf Akteneinsicht in Bezug auf Kronzeugenanträge und von Kronzeugen im Zusammenhang mit dem Kronzeugenantrag freiwillig herausgegebene Informationen und Unterlagen, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sowie interne Vorgänge (AG Bonn, Beschluss vom 18.01.2012 - 51 Gs 53/09, NJW 2012, 947 f).
***
Dem Verletzten, der in der Hauptverhandlung als Zeuge gehört werden soll, ist bis zu seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung in der Regel nach § 406 e Abs. 2 S. 2 StPO wegen der Gefährdung des Untersuchungszwecks die Akteneinsicht zu versagen (AG Saalfeld, Beschluss vom 07.03.2005 - 630 Js 23573/04-2 Ds jug. - StV 2005, 261 f).
Siehe auch unter ?Auskünfte und Akteneinsicht".
Akteneinsicht des Verteidigers § 147 StPO
(1) Der Verteidiger ist befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen.
(2) Ist der Abschluß der Ermittlungen noch nicht in den Akten vermerkt, so kann dem Verteidiger die Einsicht in die Akten oder einzelne Aktenstücke sowie die Besichtigung der amtlich verwahrten Beweisstücke versagt werden, wenn sie den Untersuchungszweck gefährden kann.
(3) Die Einsicht in die Niederschriften über die Vernehmung des Beschuldigten und über solche richterlichen Untersuchungshandlungen, bei denen dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet worden ist oder hätte gestattet werden müssen, sowie in die Gutachten von Sachverständigen darf dem Verteidiger in keiner Lage des Verfahrens versagt werden.
(4) Auf Antrag sollen dem Verteidiger, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen, die Akten mit Ausnahme der Beweisstücke zur Einsichtnahme in seine Geschäftsräume oder in seine Wohnung mitgegeben werden. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
(5) Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im Übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts. Versagt die Staatsanwaltschaft die Akteneinsicht, nachdem sie den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt hat, versagt sie die Einsicht nach Absatz 3 oder befindet sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß, so kann gerichtliche Entscheidung nach Maßgabe des § 161 a Abs. 3 Satz 2 bis 4 beantragt werden. Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.
(6) Ist der Grund für die Versagung der Akteneinsicht nicht vorher entfallen, so hebt die Staatsanwaltschaft die Anordnung spätestens mit dem Abschluß der Ermittlungen auf. Dem Verteidiger ist Mitteilung zu machen, sobald das Recht zur Akteneinsicht wieder uneingeschränkt besteht.
(7) Dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger hat, können Auskünfte und Abschriften aus den Akten erteilt werden, soweit nicht der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte und nicht überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter entgegenstehen. Absatz 5 und § 477 Abs. 5 gelten entsprechend.
Hinweise:
Das Akteneinsichtrecht wird in der Strafprozessordnung garantiert (§ 147 StPO). Das Akteneinsichtrecht hat Verfassungsrang. Es ist ein Gebot des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG). Das Akteneinsichtrecht gewährleistet eine gewisse Waffengleichheit und dient damit der Durchsetzung des Gebots eines fairen Verfahrens.
Das Akteneinsichtrecht steht dem Beschuldigten nicht zu. Dieses Recht hat nur der Verteidiger. Es erstreckt sich auf die Verfahrensakten, sämtliche Beiakten, Beweismittelordner und sonstigen Beweisstücken.
Solange der Verteidiger keine Akteneinsicht hat, darf er den Beschuldigten nicht raten, sich zur Sache einzulassen oder eine Stellungnahme abzugeben. Ausnahmen kommen in besonders gelagerten Fälle in Betracht.
In Haftsachten muss gegen jede Versagung der Akteneinsicht ein Rechtsmittel eingelegt werden. Es ist gerichtliche Entscheidung zu beantragen (§ 147 V 2 StPO).
Siehe auch unter ?Akteneinsichtsrecht für Beschuldigte ohne Rechtsanwalt".
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Waffengleichheit zwischen den Verfahrensbeteiligten ist nicht gewährleistet, wenn dem Verteidiger der Zugang zu den Schriftstücken in der Ermittlungsakte versagt wird, die für die wirksame Anfechtung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung seines Mandanten wesentlich sind (EGMR, Urteil vom 09.07.2009 - Individualbeschwerde Nr. 11364/03 - M ./. Deutschland zu MRK Art. 5, 6; StPO § 147):
?... III. Gerügte Versagung der Akteneinsicht
108. Der Bf. rügte weiterhin, daß seinem Anwalt im Haftprüfungsverfahren die Akteneinsicht versagt worden sei, weshalb er sich nicht wirksam habe verteidigen können. Er berief sich auf die Art. 5 und 6 der Konvention.
109. Der Gerichtshof ist der Auffassung, daß diese Rüge allein nach Art. 5 der Konvention zu prüfen ist, ...
1. Das Urteil der Kammer
114. Mit Urt. v. 13. 12. 2007 wies die Kammer die Einrede der Regierung zurück. Sie war der Auffassung, daß die Rüge des Bf. in bezug auf die Tatsache, daß seinem Anwalt Akteneinsicht verwehrt wurde, nur einen Aspekt seiner umfassenderen Rüge im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit seines Haftbefehls dargestellt habe. Ein zusätzliches Verfahren nach § 147 Abs. 5 StPO zur gerichtlichen Überprüfung der Entscheidung, dem Anwalt des Bf. keine Akteneinsicht zu gewähren, sei daher nicht geeignet gewesen, in bezug auf die angebliche Unrechtmäßigkeit des Haftbefehls Abhilfe zu schaffen, sondern nur hinsichtlich eines Aspekts der von dem Bf. gerügten Rechtsverletzung. Darüber hinaus habe das LG, das über einen Antrag nach § 147 Abs. 5 StPO hätte entscheiden müssen, sich mit der Rüge des Bf. hinsichtlich der Weigerung, Akteneinsicht zu gewähren, tatsächlich befaßt, und der Bf. habe diese Frage in dem Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung des gegen ihn bestehenden Haftbefehls, das er zum Abschluß führte, auch vor dem BVerfG gerügt. Die Kammer kam zu dem Schluß, daß ein zusätzlicher Antrag auf gerichtliche Überprüfung nach § 147 Abs. 5 StPO unter diesen Umständen kein wirksames Rechtsmittel mit angemessenen Erfolgsaussichten gewesen wäre, das von dem Bf. hätte erschöpft werden müssen (s. Rn. 83-84 des Urteils der Kammer) ...
3. Würdigung durch den Gerichtshof
117. Der Gerichtshof stellt fest, daß die Regierung ihre Einrede, der Bf. habe den Rechtsweg wegen Nichtstellens eines Antrags auf gerichtliche Überprüfung nach § 147 Abs. 5 StPO nicht erschöpft, in ihrer Stellungnahme zur Zulässigkeit der Beschwerde in dem Verfahren vor der Kammer nach Art. 55 und 54 der Verfahrensordnung vorgebracht hat (s. Rn. 78 des Urteils der Kammer). In Anbetracht der Rspr. des Gerichtshofs (a.a.O., Rn. 57) sollte die Gr. Kammer ihre Einrede deshalb prüfen.
118. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, daß die Regel der Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs nach Art. 35 Abs. 1 der Konvention die Bf. verpflichtet, zunächst von den ihnen nach ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln Gebrauch zu machen, die hinreichend geeignet sind, der behaupteten Verletzung abzuhelfen (vgl. Rechtssachen Airey ./. Irland, 09. 10. 1979, Rn. 19, Serie A Band 32; Iatridis ./. Griechenland (GK), Individualbeschwerde Nr. 31107/96, Rn. 47, EGMR 1999-II; und Ilhan ./. Türkei (GK), Individualbeschwerde Nr. 22277/93, Rn. 58, EGMR 2000-VII). Es obliegt der Regierung, die eine Nichterschöpfung geltend macht, den Gerichtshof davon zu überzeugen, daß der Rechtsbehelf wirksam war und zur maßgeblichen Zeit in der Theorie und in der Praxis zur Verfügung stand, er also zugänglich und geeignet war, den Rügen des Bf. unmittelbar abzuhelfen, und angemessene Aussicht auf Erfolg bot. Sobald diese Beweispflicht erfüllt worden ist, obliegt es jedoch dem Bf. nachzuweisen, daß der von der Regierung dargelegte Rechtsbehelf tatsächlich erschöpft worden ist oder aus irgendeinem Grund unter den besonderen Umständen des Falls unzureichend und unwirksam war oder der Bf. aufgrund vorliegender besonderer Umstände von diesem Erforderns befreit war (s. Rechtssachen Akdivar u.a. ./. Türkei, 16. 09. 1996, Rn. 68, Sammlung 1996-IV; und Kleyn u.a. ./. Niederlande (GK), Individualbeschwerden Nr. 39343/98, 39651/98, 43147/98 und 46664/99, Rn. 156, EGMR 2003-VI). Daher kann ein Bf. nicht dafür kritisiert werden, daß er von einem Rechtsmittel keinen Gebrauch gemacht hat, mit dem im wesentlichen dasselbe Ziel verfolgt worden wäre wie mit dem Verfahren, das der Bf. zum Abschluß geführt hat, und das darüber hinaus auch keine größeren Erfolgsaussichten gehabt hätte (vgl. Rechtssachen Iatridis, a.a.O., Rn. 47; und Miailhe ./. Frankreich (Nr. 1), 25. 02. 1993, Rn. 27, Serie A Band 256-C).
119. Der Gerichtshof stellt fest, daß der Bf. eine gerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit seines Haftbefehls beantragt hatte, weil seinem Anwalt u.a. Akteneinsicht versagt worden war. In dem Haftprüfungsverfahren ist das LG Mönchengladbach, das nach § 161a Abs. 3 StPO allein zuständig gewesen wäre, über jeden gesonderten Antrag nach § 147 Abs. 5 StPO zu entscheiden, ausdrücklich auf den Antrag des Anwalts auf Akteneinsicht eingegangen. Das LG führte in seinem Beschl. v. 09. 09. 2002 aus, daß der Anwalt des Bf. zunächst mündlich über den Akteninhalt zu informieren sei und eine unbeschränkte Einsicht im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens nicht verlangen könne .... Das BVerfG, das auch zuständig gewesen wäre, die Abweisung eines von dem Bf. ausdrücklich nach § 147 Abs. 5 gestellten gesonderten Antrags durch das LG zu überprüfen, nahm dessen Verfassungsbeschwerde gegen den Haftbefehl, in der er die Frage der Akteneinsichtsversagung vorgebracht hatte, nicht zur Entscheidung an. Vor diesem Hintergrund ist der Gerichtshof der Auffassung, daß die Frage, ob ein gesonderter Antrag nach § 147 Abs. 5 generell als wirksamer Rechtsbehelf angesehen werden könnte, der geeignet ist, in Fällen Abhilfe zu schaffen, in denen eine inhaftierte Person in erster Linie die Rechtmäßigkeit ihrer Freiheitsentziehung bestreitet, offen gelassen werden kann. Er stellt fest, daß unter den besonderen Umständen des Falls, unter denen das LG sich ausdrücklich mit dem Antrag auf Akteneinsicht befasst und ihn mit einem von dem BVerfG bestätigten Beschl. abgewiesen hat, jeder an dieselben Gerichte gerichtete weitere gesonderte Antrag nach § 147 Abs. 5 jedenfalls keinerlei Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.
120. Daraus folgt, daß die Einrede der Regierung zurückzuweisen ist.
C) Einhaltung von Art. 5 Abs. 4 der Konvention
1. Das Urteil der Kammer
121. Die Kammer hat festgestellt, daß der Bf. keine Gelegenheit hatte, die Feststellungen der nationalen Gerichte in ihren Haftentscheidungen wirksam anzufechten, wie der Grundsatz der ?Waffengleichheit' dies erfordert. Seinem Anwalt sei keine Einsicht in die von der StA vorgelegten und den Gerichten herangezogenen Teile der Akte gewährt worden, auf die sich der Verdacht gegen den Bf. im wesentlichen gestützt habe. Es habe nicht genügt, dem Anwalt des Bf. Ablichtungen von vier Seiten der umfangreichen Ermittlungsakten, die eine von der Steuerfahndung erstellte Aufstellung der Steuerhinterziehungen enthielten, deren der Bf. verdächtig war, auszuhändigen. Ebenso habe der Vorschlag der Behörden, den Anwalt des Bf. lediglich mündlich über die in der Akte enthaltenen Tatsachen und Beweismittel zu informieren, dem Erfordernis der ?Waffengleichheit' nicht entsprochen. Die Tatsache, daß das OLG zu einem späteren Zeitpunkt anerkannt habe, daß die Verfahrensrechte des Bf. dadurch, daß seinem Verteidiger Akteneinsicht versagt wurde, beschnitten worden seien, und daß die nationalen Behörden seinem Anwalt nach der bedingten Entlassung des Bf. Akteneinsicht gewährten, habe die Verfahrensmängel in den früheren Phasen des Verfahrens nicht mehr wirksam beheben können. Daher habe das Verfahren zur Prüfung der gegen den Bf. verhängten Haft gegen Art. 5 Abs. 4 verstoßen (s. Rn. 93-99 des Urteils der Kammer). ...
3. Würdigung durch den Gerichtshof
124. Das Verfahren, das nach Art. 5 Abs. 4 der Konvention vor dem Gericht geführt wird, das die Haftbeschwerde prüft, muß kontradiktorisch sein und stets ?Waffengleichheit' zwischen den Prozeßparteien - dem StA und der Person, der die Freiheit entzogen ist - gewährleisten (vgl. insbes. Rechtssachen S. ./. Deutschland Individualbeschwerde Nr. 25116/94, Rn. 44, EGMR 2001-I; L. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 24479/94, Rn. 44, EGMR 2001-I; G. A. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 23541/94, Rn. 39, 13. 02. 2001; und Svipsta ./. Lettland, Individualbeschwerde Nr. 66820/01, Rn. 129, EGMR 2006 - ...). Die Waffengleichheit ist nicht gewährleistet, wenn dem Verteidiger der Zugang zu denjenigen Schriftstücken in der Ermittlungsakte versagt wird, die für die wirksame Anfechtung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung seines Mandanten wesentlich sind (s.u.v.a. Rechtssachen Lamy ./. Belgien, 30. 03. 1989, Rn. 29, Serie A Band 151; Nikolova ./. Bulgarien (GK), Individualbeschwerde Nr. 31195/96, Rn. 58, EGMR 1999-II; Schöps, a.a.O., Rn. 44; Shishkov ./. Bulgarien, Individualbeschwerde Nr. 38822/97, Rn. 77, EGMR 2003-I; und Svipsta, a.a.O., Rn. 129).
125. Mit Blick auf die Rspr. des Gerichtshofs schließt die Gr. Kammer sich der Begründung der Kammer voll und ganz an und stellt fest, daß das Verfahren, mit dem der Bf. die Rechtmäßigkeit der gegen ihn angeordneten U-Haft anfocht, das Gebot der Fairness aus Art. 5 Abs. 4 der Konvention verletzt hat. ..."
***
?... Am 30. 1. 1992 erließ das AG Frankfurt/M. einen Haftbefehl gegen den Bf. wegen des Verdachts des Betruges und der Bestechlichkeit.
Das AG hielt dringenden Tatverdacht für gegeben, daß der Bf. in den Jahren 1981 bis 1989 als Direktor des Abwasserverbands V. regelmäßige Zahlungen des Inhabers eines Ingenieurbüros, Herrn N., und dessen Stellvertreters Herrn W. akzeptiert hatte und diese Zahlungen mit mindestens 100 ? in die Rechnungen für öffentliche Aufträge einflossen, die der AWV V. ausglich. Überdies habe der Bf. einen Whirlpool erhalten. Herr N. und Herr W. wurden anderweitig verfolgt. Zwischen diesen beiden und dem Bf. gab es eine Vereinbarung, die sich darauf bezog, daß der Bf. die regelmäßige Auftragsvergabe an das Ingenieurbüro sicherstellte. Das AG fügte hinzu, daß sich die Darstellung der Fakten des Haftbefehls aus den Aussagen von N. und W. sowie aus den polizeilichen Ermittlungen ergebe, über deren konkreten Inhalt keine weiteren Details mitgeteilt wurden.
Das AG betrachtete ferner Verdunklungsgefahr i. S. d. § 112 StPO als gegeben an mit der Begründung, daß im Falle der Nichtverhaftung des Bf. eine Kontaktaufnahme mit anderen Mittätern oder Zeugen stattfinden könne, insbes. mit Bevollmächtigten des Abwasserverbandes oder Angestellten des Ingenieurbüros, die die Abstimmung der Aussagen oder das Austauschen und Vernichten von Beweismitteln zum Ziel haben könne, so daß die Feststellung des Sachverhaltes verhindert werde.
9. Der Bf. wurde am 6. 2. 1992 verhaftet.
10. Am 7. 2. 1992 beantragte der Verteidiger des Bf. - RA K. - die Durchführung einer mündlichen Haftprüfung. Unter Bezugnahme auf diesen Antrag beantragte er bei der StA Akteneinsicht in die Ermittlungsakten, mindestens jedoch in die Aussagen von W. und N., weil sich der Haftbefehl auf diese bezog.
11. Am selben Tag verweigerte die StA unter Bezugnahme auf § 147 Abs. 2 StPO den Antrag des Verteidigers und verweigerte auch die Einsicht in die Aussagen von N. und W. und begründete dies mit der Gefährdung der weiteren Ermittlungen, die Teil eines komplexen Wirtschaftsstrafverfahrens seien, u. a. wegen Bestechung geführt würden und gegen eine große Anzahl von Amtsträgern und Angestellten ermittelt werde.
Die Ermittlungsakten gegen den Bf. könnten darüber hinaus nicht von anderen Teilen der Akten getrennt werden.
12. Im Hinblick auf die mündliche Haftprüfung vor dem AG leitete die StA am 10. 2. 1992 dem AG sechs Sonderbände Ermittlungsakten den Bf. betreffend zu, die sich aus Kopien der Ermittlungsakte gegen alle Besch. zusammensetzten.
13. Mit Schriftsatz v. 12. 2. 1992 nahm der Bf., vertreten durch seinen Verteidiger, zu den Vorwürfen Stellung.
14. Mit Datum v. 17. 2. 1992 stellte der Bf. beim OLG Frankfurt/M. Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Entscheidung der StA v. 7. 2. 1992. ...
16. Am 24. 2. 1992 fand die mündliche Haftprüfung vor dem AG statt. Auf Befragen erläuterte der Bf. einige Aussagen aus dem Schriftsatz v. 12. 2. 1992 über die Orte seiner Treffen mit W. Er erläuterte ebenfalls seine Position im Abwasserverband und die Umstände, unter denen er W. kurz vor seiner Verhaftung kontaktiert hatte.
Zum Schluß der Haftprüfung ordnete das AG die Aufrechterhaltung der U-Haft an. Zum dringenden Tatverdacht beschränkte sich das AG darauf, mit einem Satz festzustellen, daß er wie im Haftbefehl fortbestehe. Außerdem befand das AG, daß mit Blick auf die Aussage des Bf. zu seiner Kontaktaufnahme zu W. kurz vor seiner Verhaftung weiterhin Verdunklungsgefahr bestehe. Das AG berücksichtigte, daß der Bf. bereits in diesem Stadium versucht hatte, einen anderen Besch. zu beeinflussen und ihn zu veranlassen, in seiner staatsanwaltlichen Vernehmung eine dem Bf. günstige Aussage zu machen. In diesem Zusammenhang wurde besonderes Gewicht auf die Tatsache gelegt, daß all dies geschehen war, bevor der Bf. von den konkret gegen ihn erhobenen Vorwürfen, den betreffenden Beweismitteln oder den Aussagen von Zeugen oder anderen Besch. erfahren hatte. Das AG stellt auch fest, daß die StA mit den Ermittlungen weiter fortgeschritten sei und sie bald zum Abschluß gebracht werden könnten. ...
18. Am 27. 3. 1992 legte der Bf. Beschwerde gegen die Entscheidung v. 24. 2. 1992 ein. Daraufhin entschied das AG am 3. 4. 1992, den Haftbefehl unter der Bedingung, daß der Bf. den Wohnort nicht wechsle, jeder Ladung in dieser Sache Folge leiste und daß er jede Unterredung mit Bediensteten des Abwasserverbands V. sowie des Ingenieurbüros unterlasse, außer Vollzug zu setzen, und setzte eine Kaution in Höhe von 200 000 DM fest. Der Bf. wurde am gleichen Tag aus der Haft entlassen.
19. Am 27. 4. 1992 verwarf das OLG Frankfurt den Antrag des Bf. auf gerichtliche Entscheidung v. 7. 2. 1992 als unzulässig [vgl. OLG Frankfurt StV 1993, 292 ff.]. ...
20. Der Bf. beantragte am 13. 5. 1992 erneut bei der StA die Einsicht in die Aussagen von W., der zwischenzeitlich verstorben war.
21. Am 19. 5. 1992 wies die StA auch diesen Antrag unter Hinweis auf § 147 Abs. 2 StPO mit der Begründung zurück, daß der Zugang zu diesen Aussagen weiterhin den Ermittlungszweck gefährde.
22. Am 3. 6. 1992 erhob der Bf. Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidungen v. 7. 2. und 24. 4. 1992.
23. Der Verteidiger des Bf. erneuerte seinen Antrag auf Akteneinsicht am 27. 4. 1993. Die StA wies den Antrag unter Bezugnahme auf die vorherige Entscheidung am 3. 5. 1993 zurück.
24. Am 29. 10. 1993 entschied das BVerfG, die Verfassungsbeschwerde des Bf. nicht zur Entscheidung anzunehmen. Diese Entscheidung wurde am 5. 11. 1993 zugestellt.
25. Am 8. 7. 1994 hob das AG den gegen den Bf. bestehenden Haftbefehl auf.
26. Am 31. 8. 1994 erhielt der Verteidiger des Bf. Akteneinsicht. ...
29. Am 8. 7. 1996 verurteilte das Frankfurter AG den Bf. wegen Bestechlichkeit in zwei Fällen und verhängte eine Geldstrafe in Höhe von 40 000 DM. Der Bf. legte Berufung ein, die er später aus persönlichen Gründen zurückzog.
Aus den Gründen: 44. Der Gerichtshof betont, daß in Haft oder in Gewahrsam befindlichen Personen das Recht einer Überprüfung der verfahrens- und materiellrechtlichen Bedingungen zusteht, die für die Gesetzmäßigkeit des Freiheitsentzugs im Sinne der Konvention wesentlich sind. Das bedeutet, daß das zuständige Gericht nicht allein ?die Übereinstimmung mit den prozessualen Anforderungen des nationalen Rechts, sondern ebenfalls überprüfen muß, ob der Verdacht, der der Verhaftung zugrundeliegt, nachvollziehbar ist und ob die Haftgründe und der Vollzug der Haft rechtmäßig sind'.
Das Gericht muß bei der Überprüfung eines gegen die U-Haft gerichteten Rechtsmittels die Garantien eines justizförmigen Verfahrens gewährleisten. Das Verfahren muß kontradiktorisch geführt und der Grundsatz der Waffengleichheit zwischen den Parteien, dem Staatsanwalt und der in Haft befindlichen Person, gesichert sein. Die Waffengleichheit ist aber dann nicht gewährleistet, wenn dem Verteidiger der Zugang zu denjenigen Dokumenten in der Ermittlungsakte verweigert wird, die wesentlich sind, um die Rechtmäßigkeit der Haft seines Mandanten angreifen zu können. Für den Fall, daß die Haft einer Person unter Art. 5 Abs. 1 (c) fällt, ist eine Anhörung erforderlich (s., u. a., Lamy gegen Belgien, 30. 3. 1989, Serie A Nr. 151, pp. 16 - 17, § 29 und Nikolova gegen Bulgarien (GC), Nr. 31195/96, § 58, CEDH 1999-II).
Diese Anforderungen sind von dem Recht auf ein kontradiktorisches Verfahren abgeleitet, wie es sich aus Art. 6 der EMRK ergibt. Das bedeutet, daß in einem strafrechtlichen Verfahren beide, die StA sowie die Verteidigung, die Gelegenheit haben müssen, die Ermittlungen zur Kenntnis zu nehmen, und dazu sowie zu den von der Gegenseite beigeschafften Beweismitteln Stellung zu nehmen. Nach der Rspr. des Gerichtshofes folgt aus dem Wortlaut von Art. 6 - insbes. aus der Auslegung des Begriffes ?strafrechtliche Anklage' -, daß dieses Recht auch auf das Vorverfahren anwendbar ist (s. Imbrioscia gegen Schweiz, 24. 11. 1993, Serie A No. 275, p. 13, § 36). Folglich müssen im Hinblick auf die tiefgreifende Auswirkung des Freiheitsentzugs und damit des Eingriffs in fundamentale Rechte des Betroffenen Verfahren i. S. v. Art. 5 Abs. 4 der Konvention - auch unter den Bedingungen gerade erst eingeleiteter Ermittlungen - die Grundsätze eines fairen und kontradiktorischen Verfahrens so weit wie möglich beachten. Während das nationale Recht diesen Anforderungen in verschiedener Weise Rechnung tragen kann - welche Methode es auch immer verfolgt -, muß sichergestellt sein, daß die andere Partei in Kenntnis gesetzt wird, daß eine Stellungnahme zu den Akten gelangt ist, und wirkliche Gelegenheit hat, hierauf zu erwidern (s., mutatis mutandis, Brandstetter gegen Österreich, Urt. v. 28. 8. 1991, Serie A No. 211, p. 27, § 67).
45. Im vorliegenden Fall enthielt der dem Bf. am 6. 2. 1992 verkündete Haftbefehl eine Zusammenfassung der Tatsachen, denen die Vorwürfe zugrundelagen, die Gründe, die nach Auffassung des AG die U-Haft des Bf. rechtfertigten, und einen kurzen Hinweis auf die Beweismittel, auf die sich das Gericht stützte, d.h. die Aussagen von zwei weiteren Besch., Herrn W. und Herrn N., und auf das Ergebnis der bisherigen polizeilichen Ermittlungen. Es wurden keine weiteren Einzelheiten über den konkreten Inhalt der in Bezug genommenen Beweise mitgeteilt.
Am 7. 2. 1992 beantragte der Verteidiger des Bf. beim AG die Durchführung einer mündlichen Haftprüfung. Er beantragte außerdem bei der StA Akteneinsicht oder, ihm mindestens Kopien der Aussagen der Herren N. und W. zu überlassen, weil diese von dem AG als entscheidend für die Anordnung der U-Haft des Bf. angesehen wurden. Unter Bezugnahme auf § 147 Abs. 2 StPO wies die StA diesen Antrag zurück, weil die Einsicht in diese Unterlagen den Ermittlungszweck gefährden würde. Am 10. 2. 1992 leitete die StA dem AG sechs Bände Ermittlungsakten zu, die die Ermittlungen gegen den Bf. und weitere Besch. beinhalteteten.
Am 24. 2. 1992 ordnete das AG die Haftfortdauer des Bf. an. Es ging weiterhin vom Vorliegen dringenden Tatverdachts gegen ihn aus, teilte keine weiteren Einzelheiten über die zugrundeliegenden Tatsachen mit und beschränkte sich auf die Bezugnahme auf den Haftbefehl. Das AG sah wegen der Versuche des Bf., vor seiner Verhaftung andere Besch. in diesem Verfahren zu beeinflussen, weiterhin Verdunklungsgefahr als gegeben an.
46. Die Aussagen der Herren W. und N. spielten danach eine Schlüsselrolle in der amtsgerichtlichen Entscheidung über die Aufrechterhaltung der U-Haft gegen den Bf. Während sowohl die StA als auch das AG diese beiden Aussagen kannten, wurde ihr konkreter Inhalt zu diesem Zeitpunkt weder dem Bf. noch seinem Verteidiger zur Kenntnis gegeben. Folglich hatten weder der Verteidiger noch der Bf. die Möglichkeit, die Ergebnisse der StA und des AG in angemessener Weise anzugreifen, vor allem nicht die Verläßlichkeit und Schlüssigkeit der Aussagen der Herren N. und W. zu hinterfragen, die beide selbst Gegenstand von Ermittlungen in dem gegen den Bf. gerichteten Verfahren waren.
Es ist richtig, wie die Bundesregierung ausgeführt hat, daß der Haftbefehl einige Tatsachen aufführt, auf die sich der Tatverdacht stützte. Jedoch war die auf diesem Wege mitgeteilte Information nur eine Schlußfolgerung des AG aus der Gesamtheit der Tatsachen, die ihm durch die StA zugänglich gemacht worden waren. Nach Ansicht des Gerichtshofes ist es für einen Besch. schwerlich möglich, die Verläßlichkeit einer solchen Sachverhaltsdarstellung anzugreifen, ohne Kenntnis von den ihr zugrundeliegenden Beweismitteln zu haben. Dies setzt daher voraus, daß dem Besch. die Aussagen und anderen Beweismittel sowie das Ergebnis der polizeilichen und anderen Ermittlungen ungeachtet davon in ausreichender Weise zur Kenntnis gebracht werden, ob er in der Lage ist, einen Hinweis auf die Bedeutung der Beweismittel, zu denen er Zugang begehrt, für seine Verteidigung zu geben.
47. Dem Gerichtshof ist bewußt, daß der StA die beantragte Akteneinsicht auf der Grundlage von § 147 Abs. 2 StPO mit der Begründung abgelehnt hat, daß sonst eine Beeinträchtigung des Erfolgs der andauernden Ermittlungen riskiert würde, von denen vorgetragen wurde, daß sie einerseits sehr komplex und andererseits gegen eine große Anzahl weiterer Besch. geführt werden. Dieser Sicht trat das OLG in seiner Entscheidung v. 24. 4. 1992 bei (s. Anm. 19).
Der Gerichtshof erkennt auch die Notwendigkeit an, daß polizeiliche Ermittlungen effektiv geführt werden müssen. Das schließt ein, daß Teile der gesammelten Informationen während andauernder Ermittlungen geheim gehalten werden, um zu verhindern, daß Verdächtige Beweismittel beeinflussen und den Gang der Ermittlungen gefährden. Dieser legitime Zweck kann jedoch nicht dazu führen, daß Rechte der Verteidigung substantiell beschnitten werden. Aus diesem Grund soll Information, die für die Frage der Rechtmäßigkeit der Inhaftierung einer Person wesentlich ist, dem RA des Besch. in geeigneter Weise zugänglich gemacht werden.
48. Unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung der Bedeutung, die das AG den Aussagen der Herren N. und W. beigemessen hat, denen durch den Bf., weil sie ihm nicht bekannt gemacht worden sind, nicht in adäquater Weise begegnet werden konnte, ist das Verfahren der mündlichen Haftprüfung vor dem AG nicht in Übereinstimmung mit den Garantien des Art. 5 Abs. 4 EMRK geführt worden. Dieses Recht ist daher verletzt. ..." (EGMR, Urteil vom 13.2.2001 - 24479/94 - Lietzow gegen Bundesrepublik Deutschland).
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Die Möglichkeit, in Aktenstücke Einsicht zu nehmen, ist für die Verteidigung im Stadium der Haftprüfung von wesentlicher Bedeutung. Genaue Aktenkenntnis auf der Seite der Anklage und die mangelnde Möglichkeit der Verteidigung, die für die Aufrechterhaltung der U-Haft vorgebrachten Gründe in geeigneter Weise zu bekämpfen, bedeuten, daß die Waffengleichheit nicht gewährleistet wurde. Das Verfahren war in diesem Fall nicht wirklich kontradiktorisch (EGMR, Urteil vom 30.3.1989 - Nr. 16/1987/139/193 - Lamy gegen Belgien).
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Ein Beschwerdeführer, der Verweigerung der Akteneinsicht rügt, muss grundsätzlich gemäß innerstaatlichem Recht Akteneinsicht beantragt haben. Wenn sich das aus den Akten nicht ergibt, ist dies nicht notwendig ein hinreichender Beweis für das Unterlassen einer solchen Antragstellung. Einem Verteidiger, der zu einem früheren Zeitpunkt Akteneinsicht beantragt hatte, muss ohne erneuten Antrag Einsicht in die insgesamt erheblich angewachsenen Ermittlungsakten gewährt werden, wenn inzwischen ein weiterer Antrag auf Anordnung der Haftfortdauer gestellt worden ist. Auf die Einhaltung des Rechts auf Akteneinsicht kann verzichtet werden. Ein solcher Verzicht muss eindeutig festgestellt werden können; außerdem müssen Mindestgarantien eingehalten werden, die der Bedeutung des Verfahrensrechts entsprechen. Als Nachweis für einen Verzicht genügt ein Aktenvermerk des Berichterstatters, man habe sich mit dem Verteidiger auf eine gerichtliche Entscheidung ohne vorherige Akteneinsicht geeinigt, möglicherweise nicht. Wenn dem Verteidiger zwei Wochen Zeit vor dem Haftprüfungstermin gegeben wird, die Akten einzusehen, genügt das auch dann, wenn es sich um umfangreiche Akten (hier 132 Bände mit 2 Beiakten) handelt (EGMR NJW 2002, 2015).
Die Weigerung der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten bei seiner Verteidigung in eigener Person Akteneinsicht zu gewähren und Kopien aus der Akte zu erhalten, verletzt Art. 6 III und I EMRK. Die Verweigerung der Akteneinsicht des Beschuldigten macht den Staat schadensersatzpflichtig (EGMR NStZ 1998,429). Das BVerfG hat demgegenüber entschieden, dass der Ausschluss eines persönlichen Akteneinsichtsrechts in §§ 406e, 475 StPO verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein soll.
Die Möglichkeit, in Aktenstücke Einsicht zu nehmen, ist für die Verteidigung im Stadium der Haftprüfung von wesentlicher Bedeutung. Genaue Aktenkenntnis auf der Seite der Anklage und die mangelnde Möglichkeit der Verteidigung, die für die Aufrechterhaltung der U-Haft vorgebrachten Gründ in geeigneter Weise zu bekämpgen, bedeuten, daß die Waffengleichheit nicht gewährleistet wurde. Das Verfahren war in diesem Fall nicht wirklich kontradiktorisch (EGMR StV 1993, 283).
*** (BVerfG)
Sachgrundlose Verweigerung der Aktenübersendung an Verteidiger (BVerfG, Beschluss vom 14.09.2011 - 2 BvR 449/11 zu Art 3 Abs 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 37 Abs 2 S 2 RVG, § 147 Abs 1 StPO, § 147 Abs 4 StPO):
?... 2. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten hat besonderes Gewicht, da sie auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet. Es ist zu erwarten, dass das Amtsgericht Gladbeck ohne eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in vergleichbaren Fällen an seiner Rechtsauffassung festhalten würde (vgl. BVerfGE 90, 22 (25); 96, 245 (248); BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 9. Dezember 1999 - 1 BvR 1287/99 -, NJW 2000, S. 944 (945); BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. September 2000 - 1 BvR 1059/00 -, NJW 2001, S. 744 (745)).
3. Die angegriffenen Verfügungen des Amtsgerichts Gladbeck vom 25. Januar 2011 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die Gewährung von Akteneinsicht nur auf der Geschäftsstelle des Gerichts ist objektiv willkürlich (a). Es bedarf keiner Entscheidung, ob auch ein Verstoß gegen Art. 12 GG vorliegt (b).
a) Die Gewährung von Akteneinsicht nur auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Gladbeck verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot.
aa) Die Auslegung des Gesetzes und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind Sache der dafür zuständigen Fachgerichte und daher der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen gegenüber Entscheidungen der Fachgerichte unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) in seiner Bedeutung als Willkürverbot kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Willkürlich ist ein Richterspruch nur dann, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Schuldhaftes Handeln des Richters ist nicht erforderlich. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missgedeutet wird (vgl. BVerfGE 74, 102 (127); 87, 273 (278 f.); 96, 189 (203); 112, 185 (215 f.); speziell zur teilweisen Verweigerung von Akteneinsicht BVerfGE 62, 338 (342 ff.)).
bb) Die angegriffenen Verfügungen des Amtsgericht Gladbeck vom 25. Januar 2011, durch die Akteneinsicht nur auf der Geschäftstelle gewährt wurde, sind unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar.
(a) Gemäß § 147 Abs. 4 Satz 1 StPO sollen dem Verteidiger auf Antrag, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen, die Akten mit Ausnahme der Beweisstücke zur Einsichtnahme in seine Geschäftsräume oder in seine Wohnung mitgegeben werden. Es wird unterschiedlich beurteilt, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Verteidiger Anspruch auf Überlassung der Akten hat und ob das Gericht in diesem Fall verpflichtet ist, sie ihm zu übersenden oder über ein Gerichtsfach zuzuleiten. Die Fachgerichte gehen davon aus, dass kein Anspruch auf Akteneinsicht in der Kanzlei und kein Anspruch auf Überlassung oder Übersendung der Akten besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1999 - 1 StR 672/98 -, NStZ 2000, S. 46; BGH, Beschluss vom 12. September 2007 - 1 StR 337/07 -, juris; KG, Beschluss vom 19. Dezember 2001 - 1 AR 1546/01 u.a. -, VRS 102, S. 205; ebenso Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. 2011, § 147 Rn. 28 m.w.N.). In der Literatur wird dagegen angenommen, dass ein (auswärtiger) Verteidiger - sofern keine wichtigen Gründe entgegenstehen - einen Rechtsanspruch auf Überlassung und Übersendung hat (vgl. Lüderssen/Jahn, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 147 Rn. 141 (2007); Wohlers, in: Systematischer Kommentar zur StPO, § 147 Rn. 70 f. ; Rieß, Festgabe für Karl Peters (1984), S. 113 (127); vgl. zur Erhebung einer Auslagenpauschale bei Versendung BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. März 1996 - 2 BvR 386/96 -, NJW 1996, S. 2222 (2222 f.)).
Nach allgemeiner Ansicht ist die Beauftragung eines Wahlverteidigers formlos möglich. Für den Nachweis der Beauftragung soll regelmäßig die Anzeige des Verteidigers genügen. Die Vorlage einer Vollmachtsurkunde soll verlangt werden können, wenn Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen (vgl. Wohlers, in: Systematischer Kommentar zur StPO, § 137 Rn. 8 ; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. 2011, Vor § 137 Rn. 9).
(b) Es bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Klärung, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Verteidiger einen Anspruch auf Überlassung oder Übersendung der Akten hat sowie unter welchen Voraussetzungen von ihm die Vorlage einer Vollmachtsurkunde oder der sonstige Nachweis seiner Bevollmächtigung verlangt werden kann. Jedenfalls hat ein Verteidiger Anspruch darauf, dass über seinen Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht und über deren Durchführung willkürfrei entschieden wird.
Die angegriffenen Verfügungen des Amtsgerichts Gladbeck vom 25. Januar 2011 sind bereits in sich widersprüchlich. Bei berechtigten und nicht widerlegten Zweifeln an der Bevollmächtigung des Beschwerdeführers hätte diesem die Akteneinsicht vollständig versagt werden müssen. Beschränkungen hinsichtlich der Art und Weise der Akteneinsicht sind nicht geeignet, Zweifel an der Bevollmächtigung auszuräumen oder den Mangel einer fehlenden Bevollmächtigung zu beheben. Die Nichtabhilfeentscheidungen und die dienstliche Stellungnahme zum Ablehnungsgesuch verdeutlichen zusätzlich, dass die Beschränkung auf Einsichtnahme in der Geschäftsstelle allein der Sanktionierung der Nichtvorlage von Vollmachten diente. Das Amtsgericht Gladbeck hat sich somit in nicht mehr vertretbarer Weise von einer Anwendung der maßgeblichen Vorschrift des § 147 Abs. 4 Satz 1 StPO gelöst und von sachfremden Erwägungen leiten lassen.
Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich sind zudem die Erwägungen, mit denen das Amtsgericht Gladbeck in den Nichtabhilfeentscheidungen seine Zweifel an der Bevollmächtigung des Beschwerdeführers begründet hat. Dessen Mandanten waren volljährig und konnten daher ohne Mitwirkung weiterer Personen sowohl einen Verteidiger beauftragen als auch sonst ihre Verfahrensrechte wahrnehmen. Eine generelle Unzuverlässigkeit des Beschwerdeführers ist ebenfalls nicht tragfähig belegt.
b) Es bedarf keiner Entscheidung, ob auch ein Verstoß gegen Art. 12 GG vorliegt (vgl. BVerfGE 62, 338 (347)).
II. Hinsichtlich der angegriffenen Nichtabhilfeentscheidungen vom 7. und 8. Februar 2011 liegen die Annahmevoraussetzungen nicht vor. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
D. Neben der Feststellung einer Verletzung des Grundgesetzes ist die Aufhebung der angegriffenen Verfügungen nicht erforderlich, da von diesen keine nachteiligen Wirkungen mehr ausgehen können (vgl. BVerfGE 32, 87 (98); 36, 264 (275); 50, 234 (243); 53, 152 (163)). ...."
***
Der Anspruch des von einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Betroffenen auf rechtliches Gehör beinhaltet die Information über entscheidungserhebliche Beweismittel. Ist zum Zweck der so genannten Rückgewinnungshilfe ein dinglicher Arrest angeordnet, muss dem Betroffenen jedenfalls vor einer ihm nachteiligen Letztentscheidung über eine hiergegen gerichtete Beschwerde Akteneinsicht gewährt werden. Die Übermittlung polizeilicher Ermittlungsberichte, die keine hinreichende Unterrichtung über die von den Gerichten für die Entscheidung herangezogenen Tatsachen und Beweismittel ermöglichen, reicht insoweit ebenso wenig aus wie eine genaue Bezeichnung oder Beschreibung der in oder bei den Ermittlungsakten verwahrten Beweisstücke in den Gründen einer im Ermittlungsverfahren ergehenden Gerichtsentscheidung. Solange die Ermittlungsbehörden es für erforderlich halten, die Ermittlungen dem Beschuldigten nicht zur Kenntnis gelangen zu lassen, müssen sie auf solche Eingriffsmaßnahmen verzichten, die, wie die Untersuchungshaft oder der Arrest, nicht vor dem Betroffenen verborgen werden können, schwerwiegend in Grundrechte eingreifen und daher in gerichtlichen Verfahren angeordnet und überprüft werden müssen (BVerfG 3. Kammer des 2. Senats, Beschluss vom 19.01.2006 - 2 BvR 1075/05).
Mit Blick auf den rechtsstaatlichen Auftrag zur möglichst umfassenden Wahrheitsermittlung im Strafverfahren ist es nicht zu beanstanden, dass die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren einen Informationsvorsprung hat und das Informationsinteresse des Beschwerdeführers bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens zurücksteht (BVerfG, Beschluss vom 15.01.2004 - 2 BvR 1895/03).
Das Recht eines Gefangenen auf Akteneinsicht in die Akten der Vollzugsbehörde, insbesondere in seine Gefangenenpersonalakte gem. § 185 StVollzG, das durch einen Verteidiger ausgeübt werden kann, geht dem eigenen Reht des Verteidigers auf Akteneinsicht gem. § 147 StPO vor (BVerfG StV 2002, 272).
Ein vorläufig gegen den Beschuldigten abgeschirmtes Ermittlungswissen der Strafverfolgungsbehörden ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Eine andere Beurteilung kann sich nur dann ergeben, wenn ein Haftbefehl schon vollstreckt wird. Eine Beschwerde gegen einen erlassenen, aber nicht vollzogenen Haftbefehl kann deshalb auch bei Nichtgewährung von Akteneinsicht verworfen werden (BVerfG NStZ-RR 1998, 108 in Abgrenzung zu BVerfG, NStZ 1994, 551).
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"1. Aus dem Recht des Beschuldigten auf ein faires, rechtsstattliches Verfahren und seinem Anspruch auf rechtliches Gehör folgte ein Anspruch des inhaftierten Beschuldigten auf Einsicht des Verteidigers in die Akten, wenn und soweit er die sich darin befindlichen Informationen benötigt, um auf eine bevorstehende gerichtliche Haftentscheidung effektiv einwirken zu können und eine mündliche Mitteilung der Tatsachen und Beweismittel, die das Gericht seiner Entscheidung zugrunde zu legen gedenkt, nicht ausreichend ist.
2. Ist aus Gründen der Gefährdung der Ermittlungen aus der Sicht der Staatsanwaltschaft eine auch nur auf die für die Haftfrage relevanten Teile der Ermittlungsakte beschränkte Akteneinsicht nicht möglich und verweigert sie diese gem. § 147 II StPO, so kann das Gericht auf die Tatsachen und Beweismittel, die deshalb nicht zur Kenntnis des Beschuldigten gelangen, seine Entscheidung nicht stützen und muss ggf. den Haftbefehl aufheben.
3. Im Übrigen ist dem Beschuldigten bereits anlässlich seiner richterlichen Vernehmung gem. § 115 II StPO im Anschluss an seine Festnahme mündlich das gesamte gegen ihn zusammengetragene Belastungsmaterial, dass den Gegenstand des Verfahrens bildet und für die Haftfrage von Bedeutung ist, mitzuteilen. Dazu zählen die Tatsachen, Beweisanzeichen u.s.w., die den dringenden Tatverdacht und den Haftgrund ergeben, aber auch die sich aus den Akten ergebenden entlastenden Umstände" (BVerfG StV 1994, 465).
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Außerhalb der Ermittlungen gegen den Beschuldigten entstandene Spurenakten der Ermittlungsbehörden, in denen tatbezogene Untersuchungen gegen Dritte und deren Ergebnisse festgehalten sind, muß der Staatsanwalt von Verfassungs wegen nur dann dem Gericht vorlegen und sie damit der Einsicht des Verteidigers nach StPO § 147 zugänglich machen, wenn ihr Inhalt für die Feststellung der dem Beschuldigten vorgeworfenen Tat und für etwaige gegen ihn zu verhängende Rechtsfolgen von irgendeiner Bedeutung sein kann. Eine gerichtliche Kontrolle der Aktenvollständigkeit nach Maßgabe der richterlichen Wahrheitsermittlungspflicht genügt rechtsstaatlichen Anforderungen. Einsicht in die dem Gericht nicht vorgelegten Spurenakten kann der Beschuldigte durch Vermittlung eines Rechtsanwalts unmittelbar bei der Staatsanwaltschaft beantragen. Wird ihm diese verwehrt, steht ihm im Verfahren nach GVGEG §§ 23ff gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung (BVerfG, Beschluss vom 12.01.1983 - 2 BvR 864/81):
?... Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, daß es der Beschwerdeführer unterlassen hat, durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bei der Staatsanwaltschaft auf Einsicht in die dem Gericht nicht vorgelegten Spurenakten unter Darlegung eines berechtigten Interesses anzutragen (vgl. Nr. 185 Abs. 4 RiStBV) und für den Fall einer ablehnenden Verfügung über deren Rechtmäßigkeit eine Entscheidung des zuständigen Oberlandesgerichts nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG herbeizuführen. Gegen die Statthaftigkeit eines solchen Antrages hätten im Blick darauf, daß jene Spurenakten weder von der Staatsanwaltschaft noch vom Landgericht als Teil der Akten im Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer begriffen worden sind, keine begründeten Bedenken bestanden (vgl. OLG Hamburg, NJW 1972, S. 1586 (1587); Kleinknecht, StPO, 35. Aufl., § 147, Rdnr. 27 (a. E.) und § 23 EGGVG, Rdnr. 8; Laufhütte in Karlsruher Kommentar zur StPO, 1982, § 147, Rdnr. 21; Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, 4. Aufl., Rdnr. 202 und 937; Meyer- Goßner, NStZ 1982, S. 353 (358)).
Gleichwohl führt diese Unterlassung des Beschwerdeführers nicht zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde muß diese erforderlich sein, um eine Grundrechtsverletzung zu verhindern. Das ist nicht der Fall, wenn eine anderweitige Möglichkeit besteht oder bestand, die Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder ohne Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts im praktischen Ergebnis dasselbe zu erreichen (BVerfGE 33, 247 (258)). Hieran fehlt es.
Der Beschwerdeführer macht mit der Verfassungsbeschwerde u. a. geltend, er habe als Angeklagter im Rechtsstaat des Grundgesetzes von Verfassungs wegen einen Anspruch darauf, daß jedweder aus Anlaß der Straftat entstandene Ermittlungsvorgang - gleichgültig, ob er nach Auffassung der Staatsanwaltschaft in der anhängigen Strafsache für die Beurteilung von Tat und Täter bedeutsam ist - als Teil der Akten anzusehen sei, die dem Gericht mit Erhebung der Anklage vorzulegen sind. Er meint, es sei eine rechtsstaatlich unverzichtbare Aufgabe des Gerichts, sich anhand aller dieser Ermittlungsvorgänge selbst ein Bild davon zu machen, welche Aktenvorgänge für die anhängige Strafsache Bedeutung hätten, und die Verteidigung habe in verfassungsrechtlich zutreffender Auslegung des § 147 StPO innerhalb des Strafverfahrens ein grundsätzlich nicht beschränkbares Recht auf Einsicht in alle diese Akten.
Entspräche dieses vom Beschwerdeführer entworfene Bild verfassungsrechtlich gebotener Strafverfahrensgestaltung der Rechtslage nach dem Grundgesetz, könnten Mängel, die einem diesen Grundsätzen widerstreitenden Verfahren und regelmäßig auch den daraufhin ergangenen Entscheidungen anhafteten, jedenfalls nicht sämtlich dadurch behoben werden, daß der Angeklagte außerhalb des Strafverfahrens - und damit unter erschwerten Voraussetzungen - über einen bevollmächtigten Rechtsanwalt die Einsicht in Spurenakten zu erlangen versucht, die seiner Verteidigung innerhalb des Strafverfahrens von Verfassungs wegen nicht vorenthalten werden dürften.
C. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
I. Die Bestimmungen der §§ 199 Abs. 2 Satz 2, 147 StPO sind in der offensichtlich willkürfreien Auslegung, die den angegriffenen Entscheidungen zugrunde liegt, mit dem Grundgesetz vereinbar. Weder aus dem Recht des Beschuldigten auf rechtliches Gehör vor Gericht noch aus seinem Anspruch auf ein faires Strafverfahren ist herzuleiten, daß Staatsanwaltschaft und Gericht im Eröffnungsverfahren und im Hauptverfahren ausnahmslos alle Ermittlungsvorgänge zum Bestandteil der Gerichtsakten zu machen hätten, die zuvor in dem von der Staatsanwaltschaft beherrschten Vorverfahren auf der Suche nach dem Täter oder den Tätern, insbesondere gegen vorübergehend in Tatverdacht geratene Dritte, entstanden sind.
1. Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet, daß der Beschuldigte im Strafverfahren Gelegenheit erhält, sich zu dem einer Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt grundsätzlich vor deren Erlaß zu äußern und damit das Gericht in seiner Willensbildung zu beeinflussen. Es dürfen einer gerichtlichen Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen der Beschuldigte Stellung nehmen konnte (BVerfGE 57, 250 (273 f); std. Rspr.). Art. 103 Abs. 1 GG will verhindern, daß das Gericht ihm bekannte, dem Beschuldigten aber verschlossene Sachverhalte zu dessen Nachteil verwertet. Sein Schutzbereich ist hingegen nicht mehr berührt, wenn die wesensverschieden andere Frage zu beantworten ist, ob das Gericht sich und den Prozeßbeteiligten Kenntnis von Sachverhalten, die es selbst nicht kennt, weil sie ihm nicht unterbreitet wurden, erst zu verschaffen habe; denn es ist nicht Sinn und Zweck grundgesetzlicher Gewährleistung rechtlichen Gehörs vor Gericht, dem Beschuldigten Zugang zu dem Gericht nicht bekannten Tatsachen zu erzwingen. Auch wenn man unterstellt, daß der Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehör ihm - unter welchen Voraussetzungen und in welchen Grenzen auch immer - ein Recht auf Kenntnis von Akteninhalten einräumt, ist dieses Recht daher jedenfalls beschränkt auf die dem Gericht tatsächlich vorliegenden Akten.
In sämtliche dieser Akten haben die Verteidiger des Beschwerdeführers Einsicht erhalten. Der Beschwerdeführer will mehr; er leitet aus Art. 103 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Erweiterung des gerichtlichen Aktenbestandes ab. Ein solcher Anspruch läßt sich aber aus diesem Verfahrensgrundrecht ebensowenig herleiten wie ein Recht auf ein bestimmtes Beweismittel oder auf bestimmte Arten von Beweismitteln (vgl. BVerfGE 57, 250 (274)).
Die Zusammenstellung der mit der Anklageerhebung vorzulegenden Verfahrensakten durch die Staatsanwaltschaft dient der Vorbereitung der vom Gericht zu treffenden Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens und der Vorbereitung der Hauptverhandlung. Sie ist selbst keine den Beschuldigten unmittelbar treffende Sachentscheidung (vgl. dazu Rieß, NStZ 1982, S. 435 f.), vor der ihm nach Art. 103 Abs. 1 GG - etwa durch Gewährung vollständiger Einsicht in sämtliche Ermittlungsvorgänge - rechtliches Gehör zustünde.
2. Über die Grenzen der speziellen Verfahrensgrundrechte hinaus gewährleistet das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes in Verbindung mit dem allgemeinen Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) dem Beschuldigten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Strafverfahren (std. Rspr.; BVerfGE 57, 250 (274 f.) m. w. N.). Auch mit diesem Recht des Beschwerdeführers ist die Auslegung der §§ 199 Abs. 2 Satz 2, 147 StPO durch Landgericht und Bundesgerichtshof vereinbar.
Ein zentrales Anliegen eines rechtsstaatlich geordneten Strafverfahrens ist die Ermittlung des wahren Sachverhalts als der notwendigen Grundlage eines gerechten Urteils. Ausgestaltungen des Strafverfahrens, welche die Ermittlung der Wahrheit zu Lasten des Beschuldigten behindern, können daher seinen Anspruch auf ein faires Verfahren verletzen (BVerfGE a.a.O. (S. 275)). Ferner sichert dieser Anspruch dem Beschuldigten, der im Rechtsstaat des Grundgesetzes nicht bloßes Objekt des Verfahrens sein darf, den erforderlichen Bestand an aktiven verfahrensrechtlichen Befugnissen, damit er zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Strafverfahrens Einfluß nehmen kann (vgl. BVerfGE 46, 202 (210); 57, 250 (275)). Dies verlangt eine gewisse verfahrensrechtliche ?Waffengleichheit' von Staatsanwaltschaft und Beschuldigtem im Strafprozeß (vgl. BVerfGE 38, 105 (111)). Das Recht auf ein faires Verfahren enthält indessen keine in allen Einzelheiten bestimmten Gebote und Verbote. Es zu konkretisieren, ist zunächst Aufgabe des Gesetzgebers und sodann, in den vom Gesetz gezogenen Grenzen, Pflicht der zuständigen Gerichte bei der ihnen obliegenden Rechtsauslegung und -anwendung. Erst wenn sich unter Berücksichtigung aller Umstände und nicht zuletzt der im Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes selbst angelegten Gegenläufigkeiten eindeutig ergibt, daß rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind, können aus dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit selbst konkrete Folgerungen für die Ausgestaltung des Verfahrens gezogen werden (BVerfGE 57, 250 (275 f.)). An diesen Voraussetzungen fehlt es:
a) In der Gesetzesauslegung der angegriffenen Entscheidungen wird das dem Beschuldigten durch § 147 StPO gewährte Recht auf Akteneinsicht durch seinen Verteidiger nicht rechtsstaatswidrig verkürzt; der Grundsatz der Aktenvollständigkeit ist nicht verletzt.
aa) § 147 StPO konkretisiert aktive verfahrensrechtliche Befugnisse des Beschuldigten in einem rechtsstaatlich geordneten Strafverfahren. Die Vorschrift gebietet, die Akten und Beweisstücke dem Verteidiger des Beschuldigten so früh wie möglich, auf jeden Fall aber - und dann ohne Ausnahme - nach Abschluß der Ermittlungen offenzulegen, damit er vom Ergebnis der Ermittlungen rechtzeitig Kenntnis erlangt und Verteidigungsmittel beschaffen und vorbringen kann. Das Recht auf Akteneinsicht umschließt die vollständigen Akten, die dem Gericht vorliegen oder ihm im Falle der Erhebung der Anklage nach § 199 Abs. 2 Satz 2 StPO von der Staatsanwaltschaft vorzulegen wären (vgl. BVerfG, EuGRZ 1983, S. 25).
bb) Akten in diesem Sinne umfassen nach der den angegriffenen Entscheidungen zugrunde liegenden Ansicht von Landgericht und Bundesgerichtshof sämtliche vom ersten Zugriff der Polizei (§ 163 StPO) an gesammelten be- und entlastenden Vorgänge, die im Rahmen der Ermittlungen gegen den Beschuldigten entstanden sind, sowie herangezogene Beiakten. Spurenakten, in denen tatbezogene Untersuchungen gegen Dritte und deren Ergebnisse festgehalten wurden, gehören danach nicht notwendig zu den Hauptakten, weil sie außerhalb der Ermittlungen gegen den Beschuldigten entstanden sind; sie müssen dem Gericht nur dann vorgelegt und damit der Einsicht des Verteidigers zugänglich gemacht werden, wenn ihr Inhalt für die Feststellung der dem Beschuldigten vorgeworfenen Tat und für etwaige gegen ihn zu verhängende Rechtsfolgen von irgendeiner Bedeutung sein kann.
cc) Diese Auslegung der §§ 199 Abs. 2 Satz 2, 147 StPO, die tatbezogene Spurenakten nicht notwendig als Teil der Hauptakten begreift und ihre Beiziehung zu den Strafakten nur unter der Voraussetzung gebietet, daß ihr Inhalt für die anhängige Strafsache aus irgendeinem Grunde erheblich sein kann, steht nicht in Widerspruch mit aus rechtsstaatlicher Sicht schützenswerten Verteidigungsinteressen des Beschuldigten; denn außerhalb der Ermittlungen gegen ihn entstandene Vorgänge, die im anhängigen Strafverfahren objektiv keine Bedeutung für die Schuld- und Rechtsfolgenfrage erlangen können, sind weder für das Gericht noch für den Beschuldigten und seine Verteidigung von verfahrensbezogenem Interesse.
b) Daran ändert es nichts, daß es zunächst Sache des Staatsanwalts ist, darüber zu befinden, welche Spurenakten für die anhängige Strafsache Bedeutung haben können und damit dem Gericht vorzulegen und der Akteneinsicht des Verteidigers zu öffnen sind.
aa) Dem Ziel, die materielle Wahrheit zu erforschen, um auf dieser Grundlage im Strafverfahren die Entscheidung über Schuld oder Nichtschuld und die daraus zu ziehenden rechtlichen Folgerungen zu treffen, ist nicht nur das Gericht, sondern gleichermaßen der Staatsanwalt verpflichtet. Staatsanwaltschaft und Gericht erfüllen gemeinsam die Aufgabe der "Justizgewährung" (BVerfGE 9, 223 (228)). Es ist ein besonderes Anliegen des Rechtsstaates, daß nur den wirklich Schuldigen die im sachlichen Recht vorgesehenen Unrechtsfolgen treffen. Deshalb muß die Tätigkeit des zur Verwirklichung des staatlichen Strafanspruchs berufenen Staatsanwalts ebenso wie die des Richters von dem Bestreben getragen sein, alles zu tun, daß nur der Schuldige bestraft, der unschuldig in Verdacht Geratene aber baldmöglich aus dem Verfahren entlassen oder freigesprochen wird. Diese Aufgabe des Staatsanwalts, der gegebenenfalls Rechtsmittel auch zugunsten des Beschuldigten einzulegen (§§ 296 Abs. 2, 301 StPO) und den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Verurteilten zu stellen hat (§ 365 StPO), schließt es aus, ihn auch nur formell im Strafverfahren als Partei zu begreifen (vgl. BGHSt 15, 155 (159); 24, 170 (171); OLG Stuttgart, NJW 1974, S. 1394 (1395); Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO, 23. Aufl., Einl., Kap. 13, Rdnr. 44; Schütz in Festschrift für Küchenhoff, 1972, S. 985 (992 f.); Wendisch in Festschrift für Schäfer, 1980, S. 243 (247 f)). Der Staatsanwalt hat nach § 160 Abs. 2 StPO vielmehr auch die zur Entlastung des Verdächtigen dienenden Umstände zu ermitteln und für die Erhebung der entsprechenden Beweise Sorge zu tragen. Diese gesetzliche Pflicht ist sorgfältig zu beachten. Sie soll sicherstellen, daß alle erheblichen Gesichtspunkte aufgeklärt werden, und damit der Gefahr einseitiger Ermittlungstätigkeit begegnen; jede Konkretisierung des Tatverdachts auf einen bestimmten Beschuldigten kann es mit sich bringen, daß Hinweise auf andere Tatverdächtige keine genügende Beachtung finden (vgl. Peters, Kriminalistik 1970, S. 425 (426 f.); Dünnebier, StV 1981, S. 504; Bender/Nack, ZRP 1983, S. 1 (4)).
bb) Unter der Maxime der Wahrheitserforschungspflicht und der Verpflichtung zur Objektivität steht selbstverständlich auch die Aufgabe des Staatsanwalts, als Herr des Vorverfahrens die Strafakten vollständig zusammenzustellen, die er dem Gericht nach § 199 Abs. 2 Satz 2 StPO mit der Anklageschrift vorzulegen hat. Ihm werden dabei - wie auch sonst im Ermittlungsverfahren - mit Wertungen verbundene Entscheidungen abverlangt, die sich daran auszurichten haben, daß dem Gericht und dem Beschuldigten Aktenkenntnisse nicht vorenthalten bleiben dürfen, die für die gerechte Beurteilung der anhängigen Strafsache nützlich sein können. Bestehen daran hinsichtlich einzelner Ermittlungsvorgänge Zweifel, darf der Staatsanwalt sie nicht zurückhalten; er muß sie dem Gericht im Interesse rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung vorlegen. Die Möglichkeit des Mißbrauchs dieser Regelung im Einzelfall macht sie nicht verfassungswidrig; es ist bei der Auslegung und Würdigung einer Norm vielmehr davon auszugehen, daß sie im Rechtsstaat korrekt und fair angewendet wird (BVerfGE 30, 1 (27)).
c) Die so beschriebene Tätigkeit des Staatsanwalts im Ermittlungsverfahren unterliegt nach der Strafprozeßordnung keiner umfassenden gerichtlichen Kontrolle (vgl. Rieß, a.a.O.). Dies ist angesichts seiner Verpflichtung zur Wahrheitserforschung und zur Objektivität mit dem Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes vereinbar. Es genügt, daß das Gericht, dem die Entscheidung über die Schuld- und Straffrage vorbehalten bleibt (vgl. BVerfGE 22, 49 (80 f.)), seinerseits von Amts wegen zur Ermittlung der Wahrheit verpflichtet ist. Darin ist zugleich die hinreichende Kontrolle enthalten, ob der Staatsanwalt alle für die richterliche Beurteilung der Strafsache bedeutsamen Akten vorgelegt hat:
aa) Die selbständige gerichtliche Überprüfung, ob die Erforschung der Wahrheit die Beiziehung weiterer Akten erfordert, stellt die Strafprozeßordnung bereits im Zwischenverfahren (§ 202 StPO), ferner vor Beginn der Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden des Gerichts (§ 221 StPO) und insbesondere während der Hauptverhandlung (§ 244 Abs. 2 StPO) sicher (vgl. OLG Frankfurt, NJW 1982, S. 1408 (1409)). Danach hat sich das Gericht in jeder Lage des Verfahrens zu vergewissern, ob begründeter Anlaß zu Zweifeln daran besteht, daß ihm alle zur Beurteilung des Falles bedeutsamen Akten vorliegen. Gegebenenfalls hat es dafür Sorge zu tragen, daß die Strafakten vervollständigt werden. Dabei kann es vom Staatsanwalt Auskünfte, insbesondere nähere Erläuterungen über die Kriterien bei der Zusammenstellung der Verfahrensakten und über Art und Inhalt nicht vorgelegter Ermittlungsvorgänge, verlangen.
Einer gerichtlichen Aktenanforderung hat der Staatsanwalt nachzukommen, sofern nicht ein gesetzlich geregelter Ausnahmefall vorliegt, etwa weil seine oberste Dienstbehörde ausnahmsweise die Herausgabe der Akten aufgrund überwiegender staatlicher Geheimhaltungsinteressen zu verweigern befugt ist (§ 96 StPO; vgl. OLG Frankfurt, a.a.O.; hierzu grundlegend: BVerfGE 57, 250 (281 ff.)).
bb) Bei alledem ist der Beschuldigte keineswegs zur Passivität verurteilt oder gar in die Rolle eines bloßen Objekts gedrängt, die es ihm prozessual verschlösse, auf die von ihm für sachdienlich gehaltene Beiziehung weiterer Akten Einfluß zu nehmen. Er kann, falls es an den prozessualen Voraussetzungen für die Stellung von Beweisanträgen fehlt, mit sogenannten Beweisermittlungsanträgen Anregungen für eine weitere Sachaufklärung an das Gericht herantragen.
d) Damit sind die Möglichkeiten des Beschuldigten, Kenntnis vom Inhalt auch solcher Spurenakten zu erhalten, die der Staatsanwalt dem Gericht nicht vorgelegt hat und zu deren Beiziehung auch das Gericht von sich aus keine Veranlassung sieht, nicht erschöpft. Er kann durch Vermittlung eines Rechtsanwalts - naheliegenderweise seines Verteidigers - Einsicht in diese Vorgänge unmittelbar bei der für die Ermittlungen verantwortlichen Staatsanwaltschaft beantragen. Wird ihm diese verwehrt, steht ihm im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung (vgl. Meyer-Goßner, NStZ 1982, S. 353 (357 f.)). Wenn der Beschuldigte geltend macht, er wolle sich selbst Gewißheit darüber verschaffen, daß sich aus diesen Akten - wie Staatsanwaltschaft und Gericht meinen - keine seiner Entlastung dienenden Tatsachen ergeben, wird ihm die Einsicht in solche Akten regelmäßig nicht zu versagen sein.
Dies bedeutet allerdings nicht, daß dieses Recht auf Einsicht in Akten außerhalb des gerichtlich anhängigen Strafverfahrens in ähnlicher Weise unbeschränkt sein müßte wie das Akteneinsichtsrecht innerhalb des Verfahrens nach § 147 StPO. Im Einzelfall können hier gewichtige, verfassungsrechtlich verbürgte Interessen der Gewährung der Akteneinsicht widerstreiten. Neben überwiegenden staatlichen Geheimhaltungsinteressen im Sinne des § 96 StPO könnten beispielsweise die Gefährdung des Untersuchungszwecks in laufenden anderen Ermittlungsverfahren oder die konkrete Gefahr einer nachhaltigen Bloßstellung Dritter die Zurückhaltung solcher Akten rechtfertigen. Die nähere Klärung dieser und der weiteren Frage, ob dem Beschuldigten für den Fall der Versagung der Akteneinsicht ein Anspruch auf Auskunft über den Inhalt der zurückgehaltenen Akten zusteht, soweit dadurch die berechtigten Geheimhaltungsinteressen unberührt bleiben, bedarf hier keiner Entscheidung.
Jedenfalls bietet sich dem Beschuldigten auf diesem Wege auch außerhalb eines anhängigen Strafverfahrens - und zwar von der Erhebung der Anklage an bis zum Abschluß des Verfahrens und darüber hinaus auch zur Vorbereitung eines Wiederaufnahmeantrags - eine weitgehende Möglichkeit, anläßlich der Tatermittlungen entstandene Spurenakten, die nicht zum Bestandteil der Akten im Strafverfahren geworden sind, einsehen zu lassen. Hierdurch werden seine Verteidigungsmöglichkeiten erweitert, da er selbst nach Entlastungsmomenten suchen kann, die zwar fernliegen mögen, aber nicht schlechthin auszuschließen sind (vgl. Bender/Nack, a.a.O. (S. 4 f.)). Während so regelmäßig dem Informationsinteresse des Beschuldigten genügt ist, ist gleichwohl gewährleistet, daß der Ablauf des gerichtlichen Verfahrens nicht durch eine sachlich nicht gebotene Ausweitung der Verfahrensakten unverhältnismäßig erschwert oder sogar nachhaltig gefährdet wird.
e) Schließlich ist auch aus dem Gesichtspunkt der "Waffengleichheit" zwischen Staatsanwalt und Beschuldigtem nicht abzuleiten, daß die Auslegung der §§ 199 Abs. 2 Satz 2, 147 StPO durch Landgericht und Bundesgerichtshof den Anspruch des Beschwerdeführers auf ein faires Strafverfahren verletzten. Dieser Grundsatz fordert nicht, daß verfahrensspezifische Unterschiede in der Rollenverteilung von Staatsanwalt und Verteidiger in jeder Beziehung ausgeglichen werden müßten.
II. 1. Landgericht und Bundesgerichtshof vertreten die Auffassung, die Aufklärungspflicht des Gerichts gebiete es nicht, einem Antrag auf Beiziehung von Spurenakten nachzugehen, wenn nicht bestimmte Sachverhalte mitgeteilt worden seien, die durch die Einsicht in diese Akten aufgeklärt werden sollen. Einem solchen Beweisermittlungsantrag dürfe mangels hinreichender Konkretisierung des Beweisthemas der Erfolg versagt werden. Diese Auslegung des § 244 Abs. 2 StPO ist mit dem Grundgesetz, insbesondere mit dem Recht des Beschwerdeführers auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren vereinbar.
a) Das Gericht ist nach § 244 Abs. 2 StPO gehalten, zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Der Angeklagte kann Inhalt und Umfang der Beweisaufnahme insbesondere durch Beweisanträge beeinflussen, die nur unter gesetzlich bestimmten Voraussetzungen abgelehnt werden dürfen (§§ 244 Abs. 3 bis 5, 245 Abs. 2 StPO). Ein Beweisantrag bedarf indes der Angabe eines bestimmten Beweisthemas und eines bestimmten Beweismittels (vgl. § 219 Abs. 1 Satz 1 StPO; BGHSt 6, 128 (129)). Darüber hinaus hat der Angeklagte die Möglichkeit, mit Beweisanregungen oder Beweisermittlungsanträgen auf eine weitere gerichtliche Sachaufklärung zu dringen. Über einen solchen Antrag ist nach Maßgabe der gerichtlichen Wahrheitsermittlungspflicht zu befinden (BGH, a.a.O.). Diese gebietet zur Aufklärung des für die gerichtliche Entscheidungsfindung erheblichen Sachverhalts eine Beweiserhebung oder - z. B. durch Aktenbeiziehung - deren Vorbereitung, sofern bestimmte Tatsachen, die dem Gericht bekannt sind oder bekannt sein müssen, dazu drängen oder es zumindest nahe legen (vgl. BGHSt 3, 169 (175); BGH, NJW 1978, S. 113 (114)).
Diese Regelung genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein faires, rechtsstaatliches Strafverfahren. Durch sie ist insbesondere der zentralen Pflicht zur Ermittlung der Wahrheit im Strafverfahren hinreichend Rechnung getragen; sie macht den Angeklagten nicht zum bloßen Objekt des Verfahrens. Seine mögliche Einflußnahme auf Inhalt und Umfang der gerichtlichen Sachaufklärung ist zwar dadurch begrenzt, daß er für von ihm angestrebte Beweiserhebungen das Beweisthema und das Beweismittel bestimmt bezeichnen oder aber bestimmte Sachverhalte aufzeigen muß, aufgrund deren sich das Gericht zur weiteren Sachaufklärung gedrängt sieht. Dies ist jedoch verfassungsrechtlich unbedenklich. Müßte das Gericht auch Anträgen und Anregungen des Angeklagten auf weitere Sachaufklärung nachgehen, in denen ein konkreter Zusammenhang zur Wahrheitsermittlung nicht aufgezeigt ist, gewänne der Angeklagte einen Einfluß auf Umfang und Dauer des Strafverfahrens, der über das zu seiner Verteidigung Gebotene hinausginge und dazu führen könnte, daß die - nicht zuletzt im Interesse des Beschuldigten - rechtsstaatlich geforderte Beschleunigung des Strafverfahrens ernstlich gefährdet wäre.
b) Das Rechtsstaatsgebot verlangt nicht, daß - abweichend von der Regel - an die Konkretisierung der Begründung eines Antrags auf Beiziehung sogenannter Spurenakten regelmäßig geringere Anforderungen zu stellen sind. Die gerichtliche Aufklärungspflicht gebietet nicht, daß das Gericht sämtliche anläßlich der Tatermittlungen entstandenen Spurenakten überprüfen müßte, solange es an konkreten Anhaltspunkten fehlt, daß darin relevante Informationen enthalten sind. Es kann in aller Regel davon ausgehen, daß Staatsanwalt und Polizei ihre Aufgaben gewissenhaft erfüllt haben, und braucht nicht jeder theoretischen Aufklärungschance nachzugehen (vgl. Bender/ Nack, a.a.O. (S. 4)). Sieht das Gericht von sich aus keine sachlich gebotene Veranlassung zur Beiziehung von Spurenakten, so kann der Angeklagte ihre Heranziehung nur auf dem Weg des Beweisantrags oder eines Beweisermittlungsantrags zu erreichen versuchen. Mit dem Verlangen nach hinreichend konkreter Begründung auch eines solchen Antrags wird ihm in der Regel nichts Unmögliches abverlangt. Die in der Literatur teilweise vertretene gegenteilige Ansicht, auf die sich der Beschwerdeführer beruft (vgl. Wasserburg, NStZ 1981, S. 211 (212); Dünnebier, a.a.O.; Peters in Festschrift für Dünnebier, 1982, S. 53 (65 f.); Beulke, ebenda, S. 285 (295)), würdigt die Verteidigungsbefugnisse des Angeklagten nicht zureichend. Sie verkennt die Möglichkeiten, die sich der Verteidigung, wie bereits dargelegt, auch außerhalb des Strafverfahrens bieten. Erfährt der Verteidiger auf diesem Wege Entlastungstatsachen, kann er sie zur Begründung eines Antrags auf Beiziehung der Akten darlegen, sofern er nicht bereits aufgrund der vorgelegten Akten in der Lage ist, einen förmlichen Beweisantrag zu stellen. Darüber hinaus wird er sich in der Hauptverhandlung durch die Befragung von Zeugen, insbesondere von Ermittlungsbeamten, häufig die Kenntnisse verschaffen können, die es ihm erlauben, die Frage der Notwendigkeit der Beiziehung weiterer Akten zu beurteilen und einen entsprechenden Antrag angemessen zu begründen.
2. Der Bundesgerichtshof verlangt in Auslegung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO für die formgerechte Begründung einer Revisionsrüge, mit welcher geltend gemacht wird, das Tatgericht habe seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt, daß es die Beiziehung weiterer Akten unterlassen habe, daß der Revisionsführer bestimmte Tatsachen angibt, die das Tatgericht mit Hilfe dieser Akten hätte aufklären sollen. Auch das ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Vorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO bewahrt das Revisionsgericht vor der Aufgabe, von Amts wegen die Einhaltung prozessualer Vorschriften während des gerichtlichen Verfahrensablaufs zu überprüfen, indem sie bestimmt, daß die für einen behaupteten Verfahrensverstoß maßgeblichen Tatsachen in der Revisionsbegründung anzugeben sind. Das Revisionsgericht soll über die Schlüssigkeit einer Verfahrensrüge allein anhand der Revisionsbegründung entscheiden können (vgl. Meyer in Löwe/Rosenberg, StPO, 23. Aufl., § 344, Rdnr. 75, 78 f., 81; Pikart in Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung, 1982, § 344, Rdnr. 32, 38 und 39; jeweils m. w. N.). Der Bundesgerichtshof hält es nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung für erforderlich, daß zur Begründung einer Aufklärungsrüge die Tatsachen bestimmt bezeichnet werden, die das Gericht zu ermitteln unterlassen hat (vgl. Meyer, a.a.O., § 344, Rdnr. 97 m. w. N.). Diese Auslegung ist sachgerecht. Sie macht die Revisionsbegründung nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig. Die Anforderung an die Begründung der Aufklärungsrüge entspricht dem Konkretisierungserfordernis für den Beweisermittlungsantrag. Sie ist aus den genannten Gründen mit dem Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes vereinbar.
III. Auch durch die Rechtsanwendung auf der Grundlage dieser verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Gesetzesauslegung haben Landgericht und Bundesgerichtshof Grundrechte des Beschwerdeführers nicht verletzt.
1. a) Das Landgericht hat die Prüfung, ob die vom Beschwerdeführer beantragte Beiziehung weiterer Spurenakten geboten sei, an seiner Verpflichtung zu umfassender Sachaufklärung ausgerichtet. Seine Entscheidung, die Aufklärung der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Straftat gebiete die Beiziehung weiterer Spurenakten nicht, beruht weder auf sachfremden, mit dem Willkürverbot des Grundgesetzes unvereinbaren Erwägungen, noch läßt sie erkennen, daß die Bedeutung von Grundrechten des Beschwerdeführers verkannt worden wäre. Das Landgericht war aus verständlichen, nachvollziehbaren Gründen davon überzeugt, daß ihm die Staatsanwaltschaft in pflichtgemäßer Amtsausübung nach bestem Wissen alle Ermittlungsvorgänge vorgelegt hat, die für das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer Bedeutung haben konnten.
Daß sich dem Landgericht hieran auch nicht insoweit hinreichende Zweifel aufgedrängt haben, als es sich um Spurenakten handelte, welche die Anordnung der Überwachung des Fernmeldeverkehrs gegen Dritte nach § 100 a StPO wegen des konkreten Verdachts der Täterschaft oder Teilnahme an der später dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tat zum Inhalt hatten, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht ebenfalls noch nicht zu beanstanden; denn aus einem solchen Sachverhalt läßt sich keineswegs von vornherein schließen, daß dieses Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden gegen andere vorübergehend in Tatverdacht geratene Personen für das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer irgendeine Bedeutung erlangen müßte. Hat sich ein solcher Verdacht nachträglich als haltlos erwiesen, liegt es nicht fern, daß der Vorgang für die weitere Aufklärung der Straftat bedeutungslos bleiben kann.
b) Nachdem sich herausgestellt hatte, daß die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der "wichtigtuerischen Zeugin" versehentlich zunächst einen für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin erheblichen Spurenvorgang nicht zu den gerichtlichen Verfahrensakten gegeben hatte, hat das Landgericht gleichwohl davon abgesehen, von der Staatsanwaltschaft eine nochmalige Durchsicht der Spurenakten und eine Prüfung zu verlangen, ob sie Hinweise über in der Hauptverhandlung vernommene Zeugen enthalten, und gegebenenfalls die Vorlage solcher Vorgänge zu verlangen. Ob dies Anlaß zu verfassungsrechtlichen Bedenken geben könnte, kann das Bundesverfassungsgericht aus Gründen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) nicht nachprüfen. Denn der Beschwerdeführer hat es unterlassen, einen entsprechenden spezifizierten Antrag in der Revision zur fachgerichtlichen Überprüfung zu stellen. Zur Beiziehung sämtlicher Spurenakten war das Landgericht aufgrund dieses Vorfalls jedenfalls von Verfassungs wegen nicht verpflichtet.
2. Landgericht und Bundesgerichtshof haben in der Heranziehung sämtlicher Spurenakten zu den gerichtlichen Verfahrensakten eine Gefährdung von Persönlichkeitsrechten Dritter gesehen. Erkennbar haben sie damit lediglich einen ergänzenden Gesichtspunkt im Zusammenhang mit der Darlegung ihrer Auffassung herausgestellt, daß zur Beiziehung aller Spurenakten ohne Rücksicht auf ihre Bedeutung für die Wahrheitsfindung im gerichtlich anhängigen Verfahren keine rechtliche Notwendigkeit bestehe. Ihre Entscheidungen sind also nicht dahin mißzuverstehen, daß es die Wahrung von Persönlichkeitsrechten Dritter rechtfertigen könne, für die Sachaufklärung möglicherweise bedeutsame Ermittlungsvorgänge zurückzuhalten. Es ist daher nicht zu besorgen, daß Landgericht und Bundesgerichtshof verkannt hätten, daß Persönlichkeitsrechte Dritter gegenüber der gebotenen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren regelmäßig nachrangig sind (vgl. BGHSt 29, 99 (104)).
3. Das Landgericht hat den Beschwerdeführer nicht ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er unmittelbar bei der Staatsanwaltschaft Einsicht in die nicht vorgelegten Spurenakten beantragen könne. Eine Verpflichtung des Gerichts, auf die mögliche Wahrnehmung von Rechten außerhalb des gerichtlich anhängigen Verfahrens hinzuweisen, bestand jedoch von Verfassungs wegen insbesondere schon deshalb nicht, weil der Beschwerdeführer durch mehrere Rechtsanwälte verteidigt war.
4. Auch im übrigen sind verfassungsrechtlich relevante Fehler des Landgerichts oder des Bundesgerichtshofs nicht erkennbar geworden. ..."
*** (BGH)
I. Der Verteidiger RA E. hat mit Schriftsatz v. 11.06.2010, der Verteidiger RA R. mit Schriftsatz v. 22.06.2010 bei dem GBA die Verteidigung des Besch. angezeigt und Einsicht in die Akten beantragt. Daraufhin übersandte der GBA den Verteidigern gem. § 147 Abs. 3 StPO jeweils eine Ablichtung des Gutachtens ?D.' zur Einsichtnahme. Eine weiter gehende Aktensicht lehnte der GBA unter Hinweis auf § 147 Abs. 2 StPO ab.
Der Besch. ist am 11.10.2010 aufgrund eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag v. 28.09.2010 in Frankreich festgenommen worden und befindet sich seitdem dort in Auslieferungshaft für den Internationalen Strafgerichtshof.
Mit Schriftsatz v. 16.10.2010 zeigte RA E. die Bestellung von RA Prof. Dr. G., P., als weiteren Verteidiger des Besch. an und beantragte im eigenen sowie in dessen Namen beim GBA (erneut) eine vollständige Akteneinsicht. Das Bundesamt für Justiz fragte daraufhin bei der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs an, ob die Bewilligung der beantragten Akteneinsicht den Untersuchungszweck des dortigen Verfahrens gefährden würde.
Mit Verfügung v. 03.11.2010 lehnte der GBA das vorstehend genannte Akteneinsichtsersuchen aus den Gründen des § 147 Abs. 2 StPO ab. Durch die Gewährung einer über die bisher erfolgte Akteneinsicht hinausgehende Einsichtnahme werde der Untersuchungszweck im vorliegenden Verfahren sowie im Verfahren vor dem Internationalen Staatsgerichtshof gefährdet. Wegen der mit der Inhaftierung des Besch. zusammenhängenden Fragen verwies der GBA den Verteidiger darauf, bei der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs um Akteneinsicht nachzusuchen.
Mit Schriftsatz v. 24.11.2010 hat RA R. gem. § 147 Abs. 5 S. 2 StPO eine gerichtliche Entscheidung über die seitens des GBA erfolgte Ablehnung einer Akteneinsicht nach § 147 Abs. 1 StPO beantragt. ...
Mit Verfügung v. 03.12.2010 hat der GBA gem. § 153f Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 4 StPO i.V.m. § 153c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO im Hinblick auf das von der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs betriebene Ermittlungsverfahren von der Verfolgung der dem Besch. im vorliegenden Verfahren zur Last gelegten Taten abgesehen, soweit er verdächtig ist, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen... begangen zu haben. Hinsichtlich des Tatvorwurfs der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung gem. §§ 129a, 129b StGB hat der GBA gem. § 153c Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO von der weiteren Verfolgung abgesehen.
RA R. fragte daraufhin am 10.12.2010 telefonisch beim GBA an, ob nunmehr eine weiter gehende Akteneinsicht gewährt werde. Der GBA lehnte dies mit Verfügung vom selben Tage mit der Begründung ab, das hiesige Ermittlungsverfahren gegen den Besch. sei zwar mittlerweile eingestellt worden, die beantragte Akteneinsicht könne aber (neben der vom GBA gem. seiner Stellungnahme v. 05.01.2011 weiterhin bejahten Gefährdung des Untersuchungszwecks des hiesigen Verfahrens für den Fall einer möglichen Wiederaufnahme der Ermittlungen) den Untersuchungszweck des Verfahrens vor dem Internationalen Strafgerichtshof gefährden.
Mit Schreiben v. 17.12.2010 teilte die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs auf die oben genannten Anfrage des Bundesamtes für Justiz mit, die von den Verteidigern beantragte Einsicht in die Akten des vorliegenden Verfahrens könne den Untersuchungszweck des beim Internationalen Strafgerichtshof geführten Verfahrens gefährden... [Gegen die Ablehnung der Gewährung von Akteneinsicht stellte die Verteidigung den Antrag auf gerichtliche Entscheidung]. ...
II. Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung nach § 147 Abs. 5 S. 2 StPO sind unstatthaft und daher unzulässig. Sie sind im Übrigen auch unbegründet. ...
c) Auch die Voraussetzung der dritten Alternative des § 147 Abs. 5 S. 2 StPO, dass sich der Besch. nicht auf freiem Fuß befindet, ist hier nicht gegeben. Zwar befindet sich der Besch. in Haft. Die Inhaftierung ist jedoch nicht für das vorliegende Verfahren, sondern aufgrund des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs für das dortige Ermittlungsverfahren erfolgt. Dies erfüllt entgegen der Auffassung der Verteidigung den Tatbestand des § 147 Abs. 5 S. 2 Alt. 3 StPO nicht.
In der Rspr. der Instanzgerichte und im Schrifttum wird allerdings teilweise die Ansicht vertreten, dass ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 147 Abs. 5 S. 2 Alt. 3 StPO auch dann zulässig ist, wenn sich der Besch. in anderer Sache in Haft befindet (LG München I, StV 2006, 11; LG Regensburg StV 2004, 369; Lüderssen/Jahn in LR, StPO, 26. Aufl., § 147 Rn. 160b; wohl auch Meyer-Goßner, a.a.O., § 147 Rn. 39). Dieser Auffassung ist jedoch, wie der GBA zutreffend ausgeführt hat, nicht zu folgen (ebenso LG Mannheim StV 2001, 613; KK-Laufhütte, a.a.O., § 147 Rn. 26, wonach es bei einer Inhaftierung in anderer Sache des - hier nicht gegebenen - Vorliegens eines (noch) nicht vollzogenen Haftbefehls in der Sache bedarf, auf die sich das Akteneinsichtsgesuch bezieht).
Zwar enthält der Wortlaut der genannten Vorschrift keine Ausführungen zum Grund, weshalb sich der Besch. nicht auf freiem Fuß befindet. Sowohl aus der Gesetzesbegründung als auch aus der Gesetzessystematik des § 147 StPO und dem Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt sich jedoch, dass mit dem Tatbestandsmerkmal ?befindet sich der Besch. nicht auf freiem Fuß' (§ 147 Abs. 5 S. 2 Alt. 3 StPO) eine Freiheitsentziehung aufgrund des Verfahrens gemeint ist, in dessen Akten die Einsichtnahme begehrt wird.
aa) Die in § 147 Abs. 5 S. 2 StPO vorgesehene Möglichkeit, gegen die Versagung der Akteneinsicht unter bestimmten Voraussetzungen eine gerichtliche Entscheidung beantragen zu können, ist durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts (Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 - StVÄG 1999, BGBl. 2000 I S. 1253) eingefügt worden. Dabei war im Gesetzentwurf der Bundesregierung die oben erwähnte 3. Alternative des § 147 Abs. 5 S. 2 StPO noch nicht enthalten (BT-Drucks. 14/1484, S. 6 und 21 f.). Sie wurde auf Anregung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages (BT-Drucks. 14/2595, S. 6) in den Gesetzentwurf aufgenommen und ist in dieser Fassung auch verabschiedet worden. Zur Begründung hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages ausgeführt, die auf der Grundlage eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls behördlich verwahrten Personen - S. 2 sei insofern § 83 Abs. 3 BRAGO nachgebildet - hätten ein rechtlich anzuerkennendes besonderes Interesse daran, dass dem Verteidiger Akteneinsicht gewährt werde. Dem sei dadurch Rechnung zu tragen, dass die Versagung der Akteneinsicht durch die StA auch in diesem Fall einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden könne. Eine nennenswerte Verfahrensverzögerung sei nicht zu befürchten, da in den betroffenen Fällen seitens der StA grundsätzlich Duplo-Akten im Hinblick auf die Rechtsbehelfe der Haftprüfung bzw. der Beschwerde (§ 117 Abs. 1 und 2, § 126a Abs. 2 StPO) geführt würden (BT-Drucks. 14/2595, S. 28).
Diese Begründung zeigt, dass es dem Gesetzgeber bei der Schaffung des § 147 Abs. 5 S. 2 Alt. 3 StPO darum ging, die Rechtsposition des Besch. zu stärken, der eine Einsichtnahme in die Akten des Verfahrens begehrt, für das er inhaftiert oder untergebracht ist. Dafür sprechen insbes. die auf die Führung von Duplo-Akten bezogenen Ausführungen in der Gesetzesbegründung. Hätte der Gesetzgebers die Inhaftierung oder Unterbringung in einem anderen Verfahren für ausreichend erachtet, müsste es sich bei der Sache, in deren Akten die Einsichtnahme begehrt wird, gerade nicht um eine Haftsache handeln und würden demzufolge auch nicht ?grundsätzlich Duplo-Akten im Hinblick auf die Rechtsbehelfe der Haftprüfung bzw. der Beschwerde' geführt.
Der in der Gesetzesbegründung enthaltene Hinweis auf den (zwischenzeitlich außer Kraft getretenen) § 83 Abs. 3 BRAGO (heute: Vorbemerkung 4 Abs. 4 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) ändert hieran nichts. Zwar soll der darin geregelte sog. Haftzuschlag auf die Verteidigergebühr unabhängig von der Art der Haft aufgrund des erheblich größeren Zeitaufwands anfallen, den der RA in der Regel allein schon durch die erschwerte Kontaktaufnahme mit dem in der JVA einsitzenden Besch. zu erbringen hat (Mayer/Kroiß, RVG, 4. Aufl., Nr. 4100-4103 VV Rn. 15; BeckOK/Kotz, RVG, VV Teil 4, Vorbemerkung 4 Rn. 96 f.; vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 221). Da jedoch § 83 Abs. 3 BRAGO a.F. und § 147 Abs. 5 S. 2 StPO deutliche Unterschiede sowohl hinsichtlich des Regelungsgegenstandes als auch hinsichtlich der Person des durch die jeweilige Vorschrift Berechtigten aufweisen, ist davon auszugehen, dass es dem Gesetzgeber bei dem Hinweis auf die erstgenannte Vorschrift lediglich darum ging, zum einen die begriffliche Anknüpfung und zum anderen einen auch in anderen Rechtsgebieten aus dem erschwerenden Umstand der Inhaftierung abgeleiteten Regelungsbedarf aufzuzeigen. Hingegen ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien nicht, dass der Gesetzgeber mit dem Hinweis auf § 83 Abs. 3 BRAGO a.F. darüber hinaus auch an die - aus dem Wortlaut dieser Vorschrift nicht zu entnehmenden - inhaltlichen Voraussetzungen des Haftzuschlags im anwaltlichen Gebührenrecht anknüpfen wollte.
bb) Für diese Auslegung sprechen überdies der Sinn und Zweck sowie die Systematik des § 147 StPO. Die Möglichkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 147 Abs. 5 S. 2 Alt. 3 StPO bezieht sich auf das nunmehr in § 147 Abs. 2 S. 2 StPO geregelte - und zuvor nach der st. Rspr. des EGMR (vgl. BT-Drucks. 16/11644, S. 33 f. m.w.N.) sowie der Rspr. des BVerfG (vgl. BVerfG, NStZ-RR 1998, 108 m.w.N. [= StV 1997, 633]) und des BGH (vgl. BGH, 3. Strafsenat, Beschl. v. 28.09.1995 - 2 BJs 148/93 - 7 StB 54/95, NJW 1996, 734) gegebene - besondere Akteneinsichtsrechts des Besch., der sich in U-Haft befindet oder gegen den diese im Falle der vorläufigen Festnahme beantragt ist. Dieses besondere Akteneinsichtsrecht soll durch die Eröffnung einer gerichtlichen Kontrolle der staatsanwaltschaftlichen Entscheidung zusätzlich abgesichert werden.
cc) Auch nach der Rspr. des EGMR (NJW 2002, 2013, 2014 f. [= StV 2001, 201]), deren Umsetzung die Einführung des § 147 Abs. 2 S. 2 StPO diente (BT-Drucks. 16/11644, S. 33 f.), bedarf es aufgrund des in Art. 6 EMRK verankerten Rechts auf ein kontradiktorisches Verfahren nur der Vorlage der Schriftsätze und Beweismittel an die Verteidigung, die von der StA dem Gericht zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung vorgelegt wurden und die daher für den Verteidiger zum Zwecke einer wirksamen Anfechtung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung seines Mandanten wesentlich sind. Diese Informationen liegen jedoch nur in dem Verfahren vor, in dem U-Haft angeordnet oder - im Fall der vorläufigen Festnahme - beantragt worden ist, hier also in dem Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof.
3. Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung sind im Übrigen auch unbegründet. ...
b) Gegen die Entscheidung des GBA, dem - nicht für das vorliegende Verfahren in Haft sitzenden - Besch. wegen einer Gefährdung des Untersuchungszwecks derzeit keine über § 147 Abs. 3 StPO hinausgehende Akteneinsicht zu gewähren, ist auch insoweit nichts zu erinnern, als der GBA hierbei neben der Gefährdung des Untersuchungszwecks des vorliegenden Verfahrens (im Falle von dessen Wiederaufnahme, s.o.) auf eine Gefährdung des Untersuchungszwecks des vor dem Internationalen Strafgerichtshof geführten Verfahrens abgestellt hat. Eine solche Gefährdung hat die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs mit Schreiben v. 17.12.2010 ausdrücklich bestätigt.
Eine der Gewährung von Akteneinsicht entgegenstehende Gefährdung des Untersuchungszwecks gem. § 147 Abs. 2 S. 1 StPO kann sich auch daraus ergeben, dass durch die beantragte Akteneinsicht der Untersuchungszweck in einem anderen Strafverfahren gefährdet würde (Meyer-Goßner, a.a.O., § 147 Rn. 25). Dem entsprechend sieht das Gesetz - jeweils ausdrücklich - in § 147 Abs. 7 S. 1 StPO für den nicht verteidigten Besch., in § 406e Abs. 2 S. 2 StPO für den Verletzten und in § 477 Abs. 2 S. 1 StPO für Auskünfte und Akteneinsicht für Justizbehörden, andere öffentliche Stellen, Privatpersonen und sonstige Stellen vor, dass auch eine Gefährdung des Untersuchungszwecks in anderen Strafverfahren die Versagung der Akteneinsicht rechtfertigen kann. Dass der Gesetzgeber im Zuge der Ergänzung der vorstehend genannten Regelungen durch das Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts v. 29.07.2009 (BGBl. I S. 2274), in Kraft getreten am 01.01.2010, nicht auch § 147 Abs. 2 S. 1 StPO mit dem Zusatz versehen hat, dass auch eine Gefährdung des Untersuchungszwecks in einem anderen Strafverfahren ausreiche, steht der oben genannten rechtlichen Beurteilung nicht entgegen.
Im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Untersuchungshaftrechts war ein solcher Zusatz enthalten (BT-Drucks. 16/11644, S. 9 und 34). Auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages ist dieser Zusatz gestrichen worden. Nach den Gesetzesmaterialien sollte hiermit jedoch nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass beim Akteneinsichtsrecht des Verteidiger - anders als bei der Akteneinsicht für den oben genannten Personenkreis - eine Gefährdung des Untersuchungszwecks in einem anderen Strafverfahren nicht ausreichen solle, um vor dem Abschluss der Ermittlungen eine - über § 147 Abs. 3 und ggf. § 147 Abs. 2 S. 2 StPO hinausgehende - Akteneinsicht zu versagen. Denn in der Begründung seiner Beschlussempfehlung hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages ausgeführt, die Streichung des genannten Zusatzes in § 147 Abs. 2 S. 1 StPO solle deshalb erfolgen, weil die weitere Prüfung ergeben habe, dass dieser Einschub unter Umständen unerwünschte Rückschlüsse oder Wertungswidersprüche in Bezug auf andere, näher bezeichnete Bestimmungen der StPO zur Folge haben könne, die ebenfalls auf eine Gefährdung des Untersuchungszwecks abstellten. Eine Aussage über die Zulässigkeit der Versagung der Akteneinsicht im Hinblick auf eine Gefährdung des Untersuchungszwecks in einem anderen Strafverfahren sei damit jedoch nicht verbunden (BT-Drucks. 16/13097, S. 19). ..." (BGH, Beschluss vom 26.01.2011 - 4 BGs 1/11)
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Zum Akteneinsichtsrecht in Akten aus abgetrennten Verfahren, die dem Gericht nicht vorliegen. Zur Rüge der Beschränkung der Verteidigung in einem wesentlichen Punkt durch Ablehnung eines Antrags auf Beiziehung von Akten bzw. eines Akteneinsichtsantrags (BGH, Beschluss vom 23.02.2010 - 4 StR 599/09 zu StPO §§ 147, 244, 338 Nr. 8, 344 Abs. 2, 475):
?... Das LG hat den Angekl. H.-J. R. wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 J. verurteilt. ... Den Angekl. I. R. hat die StrK wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Hehlerei zu einer Freiheitsstrafe von 1 J. verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen das Urteil richten sich die auf Verfahrensrügen und die Verletzung des sachlichen Rechts gestützten Revisionen der beiden Angekl. Das Rechtsmittel des Angekl. H.-J. R. hat mit der Sachrüge (einen Teilerfolg). Im übrigen ist es, wie die Revision des Angekl. I. R. insgesamt, unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die von beiden Angekl. erhobenen Verfahrensrügen, mit denen sie eine Beschränkung der Verteidigung geltend machen, weil der Antrag, Einblick in die gesamten TKÜ-Protokolle des Ursprungsverfahrens der StA Koblenz zu gewähren, zurückgewiesen worden sei, haben keinen Erfolg.
a) Den Verfahrensrügen liegt im wesentlichen folgendes Geschehen zugrunde:
In dem gegen A. W. wegen des Verdachts des Diebstahls geführten Ermittlungsverfahren wurde im Jahr 2007 - zuletzt am 18. Oktober - die Überwachung seiner Mobilfunkanschlüsse angeordnet und durchgeführt. Aufgrund der dabei gewonnenen Erkenntnisse wurde das Ermittlungsverfahren am 22. 10. 2007 auf den Angekl. H.-J. R. und später auf I. R. als weitere Besch. erstreckt. Am 07. 03. 2008 trennte die StA das Verfahren gegen die beiden Angekl. ab und verfügte, die Akte ?vollständig' zu fotokopieren, wobei vermerkt ist, daß diese ?derzeit' aus zwölf Stehordnern bestehe und - u.a. - der ?LO TK-Maßnahmen' in der nächsten Woche von der Polizei nachgereicht werde. In dem Ermittlungsverfahren gegen A. W. (und dessen Bruder) wurde am 27. 03. 2008 Anklage zum LG Konstanz erhoben. Das gegen die Angekl. geführte Ermittlungsverfahren wurde - mit 4 Stehordnern Hauptakten, 3 Stehordnern Finanzermittlungen, 2 Sonderbänden KT-Maßnahmen, 8 Bänden Fallakten und 1 Karton mit Asservaten - am 13. 08. 2008 an die StA Saarbrücken abgegeben, die den Verteidigern der Angekl. am 30. 01. 2009 Akteneinsicht gewährte und unter dem Datum dieses Tages die Anklageschrift verfaßte.
In der Hauptverhandlung wurde zu mehreren überwachten Telefongesprächen Urkundenbeweis erhoben. Einen ?Beweisantrag' des Verteidigers des Angekl. H.-J. R., mit dem er die Beiziehung der vollständigen TKÜ-Protokolle des Strafverfahrens gegen A. W. und dessen Bruder sowie Einsicht in diese Akten begehrte, um festzustellen, ?daß in der Ermittlungsakte des vorliegenden Verfahrens die TKÜ Protokolle nur unvollständig enthalten sind', lehnte die StrK mit Beschl. v. 28. 07. 2009 wegen (tatsächlicher) Bedeutungslosigkeit ab, wobei sie ergänzend ausführte, daß sich - anders als vom Verteidiger vorgetragen - aus der Nummerierung der TKÜ-Protokolle (auf das Gespräch 1391 folgte das Gespräch 1406) keine Rückschlüsse darauf ziehen lassen, daß sich in der Akte des LG Konstanz weitere TKÜ-Protokolle befinden. Eine Beiziehung der Akten des LG Konstanz erfolgte - auch in der Folgezeit - nicht.
Sonstige Bemühungen um Akteneinsicht - auch in dem vor dem LG Konstanz durchgeführten Strafverfahren - wurden nach dem Vortrag der Revisionsführer von den Angekl. oder ihren Verteidigern nicht bzw. nach dem 30. 01. 2009 nicht mehr unternommen. Auch teilt die Revision nicht mit, welche konkreten weiteren Erkenntnisse sich aus der Einsicht in die TKÜ-Protokolle, die sich in den Akten des LG Konstanz befinden, ergeben hätten.
b) Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
Dabei kann dahinstehen, ob bei einem zeitweise gegen mehrere Besch. geführten Ermittlungsverfahren nach der Abtrennung des Verfahrens gegen einen oder mehrere Besch. das Akteneinsichtsrecht im anhängigen Verfahren auch solche Akten oder Aktenteile umfaßt, die dem Gericht tatsächlich nicht vorliegen, die aber in dem (auch und noch) gegen die Angekl. geführten Ermittlungsverfahren wegen der Taten angefallen sind, die letztlich Gegenstand der Anklageschriften geworden sind (vgl. BGH, Urt. v. 18. 06. 2009 - 3 StR 89/09). Dem könnte entgegenstehen, daß sich nach der bisherigen Rspr. der Anspruch auf Akteneinsicht nur auf die dem Gericht tatsächlich vorliegenden Akten bezieht (BGH, Urt. v. 26. 05. 1981 - 1 StR 48/81, BGHSt 30, 131, 138, 141 [= StV 1981, 500 m.Anm. Dünnbier], und Beschl. v. 11. 11. 2004 - 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 327 m.w.N. [= StV 2005, 423]; ähnlich [?bei Gericht vorliegende Unterlagen'] BGH, Beschl. v. 10. 10. 1990 - StB 14/09, BGHSt 37, 204, 206 [= StV 1991, 1]), also Aktenbestandteile aus anderen Verfahren dem Akteneinsichtsrecht nach § 147 Abs. 1 StPO selbst dann nicht unterliegen, wenn die Verfahren zeitweise gemeinsam geführt, später aber getrennt und diese im formellen Sinne ?fremden' Akten nicht beigezogen wurden (BGH, Beschl. v. 04. 10. 2007 - KRB 59/07, BGHSt 52, 58, 62 [= StV 2008, 452]; vgl. auch BGH, Urt. v. 26. 08. 2005 - 2 StR 225/05, BGHSt 50, 224, 229 [= StV 2005, 594]).
Den Rügen ist der Erfolg jedenfalls deshalb zu versagen, weil es für die Annahme, die Verteidigung sei in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt worden, nicht genügt, daß diese Beschränkung nur generell (abstrakt) geeignet ist, die gerichtliche Entscheidung zu beeinflussen. Vielmehr ist § 338 Nr. 8 StPO nur dann gegeben, wenn die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem Verfahrensverstoß und dem Urteil konkret besteht (vgl. die Nachweise bei Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 338 Rn. 59 und KK-Kuckein StPO 6. Aufl. § 338 Rn. 101). Bei der Rüge der Beschränkung der Verteidigung in einem wesentlichen Punkt durch Ablehnung eines Antrags auf Beiziehung von Akten bzw. eines Akteneinsichtsantrags ist daher ein substantiierter Vortrag erforderlich, welche Tatsachen sich aus welchen genau bezeichneten Stellen der Akten ergeben hätten und welche Konsequenzen für die Verteidigung daraus folgten (vgl. BGH, Urt. v. 26. 05. 1981 - 1 StR 48/81, BGHSt 30, 131, 138, 143 [= StV 1981, 500], und Beschl. v. 02. 02. 1999 - 1 StR 636/98, StV 2000, 248, 249 m.Anm. Ventzke). Damit korrespondiert das Erfordernis möglichst konkreten Vortrags bei einer Rüge wegen unterlassener Beiziehung von Akten unter dem Aspekt der Verletzung der Aufklärungspflicht (BGH, Beschl. v. 11. 11. 2004 - 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 328 m.w.N. [= StV 2005, 423]; vgl. auch BGH, Beschl. v. 21. 10. 2004 - 1 StR 324/04). Sollte eine solche konkrete Bezeichnung wesentlichen vorenthaltenen Aktenmaterials dem Verteidiger nicht möglich sein, weil ihm die Akten, in die er Einsicht nehmen will, verschlossen geblieben sind, so muß er sich - damit die Ausnahme von der an sich nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO bestehenden Vortragspflicht gerechtfertigt und belegt wird - jedenfalls bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge weiter um die Akteneinsicht bemüht haben und die entsprechenden Anstrengungen gegenüber dem Revisionsgericht auch dartun (BGH, Beschl. v. 11. 11. 2004 - 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 328 [= StV 2005, 423], und Urt. v. 23. 08. 2006 - 5 StR 151/06, StraFo 2006, 459, 460).
An einem solchen zumutbaren und jedenfalls nach § 475 StPO Erfolg versprechenden (vgl. BGH, Urt. v. 26. 08. 2005 - 2 StR 225/05, BGHSt 50, 224 [= StV 2005, 594]) Bemühen um Einsicht in die Akten der StA oder des LG Konstanz fehlt es vorliegend. ..."
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?... Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Erörterung bedarf nur die Verfahrensrüge, mit der die Revision einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens geltend macht.
1. Der Rüge liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
a) Nach den Feststellungen stand der anderweitig verfolgte L. wegen des Verdachts der Begehung von Betäubungsmittelstraftaten unter polizeilicher Observation. In diesem Zusammenhang wurde am 17. Januar 2009 in M. ein Treffen zwischen L. und dem Angeklagten beobachtet. Der Angeklagte, der zuvor bei L. telefonisch zwei Kilogramm Kokaingemisch bestellt hatte, war bis dahin der Polizei nicht als Abnehmer des L. bekannt. Nachdem der Angeklagte von L. ca. 1,7 kg Kokaingemisch übernommen hatte, verbrachte er die Drogen in einen von ihm zuvor in M. am Hauptbahnhof abgestellten Pkw, um anschließend mit diesem zu seinen Eltern nach B. zu fahren. Da sich die weitere Observierung des Angeklagten auf der Autobahn bei schlechter Witterung und wegen der von ihm streckenweise eingehaltenen sehr hohen Geschwindigkeiten schwierig gestaltete und er nach Einschätzung der Polizeibeamten zu entkommen drohte, entschloss sich die polizeiliche Einsatzleitung zum Zugriff, als der Angeklagte die Autobahn verließ, um an einer Gaststätte eine Pause einzulegen. Nachdem der Angeklagte sich in die Gaststätte begeben hatte, ließen Beamte der observierenden Einheit Luft aus dem rechten Vorderreifen des vom Angeklagten geführten Fahrzeugs. Anschließend täuschten zur Unterstützung herbeigerufene örtliche Polizeibeamte eine allgemeine Verkehrskontrolle vor, um nicht zu offenbaren, dass es sich um eine observierende Ermittlung handelte, deren weiterer Erfolg nicht gefährdet werden sollte. Auf Grund ?vermeintlich oder tatsächlich nervöser Reaktion' des Angeklagten wurde der Pkw durchsucht und eine Teilmenge von 700 g Kokain gefunden. Bei einer späteren weiteren Durchsuchung des Fahrzeugs wurde die Restmenge von ca. 1 kg Kokain sichergestellt.
b) Der Angeklagte hat im Ermittlungsverfahren keine Angaben zur Sache gemacht. In der Hauptverhandlung hat er die Tat gestanden und eingeräumt, das Kokain von L. zum Zwecke des Weiterverkaufs erworben zu haben. Weitere Angaben, etwa zu den Hintergründen und der Vorgeschichte der Tat, zu dem Umfang seiner Kontakte zu L. und zu den Namen seiner Abnehmer hat er unter Hinweis auf eine mögliche Gefährdung seiner persönlichen Sicherheit nicht gemacht.
2. Die Revision beanstandet, dass dem Angeklagten weder bei seiner richterlichen Vernehmung anlässlich des Erlasses des Haftbefehls vom 18. Januar 2009 noch bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 19. Januar 2009 noch bei seiner Vernehmung anlässlich des Haftprüfungstermins vom 27. Februar 2009 die Tatsache der vorausgegangenen Observation offenbart worden sei. Er sei vielmehr davon ausgegangen, dass das Rauschgift bei einer zufälligen Verkehrskontrolle bei ihm vorgefunden worden sei. Auch in den Ermittlungsakten, in die sein Verteidiger Einsicht genommen habe, sei der Vorgang so beschrieben gewesen, als habe es sich wegen einer Reifenpanne um einen Zufallsfund gehandelt.
3. Der Rüge bleibt bereits deshalb der Erfolg versagt, weil sie nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entspricht.
a) Nach dieser Vorschrift müssen die den geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen so vollständig und genau dargelegt werden, dass das Revisionsgericht allein auf Grund dieser Darlegung das Vorhandensein eines Verfahrensmangels feststellen kann, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen sind oder bewiesen werden (st. Rspr., vgl. nur Kuckein in KK 6. Aufl. § 344 Rdn. 38 mit zahlr. Nachw.). Dem wird das Revisionsvorbringen in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.
b) Bedenken gegen die Zulässigkeit der Rüge bestehen schon deshalb, weil weder der Inhalt des anlässlich der Festnahme des Angeklagten angefertigten polizeilichen Aktenvermerks noch Einzelheiten zu seiner Beschuldigtenvernehmung vom 19. Januar 2009 und zum Haftprüfungstermin vom 27. Februar 2009 mitgeteilt werden. Soweit diesbezüglich auf einzelne Aktenstellen verwiesen wird, vermag dies nicht den erforderlichen eigenen Sachvortrag zu ersetzen (vgl. Kuckein in KK aaO Rdn. 39 m.w.N.). Die Revision verschweigt zudem, dass der Angeklagte spätestens mit der am 25. Juni 2009 erhobenen Anklage über den wahren Hintergrund seiner Festnahme in Kenntnis gesetzt worden ist. Insbesondere aber bleibt der Vermerk des sachbearbeitenden Staatsanwaltes vom 12. Mai 2009 völlig unerwähnt, in welchem dieser den wahren Sachverhalt schildert, die Gründe bezeichnet, die nach seiner Auffassung einer früheren Unterrichtung des Angeklagten entgegenstanden und schließlich seine Bemühungen um eine möglichst frühzeitige Offenlegung des Sachverhalts schildert. Ohne vollständige und genaue Kenntnis der vorgenannten Verfahrenstatsachen ist dem Senat jedoch die revisionsrechtliche Prüfung, ob der gerügte Verfahrensverstoß vorliegt, nicht möglich.
4. Die Rüge wäre aber auch unbegründet.
a) Allerdings ist das Verhalten der Ermittlungsbehörden mit Blick auf den fair trial - Grundsatz rechtlich bedenklich. Zwar hätte bei Gefährdung des Untersuchungszwecks nach § 147 Abs. 2 StPO die Möglichkeit bestanden, dem Verteidiger vor Abschluss der Ermittlungen die Einsicht in die Akten insgesamt oder teilweise zu versagen (zur Problematik bei richterlichen Entscheidungen im Ermittlungsverfahren - namentlich bei Haftentscheidungen - vgl. aber Lüderssen/Jahn in Löwe/Rosenberg StPO 26. Aufl. § 147 Rdn. 75 ff.; Meyer-Goßner StPO 52 Aufl. § 147 Rdn. 25 a). Auch die Unterrichtung über die Durchführung der Observation hätte aus diesem Grunde bis zu zwölf Monaten ohne richterliche Zustimmung zurückgestellt werden können (vgl. § 101 Abs. 4 Satz 1 Nr. 12, Abs. 5, Abs. 6 Satz 1 StPO). Die vorgenannten Vorschriften gestatten jedoch weder die Darstellung eines unwahren Sachverhalts in den Ermittlungsakten noch die aktive Täuschung des Beschuldigten über die wahren Hintergründe seiner Festnahme.
b) Ob ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vorliegt, bedarf hier jedoch keiner abschließenden Entscheidung, da auszuschließen ist, dass ein solcher sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben kann.
aa) Der Angeklagte hat zu keinem Zeitpunkt im Ermittlungsverfahren Angaben zur Sache gemacht. In Anbetracht der klaren Beweislage - das Rauschgift wurde in dem zur Tatzeit allein von ihm benutzten Fahrzeug vorgefunden - kann ausgeschlossen werden, dass sich das Verschweigen der gegen L. gerichteten Observationsmaßnahme und das Vortäuschen eines ?Zufallsfundes' bei der Haftentscheidung zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt hat. Der Angeklagte hat zudem - was die Revision ebenfalls vorzutragen unterlässt - im Haftprüfungstermin vom 27. Februar 2009 durch seinen Verteidiger den Haftprüfungsantrag zurückgenommen.
bb) Der Angeklagte ist mit Anklageerhebung über den wahren Sachverhalt unterrichtet worden. Seine Verteidigungsrechte in der Hauptverhandlung sind daher durch die Falschdarstellung in keiner Weise berührt worden. Die Revision räumt insoweit selbst ein, dass das beanstandete Verhalten für den Angeklagten ?keine unmittelbaren Folgen' gehabt habe.
cc) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass sich der gerügte Verstoß auf den Strafausspruch ausgewirkt haben kann. Dafür, dass der Angeklagte - hätte er bereits im Ermittlungsverfahren die wahren Umstände seiner Festnahme gekannt - von der Möglichkeit des § 31 BtMG Gebrauch gemacht hätte, ist nichts ersichtlich.
Vielmehr spricht dagegen, dass er es auch in der Hauptverhandlung in Kenntnis des wahren Sachverhalts abgelehnt hat, Angaben im Sinne des § 31 BtMG zu machen. Zudem war er bereits bei seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 19. Januar 2009 nach § 31 BtMG belehrt worden; dessen ungeachtet hat er weder zu diesem Zeitpunkt noch später, etwa als er erstmals mit Anklageerhebung von den Hintergründen seiner Festnahme erfuhr, von der Möglichkeit der Offenbarung von Wissen im Sinne dieser Vorschrift Gebrauch gemacht.
Schließlich vermag der Senat angesichts der vorgenannten Umstände auch auszuschließen, dass nach der so genannten Vollstreckungslösung (vgl. BGHSt -GS- 52, 124) - ungeachtet der Frage ihrer Anwendbarkeit auf Fälle der Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens - ein Verstoß nicht nur festzustellen, sondern darüber hinaus ein Teil der erkannten Strafe für vollstreckt zu erklären wäre. ..." (BGH, Urteil vom 11.02.2010 - 4 StR 436/09)
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? ... 2. Auf die sonstigen Beanstandungen der Revision des Angeklagten kommt es danach nicht mehr an. Der Senat sieht jedoch mit Blick auf das weitere Verfahren Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:
a) Unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer mit seiner Rüge nach § 338 Nr. 8 StPO eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt, also die Möglichkeit einer konkretkausalen Beziehung zwischen dem von ihm geltend gemachten Verfahrensfehler und dem Urteil, in hinreichender Weise dargelegt hat (vgl. BGHSt 30, 131, 135 ff.; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 338 Rdn. 59 m. w. N.), macht er jedenfalls im Ausgangspunkt zutreffend eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts (§ 147 Abs. 1 StPO) geltend.
aa) Dem liegt Folgendes zugrunde: Im Rahmen der Ermittlungen, die zu den Anklagen in vorliegendem Verfahren führten, hörten Polizei und Zoll in einem Zeitraum von zehn Monaten rund 82.500 Telefonate ab und zeichneten sie auf. Hiervon legte die Staatsanwaltschaft dem Landgericht mit Erhebung der Anklage die Aufzeichnungen von rund 600 als beweiserheblich eingeschätzten Telefongesprächen und deren vollständige deutsche Übersetzungen vor. Von den übrigen rund 81.900 Gesprächen wurden keine vollständigen Übersetzungen in die deutsche Sprache gefertigt, sondern (lediglich) inhaltliche Zusammenfassungen in deutscher Sprache und Kurzübersetzungen ins Deutsche. Diese wurden als Dateien auf dem Computer des Landeskriminalamts gespeichert; der Staatsanwaltschaft und auch dem Gericht wurden sie nicht zur Kenntnis gebracht.
Kurz nach Beginn der Hauptverhandlung stellte das Gericht den Angeklagten und ihren Verteidigern die Mitschnitte aller 82.500 in albanischer Sprache geführten Telefonate auf Datenträgern zur Verfügung. Außerdem sorgte es dafür, dass die Angeklagten und ihre Verteidiger mit Hilfe ebenfalls ausgehändigter Laptops sowie gerichtlich gestellter Dolmetscher die Möglichkeit erhielten, diese Originalaufzeichnungen in der Untersuchungshaftanstalt gemeinsam abzuhören.
Nachdem die Angeklagten und ihre Verteidiger im Rahmen der Vernehmung des polizeilichen Ermittlungsführers im April 2006 Kenntnis davon erhalten hatten, dass von allen 82.500 Telefongesprächen inhaltliche Zusammenfassungen in deutscher Sprache sowie Kurzübersetzungen ins Deutsche als Dateien im Computer des Landeskriminalamtes gespeichert waren und jederzeit ausgedruckt werden konnten, verlangten die Verteidiger Einsicht in diese Unterlagen und beantragten, das Gericht möge die Staatsanwaltschaft zu ihrer Vorlage veranlassen. Diese Anträge lehnte die Strafkammer durch Beschluss vom 30. August 2006 im Wesentlichen mit der Begründung ab, es handele sich bei den von der polizeilichen Ermittlungsgruppe gefertigten Dateien nicht um Aktenbestandteile im Sinne des § 147 StPO, sondern lediglich um ein "internes Hilfs- und Arbeitsmittel der Polizeibehörde", welches selbst nicht zu den Beweismitteln gehöre und als solches nicht dem Akteneinsichtsrecht der Verteidigung unterliege. Durch die Beiziehung der Aufzeichnungen sämtlicher überwachten Telefonate habe die Kammer diese zwar zum Aktenbestandteil gemacht. Auch dadurch seien jedoch die durch die Ermittlungsorgane gefertigten internen Vermerke und Inhaltszusammenfassungen zur Abschätzung der Relevanz des jeweils aufgezeichneten Telefongespräches nicht Aktenbestandteil geworden.
bb) Entgegen der Ansicht des Landgerichts sind die in Rede stehenden Dateien Gegenstand des Akteneinsichtsrechts nach § 147 Abs. 1 StPO. Dieses Recht bezieht sich auf die dem Gericht vorliegenden oder ihm im Falle der Anklage gemäß § 199 Abs. 2 Satz 2 StPO vorzulegenden Akten. Das sind nach herrschender Meinung die von der Staatsanwaltschaft nach objektiven Kriterien (vgl. § 160 Abs. 2 StPO) als entscheidungserheblich dem Gericht zu präsentierenden Unterlagen. Dazu gehören - verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfGE 63, 45; hierzu auch Lüderssen/Jahn in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 147 Rdn. 35 ff.) - zwar (nur) diejenigen, die durch die Identität der Tat und der des Täters konkretisiert werden ("formeller Aktenbegriff", vgl. BGHSt 30, 131, 138 f.; zu den sog. "materiellen und funktionalen Aktenbegriffen" vgl. Wohlers in SK-StPO § 147 Rdn. 27 ff.; Lüderssen/Jahn aaO § 147 Rdn. 41 ff.; Stuckenberg in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 199 Rdn. 8 ff.). Jedoch muss danach jedenfalls das gesamte vom ersten Zugriff der Polizei (§ 163 StPO) an gesammelte Beweismaterial, einschließlich etwaiger Bild- und Tonaufnahmen nebst hiervon gefertigter Verschriftungen, zugänglich gemacht werden, das gerade in dem gegen den Angeklagten gerichteten Ermittlungsverfahren angefallen ist (vgl. Meyer-Goßner aaO § 147 Rdn. 15; zum Begriff der Akten vgl. auch Schäfer NStZ 1984, 203). Eine Ausnahme gilt nur für Unterlagen oder Daten, denen eine allein innerdienstliche Bedeutung zukommt. Dies können etwa polizeiliche Arbeitsvermerke im Fortgang der Ermittlungen unter Bewertung der bisherigen Ermittlungsergebnisse oder sonstige rein interne polizeilichen Hilfs oder Arbeitsmittel nebst entsprechender Dateien sein (vgl. Meyer-Goßner aaO § 147 Rdn. 18 a). Im Bereich der Justizbehörden sind vom Akteneinsichtsrecht ausgenommen etwa entsprechende Bestandteile der staatsanwaltschaftlichen Handakten, Notizen von Mitgliedern des Gerichts während der Hauptverhandlung oder so genannte Senatshefte (vgl. Wohlers aaO § 147 Rdn. 32 ff.).
Nach diesen Maßstäben gehören die beim Landeskriminalamt als Computerdateien gespeicherten Unterlagen zu den nach § 199 Abs. 2 Satz 2 StPO dem Gericht vorzulegenden Akten. Sie sind konkret in den gegen die Angeklagten geführten Ermittlungsverfahren wegen der Taten angefallen, die letztlich Gegenstand der Anklageschriften geworden sind. Sie sind daher nicht mit Spurenakten vergleichbar, die Ermittlungsergebnisse zwar zu den nämlichen Straftaten enthalten, sich aber allein auf andere Personen beziehen, die im Laufe der Ermittlungen (vorübergehend) mit diesen Taten in Verbindung gebracht wurden (s. dazu BGHSt 30, 131; BVerfGE 63, 59). Es handelt sich auch nicht um rein polizeiinterne Hilfs- und Arbeitsmittel. Nach dem Vortrag der Revision, der im Kern im Einklang mit den - zum genauen Inhalt der Dateien allerdings knappen - Gründen des zurückweisenden Beschlusses der Strafkammer vom 30. August 2006 steht und dem im Revisionsverfahren auch nicht - etwa durch eine Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft - widersprochen worden ist, wurden von den auf albanisch geführten Telefonaten Kurzübersetzungen ins Deutsche und inhaltliche Zusammenfassungen in deutscher Sprache erstellt und gespeichert. Derartige Kurzübersetzungen und inhaltliche Zusammenfassungen sind aber Auswertungen gewonnenen Beweismaterials und als solche selbst potentielle Beweismittel. Dies unterscheidet sie von reinen Bewertungen, die an eine derartige Auswertung anknüpfen können und allein polizeiinternes Arbeitsmittel sind, wenn sie etwa der Strukturierung der weiteren Ermittlungen dienen. Den Verteidigern durfte danach die Einsichtnahme in die gespeicherten Dateien nicht verweigert werden.
b) Das angefochtene Urteil lässt im Fall II. 1. der Urteilsgründe (Fall 11 der Anklageschrift) die Möglichkeit offen, dass die Kuriere, die das Rauschgift vom Angeklagten übernahmen, schon zuvor fest entschlossen waren, die Betäubungsmittel zum Weitertransport nach Italien in die Bundesrepublik einzuführen (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 26 Rdn. 3 b m. w. N.). Zum Beleg einer diesbezüglichen Anstiftung durch den Angeklagten bedarf es daher gegebenenfalls weiterer Feststellungen.
c) Im Falle einer erneuten Verurteilung ist für die Freiheitsentziehung, die der Angeklagte in Frankreich erlitten hat, der Anrechnungsmaßstab festzulegen und in der Urteilsformel auszusprechen (§ 51 Abs. 4 Satz 2 StGB; vgl. Fischer aaO § 51 Rdn. 23). ..." (BGH, Urteil vom 18.06.2009 - 3 StR 89/09)
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Dem Verteidiger eines Nebenbetroffenen ist Akteneinsicht auch in die Bußgeldakten der anderen Betroffenen und Nebenbetroffenen zu gewähren, wenn diese sich auf einen einheitlichen Gesamtkomplex beziehen und gleichfalls dem Beschwerdegericht vorliegen. Mögliche Geschäftsgeheimnisse der anderen (Neben-)Betroffenen hindern die Akteneinsicht grundsätzlich nicht (BGH, Beschluss vom 04.10.2007 - KRB 59/07 - OWiG § 46 Abs. 1; StPO § 147 Abs. 1).
Nach Abtrennung und Anklageerhebung gegen einen von mehreren Beschuldigten, gegen die von der Staatsanwaltschaft zunächst gemeinsam in einem Tatkomplex ermittelt wird, ergibt sich in dem abgetrennten Verfahren weder eine Pflicht des Gerichts zur Aktenbeiziehung noch ein Recht des Angeklagten auf Einsicht in die Akten des Ausgangsverfahrens, solange in jenem Verfahren die Ermittlungen nicht abgeschlossen sind und die Gewährung von Akteneinsicht den Untersuchungszweck nach pflichtgemäßer Beurteilung der Staatsanwaltschaft gefährden würde (im Anschluß an BGHSt 49, 317; BGH, Urteil vom 26.08.2005 - 2 StR 225/05).
Dem Tatgericht, dem in der Hauptverhandlung durch die Staatsanwaltschaft neue verfahrensbezogene Ermittlungsergebnisse zugänglich gemacht werden, erwächst aus dem Gebot der Verfahrensfairneß die Pflicht, dem Angeklagten und seinem Verteidiger durch eine entsprechende Unterrichtung Gelegenheit zu geben, sich Kenntnis von den Ergebnissen dieser Ermittlungen zu verschaffen. Der Pflicht zur Erteilung eines solchen Hinweises ist das Tatgericht auch dann nicht enthoben, wenn es die Ergebnisse der Ermittlungen selbst nicht für entscheidungserheblich hält; denn es muß den übrigen Verfahrensbeteiligten überlassen bleiben, selbst zu beurteilen, ob es sich um relevante Umstände handelt. Diese Hinweispflicht kann grundsätzlich auch schon für das Verfahren zwischen Eröffnungsbeschluß und Hauptverhandlung gelten (BGH, Beschluss vom 10.08.2005 - 1 StR 271/05).
Dem Tatgericht, das während, aber außerhalb der Hauptverhandlung verfahrensbezogene Ermittlungen anstellt, erwächst aus dem Gebot der Verfahrensfairness die Pflicht, dem Angeklagten, der Verteidigung und der StA durch eine entsprechende Unterrichtung Gelegenheit zu geben, sich Kenntnis von den Ergebnissen dieser Ermittlungen zu verschaffen. Der Pflicht zur Erteilung eines solchen Hinweises ist das Tatgericht auch dann nicht enthoben, wenn es die Ergebnisse der Ermittlungen selbst für nicht entscheidungserheblich erachtet. Entsprechendes gilt auch, wenn während der Hauptverhandlung Urkunden oder andere Beweismittel, deren Erheblichkeit nicht ausgeschlossen ist, ohne Veranlassung durch das Gericht zu den Akten gelangen (BGH, Urteil v. 21.09.2000 - 1 StR 634/99 zu StPO § 147; MRK Art. 6).
*** (OLG)
?... Beweismittel - zu diesen zählen die Aufzeichnungen über die abgehörten Telefongespräche - können grundsätzlich im Gegensatz zu Akten (§ 147 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1) nicht zur Einsichtnahme an den Verteidiger mitgegeben, sondern nach § 147 Abs. 1 2. Alt. nur am Ort ihrer amtlichen Verwahrung eingesehen bzw. im Fall von Aufzeichnungen im Rahmen einer Telefonüberwachungsmaßnahme abgehört werden. Ein Anspruch auf Überlassung von Beweismitteln bzw. auf Anfertigung von Kopien der Beweismittel steht dem Verteidiger grundsätzlich nicht zu (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Koblenz NStZ 1995, 611 f.; Wessing in Beck'scher Online-Kommentar StPO, Stand 01.02.2012 § 147 Rdnr. 18).
Das den Verteidigern gemäß § 147 Abs. 1 2. Alt. StPO zustehende Besichtigungsrecht hinsichtlich sämtlicher der im vorliegenden Ermittlungskomplex gefertigten Audiodateien steht nicht in Streit. Vielmehr geht es im vorliegenden Beschwerdeverfahren allein um dessen Ausgestaltung. Im Einzelfall kann aus Gründen des fairen Verfahrens bzw. angemessener Verteidigung oder unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung die Fertigung und Überlassung von Kopien sachgerecht und geboten sein (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Frankfurt a.a.O.; Lüderssen/Jahn in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 147 Rdnr. 117). Nach Auffassung des Senats liegen die Voraussetzungen hierfür im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung jedoch nicht vor:
Bei der Telekommunikationsüberwachung werden sämtliche Gespräche ohne Differenzierung nach den Gesprächspartnern oder den Inhalten der Gespräche aufgezeichnet und anschließend ausgewertet. Damit werden in aller Regel - und so auch hier - von der Telefonüberwachung auch Gespräche mit oder zwischen Personen erfasst, die offensichtlich in keiner Weise mit der aufzuklärenden Tat in Verbindung stehen. Des weiteren besteht auch die Möglichkeit der Aufzeichnung von Gesprächen, die dem absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Da bei der Telekommunikationsüberwachung keine mit vertretbarem Aufwand realisierbare Möglichkeit besteht, den erforderlichen Grundrechtsschutz für von der Maßnahme betroffene Dritte schon im Rahmen der Aufzeichnungen der Gespräche zu wahren, und da der Grundrechtseingriff nicht nur in der Aufzeichnung und dem anschließenden Abhören der Gespräche besteht, sondern sich durch die Speicherung, Verwendung und Weitergabe der gewonnenen Informationen fortsetzt und vertieft (BVerfG NJW 2004, 999, 1005), muss im Verlauf des weiteren Verfahrens darauf geachtet werden, dass der bestehende Grundrechtseingriff nicht weiter als erforderlich vertieft wird (OLG Karlsruhe a.a.O.).
Bei der Frage der Ausgestaltung des Besichtigungsrechtes gemäß § 147 Abs. 1 2. Alt. StPO ist vorliegend demgemäß trotz der von der Strafkammer vorgenommenen Sicherungsmaßnahmen in gewichtiger Form zu berücksichtigen, dass durch die Fertigung und Aushändigung von Kopien der vollständigen Telekommunikationsaufzeichnungen des Ermittlungskomplexes - hier ca. 120 DVDs - an den jeweiligen Verteidiger nicht nur der Eingriff in Persönlichkeits- und Datenschutzinteressen unbeteiligter Dritter vertieft, sondern auch die Einhaltung der die Sicherung der Angemessenheit des Grundrechtseingriffs dienenden Vorschriften insbesondere hinsichtlich der Löschung der aufgezeichneten Gespräche (vgl. § 101 Abs. 8 StPO) erschwert wird (OLG Karlsruhe a.a.O.). Andererseits besteht für sämtliche Verteidiger vorliegend bereits seit einigen Wochen die Möglichkeit, sämtliche im vorliegenden Ermittlungskomplex aufgezeichneten Telefongespräche werktags zwischen 8.30 und 17.00 Uhr bei der Kriminalpolizei Offenburg anzuhören. Zudem haben die Verteidiger nicht nur einen Anspruch, die Gespräche dort in Gegenwart eines Dolmetschers abzuhören, sondern auch ein Recht auf Anwesenheit des jeweils von ihnen verteidigten Angeklagten (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 147 Rdnr. 19). Der Senat geht ferner davon aus, dass den Verteidigern - anderenfalls wäre dies nunmehr organisatorisch sicherzustellen - auch die Möglichkeit eröffnet wird, die Audiodateien in Offenburg allein in einem separaten Raum in Gegenwart eines Dolmetschers und des von ihnen verteidigten Angeklagten abzuhören, um dabei insbesondere direkt im Zusammenhang mit dem Abspielen von Dateien Fragen der Verteidigungsstrategie erörtern zu können. Dass ein derartig gewährleistetes Besichtigungsrecht der Verteidiger zu Informationszwecken nicht ausreichend ist und die Verteidigungsinteressen nur durch die Überlassung amtlicher Kopien gewahrt wären, vermag der Senat im Ergebnis nicht zu erkennen. Der zusätzliche Zeitaufwand, der dadurch entsteht, dass die Verteidiger für eine Inaugenscheinnahme der Audiodateien nach Offenburg fahren müssten, stellt sich nicht als unzumutbar dar und ist angesichts der Bedeutung der Sache insbesondere auch nicht unverhältnismäßig. ..." (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.05.2012 - 2 Ws 146/12)
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?... I. Die StA führt gegen den Besch. ein Ermittlungsverfahren wegen Bedrohung und wegen des unerlaubten Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe. Auf ihren Antrag hat das AG Tiergarten am 30.09.2010 einen Haftbefehl erlassen, der bislang noch nicht vollstreckt werden konnte, weil der Besch. sich verborgen hält.
Den Verteidigern des Besch., der von dem Haftbefehl Kenntnis hat, ist bislang Akteneinsicht nur in das Protokoll der Beschuldigtenvernehmung und das waffentechnische Gutachten des LKA gewährt worden. Die weitergehende Kenntnis der Akten hat ihnen die StA wegen andernfalls drohender Gefährdung des Untersuchungszweckes versagt.
Auf die Haftbeschwerde des Besch. hat das LG den Haftbefehl mit der Begründung aufgehoben, die Versagung der umfassenden Akteneinsicht verletzte den Anspruch des Besch. auf rechtliches Gehör, weil schützenswerte Interessen ihr nicht entgegenstünden. Sie könne daher ihrer Entscheidung nur den Akteninhalt zu Grunde legen, über den der Angekl. zuvor unterrichtet worden sei, also nur die Angaben des Besch. im Verfahren sowie das waffentechnische Gutachten. Auf dieser Grundlage bestehe für den Vorwurf des Verstoßes gegen das Waffengesetz ein dringender Tatverdacht nur wegen des Führens wesentlicher Waffenbestandteile, für den der Bedrohung sei ein solcher nicht erkennbar. Eine Fluchtgefahr erwachse daraus nicht. Gegen diesen Beschluss wendet sich die StA mit ihrem Rechtsmittel.
II. Die gem. § 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO zulässige weitere Beschwerde ist begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls gem. § 112 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 StPO liegen vor. Entgegen der Ansicht des LG kann zur Prüfung dieser Frage der gesamte Akteninhalt verwertet werden, denn die StA hat dem Besch. zu Recht nur eine Akteneinsicht entsprechend § 147 Abs. 2 S. 1 StPO gewährt. Die fehlende Kenntnis des Besch. von wesentlichen Aktenbestandteilen hindert den Senat nicht, für seine Prüfung den gesamten Akteninhalt heranzuziehen. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) wird dadurch nicht verletzt.
1. Bei einem nicht vollzogenen Haftbefehl ist nach Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall zu ermitteln, ob der flüchtige Besch. einen Anspruch auf Akteneinsicht hat.
a) Das Recht auf Akteneinsicht im Ermittlungsverfahren ist einfachgesetzlich geregelt in § 147 StPO.
Während nach vermerktem Abschluss der Ermittlungen gem. § 147 Abs. 1 StPO dem Verteidiger Einsicht in die gesamten Akten zu gewähren ist, erfährt dieses Recht im Ermittlungsverfahren gem. § 147 Abs. 2 S. 1 StPO eine Einschränkung.
Dem Verteidiger kann die Akteneinsicht in diesem Verfahrensstadium versagt werden, soweit dadurch der Untersuchungszweck gefährdet würde.
Diese Einschränkung ist verfassungsgemäß, da das Ermittlungsverfahren der Klärung eines Verdachtes dient und deshalb nicht von Anfang an "offen", also unter Bekanntgabe aller ermittelten Tatsachen, geführt werden kann. Mit Blick auf den rechtsstaatlichen Auftrag zur möglichst umfassenden Wahrheitsermittlung im Strafverfahren (vgl. BVerfG NJW 1990, 563-566) ist es nicht zu beanstanden, dass die StA im Ermittlungsverfahren einen Informationsvorsprung hat und das Informationsinteresse des Besch. bis zu dessen Abschluss zurücksteht (vgl. BVerfG wistra 2004, 179).
b) Werden im Ermittlungsverfahren Zwangsmaßnahmen gegen den Besch. ergriffen, ist im Einzelfall zu prüfen, ob ihm daraus vor Abschluss der Ermittlungen ein Anspruch auf Akteneinsicht erwächst oder ob die StA ihm die Gefährdung des Untersuchungszweckes entgegen halten kann.
Gesetzlich geregelt ist dies im Fall vollzogener U-Haft. Hier erweitert § 147 Abs. 2 S. 2 StPO die Rechte des Besch. Befindet er sich in Haft, sind seinem Verteidiger die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung wesentlichen Unterlagen in geeigneter Weise zur Verfügung zu stellen, ohne dass es auf die Gefährdung des Untersuchungszweckes ankäme.
Über diesen gesetzlich geregelten Fall hinaus können auch andere vollzogene Zwangsmaßnahmen ein entsprechend erweitertes Recht auf Akteneinsicht begründen. Anerkannt ist dies für den dinglichen Arrest. Die Weigerung der Ermittlungsbehörden, einem Besch. nach Erwirken eines dinglichen Arrestes in sein Vermögen, Einsicht in die Akten zu gewähren, nimmt diesem in verfassungswidriger Weise die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der ihn erheblich belastenden Maßnahme zeitnah zu überprüfen und sich gegen sie effektiv, spätestens im Beschwerdeverfahren vor Gericht, zu verteidigen (BVerfG NJW 2006, 1048).
c) Bei noch nicht vollzogenen Zwangsmaßnahmen ist die Frage umstritten.
Bei einem noch nicht vollzogenen Durchsuchungsbeschluss, von dem der Besch. nach einem erfolglosen Vollstreckungsversuch Kenntnis erlangt hatte, soll das Interesse des Besch. an effektivem Rechtsschutz das Geheimhaltungsinteresse der Strafverfolgungsbehörden überwiegen, weil der Überraschungsmoment in Folge der Kenntnis des Besch. von der geplanten Maßnahme entfallen sei (LG Berlin StV 2010, 352; zustimmend Börner NStZ 2010, 417). Weil die Strafverfolgungsbehörden ihr Geheimhaltungsinteresse durch das Vorgehen selbst beeinträchtigt hätten, müsse, um einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu vermeiden, Akteneinsicht gewährt werden (vgl. LG Berlin a.a.O.).
In den Fällen angeordneter U-Haft wird vertreten, dass bis zu deren Vollzug das Geheimhaltungsinteresse der Strafverfolgungsbehörden überwiege und dem Informationsinteresse des Besch. nach Verhaftung durch § 115 Abs. 3 StPO ausreichend Rechnung getragen werde (BVerfG NStZ-RR 1998, 108; KG Beschl. v. 05.10.2009 - 3 Ws 466/09; OLG München NStZ 2009, 109; OLG Hamm NStZ-RR 2001, 254).
In der Lit. wird die Ansicht vertreten, dass auch bei einem nicht vollzogenen Haftbefehl, von dem der Besch. Kenntnis hat, in entsprechender Anwendung von § 147 Abs. 2 S. 2 StPO entweder generell Akteneinsicht zu gewähren (vgl. LR-StPO Lüderssen/Jahn, 26. Aufl., § 147 Rn. 77) oder aber diese Entscheidung vom Einzelfall abhängig zu machen sei (vgl. Beulke/Witzigmann NStZ 2011, 254; Börner a.a.O.; Park StV 2009, 276; SK-StPO/Wohlers, 4. Aufl., § 147 StPO Rn. 66; aber auch OLG Köln StV 1998, 269). Jedenfalls soll in Fällen, in denen der Haftbefehl allein auf Fluchtgründe gestützt werde, grundsätzlich Akteneinsicht zu gewähren sein (Beulke/Witzigmann a.a.O.; Börner a.a.O.; Park a.a.O.; SK-StPO/Wohlers a.a.O.). Zur Begründung wird darauf abgestellt, dass die effektive Durchführung der Zwangsmaßnahme die Ausnutzung eines Überraschungsmoments erfordere und dieser in dem Moment entfalle, in dem der Besch. vom Haftbefehl Kenntnis erlangt. Ein zusätzlicher Ansporn zur Flucht erwachse für den Besch. durch die Kenntnis der Akten nicht (Beulke/Witzigmann a.a.O.). Allenfalls wenn konkrete Tatsachen eine Verdunkelungsgefahr belegten, komme eine andere Beurteilung in Betracht (Beulke/Witzigmann a.a.O.; Park a.a.O.).
d) Der Anspruch auf Akteneinsicht im Falle eines nicht vollzogenen Haftbefehls richtet sich danach, ob das staatliche Geheimhaltungsinteresse auch nach Bekanntwerden des Haftbefehls weiterhin das Informationsinteresse des Einzelnen überwiegt.
Der Erlass eines Haftbefehls beschwert den Besch. (vgl. BVerfG NStZ-RR 1998, 108), denn ihm droht unmittelbar der Freiheitsentzug. Er hat daher grundsätzlich einen Anspruch darauf, zu erfahren, worauf der Staat sein ihn belastendes Vorgehen stützt. Im Fall des noch nicht vollzogenen Haftbefehls erfährt dieser Anspruch seine Begrenzung durch das Geheimhaltungsinteresse des Staates. Es gewährleistet eine funktionstüchtige Strafrechtspflege. Die Sicherung des Rechtsfriedens, der die Strafrechtspflege dient, ist seit jeher eine wichtige Aufgabe staatlicher Gewalt. Ohne sie kann Gerechtigkeit nicht durchgesetzt werden. Die Aufklärung von Straftaten, die Ermittlung des Täters, die Feststellung seiner Schuld und seine Bestrafung obliegen den Organen der Strafrechtspflege, die zu diesem Zweck unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen Strafverfahren einzuleiten und durchzuführen sowie erkannte Strafen zu vollstrecken haben (vgl. BVerfG NJW 1979, 2349 m.w.N.). Der Haftbefehl ist als Zwangsmittel für die Strafrechtspflege von erheblicher Bedeutung. Die rasche und gerechte Ahndung schwerer Straftaten würde in vielen Fällen nicht möglich sein, wenn es den Strafverfolgungsbehörden ausnahmslos verwehrt wäre, den mutmaßlichen Täter schon vor der Verurteilung festzunehmen und bis zum Urt. in Haft zu halten (vgl. BVerfG NJW 1966, 243). Der effektive Vollzug des Haftbefehls ist sicherzustellen.
Von der Kenntnis des Besch. sind daher zunächst solche Informationen abzuschirmen, die seine Flucht erleichtern können. Von Wert sind für den Besch. dabei nicht nur Informationen über die klassischen, allein der Aufenthaltsermittlung dienenden Maßnahmen (Durchsuchungen zum Zweck der Ergreifung oder Maßnahmen der Telefonüberwachung), sondern alle Informationen; die ihm offenbaren könnten, was die Ermittlungsbehörden über sein familiäres und sonstiges soziales Umfeld, seine Kontakte und damit mögliche Anknüpfungspunkte für Aufenthaltsermittlungen in Erfahrung gebracht haben. Seine Flucht erleichtern können ferner Informationen darüber, wer aus seinem sozialen Umfeld im Verfahren mit den Ermittlungsbehörden kooperiert hat und aus diesem Grund nicht um Hilfe bei der Flucht ersucht werden sollte. Selbst wenn die Ermittlungen insoweit unergiebig geblieben sein sollten, wären auch diese sog. negativen Tatsachen dem Besch. für die weitere Flucht von großem Nutzen. Sie verschafften ihm einen vollständigen Überblick über den Ermittlungsstand. Er würde wissen, welche Bereiche seines persönlichen Umfelds bislang nicht in das Visier der Ermittler gelangt sind und damit zur Fortsetzung der Flucht nutzbar blieben.
Um den Vollzug des Haftbefehls bei einem flüchtigen Besch. nicht zu gefährden, können daher regelmäßig auch wesentliche Aktenbestandteile von der Einsicht ausgenommen werden. Denn oftmals werden sich entsprechende Anhalte gerade auch aus Ermittlungen ableiten lassen, die zur Schuld- und Straffrage geführt worden sind und ohne die dem Besch. eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Haftbefehls nicht möglich sein wird.
Die zuvor zitierte Ansicht, die im Fall des Haftgrundes der Fluchtgefahr eine Gefährdung des Untersuchungszweckes ausschließt, wenn der Besch. vom Haftbefehl erfahren hat, verkennt den Nutzen, den ihm die Kenntnis der Akten für die erfolgreiche Fortsetzung der Flucht regelmäßig bringen wird.
Soweit das LG in der angefochtenen Entscheidung auch darauf abgestellt hat, dass eine Einschränkung des Geheimhaltungsinteresses des Staates durch das Vorgehen der Ermittlungsbehörden eingetreten sei, überzeugt dies nicht. Es ist nicht ungewöhnlich, dass der Besch. vom Erlass eines Haftbefehls Kenntnis erlangt, meist weil der erste Zugriff unter seiner Wohnanschrift scheitert und dabei anwesende Familienangehörige oder Bekannte ihm später vom Polizeieinsatz berichten. Es besteht auch die Möglichkeit, dass die Strafverfolgungsbehörden in Fällen schwerer Straftaten mit der Personenfahndung an die Öffentlichkeit treten. In diesen Fällen tritt die Ermittlungsbehörde bewusst "aus dem Verborgenen". Es ist nicht ersichtlich, aufgrund welcher rechtlichen Erwägungen sie in diesen Fällen fortan verpflichtet sein sollte, ihren Ermittlungsstand zu offenbaren, ihren Informationsvorsprung aufzugeben und damit den Vollzug der gerichtlich angeordneten Zwangsmaßnahme der U-Haft zu gefährden.
e) Bereits der Umstand, dass der Besch. sich verborgen hält, rechtfertigt nach Abwägung aller Umstände vorliegend die Versagung der weitergehenden Akteneinsicht. Hinzu tritt im konkreten Fall, dass neben den Haftgrund der Flucht noch der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr tritt. Insoweit wird auf die Ausführungen im Haftbefehl verwiesen.
2. Die Verwertung des Akteninhalts, den der Besch. nicht kennt, verletzt nicht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Zwar gebietet es der Rechtsstaatsgedanke, dass der von einer strafprozessualen Eingriffsmaßnahme betroffene Besch. noch im gerichtlichen, die Rechtmäßigkeit der Maßnahme überprüfenden Verfahren Gelegenheit erhält, sich in Kenntnis der Entscheidungsgrundlagen gegen die Eingriffsmaßnahme und den zu Grunde liegenden Vorwurf zu verteidigen (vgl. BVerfG NJW 2006, 1048). Diesem Grundsatz wird vorliegend aber genügt, indem die vor der Anordnung der U-Haft gem. § 33 Abs. 4 StPO unterbliebene Anhörung des Besch. nach seiner Verhaftung im Rahmen des § 115 Abs. 3 StPO nachgeholt wird und mit dem Freiheitsentzug der Anspruch auf weitergehende Informationen gem. § 147 Abs. 2 S. 2 StPO entsteht.
3. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls gem. § 112 Abs. 1 StPO liegen vor. Der Besch. ist der im Haftbefehl genannten Taten dringend verdächtig. Es bestehen die Haftgründe der Flucht gem. § 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO und der Verdunkelungsgefahr gem. § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO. Insoweit wird auf die Ausführungen im Haftbefehl verwiesen.
Die U-Haft steht auch nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Rechtsfolge (§ 112 Abs. 1 S 2 StPO). ... (KG, Beschluss vom 06.07.2011 - 4 Ws 57/11)
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Solange in einem laufenden Ermittlungsverfahren ein bestehender Ergreifungshaftbefehl gegen den untergetauchten Beschuldigten noch nicht vollstreckt ist, hat der Verteidiger weder einen Anspruch auf Gewährung von Akteneinsicht, noch auf Mitteilung des Haftbefehls (OLG München, Beschluss vom 27.08.2008 - 2 Ws 763/08 zu StPO §§ 147 Abs. 2, 114, 115 Abs. 3).
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Die Zulässigkeit des Rechtswegs nach den §§ 23 ff. EGGVG gegen die Akteneinsichtsanträge des Beschuldigten ablehnenden Entscheidung der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren ist nach der Neuregelung des § 147 StPO nicht mehr gegeben, weil nunmehr in § 147 V 2 StPO der Rechtsbehelf des Antrages auf gerichtliche Entscheidung nach Maßgabe des § 161a III StPO vorgesehen und diese Regelung abschließend ist. Auch bei einer willkürlichen Verweigerung der Akteneinsicht vor Abschluss der Ermittlungen gegenüber einem nicht inhaftierten Gefangenen kommt nur (noch) Rechtsschutz in analoger Anwendung des § 161a III StPO in Betracht (OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.08.2005 - 3 VAs 36/05, NStZ-RR 2005, 376).
***
? ... Die StA bei dem OLG hat in ihrer Stellungnahme v. 25. 2. 2003 hierzu folgendes ausgeführt: ?Die Beschwerde ist gem. § 305 S. 1 bereits nicht zulässig. Als nicht beschwerdefähige Entscheidungen i. S. d. § 305 S. 1 StPO sind auch Verfügungen des Kammervors. zu verstehen (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ 1986, 138; OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 238; Meyer-Goßner, StPO, 46. A., § 305 Rdnr. 3 m. w. N.), wenn sie der Urteilsvorbereitung dienen, bei der Urteilsfällung selbst der nochmaligen Überprüfung unterliegen (OLG Frankfurt - 3 Ws 42/93; Löwe-Rosenberg, StPO, 24. A., § 305 Rdnr. 1) und vom Revisionsgericht unter bestimmten Voraussetzungen überprüft werden können (vgl. BGH, NStZ 1985, 87 f.; OLG Frankfurt a. a. O.). Dies ist für die Verweigerung von Akteneinsicht und von Einsicht in Beweismittel in der Zeit zwischen Eröffnungsbeschl. und Urteilsfällung zu bejahen (OLG Frankfurt - 3 Ws 52/03, 3 Ws 656/01, 3 Ws 73/00; OLG Frankfurt NStZ-RR 96, 238 noch offengelassen, aber mit umfassender Darstellung des Meinungsstandes). Um einen solchen Fall geht es auch vorliegend. Durch Beschl. v. 2. 9. 2002 hat das LG Frankfurt das Hauptverfahren eröffnet. Der Angekl. stützt seinen Antrag, den er über seine Verteidigerin erstmals am 10. 10. 2002 gestellt hat, auf das in § 147 Abs. 1 2. Alt. StPO geregelte Einsichtsrecht der Verteidigung in Beweismittel.
Die Akteneinsicht mit dem ergänzenden Einsichtsrecht in Beweismittel gewährleistet den Anspruch des Angekl. auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren, speziell auf Waffengleichheit (vgl. BVerfG [NJW] 1983, 1044; BGH NJW 1990, 585) und dient vornehmlich der Vorbereitung und/oder Begründung von Beweisanträgen bzw. Beweisanregungen in der laufenden Hauptverhandlung. Wird die Akteneinsicht oder das Einsichtsrecht in Beweismittel nach der Eröffnung oder gar in laufender Hauptverhandlung versagt, steht diese Entscheidung bereits aus diesem Grund in engem inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung. Da die Gewährleistung von Prozeßgrundrechten vornehmste Aufgabe der Fachgerichte ist (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 238 m. w. N.), muß diese Entscheidung vor der Urteilsfällung erneut auf ihre Rechtmäßigkeit hin vom gesamten Gericht überprüft werden. Schließlich unterliegt die Entscheidung jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen der revisionsgerichtlichen Überprüfung, insbes. wegen Verletzung des Prozeßgrundrechts auf ein faires Verfahren oder wegen unzulässiger Beschränkung der Verteidigung (vgl. BGH NStZ, 87; BGH NStZ 1990, 193; OLG Frankfurt 3 Ws 131/96, 3 Ws 565/01, 3 Ws 52/03; KK-Laufhütte, 5. A., § 147 Rdnr. 22; Löwe-Rosenberg, a. a. O., § 147 Rdnr. 171 jew. m. w. N.). Nach der Gegenauffassung, die eine zusätzliche Beschwerdemöglichkeit für geboten erachtet, würde in der Beschwerinstanz ein unzulässiger Eingriff in die Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts erfolgen (vgl. OLG Brandenburg NJW 1996, 67; OLG Stuttgart NJW 1996, 1908).
Auch die (Einzelfall-) Entscheidung des Senats v. 13. 9. 2001 (3 Ws 853/01 [StV 2001, 611]), auf die sich die Bfin. in der Beschwerdeschrift bezieht, steht dem nicht entgegen.
Soweit der Angekl. aus § 147 Abs. 1 2. Alt. StPO einen Anspruch der Verteidigung auf Selbstfertigung oder Überlassung von Fotokopien der durch amtliche Verwahrung sichergestellten Beweismittel - mit Ausnahme der Bekleidungsgegenstände - ableitet und dies verwehrt wird, ist der Angekl. darauf zu verweisen, die unterstellte Beschränkung der Verteidigung in die Beweismitteleinsicht zum Gegenstand der Hauptverhandlung und ggf. der Revision zu machen.'
Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich der Senat an. Die in dem vorliegenden Verfahren sichergestellten Gegenstände unterliegen der Akteneinsicht, wenn sie - wie hier - von der StA verwertet wurden (KMR-Müller, StPO, § 147 Rdnr. 3). Soweit es sich hierbei um Urkunden und Schriftstücke handelt, ist dem Verteidiger - soweit dies technisch möglich ist - Gelegenheit zu geben, von diesen Ablichtungen herzustellen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. A., § 147 Rdnr. 30).
Wird dies - wie vorliegend - vom Vors. nach der Eröffnung des Hauptverfahrens versagt, steht diese Entscheidung in einem engen inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung (vgl. Senatsbeschl. v. 10. 7. 2001 - 3 Ws 656/01 = NStZ-RR 2001, 374). Soweit der Senat in der von dem Bf. in Bezug genommenen Entscheidung (StV 2001, 611) eine andere Auffassung vertreten hat, hält er an dieser nicht länger fest ..." (OLG Frankfurt am Main StV 2004, 362 ff).
***
Da das Recht auf Akteneinsicht nur den Tatsachenstoff erfasst, auf den sich die Hauptverhandlung oder Entscheidung erstreckt, haben zunächst die Verfolgungsbehörden darüber zu befinden, welche Akteninhalte für die anhängige Sache von Bedeutung sind und Inhalt der Ermittlungsakten werden. Ein Akteneinsichtsrecht in die Fallakten der Steuerfahndung besteht allenfalls dann, wenn konkrete Anhaltspunkte für dort niedergelegte verfahrensrelevante Erkenntnisse bestehen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.06.2003 - 2 Ws 1/03, NStZ 2003, 566).
Das Recht des Verteidigers, Akteneinsicht durch Übersendung in seine Kanzlei zu erhalten, erstreckt sich gem. § 58 a II 2 StPO auch auf die Kopie einer Video-Aufzeichnung einer Zeugenvernehmung (OLG Stuttgart StV 2003, 17).
*** (LG)
Auch bei einem in anderer Sache in Strafhaft befindlichen Beschuldigten ist ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung zulässig, wenn die Staatsanwaltschaft die Gewährung von Akteneinsicht verweigert. Die von dem nach § 147 V S. 3 StPO zuständigen Gericht vorzunehmende Interessenabwächung zwischen den Verteidigungsinteressen des Beschuldigten und der Ermittlungsbefugnis der Staatsanwaltschaft kann in der Weise vorgenommen werden, daß der Staatsanwaltschaft eine Frist zur Vornahme weiterer Ermittlungen gesetzt wird, nach deren Ablauf Akteneinsicht zu gewähren ist (LG München I, Beschluss vom 26.02.2004 - 5 Qs 13/04, StV 2006, 11).
Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung wegen Versagung der Akteineinsicht durch die Staatsanwaltschaft ist auch dann zulässig, wenn sich der Beschuldigte infolge von im Ausland vollstreckter Auslieferungshaft nicht auf freiem Fuß befindet. Für die Beschränkung der Akteneinsicht im Ermittlungsverfahren reicht eine nur vage Möglichkeit der Gefährdung des Untersuchungszwecks nicht aus. Die entsprechenden Voraussetzungen unterliegen einer vollständigen gerichtlichen Kontrolle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (LG Regensburg StV 2004, 369 f).
Selbst wenn nach Auffassung der Staatsanwaltschaft eine durchgeführte Telefonüberwachung kein verfahrensrelevantes Ergebnis erzielt hat, sind die Bänder der Telefonüberwachung auf Anforderung des Gerichts zu den Akten zu reichen und stehen der Verteidigung zur Einsichtnahme zu, damit diese überprüfen kann, ob sich aus der Telefonüberwachung Entlastendes ergibt (LG Itzehoe, Beschluss vom 09.11.1989 - 315 Js 20198/86, StV 1991, 555).
*** (AG)
Unabhängig von der Dauer einer Beschlagnahme ist ein tiefgreifender Grundrechtseingriff als Voraussetzung des erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses für die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Beschlagnahme bereits dann gegeben, wenn dem Verteidiger über einen Zeitraum von mehr als fünf Wochen keine Akteneinsicht gewährt und dem Beschuldigten dadurch die Möglichkeit genommen wurde, noch während der Dauer der Beschlagnahme gerichtliche Entscheidung zu beantragen. Einer gerichtlichen Anordnung der Beschlagnahme bedarf es auch dann, wenn Gegenstände, die nach gerichtlicher Anordnung in einem Verfahren beschlagnahmt wurden, für die sie nicht mehr benötigt werden, nunmehr als Beweismittel für ein anderes Verfahren in amtlichem Gewahrsam verbleiben sollen (AG Bremen, Beschluss vom 23.05.2011 - 91a Gs 224/11 zu StPO §§ 98 II, 147; GG Art. 2 I).
Siehe auch unter ?Akteneinsicht - Aussetzung der Hauptverhandlung".
Siehe auch unter ?Auskünfte und Akteneinsicht".
Akteneinsicht des Gefangenen
Siehe unter ?Auskunft an den Betroffenen, Akteneinsicht".
Akteneinsichtsrecht für Beschuldigte ohne Rechtsanwalt
?Das Recht des unverteidigten Beschuldigten nach § 147 VII StPO steht seiner Zweckbestimmung nach dem Recht des verteidigten Beschuldigten auf Akteneinsicht über seinen Verteidiger nach § 147 I StPO gleich. Der unverteidigte Beschuldigte hat, wegen seines Rechtes auf Selbstverteidigung (Art. 6 III lit. b EMRK), einen Anspruch darauf, die Inhalte der Ermittlungsakten in gleichem Umfang nutzen zu können, wie der verteidigte Beschuldigte. Unter bestimmten Voraussetzungen hat somit auch der verteidigte Beschuldigte einen Anspruch auf unmittelbaren, d.h. nicht durch einen Verteidiger vermittelten, Zugang zu den Akten." (HRRS - Dezember 2004, 411 ff = www.hrr-strafrecht.de/hrr/archiv/04-12/index.php?domain_id=5&3?seite=7)
Siehe auch unter ?Auskünfte und Akteneinsicht".
Akteneinsicht für Privatpersonen § 475 StPO
(1) Für eine Privatperson und für sonstige Stellen kann, unbeschadet der Vorschrift des § 406e , ein Rechtsanwalt Auskünfte aus Akten erhalten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. Auskünfte sind zu versagen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat.
(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann Akteneinsicht gewährt werden, wenn die Erteilung von Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern oder nach Darlegung dessen, der Akteneinsicht begehrt, zur Wahrnehmung des berechtigten Interesses nicht ausreichen würde.
(3) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 können amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigt werden. Auf Antrag können dem Rechtsanwalt, soweit Akteneinsicht gewährt wird und nicht wichtige Gründe entgegenstehen, die Akten mit Ausnahme der Beweisstücke in seine Geschäftsräume oder seine Wohnung mitgegeben werden. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
(4) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 können auch Privatpersonen und sonstigen Stellen Auskünfte aus den Akten erteilt werden.
Leitsätze/Entscheidungen:
Eine Person, die nicht am Ermittlungs- bzw. am Strafverfahren im engeren Sinne beteiligt ist, sondern zufällig als Gesprächspartner von einer heimlichen Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme betroffen ist, hat Anspruch auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung unter Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Zu diesem Zweck sind ihr diejenigen Aktenbestandteile zur Verfügung zu stellen, die für die Überprüfung der Anordnungsbeschl. und der Art und Weise der Durchführung erforderlich sind (BGH, Beschluss vom 22.09.2009 - StB 38/09 zu StPO §§ 101 Abs. 7 S. 2, 475 Abs. 1, 477 Abs. 2; GG Art. 103 Abs. 1).
*** (OLG)
Der Umstand, dass ein Zeuge sich zur Auskunftsverweigerung berechtigt wähnt, begründet für den anwaltlichen Zeugenbeistand keinen Anspruch auf Akteneinsicht. Im Hinblick auf die Unbefangenheit bei der bevorstehenden Vernehmung wäre es nicht sachgerecht, dem Zeugen eine Vorbereitung seiner Aussage durch Akteneinsicht zu ermöglichen (KG, Beschluss vom 20.12.2007 - (1) 2 BJs 58/06 - 2 (22/07) zu StPO §§ 475, 477, 55, 147, 406e):
?... Der GBA führt gegen den Besch. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (?militante Gruppe [mg]'). In diesem Verfahren soll Z. als Zeuge vernommen werden. Mit Beschl. v. 22. 10. 2007 hat der Vors. dem Zeugen für die Dauer seiner Vernehmung RA M. gem. § 68b StPO als Zeugenbeistand beigeordnet. Die ebenfalls beantragte Akteneinsicht ist ihm durch den GBA verweigert und lediglich eine Ablichtung des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des BGH gegen B. v. 01. 08. 2007 übersandt worden. Der hiergegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
1. Über den zulässigen Antrag hat gem. §§ 475, 478 Abs. 3 S. 1 i.V.m. §§ 161a Abs. 3 S. 2 bis 4 StPO, 73 Abs. 1, 120 Abs. 3 GVG der Senat zu entscheiden. Soweit § 478 Abs. 3 S. 2 StPO anordnet, daß die Entscheidung ?des Vors.' unanfechtbar ist, wird damit für den Fall, daß die Entscheidung der StA im Ermittlungsverfahren angefochten wird, keine funktionale Zuständigkeit des Vors. begründet oder vorausgesetzt (vgl. KG, Beschl. v. 19. 04. 2001 - 4 VAs 1/01 -; LG Hildesheim, Beschl. v. 26. 03. 2007 - 25 Qs 17/06 - zitiert nach juris). Denn § 478 Abs. 3 StPO entspricht strukturell § 406e Abs. 4 StPO (vgl. BR-Drucks. 65/99, S. 61 ff., 63; Pfeiffer, StPO 5. Aufl., § 478 Rn. 4). Diese Vorschrift weist dem Vors. ?des mit der Sache befaßten Gerichts' die Zuständigkeit allein für den Fall zu, daß die Akteneinsicht während gerichtlicher Anhängigkeit des Verfahrens begehrt wird (vgl. Pfeiffer a.a.O. § 406 Rn. 4 f.). Eine Erweiterung der Zuständigkeit des Vors. zur Entscheidung über Anträge auf gerichtliche Entscheidungen gegen Verfügungen der StA ist mit § 478 Abs. 3 StPO nicht bezweckt.
2. Dem Antrag des RA auf Gewährung von Akteneinsicht kann nicht stattgegeben werden, weil Zwecke des Strafverfahrens entgegenstehen (§ 477 Abs. 2 S. 1 StPO).
a) Dem anwaltlichen Zeugenbeistand steht im Gegensatz zu dem Verteidiger (§ 147 Abs. 1 StPO) ein eigenes Recht auf Akteneinsicht nicht zu. Die Rechtsstellung des anwaltlichen Zeugenbeistands leitet sich aus der des Zeugen ab. Er hat keine eigenen Rechte als Verfahrensbeteiligter und keine weitergehenden Befugnisse als der Zeuge selbst (vgl. BVerfGE 38, 116; LR-Dahs, StPO 25. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 11; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 11, § 68b Rn. 5; KK-Wache, StPO 5. Aufl., § 161a Rn. 3). Einem Zeugen kommt daher, soweit er nicht Verletzter ist, ein Akteneinsichtsrecht lediglich als ?Privatperson' i.S.d. § 475 StPO zu, so daß auch der anwaltliche Zeugenbeistand ein Akteneinsichtsrecht allein nach dieser Vorschrift wahrnehmen kann (vgl. OLG Düsseldorf NJW 2002, 2806; OLG Hamburg, NJW 2002, 1590 [= StV 2002, 297]).
Aufgabe des Zeugenbeistands, ist es, den Zeugen während der Vernehmung bei der sachgerechten Wahrnehmung seiner prozessualen Rechte, insbes. von Auskunftsverweigerungsrechten gem. § 55 StPO oder Zeugnisverweigerungsrechten nach §§ 52 ff. StPO sowie bei der Verteidigung gegen Ordnungsmittel zu unterstützen. Darüber hinaus soll er bei Zeugen, die in ihrer Aussagefähigkeit beschränkt oder in ihrer Aussagebereitschaft gehemmt sind, dazu beitragen, Aussagefehler und Mißverständnisse zu verhindern. Soweit er im vorliegenden Fall dem Zeugen bei der anstehenden Entscheidung behilflich ist, ob er im Hinblick auf § 55 StPO einzelne Fragen nicht beantwortet, muß die Entscheidung jew. für die tatsächlich gestellte Frage getroffen werden und kann sich nicht danach richten, welche Fragen - aufgrund von Akteneinsicht - vorab als möglich angesehen werden. Zu der anstehenden Entscheidung muß der Beistand nicht den Inhalt der Sachakte kennen. Grundlage der Entscheidung ist vielmehr das Wissen oder die Einschätzung des Zeugen selbst, sich bei der wahrheitsgemäßen Beantwortung einer Verfolgung i.S.v. § 55 StPO auszusetzen (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 2002, 2806, 2807).
Die in der Lit. vertretene Ansicht, die ein Akteneinsichtsrecht des Zeugenbeistandes für den Fall fordert, daß anders wirksamer Beistand nicht möglich sei (vgl. KK-Senge, StPO 5. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 18a m.w.N. und § 68b Rn. 9), begegnet Bedenken.
Hiergegen spricht im vorliegenden Fall schon, daß diese Ansicht nicht auf das Verfahrensstadium abhebt, in dem selbst dem Verteidiger gem. § 147 Abs. 2 StPO die Akteneinsicht versagt werden könnte. Sie übersieht, daß der Gesetzgeber im Falle des Akteneinsichtsbegehrens eines Zeugen, der nicht Verletzter ist, den Strafverfolgungszwecken Vorrang eingeräumt hat (§ 477 Abs. 2 S. 1 StPO). Der Beistand darf den Zeugen nicht in der Aussage vertreten oder auf den Inhalt der Aussage Einfluß nehmen. Gerade dies ist aber nicht auszuschließen, wenn der Zeugenbeistand mit dem Zeugen anhand der durch die Akteneinsicht gewonnenen Kenntnisse inhaltliche Fragen erörtert. Erlaubte man dem Zeugen die Akteneinsicht, wäre nicht mehr nachvollziehbar, ob er Sachverhalte unbefangen aus seiner Erinnerung oder auf Grund der - ihm von seinem Beistand vermittelten Aktenlage darstellt. Vorhalte als Gedächtnisstütze würden ihren Sinn verlieren (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.). Die daraus resultierende Gefahr der Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung kann regelmäßig nicht hingenommen werden. Die Regelungen der §§ 58 Abs. 1 S. 1 und 243 Abs. 2 S. 1 StPO, welche die Unbefangenheit des Zeugen bei seiner Aussage sicherstellen sollen, zeigen, daß dem Gesetzgeber bewußt war, daß Qualität und Beweiswert einer Zeugenaussage ganz erheblich herabgesetzt sind, wenn dem Zeugen die Angaben des Angekl. oder der anderen Zeugen bekannt sind (vgl. von Schlieffen in Krekeler/Löffelmann, AnwK-StPO, Vorbemerkung zu § 48 Rn. 8). Folgerichtig hat die Rspr. wiederholt entschieden, daß der Zeuge seine Aussage ohne Kenntnis dessen machen soll, was Angekl. und andere Beweispersonen bekunden. Dadurch soll seine Unbefangenheit und seine Selbständigkeit der Darstellung erhalten bleiben (vgl. BGHSt 3, 386, 388; BGHR StPO § 338 Nr. 6 Zuhörer 6, 7). Eine Einsicht in die vollständigen Akten, insbes. in die Teile, die die Angaben anderer Zeugen und des Angekl. betreffen, verbietet sich daher grundsätzlich. Den Interessen des Zeugen kann regelmäßig durch Mitteilung des Beweisthemas und ggf. - wie vorliegend geschehen - durch Erteilung von Auskünften aus der Akte ausreichend Rechnung getragen werden.
Soweit der Ast. meint, die Beratung des Zeugen Z. über seine Rechte aus § 55 StPO nur in Kenntnis des Akteninhalts wahrnehmen zu können, ist zu bedenken, daß die Entscheidung über die Verfolgungsgefahr eine Rechtsfrage ist, über die das Gericht, nicht aber der Zeuge oder der Angekl. zu entscheiden hat (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 55 Rn. 10). Der Zeuge, der sich zur Auskunftsverweigerung berechtigt wähnt, ist auch im Ermittlungsverfahren ausreichend dadurch geschützt, daß ihm gem. § 161a Abs. 3 StPO der Weg zu einer gerichtlichen Entscheidung freisteht, - falls er mit Zwangsmitteln zu seiner Aussage bewegt werden soll. Im Falle einer unterlassenen Belehrung oder fehlerhaften Anwendung des § 55 StPO ist er zudem durch ein Verwertungsverbot in einem späteren Verfahren gegen sich geschützt (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Einleitung Rn. 55a und § 55 Rn. 17 m.w.N.).
b) Hinzu kommt, daß die Akteneinsicht durch den Zeugenbeistand in das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgende Recht des Besch. auf informationelle Selbstbestimmung eingreift. Die Vorschrift des § 406e StPO zeigt, daß der Gesetzgeber ?im schwierigen Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz, Verteidigungsinteressen, Wahrheitsfindung, Funktionsinteressen der Strafrechtspflege und dem legitimen, verfassungsrechtlich abzuleitenden Informationsanspruch des Verletzten einen vertretbaren Ausgleich' (LR-Hilger, StPO 25. Aufl., § 406e Rn. 3; vgl. auch BGHSt 39, 112, 116) gesucht hat und nur dem verletzten Zeugen regelmäßig ein Akteneinsichtsrecht zubilligen wollte. Selbst diesem insoweit begünstigten Zeugen kann nach § 406e Abs. 2 StPO im Interesse der Wahrheitsfindung und der Verfahrensökonomie die Akteneinsicht versagt werden. Erst recht ist daher dem nicht durch die Straftat verletzten Zeugen und seinem Beistand die Akteneinsicht zu verweigern, wenn dies die Verfahrenszwecke gefährdet.
c) Im Interesse der Wahrheitsfindung und einer unbeeinflußten Zeugenaussage ist die gem. § 475 Abs. 2 StPO grundsätzlich mögliche Akteneinsicht hier zu versagen, weil Zwecke des Strafverfahrens entgegenstehen (§ 477 Abs. 2 StPO). Im Hinblick auf die Unbefangenheit bei der Vernehmung wäre es nicht sachgerecht, dem Zeugen eine Vorbereitung seiner Aussage durch Akteneinsicht zu ermöglichen. Das dem Zeugen durch die Übersendung des Haftbefehls sowie durch das Schreiben des GBA v. 19. 10. 2007 mitgeteilte Beweisthema - sein enger Kontakt zu dem Besch. - bildet den Rahmen der anstehenden Zeugenbefragung. Der Zeuge hat sich aufgrund des Beweisthemas vorzubereiten und nicht aufgrund der Bewertung der verfahrensgegenständlichen Akten. Den schutzwürdigen Interessen des Zeugen ist durch die ihm gegebenen Informationen hinreichend Genüge getan. ..."
*** (LG)
Ein Beschuldigter kann die Gewährung von Akteneinsicht an Dritte gem. § 475 StPO entsprechend § 406 e StPO nach § 161 a Abs. III StPO anfechten. Da bei einer nach § 475 StPO gewährten Akteneinsicht eine vorherige Anhörung des Beschuldigten nicht erforderlich ist, kann er die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit beantragen. Bei der Bewertung des schutzwürdigen Interesses des Beschuldigten an der Versagung der Akteneinsicht ist der Umstand zu berücksichtigen, daß die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind und damit noch nicht genügenden Anlaß für die Erhebung einer Anklage bieten. Die Unschuldsvermutung gebietet grundsätzlich die vertrauliche Behandlung des Tatvorwurfs (LG Dresden, Beschluss vom 06.10.2005 - 3 AR 8/05, StV 2006, 11).
Siehe auch unter ?Auskünfte und Akteneinsicht".
Akteneinsicht für Schöffen
Die Schöffen dürfen die Akten nicht einsehen. In Ausnahmefällen kann in Erwägung gezogen werden, Schöffen einzelne Aktenbestandteile zur Verfügung zu stellen, wenn dies notwendig ist, den Gang der Beweisaufnahme besser nachvollzeihen zu können (vgl. BGH MDR 1973, 19; BGH NJW 1987, 1209).
Akteneinsicht während der Hauptverhandlung
Das Einsichtrecht des Verteidigers besteht während des gesamten Verfahrens. Der Grundsatz soll aber nicht für den Verfahrensabschnitt der Hauptverhandlung gelten, da das Gericht die Akten für die Hauptverhandlung benötigt (OLG Stuttgart NJW 1979, 559 f). Ausnahmen gelten für folgende Fälle:
- Der Verteidiger wird erst während der Hauptverhandlung bestellt oder gewählt.
- Der Verteidiger hat zuvor keine ausreichende Akteneinsicht gehabt.
Siehe dazu auch unter ?Akteneinsicht des Verteidigers".
Alibibehauptung
?... Im Fall II. 5. der Urteilsgründe - sexueller Missbrauch eines Kindes gemäß § 174 Abs. 4 Nr. 1 StGB - hat sich das Landgericht durch die Aussage der elf Jahre alten Zeugin K. von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt. Der Schuldspruch hat in diesem Fall keinen Bestand, weil das Landgericht eine im Ansatz akzeptierte Alibibehauptung nicht erschöpfend ausgewertet hat (vgl. BGH NJW 2003, 150, 152; 2006, 925, 928; Brause NStZ 2007, 505, 506).
Das Landgericht hat Bekundungen der damaligen Freundin des Angeklagten ?als richtig unterstellt' (UA S. 53), dass der Angeklagte sie gegen 12:05 Uhr mit dem PKW an ihrer Arbeitsstelle abgeholt hatte und nach einer 15 Minuten dauernden Fahrt zu dem etwas außerhalb Northeims gelegenen Marktkauf gefahren sei, wo sie einen 30 bis 35 Minuten dauernden Einkauf getätigt hätten. Dessen Bezahlung erfolgte laut elektronisch erstelltem Beleg um 13:17 Uhr per ec-Karte, die Belastung des Kontos des Angeklagten um 13:29 Uhr (UA S. 53). Das Landgericht sieht in der Differenz von 20 Minuten zwischen dem Ende des Einkaufs, wie ihn die Zeugin geschildert hat (12:50 bis 12:55 Uhr), und dem durch den Zahlungsbeleg ausgewiesenen Zeitpunkt(13:17 Uhr) einen Zeitraum, den der Angeklagte zur Tatausführung genutzt hat (UA S. 53 f.).
Diese Beweisführung lässt - abgesehen von näheren Überlegungen zum Aufenthalt des Angeklagten beim Bezahlvorgang - schon außer Acht, dass es angesichts des Einkaufsendes um 12:50 Uhr ausgeschlossen erscheint, dass der Angeklagte zur Tatzeit ?kurz vor 13:00 Uhr' (UA S. 21) an dem nicht offensichtlich in unmittelbarer Nähe des Marktkaufs befindlichen Tatort erscheinen konnte. Darüber hinaus hat das Landgericht den Beweiswert der elektronisch erstellten Zahlungsbelege nicht ausgeschöpft (vgl. auch BGH wistra 2007, 108, 109). Eventuell hätten freilich auch die Zeitangaben der Zeugin, der mehr als zwei Jahre zurückliegende Einkauf habe 30 bis 35 Minuten gedauert, kritischer bewertet werden müssen. Von alldem war das Landgericht nicht etwa durch die besondere Qualität der Aussage der Belastungszeugin enthoben. ..." (BGH, Beschluss vom 05.08.2008 - 5 StR 319/08)
Allgemeiner Revisionsgrund § 337 StPO
(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.
(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... So fehlt es schon an einer ausreichenden Darstellung der Aussagen der beiden Belastungszeugen. In einem Fall, in dem ein Angeklagter zwar nicht allein, aber doch überwiegend durch die Angaben selbst tatbeteiligter Zeugen überführt werden soll, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung zu beeinflussen geeignet sind, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGH NStZ-RR 1996, 300). Dazu ist es jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden zur Würdigung der widersprüchlichen Aussagen der in ein Geflecht illegalen Rauschgifthandels verwickelten Auskunftspersonen, deren Motivation möglicherweise auf eigene Vorteile oder auf die Abwehr weiterer Beschuldigungen ausgerichtet war, erforderlich, die Umstände der Entstehung und den näheren Inhalt der die Angeklagten belastenden Aussagen sowie deren Entwicklung darzustellen und zu bewerten (vgl. BGH, Beschl. v. 4. August 2004, 5 StR 267/04). Dies gilt um so mehr, wenn sich nicht von selbst versteht, auf welchen eigenen Wahrnehmungen der Auskunftspersonen Feststellungen zu zentralen Einzelheiten des Hergangs der Taten, wie hier zum Umfang der in den verschiedenen Fällen beschafften Rauschgiftmengen, beruhen könnten.
Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe, die schon den Inhalt der Aussagen beider Zeugen in der Hauptverhandlung nicht im Zusammenhang, sondern nur bruchstückhaft und in detailarmer Weise wiedergeben, nicht gerecht. In Bezug auf den Zeugen H. wird zwar mitgeteilt, dieser Zeuge sei am 18. Dezember 2006 festgenommen und sogleich befragt worden, in Folge einer starken Entzugssymptomatik aber erst in einer späteren Vernehmung vom 26. Februar 2007 zu einer wirklich geordneten Zusammenfassung des Gesamtkomplexes in der Lage gewesen (UA S. 17). Nähere Angaben zum Inhalt und Verlauf der verschiedenen Vernehmungen des Zeugen im Zuge der Ermittlungen finden sich nicht; das Urteil beschränkt sich vielmehr auf die Angabe, es sei in deren Verlauf zu vereinzelten Abweichungen bezüglich der Weiterveräußerungshandlungen gekommen, ohne mitzuteilen, worin diese liegen.
Auch in Bezug auf den Zeugen Ku. ist den Urteilsgründen lediglich zu entnehmen, es habe im Verlauf seiner Aussagen Abweichungen zum Beginn der Geschäftsbeziehung gegeben, und erst später habe der Zeuge dann ?reinen Tisch gemacht' (UA S. 20). Diese Angaben lassen weder erkennen, um welche Abweichungen es sich dabei im Einzelnen gehandelt hat, noch unter welchen Umständen und mit welchem konkreten Ergebnis der Zeuge im Zuge der Ermittlungen vernommen worden war, noch welche Feststellungen zum Nachteil der Angeklagten auf seine Aussage gestützt werden konnten.
Darüber hinaus ist die pauschale Angabe, auch zwischen den Aussagen beider Zeugen habe es ?zwar nicht im Kern, aber doch in Randdetails' geringfügige Abweichungen gegeben, ?die zwar ihre Glaubwürdigkeit nicht in Zweifel ziehen, aber die Möglichkeit einer Abstimmung fern liegend erscheinen lassen' (UA S. 20), in Ermangelung näherer Ausführungen zum Inhalt dieser Abweichungen einer Überprüfung durch das Revisionsgericht nicht zugänglich. ..." (BGH, Beschluss vom 14.05.2008 - 2 StR 147/08)
***
?... Auf einem Verstoß gegen das Gebot, das nicht bereits vollständig mit Gründen in das Protokoll aufgenommene Urteil unverzüglich zur Akte zu bringen, kann der bereits vor der Urteilsabsetzungsfrist verkündete Urteilsspruch nicht beruhen im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO (Rieß NStZ 1982, 441, 442; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, 25. Aufl. § 275 Rdn. 75; Schlüchter/Frister in SK-StPO § 275 Rdn. 11; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 275 Rdn. 28). Dementsprechend ist die Nichteinhaltung der in § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 StPO bestimmten Höchstfrist für die Absetzung des Urteils in § 338 Nr. 7 StPO als absoluter Revisionsgrund ausgestaltet; denn ansonsten könnte auch die Überschreitung dieser Frist der Revision in keinem Fall zum Erfolg verhelfen. Ob in Fällen, in denen eine nach § 275 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 StPO erheblich verlängerte Urteilsabsetzungsfrist zwar gewahrt, jedoch das Unverzüglichkeitsgebot des § 275 Abs. 1 Satz 1 StPO verletzt wird, unter besonderen Umständen eine mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbare Verzögerung des Verfahrensabschlusses anzunehmen ist, die - wie bei sonstigen unvertretbaren Verzögerungen des Revisionsverfahrens - vom Revisionsgericht zu kompensieren ist, und ob dies, da der Verfahrensverstoß vor Beginn der Revisionsbegründungsfrist läge, nur auf entsprechende Verfahrensrüge geschehen könnte, braucht der Senat nicht zu entscheiden; denn ein derartiger Sachverhalt liegt hier nicht vor. ... (BGH, Beschluss vom 16.03.2006 - 3 StR 27/06)
Unterläßt der Vorsitzende eine Entscheidung über die Vereidigung, kann das Urteil auf dem Verfahrensfehler nur beruhen, wenn es bei einer ordnungsgemäßen Entscheidung zu einer Vereidigung des Zeugen gekommen wäre, und wenn sodann nicht auszuschließen wäre, daß der Zeuge in diesem Falle andere, wesentliche Angaben gemacht hätte (BGH, Beschluss vom 17.08.2005 - 2 StR 284/05).
*** (OLG)
Einem Angeklagten, der die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrscht, ist die Anklageschrift mit einer Übersetzung in eine ihm verständliche Sprache bekanntzugeben. Auf die Revision des Angeklagten ist ein Urteil aufzuheben, wenn nicht auszuschließen ist, dass der in der Hauptverhandlung unverteidigte und sich nicht zur Sache einlassende Angeklagte eine andere und erfolgreichere Verteidigungsstrategie gewählt hätte, wenn ihm die Anklageschrift schon vorher mit einer Übersetzung in seine Muttersprache bekanntgegeben worden wäre (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.05.2010 - 2 Ss 45/10 zu StPO §§ 201, 337; MRK Art. 6 Abs. 3 lit. a und b).
***
Bestellt das Gericht aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung einen vom Angeklagten nicht gewünschten Pflichtverteidiger, kann - nach den Gegebenheiten des Einzelfalls - der Angeklagte Grund zur Annahme einer Befangenheit des Richters haben. Werden einem neu bestellten Pflichtverteidiger die Akten ohne weiteres in seine Kanzleiräume überstellt, kann sich bei der Verweigerung der Mitgabe der Akten in die Geschäftsräume des Wahlverteidigers der Eindruck einer Ungleichbehandlung aufdrängen, was die Besorgnis der Befangenheit zur Folge haben kann (OLG Dresden, Beschluss vom 17.07.2009 - 1 Ss 347/09 zu StPO §§ 24, 338 Nr. 3, 213, 147 Abs. 4).
***
Wird die Revision des Angeklagten gem. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen, ohne daß das Revisionsgericht berücksichtigt hat, daß während des Revisionsverfahrens eine konventionswidrige Verfahrensverzögerung eingetreten ist, ist dies auf die Gegenvorstellung des Angeklagten durch Abänderung der Entscheidung (Festlegung eines Vollstreckungsabschlags) zu korrigieren (OLG Nürnberg, Beschluss vom 27.04.2009 - 1 St OLG Ss 78/08 zu StPO §§ 349 Abs. 2, 337; MRK Art. 6 Abs. 1 S. 1; StGB § 51).
***
Ist das Blutalkoholgutachten nicht prozeßordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt worden, ist aber dessen Inhalt in der Hauptverhandlung erörtert und nicht bestritten worden, so beruht das Urteil nicht darauf, daß das Gutachten nicht verlesen worden ist (OLG Düsseldorf StV 1995, 120 ff).
*** (LG)
Bei einer Beschwerde gegen einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss kann das Beschwerdegericht seine Entscheidung nur auf diejenigen Tatsachen und Beweismittel stützen, die dem Beschuldigten durch Akteneinsicht der Verteidigung bekannt sind. Wird dem Verteidiger gem. § 147 Abs. 2 StPO die Akteneinsicht vollständig verweigert, fehlt jegliche Grundlage, um die angegriffene Entscheidung zu bestätigen (LG Berlin, Beschluss vom 18.02.2010 - 536 Qs 1/10).
***
Alkohol
Siehe unter ?Blutalkoholkonzentration" und ?Trunkenheit im Verkehr".
Alkohol und berauschede Mittel - 0,5 Promille-Grenze § 24 a StVG
(1) Ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt.
(2) Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.
(3) Ordnungswidrig handelt auch, wer die Tat fahrlässig begeht.
(4) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu eintausendfünfhundert Euro geahndet werden.
(5) Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium der Justiz mit Zustimmung des Bundesrates die Liste der berauschenden Mittel und Substanzen in der Anlage zu dieser Vorschrift zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies nach wissenschaftlicher Erkenntnis im Hinblick auf die Sicherheit des Straßenverkehrs erforderlich ist.
Leitsätze/Entscheidungen:
Zur Verfassungsmäßigkeit von § 24 a Abs. 2 StVG. Nicht jeder Nachweis von THC im Blut eines Verkehrsteilnehmers reicht für eine Verurteilung nach § 24 a Abs. 2 StVG aus. Festgestellt werden muß vielmehr eine Konzentration, die es entsprechend dem Charakter der Vorschrift als eines abstrakten Gefährdungsdeliktes als möglich erscheinen läßt, daß der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war (hier: THC-Konzentration von unter 0,5 ng/ml; BVerfG, Beschluß vom 21.12.2004 - 2 BvR 2652/03).
*** (OLG)
Für die Annahme von Fahrlässigkeit reicht die Annahme einer über dem Grenzwert der jeweiligen Substanz im Blut liegenden Wirkstoffkonzentration allein nicht aus. Vielmehr ist die Vorstellung des Betroffenen unter Würdigung sämtlicher zur Verfügung stehender Beweismittel vom Tatgericht festzustellen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.08.2010 - 2 Ss-OWi 166/10 - AG Frankfurt):
?... Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung berauschender Mittel eine Geldbuße von 500,-- ? festgesetzt sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Dagegen wendet er sich mit der auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; eines Eingehens auf die Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.
Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung nicht. Zwar begegnen die Feststellungen zur objektiven Tatseite keinen Bedenken, jedoch fehlt es an den erforderlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite, welche ein zumindest fahrlässiges Verhalten des Betroffenen begründen könnten. Der Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft hat dazu in seiner Zuschrift vom 03. August 2010 ausgeführt:
?Das angefochtene Urteil geht zwar von Fahrlässigkeit aus, macht aber insoweit keine weiteren Ausführungen, obwohl dies erforderlich gewesen wäre, da sich der Fahrlässigkeitsvorwurf aufgrund der Feststellungen zur objektiven Tatseite nicht von selbst ergab (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., Rn. 7 zu § 267).
Fahrlässiges Handeln i.S.d. § 10 OWiG liegt vor, wenn der Täter die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, außer Acht lässt und deshalb entweder die Tatbestandsverwirklichung nicht erkennt bzw. nicht voraussieht - unbewusste Fahrlässigkeit - oder die Möglichkeit einer Tatbestandsverwirklichung zwar erkennt, aber mit ihr nicht einverstanden ist und ernsthaft darauf vertraut, diese werde nicht eintreten - bewusste Fahrlässigkeit (vgl. Göhler, OWiG, 15. Aufl., Rn. 6 zu § 10).
Bezogen auf den Tatbestand des § 24 a Abs. 2 StVG bedeutet dies, dass dem Betroffenen nachzuweisen ist, dass er die Möglichkeit fortdauernder Wirkung des berauschenden Mittels entweder erkannt hat oder zumindest hätte erkennen können und müssen. Denn der Vorwurf der schuldhaften Tatbegehung bezieht sich nicht allein auf den Konsumvorgang, sondern auf die Wirkung des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt. Fahrlässig handelt danach, wer in zeitlicher Nähe zum Fahrtantritt Cannabis konsumiert hat und sich dennoch an das Steuer seines Fahrzeuges setzt, ohne sich bewusst zu machen, dass der Rauschmittelstoff noch nicht vollständig unter den analytischen Grenzwert von 1,0 ng/ml abgebaut ist (OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 13.08.2009 - 2 Ss OWi 228/09; Beschluss vom 16.02.2010 - 2 Ss-OWi 658/09; KG Berlin NZV 2009, 572 f.).
Für die Annahme von Fahrlässigkeit reicht die Annahme einer über dem Grenzwert der jeweiligen Substanz im Blut liegenden Wirkstoffkonzentration - die hier gemessen wurde - allein nicht aus. Vielmehr ist die Vorstellung des Betroffenen unter Würdigung sämtlicher zur Verfügung stehender Beweismittel vom Tatgericht festzustellen (OLG Hamm, Beschluss vom 20.05.2008 - 5 Ss OWi 282/08, zitiert nach juris).
Zwar steht dabei der Annahme der fahrlässigen Tatbestandsverwirklichung nicht entgegen, wenn das Bewusstsein des Betroffenen keine spürbare Wirkung oder gar eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit umfasst, vielmehr muss ein Betroffener die Unberechenbarkeit von Rauschdrogen in Rechnung stellen. Ausreichend ist, dass der Kraftfahrer das Fahren unter der Wirkung des Rauschgiftes für möglich hält. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Rauschmittelkonsum in zeitlicher Nähe zum Fahrtantritt stattfand. An der Erkennbarkeit der fortwährenden Wirkung des Rauschgiftes kann es aber fehlen, wenn zwischen Drogenkonsum und Fahrt eine größere Zeitspanne liegt. Das ist in der Rechsprechung bei mehreren Tagen, aber auch schon bei einem Zeitraum von mehr als 28 Stunden oder 23 Stunden angenommen worden. In solchen Fällen muss der Tatrichter nähere Ausführungen dazu machen, aufgrund welcher Umstände der Betroffene hätte erkennen können, dass der Rauschmittelkonsum noch Auswirkungen haben konnte (Senat a.a.O., jeweils mit w.N.).
Das angefochtene Urteil lässt demgegenüber allerdings sowohl Feststellungen zur spürbaren Wirkung des Rauschmittels wie auch dazu vermissen, dass es für den Betroffenen bei Einhaltung zumutbarer Sorgfalt erkennbar gewesen wäre, dass die THC-Konzentration in seinem Blut bei Antritt der Fahrt den maßgeblichen Grenzwert noch nicht unterschritten hatte.
Auch hat das Amtsgericht keine ausreichenden Feststellungen zum Zeitpunkt des Konsums getroffen. Zwar wird in den Urteilsgründen ausgeführt, dass der Betroffene unter der Wirkung von Cannabis stand und er im Rahmen einer informatorischen Anhörung gegenüber den ihn kontrollierenden Polizeibeamten angegeben habe, ein oder zwei Tage zuvor Marihuana konsumiert zu haben (UA S. 3). Letzteres lässt eher auf eine größere Zeitspanne, zumindest mehr als 24 Stunden, zwischen Drogenkonsum und Fahrtantritt schließen. Auch die Tatsache, dass der Betroffene nach den Bekundungen des Zeugen POK ? einen ?zittrigen Eindruck" gemacht habe und seine ?Pupillen auffällig" gewesen seien, vermag einen zeitnahen Drogenkonsum nicht tragfähig zu belegen, da diese Erscheinungen nicht näher konkretisiert werden.
Da der Zeitraum somit insgesamt vage bleibt, kann nicht auf einen Rauschmittelkonsum in zeitlicher Nähe zum Fahrtantritt geschlossen werden.
Im Übrigen kann zwar die Voraussehbarkeit der Tatbestandsverwirklichung auf einen besonders hohen Messwert gestützt werden (vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 17.02.2006 - ?2 (B) 51/05, zit. nach juris, für eine 44-fache Überschreitung des Grenzwertes bei THC). Bei der hier verhältnismäßig geringen Überschreitung (4,6 ng/mg THC) ist dies jedoch nicht möglich (vgl. OLG Celle NZV 2009, 89-90 (für 2,7 ng/ml THC); OLG Hamm - 4 Ss OWi 604/03, zit. nach juris (für 3,0 ng/ml THC)). Das Urteil kann daher keinen Bestand haben. In der neuen Verhandlung wird unter Hinzuziehung eines Sachverständigen zu klären sein, ob angesichts der Messwerte sowie der sonstigen Umstände der Zeitpunkt des Konsums näher eingegrenzt werden kann. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass insoweit noch ergänzende tatsächliche Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung des Betroffenen tragen.'
Dem stimmt das Rechtsbeschwerdegericht in vollem Umfang zu.
2. Für eine Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts besteht kein Anlass. ..."
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Der Umstand, dass ein Betroffener ein Kfz unter der Wirkung berauschender Mittel (hier: Haschisch) geführt hat, stellt keine objektive Bedingung der Strafbarkeit dar; die fortbestehende Rauschwirkung zur Tatzeit ist Tatbestandsmerkmal, auf das sich die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen erstrecken müssen. Für eine Verurteilung wegen fahrlässigen Verstoßes bedarf es daher der tatrichterlichen Überzeugung, dass der Betroffene die Möglichkeit fortdauernder Wirkung eines Haschischkonsums hätte erkennen können und müssen. Dazu bedarf es besonderer Feststellungen, wenn zwischen Rauschmittelkonsum und Tat längere Zeit vergangen ist (OLG Braunschweig, Beschluss vom 27.01.2010 - Ss (Owi) 219/09).
***
Hatte ein Betroffener Betäubungsmittel mit unterschiedlichen Wirkungsqualitäten konsumiert und liegen die Blutkonzentrationen für alle Substanzen jeweils unter den Grenzwerten, die einer verfassungskonformen Anwendung des § 24a II StVG zu Grunde zu legen sind, verbietet es sich, die festgestellten Werte zu addieren. In solchen Fällen ist im Ansatz zu Gunsten des Betroffenen davon auszugehen, dass alle Substanzen in Bezug auf die Fahrtüchtigkeit wirkungslos waren und somit auch keine relevante Kombinationswirkung auftreten konnte. Die Feststellung einer bestimmten Substanzkonzentration im Blutserum ist keine ?objektive Bedingung der Ahndbarkeit" für die Anwendung des § 24a II StVG. Hatte der Betroffene eine der in der Anlage zu § 24a II StVG aufgeführten Substanzen im Blut, kann eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit auch auf andere Weise festgestellt werden (OLG Koblenz, Beschluss vom 25.08.2008 - 1 Ss Bs 19/08, NJW 2009, 1222).
Zum objektiven Tatbestand des § 24a Abs. 2 StVG gehört lediglich das Führen eines Kraftfahrzeuges unter Wirkung eines der in der Anlage zu § 24a StVG genannten berauschenden Mittels. Wird im Blut des Betroffenen eine Wirkstoffkonzentration von 1 ng/ml THC gemessen, ist der sichere Nachweis erbracht, dass der Betroffene noch unter der Wirkung zuvor genossenen Cannabis steht. Vorsatz und Fahrlässigkeit müssen sich dabei nicht lediglich auf den Konsumsvorgang, sondern auch auf die Wirkungen des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt beziehen. An der Erkennbarkeit der Wirkung zum Tatzeitpunkt kann es fehlen, wenn zwischen der Einnahme des Rauschmittels und der Fahrt längere Zeit vergeht. Bei einem mehr als 28 Stunden zurückliegenden Einnahmezeitpunkt bedarf es deshalb näherer Ausführungen dazu, aufgrund welcher Umstände sich der Betroffene hätte bewusst machen können, dass der Haschischkonsum nach mehr als einem Tag noch hätte Auswirkungen haben können (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 16.03.2007 - Ss (B) 5/2007 (18/07), NJW 2007, 1373 f).
Zum objektiven Tatbestand des § 24 a II StVG gehört lediglich das Führen eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung eines in der Anlage zu § 24 a StVG genannten berauschenden Mittels. Wird im Blut des Betroffenen eine Wirkstoffkonzentration von 1 ng/ml THC gemessen, ist der sichere Nachweis erbracht, dass der Betroffene noch unter der Wirkung zuvor genossenen Cannabis steht. Vorsatz oder Fahrlässigkeit müssen sich dabei nicht lediglich auf den Konsumvorgang, sondern auch auf die Wirkungen des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt beziehen. Aus einem THC-Coarbonsäurewert von 6 ng/ml lässt sich nicht auf einen aktuell regelmäßigen Konsum schließen (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29.11.2006 - Ss (B) 44/2006 (57/06) - NJW 2007, 309 ff).
Die Rechtsprechung des BVerfG, wonach eine Verurteilung nach § 24 a Abs. 2 StVG nur dann in Betracht kommt, wenn eine Konzentration des Rauschmittels festgestellt wird, die es möglich erscheinen läßt, daß der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war, ist auch auf Amphetamin anzuwenden. Eine Ahndung nach § 24 a Abs. 2 StVG setzt auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG nicht voraus, daß bestimmte Grenzwerte erreicht werden. Der analytische Grenzwert, ab dem sicher mit dem Auftreten von Ausfallerscheinungen, also mit einer Einschränkung der Fahrtüchtigkeit im Sinn der Rechtsprechung des BVerfG zu rechnen ist, beträgt für Amphetamin 25 ng/ml. Wird dieser Grenzwert nicht erreicht, kommt eine Verurteilung nach § 24 a Abs. 2 StVG nur in Betracht, wenn Umstände festgestellt werden, aus denen sich ergibt, daß die Fahrtüchtigkeit des Angeklagten trotz der verhältnismäßig niedrigen Betäubungsmittelkonzentration zwar nicht aufgehoben, aber doch eingeschränkt war (OLG München, Beschluss vom 13.03.2006 - 4 St RR 199/05).
Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft lässt sich allein durch die Messtechnik des Atemalkoholmessgeräts Dräger Alcotest 7110 Evidential MK III im Grenzwertbereich von 0,25 mg/l eine i.S. von § 24 a I StVG entscheidungserhebliche Beeinflussung durch Hypoventilation (Luftanhalten vor Atmung) nicht sicher ausschließen (insoweit abweichend BayObLG, BayObLGSt 2000, 51 [59] = NZV 2000, 295 [298]). Ob die behauptete Hypoventilation als zutreffend oder als Schutzbehauptung angesehen wird, obliegt der tatrichterlichen Würdigung unter Berücksichtigung etwaiger Besonderheiten des Messvorgangs (Atemtemperatur, Atemvolumen, Expirationsdauer, Atemfluss) und der einzelnen Messergebnisse (OLG Bamberg, Beschl. v. 12.12.2005 - 2 Ss OWi 319/05 zu StVG § 24 a I; StPO §§ 261, 267 V 1).
Die verfassungskonforme Anwendung des § 24 a Abs. 2 StVG gebietet keine Feststellungen zur Wirkung einer Substanz im Sinne einer konkreten Beeinträchtigung, sondern den qualifizierten Nachweis der erfaßten Substanzen als einschränkende objektive Voraussetzung der Ahndbarkeit gemäß § 24 a Abs. 2 S. 2 StVG, der erfordert, daß zumindest der jeweilige analytische Grenzwert erreicht ist (anknüpfend an BVerfG, Beschl. v. 21. 12. 2004 - 1 BvR 2652/03, abgedruckt in NJW 2005, 349 = StV 2005, 383; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 13.04.2005 - 1 Ss 50/05, StV 2005, 443 f).
Das Führen eines Kfz unter der Wirkung des berauschenden Mittels Methamphetamin erfüllt nicht den Tatbestand des § 24 a Abs. 2, 3 StVG, weil es sich bei Methamphetamin nicht um eine der in der Anlage zu § 24 a StVG enumerativ aufgeführten Substanzen handelt. Eine Ahndung nach § 24 a Abs. 2, 3 StVG ist jedoch dann möglich, wenn sich das Methamphetamin bereits teilweise zu Amphetamin abgebaut hatte und das Vorhandensein des Abbauprodukts Amphetamin für einen Zeitpunkt während der Fahrt im Blut nachgewiesen werden kann (OLG Thüringen, Beschluss vom 26.01.2005 - 1 Ss 318/04, StV 2005, 276).
Die Nichteinhaltung der "Wartezeit" von (mindestens) 20 Minuten zwischen (gesichertem) Trinkende und der Durchführung der Atemalkoholmessung hat grundsätzlich die Nichtverwertbarkeit des Ergebnisses zur Folge (BayObLG, Beschluss vom 02.11.2004 - 2 ObOWi 471/04, ZfS 2005, 44).
Alkoholgenuss und Fahrtüchtigkeit
Alkohol gehört zu den alltäglichen Konsumgütern, die wie selbstverständlich konsumiert werden. Wenn anschließend noch mit einem Fahrzeug/Kraftfahrzeug gefahren werden soll, stellt sich die Frage, ob der Betreffende noch fahrtüchtig ist.
Fahruntüchtig ist, wer den Anforderungen schwieriger Verkehrslagen, wie sie jederzeit auftreten können, nicht mehr gewachsen ist bzw. wenn Funktionsstörungen eintreten, die durch Willensanspannung nicht mehr ausgeglichen werden können (BGHSt 19, 243,244).
Unterschieden wird zwischen absoluter und relativer Fahruntüchtigkeit.
- Absolut fahruntüchtig ist derjenige, der eine Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,1 Promille aufweist.
- Relativ fahruntüchtig ist derjenige, der eine Blutalkoholkonzentration zwischen 0,3 - 1,09 Promille und weitere Beweisanzeichen ( Ausfallerscheinungen) aufweist.
Das heißt, auch wenn nur sehr geringe Alkoholkonzentrationen ab 0,3 Promille vorliegen, kann es sein, dass trotzdem eine relative Fahruntüchtigkeit und somit eine Straftat vorliegt.
Beweisanzeichen sind erkennbare Fahrfehler, wie sie beispielsweise oft bei einer Unfallverursachung auftreten können. Hier kann auch ein geringer Alkoholgenuß bereits fatale (strafrechtliche) Folgen haben, wenn der Unfall alkoholbedingt verursacht wurde.
Darüber hinaus ist es verboten, ohne dass irgendwelche Anforderungen an Ausfallerscheinungen gestellt werden, mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille und mehr ein Kraftfahrzeug zu führen. Auch dies führt dann zu einer Ordnungswidrigkeit.
Allgemeine Kriminalität - Entziehung der Fahrerlaubnis
Siehe unter ?Entziehung der Fahrerlaubnis".
Allgemein rechtfertigender Notstand § 34 StGB
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.
Hinweise/Leitsätze/Entscheidungen:
Der allgemein rechtfertigende Notstand ist in § 34 StGB geregelt. Bezogen auf Sachen ist der zivilrechtliche Notstand (§§ 228, 904 BGB) vorrangig.
Der Notstand setzt eine Notstandslage voraus. Erforderlich ist eine gegenwärtige Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes schutzwürdiges und schutzbedürftiges Rechtsgut.
Die Notstandslage darf nicht anders abwendbar sein. Sie muss erforderlich sein. Erforderlich ist eine Notstandshandlung, wenn sie das geeignete, sicherste und mildeste Mittel im Hinblick auf die Abwendung der Gefahr ist.
Das bedrohte Interesse muss gegenüber dem von der Verteidigungshandlung betroffene Interesse wesentlich überwiegen.
Das Mittel muss sozialethisch angemessen sein.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... 2. Demgegenüber ergibt sich - entgegen der Ansicht der Revision des Angeklagten - weder aus dem Prinzip der Menschenwürde ( Art. 1 Abs. 1 GG ) noch aus dem Gesichtspunkt der Straflosigkeit der Hilfe zur Selbsttötung oder aus der jüngsten Rechtsentwicklung des Problemkreises "Sterbehilfe und Sterbebegleitung" eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des Betäubungsmittelgesetzes ; auch eine Rechtfertigung oder Entschuldigung allgemeiner Art kann so hier nicht begründet werden.
a) Allerdings ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der einhelligen Lehre die - theoretisch gegebene - Teilnahme an der Selbsttötung eines vollverantwortlich Handelnden mangels einer Haupttat straflos (Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. vor § 211 Rdn. 10 m. N. der Rspr. und des Schrifttums). Ein solcher Fall liegt hier vor. Frau Dr. T nahm sich, wie die vom Landgericht umfassend festgestellten Einzelheiten ergeben, in voller Selbstverantwortlichkeit das Leben. Der Angeklagte half ihr hierbei. Die Straflosigkeit seines Verhaltens unter dem vorstehend genannten Aspekt beschränkt sich jedoch auf eben diesen und erstreckt sich nicht etwa auf das vom Angeklagten begangene Betäubungsmitteldelikt, mit dem andere Rechtsgüter gefährdet wurden. Der Verordnungsgeber hat mit der Entscheidung, Pentobarbital in die Liste der Betäubungsmittel gemäß § 1 Abs. 1 BtMG aufzunehmen, dem Gesichtspunkt Rechnung getragen, daß ein Umgang mit diesem Betäubungsmittel für die Volksgesundheit grundsätzlich gefährlich ist.
b) Zudem ist in der rechtswissenschaftlichen und rechtspolitischen Diskussion des Problemkreises ?Sterbehilfe und Sterbebegleitung' in jüngster Zeit eine Entwicklung in zweierlei Richtungen zu verzeichnen. Zum einen wird dem Gesichtspunkt der Patientenautonomie ständig zunehmende Bedeutung beigemessen (vgl. Taupitz, Gutachten für den 63. Deutschen Juristentag 2000; Otto, Gutachten für den 56. Deutschen Juristentag 1986; jeweils m. N., und die Sitzungsberichte der jeweiligen Tagungen des Deutschen Juristentages). Zum anderen ist die sog. "indirekte Sterbehilfe" nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 42, 301, 305; vgl. auch BGHSt 37, 376 [BGH 08.05.1991 - 3 StR 467/90] ; 40, 257) [BGH 13.09.1994 - 1 StR 357/94] und einem nahezu einhelligen Grundkonsens im Schrifttum zulässig (Kutzer NStZ 1994, 110, 114 f. [BGH 19.10.1993 - 1 StR 662/93] m. N. ). Dabei wird unter indirekter Sterbehilfe verstanden, daß die ärztlich gebotene schmerzlindernde Medikation beim tödlich Kranken nicht dadurch unzulässig wird, daß sie als unbeabsichtigte, aber unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen kann. Soweit eine solche Medikation den Tatbestand eines Tötungsdeliktes durch bedingt vorsätzliche Verursachung eines früheren Todes verwirklicht, ist das Handeln des Arztes nach § 34 StGB gerechtfertigt, sofern es nicht - ausnahmsweise - dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Patienten widerspricht (Kutzer aaO; vgl. auch die demnächst veröffentlichte Podiumsdiskussion ?Sterbehilfe - Sterbebegleitung' anläßlich der 50. Wiederkehr der Errichtung des Bundesgerichtshofs am 4. Mai 2000).
c) Weder aus diesen Rechtsgesichtspunkten noch aus sonstigen allgemeinen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen kann die Straflosigkeit des Umgangs des Angeklagten mit dem Betäubungsmittel hergeleitet werden. Der Angeklagte handelte weder als Arzt noch als Angehöriger der Verstorbenen oder als sonst persönlich Betroffener, auf dessen Gewissensentscheidung es ankommen könnte. Er agierte vielmehr als persönlich Unbeteiligter im Rahmen einer moralpolitisch getragenen Bewegung, deren Ziele anerkennenswert sein mögen. Sein Handeln war nicht primär vom Zweck der Schmerzlinderung (unter Inkaufnahme eines früheren Todeseintritts) getragen. Vielmehr zielte seine Aktivität direkt auf den Tod.
Zur Beantwortung der Frage, ob solches Verhalten unter den Gesichtspunkten des § 34 StGB gerechtfertigt oder unter den Aspekten des § 35 StGB entschuldigt sein kann, ist von den Grundentscheidungen der Rechtsordnung auszugehen. Das Leben eines Menschen steht in der Werteordnung des Grundgesetzes - ohne eine zulässige Relativierung - an oberster Stelle der zu schützenden Rechtsgüter. Die Rechtsordnung wertet eine Selbsttötung deshalb - von äußersten Ausnahmefällen abgesehen - als rechtswidrig (BGHSt 6, 147, 153), stellt die Selbsttötung und die Teilnahme hieran lediglich straflos.
Dieser grundsätzliche Vorrang des Lebensschutzes ist zu beachten, wenn wie hier in eine Abwägung ein auch in Art. 1 Abs. 1 GG angelegtes Recht des Einzelnen auf ein Sterben unter ?menschenwürdigen' Bedingungen einzustellen ist. Dabei muß auch die Grundentscheidung berücksichtigt werden, die aus der Vorschrift des § 216 StGB spricht, wonach die Tötung auf Verlangen des Getöteten lediglich eine Strafmilderung gegenüber dem Totschlag auslöst. Dies zeigt an, daß die Rechtsordnung die Mitwirkung eines anderen am Freitod eines Menschen grundsätzlich mißbilligt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob Besonderheiten namentlich etwa für das Handeln naher Angehöriger eines Sterbewilligen gelten können. Für Außenstehende wie hier den Angeklagten, der im Rahmen einer Organisation ohne persönliches Näheverhältnis handelte, kann eine Abwägung der genannten Art grundsätzlich nicht zur Straflosigkeit des Umgangs mit Betäubungsmitteln führen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem moralpolitischen Engagement des Angeklagten. ..." (BGH, Urteil vom 07.02.2001 - 5 StR 474/00).
***
?... Der Senat hat zwar in der Entscheidung BGHSt 27, 260 aus § 34 StGB , §§ 228 , 904 BGB den allgemeinen Rechtsgedanken entnommen, daß die Verletzung eines Rechts in Kauf genommen werden muß, wenn es nur so möglich erscheint, ein höheres Rechtsgut zu retten. Hier geht es jedoch nicht um solche präventiven Zwecke. Die vom Oberlandesgericht erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens getroffene Anordnung diente - anders als die zulässige Aufnahme der Erpresserstimme während der Entführungsaktion und deren Abspielen unter einer von potentiellen Zeugen wählbaren Telefonnummer (vgl. Lenckner a.a.O. § 201 Rdn, 31) - nicht der Abwehr einer gegenwärtigen, von dem abgehörten, aber noch nicht identifizierten Sprecher ausgehenden Gefahr, sondern ausschließlich dem Zweck, gegenüber einem hinreichend tatverdächtigen Angeklagten ein zusätzliches Beweismittel für die Hauptverhandlung zu schaffen. Es kann offen bleiben, ob aus dem Umstand, daß eine Klärung eines schwerwiegenden Tatvorwurfs mit den in der Strafprozeßordnung zugelassenen Beweismitteln möglicherweise nicht herbeigeführt werden kann, eine gegenwärtige, anders nicht abwendbare Gefahr für ein höherwertiges Rechtsgut hergeleitet werden kann. Das wäre allenfalls für eine ganz außergewöhnliche Situation, die hier nicht vorliegt, in Betracht zu ziehen (vgl. BGHSt 31, 304, 307; Stern, Zur Frage des ungeschriebenen Notrechts in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, Hrsgb. Bundesministerium des Innern, 1981 S. 171, 183 f.). Sonst würde die wohlabgewogene gesetzliche Regelung der strafprozessualen Eingriffsbefugnisse verschoben (Roxin JuS 1976, 505, 510). Aus BVerfGE 34, 238 ergibt sich nichts anderes.
Ob in Fällen schwerer Kriminalität die heimliche Tonbandaufzeichnung einer Vernehmung des Beschuldigten zum Zwecke der Stimmidentifizierung zulässig ist (so Boujong in KK § 136 a Rdn. 25 m.w.Nachw.; a.A. Laufhütte in KK vor § 94 Rdn. 4; Dürig in Maunz/Dürig/Herzog, Kommentar zum Grundgesetz - Stand Januar 1985 - Art. 2 Abs. 1 Rdn. 39 f.), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn dieser Eingriff wäre - anders als die vom Oberlandesgericht angeordnete, gezielte Verleitung zum unbewußten Schaffen von Anknüpfungstatsachen für ein Sachverständigengutachten - nicht von vornherein ein Verstoß gegen wesentliche Strukturprinzipien des Strafverfahrensrechts, weil der Beschuldigte vor der Vernehmung nach § 136 Abs. 1 StPO über sein Weigerungsrecht belehrt werden muß und § 168 a Abs. 2 StPO die Tonbandaufnahme einer Vernehmung auch gegen den Willen des Beschuldigten, wenn auch nicht heimlich, ausdrücklich zuläßt (z.B. Rieß in Löwe/Rosenberg, StPO Ergänzungsbd. 1980 § 168 a Rdn. 7). ..." (BGH, Urteil vom 09.04.1986 - 3 StR 551/85)
1. Notstandslage
?... Demgemäß könnte im vorliegenden Fall eine Nötigung des Baggerführers in Betracht kommen, wenn dieser die Abbrucharbeiten eingestellt hat, um die Angekl. auf dem Dach des Hauses nicht zu verletzen oder gar zu töten.
Sollte das LG in der neuen Hauptverhandlung zur Annahme einer Nötigung i. S. v. § 240 Abs. 1 StGB gelangen, wird es auch die Rechtswidrigkeit näher zu erörtern haben. Hierzu wird es auch näherer Feststellungen zur Rechtmäßigkeit des Gebäudeabbruchs bedürfen. Den bisherigen Feststellungen kann nicht entnommen werden, daß die nach § 80 Abs. 1 BauO in der damaligen Fassung notwendige Genehmigung der Bauaufsichtsbehörde, die auch bei kommunalen Bauvorhaben notwendig ist (vgl. Gädtke/Temme, BauO, 6. A., § 97 Anm. zu Abs. 1 S. 638), trotz Vorbehalts des Regierungspräsidenten erteilt worden ist. Auf der Grundlage der rechtlichen Beurteilung des Gebäudeabbruchs und der konkreten Umstände des Abbruchs sowie der Räumung des Nachbarhauses werden zunächst die Rechtfertigungsgründe der §§ 32 und 34 StGB zu erörtern sein. Insbes. wird es näherer Erörterung bedürfen, warum die Zerstörung eines Eßservice beim Auszug der Bewohner aus dem Nachbarhaus und die Verschlechterung des psychischen Zustands eines Kindes zufallsbedingt gewesen sein soll. Gegebenenfalls wird auch die Frage der Rechtswidrigkeit nach § 240 Abs. 2 StGB zu prüfen sein. ..." (OLG Köln, Urteil vom 23.04.1985 - Ss 67-68/85 - StV 85, 371 f).
1.1 Gegenwärtige Gefahr
Bei den Notstandsvorschriften der §§ 34, 35 StGB erkennt die Rechtsprechung eine so genannte Dauergefahr als gegenwärtig an, wenn sich die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts so verdichtet hat, dass die zum Schutz des bedrohten Rechtsgutes notwendigen Maßnahmen sofort eingeleitet werden müssen, um den Schaden sicher zu verhindern:
?... a) Es ist bereits fraglich, ob auch in einem Fall wie hier eine gegenwärtige Gefahr, wie sie die Notstandsvorschriften nach §§ 34, 35 StGB voraussetzen, bejaht werden kann. Zwar erkennt die Rechtsprechung eine so genannte Dauergefahr als gegenwärtig an, wenn sich die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts so verdichtet hat, dass die zum Schutz des bedrohten Rechtsgutes notwendigen Maßnahmen sofort eingeleitet werden müssen, um den Schaden sicher zu verhindern (BGHSt 48, 255, 259). Dieser Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem damit zu rechnen war, dass der Aggressionstäter aus dem Schlaf heraus erwachen und sogleich zu körperlichen Misshandlungen schreiten könnte. Demgegenüber ist das Tatgeschehen hier dadurch gekennzeichnet, dass zwischen dem Entschluss zur Tötung des Ehemannes und seiner endgültigen Umsetzung ein Zeitraum von etwa 3 Monaten liegt und selbst der letztlich durchgeführten Erschießung ein Vorbereitungszeitraum von über eine Woche vorausging.
b) Die pauschalen Ausführungen zum Irrtum, wonach die Angekl. ?subjektiv keine andere Möglichkeit sah" und ?nicht erkannt habe, dass sie die Gefahr auf die vorbezeichnete Weise Erfolg versprechend abwenden kann", erscheinen nicht ausreichend. Bei der festgestellten Sachlage, bei der die Annahme eines Putativnotstandes ohnehin fernlag, hätten die behaupteten irrigen Vorstellungen der Angekl. näher und konkret dargelegt werden müssen, damit nachgeprüft werden kann, ob die vorgestellten Umstände, wenn sie zutreffen würden, die Annahme einer Notstandslage i.S. d. § 35 I StGB rechtfertigen könnten.
c) Im Übrigen lässt die Beweiswürdigung der StrK zu diesem Punkt eine Auseinandersetzung mit der nahe liegenden Frage vermissen, ob nicht der wahre Grund für die Entscheidung der Angekl., sich nicht dem Zugriff ihres Ehemannes durch eine Flucht ins Frauenhaus oder entsprechende Maßnahmen, etwa nach dem Gewaltschutzgesetz, zu entziehen, sondern diesen lieber aus dem Wege zu räumen, darin bestand, dass sie eine weitere Tätigkeit in der bislang mit ihrem Ehemann betriebenen Eisdiele und ein Verbleiben in der Ehewohnung sicherstellen wollte. ..." (BGH, Beschluss vom 01.12.2005 - 3 StR 243/05).
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?... Auch nach Notstandsgrundsätzen (§ 34 StGB) lassen sich die Aufzeichnungsmaßnahmen nicht rechtfertigen. Im Regelungsbereich der §§ 100a ff StPO kann für eine Strafverfolgungsbehörde Notwehr oder rechtfertigender Notstand allenfalls in ganz außergewöhnlichen Fällen in Betracht kommen (vgl. Dreher/Tröndle, 41. A., § 201 StGB Rdnr. 8; Lenckner in Schönke/Schröder, 21. A., § 201 StGB Rdnr. 31 ff mwN). Im vorliegenden Fall, der weder hinsichtlich der Tat noch im Hinblick auf die Person des Angekl. außergewöhnliche Umstände aufweist, dienten die behördlichen Maßnahmen jedenfalls nicht der Abwehr einer gegenwärtigen, einem bestimmten Rechtsgut drohenden Gefahr, sondern einzig dem Zweck, ein Beweismittel für die spätere Überführung des Angekl. zu schaffen. Bei dieser Fallgestaltung besteht schon deshalb keine Möglichkeit, § 34 StGB als Rechtfertigungsnorm heranzuziehen (vgl. auch Samson in SK, § 201 StGB Rdnr. 26). ..." (BGH, Urteil vom 17.03.1983 - 4 StR 640/82)
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Wer Betäubungsmittel im Rahmen einer schmerzlindernden Eigentherapie konsumiert und selbst anbaut, kann sich nur ausnahmsweise auf den Rechtfertigungsgrund des Notstands berufen. An eine solche Notstandslage sind hohe Anforderungen zu stellen (KG, Urteil vom 25.05.2007 - 1 Ss 36/07).
Das unerlaubte Mitführen von Butterflymessern in Flugzeugen ist auch dann nicht nach § 34 StGB, § 193 StGB oder Art. 5 GG gerechtfertigt, wenn der Angeklagte als freier Journalist in Absprache und unter Absegnung mit der Redaktionskonferenz des Fernsehsenders die Straftat zur Aufdeckung und Dokumentierung von Sicherheitsmängel verübte. Die aufgedeckten Sicherheitsmängel mögen zwar eine Dauergefahr für die Sicherheit des Lufttransports darstellen, die Kontrollen finden aber nur bei Zutritt zu den Bereichen auf Flughäfen statt, nicht dagegen im Flugzeug (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.10.2005, Az. III-5 Ss 63/05 - 33/05 I zu LuftVG § 11 Abs. 1 Nr. 1, LuftVG § 27, WaffG § 1 Abs. 7, WaffG § 2, WaffG § 37 Abs. 1, StGB § 34, StGB § 193):
?... 7 a) Die Sicherheit des Lufttransports, die durch § 27 IV 1 Nr. 1 LuftVG, § 11 I Nr. 1 LuftsicherheitsG geschützt wird (BT-Dr 13/9513 v. 18. 12. 1997, S. 30), ist ein anderes Rechtsgut i.S. von § 34 S. 1 StGB. Die aufgedeckten Sicherheitsmängel mögen auch eine gegenwärtige Dauergefahr (vgl. BGHSt 48, 255, 258f. = NJW 2005, 2464 = NStZ 2005, 482 = BGHR StGB § 35 I Gefahr, gegenwärtige 3, zu den inhaltsgleichen Merkmalen des § 35 I 1 StGB) für die Sicherheit des Lufttransports gewesen sein. Ob diese Gefahr nicht anders als durch Taten abwendbar (vgl. BGHSt 48, 255, 260f. = NJW 2005, 2464 = NStZ 2005, 482 = BGHR StGB § 35 I Gefahr, abwendbare 2) war, die einen Straftatbestand erfüllten, ist unklar, kann aber offen bleiben. Die konkret ausgeführten Taten waren jedenfalls nicht gerechtfertigt, weil der Angekl. den angestrebten Erfolg - verbesserte Sicherheitskontrollen - durch geringere Rechtsverletzungen hätte erreichen können. ..."
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?... Die für die Anwendung des § 34 StGB vorauszusetzende Notstandslage hat das LG offenbar in einer Gefahr für die Psyche, möglicherweise auch für das Leben der Zeugin C. (Suizidgefahr) gesehen. Daß eine gegenwärtige Gefahr in dieser Hinsicht tatsächlich bestand, hat es jedoch nicht festgestellt.
Gefahr ist ein Zustand, in dem nach den konkreten Umständen der Eintritt eines Schadens nahe liegt (Lackner § 34 Rdnr. 2; LK/ Hirsch StGB 11.A. - 13. Lfg. - § 34 Rdnr. 26). Eine Gefahr ist gegenwärtig, wenn bei natürlicher Weiterentwicklung der Dinge der Eintritt eines Schadens sicher oder doch höchstwahrscheinlich ist, falls nicht alsbald Abwehrmaßnahmen ergriffen werden, oder wenn der ungewöhnliche Zustand nach menschlicher Erfahrung und natürlicher Weiterentwicklung der gegebenen Sachlage jederzeit in einen Schaden umschlagen kann (BGH NJW 1989, 176). Eine gegenwärtige Gefahr in diesem Sinne hat das LG nicht festgestellt. Soweit es ausführt ?Das Ereignis, daß der Heimleiter sexuelle Kontakte zu der Zeugin C. aufgenommen hatte, konnte die vom Angekl. befürchteten psychischen Folgen haben', spricht es damit nur die Möglichkeit, nicht aber die Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewißheit eines Gesundheitsschadens an. Zudem bleibt offen, auf welcher tatsächlichen Grundlage die Annahme des LG beruht, das fragliche Ereignis könne die vom Angekl. befürchteten ?psychischen Folgen' haben. Das LG teilt allein die Einschätzung des Angekl. selbst mit, nach der die Ursache der psychischen Störungen der Zeugin (möglicherweise) in ?sexuellen Mißbrauchserfahrungen' liege und die sexuelle Beziehung der Zeugin zum Heimleiter ?im Sinne der Psychologie' einen sexuellen Mißbrauch darstellen könne. Eine Auseindersetzung damit, ob diese Einschätzung zutrifft, fehlt. Maßstab für die Beurteilung der Frage, ob im Zeitpunkt des Handelns des Angekl. eine gegenwärtige Gefahr im Sinne von § 34 StGB vorlag, ist die objektive nachträgliche Prognose eines sachkundigen Beobachters (LK/ Hirsch § 34 Rdnr. 29; Lackner § 34 Rdnr. 2). Daß das LG über die erforderliche Sachkunde verfügte, läßt sich dem Urteil nicht entnehmen. ..." (BayObLG, Beschluss vom 8.11.1994 - 2 St RR 157/94, StV 1996, 484 f)
1.2. Gefahr für schutzwürdige oder schutzbedürftiger Rechtsgüter - Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum
?... Auch der Rechtfertigungsgrund des Notstandes ( § 34 StGB ) kann den Besitz von Betäubungsmitteln durch den Angeklagten unter den gegebenen Umständen nicht rechtfertigen. Grundsätzlich sind allerdings auch Rechtsgüter der Allgemeinheit notstandsfähig; das ergibt sich aus dem Wesen des Notstandes und gilt auch für die Bekämpfung des Betäubungsmittelhandels (OLG München NJW 1972, 2275 [OLG München 10.03.1972 - 2 Ws 40/72] ; Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 34 Rdn. 10; a.A. Franzheim NJW 1979, 2014, 2017 [VG Karlsruhe 13.03.1978 - V - 135/77] ; Seelmann ZStW 95 (1983), 797, 808). Doch fehlt es jedenfalls daran, daß die Gefahr nicht anders abwendbar war. Schon nach den zeitlichen Abläufen wäre es hier dem Angeklagten ohne Schwierigkeiten möglich gewesen, sich selbst oder durch B. mit der Polizei in Verbindung zu setzen, um die Frage der Zulässigkeit einer Inbesitznahme von Betäubungsmitteln zu klären; hätte daraufhin die Polizei ihr Einverständnis erklärt, wäre der Besitz der Betäubungsmittel durch den Angeklagten jedenfalls aus subjektiven Gründen straffrei geblieben (vgl. Dreher/Tröndle, StGB 44. Aufl. § 16 Rdn. 27). Ein Notstand lag nach alledem hier nicht vor.
Auch dafür, daß der Angeklagte irrtümlich angenommen habe, die Polizei sei damit einverstanden, daß er Betäubungsmittel in Besitz nehme, oder daß er allgemein den Besitz der Stoffe wegen der verfolgten Zielsetzung für erlaubt gehalten habe, ergeben sich aus den Feststellungen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Zudem könnte ein allgemeiner Irrtum, sein Vorgehen sei erlaubt, nur als Verbotsirrtum eingestuft werden. ... (BGH, Urteil vom 05.07.1988 - 1 StR 212/88).
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?... Die Ausführungen des Bekl. in der Berufungsinstanz ändern nichts daran, dass er vorwerfbar fehlerhaft davon ausgegangen ist, die Klägerin nicht von der auch ihr Leben bedrohenden Erkrankung ihres Lebenspartners in Kenntnis setzen zu dürfen. Selbst wenn man ergänzend zum Schutz der Intimsphäre des Patienten den Gesichtspunkt des präventiven Gesundheitsschutzes hinzunimmt, kann nicht zweifelhaft sein, dass dem Schutz des Lebens und der Gesundheit eines konkret von einer Ansteckung bedrohten Patienten Vorrang gebührt und [dies] zu einer Entscheidung zu seinen Gunsten führen muss.
Auch der Senat hat keinen Zweifel daran, dass Aids-Patienten in ihrem Vertrauen auf die Zuverlässigkeit der ärztlichen Verschwiegenheit geschützt werden müssen. Zweifellos liegt hier auch eine Aufgabe des staatlichen Gesundheitsschutzes, die strikte Einhaltung dieses Grundsatzes zu gewährleisten. Dies geschieht im übrigen dadurch, dass § 203 StGB dem Arzt hei jeder Verletzung Strafe androht. Es besteht sicherlich die Gefahr, dass Aids-Infizierte einen Arzt meiden könnten, wenn sie von einer Offenbarung ihrer Krankheit durch diesen ausgehen müssten. Dass daraus mangels genutzter Beratungs- und Heilungschancen ein erhebliches Infektionsrisiko für Dritte entstehen könnte, erscheint nachvollziehbar.
Dieser Grundsatz erfährt jedoch eine Einschränkung durch § 34 StGB, wonach das ärztliche Schweigegebot zum Schutz eines höherwertigen Rechtsgutes durchbrochen werden darf und sogar muss. Auch der Bekl. bezweifelt nicht, dass der Schutz eines Patienten vor einer Aids-Ansteckung, die auch nach erheblichen Fortschritten bei den Behandlungsmöglichkeiten eine tödliche Gefahr darstellt. Vorrang vor allen anderen hier in Betracht kommenden Rechtsgütern beanspruchen kann. ...
Die Auffassung des Bekl., er sei an erster Stelle dazu berufen, das von [dem Patienten] ausgehende Infektionsrisiko für die Klägerin zu beurteilen, ist zwar richtig. Zu korrigieren ist aber die in seinen Darlegungen zum Ausdruck kommende Einstellung dann, wenn ein Arzt einseitig die Interessen des Aids-Kranken in den Vordergrund stellt und vor der Gefahr einer Ansteckung eines Menschen, dessen Schutz ihm ebenfalls anvertraut ist, die Augen verschließt.
Der Senat bleibt dabei, dass der Bekl. keinen begründeten Anlass hatte, dem Verantwortungsbewusstsein des an Aids Erkrankten gegenüber seiner Lebensgefährtin zu trauen. Wenn er meint. ein sich seiner Krankheit - aus naheliegenden Gründen - schämender Patient werde durch das Ergreifen aller gebotenen Präventivmaßnahmen ein Ansteckungsrisiko für Dritte vermeiden, gibt dies keinen Anlass, das insoweit beantragte Gutachten eines mit den psychologischen Problemen HIV-Infizierter vertrauten Sachverständigen einzuholen. ...
Die Rechtsfrage hinsichtlich der Sorgfaltspflichten des Bekl. und des Umfanges der Aufklärungsbedürftigkeit der Klägerin abweichend vom LG zu beurteilen, sieht sich der Senat nicht durch den Inhalt der Zeugenaussage Dr. X gehindert. Eine Wiederholung der Beweisaufnahme ist nicht erforderlich, weil nicht angezweifelt wird, dass die Zeugin die niedergelegten Erklärungen abgegeben hat. Es handelt sich auch vorliegend nicht um schwierige ärztliche Fachprobleme, die zwingend die Einholung eines Gutachtens erforderten. Vielmehr geht es darum, welcher Grad an Sicherheit zu verlangen ist, damit der Arzt davon entbunden sein kann, einer von der Aids-Ansteckung bedrohten Patientin die Erkrankung ihres Lebensgefährten zu verschweigen. Der Hauptgrund für das Versagen des Bekl. liegt nicht darin, dass er gegen ärztliche Standards bei der Behandlung eines Patienten verstoßen hat. Ihm gereicht zum Vorwurf, dass er eine falsch gewichtete Güterabwägung i.S. des § 34 StGB vorgenommen hat. Dies zu beurteilen ist Aufgabe der Gerichte. Es ist dabei kein besonderes richterliches Erfahrungswissen erforderlich, dessen Herkunft und Quellen den Parteien mitzuteilen wären.
Indem der Bekl. von einer Unterrichtung der Klägerin abgesehen hat, ist ihm eine schuldhafte Verletzung von ärztlichen Pflichten anzulasten. Sein Unterlassen ist vorwerfbar, weil er nach richtiger Güterabwägung hätte einsehen müssen, dass er die Klägerin nicht der Todesgefahr, sich an Aids zu infizieren, aussetzen durfte. ..." (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 05.10.1999 - 8 U 67/99, NStZ 2001, 149 f)
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Entgegen OLG Frankfurt, NJW 1994, 946, ist das Hausrecht notwehrfähig, so daß ein Mieter einen Nachbarn mit Gewalt daran hindern darf, in seine - des Mieters - Wohnung einzudringen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.08.1997 - 22 U 17/97, NJW 1997, 3383).
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?... Indes leidet das Urteil an dem sachlichen Mangel, daß die Frage, ob zu Gunsten des Angekl. von dem Vorliegen eines rechtfertigenden Notstands (§ 34 StGB) ausgegangen werden könne, nicht geprüft wurde, obwohl sich dies nach den Urteilsfeststellungen aufdrängte. Immerhin geht das AG davon aus, daß der Angekl. in Klein-Asien politischer Verfolgung ausgesetzt war und unmittelbar aus einem Gebiet in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, in dem Leben oder Freiheit bedroht sind. Wenn dies so ist, drängt sich die Prüfung auf, ob der Angekl. in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für eines der in § 34 StGB genannten Rechtsgüter gehandelt hat, um diese Gefahr von sich abzuwenden und ob daraus eine Rechtfertigung i. S. d. § 34 StGB folgt. Im Rahmen dieser Prüfung wären zum einen die Feststellungen, die das Gericht im Hinblick auf Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention getroffen hat, zu berücksichtigen. Denn in den Rahmen der Prüfung des § 34 StGB können die Überlegungen, die der Sachlage des Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention zugrundeliegen, ohne weiteres eingestellt werden. Dabei hätte es mithin der Prüfung bedurft, welche Art von Repressalien der Angekl. zu befürchten hatte sowie der Bewertung des Gewichts dieser Situation anhand der Voraussetzungen den § 34 StGB.
Hierzu erscheinen weitergehende Feststellungen auch heute noch möglich. Zum einen ist nicht ausgeschlossen, daß der Angekl. in einer neuen Hauptverhandlung persönlich oder durch seinen Verteidiger dazu Erklärungen abgeben kann. Da den Feststellungen des Urteils zu entnehmen ist, daß der Angekl. einen Asylantrag gestellt hat, ist ferner anzunehmen, daß er im Asylverfahren nähere Angaben zu den Gründen gemacht hat, die ihn bewogen haben, sich in der festgestellten Weise zu verhalten.
Da das Urteil eine Auseinandersetzung mit der Frage des rechtfertigenden Notstandes insgesamt vermissen läßt und dies Auswirkungen auf den Schuldspruch haben kann, ist es mit den zugrundeliegenden Feststellungen insgesamt aufzuheben. Ein Freispruch - wie der von der StA bei dem OLG Frankfurt/M. beantragt - im Durchgriff (§ 354 Abs. 1 StPO) kann angesichts des Umstands, daß die Voraussetzungen des § 34 StGB nicht ausreichend geklärt sind, nicht stattfinden. Weder lassen die Feststellungen des angefochtenen Urteils als einzig mögliches Ergebnis einer neuen Verhandlung die Annahme eines rechtfertigenden Notstands erwarten noch erscheint ausgeschlossen, daß in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen auch und insbes. zu Gunsten des Angekl., getroffen werden können. ..." (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 28.10.1996 - 32/96, StV 1997, 78 f).
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?... Damit stand für den Fall der Wiedererlangung des Schlüssels infolge der selbst eingeräumten Alkoholisierung der Angekl. ein Angriff auf das Rechtsgut der Sicherheit des Straßenverkehrs unmittelbar bevor. ..." (OLG Frankfurt, Urteil vom 28.08.1995 - 3 Ss 116/95, NStZ-RR 1996, 136)
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Das Hausrecht ist kein notwehrfähiges Rechtsgut (hier: Widerrechtliche Durchsetzung eines Hausverbots im Selbstbedienungsladen; OLG Frankfurt, Entscheidung vom 01.10.1993 - 10 U 181/92, NJW 1994, 946).
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Auch gegen den Willen des Sorgeberechtigten kann die Tetanusimpfung eines Kindes nach § 34 StGB gerechtfertigt sein (AG Nordenham, Urteil vom 08.06.2007 - 5 Cs 135 Js 59229/04 (241/05)).
2. Notstandshandlung
3. Eignung und Erforderlichkeit der Notstandshandlung
Für das Erfordernis der Geeignetheit der Notstandshandlung reicht es aus, dass die erfolgreiche Abwendung des drohenden Schadens nicht ganz unwahrscheinlich ist. Die Frage, wie hoch die Erfolgswahrscheinlichkeit sein muss, um die Beeinträchtigung des Eingriffsguts zu rechtfertigen, ist im Rahmen der Interessenabwägung zu beantworten (OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.06.2004 - 3 Ss 187/03, StV 2005, 273).
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?... 2. Die Tat des Angekl. ist nicht gerechtfertigt. Rechtfertigungsgründe greifen zu seinen Gunsten nämlich nicht ein.
a) Der Angekl. selbst hält sein Handeln durch einen rechtfertigenden Notstand gem. § 34 StGB für gerechtfertigt. Das ist indessen nicht der Fall.
aa) Es ist bereits sehr zweifelhaft, ob der Angekl. die Tat zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben anderer begangen hat. (Wird ausgeführt.)
bb) Die Frage, ob von einem Castor-Transport eine Gefahr für Leib und Gesundheit der Bevölkerung ausgeht, kann letztlich als entscheidungsunerheblich dahinstehen. Bei dem Mittel, das der Angekl. zur Abwendung der Gefahr ergriffen hat, nämlich öffentlich zur Demontage der Schienen vor dem betroffenen Atomkraftwerk aufzurufen, handelt es sich nämlich nicht um ein solches, durch das die Gefahr nicht anders abwendbar ist. In dem Tatbestandsmerkmal des rechtfertigenden Notstandes, daß die Gefahr nicht anders als durch das gewählte Mittel abwendbar sein darf, sind zwei Grundsätze enthalten, nämlich daß das Mittel zur Abwendung der Gefahr geeignet sein und es sich dabei um das relativ mildeste Mittel handeln muß (vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 25. Aufl., § 34 Rdnr. 18).
Es unterliegt bereits erheblichen Zweifeln, ob das vom Angekl. gewählte Mittel zur Abwendung der Gefahr geeignet ist. Denn durch die Demontage von Schienen, zu der er aufgerufen hat, ließe sich der Castor-Transport allenfalls vorübergehend verhindern. Selbst wenn bei den Aktionen, woran sich zu beteiligen der Angekl. aufgerufen hat, die Demontage von Schienen gelungen wäre, hätte der Schienenstrang jederzeit wieder hergestellt werden können mit der Folge, daß auf ihnen der Castor-Transport letztlich doch hätte durchgeführt werden können.
Darauf, daß die Schienen vor dem Atomkraftwerk Gundremmingen bei den Aktionen vom 3. 3. und 28. 4. 1996 demontiert wurden, kam es dem Angekl. letztlich auch gar nicht an, sondern vielmehr darauf, eine möglichst breite Öffentlichkeit auf den bevorstehenden Castor-Transport und die damit - wie mit der Atomkraft überhaupt - für die Bevölkerung verbundenen Gefahren aufmerksam zu machen und Mitstreiter im Kampf gegen die Atomkraft zu gewinnen. Durch die Aktionen sollte ein deutliches Zeichen der Präsenz der Atomkraftgegner gesetzt und auf ein Umdenken der Verantwortlichen hingewirkt werden. Um sich deren Aufmerksamkeit zu versichern, hat der Angekl. bewußt ein nach der Rechtsordnung verbotenes Mittel - den Aufruf zum Eingriff in fremdes Eigentum - eingesetzt wohlwissend, daß sich dadurch der konkrete Castor-Transport letztlich nicht würde verhindern lassen, jedoch erneut ein Zeichen dafür gesetzt werden könnte, daß die Atomkraftgegner in ihrem Kampf gegen dieselbe nicht müde werden würden. Das vom Angekl. gewählte Mittel stellt sich danach nicht als geeignet, den konkreten Castor-Transport zu verhindern, sondern vielmehr nur als Setzen eines Zeichens im Kampf gegen die Atomkraft dar.
Jedenfalls kann das vom Angekl. gewählte nicht als das relativ mildeste Mittel zur Abwendung der von einem Castor-Transport im besonderen und der Atomkraft im allgemeinen ausgehenden Gefahren angesehen werden. Innerhalb der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland stehen dem Angekl. viele Möglichkeiten zur Erreichung seines Zieles zur Verfügung. Er kann seine Meinung zur Atomkraft jedermann gegenüber in vielfältiger Weise kundtun und von der Richtigkeit seiner Meinung zu überzeugen versuchen. Er kann seine Meinung über Medien verbreiten und öffentlich die Auseinandersetzung mit politisch Andersdenkenden suchen. Er kann eine Partei gründen oder sich einer anschließen, in der er seine politischen Ziele am besten vertreten sieht und dafür kämpfen, daß diese gegebenenfalls in Koalition mit anderen - die politische Mehrheit erreicht und die aus seiner Sicht notwendige Entscheidung zu einem Ausstieg aus der Kernenergie trifft. Er kann sich auch außerhalb der politischen Parteien anderweitigen Institutionen anschließen, in denen er seine Ziele vertreten sieht oder auf besondere Aktionen mit demonstrativem Charakter, die nicht in die Rechtsgüter anderer eingreifen, setzen. Der Angekl. hat es mit anderen Worten - zusammen mit politisch Gleichgesinnten - in der Hand, auf politischem Wege inner- und außerhalb des Parlaments für die von ihm für notwendig gehaltene Stillegung der Atomkraftwerke zu kämpfen. Diese Möglichkeiten muß der Angekl. - wie umgekehrt diejenigen, die für eine weitere Nutzung der Kernenergie eintreten - vorrangig ausschöpfen. Sie sind gegenüber dem von ihm gewählten die relativ milderen Mittel, auf die er zur Erreichung seines Ziels von Rechts wegen beschränkt ist (vgl. zur ähnlich gelagerten Problematik bei der Stationierung von Pershing II-Raketen in der Bundesrepublik Deutschld. Lenckner, JuS 1988, 349 (354)). Darauf, daß Aktionen der vom Angekl. gewählten Art, die einen Eingriff in fremde Rechtsgüter beinhalten, möglicherweise eher in der Lage sind, das Gewissen der Entscheidungsträger anzusprechen als legale Demonstrationen, kommt es nicht an. Selbst wenn dies so wäre, was der Angekl. durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens eines Friedens- und Konfliktforschers unter Beweis gestellt hat, wären Verstöße gegen Tatbestände materieller Strafrechtsnormen nicht gerechtfertigt (vgl. BVerfG, NJW 1993, 2432). Daß jedes andere Ergebnis indiskutabel ist, zeigt sich, wenn man die sich daran knüpfenden Folgen betrachtet. Wäre dem Angekl. die Schienendemontage bzw. der Aufruf zu derselben durch Notstandsrechtfertigung erlaubt, zöge dies auf Seiten des betroffenen Atomkraftwerks bzw. der Deutschen Bahn AG eine Duldungspflicht mit der Folge nach sich, daß diese sich gegen die Schienendemontage nicht wehren dürfte. Die von ihnen zum Schutz ihrer Anlagen hinzugerufenen Polizeibeamten würden zu rechtswidrigen Angreifern, wenn sie die Demonstranten an dem Demontieren der Schienen hinderten. Daß hierdurch die Rechtsordnung auf den Kopf gestellt würde, liegt auf der Hand (vgl. Lenckner, JuS 1988, 349 (354)).
Dem Angekl. ist zuzugeben, daß er - außerhalb der legalen, auf die er verwiesen bleiben muß - zu einem an der untersten Schwelle einer Rechtsverletzung liegenden Gewaltmittel gegriffen hat. Er hat zum Demontieren von Schienen vor den Augen der Öffentlichkeit quasi in einem Festakt aufgerufen, wodurch Schaden an den Gleiskörper nur dann einzutreten drohte, wenn - was allerdings nicht abschließend vorauszusehen war - die Polizei die Demonstranten nicht daran hinderte. Das bleibt, wie aufgezeigt, aber Unrecht. Schäden am Gleiskörper werden bei dieser Fallgestaltung nur dadurch verhindert, daß die Demonstranten durch ein großes Polizeiaufgebot in Schach gehalten werden, dessen Bereitstellung die Allgemeinheit viel Geld kostet. Wenn dem Angekl., was ihm die Kammer ohne weiteres abgenommen hat, auch fern liegt, daß durch die Aktionen, zu denen er aufgerufen hat, Personen zu Schaden kommen oder größerer Sachschaden als durch die Aktion notwendig entsteht, so muß er sich doch fragen lassen, ob sich durch seinen Aufruf nicht auch Personen zum - heimlichen, weil mehr Erfolg versprechenden - Demontieren von Schienen ermutigt fühlen können oder er gewaltbereite Personen, die sich nicht an die von ihm bzw. der Mahnwache Gundremmingen ausgegebenen Regeln zu halten bereit sind, mit anzieht und es so durch seine Aufrufe letztlich doch zu Personen- und größeren Sachschäden, möglicherweise gar einem Castor-Unfall, kommen kann. ..." (LG Dortmund, Urteil vom 14.10.1997 - Ns 70 Js 90/96, NStZ-RR 1998, 139 ff)
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?... 2. Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an der Rechtswidrigkeit seines Tuns, denn die Tat des Angekl. ist durch einen rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) gerechtfertigt.
Nach § 34 StGB handelt nicht rechtwidrig, wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für eines der dort genannten Rechtsgüter eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
a) Die oben unter II. beschriebenen erheblichen gesundheitlichen Beschwerden stellen eine ?gegenwärtige Gefahr für Leib" des Angekl. dar.
b) Diese Gefahr ist auch ?nicht anders abwendbar". Zwar könnten die Schmerzen des Angekl. mit Schmerzmitteln behandelt werden. Jedoch verbietet sich hier - wie auch der Sachverständige betont hat - eine Anwendung dieser Mittel. Der Wirkstoff ASS würde die Magenbeschwerden des Angekl. eher verstärken. Opiate sind auf Grund der latent weiter vorhandenen Suchtproblematik des Angekl. ebenfalls kontraidiziert.
Das THC-haltige Medikament Dronabinol kommt aus mehreren Gründen nicht in Frage. Zum einen ist es derart teuer, dass es vom Angekl. nicht finanziert werden kann (ca. 585 EUR pro Monat !). Wie bereits von Sozialgerichten entschieden worden ist, kommt eine Übernahme durch die Krankenkassen nicht in Betracht (vgl. LSG Baden Württemberg, Urt. v. 25. 4. 2003 - L 4 KR 3828/01). Zum anderen führt die Anwendung von Dronabinol bei dem Angekl. zu erheblichen Hautreizungen, die vermutlich - wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat - durch die chronische Leberzirrhose und die damit einhergehende vermehrte Ausschüttung von Gallensäuren, die sich in der Haut anreichern, verursacht werden. Auf Grund dieser nicht hinzunehmenden Nebenwirkungen kommt eine Medikation mit Dronabinol nicht in Betracht. Weitere legale Behandlungsmöglichkeiten sind nicht bekannt.
c) Bei Abwägung der hier widerstreitenden Interessen ist festzustellen, dass das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Das beeinträchtigte Interesse ist hier die Volksgesundheit, denn (nur) sie soll durch die Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes geschützt werden (vgl. BGHSt 37, 179 = NJW 1991, 307 = NStZ 1991, 392; OLG Karlsruhe, NJW 2003, 598 mwN). Hierbei handelt es sich um ein abstraktes Rechtsgut. Es besteht kein durchgreifender Anhaltspunkt dafür, dass durch die Tat des Angekl. eine konkrete Gefährdung oder Schädigung der Volksgesundheit eintritt. Weder konnte festgestellt werden, dass der Angekl. die von ihm aufgezogenen Betäubungsmittel an andere weitergibt bzw. mit ihnen zusammen nutzt. Noch besteht sonst ein Anhaltspunkt, dass die Betäubungsmittel anders als nur durch den Angekl. selbst verbraucht werden. Auch ist nicht feststellbar, dass der Angekl. selbst - und damit die Volksgesundheit - durch die Nutzung der Betäubungsmittel konkret geschädigt wird. Zwar kann der Konsum von Cannabis nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen durchaus zu körperlichen Schäden führen. Jedoch ist hier zu bedenken, dass der Angekl. durch die Nutzung der von ihm angebauten Betäubungsmittel eine Linderung seiner Beschwerden erfährt. Konkret betrachtet wird die Volksgesundheit in diesem Ausnahmefall also eher positiv als negativ beeinflusst. Spätestens die Abwägung der widerstreitenden Interessen führt dazu, dass das Interesse des Angekl. als erheblich höherrangig angesehen werden muss. Gegenüber der - wie vorstehend ausgeführt - lediglich abstrakten Gefahr für die Volksgesundheit überwiegt das Interesse des Angekl. an der Linderung seiner konkreten und erheblichen gesundheitlichen Beschwerden bei weitem. Vor diesem Hintergrund stellt der Anbau der Cannabispflanzen zum Zwecke der Selbstmedikation ein angemessenes Mittel zur Gefahrenabwehr dar (§ 34 S. 2 StGB). Angesichts des unvermeidbar hohen Verbrauchs der Betäubungsmittel bei der Herstellung u.a. von Sitzbädern ist dem Angekl. hier auch nicht vorzuwerfen, Umgang mit einer über das unbedingt Notwendige hinausgehenden Menge Betäubungsmittel gehabt zu haben (anders als z.B. in dem Urt. des erkennenden SchöffenGer. vom 7. 1. 2004 - [284] 6 Op Js 980/02 Ls [100/02] - sowie dem Urt. der Abt. 283 vom 27. 11. 2003 - [283] 4 Op Js 143/00 Ls [168/00]). ..." (AG Berlin-Tiergarten, Urteil vom 28. 4. 2004 - (284) 6 Op Js 2234/02 Ls (26/03), NStZ 2004, 281 f).
4. Interessenabwägung - wesentliches Überwiegen
?... 7 a) Die Sicherheit des Lufttransports, die durch § 27 IV 1 Nr. 1 LuftVG, § 11 I Nr. 1 LuftsicherheitsG geschützt wird (BT-Dr 13/9513 v. 18. 12. 1997, S. 30), ist ein anderes Rechtsgut i.S. von § 34 S. 1 StGB. Die aufgedeckten Sicherheitsmängel mögen auch eine gegenwärtige Dauergefahr (vgl. BGHSt 48, 255, 258f. = NJW 2005, 2464 = NStZ 2005, 482 = BGHR StGB § 35 I Gefahr, gegenwärtige 3, zu den inhaltsgleichen Merkmalen des § 35 I 1 StGB) für die Sicherheit des Lufttransports gewesen sein. Ob diese Gefahr nicht anders als durch Taten abwendbar (vgl. BGHSt 48, 255, 260f. = NJW 2005, 2464 = NStZ 2005, 482 = BGHR StGB § 35 I Gefahr, abwendbare 2) war, die einen Straftatbestand erfüllten, ist unklar, kann aber offen bleiben. Die konkret ausgeführten Taten waren jedenfalls nicht gerechtfertigt, weil der Angekl. den angestrebten Erfolg - verbesserte Sicherheitskontrollen - durch geringere Rechtsverletzungen hätte erreichen können.
8 b) Sicherheitskontrollen finden nur beim Zutritt zu den nicht allgemein zugänglichen Bereichen auf Flugplätzen statt; vor oder im Flugzeug wird nicht mehr kontrolliert. Dieser jedem Flugreisenden bekannte Umstand war ein Grund, die ?waffenfreie Zone" des § 27 IV 1 LuftVG durch das 11. Änderungsgesetz zum Luftverkehrsgesetz (BGBI I 1998, 2432, 2436) ab März 1999 auf die nicht allgemein zugänglichen Bereiche auf Flugplätzen zu erweitern (BT-Dr 13/9513, S. 31). Der Sicherheitsmangel, um den es dem Angekl. ging, war demnach aufgedeckt, sobald er die Sicherheitskontrolle am Eingang des nicht allgemein zugänglichen Bereichs mit dem Messer passiert hatte. An dieser Stelle (zu diesem Zeitpunkt) hätte der Angekl. die Aktion abbrechen können und müssen. Dass - worauf das LG schon zutreffend hingewiesen hat - die ?journalistische Brisanz" des späteren Sendeberichts dadurch verstärkt wurde, dass der Angekl. mit dem Messer die Flüge tatsächlich angetreten und beendet hat, steht außer Frage. Dieser Teil war aber nicht mehr notwendig, um die (unterstellte) Dauergefahr abzuwenden, die der Sicherheit des Lufttransports durch - aus der Sicht des Angekl. - zu laxe Sicherheitskontrollen drohte. Er hat die Gefahr, die es nach Ansicht des Angekl. abzuwenden galt, sogar vergrößert, denn es liegt auf der Hand, dass eine Waffe in der Luft eine größere Bedrohung darstellt als am Boden.
9 c) Dem steht nicht entgegen, dass der Straftatbestand vollständig verwirklicht war, sobald der Angekl. die Sicherheitskontrolle am Eingang des nicht allgemein zugänglichen Bereichs mit dem Messer passiert hatte. Das verbotene Mitführen oder Ansichtragen einer Waffe ist ein Dauerdelikt, das mit dem Zutritt zu der ?waffenfreien Zone" vollendet, aber erst mit dem Verlassen des nicht allgemein zugänglichen Bereichs (hier: auf den 4 Zielflughäfen) beendet ist. Der strafrechtliche Vorwurf bezieht sich bei einer solchen Tat sowohl auf die Herbeiführung als auch auf die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes (BGHSt 36, 255, 257 = NJW 1990, 194; LK-Rissing-van Saan 11. Aufl., Vorb. §§ 52ff. Rn 35; S/S-Stree 26. Aufl., Vorb. §§ 52ff. Rn 81). Ein zunächst gerechtfertigtes Dauerdelikt wird demnach rechtswidrig, wenn und sobald der rechtfertigende Grund wegfällt. Wer etwa einen Angreifer einsperren muss, um ihm zu entfliehen, begeht eine durch Notwehr gerechtfertigte Freiheitsberaubung. Die Rechtfertigung endet aber, sobald die Flucht gelungen ist. Deshalb kann offen bleiben, ob der Angekl. die Gefahr nicht anders als durch das Einschleusen des Messers in den nicht allgemein zugänglichen Bereich abwenden konnte. Die anschließenden Flüge mit dem Messer waren jedenfalls rechtswidrig. ..." (OLG Düsseldorf, Urteil vom 25. 10. 2005 - III-5 Ss 63/05 - 33/05 I, NStZ 2006, 243 f)
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Angesichts der für den Lebenspartner bestehenden Lebensgefahr ist der Arzt im Rahmen der von ihm vorzunehmenden Güterabwägung (vgl. § 34 StGB) zur Durchbrechung seiner ärztlichen Schweigepflicht verpflichtet (OLG Frankfurt, Urteil vom 05.10.1999 - 8 U 67/99, NStZ 2001, 149).
Im Einzelfall kann die Abwägung der Beeinträchtigungen, die einerseits der durch geschützten Ehre, andererseits der Meinungsfreiheit des Art. 5 GG drohen, die nicht verifizierbaren und nicht bewußt unwahren tatsächlichen Bestandteile einer zur Rechtsverteidigung gemachten Äußerung in einem Anwaltsschriftsatz gem. § 193 StGB gerechtfertigt erscheinen lassen (OLG Bremen, Beschluss vom 26.08.1999 - Ss 16/99, StV 1999, 534).
Der behandelnde Arzt kann sich dann nicht auf seine Schweigepflicht berufen, wenn er feststellt, daß sein Patient an Aids erkrankt ist und ihm verbietet, dies seiner Lebensgefährtin, die ebenfalls Patientin dieses Arztes ist, zu offenbaren. Die von ihm vorzunehmende Güterabwägung verpflichtet ihn angesichts der für seine Patientin bestehenden Lebensgefahr, dem Rechtsgut Leben gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse des Erkrankten den Vorzug zu geben (vgl. § 34 StGB; OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.07.1999 - 8 U 67/99, NJW 2000, 875).
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?... Damit stand für den Fall der Wiedererlangung des Schlüssels infolge der selbst eingeräumten Alkoholisierung der Angekl. ein Angriff auf das Rechtsgut der Sicherheit des Straßenverkehrs unmittelbar bevor. Diesen Angriff durfte der Nebenkl. bis zum Eintreffen der Polizei verhindern. Im vorliegenden Fall überwog nämlich das Rechtsgut der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs angesichts der hohen Alkoholisierung der Angekl. ihr Rechtsgut auf freie Willensbetätigung und körperliche Unversehrtheit, zumal der Eingriff des Nebenkl. bei der Angekl. nur eine leichte Körperverletzung verursachte. Darüberhinaus hatte sich ein Zeuge zur Verständigung der Polizei bereit erklärt (vgl. hierzu OLG Koblenz, NJW 1963, 1991). Das Festhalten der Angekl. zur Verhinderung der Wiedererlangung des Schlüssels war auch ein notwendiges und geeignetes Mittel zur Verhinderung einer weiteren Trunkenheitsfahrt der Angekl. Es war dem Nebenkl. nach den Feststellungen nämlich nicht zuzumuten, sich mit dem Schlüssel in sein Fahrzeug zu setzen und zu verbarrikadieren, weil dies die Gefahr von Angriffen der Angekl. auf das Fahrzeug des Nebenkl. nach sich gezogen hätte. Auch das Wegwerfen des Schlüssels war nicht das notwendige geeignete Mittel, weil angesichts der herrschenden Dunkelheit (Tatzeit: 0.30 Uhr) und des Umstandes, daß sich an dem Schlüsselbund noch weitere Schlüssel außer dem Fahrzeugschlüssel befunden hatten, ein Wiederauffinden der Schlüssel beim Eintreffen der Polizei nahezu unmöglich gewesen wäre. Insbesondere hätte der Abtransport des Fahrzeugs der Angekl. von der Unfallstelle zusätzliche Bemühungen und Kosten erfordert,wenn der Fahrzeugschlüssel nicht vorhanden gewesen wäre. Die Angekl. kann sich nach den bisher getroffenen Feststellungen auch nicht auf Putativnotwehr berufen. Feststellungen dazu, daß die Angekl. irrtümlich von einem rechtswidrigen Angriff des Nebenkl. oder seiner Frau auf ihre körperliche Unversehrtheit ausgegangen wäre, enthält das Urteil nicht. ..." (OLG Frankfurt, Urteil vom 28.08.1995 - 3 Ss 116/95, NStZ-RR 1996, 136)
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?... Der Senat sieht nämlich den Eingriff in das Fernmeldegeheimnis des Angekl. jedenfalls durch rechtfertigenden Notstand (in Form der ?Nothilfe") nach § 34 StGB als gerechtfertigt an. Nach herrschender Meinung ist § 34 StGB auf hoheitliche Eingriffe in Individualrechtsgüter anwendbar (vgl. dazu LK-Hirsch 10. Aufl., § 34 Rn 6 mwN). Den hiergegen von Hirsch (aaO, Rn 7 f.) erhobenen Einwendungen vermag der Senat jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht zu folgen.
Die von Hirsch vertretene Interessenabwägungstheorie (zu Einzelheiten vgl. Hirsch aaO, Rn 53 ff.) spricht vorliegend für die Anwendung des § 34 StGB: Das Interesse an der Identifizierung des die Nebenklägerin belästigenden Anrufes lag allein bei dieser. Weder Strafverfolgungsbehörden noch Bundespost hatten mangels eines eigenen Interesses irgendeinen Anlaß, von sich aus hoheitlich tätig zu werden. Vielmehr war ausschließlich die Nebenklägerin mangels jeder anderen Möglichkeit, die Anonymität des Anrufers zu durchbrechen und eine Fortsetzung der telefonischen Beleidigungen zu unterbinden, darauf angewiesen, sich der Bundespost als der Inhaberin der technischen Möglichkeiten zur Feststellung der Herkunft der Anrufe und damit der Identifizierung des Anrufers zu bedienen. Deswegen schlagen die Bedenken Hirschs, die er z. B. bezüglich des unter Hinweis auf § 34 StGB als zulässig angesehenen Lauschangriffs (aaO, Rn 14) erhebt, hier nicht durch. Zum einen hat die Bundespost im Gegensatz zum Lauschangriff keine Kenntnis vom Inhalt der Gespräche nehmen können; zum anderen besteht bei einer Konstellation wie der hier zu beurteilenden keineswegs die von ihm beschworene Gefahr, § 34 StGB könne zu einer öffentlichrechtlichen Supernorm (so aaO, Rn 9) werden. Vielmehr läßt sich vorliegend die Eingriffsbefugnis klar begrenzen: Nur im Interesse der durch einen bestimmten Sachverhalt, nämlich die Erfüllung des Tatbestandes der Beleidigung und die Gefahr der Fortsetzung dieser die Nebenklägerin beeinträchtigenden Rechtsverletzung verstößt die Bundespost sozusagen als deren Werkzeug, ohne selbst an einer Aufklärung der Sache oder an einem Eindringen in das Fernsprechgeheimnis des Revisionsführers interessiert zu sein, objektiv gegen § 354 I StGB und teilt die ihr daraus bekannt gewordene Herkunft der Anrufe der Nebenklägerin mit. Sowohl die tatsächlichen Voraussetzungen des Eingriffs im alleinigen Interesse einer ansonsten schutzlos gestellten Privatperson als auch der Umfang der daraus gewonnenen Erkenntnis und deren alleinige Verwendung zum Zwecke des auf andere Weise nicht zu bewerkstelligenden Rechtsschutzes dieser Privatperson sind somit eindeutig begrenzt.
Wägt man das Interesse des Revisionsführers an der Wahrung des Fernsprechgeheimnisses, soweit es sich auch darauf bezieht, ob von seinem Anschluß zu bestimmten Zeiten ein bestimmter anderer Anschluß angewählt worden ist, ab gegen das Interesse der Nebenklägerin an der nur über die Auflösung der Anonymität des Anrufers zu unterbindenden Fortsetzung der Ehrverletzung, so überwiegt dieses Interesse das des Revisionsführers wesentlich. ..." (OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 27.12.1990 - Ss 40/90, NStZ 1991, 386)
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Ein Ehegatte, der glaubt, sein Partner unterhalte ein ehebrecherisches Verhältnis, handelt unbefugt, wenn er, um Beweismittel für ein beabsichtigtes Scheidungsverfahren zu erlangen, das Telefon des verdächtigten Dritten mit einem Abhörgerät abhört und Gespräche auf einen Tonträger aufnimmt (OLG Stuttgart, Beschluss vom 20.04.1977 - 3 Ss (5) 202/77, NJW 1977, 1546).
5. Sozialethische Angemessenheit des Mittels
6. Gefahrabwendungswille
Außerdem muss der Verteidiger mit Gefahrabwendungswille handeln. Er muss die rechtfertigende Sachlage kennen und aufgrund der ihm dadurch verliehenen Befugnis handeln.Tötet ein Angehöriger heimtückisch handelnd einen äußerst gewalttätigen ?Familientyrannen', von dem eine Dauergefahr (i. S. d. § 35 Abs. 1 StGB) für die Familienmitglieder ausgeht, so hat der Tatrichter grundsätzlich die weiteren Voraussetzungen des entschuldigenden Notstandes zu prüfen. Bei der Prüfung der anderweitigen Abwendbarkeit der Gefahr (§ 35 Abs. 1 StGB) ist regelmäßig vom Täter zu verlangen, dass er zunächst die Hilfe Dritter, namentlich staatlicher Stellen, in Anspruch nimmt. Für die Straffindung ist eine etwaige obligatorische Milderung nach § 35 Abs. 2, § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB der Milderung wegen Vorliegens außergewöhnlicher Umstände beim Heimtücke (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB analog, gemäß BGHSt 30, 105) vorgreiflich (BGH StV 2003, 665 ff).
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Alternative Rüge der Verletzung der §§ 261, 244 II StPO
?... Es kann dahinstehen, ob eine Verfahrensrüge - jedenfalls in Ausnahmefällen, in denen der Akteninhalt ohne weiteres die Unrichtigkeit der Urteilsfeststellungen beweist (vgl. BGHSt 43, 212, 215 f.; BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 36; BGH NJW 2000, 1962, 1963) - alternativ darauf gestützt werden kann, entweder habe das Tatgericht einen Widerspruch zwischen dem Inhalt des Urteils und demjenigen der Akten unter Verletzung seiner Aufklärungspflicht nicht in die Hauptverhandlung eingeführt, oder es habe unterlassen, ihn in den Urteilsgründen zu erörtern (ablehnend etwa BGH NStZ 2007, 115; 1997, 294); denn einen derartigen Widerspruch zwischen Akteninhalt und Urteilsgründen legt die Revision nicht dar. Die zur Begründung der Rüge mitgeteilten Angaben des Angeklagten B. im Ermittlungsverfahren stehen den beanstandeten Ausführungen der Strafkammer nicht entgegen, die Glaubhaftigkeit der Einlassung des B. werde durch ihre Konstanz gestützt, weil sie im Wesentlichen mit dem übereinstimme, was dieser im Rahmen seiner polizeilichen und ermittlungsrichterlichen Vernehmung bekundet habe. Diese Bewertung hat das Landgericht in dem Abschnitt der Beweiswürdigung vorgenommen, in dem es seine Überzeugung allein davon begründet hat, dass P. als Haupttäter das Opfer R. erschlug. Sie bezieht sich nach ihrem eindeutigen Wortlaut (?Die Glaubhaftigkeit der Einlassung des Angeklagten B. bezüglich der Haupttäterschaft des Angeklagten P. ?') ausschließlich hierauf und nicht darüber hinaus auch auf den weiteren Inhalt der Einlassung des B. . Einen anderen Haupttäter als P. hat B. indes auch in den im Ermittlungsverfahren durchgeführten polizeilichen und ermittlungsrichterlichen Vernehmungen nicht benannt.
Soweit die Revision mit Blick auf den dargelegten Umstand meint, in Anbetracht der Entwicklung der übrigen Einlassung des B. - dieser hat das schließlich vom Landgericht festgestellte konkrete Tatgeschehen erst nach und nach eingeräumt und insbesondere seinen eigenen Tatbeitrag und denjenigen des Angeklagten A. nicht von Anfang an konstant geschildert - wäre die abstrahierende Berücksichtigung allein eines Aussageelements aussageanalytisch verfehlt, denn das Landgericht habe die Zuverlässigkeit der Angaben B. s nicht in der von ihm gewählten'schlanken' Form bejahen dürfen (vgl. die Revisionsbegründung von Rechtsanwalt V. , S. 35), beanstandet sie nicht die Aktenwidrigkeit der Urteilsgründe; ihre diesbezüglichen Ausführungen liegen deshalb außerhalb der Angriffsrichtung der erhobenen Alternativrüge. Eine sonstige Verfahrensrüge, mit deren Stoßrichtung der geltend gemachte Gesichtspunkt in Einklang steht, erhebt die Revision nicht. Sachlichrechtlich ist gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts nichts zu erinnern; dies gilt insbesondere auch hinsichtlich seiner auf zahlreiche Umstände gestützte Überzeugung von der Haupttäterschaft des Angeklagten P ..." (BGH, Beschluss vom 05.05.2009 - 3 StR 57/09)
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?... Der Senat hält sie nach eingehender Prüfung für unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Einer Erörterung bedarf allein die auch von der Generalbundesanwältin in ihrem Terminsantrag zur Diskussion gestellte und in der Hauptverhandlung erörterte Rüge der alternativen Verletzung der §§ 261, 244 Abs. 2 StPO.
Die Revision beanstandet, dass sich die Urteilsausführungen nicht damit befassen, dass nach dem schriftlichen Gutachten an einem - beweiserheblichen - neben dem Bett des Tatopfers aufgefundenen Latexstück nicht nur DNA-Spuren des Opfers und des Angeklagten gesichert wurden, sondern in einigen STR-Systemen zusätzlich eine Minimalstbeimengung vorhanden war, welche für Abgleiche jedoch zu geringfügig war.
Diese Rüge hat keinen Erfolg. Widersprüche zwischen dem Inhalt des Urteils und den Akten sind, wenn sie sich nicht aus den Urteilsgründen selbst ergeben, für sich allein revisionsrechtlich unerheblich. Die Rüge kann nicht alternativ darauf gestützt werden, entweder habe der Tatrichter den Widerspruch unter Verletzung seiner Aufklärungspflicht nicht in die Hauptverhandlung eingeführt, oder aber er habe es unterlassen, ihn in den Urteilsgründen zu erörtern (seit BGH NStZ 1992, 506 st. Rspr.; vgl. auch u.a. BGH, Beschluss vom 9. März 1995 - 4 StR 60/95 und BGH, Urteil vom 12. Dezember 1996 - 4 StR 499/96). Die Entscheidung des Senats vom 29. Mai 1991 (NStZ 1991, 448) betraf zum einen eine etwas andere Fallkonstellation, zum anderen ist sie durch die Änderung der Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer Alternativrüge überholt. Gerade im vorliegenden Fall würde die Rüge auf eine unzulässige Rekonstruktion der Hauptverhandlung hinauslaufen. Denn das Revisionsgericht erfährt hier ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung nicht, wie die Sachverständige sich mündlich geäußert hat. Möglicherweise hat sie - wie die Revision im Übrigen selbst in den Raum stellt (Revisionsrechtfertigungsschrift vom 19. April 2006 S. 41) erklärt, dass doch ?Spuren von ausschließlich zwei Personen an dem Beweisstück detektiert werden konnten' und damit die vermeintlichen Unklarheiten beseitigt.
Der Senat kann im vorliegenden Fall zudem ausschließen, dass der Tatrichter, wenn er diesen Punkt ausdrücklich in den Urteilsgründen erörtert hätte, zu einem anderen Beweisergebnis gekommen wäre. Denn für seine Überzeugungsbildung, dass der Angeklagte zur Tatzeit am Tatort war, war entscheidend, dass sich DNA-Spuren gerade des Angeklagten an dem Latexstück fanden, und nicht, ob zusätzlich eine Minimalstbeimengung anderen Spurenmaterials vorhanden war. ..." (BGH, Urteil vom 13.09.2006 - 2 StR 268/06)
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?... 1. Die Rüge, das LG habe, indem es ?das Gutachten des LKA Rheinland-Pfalz vom 11. 6. 1996 in der Hauptverhandlung verlesen hat, dessen begutachtete Betäubungsmittelmengen jedoch nicht identisch sind mit den sichergestellten Betäubungsmittelmengen, gegen die ihr obliegende Aufklärungspflicht gemäß § 244 II StPO sowie gegen §§ 250 , 256 , 261 StPO verstoßen" (Revisionsbegründung Rechtsanwältin H v. 7. 8. 1996), dringt nicht durch.
a) Das LG hat die Feststellungen zu den Mengen der gehandelten Betäubungsmittel und den jeweiligen Wirkstoffgehalt auf das Gutachten des LKA Rheinland-Pfalz vom 11. 6. 1996 gestützt. Hiergegen wendet die Revision ein, tatsächlich seien lediglich 456 g Kokain und 461 g Heroin sichergestellt worden. Dies ergebe sich aus einem Lichtbild, das beide bei dem Scheinkauf sichergestellten Rauschgiftmengen zeige und entsprechende Gewichtsangaben enthalte. Dieses Lichtbild sei in der Hauptverhandlung ?zum Gegenstand der Augenscheinseinnahme gemacht und mit dem ermittelnden Kriminalbeamten, dem Zeugen Br -, erörtert worden". Ferner bezieht sich der Bf. auf ein Sicherstellungsprotokoll vom 15. 1. 1996. Ein Verfahrensfehler wird hiermit nicht aufgezeigt ...
c) Aber auch ein Verstoß gegen § 261 StPO ist nicht dargetan. Zwar kann hiernach beanstandet werden, daß eine verlesene Urkunde oder Erklärung unvollständig oder unrichtig im Urteil gewürdigt worden sei (BGHSt 29, 18, 21; BGH StV 1993, 459; BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 17). Darum geht es hier aber nicht; die Revision trägt selbst nicht vor, daß das in der Hauptverhandlung verlesene Gutachten unvollständig oder falsch verwertet worden sei.
Der Hinweis der Revision auf die von den Feststellungen abweichenden Mengenangaben in dem Sicherstellungsprotokoll sowie auf dem in Augenschein genommenen Lichtbild führt zu keinem anderen Ergebnis. Dieses Vorbringen belegt für sich selbst allenfalls einen Widerspruch zwischen dem Inhalt des Urteils und den Akten. Wie der BGH wiederholt entschieden hat, ist ein solcher Widerspruch, wenn er sich nicht aus den Urteilsgründen selbst ergibt, für sich allein regelmäßig revisionsrechtlich unerheblich; ist der Widerspruch nämlich nicht aus dem Urteil selbst zu entnehmen, läuft die Rüge, der Tatrichter habe es unterlassen, den Widerspruch aufzuklären (§ 244 II StPO) oder in den Urteilsgründen zu erörtern (§ 261 StPO), im Ergebnis auf die unzulässige Rüge der Aktenwidrigkeit der Urteilsgründe hinaus (BGH NStZ 1992, 506; StV 1995, 175; Urt. v. 3. 11. 1994 - 1 StR 470/94).
Das gilt auch hier; denn der vom Bf. behauptete Widerspruch kann in der Hauptverhandlung schon durch die Vernehmung der Angeklagten, die beide den festgestellten äußeren Sachverhalt eingeräumt haben, insbesondere aber durch den als Zeugen vernommenen ermittelnden Kriminalbeamten - zumal im Zusammenhang mit der Inaugenscheinnahme des Lichtbildes von den sichergestellten Rauschgiftmengen - erörtert und ausgeräumt worden sein. Einer Auseinandersetzung damit in den Urteilsgründen bedurfte es dann nicht (BGH StV 1995, 175). ..." (BGH, Urteil vom 12.12.1996 - 4 StR 499/96, NstZ 1997, 294 f)
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?... Das LG hat den Angekl. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 2 Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, unter Einbeziehung einer anderweitig verhängten Strafe zu der Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Die Revision des Angekl. blieb ohne Erfolg. ...
I. 1. Die Rüge, das LG habe es unter Verletzung seiner Aufklärungspflicht unterlassen, den Vernehmungsbeamten B als Zeugen zu hören (§ 244 II StPO), greift nicht durch.
a) Der Angekl. hat eine Tatbeteiligung bei der zweiten Einkaufsfahrt nach Holland zum Ankauf und zur Einfuhr von 1 kg Heroin bestritten. Die Überzeugung von der Täterschaft des Angekl. stützt das LG auf die Aussage des Zeugen W und zusätzlich auf die des Zeugen G, der in der Hauptverhandlung Einzelheiten (auch die Tatbeteiligung des Angekl.) bekundete, die er von dem ebenfalls an der Einkaufsfahrt beteiligten Rauschgifthändler Kö erfahren habe.
Die Revision ist der Auffassung, diese Aussage stehe im Widerspruch zur Aussage des Zeugen G im Ermittlungsverfahren, wo er die Einkaufsfahrt beschrieben, aber den Angekl. als Mittäter nicht erwähnt habe. Das LG hätte deshalb zur Klärung des Widerspruchs den Vernehmungsbeamten B als Zeugen hören müssen.
b) Etwaige Widersprüche zwischen der Aussage in der Hauptverhandlung und früheren Aussagen waren zunächst mit dem in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen G selbst zu klären. Die Rüge, das sei nicht in ausreichendem Maße geschehen, läuft darauf hinaus, der Tatrichter habe ein von ihm benutztes Beweismittel nicht ausgeschöpft. Eine solche Beanstandung mag ausnahmsweise dann statthaft sein, wenn sich aus den Urteilsgründen ergibt, daß der Richter bestimmte sich aufdrängende Vorhalte unterlassen hat (vgl. BGHSt 17, 351, 352 f.). Das ist hier nicht der Fall.
Die Revision trägt selbst vor, dem Zeugen G seien die Vorhalte gemacht worden, die der Aufklärungsrüge entsprechen, und das Protokoll der Hauptverhandlung ergibt, daß die Prozeßbeteiligten auf die Einvernahme des Vernehmungsbeamten verzichtet haben. Warum sich gleichwohl dessen Vernehmung aufgedrängt habe, wird nicht mitgeteilt.
2. Die Revision vermißt die Erörterung der polizeilichen Aussage des Zeugen G in den Urteilsgründen. Der Senat sieht keinen Verstoß gegen § 261 StPO.
Die Revision kann grundsätzlich nicht mit der Behauptung gehört werden, das Tatgericht habe sich mit einer bestimmten Aussage einer Beweisperson nicht auseinandergesetzt, wenn diese Aussage sich nicht aus dem Urteil selbst ergibt. Denn es ist allein Sache des Tatrichters, die Ergebnisse der Beweisaufnahme festzustellen und zu würdigen; der dafür bestimmte Ort ist das Urteil. Was in ihm über das Ergebnis der Verhandlung zur Schuld- und Straffrage festgehalten ist, bindet das RevGer. (BGHSt 21, 149, 151; 29, 18, 20; BGH StV 1991, 548; s. ferner jeweils mwN LR-Hanack 24. Aufl., § 337 Rn 77; KK-Herdegen 2. Aufl., § 244 Rn 40; KK-Pikart § 337 Rn 3). Hier ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, daß sich der Zeuge G in einem Ermittlungsverfahren in einer Weise geäußert hat, die zu seiner Aussage in der Hauptverhandlung in (nicht lösbarem) Widerspruch steht.
3. Die Revision kann auch nicht mit dem Vortrag Erfolg haben, das LG habe es entweder unter Verletzung seiner Aufklärungspflicht unterlassen, die frühere Aussage in die Hauptverhandlung einzuführen (s. oben 1.), oder aber es habe sich fehlerhaft mit einer in die Hauptverhandlung eingeführten wesentlichen Tatsache in den Urteilsgründen nicht auseinandergesetzt (s. oben 2.). Diese Argumentation läuft auf die unzulässige Rüge der ?Aktenwidrigkeit" der Urteilsgründe hinaus.
Demgegenüber ist festzuhalten, daß die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung erfolgt und danach die Feststellungen zu treffen und die Glaubwürdigkeit eines Zeugen zu beurteilen sind. Das geschieht unter Berücksichtigung entgegenstehender oder übereinstimmender Umstände, die sich aus den Akten ergeben und die durch Verlesung, Vorhalt oder Aussagen von Vernehmungsbeamten in die Hauptverhandlung eingeführt werden können. Maßgebend ist dann aber der Eindruck in der Hauptverhandlung - Widersprüche zwischen dem Inhalt des Urteils und den Akten sind, wenn sie sich nicht aus den Urteilsgründen ergeben, für sich allein revisionsrechtlich unerheblich. Sie können eine solche Erklärung gefunden haben, daß für den Tatrichter, dem die Entscheidung hierüber zusteht, kein Anlaß bestand, sie als wesentliche Punkte in der Beweiswürdigung zu erörtern. Ein Erörterungsmangel i. S. des § 261 StPO liegt daher nur dann vor, wenn sich ein Widerspruch aus dem Urteil selbst ergibt und in den Urteilsgründen nicht ausgeräumt wird.
Das Herausgreifen und Beurteilen eines Aktendetails, das im Urteil keine Stütze findet, kann ohne Berücksichtigung des gesamten Akteninhalts und ohne Kenntnis dessen, was in der Hauptverhandlung im einzelnen geschehen ist, zu falschen Ergebnissen führen. Die Überprüfung der Alternative ?entweder Aufklärungsmangel oder Verstoß gegen § 261 StPO" müßte deswegen regelmäßig den gesamten Akteninhalt und den Inhalt der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung berücksichtigen und rekonstruieren. Solches widerspricht der Ordnung des Revisionsverfahrens (vgl. BGHSt 17, 351, 352).
Daß die von der Revision vorgetragene Alternative eine Rekonstruktion der Beweisaufnahme erfordert (sowie leicht zu Eingriffen in die tatrichterliche Beweiswürdigung und zur Aufhebung des Urteils auf Verdacht führen kann), zeigt der vorliegende Fall beispielhaft: Betraf die von der Revision mitgeteilte umfangreiche Aussage auch die hier interessierende Einkaufsfahrt, dann hat der Zeuge den Angekl. tatsächlich nicht als Beteiligten erwähnt. Aus einer Nebenbemerkung ergibt sich aber, daß es sich nur um eine ergänzende Vernehmung des Zeugen handelte, und es findet sich der Hinweis des Zeugen, ?die in meiner ersten Vernehmung geschilderten Fahrten ... stimmen so, wie ich sie angegeben habe". Also kann der Zeuge die zweite dem Angekl. angelastete Fahrt dort im einzelnen dargelegt haben; es kann auch sein, daß der Name des Angekl. bei der vorgelegten ergänzenden Vernehmung nicht erwähnt wurde, weil seine Beteiligung klar war oder weil bei dieser Vernehmung die Person eines anderen Beteiligten (hier des Kö) im Vordergrund stand. Hier wie allgemein kann nur eine umfassende Überprüfung aller Aussagen, die dem RevGer. nicht möglich ist, ein zutreffendes Bild ergeben.
Die Entscheidungen des 2. Strafsenats des BGH, auf die sich der GBA beruft, stehen der hier getroffenen Entscheidung nicht entgegen. Dort handelte es sich um eine Aussage, die in der Hauptverhandlung wörtlich protokolliert worden war (StV 1991, 548), und um den besonderen Fall, daß das Tatgericht selbst die frühere Aussage herangezogen und sich auf Aussagekonstanz gestützt hatte, obwohl sich die Aussagen widersprochen haben sollen (StV 1992, 2) ... " (BGH, Urteil vom 02.06.1992 - 1 StR 182/92, NStZ 1992, 506 ff)
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Weichen die Bekundungen eines Zeugen in der Hauptverhandlung stark von denjenigen im Ermittlungsverfahren ab, so kann das Gericht seine Aufklärungspflicht dadurch verletzen, daß es unterläßt, dem Zeugen die abweichenden früheren Bekundungen zur Klärung der Widersprüche vorzuhalten. Darauf kann auch die Revision gestützt werden, wenn sich der Mangel des Vorhalts aus dem angefochtenen Urteil selbst ergibt (BGH, Urteil vom 03.07.1962 - 1 StR 157/62, NJW 1962, 1832).
Amphetaminabhängigkeit
Siehe unter ?Verminderte Schuldfähigkeit".
Amtsanmaßung § 132 StGB
Wer unbefugt sich mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes befaßt oder eine Handlung vornimmt, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Leitsätze/Entscheidungen:
Ein Notar macht sich weder der Falschbeurkundung im Amt noch der Amtsanmaßung schuldig, wenn er außerhalb seines Amtsbezirks eine Beurkundung vornimmt und dabei wahrheitswidrig angibt, dies sei am Ort seines Amtssitzes geschehen (BGH, Urteil vom 27.08.1998 - 4 StR 198/98, NJW 1998, 3790).
Wegen Amtsanmaßung macht sich nach § 132 Alt. 2 StGB nur strafbar, wer eine Handlung vornimmt, die den Anschein einer Amtshandung hervorruft (BGH, Entscheidung vom 09.12.1993 - 4 StR 416/93, NJW 1994, 1228).
Wer dem Verkäufer von Waren vorspiegelt, er sei Beamter und bestelle im Namen seiner Behörde, begeht keine Amtsanmaßung (BGH, Urteil vom 19.08.1958 - 5 StR 338/58, NJW 1958, 1692).
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Eine Strafbarkeit wegen Amtsanmaßung gem. § 132 StGB setzt in beiden gesetzlich genannten Tatvarianten ein Handeln voraus, das sich als amtliche Tätigkeit darstellt. Der Tatbestand ist daher nicht erfüllt, wenn der Täter es dabei belässt, sich als Amtsinhaber auszugeben, ohne eine Diensthandlung vorzunehmen (KG, Beschluss vom 19.01.2007 - (2/5) 1 Ss 111/06 (51/06), NJW 2007, 1989).
Die ?Ämter" eines ?Reichspräsidenten", eines ?Präsidenten der Nationalversammlung" oder ?Präsidenten des Deutschen Reiches" stellen keine öffentlichen Ämter i. S. d. § 132 1. Altern. StGB dar. Nach § 132 2. Altern. StGB macht sich nicht schuldig, wer im Namen des ?Deutschen Reiches" Personalausweise oder Führerscheine herstellt, die in keiner Weise den Anschein amtlicher Dokumente erwecken (OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.04.2006 - 4 Ws 98/06, Die Justiz 2006, 307).
Handelt ein Polizeibeamter im Rahmen seiner Allgemeinzuständigkeit im Sinne des Art. 3 I POG, so scheidet der Straftatbestand der Amtsanmaßung selbst dann aus, wenn er die konkrete Handlung im Hinblick auf innerdienstliche Weisungen oder sonstige nur im Einzelfall wirkende rechtliche Hindernisse nicht hätte vornehmen dürfen. Dies gilt sogar dann, wenn die konkrete Handlung in treuwidriger Ausnutzung der Dienststellung geschehen ist (BayObLG, Urteil vom 19.11.2002 - 2 St RR 103/02, JR 2004, 73).
Für die Anmaßung des Amtes ist auch eine allgemein gehaltene Kennzeichnung als Funktionsträger der Staatsgewalt - vorliegend: ?Hier ist die Kriminalpolizei" - ausreichend. Auf eine förmliche Bezeichnung oder überhaupt auf eine ausdrückliche Hervorhebung von Namen und Art des öffentlichen Amtes kommt es nicht an. Für die Frage, ob nach dem äußeren Anschein vom Täter hoheitliche Tätigkeit ausgeübt wird, ist auf den Empfängerhorizont abzustellen. Dabei ist unerheblich, ob der Betroffene den Sachverhalt hätte durchschauen können oder der Täter die ?Amtshandlung" auch als Privatmann hätte vornehmen können (hier: Befragung einer ?Zeugin" nach Adresse und Telefonnummer einer anderen ?Zeugin"; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03.04.2002 - 1 Ss 13/01, NStZ-RR 2002, 301).
Das Abhören von Telefongesprächen im Beitrittsgebiet vor der Wende zu politischen und geheimdienstlichen Zwecken durch das Ministerium für Staatssicherheit verwirklichte den Tatbestand der Anmaßung staatlicher Befugnisse nach § 224 DDR-StGB. Die Strafbarkeit blieb nach dem Wirksamwerden des Beitritts der DDR nach Art. 315 EGStGB, § 132 StGB bestehen (OLG Dresden, Entscheidung vom 22.03.1993 - Ws 100/92, DtZ 1993, 287).
Eine Amtsanmaßung i. S. von § 132 StGB liegt nicht vor, wenn der Täter sich gegenüber seinem verfeindeten Nachbarn telefonisch über Lärmbelästigungen beschwert und zu Beginn des Telefongespräches erklärt: "Hier ist die Kriminalpolizei." (OLG Koblenz, Entscheidung vom 09.03.1989 - 1 Ss 81/89, Krüger, NStZ 1989, 477).
Amtsanmaßung in der Tatbestandsform der unbefugten Amtsausübung wird nicht dadurch begangen, daß der Täter beim Abschluß eines privatrechtlichen Vertrages den Anschein erweckt, namens und im Auftrag einer Behörde und damit als Träger eines Amtes zu handeln, selbst wenn die Gegenstände später zu wirklichen oder unbefugten hoheitlichen Tätigkeiten verwendet werden sollen (OLG Oldenburg, Entscheidung vom 05.02.1987 - Ss 29/87, MDR 1987, 604).
Wenn ein Privatmann als Gläubiger seinen Schuldnern auf amtlichen Vordrucken Schriftstücke übersendet, die alle wesentlichen Erfordernisse von Zahlungsbefehlen enthalten, so erweckt er nicht den Anschein von Amtshandlungen, sondern übt unbefugt Handlungen aus, die Gegenstand eines öffentlichen Amtes sind. Ob der wahre Sachverhalt von den Schuldnern durchschaut werden konnte, spielt keine Rolle (OLG Frankfurt, Urteil vom 06.03.1963 - 2 Ss 1192/62, NJW 1964, 61 ff).
Auch ein Kriminalbeamter, der im Bereich einer anderen Polizeibehörde eine Durchsuchung und Beschlagnahme vornimmt, um das Beschlagnahmte für sich zu behalten, kann Amtsanmaßung (neben Diebstahl oder Betrug) begehen. Der § 132 schützt nicht nur die staatliche Organisationsgewalt, sondern auch die Privatperson vor Übergriffen (OLG Hamm, Urteil vom 14.12.1950 - 2 Ss 400/50, NJW 1951, 245 f).
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Mit der Herstellung und Verbreitung eines Aufrufs zur Rückgabe der Volkszählungsbögen, welcher in seiner Aufmachung den Eindruck erweckt, daß er von einer städtischen Behörde verfaßt worden ist, wird sowohl der Tatbestand der Amtsanmaßung als auch der Urkundenfälschung erfüllt (LG Paderborn, Entscheidung vom 15.10.1987 - 15 Ns 21 JS 454/87, NJW 1989, 178).
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Amtsanmaßung ist dann tatbestandsmäßig erfüllt, wenn eine Handlung vorgenommen wird, die den Anschein des Handelns einer Dienststelle des Bundes, des Landes oder eines sonstigen Organs staatlicher Verwaltung hervorruft (AG Göttingen, Entscheidung vom 18.01.1983 - 31 Ls 6 Js 130/82 - 193/82, NJW 1983, 1209).
Amtspflichtwidrigkeit eines Haftbefehlsantrags
? ... Nach der Rspr. des Senats sind bestimmte Maßnahmen der StA, zu denen auch der Antrag auf Erlaß eines Haftbefehls gehört, im Amtshaftungsprozeß nicht auf ihre ?Richtigkeit', sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie - bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege - vertretbar sind (vgl. nur Senatsurt. v. 21. 4. 1988 - III ZR 255/86 - NJW 1989, 96, 29. 4. 1993 - III ZR 3/92 - NJW 1993, 2927, 2928 und 18. 5. 2000 - III ZR 180/99 - NJW 2000, 2672, 2673). Bei der haftungsrechtlichen Beurteilung eines Haftbefehlsantrags kann aus dem Umstand, daß der Erlaß eines Haftbefehls mangels hinreichenden Tatverdachts abgelehnt oder - wie im Streitfall geschehen - ein erlassener Haftbefehl aufgehoben worden ist, nicht ohne weiteres auf ein pflichtwidriges Verhalten der antragstellenden StA geschlossen werden; pflichtwidriges Handeln ist ihr nur anzulasten, wenn sie bei einer sachgerechten Würdigung des zur Beurteilung stehenden Sachverhalts nicht der Annahme sein durfte, die beantragte Maßnahme - der Erlaß des Haftbefehls - könne gerechtfertigt sein (BGHZ 27, 338, 350 f.; Beschl. v. 22. 2. 1989 - III ZR 51/89 - in juris dokumentiert). ...
a) Die StA durfte den Haftbefehl gegen den Kl. nur beantragen (§ 125 Abs. 1 StPO), wenn er der ihm vorgeworfenen Tat dringend verdächtig und ein Haftgrund gegeben war (§ 112 Abs. 1 S. 1 StPO). Dringender Tatverdacht besteht, wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, daß der Besch. Täter oder Teilnehmer einer Straftat ist (BVerfG NJW 1996 1049 f.; BGH, NJW 1992, 1975 f; KK-Boujong, StPO, § 112 Rdnr. 3; Hilger in LR, StPO 25. A., § 112 Rdnr. 16 ff.; Meyer-Goßner StPO 46. A., § 112 Rdnr. 5). Die Prüfung erfolgt auf der Grundlage des gegenwärtigen Standes der Ermittlungen. Maßgebend ist das aus den Akten ersichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme.
b) Vorliegend kommt es für die Beurteilung, ob der Haftbefehlsantrag gegen den Kläger ?vertretbar' war, nicht entscheidend darauf an, ob die Kriminalpolizei bzw. die StA nach dem damaligen Stand der Ermittlungen aufgrund einer umfassenden Prüfung des gesamten Beweismaterials in vertretbarer Weise zu einer Bejahung des dringenden Tatverdachts gelangen durften.
Der entscheidende Vorwurf an den das Ermittlungsverfahren lenkenden StA bzw. die Kriminalpolizei als das Ermittlungsorgan der StA (§ 161 StPO, § 152 GVG) geht hier dahin, daß im Zusammenhang mit dem Haftbefehlsantrag gegen den Kl. dem Haftrichter die Ermittlungsergebnisse nicht vollständig vorgelegt wurden.
aa) Allerdings ist die Ermittlungsbehörde - worauf die Revision im Ansatz zutreffend hinweist - befugt, vor der Vorlage an den Haftrichter Zeugenaussagen und die sonstigen erarbeiteten Ermittlungsergebnisse zu sichten und zu gewichten, auch Nebensächliches auszusondern. Es kann insoweit auch die Vorlage eines Aktenauszuges genügen. Was die Auswahl des Materials angeht, so mag - wie die Revision geltend macht - der Ermittlungsbehörde auch ein gewisser, gerichtlich nicht nachprüfbarer, Beurteilungsspielraum zustehen.
Für eine Beschränkung der gerichtlichen Nachprüfung der Art und Weise der Zusammenstellung des Aktenmaterials für den Haftrichter im Amtshaftungsprozeß auf bloße ?Vertretbarkeit' gibt es jedoch - anders als bei der Beurteilung der vom StA auf der Grundlage des gesamten Prüfungsstoffs jew. zu treffenden Entscheidung - keinen Grund.
Das vorgelegte Aktenmaterial muß jedenfalls so beschaffen sein, daß der Haftrichter sich ein vollständiges Bild über das Ermittlungsergebnis zu der Straftat, zum Tatverdacht gegen den Besch. und über das Vorliegen eines Haftgrundes (§ 112 Abs. 1, 2 StPO) machen kann. Die im Zeitpunkt der Haftentscheidung vorliegenden und in den Akten ausgewiesenen gerichtsverwertbaren Ermittlungsergebnisse sind Beurteilungsgrundlage für den Haftrichter. Dieser hat wegen der einschneidenden Folgen eines Haftbefehls die Akten trotz aller etwa gebotenen Eile sorgfältig und genau durchzuarbeiten, ehe er sich entschließen darf, einen Haftbefehl zu erlassen (BGHZ 27, 338, 348 f.). Bei der Prüfung des dringenden Tatverdachts tritt er in eine freie Beweiswürdigung (§ 261 StPO) des von der Ermittlungsbehörde zusammengetragenen Tatsachenmaterials ein und entscheidet hiernach, ob der Besch. mit großer Wahrscheinlichkeit die ihm zur Last gelegte Tat begangen hat (KK-Boujong a. a. O., § 112 Rdnr. 5, 7; Hilger a. a. O., § 112 Rdnr. 21). Es liegt auf der Hand, daß auch der StA und die ihn unterstützende Kriminalpolizei bei der Auswahl des Verfahrensstoffs im Zusammenhang mit einem Haftbefehlsantrag Belastung und Entlastung des Besch. gleichermaßen zu berücksichtigen haben (vgl. Meyer-Goßner a. a. O., vor § 141 GVG Rdnr. 8), damit der Haftrichter seine eigene verantwortliche Entscheidung treffen kann.
bb) Die mit dem Haftbefehlsantrag im Oktober 1997 nicht vorgelegte Aussage des Zeugen H. v. 19. 1. 1994 wäre nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts geeignet gewesen, die Annahme der Brandstifter sei allein in der Familie der Kläger zu suchen, zu erschüttern. Mithin konnte der Haftrichter ohne Kenntnis dieser Aussage bei der Beurteilung des Haftantrags v. 21. 10. 1997 den Sachverhalt - einschließlich des Zwischenberichts der Polizei v. 21. 4. 1994 - nicht umfassend würdigen und kein vollständiges Bild vom Tatverdacht gegen den Kl. gewinnen. Eine derartige (einseitige) Beschränkung des für den Erlaß eines Haftbefehls maßgeblichen Prüfungsstoffs durch die Ermittlungsbehörden - mochten diese auch, wie die Revision anführt, bei der Zusammenstellung des Ermittlungsergebnisses die Aussage des Zeugen H. als ?unbeachtlich' angesehen haben - hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei als pflichtwidrig eingestuft. ..." (BGH, Urteil v. 23. 10. 2003 - III ZR 9/03)
Amtspflichtwidrige Anklageerhebung
Zur Frage der Amtspflichtwidrigkeit (Unvertretbarkeit) einer Anklage der Staatsanwaltschaft wegen Brandstiftung. Vom Schutzzweck der Amtspflicht der Staatsanwaltschaft, keine unzulässige Anklage zu erheben, ist, wenn es um den Vorwurf der Brandstiftung geht, auch die Vermeidung von Vermögensschäden des Angeschuldigten umfaßt, die dadurch entstehen, daß der Feuerversicherer ihm die Brandschadenentschädigung infolge der Anklageerhebung nicht auszahlt. Hat eine amtspflichtwidrige Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft gegen die Geschäftsführer und einzigen Gesellschafter einer GmbH wegen Brandstiftung zur Folge, daß der Feuerversicherer die Zahlung der Entschädigung für den Brandschaden der versicherten GmbH (weiter) zurückhält, so ist bezüglich der dadurch eingetretenen Vermögenseinbußen die GmbH geschützter ?Dritter" der Amtspflicht der Staatsanwaltschaft, keine unzulässige Anklage zu erheben (BGH StV 2001, 579 ff).
Ein Beamter, der der Staatsanwaltschaft dienstlich erlangte Verdachtsmomente für eine Straftat mitteilt, ohne zu überprüfen, ob die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen einer Straftat vorliegen, begeht keine Amtspflichtverletzung. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft gemäß StPO § 152 Abs. 2, der Umfang und die Dauer der Ermittlungen sowie die Entschließung zur Anklageerhebung nach StPO § 170 Abs. 1 können im Staatshaftungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur darauf überprüft werden, ob sie vertretbar sind. Bei der Bejahung des hinreichenden Tatverdachtes darf die Aufklärung von tatsächlichen Widersprüchen der Hauptverhandlung überlassen bleiben. Ebenso kann es der Staatsanwaltschaft nicht verwehrt werden, ihre vertretbare strafrechtliche Auffassung der Klärung durch richterliche Entscheidung zuzuführen. Die Einlegung der Berufung gegen ein strafgerichtliches Urteil durch die Staatsanwaltschaft ist ebenfalls nur auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen. Eine schuldhaft amtspflichtwidrige Anklageerhebung ist in der Regel zu verneinen, wenn ein Kollegialgericht gemäß StPO § 203 die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen und damit die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat. In diesem Fall ist auch eine pflicht- und rechtswidrige Handlung im Sinne des StGH § 1 Abs. 1 ausgeschlossen. Die Entschließung über die Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß StPO §§ 203, 209 Abs. 1 stellt ein ?Urteil in einer Rechtssache' im Sinne des BGB § 839 Abs. 2 dar (OLG Dresden StV 2001, 582 ff).
Amtsträger
Der Geschäftsführer einer GmbH, deren einziger Gesellschafter das bayerische Rote Kreuz als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, ist kein Amtsträger i. S. d. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB (BGH StV 2003, 389).
Anfangsverdacht
Es gilt das Legalitätsprinzip. Haben die Ermittlungsbehörden den Verdacht einer verfolgbaren Straftat, so sind sie verpflichtet ein Strafverfahren einzuleiten (§ 152 II StPO).
Ein Anfangsverdacht besteht, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen. Voraussetzung ist das Vorliegen konkreter Tatsachen, die es als Möglich erscheinen lassen, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt. Bloße Vermutungen reichen nicht aus.
Anfechtbarkeit von Entscheidungen und Maßnahmen der Vollzugsanstalt § 119 a StPO
(1) Gegen eine behördliche Entscheidung oder Maßnahme im Untersuchungshaftvollzug kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Eine gerichtliche Entscheidung kann zudem beantragt werden, wenn eine im Untersuchungshaftvollzug beantragte behördliche Entscheidung nicht innerhalb von 3 Wochen ergangen ist.
(2) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann jedoch vorläufige Anordnungen treffen.
(3) Gegen die Entscheidung des Gerichts kann auch die für die vollzugliche Entscheidung oder Maßnahme zuständige Stelle Beschwerde erheben.
Leitsätze/Entscheidungen:
Welche Kriterien und Methoden die Vollzugsbehörde im Einzelnen anlegt bzw. anwendet, um den der Übersichtlichkeit des Haftraums des Untersuchungsgefangenen dienenden ?angemessenen Umfang' (§ 16 ThürUVollzG) seiner Ausstattung konkret zu bestimmen, obliegt grundsätzlich ihrem Ermessen und kann von den Gerichten lediglich auf Ermessensfehler überprüft werden. Dabei ist es grundsätzlich nicht ermessensfehlerhaft, wenn die JVA ein standardisiertes System wie das REFA-System zur Bemessung der Angemessenheit der Haftraumausstattung im Untersuchungshaftvollzug anwendet. Dies entbindet jedoch nicht von der Überprüfung des Ergebnisses mit Rücksicht auf eine etwaige besondere Interessenlage des Gefangenen (z.B. umfangreiches Aktenmaterial zur Vorbereitung auf die Hauptverhandlung; OLG Thüringen, Beschluss vom 23.08.2010 - 1 Ws 296/10):
?... I. Der Angekl. befindet sich seit dem 17.09.2008 in U-Haft. Er ist am 02.06.2010 durch - noch nicht rechtskräftiges - Urteil der 2. StrK des LG Gera wegen schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen, wegen Sachbeschädigung und wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 J. verurteilt worden.
Am 25.05.2010 wurde im Rahmen einer Haftraumkontrolle festgestellt, dass die Gesamtpunktzahl für die im Haftraum des Angekl. befindlichen Gegenstände von 3.200 die erlaubte Gesamtpunktzahl von 2.400 nach dem REFA-System überschritt, worauf es in der Folgezeit zu einer erzwungenen Reduzierung der Gegenstände im Haftraum des Angekl. kam.
Mit Datum v. 31.05.2010 hat der Angekl. beim LG Gera beantragt, ihn v. REFA-System zu befreien, hilfsweise die ihm danach erlaubte Gesamtpunktzahl zu erhöhen. Zu diesem Antrag hat der Leiter der JVA T mit Datum v. 15.06.2010 Stellung genommen und u.a. mitgeteilt, dass er dem Angekl. - was unstreitig ist - auf seinen Antrag hin bereits eine Erhöhung der Gesamtpunktzahl auf 2.650 bewilligt und ihm eine weitere bei Darlegung von Gründen in Aussicht gestellt habe. Hierauf hat der Angekl. mit an das LG Gera gerichtetem Schreiben v. 27.06.2010 sinngemäß vorgetragen, das für den Strafvollzug entwickelte REFA-System dürfe überhaupt nicht auf Untersuchungsgefangene angewendet werden. Insbesondere sei es unzulässig, die von Untersuchungsgefangenen zur Vorbereitung ihrer Verteidigung benötigten Akten und sonstigen Unterlagen nach dem REFA-System zu bepunkten. Dessen Anwendung in der JVA T benachteilige im Übrigen die dortigen Gefangenen, da es in anderen Thüringer JVA nicht angewendet werde.
Mit Beschl. v. 29.06.2010 hat der Vors. der 2. StrK des LG Gera den Antrag des Angekl. auf Befreiung v. REFA-System abgelehnt. Zur Begründung wird ausgeführt, der Zweck des REFA-Systems, aus Sicherheitsgründen die Übersichtlichkeit des Haftraums zu gewährleisten, gelte auch für Untersuchungsgefangene. Soweit der Angekl. zur Vorbereitung auf ein gegen ihn anhängiges weiteres Strafverfahren Akten und Schriftstücke in seiner Zelle benötige, sei dem durch die vorgenommene Erhöhung der erlaubten Gesamtpunktzahl Rechnung getragen worden.
Hiergegen hat der Angekl. mit am 12.07.2010 beim LG Gera eingegangenem Schreiben Beschwerde eingelegt. Er hat vorgetragen, die bewilligte Erhöhung um 250 Punkte sei unzureichend, da die von ihm benötigten Akten und Unterlagen schon mit 870 REFA-Punkten zu bewerten seien. Im Übrigen sei er gegenüber anderen Gefangenen benachteiligt, die ?2.400 Punkte für Annehmlichkeiten ihrer Wahl' zur Verfügung hätten.
Mit Verfügung v. 12.07.2010 hat der Vors. der 2. StrK des LG Gera der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Mit Stellungnahme v. 22.07.2010 hat die Thüringer GStA die Verwerfung der Beschwerde beantragt.
II.1. Die Beschwerde des Angekl. ist zulässig.
a) Nach § 119a Abs. 1 Satz 1 StPO kann gegen eine behördliche Entscheidung oder Maßnahme im Untersuchungshaftvollzug gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dieser Regelung ist nach Übertragung der Gesetzgebungszuständigkeit für den Untersuchungshaftvollzug auf die Länder, von der der Freistaat Thüringen durch Erlass des am 01.01.2010 in Kraft getretenen Thüringer Untersuchungshaftvollzugsgesetzes - ThürUVollzG - v. 08.07.2009 (GVBl. S. 553) Gebrauch gemacht hat, ein Rechtsweg gegen Entscheidungen und Maßnahmen geschaffen worden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der JVA - in der Regel von dieser selbst - getroffen werden. Dabei ist der bisherige Rechtsweg zu den OLG nach §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 25 Abs. 1 EGGVG dadurch ersetzt worden, dass nunmehr nach § 126 Abs. 1 Satz 1 StPO der zuständige Haftrichter - im vorliegenden Fall nach § 126 Abs. 2 StPO das LG - die gerichtliche Entscheidung nach § 119a Abs. 1 Satz 1 StPO zu treffen hat (vgl. Meyer-Goßner, 53. Aufl., § 119a Rn. 1). Gegen dessen Entscheidung ist, wie sich auch § 119a Abs. 3 StPO entnehmen lässt, nach § 304 Abs. 1 StPO die Beschwerde - hier zum OLG - gegeben.
b) Eine behördliche (Ausgangs-)Entscheidung der nach § 65 Abs. 1 ThürUVollzG hierfür zuständigen JVA T über den Antrag des Angekl. v. 31.05.2010, mit dem dieser eine vollständige Befreiung vom REFA-System und hilfsweise eine Erhöhung der danach zulässigen Gesamtpunktzahl erstrebt, liegt vor. Zwar hat der Angekl. seinen Antrag unmittelbar an den Vors. der 2. StrK des LG Gera als zuständiges Gericht i.S.d. § 119 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO gerichtet, worauf dieser mit dem angefochtenen Beschl. eine Befreiung des Angekl. vom REFA-System abgelehnt hat. Jedoch liegt insoweit eine vorhergehende, den Rechtsweg nach § 119a Abs. 1 Satz 1 StPO eröffnende Entscheidung des Leiters der JVA T nach § 65 Abs. 1 ThürUVollzG vor, als dieser auf den Antrag des Angekl. die erlaubte Gesamtpunktzahl nach dem REFA-System um 250 erhöht, in seiner Stellungnahme v. 15.06.2010 eine weitere Erhöhung in Aussicht gestellt und im Übrigen hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass eine vollständige Befreiung vom REFA-System nicht in Betracht kommt. Damit ist eine Ablehnung des vom Angekl. in erster Linie verfolgten Begehrens und ein Eingehen auf das von ihm hilfsweise Verlangte verbunden.
2. Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
a) Der Angekl. ist nicht deshalb gänzlich v. REFA-System zu befreien, weil grundsätzliche Bedenken gegen die Anwendung dieses Systems im Untersuchungshaftvollzug bestünden.
Nach § 16 ThürUVollzG darf der Untersuchungsgefangene seinen Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten, wobei solche Sachen ausgeschlossen sind, deren Überlassung eine verfahrenssichernde Anordnung entgegensteht oder die geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt zu gefährden. Der ?angemessene Umfang' ist ein unbestimmter, von der Vollzugsbehörde im Einzelfall unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben auszufüllender und gerichtlich voll überprüfbarer Rechtsbegriff. Dabei ist vor allem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, der für den Untersuchungshaftvollzug u.a. in den §§ 4 und 42 ThürUVollzG seine einfachgesetzliche Ausprägung gefunden hat. Danach dürfen den als unschuldig geltenden Untersuchungsgefangenen nur zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder der Ordnung der Anstalt Beschränkungen auferlegt werden, die zudem in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen müssen und die Untersuchungsgefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen dürfen. Dementsprechend dient auch die Beschränkung der Haftraumausstattung mit eigenen Sachen des Untersuchungsgefangenen auf einen ?angemessenen Umfang' bei verfassungskonformer Auslegung nur dem Zweck, die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt (auch) dadurch aufrecht zu erhalten, dass die Übersichtlichkeit der Hafträume gewahrt wird. Dieser Zweck ist im Zusammenhang mit § 44 Abs. 1 Satz 1 ThürUVollzG zu sehen, nach dem die Untersuchungsgefangenen, ihre Sachen und die Hafträume mit technischen Mitteln abgesucht und durchsucht werden dürfen. Die Durchsuchbarkeit des Haftraumes insbes. nach versteckten Waffen, Ausbruchswerkzeugen und Drogen und damit seine Übersichtlichkeit ist ein wichtiger Bestandteil der Anstaltssicherheit und -ordnung. Auch darf der Zustand eines Haftraumes nicht so zeitraubende Kontrollen erzwingen, dass die Vollzugsbediensteten in unangemessener Weise von der Erfüllung ihrer anderen Aufgaben abgehalten werden, wodurch letztlich die Sicherheit und Ordnung der Anstalt an anderer Stelle gefährdet wird (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.12.2000, 1 Ws 605/00, bei juris m.w.N.).
Welche Kriterien und Methoden die Vollzugsbehörde im Einzelnen anlegt bzw. anwendet, um den der Übersichtlichkeit des Haftraums dienenden ?angemessenen Umfang' seiner Ausstattung konkret zu bestimmen, obliegt grundsätzlich ihrem Ermessen und kann von den Gerichten lediglich auf Ermessensfehler überprüft werden. Dabei ist es grundsätzlich nicht ermessensfehlerhaft, wenn die JVA - wie hier - ein standardisiertes System wie das REFA-System zur Bemessung der Angemessenheit der Haftraumausstattung auch im Untersuchungshaftvollzug anwendet, wobei die Entscheidung, ob ein solches System zur Anwendung kommt oder nicht, jeder einzelnen JVA überlassen bleibt. Nach dem REFA-System werden sämtliche - erlaubten - Gegenstände im Haftraum mit einer vorgegebenen Punktzahl versehen, die der Zeitdauer entspricht, welche die Kontrolle des jeweiligen Gegenstandes regelmäßig in Anspruch nimmt (1 Minute = 10 Punkte). Die Gesamtpunktzahl für die im Haftraum befindlichen Gegenstände darf in der Regel 2.400 nicht überschreiten, was einem Zeitaufwand von insgesamt 4 Stunden für die Haftraumkontrolle entspricht. Innerhalb dieses Rahmens kann der Gefangene wählen, mit welchen Gegenständen er seinen Haftraum ausstattet. Das ursprünglich im rheinland-pfälzischen Strafvollzug entwickelte und angewendete REFA-System ist prinzipiell eine taugliche Methode zur Feststellung, ob konkrete Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung des Sicherheitsinteresses oder des Ordnungsgefüges der Anstalt vorliegen (vgl. OLG Zweibrücken, a.a.O.), die zudem im Vergleich zu einer bloßen optischen Einschätzung der Übersichtlichkeit von Hafträumen durch die jeweiligen Vollzugsbediensteten zu objektivierbareren Ergebnissen führt. Insbesondere ist die dem REFA-System zugrunde liegende Annahme vertretbar, dass ab einem Gesamtaufwand von 4 Stunden für die Kontrolle einzelner Zellen regelmäßig von einer Beeinträchtigung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt auszugehen ist, weil deren Bediensteten dann nicht mehr genügend Zeit für die ordnungsgemäße Wahrnehmung ihrer sonstigen Aufgaben verbleibt (vgl. OLG Zweibrücken, a.a.O.). Auch ist weder erkennbar noch v. Angekl. vorgetragen, dass die vorgegebene, am jeweiligen Kontrollaufwand orientierte Bepunktung verschiedener Gegenstände nach dem REFA-System ermessensfehlerhaft wäre. Gründe, die der Anwendung des REFA-Systems im Untersuchungshaftvollzug prinzipiell entgegenstünden, vermag der Senat auch unter Berücksichtigung der besonderen Stellung der Untersuchungsgefangenen nicht zu erkennen. Durch die Anwendung des REFA-Systems werden die Untersuchungsgefangenen nicht in einer Weise belastet, die den durch das ThürUVollzG als verhältnismäßig vorgegebenen Rahmen überschreitet. Auch ist das Interesse an der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Untersuchungshaftvollzug nicht geringer zu veranschlagen als im Strafvollzug. Überdies sind Untersuchungsgefangene in Thüringen zwar räumlich getrennt von Strafgefangenen, mit diesen aber regelmäßig in einer Anstalt untergebracht, so dass Sicherheitsdefizite im Untersuchungshaftvollzug auch auf den Strafvollzug ?durchschlagen' können.
b) Allerdings entbindet die Überschreitung der höchstzulässigen Gesamtpunktzahl nach dem REFA-System die JVA nicht davon, die Richtigkeit ihrer Entscheidung, auf eine Reduzierung der Anzahl der im Haftraum befindlichen Gegenstände durch den Gefangenen hinzuwirken bzw. diese zwangsweise zu reduzieren, in jedem konkreten Einzelfall zu überprüfen und kritisch zu reflektieren (vgl. OLG Zweibrücken, a.a.O.). Liegen besondere Umstände vor, die diese Entscheidung ausnahmsweise unangemessen erscheinen lassen, muss die Behörde prüfen, auf welche Weise sie diesen Rechnung tragen kann. Solche Umstände sind etwa - wie hier - gegeben, wenn ein Untersuchungsgefangener umfangreiche Akten und sonstige Unterlagen, wie beispielsweise Verteidigerkorrespondenz, zum Zwecke der Vorbereitung auf eine anstehende Hauptverhandlung in seinem Haftraum verwahrt. Bei dieser Sachlage hat die Vollzugsbehörde das Interesse des Untersuchungsgefangenen an der Vorbereitung seiner Verteidigung zu berücksichtigen, wobei es grundsätzlich ihrem Ermessen überlassen ist, wie sie diesem Anliegen im Rahmen der jeweiligen personellen und örtlichen Gegebenheiten der JVA bestmöglich Rechnung trägt. So ist es denkbar, dass die Anstalt dem Gefangenen trotz Überschreitung der höchstzulässigen Gesamtpunktzahl nach dem REFA-System seine Habe ausnahmsweise ungeschmälert belässt und den erhöhten Kontrollaufwand im Einzelfall hinnimmt, indem sie ihn entweder völlig v. REFA-System befreit oder die von ihm zu seiner Verteidigung benötigten Akten und Unterlagen nicht danach bepunktet. Dies dürfte dann in Betracht kommen, wenn die allein auf Verfahrensakten und sonstige -unterlagen entfallende Punktzahl einen so erheblichen Teil der erreichten Gesamtpunktzahl ausmacht, dass der Gefangene praktisch keine Möglichkeit mehr hätte, neben diesen Gegenständen und der Einrichtung seines Haftraums dort noch persönliche Gegenstände aufzubewahren. Vorstellbar ist auch, unter diesen Umständen die Ausstattung des Haftraums des Gefangenen weiterhin ohne Einschränkung nach dem REFA-System zu bewerten und ggf. auf das zulässige Maß zu reduzieren, dem Gefangenen aber einen nicht belegten Haftraum zur Verfügung zu stellen, in dem er (nur) benötigte Verfahrensakten und -unterlagen aufbewahren und in zeitlich angemessenen Umfang studieren kann. Soweit der damit verbundene Verwaltungsaufwand zu hoch erscheint, kann die JVA auch die nach dem REFA-System höchstzulässige Gesamtpunktzahl für den Gefangenen unter Berücksichtigung der konkret vorhandenen Ausstattung seines Haftraums und seiner Verteidigungsbedürfnisse angemessen erhöhen, mit der Folge, dass der Gefangene nach einer verhältnismäßig geringfügigen und zumutbaren Reduzierung der Gegenstände in seinem Haftraum dort ungehindert die zu seiner Verteidigung notwendigen Unterlagen aufbewahren kann.
Diese Prüfung im Einzelfall hat der Leiter der JVA T vorgenommen, indem er die nach dem REFA-System höchstzulässige Gesamtpunktzahl für den Angekl. um 250 erhöht und deren weitere Erhöhung bei konkreter Darlegung eines entsprechenden Bedarfs durch den Angekl. in seiner Stellungnahme v. 15.06.2010 angeboten hat. Eine solche Darlegung ist nach Auffassung des Senats bisher nicht erfolgt. Allein aus dem Vorbringen des Angekl., dass ?alleine Aktenordner und Schriftstücke v. Gericht mit 870 Punkten zu Buche schlagen' und ?andere Gefangene 2.400 Punkte für Annehmlichkeiten ihrer Wahl zur Verfügung haben', ergibt sich noch nicht, dass die JVA angesichts der sonstigen, dem Senat nicht bekannten Haftraumausstattung des Angekl. bislang eine weitere Erhöhung der Gesamtpunktzahl ermessensfehlerhaft unterlassen hat, zumal der Angekl. nach eigenem Vorbringen nach der vorgenommenen Erhöhung der Gesamtpunktzahl wieder sämtliche von ihm benötigten Unterlagen in seinem Haftraum übernommen hat. Im Übrigen gebietet es auch der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht, dass dem Angekl. ohne Berücksichtigung der von ihm benötigten Verfahrensakten ?2.400 Punkte für Annehmlichkeiten' zur Verfügung stehen. ..."
Angaben gegenüber einem Mithäftling
Siehe unter ?Verbotene Vernehmungsmethoden".
Angaben gegenüber einem Sachverständigen
Siehe unter ?Verlangen des Sachverständigen auf Zeugen- oder Beschuldigtenvernehmung".
Angebotsschreiben
Siehe unter ?Betrug".
Anhörung in der Hauptverhandlung § 33 StPO
(1) Eine Entscheidung des Gerichts, die im Laufe einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach Anhörung der Beteiligten erlassen.
(2) Eine Entscheidung des Gerichts, die außerhalb einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach schriftlicher oder mündlicher Erklärung der Staatsanwaltschaft erlassen.
(3) Bei einer in Absatz 2 bezeichneten Entscheidung ist ein anderer Beteiligter zu hören, bevor zu seinem Nachteil Tatsachen oder Beweisergebnisse, zu denen er noch nicht gehört worden ist, verwertet werden.
(4) Bei Anordnung der Untersuchungshaft, der Beschlagnahme oder anderer Maßnahmen ist Absatz 3 nicht anzuwenden, wenn die vorherige Anhörung den Zweck der Anordnung gefährden würde. Vorschriften, welche die Anhörung der Beteiligten besonders regeln, werden durch Absatz 3 nicht berührt.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... 1. Die inhaltsgleich erhobenen Verfahrensrügen zu §§ 33, 261 StPO greifen nicht.
a) Ihnen liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Bereits im Vorfeld der Hauptverhandlung wurden telefonische Gespräche zwischen dem Vorsitzenden, dem Verteidiger des Angeklagten T. und einem der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft über die Möglichkeit einer verfahrensbeendenden Absprache geführt. In diesen stellte der Verteidiger ein Geständnis des Angeklagten T. bei Zusage einer Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren und elf Monaten in Aussicht. Über das Ergebnis dieser Vorgespräche liegen unterschiedliche dienstliche Äußerungen vor. Unmittelbar nach Beginn der Hauptverhandlung am 18. August 2005 fand im Beratungszimmer eine Besprechung statt, an der die Mitglieder der Strafkammer, sämtliche Verteidiger sowie die beiden Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft teilnahmen. Zu Beginn des Gespräches gab der Vorsitzende bekannt, dass in Anbetracht der schwierigen Beweislage seitens der Strafkammer für die Angeklagten A. , T. und M. im Falle eines umfassenden Geständnisses Strafobergrenzen von jeweils zwei Jahren und elf Monaten angedacht seien. Die Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft waren hiermit nicht einverstanden. Sie hielten gestaffelte Strafobergrenzen zwischen fünf Jahren und fünf Jahren und sechs Monaten für sachgerecht; eine Einigung kam nicht zustande. In der Fortsetzungsverhandlung vom 25. August 2005, vor Eintritt in die Beweisaufnahme, baten die Verteidiger der Angeklagten um Mitteilung der ?Strafmaßvorstellungen' der Strafkammer für den Fall eines Geständnisses. Nach einer Unterbrechung der Hauptverhandlung gab der Vorsitzende bekannt, dass angesichts der . Eine Erklärung der Staatsanwaltschaft hierzu erfolgte nicht. Im Anschluss gaben die Angeklagten sodann über ihre Verteidiger geständige Einlassungen ab. In der fortgesetzten Hauptverhandlung vom 29. August 2005 erklärte die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft, dass die vom Gericht genannten Strafen nicht den Vorstellungen der Staatsanwaltschaft entsprächen, sie seien daher ?nicht Gegenstand einer Absprache'. nach Aktenlage ?für die Angeklagten nicht in allen Anklagepunkten ungünstige Beweislage' ein Geständnis zu einer nicht unerheblichen Strafmilderung führen würde, wobei die Strafkammer folgende Strafobergrenze nicht überschreiten würde: zwei Jahre zehn Monate hinsichtlich des Angeklagten A. , drei Jahre zwei Monate hinsichtlich des Angeklagten T. und drei Jahre hinsichtlich des Angeklagten M.
b) Die Rüge der Staatsanwaltschaft, das Landgericht habe gegen § 33 StPO verstoßen, da ihr vor Bekanntgabe der Strafobergrenzen in der Hauptverhandlung vom 25. August 2005 keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden sei, geht bei diesem Geschehensablauf schon im Ansatz fehl. Die Beschwerdeführerin hatte bereits anlässlich der Besprechung vom 18. August 2005 Gelegenheit, ihre Vorstellungen zu den bei Geständnissen der Angeklagten in Betracht kommenden Strafrahmen zu äußern und hat hiervon auch ganz konkret Gebrauch gemacht. Darüber hinaus stand es den Sitzungsvertretern der Staatsanwaltschaft frei, nachdem die Verteidigung in der Hauptverhandlung ihre Bitte um Bekanntgabe der Strafobergrenzen vorgetragen hatte und bevor das Gericht dem entsprach, ihren Standpunkt hierzu nochmals darzulegen. Schließlich hätte es sich schon aus Gründen der Verfahrensfairness angeboten, jedenfalls nach der Bekanntgabe der Strafmaßvorstellungen des Gerichts und vor Abgabe der geständigen Einlassungen der Angeklagten, klarzustellen, dass seitens der Staatsanwaltschaft mit einer verfahrensbeendenden Absprache auf der Basis der mitgeteilten Strafobergrenzen kein Einverständnis besteht. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt hier grundlegend von dem, der der Entscheidung BGHSt 38, 102 zugrunde lag, auf die sich die Beschwerdeführerin maßgeblich stützt. Dort war außerhalb der Hauptverhandlung eine Verständigung zwischen Gericht und Verteidigung erfolgt, an der die Staatsanwaltschaft nicht beteiligt war und von der sie auch in der Folgezeit nicht unterrichtet wurde.
c) Zudem ist nicht erkennbar, dass hier bereits die Bekanntgabe der Strafobergrenzen in der Hauptverhandlung geeignet war, einen Vertrauenstatbestand zu schaffen, der in Anwendung des Grundsatzes des § 33 StPO die vorherige Anhörung der Beschwerdeführerin hätte erforderlich machen können (vgl. BGHSt 38, 102, 105; 42, 46, 49/50). Ungeachtet der Frage, ob überhaupt eine (wirksame) Verständigung ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft oder gar gegen ihren Widerspruch getroffen werden kann (vgl. hierzu BGH StV 2003, 481; Meyer/Goßner StPO 49. Aufl. vor § 213 Rdn. 12; vgl. auch § 257 c Abs. 3 Satz 2 des Referentenentwurfes des Bundesministeriums der Justiz für ein Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren [Stand 18. Mai 2006]: keine Wirksamkeit bei Widerspruch der Staatsanwaltschaft), hat vorliegend der Vorsitzende lediglich auf Bitten der Verteidiger als Ergebnis einer Zwischenberatung mitgeteilt, dass die erkennende Strafkammer im Fall von Geständnissen bestimmte Strafobergrenzen nicht überschreiten werde. Darin wird regelmäßig nur ein Vorschlag des Gerichts an die Verfahrensbeteiligten zur inhaltlichen Ausgestaltung einer (möglichen) Verständigung zu sehen sein, zu dem diese sich äußern können, den sie annehmen, ablehnen oder aber auch inhaltlich modifizieren können und der nicht zur vorherigen Anhörung der Beteiligten zwingt (vgl. auch BGH NStZ 2005, 395, 396). ... (BGH, Urteil vom 13.07.2006 - 4 StR 87/06)
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Der Anspruch des von einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Betroffenen auf rechtliches Gehör beinhaltet die Information über entscheidungserhebliche Beweismittel. Ist zum Zweck der so genannten Rückgewinnungshilfe ein dinglicher Arrest angeordnet, muss dem Betroffenen jedenfalls vor einer ihm nachteiligen Letztentscheidung über eine hiergegen gerichtete Beschwerde Akteneinsicht gewährt werden. Die Übermittlung polizeilicher Ermittlungsberichte, die keine hinreichende Unterrichtung über die von den Gerichten für die Entscheidung herangezogenen Tatsachen und Beweismittel ermöglichen, reicht insoweit ebenso wenig aus wie eine genaue Bezeichnung oder Beschreibung der in oder bei den Ermittlungsakten verwahrten Beweisstücke in den Gründen einer im Ermittlungsverfahren ergehenden Gerichtsentscheidung (BVerfG 3. Kammer des 2. Senats, Beschluss vom 19.01.2006 - 2 BvR 1075/05).
Anhörungsbogen
Siehe unter ?Personalien - Falsche Namensangabe".
Anklageerhebung oder Einstellung
(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.
(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.
Hinweise:
Sind die Ermittlungen abgeschlossen, so erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage. Dazu wird bei dem zuständigen Gericht eine Anklageschrift eingereicht. Die Anklage wird erhoben, wenn die Staatsanwaltschaft der Meinung ist, dass die Ermittlungen genügenden Anlass zur Erhebung der Klage bietet. Das ist der Fall, wenn ein hinreichender Tatverdacht besteht.
Ein hinreichender Tatverdacht wird in der Regel bejaht, wenn nach dem gesamten Akteninhalt bei vorläufiger Tatbewertung die Verurteilung des Beschuldigten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.
Verneint die Staatsanwaltschaft das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachtes, so stellt sie das Verfahren gem. § 170 II StPO ein.
Leitsätze/Entscheidungen:
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Verfahrensrecht in seiner Auslegung und Anwendung durch die Fachgerichte grundsätzlich keinen Rechtsschutz gegen die Einleitung und Fortführung eines Ermittlungsverfahrens durch die StA gewährt (BVerfG, Beschluss vom 02.10.2003 - 2 BvR 660/03).
Siehe auch unter ?Amtspflichtwidrige Anklageerhebung".
Anklageschrift - Tatbegriff - Umgrenzungsfunktion § 200 StPO
(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen genügt in den Fällen des § 68 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 die Angabe der ladungsfähigen Anschrift. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.
(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.
Hinweise:
Die Anklageschrift hat eine wichtige Funktion. Sie soll den Angeschuldigten über den gegen ihn erhobenen Vorwurf informieren. Darüber hinaus soll der Gegenstand, über den das Gericht im Eröffnungsverfahren zu entscheiden hat, in persönlicher und sachlicher Hinsicht eingegrenzt werden.
Der Inhalt der Anklageschrift ist vorgeschrieben. Die Einzelheiten ergeben sich aus § 200 StPO. Zunächst enthält die Anklageschrift die Angaben des Angeklagten zu seiner Person. Es folgen Ort und Zeit der Tatbegehung. Anschließend folgt der konkrete Anklagesatz. Dieser besteht zunächst aus einer Wiederholung des Wortlautes der verletzten Strafvorschrift. Im Anschluss daran wird der Sachverhalt mitgeteilt, der nach Ansicht der Staatsanwaltschaft das Strafgesetz verletzt hat. Anschließend werden die Beweismittel aufgeführt. Anschließend teilt die Staatsanwaltschaft das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen mit. Dort wird im Einzelnen begründet, warum die Staatsanwaltschaft das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachtes bejaht. Außerdem enthält das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen eine Beweiswürdigung. Der Umfang der Beweiswürdigung hängt jedoch von den konkreten Umständen, insbesondere von dem Umfang des Verfahrens ab.
Wird eine Anklage beim Strafrichter erhoben, muss die Anklageschrift kein wesentliches Ergebnis der Ermittlungen enthalten (§ 200 II 2 StPO).
Leitsätze/Entscheidungen:
?... 2. Denn das Urteil verfällt schon deshalb der Aufhebung, da das Landgericht das Tatgeschehen, die angeklagte Tat im Sinne von § 264 StPO, nicht unter allen tatsächlichen und strafrechtlichen Gesichtspunkten gewürdigt hat; es hat seiner Kognitionspflicht nicht genügt.
Dies ist auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts hin zu berücksichtigen. Ob es einer Verfahrensrüge bedurft hätte, wenn der nicht beachtete Teil gemäß § 154a StPO ausgeschieden gewesen wäre, kann dahinstehen (Sachrüge genügt: BGH, Urteil vom 18. Juli 1995 - 1 StR 320/95; Verfahrensrüge erforderlich: BGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 - 4 StR 370/95 -, BGHR StPO § 154a III Wiedereinbeziehung 3). Denn eine Teileinstellung ist hier nicht erfolgt, auch nicht - in Verkennung der Rechtslage - gemäß § 154 StPO (die dann als Beschränkung gemäß § 154a StPO anzusehen wäre).
Die bisherigen Feststellungen begründen den hinreichenden Verdacht, dass sich der Angeklagte eines versuchten (§ 22 StGB) Vergehens des Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG oder gar eines versuchten Verbrechens gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG (Sich-Verschaffen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführung eines Gegenstandes, der seiner Art nach zur Verletzung von Menschen geeignet und bestimmt ist) schuldig gemacht hat. Die Vorgänge im Zusammenhang mit dem Versuch des Erwerbs von Betäubungsmitteln und der Messerstich zur Abwehr des Angriffs mit dem Schlagring bilden einen einheitlichen Lebenssachverhalt.
Die Tat als Gegenstand der Urteilsfindung (§ 264 Abs. 1 StPO) ist der geschichtliche Vorgang, auf den Anklage und Eröffnungsbeschluss hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Hierbei handelt es sich um einen eigenständigen Begriff; er ist weiter als derjenige der Handlung im Sinne des sachlichen Rechts. Zur Tat im prozessualen Sinn gehört - unabhängig davon, ob Tateinheit (§ 52 StGB) oder Tatmehrheit (§ 53 StGB) vorliegt - das gesamte Verhalten des Täters, soweit es nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang darstellt. Somit umfasst der Lebensvorgang, aus dem die zugelassene Anklage einen strafrechtlichen Vorwurf herleitet, alle damit zusammenhängenden und darauf bezüglichen Vorkommnisse, selbst wenn diese Umstände in der Anklageschrift nicht ausdrücklich erwähnt sind. Bei der Beurteilung des Tatumfangs kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Entscheidend ist, ob zwischen den in Betracht kommenden Verhaltensweisen - unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung - ein enger sachlicher Zusammenhang besteht; selbst zeitliches Zusammentreffen der einzelnen Handlungen ist weder erforderlich noch ausreichend (vgl. zu allem BGH, Urteil vom 17. März 1992 - 1 StR 5/92 -, BGHR StPO § 264 I Tatidentität 21; BGH, Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98 -, BGHSt 45, 211, 212 f. = BGHR StPO § 264 I Tatidentität 30; BGH, Urteil vom 14. März 2001 - 3 StR 446/00 -, BGHR StPO § 264 I Tatidentität 32; BGH, Urteil vom 9. August 2011 - 1 StR 194/11 - Rn. 16 f.; BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 - 1 StR 412/11 -, Rn. 13; BVerfG, Beschluss vom 28. August 2003 - 2 BvR 1012/01).
Gemessen hieran, besteht zwischen der Herbeiführung der Stichverletzung und dem versuchten Erwerb der Betäubungsmittel eine ausreichende Verknüpfung.
Die körperliche Auseinandersetzung stellt sich als Eskalation des Geschehens um den versuchten Erwerb von 200 Gramm Marihuana dar. Sie ist noch dessen Teil. W. wollte mit dem Faustschlag die Rückgabe des als Pfand für den Kaufpreis übergebenen Mobiltelefons gewaltsam durchsetzen. Auch wenn der Versuch, sich Betäubungsmittel zu verschaffen, mit der Rückkehr des W. ohne das bestellte Marihuana auch für den Angeklagten erkennbar endgültig gescheitert war, ist der Kampf um das Handy mit dem Erwerbsversuch situativ, d.h. sachlich, räumlich, persönlich und zeitlich so eng verbunden, dass von Tatidentität und sogar von natürlicher Handlungseinheit im Sinne von § 52 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2007 - 4 StR 576/07 - Rn. 3, Wegnahme eines Handys nach vollendeter schwerer räuberischer Erpressung) auszugehen ist. Die Mitteilung über das Scheitern der - angeblichen - Bemühungen, an Marihuana zu kommen und den behaupteten Verlust des Geldes ging unmittelbar in die gewaltsame Auseinandersetzung um das Mobiltelefon über. Die Aburteilung in verschiedenen erstinstanzlichen Verfahren würde den hier zu beurteilenden Lebenssachverhalt unnatürlich aufspalten.
Das Landgericht hätte deshalb - wie von der Revision vorgetragen - nach einem Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts (§ 265 StPO) gemäß § 264 StPO von Amts wegen, also auch ohne einen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft und ohne Bindung an die Einschätzung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, den Unrechtsgehalt der prozessualen Tat auch im Hinblick auf das Betäubungsmittelgeschäft ausschöpfen müssen. Innerhalb derselben prozessualen Tat ist der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft grundsätzlich unteilbar (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2001 - 3 StR 446/00 -, BGHR StPO § 264 I Tatidentität 32).
3. Da mit dem möglichen Betäubungsmitteldelikt - sogar materiell rechtliche - Tatidentität besteht, führt die aufgezeigte Verletzung der Kognitionspflicht zwingend zur Aufhebung des Freispruchs vom Vorwurf des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Denn wenn der Freispruch in Rechtskraft erwachsen würde, stünde dies der weiteren Verfolgung der Tat unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Drogendelikts wegen des Verbots aus Art. 103 Abs. 3 GG entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96 -, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1; BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 4 StR 239/09 - Rn. 12; BGH, Urteil vom 17. Januar 2001 - 2 StR 437/00).
Auch Feststellungen können im vorliegenden Fall nicht aufrecht erhalten bleiben.
Dies gilt zunächst für diejenigen zum versuchten Erwerb von Marihuana. Ohne Hinweis darauf, dass auch die Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz in Betracht kommt unter Aufzeigung der Tatsachen, auf denen diese Möglichkeit beruht, konnte und musste der Angeklagte seine Verteidigung nicht hierauf ausrichten. Auch konnte er sich revisionsrechtlich gegen diese Feststellungen nicht zur Wehr setzen.
Feststellungen zu den Grundlagen des Freispruchs können in der hier gegebenen Konstellation (Freispruch unter Außerachtlassung eines tateinheitlichen strafrechtlich relevanten Geschehens) zwar grundsätzlich bestehen bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 1983 - 4 StR 535/83 -, BGHSt 32, 84, 86 ff. [Der 4. Strafsenat hat dort entschieden, dass die rechtsfehlerfreien Feststellungen, auf deren Grundlage der Tatrichter den dortigen Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Totschlages freigesprochen hatte, von der Urteilsaufhebung nicht mit umfasst werden, wenn die Staatsanwaltschaft mit ihrer erfolgreichen Revision allein geltend macht, dass es der Tatrichter unter Verstoß gegen § 264 StPO unterlassen hatte, den zuvor gemäß § 154a Abs. 2 StPO aus den Verfahren ausgeschiedenen Vorwurf eines Verstoßes gegen das Waffengesetz wieder einzubeziehen, nachdem er zu dem Ergebnis gelangt war, dass eine Verurteilung wegen versuchten Totschlages nicht in Betracht kommt.]; vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. November 2000 - 3 StR 472/00 -, BGHR StPO § 353 II Teilaufhebung 2). Es muss dann aber sicher sein, dass die aufrechterhaltenen Feststellungen im neuen tatgerichtlichen Verfahren nicht - auch nur teilweise - Grundlage einer Verurteilung werden könnten. Denn diese den Angeklagten dann belastenden Feststellungen konnte er bei einem Freispruch revisionsrechtlich nicht beanstanden. Außerdem dürfen die in Frage stehenden strafrechtlich relevanten Vorgänge nicht so eng mit einander verbunden sein, dass bei teilweiser Aufrechterhaltung die Gefahr widersprüchlicher Erkenntnisse im neuen Verfahren besteht. Die Aufrechterhaltung von Feststellungen bei Freispruch unter Verletzung der Kognitionspflicht hinsichtlich derselben Tat gemäß § 264 StPO wird daher nur in seltenen Fällen in Betracht kommen. Eine Überdehnung des § 353 Abs. 2 StPO seitens des Revisionsgerichts berührt auch das Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 2006 - 2 BvR 1765/05). Im vorliegenden Fall kann wegen des engen Zusammenhangs des den Freispruch betreffenden Teils der Tat mit dem möglichen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz nur mit einer umfassenden Aufhebung der Weg zu insgesamt widerspruchsfreien Feststellungen eröffnet werden. Die nunmehr zur Entscheidung berufene Jugendkammer wird deshalb den dem Angeklagten zur Last gelegten Sachverhalt in eigener tatrichterlicher Verantwortung in vollem Umfang erneut zu prüfen und darüber zu entscheiden haben. ..." (BGH, Urteil vom 07.02.2012 - 1 StR 542/11)
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Die Umgrenzungsfunktion der Anklageschrift gebietet auch bei Bandentaten oder "uneigentlichen Organisationsdelikten" nicht, dass für die Bestimmtheit des Anklagevorwurfs i.S.d. § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO mehr an Substanz verlangt wird als materiell-rechtlich für einen Schuldspruch erforderlich ist ( BGH, Beschluss vom 24.01.2012 - 1 StR 412/11 zu §§ 200 I 1 StPO, 264 StPO).
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Zu den Anforderungen an die Fassung des Anklagesatzes bei einer Vielzahl gleichartiger Einzelakte, die zu gleichartiger Tateinheit und damit auch prozessual zu einer Tat verbunden sind (BGH, Urteil vom 02.03.2011 - 2 StR 524/10):
?... Das LG hat das Verfahren gegen den Angekl. gem. § 260 Abs. 3 StPO mit der Begründung eingestellt, die Anklageschrift genüge nicht den an sie gem. § 200 Abs. 1 S. 1 StPO zu stellenden Anforderungen. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge formellen Rechts gestützte Revision hat hinsichtlich der Fälle 1) - 8) der Anklage Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Die Anklage der StA Frankfurt/M. v. 21.07.2008 legt dem Angekl. Betrug in zehn Fällen in der Zeit v. 01.07.2000 bis 30.04.2003 zur Last. Der wegen Betruges vorbestrafte Angekl. habe als faktischer Geschäftsführer verschiedener Firmen von ihm selbst verfasste ?Informationsbriefe' mit einem Umfang zwischen 12 und 26 Seiten über einen Fax-Abruf vertrieben, bei dem der Besteller durch Anwahl einer bestimmten Nummer den Versand des Briefes auf sein eigenes Faxgerät bewirkte. Zuvor habe der Angekl. seine Informationsbriefe über massenhaft verschickte Werbefaxe und über das Internet beworben. Die Abwicklung sei über bei einem Telefondienstleister angemietete Rufnummern erfolgt. Da der Angekl. jeweils den teuersten Tarif gewählt habe, sei den Bestellern des Fax-Briefes eine Gebühr von 3,63 DM bzw. 1,86 Euro pro Minute berechnet worden, von der dem Angekl. nach den Vereinbarungen mit dem Telefondienstleister ca. 60 bis 67 ? zugestanden habe. Im Interesse eines maximalen Gewinns habe der Angekl. auf verschiedene Weise - etwa durch die typografische bzw. grafische Gestaltung der Faxbriefe und die Wahl der langsamsten Übertragungsrate - dafür gesorgt, dass die Übertragungsdauer auf ein Vielfaches der üblichen Zeit verlängert worden sei. Der Angekl. habe zwar in seinen Werbefaxen auf den Minutenpreis von 3,63 DM und später 1,86 Euro hingewiesen. Die durch die verlängerte Übertragungsdauer entstandenen unerwartet hohen Kosten seien für die Besteller jedoch nicht zu erkennen gewesen. So dauerte etwa der Abruf eines 24seitigen Faxbriefes ca. 72 Minuten und kostete den Besteller ca. 276 DM bzw. 138 ?.
Der Angekl. habe die Abnehmer in seinen zu Werbezwecken verschickten Faxen aber vor allem über den Inhalt und den praktischen Nutzen der angebotenen Fax-Abrufe getäuscht. Die Informationsbriefe zu Themen wie z.B. ?Banken ohne Schufa', ?Traumjob Fotomodell', ?Verlieben online', ?Heimverdienst', ?Gesunde Ernährung', ?Sexlinks ohne Ende' und ?Fabrikverkauf - Umgehen Sie den Einzelhandel' hätten Banalitäten enthalten, die für die meisten bzw. nahezu alle Abnehmer ohne Wert gewesen seien. Die Einnahmen des Angekl. hätten sich im Tatzeitraum auf insgesamt 2.555.833 Euro belaufen.
2. Das LG hat die Einstellung des Verfahrens gem. § 260 Abs. 3 StPO damit begründet, dass die Anklageschrift die einzelnen Taten nicht hinreichend konkretisiere. Es sei schon nicht erkennbar, an welchen Orten, zu welchen Zeiten und mit welchem Inhalt die Werbefaxe, in denen der Angekl. über den Inhalt und den Nutzen der Informationsbriefe getäuscht und bei denen er gebotene Angaben unterlassen haben soll, versandt worden seien. Außerdem bezeichne die Anklageschrift bis auf wenige beispielhaft genannte Personen die geschädigten Kunden nicht namentlich, und es sei nicht erkennbar, welche konkreten Werbemaßnahmen bzw. Manipulationen an der Übertragungszeit jeweils mit welchen Auswirkungen auf Vorstellungsbild und Motivlage einzelner Geschädigter in strafrechtlichem Zusammenhang stünden. Der Umgrenzung der Einzelakte im Verhältnis zu anderen Einzelakten komme vorliegend auch keine nur untergeordnete Bedeutung zu, da bezogen auf einen betrügerischen Geschäftsbetrieb ein einheitliches ?uneigentliches' Organisationsdelikt nicht angenommen werden könne.
3. Die Revision der StA ist hinsichtlich der Fälle 1) bis 8) der Anklageschrift begründet. In diesen - nicht verjährten (vgl. den auf die Revision des Angekl. ergangenen Senatsbeschl. vom heutigen Tage - 2 StR 524/10) - Fällen hat die Anklage Bestand, weil sie die notwendigen Angaben zur Bestimmung des Prozessgegenstandes enthält und damit ihrer Umgrenzungsfunktion genügt.
a) Eine Anklage ist nur dann unwirksam mit der Folge, dass das Verfahren wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung einzustellen ist, wenn etwaige Mängel ihre Umgrenzungsfunktion betreffen. Mängel der Informationsfunktion berühren ihre Wirksamkeit dagegen nicht (BGHSt 44, 153, 156 [= StV 1998, 580]; LR-Stuckenberg 26. Aufl. § 200 StPO Rn. 80). Die Umgrenzungsfunktion der Anklage dient dazu, den Prozessgegenstand festzulegen, mit dem sich das Gericht aufgrund seiner Kognitionspflicht zu befassen hat. Sie erfordert neben der Bezeichnung des Angeschuldigten Angaben, welche die Tat als geschichtlichen Vorgang unverwechselbar kennzeichnen. Es darf nicht unklar bleiben, über welchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der StA urteilen soll (BGHSt 40, 44 f. [= StV 1994, 226]; LR-Stuckenberg 26. Aufl. § 200 StPO Rn. 18 m.w.N.). Jede einzelne Tat muss sich als historisches Ereignis von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen des Angeschuldigten unterscheiden lassen, damit sich die Reichweite des Strafklageverbrauchs und Fragen der Verfolgungsverjährung eindeutig beurteilen lassen. Die Umstände, welche die gesetzlichen Merkmale der Straftat ausfüllen, gehören dagegen - wie sich auch aus dem Wortlaut von § 200 Abs. 1 S. 1 StPO ergibt - nicht zur Bezeichnung der Tat. Wann die Tat in dem beschriebenen Sinne hinreichend umgrenzt ist, kann nicht abstrakt, sondern nur nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalles festgelegt werden.
Bei einer Vielzahl gleichartig begangener Betrugsdelikte müssen zu deren Konkretisierung grundsätzlich auch die Geschädigten der einzelnen Fälle benannt und diese so dargestellt werden, dass sie von etwaigen weiteren Fällen durch nähere Einzelheiten oder Begleitumstände unterscheidbar sind (vgl. BGH StV 2007, 171 f.; KK-Schneider 6. Aufl. § 200 StPO Rn. 11 m.w.N.). Dies gilt jedoch nur, wenn die Serienstraftaten je für sich prozessual als selbständige Taten zu werten sind, etwa weil sie auch materiell-rechtlich in Realkonkurrenz stehen (vgl. BGH NJW 2008, 2131, 2132; NStZ 2008, 352). Wird dagegen eine Vielzahl gleichartiger Einzelakte durch dieselbe Handlung des Besch. zu gleichartiger Tateinheit und damit auch prozessual zu einer Tat verbunden, genügt die Anklage ihrer Umgrenzungsfunktion, wenn die Identität dieser Tat klar gestellt ist. Einer individualisierenden Beschreibung ihrer Einzelakte bedarf es bei einer solchen Fallgestaltung nicht, um den Prozessgegenstand unverwechselbar zu bestimmen. Darüber hinausgehende Angaben, die den Tatvorwurf näher beschreiben, können zwar erforderlich sein, um der Informationsfunktion der Anklageschrift zu genügen (dazu unten 5.); ihr Fehlen lässt jedoch deren Bestand unberührt.
b) Nach diesen Maßstäben erfüllt die Anklage in den Fällen 1) bis 8) ihre Funktion, den Verfahrensgegenstand zu umgrenzen. Die allg. Schilderung des ?Geschäftsmodells' des Angekl., die Bündelung einer Vielzahl von Einzelakten und Geschädigten zu einzelnen prozessualen Taten sowie die Festlegung des Zeitraums, in dem die Faxbriefe jeweils versandt wurden, reichen aus, um die dem Angekl. vorgeworfenen Straftaten so zu bestimmen, dass die Identität des jeweils gemeinten geschichtlichen Vorgangs hinreichend klargestellt wird und die einzelne Tat sich von anderen strafbaren Handlungen des Angekl. unterscheiden lässt. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass die Anklage das umfangreiche Gesamtgeschehen mit Tausenden von Geschädigten zu wenigen prozessualen Taten zusammengefasst hat, die sich an den jeweils unterschiedlichen Inhalten der vom Angekl. verfassten Faxbriefe orientieren. Insofern geht die Anklage vertretbar davon aus, dass die jeweils auf einem Tatentschluss des Angekl. beruhende Einrichtung der Faxseiten zu einem bestimmten Thema materiell-rechtlich als eine (Täuschungs-)Handlung zu werten ist, die sukzessive eine Vielzahl gleichartiger Erfolge ausgelöst hat. Durch diese Form der Handlungseinheit werden die Einzelakte, die im Gebrauch der Abrufe durch die Geschädigten bestehen, auch prozessual zu jeweils einer Tat verbunden.
Deshalb ist es entgegen der Auffassung des GBA unschädlich, dass die Anklage nur wenige Geschädigte ausdrücklich benennt. Der Umgrenzungsfunktion der Anklage ist in den Fällen 1) bis 8) bereits dadurch genügt, dass der zur Aburteilung gestellte Lebenssachverhalt durch die Einrichtung des jeweiligen Faxabrufs und die Angabe der Dauer seines Betriebes inhaltlich und zeitlich unverwechselbar gekennzeichnet ist. Zweifel über Fragen der Verjährung oder den Umfang des Strafklageverbrauchs können insoweit nicht aufkommen. Demgegenüber sind die Bezeichnung der Geschädigten sowie Ausführungen zu den Vorstellungen, die diese sich beim Abruf der vom Angekl. angebotenen Inhalte gemacht haben, für die Individualisierung des zur Aburteilung gestellten Sachverhaltes nicht erforderlich, sondern konkretisieren lediglich die gesetzlichen Merkmale des Betrugs hinsichtlich der gleichartigen Teilakte der jeweiligen prozessualen Taten. Insofern ist die Unterrichtung des Angekl. über die Einzelheiten des Schuldvorwurfs und damit die Informationsfunktion der Anklage betroffen (dazu unten 5.). Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich damit von Seriendelikten mit einer Vielzahl von auf jeweils neuen Tatentschlüssen beruhenden Handlungen, die prozessual als selbständige und in der Anklageschrift - ggf. auch im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen - deshalb unverwechselbar zu kennzeichnende Taten zu werten sind (vgl. BGH NJW 2008, 2131, 2132; NStZ 2008, 352; Beschl. v. 12.01.2011 - GSSt 1/10).
4. In den Fällen 9) und 10) erfüllt die Anklage v. 21.07.2008 dagegen ihre Umgrenzungsfunktion nicht. Im Fall 9) bleibt mit Rücksicht auf den bloßen Hinweis ?ab Anfang 04.2002' bereits unklar, wie lange der betreffende Faxabruf eingerichtet war und genutzt wurde. Diese Lücke kann auch nicht durch Rückgriff auf das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen geschlossen werden. Die genaue Festlegung des Tatzeitraumes ist jedoch unabdingbar, um das dem Gericht zur Aburteilung gestellte Geschehen, Fragen der Verfolgungsverjährung sowie die Reichweite der Rechtskraft unverwechselbar zu bestimmen.
Im Fall 10) ist für den Faxabruf ?Gratisurlaub! Für alle Altersgruppen' keinerlei Tatzeit angegeben. Insoweit gilt das zu Fall 9) Ausgeführte. Im Übrigen besteht der Anklagesatz im Fall 10) aus Angaben zu erzielten Erlösen aus der Versendung von Informationsbriefen zu unterschiedlichsten Themen, die zum überwiegenden Teil bereits Gegenstand der angeklagten Taten 1) - 8) sind. Insoweit wird nicht deutlich, welcher hiervon unterschiedene geschichtliche Vorgang zur Aburteilung gestellt werden soll. Es mag unter Berücksichtigung der sonstigen Struktur der Anklage naheliegend erscheinen, jeweils eigenständige prozessuale Taten anzunehmen, wenn nach einer zeitlichen Zäsur von dem Angekl. Faxabrufe zu bestimmten Themen neu aufgelegt wurden. In der Fassung der Anklageschrift kommt dies aber nicht zum Ausdruck.
5. Der Senat weist für das weitere Verfahren auf folgendes hin: Die Anklage genügt in den Fällen 1) bis 8) den nach § 200 Abs. 1 S. 1 StPO zu stellenden Anforderungen an ihre Informationsfunktion nicht. Wenngleich dies - wie dargelegt - keine Auswirkungen auf ihren Bestand hat, muss der Angekl. jedoch so über die Einzelheiten des Tatvorwurfs unterrichtet werden, dass er in die Lage versetzt wird, sein Prozessverhalten hierauf einzustellen (BGHSt 40, 44, 47 f. [= StV 1994, 226]; BGH, Beschl. v. 12.01.2011 - GSSt 1/10). Die Anklageschrift muss deshalb auch bei massenhaft begangenen Seriendelikten die mehrgliedrigen Voraussetzungen des Tatbestandes des § 263 StGB, erforderlichenfalls hinsichtlich jedes - möglicherweise zu gleichartiger Tateinheit zusammenzufassenden - schädigenden Einzelaktes konkret bezeichnen (Senat NStZ 2010, 103, 104 [= StV 2010, 363]). Aus einem - nicht notwendigerweise in der Hauptverhandlung zu verlesenden (BGH, Beschl. v. 12.01.2011 - GSSt 1/10) - Teil der Anklageschrift müssen sich die individuellen Merkmale der Einzeltaten ergeben; es muss daher ausgeführt werden, durch welche Tatsachen oder Vorstellungen der gesetzliche Straftatbestand jeweils erfüllt ist (§ 200 Abs. 1 S. 1 StPO). Mit Rücksicht auf die Informationsfunktion der Anklageschrift darf dabei insbes. nicht aus dem Blick verloren werden, dass der Betrug ein gegen das Vermögen einzelner privater oder juristischer Personen gerichteter Straftatbestand ist (Senat NStZ 2010, 103, 104 [= StV 2010, 363]).
Dem wird die Anklage in den Fällen 1) bis 8) nicht gerecht. Die mehreren tausend Personen, die sich des Faxabrufes des Angekl. bedient haben, werden nicht als nach § 263 StGB geschädigte Einzelne, sondern als - weitestgehend anonym bleibende - Gruppe behandelt. Die Anklageschrift nennt nur einige wenige Geschädigte namentlich (je eine Person zu den Fällen 1, 5 und 6, zwei Personen zu Fall 2, je fünf Personen zu den Fällen 3 und 4 und sechs Personen zu Fall 8). Zum Fall 7 wird kein einziger Geschädigter mitgeteilt. Eine Individualisierung der Tatopfer und ihre Zuordnung zu einzelnen Teilakten kann danach nicht vorgenommen werden. Diese Angaben wären aber erforderlich, um dem Angekl. die Möglichkeit zu geben, sein Prozessverhalten auf den Anklagevorwurf in seiner Gesamtheit einzustellen.
Außerdem wird bei keinem der angegebenen Geschädigten klar, wann er auf das Angebot des Angekl. eingegangen ist, welche Vorstellungen er sich dabei gemacht hat und welcher konkrete Schaden ihm entstanden ist. Trotz des Seriencharakters der angeklagten Betrugsstraftaten darf der Vorstellungshorizont der durch die Einzelakte Geschädigten nicht offen bleiben. Der Anklage ist zu entnehmen, dass die jeweiligen Abnehmer umfangreiche Informationsbriefe erhielten, deren Inhalte sich jedenfalls auf den zuvor beworbenen Themenkreis bezogen. Vor diesem Hintergrund versteht sich die Annahme der Anklage, der Angekl. habe ?vor allem ... über den Inhalt und den praktischen Nutzen der angebotenen Faxseiten' getäuscht, zumindest nicht für jeden Abnehmer von selbst. Dies zeigt sich auch an einschränkenden Formulierungen in der Anklage wie zu Fall 3, wonach die Informationen ?für nahezu alle', und zu Fall 8, wonach sie ?für die meisten' Abnehmer wertlos gewesen seien. Für welche Abnehmer dies gelten soll, lässt sich an Hand der Anklageschrift nicht nachvollziehen. Dies gilt gleichermaßen für den Vorwurf, der Angekl. habe die Übertragungszeiten bewusst verzögert. Da die Anklageschrift ausführt, dass es auch Faxabrufe mit normaler Übertragungszeit gab, ist auch insoweit eine konkrete Zuordnung möglicherweise tatbestandlich relevanter Verhaltensweisen des Angekl. zu bestimmten Einzelakten und durch diese geschädigten Personen nicht möglich.
Schließlich lässt sich der Anklage auch der Schadensumfang, von dem die StA ausgeht, nicht hinreichend deutlich entnehmen. Der angenommene Gesamtschaden in Millionenhöhe, der sich aus einer Gleichsetzung mit den gesamten Einnahmen des Angekl. im Tatzeitraum ergeben soll, kann nicht mit dem Hinweis auf einzelne namentlich genannte Geschädigte belegt werden, die ?um die Übertragungskosten geschädigt' sind, zumal diese bei keinem Geschädigten konkret beziffert werden und die Übertragungszeit nicht bei allen Abnehmern verlängert war.
Der neue Tatrichter wird den dargelegten Unzulänglichkeiten der Informationsfunktion der Anklageschrift durch Hinweise nach § 265 Abs. 1 StPO, ggf. nach entsprechenden Nachermittlungen der StA, Rechnung zu tragen haben. ..."
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Dem Großen Senat für Strafsachen wird gemäß § 132 Abs. 2 und 4 GVG folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt: Genügt, wenn einem Angeklagten eine große Zahl von Vermögensdelikten zur Last gelegt wird, die einem einheitlichen modus operandi folgen, der Anklagesatz den Anforderungen des § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO i.V.m. § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO, wenn in diesem, der allein in der Hauptverhandlung nach § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO zu verlesen ist, neben der Schilderung der gleichartigen Tatausführung, die die Merkmale des jeweiligen Straftatbestandes erfüllt, die Gesamtzahl der Taten, der Tatzeitraum sowie der Gesamtschaden bezeichnet werden und die Einzelheiten der Taten, d.h. die konkreten Tatzeitpunkte, die Tatorte, die Tatopfer und die jeweiligen Einzelschäden, ergänzend in einem anderen nicht zu verlesenden Teil der Anklageschrift detailliert beschrieben sind? (BGH, Beschluss vom 24.02.2010 - 1 StR 260/09)
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Die Anklageschrift hat die einem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen, daß die Identität des geschichtlichen Vorgangs dargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist; sie muß sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen des selben Täters unterscheiden lassen (Umgrenzungsfunktion). Zwar dürfen bei der Prüfung, ob die Anklage die gebotene Umgrenzung leistet, die Ausführungen im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zur Ergänzung und Auslegung des Anklagesatzes herangezogen werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch stets, daß sich aus dem Anklagesatz zumindest Grundlagen einer Tatbeteiligung ergeben. Fehlende Angaben können dann aus dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen entnommen werden, wenn sie dort eindeutig benannt sind und daraus deutlich wird, daß sich der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft hierauf erstreckt. Zur Frage, inwieweit zur Beurteilung der Umgrenzungsfunktion der Anklage auf das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen zur Prüfung der Frage zurückgegriffen werden kann, gegen welchen von mehreren Angeklagten sich ein bestimmter Vorwurf richtet. Voraussetzung hierfür ist, dass sich aus dem Anklagesatz zumindest Grundlagen einer Tatbeteiligung ergeben. Daran fehlt es, wenn die Person des in Frage stehenden Angeklagten im Zusammenhang mit dem in Frage stehenden Tatkomplex überhaupt nicht erwähnt wird (BGH, Urteil vom 28.10.2009 - 1 StR 205/09 zu StPO §§ 200 I 1, 264 I, 266, NJW 2010, 308 ff).
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Bei einer Vielzahl gleichartiger Wirtschaftsstraftaten genügt der Anklagesatz regelmäßig dann sowohl der Umgrenzungs- als auch der Informationsfunktion, wenn über die Angabe der Zahl der Taten, des Gesamtschadens und des gesamten Tatzeitraums hinaus die gleichartigen Taten gruppiert bezeichnet werden und wenn die Einzelheiten im wesentlichen Ermittlungsergebnis detailliert (etwa tabellarisch) aufgelistet werden (BGH, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 StR 596/07).
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?... Die Verurteilung im Fall 5. hat keinen Bestand, weil es hinsichtlich der abgeurteilten Tat an einer wirksamen Anklage fehlt. Nach der zugelassenen Anklage soll der Angeklagte (auch) diese Tat, einen Geschlechtsverkehr, bei dem er das Tatopfer vorsätzlich mit dem HI-Virus infiziert haben soll, in dem Zeitraum zwischen August 2001 und September 2003 begangen haben; nach den Urteilsgründen hat er die Tat dagegen möglicherweise schon im Februar 1998 begangen. Die Tatschilderung in der Anklage und im Urteil beschränkt sich auf die Darstellung der den Tatbestand erfüllenden Umstände. Weitere Besonderheiten, die das Geschehen derart prägten, dass schon daraus die Identität von angeklagter und abgeurteilter Tat belegt würde, werden nicht mitgeteilt. Unter diesen Umständen muss angesichts der unterschiedlichen Angaben zum Tatzeitpunkt davon ausgegangen werden, dass es sich um verschiedene Taten handelt. Dementsprechend war das Verfahren einzustellen. Dies steht der Erhebung einer neuen, den verfahrensrechtlichen Anforderungen entsprechenden Anklage nicht entgegen (vgl. BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 13 m. w. N.). ..." (BGH, Beschluss vom 18.10.2007 - 3 StR 248/07)
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Wird durch den Eröffnungsbeschluß die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen, so führen schwere Mängel des Anklagesatzes zur Unwirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses. Zur Unwirksamkeit der Anklage mangels Konkretisierung der Einzeltaten bei einer Vielzahl von Verstößen gegen das BtMG. Die an eine Anklageschrift zu stellenden Anforderungen können auch nicht unter dem Gesichtspunkt abgeschwächt werden, daß der Angeklagte aufgrund von geständigen Angaben verurteilt wird:
?... Das Landgericht hat den Angeklagten wegen einer Serie von Betäubungsmittelstraftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat einen vorläufigen Erfolg.
1. Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung hat ergeben, dass es mangels ausreichender Konkretisierung und Individualisierung der Tatvorwürfe an der Verfahrensvoraussetzung wirksamer Anklageerhebung und demzufolge auch an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss fehlt. Der Senat stellt daher das Verfahren ein.
Wird durch den Eröffnungsbeschluss die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen, so führen schwere Mängel des Anklagesatzes zur Unwirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses. Solche Mängel liegen vor, wenn unklar bleibt, auf welchen konkreten Sachverhalt sich die Anklage bezieht und welchen Umfang die Rechtskraft eines daraufhin ergehenden Urteils haben würde (st. Rspr.; vgl. z. B. BGHSt 10, 137; BGH NStZ 1984, 133; 1985, 464, 465 m. w. N.).
So ist es hier: Die Anklage legt dem Angeklagten 18 Fälle der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (in Tateinheit mit Handeltreiben in nicht geringer Menge und mit Abgabe an Minderjährige) sowie 3 Fälle des Bestimmens eines Minderjährigen zum Handeltreiben zur Last (unzutreffend ist deshalb bereits die Angabe, der Angeklagte habe 22 Taten begangen). Im konkreten Anklagesatz wird hinsichtlich der Einfuhrtaten lediglich eine Tat geschildert (Einfuhr von 500 g Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von ?weit über 7,5 g THC', Weiterverkauf dieser Menge, soweit nicht Abgabe an einen Minderjährigen in Form täglicher Konsumeinheiten). An der Konkretisierung der verbleibenden 17 Taten fehlt es. Dass der Angeklagte dabei jeweils eine der ersten Tat vergleichbare Tat begangen haben soll, bei der lediglich der genaue Zeitpunkt im Unklaren geblieben ist, kann ausgeschlossen werden: Unter den Taten sollen auch Drogenankäufe in Deutschland sein, demnach kann die angeklagte Einfuhr in einer unklaren Zahl von Fällen gar nicht stattgefunden haben. Wegen der ?Größenordnung von jeweils 100 Gramm' der ?Weichdroge' und der fehlenden Angabe eines Wirkstoffgehalts ist nicht klar, ob der Angeklagte eine nicht geringe Menge von Betäubungsmitteln eingeführt oder mit ihr Handel getrieben hat. Soweit die Anklage einzelne (mehr als 80) Betäubungsmittelverkäufe des Angeklagten auflistet, handelt es sich dabei um Veräußerungsgeschäfte, die Teilmengen des zuvor erworbenen Rauschgifts betreffen. Diese tragen zur Konkretisierung der Ankaufstaten nicht bei. Als Einzelverkäufe sind sie nicht angeklagt. Auch bezüglich der drei Taten des Bestimmens eines Minderjährigen zum Handeltreiben fehlt es an der Konkretisierung.
Diese an eine Anklageschrift zu stellenden Anforderungen können auch nicht unter dem Gesichtspunkt abgeschwächt werden, dass der Angeklagte aufgrund von geständigen Angaben nun wegen 21 Betäubungsmittelstraftaten zu einer für den dort festgestellten Schuldumfang angemessen erscheinenden Strafe verurteilt worden ist.
Der Senat stellt wegen der gravierenden Mängel der Anklage das Verfahren auch insoweit ein, als der Anklage eine Einfuhrtat als hinreichend konkretisiert entnommen werden kann. Damit kann dem Verfahren insgesamt eine neue, tragfähige Grundlage geschaffen werden. Das Aussageverhalten des Angeklagten wird die beschleunigte Erhebung einer neuen Anklage und Durchführung einer erneuten Hauptverhandlung ermöglichen. ..." (BGH, Beschluss vom 14.02.2007 - 3 StR 459/06).
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Auch wenn trotz nicht genügender Konkretisierung der angeklagten Taten in der Anklageschrift diese nicht so schwere Mängel aufweist, daß dies ein Verfahrenshindernis begründet, kann § 243 Abs. 3 S. 1 StPO mit der Folge verletzt sein, daß das Urteil aufgehoben werden muß. Dies gilt dann, wenn wegen nicht hinreichender Konkretisierung der Tat im Anklagesatz die Anklage ihrer Informationsfunktion nicht gerecht wird:
?... Der Rüge der Verletzung des § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO, weil der in der Hauptverhandlung verlesene Anklagesatz keine ausreichende Konkretisierung der einzelnen Tatvorwürfe und Tatumstände enthalte, ist hingegen begründet.
a) Die Anklageschrift vom 16. November 2001 warf dem Angeklagten vor, in der Zeit vom 4. Juli 1999 bis zum 24. August 2000 in A. , B. und an anderen Orten gemeinschaftlich handelnd in 104 Fällen als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach § 263 StGB verbunden hat, gewerbsmäßig in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen anderer dadurch beschädigt zu haben, dass er durch Vorspiegelung falscher Tatsachen einen Irrtum erregte und in 38 Fällen tateinheitlich hierzu entgegen § 17 Nr. 5 LMBG Lebensmittel unter irreführender Angabe in den Verkehr gebracht zu haben. Der Anklagesatz beschrieb allgemein den Tatplan und die Tatausführung und teilte mit, dass mit Kunden der Firma E. des mitangeklagten Schwagers des Angeklagten 38 Verträge über Speisegetreide und 74 Verträge über Futterware aus kontrolliert biologischem Anbau geschlossen worden waren, tatsächlich aber in 1058 Einzelpartien 28.670.034 kg Ware aus konventionellem Anbau zu einem Gesamtpreis von 11.192.953,35 DM geliefert worden war. Die notwendigen Einzelheiten zu den Verträgen, den Vertragspartnern oder zu den Lieferungen, wie zum Beispiel wann mit wem welcher Vertrag über welches Erzeugnis zu welchem Preis geschlossen worden ist und durch welche Einzellieferungen (Produkt, Menge, Zeitpunkt) die Verträge erfüllt wurden, enthielt erst das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen. Dieses ist aber gerade nicht nach § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO zu verlesen.
b) Dieser Anklagesatz genügt nicht den Anforderungen des § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO. Danach ist die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs dargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist; sie muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen des Täters unterscheiden lassen. Dabei muss die Schilderung umso konkreter sein, je größer die allgemeine Möglichkeit ist, dass der Angeklagte verwechselbare weitere Straftaten gleicher Art verübt hat (st. Rspr., vgl. BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 3, 7, 20; Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. § 200 Rdn. 7; Tolksdorf in KK-StPO 5. Aufl. § 200 Rdn. 3; Rieß in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 200 Rdn. 13). Danach ist, um der Informationsfunktion der Anklage gerecht zu werden, bei einer Serie von Straftaten erforderlich, dass die dem Angeklagten im einzelnen vorgeworfenen Tathandlungen nach Tatzeit, Tatort, Tatausführung und anderen individualisierenden Merkmalen ausreichend beschrieben und dargelegt werden (Rieß aaO § 200 Rdn. 14 b). So genügt es grundsätzlich nicht, den Tatzeitraum nach Beginn und Ende einzugrenzen, die in allen Fällen gleichartige Begehungsweise allgemein zu schildern und dabei den betrügerisch herbeigeführten Gesamtschaden zu beziffern (vgl. BGH NStZ 1986, 275, 276; vgl. aber auch OLG Düsseldorf, NStZ-RR 1996, 275, 276). Eine Ausnahme wird, beispielsweise bei Serienfällen sexuellen Kindesmissbrauchs nach der Rechtsprechung nur dann zugelassen, wenn eine Individualisierbarkeit nach genauer Tatzeit und genauem Geschehensablauf bei der Begehung einer Vielzahl gleichartiger Taten nicht möglich ist und dies zu gewichtigen Lücken in der Strafverfolgung führen würde und wenn es im Rahmen der Anklageerhebung wenigstens gelingt, das Tatopfer, die Grundzüge der Art und Weise der Tatbegehung, einen bestimmten Tatzeitraum und die (Höchst-)Zahl der vorgeworfenen Straftaten, die Gegenstand der Anklage sein sollen, mitzuteilen (vgl. BGHSt 40, 44, 46; Rieß aaO § 200 Rdn. 14 b, 14 c m.w.N.).
c) Die danach erforderliche hinreichende Konkretisierung der Tat muss sich grundsätzlich schon aus dem Anklagesatz ergeben, um der Informationsfunktion der Anklage gerecht zu werden. Der Zweck der Verlesung des Anklagesatzes (§ 243 Abs. 3 Satz 1 StPO) geht dahin, diejenigen Richter - insbesondere die Schöffen -, denen der Inhalt der Anklage noch nicht bekannt ist, sowie die Öffentlichkeit darüber zu unterrichten, auf welchen geschichtlichen Vorgang sich das Verfahren bezieht, und ihnen zu ermöglichen, während der ganzen Verhandlung ihr Augenmerk auf die Umstände zu richten, auf die es in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ankommt. Den Prozessbeteiligten soll Gewissheit darüber vermittelt werden, auf welche Tat sie ihr Angriffs- und Verteidigungsvorbringen einzurichten haben (vgl. BGHR StPO § 243 Abs. 3 Anklagesatz 2; BGH NJW 1982, 1057; Tolksdorf aaO § 243 Rdn. 23; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 243 Rdn. 50 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügte der Anklagesatz hier nicht.
d) Ein Beruhen des Urteils auf dem Gesetzesverstoß vermag der Senat in Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt nicht auszuschließen. Zwar kann in Ausnahmefällen der Verhandlungsverlauf es trotz mangelhaftem oder überhaupt nicht verlesenem Anklagesatz allen Verfahrensbeteiligten gestatten, den Tatvorwurf im erforderlichen Umfang zu erfassen und ihre Prozessführung entsprechend einzurichten, nämlich dann, wenn die Sach- und Rechtslage einfach und überschaubar ist oder wenn die Prozessbeteiligten auf andere Weise über den Gegenstand des Verfahrens unterrichtet worden sind (vgl. BGH NStZ 2000, 214; bei Miebach NStZ 1991, 28; BGHR StPO § 243 Abs. 3 Anklagesatz 2; Gollwitzer aaO § 243 Rdn. 107; Meyer-Goßner aaO § 243 Rdn. 38). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier angesichts des Umfangs des Prozessstoffs (1058 Einzellieferungen, 139 Hauptverhandlungstage) jedoch ersichtlich nicht vor. ..." (BGH, Beschluss vom 28.04.2006 - 2 StR 174/05 zu StPO §§ 200, 243 Abs. 3 S. 1, 260 Abs. 3, 337).
***
Wenn - wie im Falle des sexuellen Mißbrauchs von Kindern und Schutzbefohlenen - bei einem langen Tatzeitraum verschiedene Tatmodalitäten mit rechtlich unterschiedlicher Wertung in Betracht kommen, muß die Anklage erkennen lassen, wie viele Taten welcher Tatmodalität welchen Altersstufen des Opfers zuzuordnen sind und welcher strafrechtlichen Einordnung sie unterliegen. Hierbei muß die Zahl der den Gegenstand des jeweiligen Vorwurfs bildenden Straftaten mitgeteilt werden (BGH, Urteil vom 16.12.2004 - 3 StR 387/04).
*** (OLG)
Entspricht eine Anklageschrift den Vorgaben des § 200 Abs. 1 StPO kommt ihre Rückgabe an die Staatsanwaltschaft nur noch dann in Betracht, wenn die zugrunde liegenden Ermittlungen so unzureichend sind, dass über eine Eröffnung des Hauptverfahrens nicht sachgerecht entschieden werden kann und die vorhandenen Defizite auch durch die Anordnung einzelner Beweiserhebungen nach § 202 StPO nicht mehr ausgeglichen werden können (OLG Nürnberg, Beschluss vom 22.02.2011 - 1 Ws 47-48/11 H zu StPO §§ 200 Abs. 1, 202, 203, 204, 207 Abs. 2 Nr. 1).
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Eine nachträgliche Heilung der den Tatvorwurf nicht hinreichend umgrenzenden und durch den Eröffnungsbeschluß unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage ist ausgeschlossen. Der Angeschuldigte muß schon vor der Eröffnungsentscheidung Gelegenheit erhalten, umfassend informiert zu werden, um eventuell seine Gründe darlegen zu können, warum das Hauptverfahren nicht eröffnet werden darf. Eine Verschiebung der Mängelbeseitigung vom Zwischenverfahren in das Hauptverfahren würde zu einer den zwingenden Erfordernissen des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs zuwiderlaufenden Aushöhlung des § 200 StPO führen (OLG Oldenburg, Beschluss vom 12.11.2009 - 1 Ss 192/09 zu StPO §§ 200, 265).
***
Mit der Zurücknahme der Anklage wird das Verfahren in den Stand des Ermittlungsverfahrens zurückversetzt. Sofern die Staatsanwaltschaft das Verfahren nicht einstellt, muß sie erneut Anklage erheben. Die bloße Bezugnahme auf die durch die vorherige Klagerücknahme gegenstandslos gewordene Anklageschrift genügt den Formerfordernissen an eine ordnungsgemäße Anklage nicht, so daß das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses nach § 206a einzustellen ist. Die Einstellung wegen des Verfahrenshindernisses ist nach § 357 Satz 1 StPO auf den Nichtrevidenten zu erstrecken (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.11.2009 - III - 2 Ss 215/09 - 148/09 I zu StPO §§ 200, 357).
***
Ein Strafverfahren ist wegen Nichteinhaltung der Umgrenzungsfunktion einer Anklage von Amts wegen einzustellen, wenn bei Serienstraftaten die Teilakte nicht zureichend nach Tatzeit, Tatort, Ausführungsart und anderen individualisierbaren Merkmalen gekennzeichnet sind, obwohl bei Anklageerhebung hierzu die Möglichkeit bestand (OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.4.2004 - 1 Ss 189/04, StV 2005, 598 f).
Der Grundsatz des fairen Verfahrens ist verletzt, wenn dem der deutschen Sprache nicht kundigen Angeklagten entgegen Art. 6 Abs. 3 MRK keine in seine Heimatsprache übersetzte Anklageschrift übermittelt worden ist; dies muß regelmäßig vor der Hauptverhandlung geschehen sein und zwar auch bei einem leicht verständlichen Sachverhalt und rechtlich und tatsächlich einfachem Verfahrensgegenstand. Die Übersetzung der Anklageschrift in der Hauptverhandlung ist nicht geeignet, diesen Verfahrensmangel zu heilen (OLG Hamm StV 2004, 364 ff).
Nur die Mitteilung der Anklageschrift vor der Hauptverhandlung gemäß § 201 Abs. 1 StPO wahrt das Recht des Angeschuldigten aus Art. 6 Abs. 3 lit. b MRK, über ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu verfügen. Die Anklageschrift ist deshalb einem Ausländer, der die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrscht, zugleich mit einer Übersetzung in eine ihm verständliche Sprache - in aller Regel seine Muttersprache - bekannt zu geben. Dies ist zwingend erforderlich und folgt sowohl aus dem Recht des Angeschuldigten aus Art. 6 Abs. 3 lit. a MRK, unverzüglich in einer für ihn verständlichen Sprache über die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen in Kenntnis gesetzt zu werden, als auch aus seinem Anspruch aus Art. 6 Abs. 3 lit. b MRK, seine Verteidigung gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Dolmetschers ausreichend vorbereiten zu können. Die unterbliebene Übersetzung im Zwischenverfahren kann auch nicht durch deren Übersetzung in der Hauptverhandlung geheilt werden. Hat der Angeklagte einen Verteidiger, so kann von diesem erwartet werden, dass er den Verfahrensmangel der fehlenden Übersetzung in der Hauptverhandlung rügt und Vertagung beantragt. Unterläßt er das, so kann der Angeklagte sich auf diesen Mangel im Revisionsverfahren nicht berufen. Hatte der Angeklagte keinen Verteidiger, ist er mit der Rüge des Verstoßes gegen das Gebot des fairen Verfahrens nicht ausgeschlossen (OLG Stuttgart StV 2003, 490).
Für einen Strafbefehlsantrag gelten die gleichen Voraussetzungen wie für eine Anklageschrift. Erfüllt der Strafbefehlsantrag nicht die gebotene Umgrenzungsfunktion, um dem Angeklagten eine sachgerechte Verteidigung zu ermöglichen, macht dies die öffentliche Klage unwirksam. Daraus folgt ein Prozeßhindernis, das zur Einstellung des Verfahrens führt, wenn der Strafbefehl erlassen und auf den Einspruch des Angeklagten eine Hauptverhandlung durchgeführt und der Angeklagte verurteilt wurde (BayObLG StV 2002, 356 f).
Ist der des fortgesetzten sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit fortgesetztem sexuellen Mißbrauch einer Schutzbefohlenen Angeklagte allein wegen einer außerhalb des angeklagten Tatzeitraumes liegenden Einzeltat verurteilt worden und fehlt es im übrigen an einer genügenden Konkretisierung der ihm zur Last gelegten Tat in Anklage und Eröffnungsbeschluß, so ist das Verfahren in der Revisionsinstanz insgesamt einzustellen (OLG Hamm NStZ-RR 1997, 139).
Siehe auch unter ?Gegenstand des Strafurteils" und ?Tatbegriff.".
Anklageschrift - Mitteilung § 201 StPO
(1) Der Vorsitzende des Gerichts teilt die Anklageschrift dem Angeschuldigten mit und fordert ihn zugleich auf, innerhalb einer zu bestimmenden Frist zu erklären, ob er die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens beantragen oder Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens vorbringen wolle.
(2) Über Anträge und Einwendungen beschließt das Gericht. Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Leitsätze/Entscheidungen:
Einem Angeklagten, der die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrscht, ist die Anklageschrift mit einer Übersetzung in eine ihm verständliche Sprache bekanntzugeben. Auf die Revision des Angeklagten ist ein Urteil aufzuheben, wenn nicht auszuschließen ist, dass der in der Hauptverhandlung unverteidigte und sich nicht zur Sache einlassende Angeklagte eine andere und erfolgreichere Verteidigungsstrategie gewählt hätte, wenn ihm die Anklageschrift schon vorher mit einer Übersetzung in seine Muttersprache bekanntgegeben worden wäre (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.05.2010 - 2 Ss 45/10 zu StPO §§ 201, 337; MRK Art. 6 Abs. 3 lit. a und b).
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Einem ausländischen Beschuldigten, der die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrscht, ist die Anklageschrift mit einer Übersetzung in eine ihm verständliche Sprache vor der Hauptverhandlung bekanntzumachen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.10.2000 - 2b Ss 268/00-75/00 I).
Zu den Anforderungen an die Rüge einer Beschränkung der Verteidigung, wenn der Tatrichter einem Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung keine Folge gegeben hat, obwohl dem Angeklagten die Anklageschrift entgegen § 201 Abs. 1 StPO nicht mitgeteilt worden war. Veranlaßt der Tatrichter anstelle der gebotenen Zustellung nur eine formlose Übersendung der Anklageschrift an den Angeklagten, gehen bei der Entscheidung über die zu Ziff. 1 genannte Verfahrensrüge verbleibende Zweifel an der Mitteilung der Anklageschrift nicht zu Lasten des Angeklagten (OLG Celle StV 1998, 531 f).
Anknüpfungstatsachen
Anknüpfungstatsachen (Basistatsachen) sind Umstände (Tatsachen), die ein Sachverständiger seiner sachverständigen Bewertung zugrunde legt. Dabei kann es sich um Fakten handeln, die ihm vom Auftraggeber (z. B. dem Gericht) vorgegeben worden sind. Der Sachverständige kann aber auch ermächtigt werden, Anknüpfungstatsachen selbst zu erheben. Der in der Hauptverhandlung tätige Sachverständige darf seiner gutachterlichen Würdigung nur solche Umstände zugrunde legen, die Gegenstand er Hauptverhandlung waren (Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 5. A., Rz. 1603).
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Der Tatrichter darf sich auch mangels genügender eigener Kenntnisse auf dem für die Urteilsfindung maßgeblichen Wissensgebiet darauf beschränken, sich der Beurteilung des Sachverständigen hinsichtlich der einschlägigen Fachfragen anzuschließen, wenn er die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen im Urteil so wieder gibt, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit und sonstiger Rechtsfehlerfreiheit erforderlich ist (BGH, Urteil vom 15.01.2003 - 5 StR 223/02 zu § 267 StPO).
Ist dem Richter bei einer schwierigen medizinischen Frage - hier fortbestehende Gefährlichkeit des Täters aufgrund einer psychotischen Erkrankung - eine eigene Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gutachtens eines Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, nicht möglich, so genügt es für die Beweiswürdigung, daß er sich dem Gutachten anschließt. Es müssen aber die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen so wiedergegeben werden, daß dies zum Verständnis des Gutachtens erforderlich ist (BGH, Beschluss vom 07.05.1996 - 1 StR 170/96, NStZ-RR 1996, 258).
Hält der Tatrichter die Zuziehung eines Sachverständigen für erforderlich, so hat er dessen Ausführungen in einer zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrundeliegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlußfolgerungen widerzugeben, um dem Revisionsgericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (BGH, Beschluss vom 24.04.1996 - 3 StR 131/96, StV 1997, 63).
Stellt das Gericht auf Umstände ab, die dem gehörten Sachverständigen unbekannt waren und zu denen sich dieser deshalb nicht äußern konnte, so ist es grundsätzlich im Interesse einer umfassenden Sachaufklärung verpflichtet, dem Sachverständigen Gelegenheit zu geben, sich mit den abweichenden Anknüpfungstatsachen auseinanderzusetzen und sie in seine Begutachtung einzubeziehen (BGH, Entscheidung vom 27.10.1994 - 1 StR 597/94, StV 1995, 114 zu § 244 II StPO).
Bestreitet der Angeklagte den Vorwurf sexuellen Mißbrauchs von Kindern in einer Vielzahl von Fällen, darf sich das Gericht bei einer Verurteilung nicht mit der Angabe des Sachverständigen begnügen, Aussagen zur Schuldfähigkeit seien angesichts des Bestreitens reine Spekulation; vielmehr hätte das Gericht in Wahrnehmung seiner Pflicht zur Wahrheitsforschung die Tätigkeit des Sachverständigen durch Mitteilung der festgestellten Anknüpfungstatsachen leiten und ihn veranlassen müssen, sich mit diesen im Rahmen seines Auftrages auseinanderzusetzen und sie in seine Beurteilung einzubeziehen (BGH, Entscheidung vom 29.09.1994 - 4 StR 494/94, StV 1995, 113 zu § 244 II StPO).
Wenn der Tatrichter bei einer Zeugin, die infolge der Nachwirkungen der Tat geraume Zeit in der Hauptverhandlung nicht vernommen werden konnte und die in der Tatnacht in wesentlichen Punkten zur Vorgeschichte und der Tat und zum Kerngeschehen andere Angaben gemacht hat als in den später durchgeführten Vernehmungen, es für erforderlich hält, ein Glaubwürdigkeitsgutachten einzuholen, muß er in jedem Fall - gleichgültig ob er ihm folgt oder nicht - die Ausführungen des Sachverständigen in einer, wenn auch nur gedrängten zusammenfassenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlußfolgerungen wiedergeben. Vor allem dann, wenn der Tatrichter eine Frage, für die er glaubt, des Rates eines Sachverständigen zu bedürfen, im Widerspruch zu dessen Gutachten bewantworten will, muß er die Darlegungen des Gutachtens wiedergeben und seine Gegenansicht begründen (BGH, Entscheidung vom 26.01.1994 - 3 StR 629/93, StV 1994, 359 zu § 267 StPO).
Auch wenn die Feststellung der Anknüpfungstatsachen für eine Blutalkoholberechnung schwierig ist, entheben lückenhafte Angaben zu Trinkmengen und -zeiten den Tatrichter nicht in jedem Fall von der Verpflichtung, eine Berechnung der Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit anzustellen. Vielmehr ist dieser aufgrund von Schätzungen unter Berücksichtigung des Zweifelsatzes auch dann vorzunehmen, wenn die Einlassung des Angeklagten sowie gegebenenfalls die Bekundungen von Zeugen zwar keine sichere Berechnungsgrundlage ergeben, jedoch eine ungefähre zeitliche und mengenmäßige Eingrenzung des Alkoholgenusses ermöglichen (BGH, Entscheidung vom 13.05.1993 - 4 StR 183/93, StV 1993, 519).
Es ist nicht ausreichend, wenn das Gericht lediglich das Ergebnis des über das Opfer eingeholten Glaubwürdigkeitsgutachtens pauschal mitteilt, ohne die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Sachverständigen wiederzugeben (BGH, Entscheidung vom 16.10.1992 - 3 StR 455/92, StV 1993, 235)
Stützt sich ein Urteil auf ein Sachverständigengutachten, muß es die Ausführungen des Sachverständigen in einer zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrundeliegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlußfolgerungen wiedergeben. Bei einem morphologischen Identitätsgutachten darf sich das Urteil nicht darauf beschränken, die von dem Sachverständigen gefundenen morphologischen Übereinstimmungen zu beschreiben; vielmehr muß auch das der Begutachtung zugrundeliegende Bildmaterial beschrieben werden (BGH, Entscheidung vom 20.03.1991 - 2 StR 610/90, StV 1991, 339).
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Der Tatrichter muss, wenn er sich einem Sachverständigengutachten anschließt, dem er Beweisbedeutung beimisst, in der Regel dessen Ausführungen in einer zusammenfassenden Darstellung, die zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil widergegeben (OLG Köln, Beschluss vom 18.08.2005 - 81 Ss-OWi 31/05 - DAR 2005, 699).
Das Gericht darf sich dem Gutachten eines Sachverständigen nicht einfach nur pauschal anschließen. Will es seinem Ergebnis ohne Angabe eigener Erwägungen folgen, müssen die Urteilsgründe die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen wiedergeben. Der allgemeine Hinweis auf die Ausführungen des Sachverständigen in der Hauptverhandlung reicht dazu nicht aus (OLG Koblenz, Beschluss vom 12.08.2005 - 1 Ss 141/05, DAR 2006, 101).
Stützt sich der Tatrichter auf das Gutachten eines Sachverständigen, so genügt es nicht, lediglich das Ergebnis des Gutachtens mitzuteilen und sodann einfach kommentarlos übernehmen. Vielmehr muss der Tatrichter auch dann, wenn er sich dem Gutachten eines Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer (wenn auch nur gedrängten) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem RevGer. die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (BGHSt 12, 311, 314 f.; BGH NStZ 1991, 596; BGH NStZ 1998, 83). Der Umfang der Darlegungspflicht richtet sich danach, ob es sich um eine standardisierte Untersuchungsmethode handelt, sowie nach der jeweiligen Beweislage und der Bedeutung, die der Beweisfrage für die Entscheidung zukommt (vgl. BGHSt 39, 291, 296 f.; BGHR StPO § 261 Sachverständiger 6; OLG Koblenz, Beschluss vom 19.01.2005 - 1 Ss 349/04, NJOZ 2005, 3441).
Stützt der Tatrichter den Schuldspruch auf ein Sachverständigengutachten, so ist in den Urteilsgründen eine verständliche und in sich geschlossene Darstellung der dem Gutachten zu Grunde liegenden Anknüpfungstatsachen, der wesentlichen Befundtatsachen und der das Gutachten tragenden fachlichen Begründung erforderlich (OLG Hamm, Beschluss vom 02.09.2004 - 2 Ss OWi 470/04 - DAR 2005, 42).
Ermöglicht die in einem Sachverständigenbeweisantrag zur Schuldfrage genannte Anknüpfungstatsache allein noch keine abschließende Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten, rechtfertigt dies nicht in jedem Fall die Beurteilung des Beweismittels als völlig ungeeignet. Ist nämlich ein qualifizierter Sachverständiger auf Grund der Beweisbehauptung in Verbindung mit den weiteren tatrichterlichen Feststellungen in der Lage, weitere indizielle Anknüpfungstatsachen zu ermitteln und damit Entscheidungsrelevantes zur Beweisbehauptung der Verteidigung auszusagen, dann ist dieses Beweismittel lediglich relativ ungeeignet und dessen Ablehnung nach § 244 III 2 StPO folglich unzulässig (BayObLG, Beschluss vom 10.07.2003 - 5 St RR 176/03 , StV 2004, 6 zu § 244 III StPO).
Der Beweisantrag, dass die von dem Geschädigten einer Körperverletzung bekundete Verletzungshandlung nicht mit einer ärztlich attestierten Verletzung zu vereinbaren sei, kann nicht wegen völliger Ungeeignetheit des als Beweismittel benannten Sachverständigen zurückgewiesen werden, wenn als Anknüpfungstatsache für die Beweistatsache das ärztliche Attest über die fragliche Verletzung zur Verfügung steht (OLG Celle, Beschluss vom 17.02.2003 - 21 Ss 6/03, StV 2003, 431 zu § 244 III StPO).
Bei der Bewertung voeinander abweichender Gutachten muss der Tatrichter die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen beider Sachverständiger wiedergeben und näher begründen, weshalb er nicht dem einen, sondern dem anderen Sachverständigen folgt (BayObLG, Beschluss vom 19.08.2002 - 1 St RR 83/02, ZfS 2003, 41).
Stützt der Tatrichter den Schuldspruch auf ein Sachverständigengutachten, so ist in den Urteilsgründen eine verständliche, in sich geschlossene Darstellung der dem Gutachten zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen, der wesentlichen Befundtatsachen und der das Gutachten tragenden fachlichen Begründung erforderlich (OLG Hamm, Beschluss vom 13.08.2001 - 2 Ss 710/01, StV 2002, 404).
Stützt das Gericht seine Auffassung, die für den Betroffenen maßgebliche Geschwindigkeitsanzeige im Messzeitpunkt lasse sich nicht zuverlässig feststellen auf das Gutachten eines Sachverständigen, dann muss der Tatrichter, der dem Gutachten Beweisbedeutung beimisst, auch wenn er sich dem Gutachten anschließt, regelmäßig die Ausführungen des Sachverständigen in einer (wenn auch nur gedrängten) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zu Grunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben. Anders könnte es sich nur verhalten, wenn das Gutachten auf einem allgemein anerkannten und weithin standardisierten Verfahren beruht hätte, was einem systemanalytischen Gutachten über ein Verkehrsleitsystem zur Regelung der Höchstgeschwindigkeit nicht der Fall ist (BayObLG, Beschluss vom 05.12.2000 - 1 ObOWi 573/00, DAR 2001, 174 zu § 267 I StPO).
Die richterliche Aufklärungspflicht gebietet es, dem Sachverständigen Gelegenheit zu geben, sich mit neuen Anknüpfungstatsachen zu befassen, bevor das Gericht selbst wegen veränderter Tatsachengrundlagen von dem erstatteten Gutachten abweicht (OLG Zweibrücken, Urteil vom 17.09.1999 - 1 Ss 201/99, StV 2000, 126).
Anleitung zu Straftaten § 130 a StGB (Internet)
(1) Wer eine Schrift (§ 11 Abs. 3), die geeignet ist, als Anleitung zu einer in § 126 Abs. 1 genannten rechtswidrigen Tat zu dienen, und nach ihrem Inhalt bestimmt ist, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine solche Tat zu begehen, verbreitet, öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
1. eine Schrift (§ 11 Abs. 3), die geeignet ist, als Anleitung zu einer in § 126 Abs. 1 genannten rechtswidrigen Tat zu dienen, verbreitet, öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht oder
2. öffentlich oder in einer Versammlung zu einer in § 126 Abs. 1 genannten rechts widrigen Tat eine Anleitung gibt, um die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine solche Tat zu begehen.
(3) § 86 Abs. 3 gilt entsprechend.
Leitsätze/Entscheidungen:
Leider gibt es zu dieser Bestimmung aus dem politischen Strafrecht nur eine gerichtliche Entscheidung. Die praktische Relevanz ist mithin sehr gering.
(1) Schriften und andere Darstellungen
(1.1) Anleitung zur Begehung einer Katalogtat nach § 126 StGB
(1.2) Eignung zur Anleitung
(1.3) Bestimmung zur Tatförderung (Abs. I)
(2) Tathandlungen
(2.1) Verbreitung, öffentliche Ausstellung, Vorführung oder sonstiges Zugänglichmachen (Abs. I)
(2.2.1) Verbreitung, öffentliche Ausstellung, Vorführung oder sonstiges Zugänglichmachen - neutraler Schriften (Abs. II Nr. 1)
(2.2.2) Anleitung öffentlich oder in einer Versammlung (Abs. II Nr. 2)
(2.2.3) Absicht, zur Förderung oder Weckung der Bereitschaft (Abs. II)
(3) Vorsatz
Das bloße Weiterbestehen eines Links, der auf eine Homepage verweist, die nach der Installation desselben verändert wird und dann rechtswidrige Informationen beinhaltet, kann eine Strafbarkeit jedenfalls dann nicht begründen, wenn nicht positiv festgestellt werden kann, daß die Angeklagte den Link bewußt und gewollt in Kenntnis des Inhaltes der Homepage weiter aufrecht erhielt. Eine Strafbarkeit wegen Unterlassens ist nur mit der Feststellung einer Garantenstellung, möglicherweise aus Ingerenz, zu begründen; fraglich ist allerdings, in welchen Zeitabständen die Überprüfung des Links vorzunehmen wäre (AG Berlin-Tiergarten CR 98, 111).
(4) Soziale Adäquanz (§ 86 III StGB)
Siehe dazu unter ?Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen".
Anonyme Quellen
Beruht der Vorwurf einer strafbaren Handlung allein auf der Aussage eines anonymen Polizeibeamten, können die Verteidigungsrechte des Angeklagten dadurch verletzt sein, daß die richterliche Vernehmung des Zeugen in Abwesenheit der Verteidigung und des Angeklagten erfolgte (EGMR, Urteil vom 23.4.1997 - 55/1996/674/861 - 864 - Rechtssache van Mechelen u. a. ./. Niederlande).
Siehe unter ?Zeuge vom Hörensagen - anonyme Quellen".
Anonyme Zeugen
Der Begriff Zeuge in Art. 6 III lit. d EMRK ist autonom auszulegen. Die Vorschrift erfasst jede Aussage, die wesentliche Grundlage für eine Verurteilung sein kann, unabhängig davon, ob sie von einem Zeugen vor Gericht oder außerhalb des Gerichts oder von einem Mitbeschuldigten gemacht wurde. Grundsätzlich müssen Beweise in Anwesenheit des Angeklagten in der mündlichen Verhandlung erhoben werden. Ausnahmen sind möglich, dürfen aber die Rechte der Verteidigung nicht beeinträchtigen. Das bedeutet in der Regel, dass der Angeklagte die Möglichkeit haben muss, Belastungszeugen in angemessener und ausreichender Weise zu befragen, entweder während der Vernehmung oder später. Die Justizbehörden müssen darauf hinwirken, dass dies geschehen kann. Wenn das trotz sorgfältiger Bemühungen nicht möglich ist, zwingt das nicht zu einer Einstellung des Verfahrens. Zeugenaussagen müssen dann aber besonders sorgfältig gewürdigt werden. Jedenfalls darf die Verurteilung nicht ausschließlich auf die Aussagen eines solchen Zeugen gestützt werden. Bei Verwertung von Aussagen anonymer Zeugen verlangt der Grundsatz eines fairen Verfahrens weiter, dass die Interessen der Verteidigung und der Zeugen oder Opfer insbesondere wegen ihres in der Konvention garantierten Rechts auf Leben und Freiheit, gegeneinander abgewogen werden. Die Behörden müssen stichhaltige und ausreichende Gründe für die Geheimhaltung der Identität von Zeugen vorbringen. Bleiben Belastungszeugen anonym, müssen die dadurch entstehenden Nachteile der Verteidigung im Verfahren hinreichend ausgeglichen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, in welchem Maße die anonyme Aussage für die Verurteilung entscheidend ist. Im Verfahren gegen die Bf. hat es viele Beweise vom Hörensagen gegeben. Die deutschen Gerichte haben aber angemessene Anstrengungen unternommen, mündliche Zeugenaussagen zu erhalten, und die Angaben anonymer Zeugen sorgfältig gewürdigt. Die Verurteilung ist auf mehrere andere Beweismittel gestützt worden. Deswegen sind die Rechte der Verteidigung nicht in einem Maße eingeschränkt worden, dass Art. 6 I, III lit. d EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) verletzt werden (EGMR, Urteil vom 17.11.2005 - 73047/01).
Die Zulässigkeit von Beweisen ist in erster Linie eine Angelegenheit, die vom innerstaatlichen Recht zu regeln ist. Grundsätzlich kommt es den innerstaatlichen Gerichten zu, die ihnen vorliegenden Beweise zu würdigen. Grundsätzlich müssen alle Beweise in Gegenwart des Angeklagten in öffentlicher Verhandlung mit Blickrichtung auf eine contradiktorische Argumentation erhoben werden. Dies bedeutet jedoch nicht, daß Zeugenaussagen stets in öffentlicher Gerichtsverhandlung gemacht werden müssen, um als Beweis verwertet werden zu können: Im Vorverfahren erlangte Aussagen als Beweise zu verwenden, ist für sich allein betrachtet nicht unvereinbar mit Art. 6 Abs. 1 MRK u. 3 d MRK, vorausgesetzt, daß die Verteidigungsrechte gewahrt wurden. In der Regel verlangen diese Rechte, daß der Angeklagte eine angemessene und geeignete Gelegenheit erhält, die Glaubwürdigkeit eines gegen ihn aussagenden Zeugen grundsätzlich in Frage zu stellen sowie an ihn Fragen zu stellen, sei es in dem Zeitpunkt, in dem der Zeuge seine Aussage ablegt, sei es zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens (EGMR, Urteil vom 270.9.1990 - 25/1989/185/245 - Windisch ./. Österreich).
Grundsätzlich müssen alle Beweise in Gegenwart des Angeklagten in öffentlicher Verhandlung mit Blickrichtung auf eine kontradiktorische Argumentation erhoben werden. Dies bedeutet jedoch nicht, daß Zeugenaussagen stets in öffentlicher Gerichtsverhandlung gemacht werden müssen, um als Beweis verwertet werden zu können: Im Vorverfahren erlangte Aussagen als Beweis zu verwenden, ist für sich allein betrachtet nicht unvereinbar mit den Abs. 3 lit d und 1 des Art. 6, vorausgesetzt, daß die Verteidigungsrechte gewahrt wurden. In der Regel verlangen diese Rechte, daß der Angeklagte eine angemessene und geeignete Gelegenheit erhält, einen gegen ihn aussagenden Zeugen in Frage zu stellen und zu befragen, sei es in dem Zeitpunkt, in dem der Zeuge seine Aussage ablegt, sei es zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens (EGMR, Urteil vom 20.11.1989 - EGMR Nr. 10/1988/154/208).
Anordnung des Berufsverbots § 70 StGB
(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er unter Mißbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so kann ihm das Gericht die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren verbieten, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen läßt, daß er bei weiterer Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art begehen wird. Das Berufsverbot kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht.
(2) War dem Täter die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges vorläufig verboten (§ 132 a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Verbotsfrist um die Zeit, in der das vorläufige Berufsverbot wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.
(3) Solange das Verbot wirksam ist, darf der Täter den Beruf, den Berufszweig, das Gewerbe oder den Gewerbezweig auch nicht für einen anderen ausüben oder durch eine von seinen Weisungen abhängige Person für sich ausüben lassen.
(4) Das Berufsverbot wird mit der Rechtskraft des Urteils wirksam. In die Verbotsfrist wird die Zeit eines wegen der Tat angeordneten vorläufigen Berufsverbots eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. Die Zeit, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist, wird nicht eingerechnet.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... III. Schließlich weist auch die Entscheidung des Landgerichts, von der Anordnung eines Berufsverbots nach § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB abzusehen, keinen Rechtsfehler auf. Die in das Ermessen des Gerichts gestellte Maßregel der Besserung und Sicherung ?Berufsverbot' soll die Allgemeinheit vor den Gefahren schützen, die von der Ausübung eines Berufs durch hierfür nicht hinreichend zuverlässige Personen ausgehen. Sie kann unter anderem gegen denjenigen angeordnet werden, der wegen einer rechtswidrigen Tat verurteilt wurde, die er unter Missbrauch seines Berufs oder unter grober Verletzung der damit verbundenen Pflichten begangen hat, wenn eine Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen lässt, dass er bei weiterer Ausübung dieses Berufs erhebliche rechtswidrige Straftaten begehen wird (vgl. BGH, Urt. vom 20. Januar 2004 - 1 StR 319/03).
Eine solche Gefahr hat die Strafkammer nicht festgestellt. Sie hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verhängung eines Berufsverbots verneint, weil sie bei der von ihr vorgenommenen Gesamtwürdigung des Angeklagten und der Taten zu dem Ergebnis gelangt, es lasse sich keine Gefahr erkennen, dass der Angeklagte bei weiterer Ausübung seines Berufes erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde. Sie sei davon überzeugt, dass es zur Einwirkung auf den Angeklagten ausreiche, im Rahmen ?einer Auflage bzw. Weisung im Bewährungsbeschluss anzuordnen, dass der Angeklagte sich während der Dauer von drei Jahren jeglicher Tätigkeit im Bereich der Herstellung und Verarbeitung sowie Bearbeitung von Fleisch- und Wurstwaren zu enthalten hat" (UA S. 38). Hiergegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Der Senat vermag keinen Ermessensfehler in der von der Strafkammer angestellten Gesamtwürdigung zu erkennen. Der Gesetzgeber hat dem Tatrichter bewusst einen weiten Ermessensspielraum zur Verfügung gestellt, um unbillige Ergebnisse bei dieser schwerwiegenden Rechtsfolge zu vermeiden (vgl. BGH, Urt. vom 20. Januar 2004 - 1 StR 319/03; Urt. vom 24. April 2007 - 1 StR 439/06). Die Kammer ist unter Würdigung der Person des Angeklagten und seiner Taten zu der - revisionsrechtlich ohnehin nur eingeschränkt überprüfbaren - Prognose gelangt, dass dieser in Verbindung mit seinem bisher ausgeübten Beruf im Bereich des (Wild-)Fleischhandels künftig keine erheblichen Rechtsverletzungen begehen werde. Die Strafkammer ist jedenfalls davon überzeugt, dass die im Bewährungsbeschluss angeordnete Weisung zur Einwirkung auf den Angeklagten ausreicht. Diese Erwägungen der Kammer sind nachvollziehbar und lassen einen Ermessensfehler nicht erkennen.
Es kann dahinstehen, ob die Weisung, zeitweise im Bereich der Herstellung, Ver- und Bearbeitung von Fleisch- und Wurstwaren nicht tätig zu sein, zulässig ist (so BGHSt 9, 258, 260; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 56c Rdn. 24; Groß in MK-StGB § 56c Rdn. 12, 23) oder ob dies nur unter den in § 70 StGB angegebenen Voraussetzungen angeordnet werden darf (so Ostendorf in NK 2. Aufl. § 56c Rdn. 4; Stree in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 56c Rdn. 1; Horn in SK-StGB 41. Lfg. § 56c Rdn. 7; OLG Hamm NJW 1955, 34), weil es einem zeitigen Berufsverbot gleichkomme. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB verneint. Die Frage, ob die im Bewährungsbeschluss nach § 268a Abs. 1 StPO angeordnete Weisung zulässig ist, unterliegt nicht der revisionsrechtlichen Kontrolle (Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 268a Rdn. 10). ..." (BGH, Urteil vom 07.11.2007 - 1 StR 164/07)
***
?... Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt und ihm auf Lebenszeit die Ausübung eines Heilberufes und der damit verbundenen Hilfstätigkeiten verboten. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat nur hinsichtlich des Berufsverbots Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Anordnung des Berufsverbots hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat den Maßregelausspruch darauf gestützt, dass der Angeklagte, ein gelernter Krankenpfleger und Rettungsassistent, im Krankenhaus Medikamente entwendet habe. Seine im Rahmen seines Berufes erworbenen Kenntnisse habe er dazu genutzt, seine Freundinnen zu bewegen, wegen bei ihnen angeblich bestehenden Krankheiten Überdosierungen dieser Medikamente einzunehmen, so dass sie sich in dem dadurch hervorgerufenen Zustand gegen seine sexuellen Übergriffe nicht zur Wehr setzen konnten.
Diese Begründung ist nicht geeignet, das verhängte Berufsverbot zu tragen. Ein Missbrauch von Beruf oder Gewerbe im Sinne des § 70 StGB liegt nur dann vor, wenn der Täter unter bewusster Missachtung der ihm gerade durch seinen Beruf oder sein Gewerbe gestellten Aufgaben seine Tätigkeit ausnutzt, um einen diesen Aufgaben zuwiderlaufenden Zweck zu verfolgen. Dazu genügt ein bloß äußerer Zusammenhang in dem Sinne, dass der Beruf des Täters lediglich die Möglichkeit gibt, Straftaten zu begehen, nicht. Die strafbare Handlung muss vielmehr Ausfluss der jeweiligen Berufs- oder Gewerbetätigkeit sein und einen berufstypischen Zusammenhang erkennen lassen (std. Rspr., z. B. BGHSt 22, 144; Beschluss vom 6. Juni 2003 - 3 StR 188/03 m. w. N.). Daran fehlt es hier. Aus den der Verurteilung zugrunde liegenden Taten kann nicht auf den erforderlichen ?berufstypischen' Zusammenhang geschlossen werden. Wenn auch der Angeklagte die Medikamente im Krankenhaus entwendet hat, haben die Diebstähle, deretwegen er am 21. Oktober 2004 aus seiner Anstellung dort entlassen wurde, nur einen äußeren Bezug zu seiner Tätigkeit gerade als Krankenpfleger. Der Angeklagte hat weder seinen Beruf als solchen missbraucht noch spezielle Berufspflichten verletzt, sondern Gelegenheiten, die ihm seine Tätigkeit bot, zur Begehung von Diebstählen ausgenutzt. Die Unzuverlässigkeit des Angeklagten gerade in seinem Beruf oder ein Anlass, die Allgemeinheit vor den mit der weiteren Berufsausübung des Angeklagten drohenden Gefahren zu schützen, werden durch die Taten nicht erkennbar. Durch ein Berufsverbot lässt sich die Ausnutzung der medizinischen Kenntnisse des Angeklagten, die er zu Straftaten gegenüber einer Frau aus seinem privaten Umfeld eingesetzt hat, auch nicht verhindern. Die Maßregel ist demgemäß aufzuheben, sie entfällt. Der Senat entscheidet insoweit selbst in der Sache, da unter den gegebenen Umständen ausgeschlossen ist, dass in neuer Verhandlung weitere Feststellungen, die das Berufsverbot rechtfertigen würden, getroffen werden könnten. ..." (BGH. Beschluss vom 01.06.2007 - 2 StR 182/07)
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?... Schließlich hält auch die Entscheidung, von der Anordnung eines Berufsverbots nach § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB abzusehen, rechtlicher Überprüfung stand. Die ins Ermessen des Gerichts gestellte Sicherungsmaßregel ?Berufsverbot' soll die Allgemeinheit vor den Gefahren schützen, die von der Ausübung eines Berufs durch hierfür nicht hinreichend zuverlässige Personen ausgehen (vgl. Hanack in LK 11. Aufl. § 70 Rdn. 1, 18). Sie kann u.a. gegen denjenigen angeordnet werden, der wegen einer rechtswidrigen Tat verurteilt wurde, die er unter Mißbrauch seines Berufs oder unter grober Verletzung der damit verbundenen Pflichten begangen hat, wenn eine Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen läßt, daß er bei weiterer Ausübung dieses Berufs vergleichbare Straftaten begehen werde. Entsprechend dem Gefahrenabwehrzweck des § 70 Abs. 1 StGB muß der Mißbrauch oder die Pflichtverletzung in einem inneren Zusammenhang mit der Berufsausübung oder deren regelmäßiger Gestaltung stehen und so symptomatisch die Unzuverlässigkeit des Täters in seinem Beruf erkennen lassen (vgl. zum Schutzzweck des § 70 StGB BVerfG, Dritte Kammer des Zweiten Senats , Beschl. v. 30. Oktober 2002 - 2 BvR 1837/00 ; Hanack a.a.O. § 70 Rdn. 18; Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl., § 70 Rdn. 6 f.; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 70 Rdn. 3).
Eine solche generelle Unzuverlässigkeit im Arztberuf hat die Strafkammer nicht festgestellt. Sie hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verhängung eines Berufsverbots verneint, weil weder die einzelnen noch die Gesamtheit der festgestellten Behandlungs- und Aufklärungsfehler Hinweise darauf geben, daß der Angeklagte seinen Beruf bewußt und planmäßig zur Begehung von Körperverletzungsdelikten mißbraucht hat (Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 70 Rdn. 3 m.w. Nachw.). Der Senat vermag auch im übrigen keinen Ermessensfehler in der von der Strafkammer angestellten Gesamtwürdigung zu erkennen. Der Gesetzgeber hat dem Tatrichter bewußt einen weiten Ermessensspielraum zur Verfügung gestellt, um unbillige Ergebnisse bei dieser schwerwiegenden Rechtsfolge zu vermeiden (vgl. BT-Drucks. V/4095, S. 38; Sander in Sonderheft für Gerhard Schäfer, S. 57, 59). Die Kammer ist unter Würdigung des der Person und der Stellung des Angeklagten als Chefarzt einer Universitätsklinik und seiner Taten zu der - revisionsrechtlich ohnehin nur eingeschränkt überprüfbaren - Prognose gelangt, daß dieser in Verbindung mit seinem Arztberuf künftig keine vergleichbaren Rechtsverletzungen mehr begehen werde. Ob die berufliche Karriere des Angeklagten dabei tatsächlich, wie von der Strafkammer angenommen (UA S. 64), beendet ist oder etwa als niedergelassener Arzt fortgesetzt werden kann, kann letztlich dahinstehen. Die Strafkammer ist jedenfalls davon überzeugt, daß das durchgeführte Strafverfahren mit der Verurteilung und allen seinen Begleiterscheinungen den Angeklagten deutlich beeindruckt und ihm die Folgen der eigenen Überschätzung seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten drastisch vor Augen geführt haben. Die Kammer hat dabei auch die Schwere der von der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit den beiden Eingriffen beim Patienten E. festgestellten Pflichtverletzungen innerhalb des Operationsteams gesehen. Sie hat deshalb die verfahrensgegenständlichen Behandlungs- und Aufklärungsfehler als situativ bedingte Fehlleistungen des ansonsten qualifizierten Angeklagten angesehen. Die dafür maßgeblichen Erwägungen, daß die festgestellte Selbstüberschätzung in diagnostischer Hinsicht und der Mangel an Selbstzweifeln auf eine zu schnelle und steile Karriere zurückzuführen sind und der Angeklagte in seiner damaligen Situation als jüngster C-4-Professor und Ärztlicher Direktor unter erheblichem Profilierungsdruck stand, dem er im Ergebnis nicht gewachsen war, sind nachvollziehbar und lassen einen Ermessensfehler nicht erkennen (UA S. 60, 64). ..." (BGH, Urteil vom 20.01.2004, 1 StR 319/03).
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?... Die Anordnung des Berufsverbots hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen gelang es dem als Fahrlehrer angestellten Angeklagten durch Vorspiegelung seiner Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit, von fünf Fahrschülern sowie einem ehemaligen Fahrschüler Bargeldbeträge zwischen 2.500,00 DM und 4.000,00 DM zu erhalten, die er entgegen seiner jeweils schriftlichen Zusage bis heute nicht zurückbezahlte.
Das Landgericht hat den Maßregelausspruch darauf gestützt, dass der Angeklagte die Betrugstaten unter "Missbrauch seines Berufes als Fahrschullehrer begangen" sowie dabei "seine Vertrauensstellung als Fahrschullehrer ausgenutzt und noch jungen Menschen erheblichen finanziellen Schaden ... zugefügt" habe.
Diese Begründung ist nicht geeignet, das verhängte Berufsverbot zu tragen. Ein Missbrauch von Beruf oder Gewerbe im Sinne von § 70 StGB liegt nur dann vor, wenn der Täter unter bewusster Missachtung der ihm gerade durch seinen Beruf oder sein Gewerbe gestellten Aufgaben seine Tätigkeit ausnutzt, um einen diesen Aufgaben zuwiderlaufenden Zweck zu verfolgen. Dazu genügt ein bloß äußerer Zusammenhang in dem Sinne, dass der Beruf des Täters lediglich die Möglichkeit gibt, Straftaten zu begehen, nicht. Die strafbare Handlung muss vielmehr Ausfluss der jeweiligen Berufs- oder Gewerbetätigkeit sein und einen berufstypischen Zusammenhang erkennen lassen (st. Rspr., z.B. BGHSt 22, 144; BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 1, 2, 6, 7). Daran fehlt es hier. Aus den der Verurteilung zu Grunde liegenden Taten kann nicht auf den erforderlichen "berufstypischen" Zusammenhang geschlossen werden. Wenn auch der Angeklagte als Fahrschullehrer seiner Opfer tätig war, haben die Betrugstaten doch nur einen äußeren Bezug zu dieser Tätigkeit. Der Angeklagte hat weder seinen Beruf als solchen missbraucht noch spezielle Berufspflichten verletzt, sondern Gelegenheiten, die ihm seine Tätigkeit bot, zur Begehung von Betrugsstraftaten ausgenutzt. Die Unzuverlässigkeit des Angeklagten gerade in seinem Beruf oder ein Anlass, die Allgemeinheit vor den mit der weiteren Berufsausübung des Angeklagten drohenden Gefahren zu schützen, werden durch die Taten nicht erkennbar. Die Maßregel ist demgemäß aufzuheben. Sie fällt weg; der Senat entscheidet insoweit selbst in der Sache, da unter den gegebenen Umständen ausgeschlossen erscheint, dass in neuer Verhandlung weitere Feststellungen, die das Berufsverbot rechtfertigen würden, getroffen werden könnten. ..." (BGH, Beschluss vom 06.06.2003, 3 StR 188/03)
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Für den Fall, daß ein Angeklagter ausschließlich wegen Straftaten zum Nachteil weiblicher Patienten verurteilt wird, fehlt für die Befürchtung, daß von ihm auch Gefahren für Personen männlichen Geschlechts ausgehen könnten, jeglicher Anhalt, so daß der Maßregelausspruch über ein Berufsverbot auf die medizinische Behandlung von Personen weiblichen Geschlechts zu beschränken ist (BGH, Beschluss vom 16.01.2003 - 3 StR 454/02 - StV 2004, 653 f).
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?... Die Rüge, das Landgericht habe es fehlerhaft unterlassen, die Voraussetzungen für die Verhängung eines Berufsverbots gegen den Angeklagten gemäß § 70 Abs. 1 StGB zu prüfen, hat Erfolg.
Der Angeklagte hat die ihm durch seinen Lehrerberuf gegebenen Möglichkeiten bei seiner Berufstätigkeit bewußt und planmäßig dazu benutzt, fortlaufend sexuelle Mißbrauchshandlungen an unter 14 Jahre alten Schülerinnen zu begehen. Trotz der erstmaligen Verurteilung des Angeklagten liegt eine Wiederholungsgefahr nahe. Der Angeklagte hat eine Vielzahl solcher Mißbrauchstaten über nahezu den gesamten Zeitraum seiner Festanstellung als Lehrer begangen. Zuletzt hat er das sexuelle Verhältnis mit der Geschädigten Petra J. fortgesetzt, auch nachdem seine Ehefrau hiervon Kenntnis erlangt hatte, und noch nach Außervollzugsetzung des Haftbefehls am 30. Mai 2000 hat er entgegen dem angeordneten Kontaktverbot erneut mit Petra J. Kontakt aufgenommen.
Die Verhängung eines Berufsverbots wird nicht dadurch gehindert, daß der Angeklagte Beamter ist. Zwar tritt § 70 StGB grundsätzlich hinter der Bestimmung des § 45 StGB über den Verlust der Amtsfähigkeit und den einschlägigen Bestimmungen der Beamtengesetze über den Verlust der Beamtenrechte - hier Art. 46 BayBG - zurück (BGH NJW 1987, 2686, 2687 [BGH 29.04.1987 - 2 StR 500/86] ; Hanack in LK 11. Aufl. § 70 StGB Rdn. 32). Dies gilt jedoch nur hinsichtlich der Beamtenstellung als solcher und muß sich nicht auf berufsfachliche Fähigkeiten erstrecken, aufgrund derer der Beamte tätig geworden ist. Hat ein Beamter bei der Begehung einer rechtswidrigen Tat die Möglichkeiten einer speziellen fachlichen Qualifikation genutzt, von der er auch in nichtamtlicher Eigenschaft in gefährlicher Weise Gebrauch machen könnte, so sind darauf gerichtete Berufsverbote zulässig (Hanack aaO Rdn. 33; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 70 Rdn. 3; vgl. auch BGH wistra 2000, 459 und BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 7). Insoweit steht die Beamteneigenschaft dem Verbot einer seinem Fach entsprechenden Berufsausübung nicht entgegen. Es kann daher zum Beispiel einem beamteten Lehrer oder einem Amtsarzt gemäß § 70 StGB untersagt werden, privat als Lehrer oder Arzt tätig zu werden. Da das Beamtenverhältnis des Angeklagten mit der Rechtskraft seiner Verurteilung gemäß Art. 46 Satz 1 Nr. 1 BayBG endet und der Angeklagte, der keine andere Ausbildung als die für das Lehramt besitzt, den Beruf als Lehrer selbst als "Traumberuf" bezeichnet hat, liegt hier sogar die Annahme nahe, daß der Angeklagte versuchen wird, als Privatlehrer tätig zu werden.
Der neue Tatrichter wird daher die Frage der Verhängung eines Berufsverbots nach § 70 StGB noch zu prüfen haben. Dabei wird zu beachten sein, daß das Berufsverbot im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip und den auf die Gefahrenabwehr zugeschnittenen Charakter der Maßregel nur in dem gegenständlichen Umfang ausgesprochen werden darf, in dem dies erforderlich ist, um die Begehung weiterer Straftaten zu verhindern (vgl. BGHR StGB § 70 Abs. 1 Umfang, zulässiger 2). ..." (BGH, Urteil vom 04.12.2001 - 1 StR 428/01)
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?... Dagegen kann der Ausspruch über das Berufsverbot nicht bestehen bleiben. Die Verhängung der Maßregel nach § 70 StGB setzt voraus, daß der Täter den Beruf oder das Gewerbe, bei dem ihm Mißbrauch oder grobe Pflichtverletzung vorgeworfen wird, bei Begehung der Straftat tatsächlich ausübt (BGHSt 22, 144, 145 f. ). Nach der Rechtsprechung reicht es demgemäß nicht aus, daß die vom Angeklagten begangenen Betrugstaten nur im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder vorgetäuschten Berufs- oder Gewerbetätigkeit standen (BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 4; Senats beschluß vom 16. März 1999 - 4 StR 26/99 ; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 70 Rdn. 3 m. w. N. ). So liegt es hier: Die Feststellungen ergeben nicht, daß sich der Angeklagte überhaupt ernsthaft im Bereich der ?Schuldenregulierung' und Vermögensverwaltung betätigte. Vielmehr diente - wie das Landgericht ausdrücklich feststellt - die Gründung der NF - ebenso wie die Gründung der HVB durch die Mitangeklagte P. - der Begehung des abgeurteilten Betruges. Danach hat der Angeklagte die Vermittlungstätigkeit der NF aber nur vorgetäuscht, um die Geschädigten zu Zahlungen an ihn zu veranlassen. Das genügt für die Anordnung des Berufsverbots nicht. Der Senat läßt deshalb den Maßregelausspruch entfallen. ..." (BGH, Urteil vom 19.07.2001 - 4 StR 457/00)
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?... Keinen Bestand kann auch die Anordnung eines Berufsverbotes für die Angeklagten G. und Kr. haben. Die Verhängung einer Maßregel nach § 70 StGB setzt voraus, daß der Täter den Beruf, bei dem ihm Mißbrauch oder grobe Pflichtverletzung vorgeworfen wird, bei Begehung der Straftat tatsächlich ausübt; es genügt nicht, daß Betrügereien nur im Zusammenhang mit einer vorgetäuschten Berufstätigkeit stehen (BGHSt 22, 144, 145; BGHR StGB § 70 I Pflichtverletzung 4; BGH wistra 1999, 222). So liegt es aber hier. Die Angeklagten haben sich tatsächlich nicht als Anlagevermittler betätigt, sondern als schlichte Betrüger, die von vornherein das ertrogene Geld nicht anlegen, sondern für sich verwenden wollten. ..." (BGH, Beschluss vom 23.11.2000 - 3 StR 225/00).
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?... Der Maßregelausspruch läßt keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen. Er kann bestehen bleiben, weil die ihn tragenden Überlegungen durch die Änderung des Schuldspruchs und den geringeren Schadensumfang nicht entfallen. Der Angeklagte hat die Taten unter Mißbrauch seines Berufs und unter grober Verletzung der mit ihm verbundenen Pflichten begangen. Der Angeklagte war als Rechtsanwalt nach der vorläufigen Amtsenthebung des Anwaltsnotars M. zu dessen Vertreter bestellt worden ( § 39 Abs. 2 Satz 1 , Abs. 3 Satz 2 BNotO ). Die Vertretertätigkeit beruhte gerade auf der beruflichen Stellung des Angeklagten als Rechtsanwalt, ohne die er nicht zum Vertreter hätte bestellt werden können. Der Angeklagte übte damit im Sinne von § 70 StGB bei seinen strafbaren Handlungen auch das Amt eines Rechtsanwalts aus (vgl. BGH StV 1987, 20). Hinzu kommt, daß die Tathandlungen des Angeklagten in einem inneren Zusammenhang sowohl mit der Ausübung des Anwalts- als auch des Notarberufes stehen, daß sie sich in beiden Fällen ?als ein Ausfluß aus der Berufstätigkeit selbst oder doch wenigstens als ein mit der regelmäßigen Gestaltung der Berufsausübung in Beziehung gesetztes Verhalten darstellen' (Hanack in LK 11. Aufl. § 70 Rdn. 18 m. w. Nachw. ). Sowohl der Rechtsanwalt (vgl. insoweit § 43 a Abs. 5 BRAO ) als auch der Notar (vgl. insoweit § 23 BNotO ) sind zur sorgfältigen Verwahrung von Geld zuständig und verpflichtet. Beiden Berufen bringt die zur Abwicklung von Vermögensgeschäften Rat und Unterstützung suchende Bevölkerung Vertrauen entgegen.
Soweit die Kammer darauf abhebt, die ?Schuldeinsicht' des die Taten bestreitenden Angeklagten sei ?gering', stehen dieser Erwägung zwar Bedenken entgegen (vgl. BGHR StGB § 70 I Dauer 1; StGB § 46 II Nachtatverhalten 4); diese gefährden das Berufsverbot hier aber nicht. Angesichts der Anzahl der Taten und des Schadensumfangs hat das Landgericht, das bei tatnäherer Aburteilung die Verhängung eines lebenslangen Berufsverbotes erwogen hätte, auf ein Berufsverbot von drei Jahren erkannt. Für eine weitere Verkürzung sah es neben der bisherigen Unbestraftheit des Angeklagten und der aufschiebenden Wirkung der Strafvollstreckung keine weiteren Gründe, insbesondere hatte es nicht die Möglichkeit, ein etwa einsichtiges Verhalten des Angeklagten zu dessen Gunsten zu berücksichtigen. Daß das Landgericht das die Tatvorwürfe bestreitende Prozeßverhalten des Angeklagten nicht zu dessen Nachteil werten durfte, hat es erkannt (vgl. UA S. 248 - ?strafprozessual nicht zu beanstandende . . . Uneinsichtigkeit'). ..." (BGH, Urteil vom 14.07.2000 - 3 StR 53/00)
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Ist ein Beschuldigter seit mehr als 2 Jahren in strafrechtlich relevanter Weise nicht mehr auffällig geworden, steht dies der Verhängung eines vorläufigen Berufsverbots auch dann entgegen, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, daß im Falle einer Verurteilung ein Berufsverbot angeordnet werden wird (OLG Brandenburg StV 2001, 106 zu StPO 132 a; StGB § 70).
Berufverbot - Vorläufiges Berufsverbot durch den Richter § 132 a StPO
(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß ein Berufsverbot angeordnet werden wird (§ 70 des Strafgesetzbuches), so kann der Richter dem Beschuldigten durch Beschluß die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges vorläufig verbieten. § 70 Abs. 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.
(2) Das vorläufige Berufsverbot ist aufzuheben, wenn sein Grund weggefallen ist oder wenn das Gericht im Urteil das Berufsverbot nicht anordnet.
Leitsätze/Entscheidungen:
Allein das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen von § 132a StPO rechtfertigt auf Grund der überragenden Bedeutung des Art. 12 I GG die Verhängung eines vorläufigen Berufsverbots nicht. Hinzukommen muss, dass die Anordnung erforderlich ist, um bereits vor rechtskräftigem Abschluss des Hauptverfahrens Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter abzuwehren, die aus einer Berufsausübung durch den Beschuldigten resultieren können (BVerfG, Beschluss vom 15.12.2005 - 2 BvR 673/05).
*** (OLG)
Allein das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 70 StGB i.V.m. § 132a StPO rechtfertigt ein vorläufiges Berufsverbot noch nicht. Wegen der überragenden Bedeutung von Art. 12 Abs. 1 GG muss hinzukommen, dass die als Präventivmaßnahme mit Sofortwirkung ausgestaltete Anordnung wegen ihrer erheblichen Intensität und irreparablen Wirkung erforderlich ist, um bereits vor rechtskräftigem Abschluss des Hauptverfahrens konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter abzuwehren, die aus einer Berufsausübung durch den Angeklagten resultieren können (OLG Nürnberg, Beschluss vom 26.07.2011 - 1 Ws 310/11).
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Die Anordnung eines Berufsverbots setzt voraus, dass nach einer Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte in Ausübung des Berufs weitere erhebliche rechtswidrige Straftaten begehen wird. Dabei müssen die rechtswidrigen Taten unter Missbrauch des Berufs des Täters begangen werden, d. h. er muss die durch den Beruf gegebenen Möglichkeiten bewusst und planmäßig zu Straftaten ausnutzen. Hingegen reicht die äußerliche Möglichkeit zur Begehung von Taten anlässlich der Berufsausübung nicht aus. Vielmehr muss die strafbare Handlung Ausfluss der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit selbst sein oder mindestens ein mit der regelmäßigen Gestaltung der Berufsausübung in Beziehung gesetztes Verhalten betreffen. Bei einem Täter, der erstmalig wegen einer Anlasstat straffällig geworden ist, sind an die Annahme seiner weiteren Gefährlichkeit ganz besonders strenge Anforderungen zu stellen. Insbesondere ist zu prüfen, ob nicht bereits die Verurteilung zu Strafe den Täter von weiteren Taten abhalten wird (OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.10.2002 - 3 Ws 593/02, NStZ-RR 2003, 113).
Anordnung einer Auskunftspflicht über Telekommunikationsverbindungsdaten § 100 g StPO (n.F)
(1) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass jemand als Täter oder Teilnehmer
1. eine Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung, insbesondere eine in § 100a Abs. 2 bezeichnete Straftat, begangen hat, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat oder durch eine Straftat vorbereitet hat oder
2. eine Straftat mittels Telekommunikation begangen hat,
so dürfen auch ohne Wissen des Betroffenen Verkehrsdaten (§ 96 Abs. 1, § 113a des Telekommunikationsgesetzes) erhoben werden, soweit dies für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten erforderlich ist. Im Falle des Satzes 1 Nr. 2 ist die Maßnahme nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos wäre und die Erhebung der Daten in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht. Die Erhebung von Standortdaten in Echtzeit ist nur im Falle des Satzes 1 Nr. 1 zulässig.
(2) § 100a Abs. 3 und § 100b Abs. 1 bis 4 Satz 1 gelten entsprechend. Abweichend von § 100b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 genügt im Falle einer Straftat von erheblicher Bedeutung eine räumlich und zeitlich hinreichend bestimmte Bezeichnung der Telekommunikation, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
(3) Erfolgt die Erhebung von Verkehrsdaten nicht beim Telekommunikationsdiensteanbieter, bestimmt sie sich nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs nach den allgemeinen Vorschriften.
(4) Über Maßnahmen nach Absatz 1 ist entsprechend § 100b Abs. 5 jährlich eine Übersicht zu erstellen, in der anzugeben sind:
1. die Anzahl der Verfahren, in denen Maßnahmen nach Absatz 1 durchgeführt worden sind;
2. die Anzahl der Anordnungen von Maßnahmen nach Absatz 1, unterschieden nach Erst- und Verlängerungsanordnungen;
3. die jeweils zugrunde liegende Anlassstraftat, unterschieden nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2;
4. die Anzahl der zurückliegenden Monate, für die Verkehrsdaten nach Absatz 1 abgefragt wurden, bemessen ab dem Zeitpunkt der Anordnung;
5. die Anzahl der Maßnahmen, die ergebnislos geblieben sind, weil die abgefragten Daten ganz oder teilweise nicht verfügbar waren.
Leitsätze/Entscheidungen:
In der Zuordnung von Telekommunikationsnummern zu ihren Anschlussinhabern liegt ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Demgegenüber liegt in der Zuordnung von dynamischen IP-Adressen ein Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber muss bei der Einrichtung eines Auskunftsverfahrens sowohl Rechtsgrundlagen für die Übermittlung, als auch für den Abruf von Daten schaffen. Das automatisierte Auskunftsverfahren der §§ 112, 111 TKG ist mit der Verfassung vereinbar. § 112 TKG setzt dabei für den Abruf eigene Ermächtigungsgrundlagen voraus. Das manuelle Auskunftsverfahren der §§ 113 Abs. 1 Satz 1, 111, 95 Abs. 1 TKG ist in verfassungskonformer Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar. Zum einen bedarf es für den Abruf der Daten qualifizierter Rechtsgrundlagen, die selbst eine Auskunftspflicht der Telekommunikationsunternehmen normenklar begründen. Zum anderen darf die Vorschrift nicht zur Zuordnung dynamischer IP-Adressen angewendet werden. Die Sicherheitsbehörden dürfen Auskünfte über Zugangssicherungscodes (§ 113 Abs. 1 Satz 2 TKG) nur dann verlangen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Nutzung gegeben sind (BVerfG, Beschluss vom 24.01.2012 - 1 BvR 1299/05).
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?... I. Die Beschwerdeführerinnen wenden sich gegen die Verpflichtung zur Auskunft über eine Internetprotokoll-Adresse ohne vorherige Einholung einer richterlichen Anordnung gemäß § 100g, § 100b StPO.
1. a) Die Beschwerdeführerin zu 2) ist ein Unternehmen, das eine Vielzahl von IT-Dienstleistungen für Banken erbringt, insbesondere die Bereitstellung und den technischen Betrieb des ?Online-Bankings". Die Beschwerdeführerin zu 1) ist Leiterin der Rechtsabteilung im Unternehmen der Beschwerdeführerin zu 2). In einem Ermittlungsverfahren wegen Computerbetruges zum Nachteil eines Online-Banking-Nutzers (sogenanntes Phishing) forderte die Staatsanwaltschaft Baden-Baden die Beschwerdeführerin zu 2) mit Schreiben vom 12. Oktober 2009 auf, die Internetprotokoll-Adresse (im Folgenden: IP-Adresse) des Auftraggebers eines näher bezeichneten Überweisungsvorgangs mitzuteilen. Das Auskunftsersuchen stützte die Staatsanwaltschaft auf die allgemeine Ermittlungsgeneralklausel des § 161 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 15 Abs. 5 Satz 4, § 14 Abs. 2 des Telemediengesetzes (TMG). Zur Begründung führte sie aus, im Rahmen der von der Beschwerdeführerin zu 2) erbrachten Dienstleistungen stehe das Online-Banking als Telemediendienst im Vordergrund, weshalb diese keine Telekommunikationsdienste im Sinne des Telekommunikationsgesetzes (TKG) erbringe und daher dem Fernmeldegeheimnis des Art. 10 Abs. 1 GG, § 88 TKG nicht unterliege. Eine richterliche Anordnung gemäß § 100g, § 100b StPO sei nicht erforderlich.
b) Der Aufforderung zur Auskunft kam die Beschwerdeführerin zu 2) nicht nach. Die Staatsanwaltschaft Baden-Baden lud daraufhin am 19. Oktober 2009 die Beschwerdeführerin zu 1) als Zeugin, damit diese über die IP-Adresse Auskunft gebe. Die Beschwerdeführerin zu 1) erschien zum Termin, verweigerte jedoch die Aussage mit dem Hinweis, bei Erteilung der Auskunft ohne Erlass einer richterlichen Anordnung gemäß § 100g, § 100b StPO gegen das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG, § 88 TKG zu verstoßen und sich gemäß § 206 StGB strafbar zu machen.
c) Mit Bescheid vom 27. Oktober 2009 setzte die Staatsanwaltschaft Baden-Baden daraufhin ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 Euro gegen die Beschwerdeführerin zu 1) fest. Den hiergegen erhobenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 161a Abs. 3 Satz 1 StPO wies das Amtsgericht Baden-Baden mit Beschluss vom 16. April 2010 zurück. Auf eine Dienstaufsichtsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1) gegen das Auskunftsverlangen, die Zeugenladung und den Ordnungsgeldbescheid teilte die Generalstaatsanwaltschaft in Karlsruhe unter dem 6. Mai 2010 mit, dass die angegriffenen Maßnahmen durch das Beschwerdevorbringen nicht in Frage gestellt würden. In den Begründungen wurde die Auffassung der Staatsanwaltschaft Baden-Baden aufgegriffen und im Wesentlichen darauf abgestellt, dass im Vordergrund der von der Beschwerdeführerin zu 2) erbrachten Dienstleistungen das Online-Banking als Telemediendienst stehe, das Fernmeldegeheimnis folglich nicht berührt sei.
2. Mit der fristgerecht eingegangenen Verfassungsbeschwerde wenden die Beschwerdeführerinnen sich gegen die vorgenannten Anordnungen und Entscheidungen.
Die Beschwerdeführerin zu 1) sieht sich insbesondere in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 und Abs. 2 GG verletzt. Bei dem Auskunftsgegenstand, der IP-Adresse eines unbekannten Nutzers, handle es sich um ein Verbindungsdatum, das dem Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG unterfalle; für Auskünfte darüber bestehe von Verfassungs wegen ein Richtervorbehalt. Die Beschwerdeführerin zu 2) werde bei der Durchführung des Online-Bankings auch als Erbringerin von Telekommunikationsdienstleistungen tätig; die IP-Adressen der Online-Banking-Nutzer erhebe sie ausschließlich in dieser Eigenschaft, nämlich bei der Bereitstellung des Internet-Zugangs und zum Aufbau der Telekommunikationsverbindung zum jeweiligen Nutzer, nicht dagegen für die Anwendung und Durchführung des Online-Bankings.
Ferner rügen die Beschwerdeführerinnen Verletzungen der Art. 103 Abs. 2, Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 19 Abs. 4, Art. 12 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 GG.
II. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 (24 ff.); 96, 245 (248 ff.)).
1. Soweit die Beschwerdeführerin zu 1) einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 und Abs. 2 GG rügt, ist die Verfassungsbeschwerde mangels einer den gesetzlichen Anforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechenden substantiierten Begründung unzulässig.
Mit der Verhängung des Ordnungsgelds gegen die Beschwerdeführerin zu 1) ist ein Eingriff in ihre allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG verbunden, dessen Rechtsgrundlage sich aus § 161a Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 70 Abs. 1 Satz 2 StPO ergibt. Die Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften im Einzelfall prüft das Bundesverfassungsgericht nicht umfassend nach; die verfassungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich vielmehr auf die Frage, ob spezifisches Verfassungsrecht verletzt wurde (stRspr, vgl. nur BVerfGE 18, 85 (92 f.)). Letzteres ist der Fall, wenn eine gerichtliche Entscheidung auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Grundrechte beruht, deren Verletzung geltend gemacht wird, oder wenn das Auslegungsergebnis selbst die geltend gemachten Grundrechte verletzt (vgl. BVerfGE 30, 173 (188)). Nach diesen Maßstäben hat die Beschwerdeführerin eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts nicht hinreichend dargelegt. Auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens ist insbesondere nicht zu entscheiden, ob die angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts Baden-Baden Bedeutung und Tragweite von Art. 10 GG verkennt.
a) Offen erscheint bereits, ob mit der staatlich angeordneten Auskunftserteilung ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG verbunden ist.
aa) Das Fernmeldegeheimnis gewährleistet die Vertraulichkeit der individuellen Kommunikation, wenn diese wegen der räumlichen Distanz zwischen den Beteiligten auf eine Übermittlung durch andere angewiesen ist und deshalb in besonderer Weise einen Zugriff Dritter - einschließlich staatlicher Stellen - ermöglicht. Die Beteiligten sollen weitgehend so gestellt werden, wie sie bei einer Kommunikation unter Anwesenden stünden. Das Grundrecht ist entwicklungsoffen und umfasst nicht nur die bei Entstehung des Gesetzes bekannten Arten der Nachrichtenübertragung, sondern auch neuartige Übertragungstechniken (BVerfGE 46, 120 (144); 115, 166 (182)). Der Schutzbereich erfasst neben den Kommunikationsinhalten alle näheren Umstände des Fernmeldeverhältnisses und bezieht sich sowohl auf die Tatsache der Kommunikation als auch auf die Verbindungsdaten über Teilnehmer, Anschlüsse und Nummern, unter welchen die Teilnehmer miteinander in Kontakt treten (BVerfGE 107, 299 (312); 113, 348 (364 f.); 115, 166 (183); 120, 274 (307); 124, 43 (54); BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris, Rn. 189). Hierzu zählen auch IP-Adressen.
Demgegenüber unterfallen solche Verbindungsdaten, die nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs beim Telekommunikationsteilnehmer aufgezeichnet und gespeichert werden, nicht dem Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG, sondern werden durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützt (BVerfGE 115, 166 (183 ff.); 120, 274 (307 f.); 124, 43 (54)). Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses endet in dem Moment, in dem die Nachricht bei dem Empfänger angekommen und der Übertragungsvorgang beendet ist. Die spezifischen Gefahren der räumlich distanzierten Kommunikation bestehen im Herrschaftsbereich des Empfängers, der eigene Schutzvorkehrungen treffen kann, nicht. Die Nachricht ist mit Zugang beim Empfänger nicht mehr den erleichterten Zugriffsmöglichkeiten Dritter ausgesetzt, die sich aus der fehlenden Beherrschbarkeit und Überwachungsmöglichkeit des Übertragungsvorgangs durch die Kommunikationsteilnehmer ergeben. Die gespeicherten Inhalte und Verbindungsdaten unterscheiden sich dann nicht mehr von Datenbeständen, die der Nutzer selbst angelegt hat (BVerfGE 115, 166 (185)).
Die Einordnung einer Leistung unter das Regelungsregime des Telekommunikationsgesetzes oder des Telemediengesetzes bestimmt nicht über die Reichweite des Schutzbereichs des Art. 10 Abs. 1 GG. Art. 10 Abs. 1 GG folgt nicht dem rein technischen Telekommunikationsbegriff des Telekommunikationsgesetzes, sondern knüpft personal an den Grundrechtsträger und dessen Schutzbedürftigkeit aufgrund der Einschaltung Dritter in den Kommunikationsvorgang an
(BVerfGE 124, 43 (55 f.); BVerfGK 9, 62 (75)).
bb) Die Beschwerdeführerinnen haben nicht hinreichend dargelegt, dass die in Rede stehende IP-Adresse von der Beschwerdeführerin zu 2) als Erbringerin von Telekommunikationsleistungen während eines laufenden Telekommunikationsübertragungsvorgangs erhoben wurde und damit außerhalb des Herrschaftsbereichs der Kommunikationsteilnehmer anfiel. Die Beschwerdeführerinnen behaupten zwar, die Beschwerdeführerin zu 2) stelle selbst einen - verschlüsselten - Internetzugang für die Bank her. Dem Beschwerdevortrag ist aber nicht eindeutig zu entnehmen, dass mit den von der Beschwerdeführerin zu 2) erbrachten Leistungen die Tätigkeit eines gesonderten ?Internet Service Providers" auf Seiten der Bank tatsächlich entbehrlich wird. Insbesondere verhält sich der Beschwerdevortrag auch nicht dazu, auf welchem Wege der Bank beziehungsweise der Stelle tätig werdenden Beschwerdeführerin zu 2) eine IP-Adresse zugeteilt wird; dieser Frage kommt für die Einordnung der Tätigkeit der Beschwerdeführerin aber Bedeutung zu. Auch der Hinweis auf die Verschlüsselung der Verbindung durch die Beschwerdeführerin zu 2) führt nicht weiter, da nicht deutlich wird, inwieweit es sich bei der Verschlüsselung um eine Maßnahme handelt, die nicht auch ein gewöhnlicher Internetnutzer unter Verwendung entsprechender Technik durchführen könnte.
b) Ebenso wenig lässt sich auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens sagen, ob ein möglicher Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG gerechtfertigt wäre oder ob die den angefochtenen Entscheidungen zugrunde liegende Rechtsauffassung, wonach eine richterliche Anordnung für die Auskunftserteilung über die IP-Adresse nicht erforderlich ist, die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage verkennt.
aa) Die Schrankenbestimmung des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG sieht - anders als die durch Art. 13 GG gewährleistete Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung - das Erfordernis eines Richtervorbehalts für Eingriffe nicht ausdrücklich vor und stellt dem Wortlaut nach auch im Übrigen keine qualifizierten Anforderungen an die Ausgestaltung der Ermächtigungsgrundlagen.
Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann, wenn sich der Eingriff im Einzelfall als so schwerwiegend darstellt, dass den Anforderungen an die Wahrung der Verhältnismäßigkeit und die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nur im Wege einer vorherigen richterlichen Kontrolle Rechnung getragen werden kann (BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris, Rn. 248). Für die Abfrage und Übermittlung von Telekommunikationsdaten kann dies der Fall sein, wenn diese über einen längeren Zeitraum in großem Umfang gespeichert werden und im Falle ihrer Auswertung detaillierte Rückschlüsse auf das Kommunikations- und Bewegungsverhalten einer Person zulassen würden (BVerfGE 107, 299 (319 f.); BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris, Rn. 227).
Für die Frage, welches Gewicht dem in der Datenabfrage und Verwendung der Daten liegenden Eingriff in die Privatsphäre einer Person zukommt, ist daher neben dem Zweck der Verwendung und der Art und Weise der Abfrage - heimlich oder offen - auch der Anlass und Umfang der Speicherung von Bedeutung. Die Abfrage von Verbindungsdaten aus einem Datensatz, der aufgrund einer anlasslosen systematisch über einen längeren Zeitraum vorgenommenen Speicherung erstellt wurde, stellt einen intensiveren Eingriff dar als die Abfrage von Daten, die ein Telekommunikationsanbieter in Abhängigkeit von den jeweiligen betrieblichen und vertraglichen Umständen - etwa zu Abrechnungszwecken gemäß §§ 96, 97 TKG - kurzfristig aufzeichnet. Bei der längerfristigen Aufzeichnung einer Gesamtheit von Daten kann aufgrund der möglichen Rückschlüsse auf die Privatsphäre einer Person nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Rückgriff auf diese Daten grundsätzlich geringer wiegt als eine inhaltsbezogene Telekommunikationsüberwachung (BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris, Rn. 227).
bb) Das Beschwerdevorbringen enthält keine näheren Aussagen darüber, auf welcher Rechtsgrundlage, zu welchem Zweck und wie lange die Beschwerdeführerin zu 2) die IP-Adressen speichert und inwiefern im Zusammenhang mit den IP-Adressen weitere Daten erhoben werden. Damit ist eine Beurteilung der Schwere des in der Abfrage liegenden Eingriffs ebenso wenig möglich wie eine nähere Konkretisierung der Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit für den Abruf und die Verwendung der abgefragten Daten.
Als Rechtsgrundlage für eine Speicherung der IP-Adressen kommen sowohl die Vorschriften des Telekommunikations- als auch des Telemediengesetzes in Betracht. Nach § 96 Abs. 2 TKG dürfen Verkehrsdaten über das Ende der Verbindung hinaus nur verwendet werden, wenn dies zum Aufbau weiterer Verbindungen oder für die in §§ 97, 99, 100 und 101 TKG genannten Zwecke - Abrechnungszwecke, Störungsbeseitigung und Missbrauchsbekämpfung - erforderlich ist; im Übrigen sind sie nach Beendigung der Verbindung unverzüglich zu löschen. Die §§ 113a, 113b TKG, nach denen Telekommunikationsdienste zur Speicherung von Verkehrsdaten über einen Zeitraum von sechs Monaten verpflichtet waren, hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 2. März 2010 (1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris) für nichtig erklärt. Zuvor waren die Anbieter von Telekommunikationsdiensten zur Speicherung der Daten verpflichtet; allerdings wurde die Pflicht zur Übermittlung an die ersuchenden Behörden vom Bundesverfassungsgericht ab dem 11. März 2008 einstweilen ausgesetzt (einstweilige Anordnung vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08, BGBl I S. 659; wiederholt und erweitert mit Beschluss vom 28. Oktober 2008, BGBl I S. 2239; zuletzt wiederholt mit Beschluss vom 15. Oktober 2009, BGBl I S. 3704). Da das Auskunftsverlangen der Staatsanwaltschaft Baden-Baden vom 12. Oktober 2009 datiert, erscheint eine Speicherung der vorliegend interessierenden Daten auf dieser Grundlage jedenfalls nicht ausgeschlossen. Soweit die Speicherung der IP-Adresse allein für die Herstellung einer verschlüsselten Verbindung unter Nutzung fremder Telekommunikationsdienste erforderlich wäre, kommen als Rechtsgrundlage §§ 14, 15 TMG in Betracht.
Auch unter Berücksichtigung der im Urteil zur Vorratsdatenspeicherung aufgestellten Grundsätze (BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris, Rn. 227, 247) lässt sich nicht sagen, dass die Herausgabe einer einzelnen IP-Adresse losgelöst von den angesprochenen Fragen in jedem Fall einen derart schwerwiegenden Eingriff in den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG darstellen würde, dass eine auf die allgemeine Ermittlungsgeneralklausel des § 161 Abs. 1 StPO gestützte Auskunftserteilung in jedem Fall unzulässig wäre (zur Reichweite des § 161 Abs. 1 StPO vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Februar 2009 - 2 BvR 1372/07, 2 BvR 1745/07 -, NJW 2009, S. 1405 (1407)).
2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen. ..." (BVerfG, 2 BvR 1124/10 vom 13.11.2010, Absatz-Nr. (1 - 24), www.bverfg.de/entscheidungen/rk20101113_2bvr112410.html)
***
Eine sechsmonatige, vorsorglich anlaßlose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten durch private Diensteanbieter, wie sie die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15. 03. 2006 (ABl L 105 v. 13. 04. 2006, S. 54; im folgenden: Richtlinie 2006/24/EG) vorsieht, ist mit Art. 10 GG nicht schlechthin unvereinbar; auf einen etwaigen Vorrang dieser Richtlinie kommt es daher nicht an. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, daß die gesetzliche Ausgestaltung einer solchen Datenspeicherung dem besonderen Gewicht des mit der Speicherung verbundenen Grundrechtseingriffs angemessen Rechnung trägt. Erforderlich sind hinreichend anspruchsvolle und normenklare Regelungen hinsichtlich der Datensicherheit, der Datenverwendung, der Transparenz und des Rechtsschutzes. Die Gewährleistung der Datensicherheit sowie die normenklare Begrenzung der Zwecke der möglichen Datenverwendung obliegen als untrennbare Bestandteile der Anordnung der Speicherungsverpflichtung dem Bundesgesetzgeber gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG. Demgegenüber richtet sich die Zuständigkeit für die Schaffung der Abrufregelungen selbst sowie für die Ausgestaltung der Transparenz- und Rechtsschutzbestimmungen nach den jeweiligen Sachkompetenzen. Hinsichtlich der Datensicherheit bedarf es Regelungen, die einen besonders hohen Sicherheitsstandard normenklar und verbindlich vorgeben. Es ist jedenfalls dem Grunde nach gesetzlich sicherzustellen, daß sich dieser an dem Entwicklungsstand der Fachdiskussion orientiert, neue Erkenntnisse und Einsichten fortlaufend aufnimmt und nicht unter dem Vorbehalt einer freien Abwägung mit allgemeinen wirtschaftlichen Gesichtspunkten steht. Der Abruf und die unmittelbare Nutzung der Daten sind nur verhältnismäßig, wenn sie überragend wichtigen Aufgaben des Rechtsgüterschutzes dienen. Im Bereich der Strafverfolgung setzt dies einen durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht einer schweren Straftat voraus. Für die Gefahrenabwehr und die Erfüllung der Aufgaben der Nachrichtendienste dürfen sie nur bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für eine gemeine Gefahr zugelassen werden. Eine nur mittelbare Nutzung der Daten zur Erteilung von Auskünften durch die Telekommunikationsdiensteanbieter über die Inhaber von Internetprotokolladressen ist auch unabhängig von begrenzenden Straftaten- oder Rechtsgüterkatalogen für die Strafverfolgung, Gefahrenabwehr und die Wahrnehmung nachrichtendienstlicher Aufgaben zulässig. Für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten können solche Auskünfte nur in gesetzlich ausdrücklich benannten Fällen von besonderem Gewicht erlaubt werden (BVerfG, Urteil vom 02.03.2010 - 1 BvR 256/08, 263/08, 586/08 zu GG Art. 10 Abs. 1; StPO § 100g Abs. 1 S. 1 Nr. 1; TKG §§ 113a, 113b).
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Die Übermittlung einer von den Ermittlungsbehörden geheimgehaltenen Maßnahme, insbesondere einer bevorstehenden Verhaftung, durch den Verteidiger an seinen Mandanten begründet den Verdacht der Strafvereitelung jedenfalls für den Fall der unzulässigen, beispielsweise täuschungsbedingten Kenntniserlangung vom Bestehen des von den Ermittlungsbehörden geheimgehaltenen Haftbefehls. Als taugliche Anlaßtat für eine Maßnahme gem. § 100 g Abs. 1 S. 1 StPO kommt jede beliebige Straftat in Betracht, wenn diese durch eine Endeinrichtung i. S. d. § 3 Nr. 3 TKG begangen wurde und dem Rechtseingriff Gründe der Verhältnismäßigkeit nicht entgegenstehen. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber die Voraussetzungen für ein Auskunftsverlangen gem. § 100 g I 1 StPO (Straftat "mittels einer Endeinrichtung" [§ 3 Nr. 3 TKG] abgesenkt hat. Das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG) umfasst nicht nur den Kommunikationsinhalt, sondern schützt auch die Kommunikationsumstände. Dazu gehört insbesondere, ob, wann und wie oft zwischen welchen Personen oder Fernmeldeanschlüssen Fernmeldeverkehr stattgefunden hat oder versucht worden ist. Auch insoweit kann der Staat grundsätzlich keine Kenntnis beanspruchen. Die Nutzung des Kommunikationsmediums soll in allem vertraulich sein. Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses sind zwar gem. Art. 10 II GG möglich. Sie bedürfen aber, wie jede Grundrechtseinschränkung, einer gesetzlichen Regelung, die einen legitimen Gemeinwohlzweck verfolgt und im Übrigen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt. Zwangsmaßnahmen, die einen erheblichen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre der Betroffenen enthalten, stehen von vornherein unter dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG, Beschluss vom 17.06.2006 - 2 BvR 1085/05 u. 2 BvR 1189/05).
Die nach Abschluß des Übertragungsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeicherten Verbindungsdaten werden nicht durch Art. 10 Abs. 1 GG, sondern durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützt. §§ 94 ff. und §§ 102 ff. StPO genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen auch hinsichtlich der Sicherstellung und Beschlagnahme von Datenträgern und den hierauf gespeicherten Daten und entsprechen der vor allem für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geltenden Vorgabe, wonach der Gesetzgeber den Verwendungszweck der erhobenen Daten bereichsspezifisch, präzise und für den Betroffenen erkennbar bestimmen muß. Dem wird durch die strenge Begrenzung aller Maßnahmen auf den Ermittlungszweck Genüge getan (vgl. Beschl. des 2. Senats des BVerfG v. 12. 4. 2005 - 2 BvR 1027/02 [= StV 2005, 363]). Beim Zugriff auf die bei dem Betroffenen gespeicherten Verbindungsdaten ist auf deren erhöhte Schutzwürdigkeit Rücksicht zu nehmen. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung muß dem Umstand Rechnung tragen, daß es sich um Daten handelt, die außerhalb der Sphäre des Betroffenen unter dem besonderen Schutz des Fernmeldegeheimnisses stehen und denen im Herrschaftsbereich des Betroffenen ein ergänzender Schutz durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zuteil wird (BVerfG, Urteil vom 02.03.2006 - 2 BvR 2099/04 zu GG Art. 10 Abs. 1, 2 Abs. 1; StPO §§ 94 ff., 102 ff., 100 a, 100 g, 100 h).
Besteht die begründete Vermutung, dass strafrechtlichen Ermittlungen dienliche Verbindungsdaten bei dem Beschuldigten aufgezeichnet oder gespeichert sind, etwa in Einzelverbindungsnachweisen der Rechnungen des Telekommunikationsdienstleisters oder in elektronischen Speichern der Kommunikationsgeräte, so darf eine Beschlagnahme dieser Datenträger, der Rechnungen und Geräte nur unter den Voraussetzungen der §§ 100g, 100h StPO erfolgen. Eine unterhalb der Schwelle dieser Vorschriften vorgenommene Beschlagnahme des Mobiltelefons zum Zwecke des Auslesens der auf der SIM-Karte gespeicherten Daten ist daher unzulässig (BVerfG, Beschluss vom 04.02.2005 - 2 BvR 308/04).
*** (BGH)
Telekommunikationsdaten, die vor dem 2. März 2010 auf der Grundlage der einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008 im Verfahren 1 BvR 256/08 (BGBI. I 2008, 659, wiederholt und erweitert mit Beschluss vom 28. Oktober 2008 - BGBI. I 2008, 2239 -, zuletzt wiederholt mit Beschluss vom 15. Oktober 2009 - BGBI. 2009, 3704) rechtmäßig erhoben und an die ersuchenden Behörden übermittelt wurden, bleiben auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 zu §§ 113a, 113b TKG, 100g StPO (1 BvR 256/08 u.a. - BGBI. I 2010, 272) in einem Strafverfahren zu Beweiszwecken verwertbar (BGH, Beschluss vom 18.01.2011 - 1 StR 663/10).
***
Das Urteil des BVerfG v. 02.03.2010 (1 BvR 256/08 u.a.) hat der Erhebung von Telekommunikationsdaten und deren Übermittlung zum Zweck der Strafverfolgung während der Geltungsdauer und nach Maßgabe der einstweiligen Anordnung v. 11.03.2008 nicht nachträglich die Rechtsgrundlage entzogen. Die Verwendung solcher Daten im Strafverfahren durch ihre Einführung in die Hauptverhandlung und Verwertung im Rahmen der Urteilsfindung bleibt auch nach dem 02.03.2010 rechtmäßig (BGH, Urteil vom 13.01.2011 - 3 StR 332/10 zu StPO § 100g; TKG §§ 113a, 113b).
***
Zur Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus einer während der Geltungsdauer einer einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts nach deren einschränkenden Vorgaben gerichtlich angeordneten und vollzogenen Ermittlungsmaßnahme (hier: Anforderung und Übermittlung von Telekommunikations-Verkehrsdaten), wenn das Bundesverfassungsgericht in seiner späteren Hauptsacheentscheidung die Verfassungswidrigkeit der Rechtsgrundlage für die Ermittlungsmaßnahme feststellt (BGH, Beschluss vom 04.11.2010 - 4 StR 404/10):
?... Das Landgericht war weder aus Gründen des einfachen Rechts noch von Verfassungs wegen gehindert, aus den erhobenen Daten Erkenntnisse zu gewinnen und für die Beweiswürdigung zu verwerten.
a) Das Amtsgericht Münster hat seinen Beschluss vom 16. Januar 2009 rechtsfehlerfrei auf § 100g Abs. 1 StPO in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3198) nach Maßgabe der bis zur Entscheidung in der Hauptsache und damit im Beschlusszeitpunkt geltenden einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08, BGBl. I S. 659; BVerfGE 121, 1) und der dort getroffenen (einschränkenden) Übergangsregelung gestützt.
aa) Gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dies umfasst nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch die Befugnis, im Wege einer solchen einstweiligen Anordnung das Inkrafttreten eines Gesetzes hinauszuzögern, ein bereits in Kraft getretenes Gesetz - ganz oder teilweise - wieder außer Kraft zu setzen oder dessen Anwendbarkeit einzuschränken (vgl. nur BVerfGE 104, 23, 27 f.; 112, 284, 292; 117, 126, 135; 122, 342, 361 f.; BVerfG, Beschluss vom 14. September 2010 - 1 BvR 872/10, Tz. 2). Wird eine gesetzliche Regelung, wie im vorliegenden Fall, durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG vorläufig modifiziert, bedeutet dies für die Zeit ihrer Geltung regelmäßig eine endgültige Regelung der Rechtslage. Eine nachträgliche Korrektur für den Geltungszeitraum der einstweiligen Anordnung scheidet aus (vgl. dazu Graßhof in Maunz, BVerfGG, § 32 Rn. 8 f. [Stand: Juli 2002] m.w.N.; Volkmer NStZ 2010, 318, 320). Zwar wird die Gesetzeskraft einer solchen Entscheidung, anders als bei der Hauptsacheentscheidung (vgl. § 31 Abs. 2 BVerfGG), nicht ausdrücklich gesetzlich angeordnet; eine der Gesetzeskraft zumindest entsprechende Wirkung der nach § 32 Abs. 1 BVerfGG angeordneten Anwendungseinschränkung ergibt sich aber - für die Geltungsdauer der Anordnung - aus ihrer Funktion als Modifikation eines Gesetzes im formellen Sinne und wird vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung angenommen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 28. August 2003 - 2 BvR 1012/01, NJW 2004, 279, Tz. 15 zur Zulässigkeit der Informationsweitergabe gem. § 3 Abs. 5 Satz 1 G 10 auf der Grundlage einer im Wege einstweiliger Anordnung ausgesprochenen Übergangsregelung trotz in der Hauptsacheentscheidung festgestellter Unvereinbarkeit mit Art. 10 GG). Dementsprechend ordnet das Bundesverfassungsgericht bei Erlass einer einstweiligen Anordnung, die in die Geltung eines Gesetzes eingreift, regelmäßig die Veröffentlichung der Entscheidungsformel im Bundesgesetzblatt an; dies ist auch im vorliegenden Fall geschehen (vgl. BGBl. I 2008 S. 659).
bb) Die Verkehrsdaten wurden im vorliegenden Fall in Übereinstimmung mit den einschränkenden Vorgaben der ergangenen einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008 (1 BvR 256/08, BVerfGE 121, 1) übermittelt und konnten deshalb im angefochtenen Urteil verwertet werden.
Aus der Entscheidungsformel der einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008 (1 BvR 256/08, BVerfGE 121, 1) ergibt sich, dass eine Verpflichtung zur Datenübermittlung an die ersuchende Behörde auf Grund eines Beschlusses nach § 100g Abs. 1 StPO für die Dauer der Geltung der Anordnung nur bestand, wenn Gegenstand des Ermittlungsverfahrens eine Katalogtat im Sinne des § 100a Abs. 2 StPO war und die Voraussetzungen des § 100a Abs. 1 StPO vorlagen.
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat, sind diese Maßgaben im vorliegenden Fall eingehalten worden. Zum Zeitpunkt des Beschlusses des Amtsgerichts Münster vom 16. Januar 2009 wurde gegen die Beschwerdeführerin wegen des Verdachts schwerer Bandendiebstähle gemäß § 244a StGB ermittelt; diese Straftat ist Katalogtat gemäß § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. j StPO.
b) Eine andere rechtliche Beurteilung der gerichtlich angeordneten Übermittlung der entscheidungserheblichen Verkehrsdaten ergibt sich auch nicht daraus, dass das Bundesverfassungsgericht in der am 2. März 2010 ergangenen Hauptsacheentscheidung die §§ 113a, 113b TKG sowie § 100g Abs. 1 Satz 1 StPO wegen Verstoßes gegen Art. 10 Abs. 1 GG teilweise für nichtig erklärt hat. Die ex-tunc-Wirkung dieser Entscheidung lässt die selbständige Legitimierungsfunktion der einstweiligen Anordnung im Rahmen der dort näher umschriebenen einschränkenden Maßgaben als sog. normvertretendes Übergangsrecht (vgl. dazu Graßhof aaO, § 32 Rn. 8, 190; Berkemann in Mitarbeiterkommentar zum BVerfGG, 2. Aufl., § 32 Rn. 369 f.) unberührt. Dies ergibt sich im Übrigen auch unmittelbar aus den Gründen des Urteils vom 2. März 2010: Das Bundesverfassungsgericht hat eine sechsmonatige anlasslose Speicherung von Telekommunikations-Verkehrsdaten - für eine qualifizierte Verwendung - im Rahmen der Strafverfolgung nicht für schlechthin unvereinbar mit Art. 10 Abs. 1 GG angesehen (BVerfG aaO, S. 615, Tz. 213). Es hat ferner ausgeführt, dass lediglich die aufgrund der einstweiligen Anordnung erhobenen, aber einstweilen nicht an die ersuchenden Behörden übermittelten, sondern gespeicherten Verkehrsdaten unverzüglich zu löschen sind und nicht an die Behörden übermittelt werden dürfen (BVerfG aaO, S. 623, Tz. 306). Auf diejenigen Verkehrsdaten, die unter den Vorgaben der einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008 (1 BvR 256/08, BVerfGE 121, 1) bereits übermittelt wurden, bezieht sich das Gebot der unverzüglichen Löschung gerade nicht. ..."
*** (OLG)
Ein Webhosting-Unternehmen, das für Unternehmen und Privatpersonen Speicherplatz auf Webservern zur Verfügung stellt, ist nicht dazu verpflichtet, eine Vorratsdatenspeicherung zu ermöglichen. Sofern dem Endkunden lediglich die eigenverantwortliche Einrichtung und Verwaltung eines E-Mail-Postfachs durch Nutzung des Webhosters erleichtert wird, ist dieser nicht selbst als Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen zu qualifizieren und damit auch nicht zur Vorratsdatenspeicherung verpflichtet (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.12.2009 - 11 S 32.09 zu TKG §§ 110 Abs. 1, 113a Abs. 1, Abs. 3; GG Art. 12; EGRichtl-24/2006).
Die Anordnung des Auskunfterteilung über Telekommunikationsverbindungen eines Presseangehörigen in einem nicht gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen ist mit Art. 5 I 2 GG unvereinbar und deshalb rechtswidrig (OLG Dresden, Beschluss vom 11.09.2007 - 2 Ws 164/07 zu Art. 5 I 2, 19 IV GG; §§ 100 g, 100 h StPO; § 353 b StGB, NJW 2007, 3511, 3512).
*** (LG)
Verkehrsdaten, die aufgrund der vom BVerfG für nichtig erklärten §§ 113a und 113b TKG vor der Entscheidung des BVerfG erhoben wurden, unterliegen einem Beweiserhebungs- bzw. Beweisverwertungsverbot (LG Verden, Beschluss vom 03.05.2010 - 7 KLs 2/10).
***
Läßt die gerichtliche Anordnung der Herausgabe von Telekommunikationsverbindungsdaten durch den Mobildienstanbieter keine Eignung dieser Maßnahme zur Ermittlung von Verdächtigen erkennen, ist im Hinblick auf das grundrechtlich geschützte Fernmeldegeheimnis ein Verwertungsverbot von auf diese Weise gewonnenen Ermittlungsergebnissen gegeben (LG Stade, Beschluss vom 22.02.2005 - 10 Ks 131 Js 6944/04, StV 2005, 434 ff).
Die Anordnung einer sog. Funkzellenabfrage richtet sich nach §§ 100 g, 100 h StPO. Die Anwendung des § 100 a S. 2 StPO scheidet aus, weshalb keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorliegen müssen, daß ein Mobiltelefon im Zusammenhang mit einer erheblichen Straftat benutzt worden sei (LG Rottweil, Beschluss vom 05.08.2004 - 3 Qs 105/04, StV 2005, 438 f).
Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes in § 100g Abs. 1 S. 1 StPO können Auskünfte über Telekommunikationsverbindungsdaten von Telekommunikationsdiensten nur gerichtlich angeordnet werden, wenn es um Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere um solche der in § 100a S. 1 StPO aufgeführten Taten geht. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da es in einem Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Ausspähung von Daten gemäß § 202a StGB darum geht, dass ein unbekannter Täter von dem am Arbeitsplatz des Geschädigten befindlichen PC mit Internetzugang unter missbräuchlicher Verwendung seiner Personaldaten und unter Verwendung eines passwortgeschützten e-mail-Kontos eine Kontaktanzeige aufgegeben haben soll (LG Dortmund, Beschluss vom 18.03.2002 - 14 (III) Qs 6/02).
Anordnung längerfristiger Observationen § 163 f StPO (n.F.)
(1) Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen worden ist, so darf eine planmäßig angelegte Beobachtung des Beschuldigten angeordnet werden, die
1. durchgehend länger als 24 Stunden dauern oder
2. an mehr als zwei Tagen stattfinden
soll (längerfristige Observation).
Die Maßnahme darf nur angeordnet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre. Gegen andere Personen ist die Maßnahme zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit dem Täter in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, dass die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters führen wird und dies auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre.
(2) Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.
(3) Die Maßnahme darf nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die Anordnung der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungspersonen tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Werktagen von dem Gericht bestätigt wird. § 100b Abs. 1 Satz 4 und 5, Abs. 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(4) (weggefallen)
Leitsätze/Entscheidungen:
Werden für längerfristige Observationen technische Mittel i.S. des § 100c I Nr. 1 lit. b StPO verwendet, so sind zusätzlich die Anordnungsvoraussetzungen des § 163f StPO zu beachten. Bis zum In-Kraft-Treten dieser Vorschrift (1.11.2000) bestand keine richterliche Anordnungskompetenz (BGH, Urteil vom 24.01.2001 - 3 StR 324/00).
***
Eine längerfristige Observation gemäß § 163f Abs. 1 StPO liegt nicht nur dann vor, wenn diese von vornherein auf eine Überschreitung der in § 163f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 StPO genannten Fristen gerichtet ist, sondern auch, wenn sich während einer zunächst kurzfristig angelegten Beobachtung herausstellt, dass die Fristen des § 163f Abs. 1 StPO überschritten werden müssen. Die Anordnung der Staatsanwaltschaft gemäß § 163f Abs. 3 StPO ist einzuholen, sobald sich die Notwendigkeit der Fristüberschreitung ergibt. Entsteht dagegen im Laufe eines Ermittlungsverfahrens in nicht vorhersehbarer Weise mehrfach die Notwendigkeit einer nur vorübergehenden und kurzfristigen Observation, so handelt es sich nicht um eine solche im Sinne des § 163f StPO. Eine unter Verstoß gegen das staatsanwaltliche Anordnungserfordernis gemäß § 163f Abs. 3 StPO durchgeführte Observation hat nicht stets die Unverwertbarkeit der aus der Observation gewonnenen Erkenntnisse zur Folge. Ein Beweisverwertungsverbot stellt die Ausnahme dar und ist nur anzunehmen, wenn nach Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall der Verfahrensverstoß so schwer wiegt, dass das Interesse an der Wahrheitserforschung zurückzutreten hat (OLG Hamburg, Beschluss vom 29.06.2007 - 3 - 30/07 (Rev), 3 - 30/07 (Rev) - 6104 Js 513/05).
Die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit (der Anordnung und Durchführung) von Ermittlungsmaßnahmen mit tiefgreifendem Grundrechtsrechtseingriff, gegen deren Anordnung der Beschuldigte typischer Weise vor ihrer Vollziehung keinen Rechtsschutz erlangen kann - hier die Anordnung der längerfristigen Observation (§ 163f StPO) und der Telefonüberwachung (§ 100a StPO) - obliegt grundsätzlich dem anordnenden Gericht. Nach Erhebung der Anklage geht die Zuständigkeit auf das erkennende Gericht über. Es hat sowohl die gerichtliche Überprüfung der von den Ermittlungsbehörden angeordneten Maßnahmen gem. § 98 II StPO analog vorzunehmen, als auch die Rechtswidrigkeit der vom Ermittlungsrichter angeordneten Maßnahmen festzustellen. Art. 19 IV GG fordert nicht sofortigen Rechtsschutz, sondern nur Rechtsschutz in angemessener Zeit. Von daher sind verfassungsrechtliche Hindernisse, die Entscheidung der Kammer erst in zeitlicher Nähe zur Urteilsfällung zu erlassen, nicht zu erkennen. Gegen die Entscheidung des erkennenden Gerichts ist die Beschwerde nach § 304 I StPO eröffnet. Fehlt es an einer Sachentscheidung des erkennenden Gerichts, weil dieses seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint hat, so kann das ihm übergeordnete Beschwerdegericht die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverweisen. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts lässt die Frage der Verwertbarkeit der Ergebnisse aus den Ermittlungsmaßnahmen unberührt. Hierüber entscheiden allein das erkennende Gericht und gegebenenfalls die Berufungs- und/oder Revisionsinstanz (OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.12.2005 - 3 Ws 972/05, 1021/05, NStZ-RR 2006, 44 - web2.justiz.hessen.de/migration/rechtsp.nsf/A9434850EEBCECC7C12570E600515B13/$file/03ws972+102105.pdf).
Im Auslieferungsverfahren ist für die Anordnung einer längerfristigen Observierung nach § 163 StPO nicht das Oberlandesgericht sondern die Staatsanwaltschaft zuständig (OLG Hamm, Beschluss vom 15.12.2003 - (2) 4 Ausl. A 32/03 (157,158/03), NStZ-RR 2004, 145).
Anordnung und Ausführung einer Durchsuchung § 105 StPO
(1) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Hilfsbeamten (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Durchsuchungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 ordnet der Richter an; die Staatsanwaltschaft ist hierzu befugt, wenn Gefahr im Verzug ist.
(2) Wenn eine Durchsuchung der Wohnung, der Geschäftsräume oder des befriedeten Besitztums ohne Beisein des Richters oder des Staatsanwalts stattfindet, so sind, wenn möglich, ein Gemeindebeamter oder zwei Mitglieder der Gemeinde, in deren Bezirk die Durchsuchung erfolgt, zuzuziehen. Die als Gemeindemitglieder zugezogenen Personen dürfen nicht Polizeibeamte oder Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft sein.
(3) Wird eine Durchsuchung in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Durchsuchung von Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.
Siehe auch unter ?Durchsuchung einer Wohnung oder einer Person" und ?Durchsuchungsbeschluss".
Leitsätze/Entscheidungen:
Es kann nicht hingenommen werden, daß in einer Stadt der Größe Münchens am frühen Abend gegen 18.00 Uhr eine Wohnung allein aufgrund der Anordnung von Polizeibeamten ohne Gefahr im Verzug und ohne den Versuch, einen richterlichen Durchsuchungsbeschluß zu erwirken, durchsucht wird (BVerfG, Beschluss vom 28.09.2006 - 2 BvR 876/06).
***
Die Verfassungsbeschwerde (Vb) des Beschwerdeführers (Bf), der sich gegen die Durchsuchung seiner Wohnung durch die Polizei und die anschließende Beschlagnahme seines Mobiltelefons wandte, war erfolgreich. Die 3. Kammer des Zweiten Senats hob die angegriffenen Beschlüsse des Amtsgerichts (AG) und Landgerichts (LG) auf und verwies die Sache an das LG zurück.
Sachverhalt: Die Polizei ermittelte in einer Serie von Einbruch- und Autodiebstählen. Vor dem Haus, in dem der Bf eine von 15 Wohnungen bewohnte, wurde ein Fahrzeug aufgefunden, das mit einem gestohlenen Kennzeichen versehen war. Aufgrund des Hinweises eines Hausbewohners suchten Polizeibeamte gegen 17.00 Uhr den Bf in seiner Wohnung auf, der eine Verbindung zu dem Fahrzeug abstritt. Bei der Sicherstellung des Fahrzeugs stellte die Polizei fest, dass das Fahrzeug bei der Diebstahlsserie entwendet worden war. Gegen 19.00 Uhr suchten die Polizeibeamten den Bf erneut auf. Sie durchsuchten seine Wohnung und beschlagnahmten sein Mobiltelefon, um eventuell geführte Gespräche in der Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Aufsuchen zu ermitteln. Nach Auswertung der in dem Mobiltelefon und der SIM-Karte gespeicherten Daten gab die Polizei das Gerät dem Bf zurück. Der Tatverdacht bestätigte sich nicht.
Das AG erklärte die Durchsuchung und Beschlagnahme für rechtmäßig. Auf die Beschwerde des Bf hin bestätigte das LG die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung. Zur Beschlagnahme stellte es fest, dass hierüber nachträglich nicht mehr entschieden werden könne, da mit der Herausgabe des Mobiltelefons das Rechtsschutzbedürfnis entfallen sei. Die Vb des Bf hatte Erfolg.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Bf in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und 2 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung) und seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG (Gewährung effektiven Rechtsschutzes).
Wohnungsdurchsuchung: Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die für eine Wohnungsdurchsuchung grundsätzlich erforderliche Anordnung durch einen Richter wegen Gefahr im Verzug entbehrlich gewesen sein könnte. In der Dokumentation der Polizeibeamten, die nicht einmal den Versuch unternommen haben, einen richterlichen Beschluss zu erwirken, finden sich keine Erwägungen zur besonderen Dringlichkeit der Durchsuchung. Auch die nach dem ersten Aufsuchen neu gewonnenen Erkenntnisse ließen die Dringlichkeit der Durchsuchung nicht offenkundig erscheinen. Im Gegenteil: Gerade wenn die Polizeibeamten den Bf nun einem organisierten Täterkreis zurechneten, hätte sich ihnen die Überlegung aufdrängen müssen, dass er auf das erste Aufsuchen gegen 17.00 Uhr reagieren und Beweismittel beiseite schaffen würde, so dass eine Durchsuchung als zwecklos und unverhältnismäßig erscheinen musste.
Beschlagnahme des Mobiltelefons: Um dem Bf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) zu gewähren, hätte das LG über die Frage der Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme seines Mobiltelefons entscheiden müssen. Wegen des Gewichts des Eingriffs muss die Möglichkeit einer nachträglichen Kontrolle offen stehen.
Die von den Polizeibeamten vorgenommene Aufzeichnung der in dem Gerät gespeicherten Verbindungsdaten berührt den Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG). Eingriffe in dieses Grundrecht bedürfen einer gesetzlichen Grundlage (Art. 10 Abs. 2 GG). Eine solche findet sich in den §§ 100g und 100h StPO, die die Kenntnisnahme von Telekommunikationsverbindungsdaten regeln. Danach können die geschäftsmäßigen Telekommunikationsdienstleister zur Auskunft über die Verbindungsdaten verpflichtet werden. Voraussetzung hierfür ist, dass es um die Ermittlung einer Straftat von erheblicher Bedeutung geht. Außerdem bedarf es eines richterlichen Beschlusses, der bei Gefahr im Verzug durch eine Anordnung der Staatsanwaltschaft ersetzt werden kann.
Die in den §§ 100g und 100h StPO geregelten Schranken dürfen nicht dadurch umgangen werden, dass in anderer Weise als durch ein an den Telekommunikationsdienstleister gerichtetes Auskunftsverlangen auf Verbindungsdaten des Betroffenen zurückgegriffen wird. Auch dann gelten die Anforderungen der §§ 100g und 100h StPO. Sind also beim Beschuldigten Verbindungsdaten aufgezeichnet oder gespeichert, etwa in Einzelverbindungsnachweisen der Telefonrechnungen oder in elektronischen Speichern der Kommunikationsgeräte, so darf die Beschlagnahme und Auswertung dieser Datenträger nur unter den Voraussetzungen der §§ 100g und 100h StPO erfolgen. Die Beschlagnahme ist daher auf Ermittlungsverfahren beschränkt, die sich auf Straftaten von erheblicher Bedeutung richten. Sie bedarf eines richterlichen Beschlusses, der bei Gefahr im Verzug durch eine Anordnung der Staatsanwaltschaft, nicht aber der Polizei, ersetzt werden kann (BVerfG, Beschluss vom 04.02.2005 - 2 BvR 308/04 - Pressemitteilung Nr. 21/2005 vom 01.03.2005).
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Das verfassungswidrige Begründungsdefizit eines mit der Beschwerde angefochtenen Durchsuchungsbeschlusses kann von dem Beschwerdegericht nicht mit dem Hinweis, dieser sei im Ergebnis zutreffend, als unbeachtlich bezeichnet werden, weil das Beschwerdegericht dadurch seine eigene Rechtsschutzaufgabe verletzt (BVerfG, Beschluss vom 08.04.2004 - 2 BvR 1821/03).
Ein gerichtlicher Durchsuchungsbeschluss muss den Tatvorwurf so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Ein Durchsuchungsbefehl, der keinerlei tatsächliche Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs enthält und der zudem den Inhalt der konkret gesuchten Beweismittel nicht erkennen lässt, wird rechtsstaatlichen Anforderungen jedenfalls dann nicht gerecht, wenn solche Kennzeichnungen nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ohne Weiteres möglich und den Zwecken der Strafverfolgung nicht abträglich sind (BVerfG, Beschluss vom 08.03.2004 - 2 BvR 27/04).
Eine wirksame gerichtliche Nachprüfung einer nichtrichterlichen Durchsuchungsanordnung wegen Gefahr in Verzug setzt voraus, daß der handelnde Beamte vor oder jedenfalls unmittelbar nach der Durchsuchung seine für den Eingriff bedeutsamen Erkenntnisse und Annahmen in den Ermittlungsakten dokumentiert. Dies ist Voraussetzung für die gerichtliche Nachprüfung der zutreffenden Annahme des Tatbestandsmerkmals ?Gefahr im Verzug' durch den handelnden Beamten (BVerfG, Beschluss vom 12.02.2004 - 2 BvR 1687/02 - StV 2004, 633 f).
Fehlen nach freibeweislicher Erhebung der nahe liegenden Beweise Anhaltspunkte dafür, dass zur Zeit der behördlichen Durchsuchungsanordnung tragfähige Gründe für eine zutreffende Annahme von Gefahr im Verzug vorgelegen hatten, muss davon ausgegangen werden, dass Gefahr im Verzug zu Unrecht angenommen war (BVerfG, Beschluss vom 03.12.2002 - 2 BvR 1845/00).
Durch den Richtervorbehalt und die Einräumung einer Beschwerdemöglichkeit wird dem von der Durchsuchung Betroffenen grundsätzlich auch gem. Art. 19 Abs. 4 GG effektiver Rechtsschutz gewährt. In Fällen einer behördlichen Durchsuchungsanordnung ist nachträglich ein Rechtsbehelf entsprechend § 98 Abs. 2 S. 2 StPO gegeben (vgl. Asbrock, StV 2001, S. 322 [323] m. w. N.] und die hierauf ergehende richterliche Entscheidung kann mit der Beschwerde gem. § 304 Abs. 1 StPO angefochten werden. Die Gerichte dürfen diese Rechtsbehelfe und Rechtsmittel nicht ineffektiv machen und für den von der Durchsuchung Betroffenen ?leer laufen' lassen (vgl. BVerfGE 96, 27 [39]). Auch für die nachträgliche gerichtliche Überprüfung gilt das Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. Amelung, NStZ 2001, S. 337 [340]). Diese Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes ist nur dann erfüllt, wenn der zur nachträglichen Überprüfung der behördlich angeordneten Maßnahme berufene Richter die Voraussetzungen der Anordnung einer Durchsuchung vollständig eigenverantwortlich nachprüft (vgl. BVerfGE 96, 44 [51]; 103, 142 [156]) Dies gilt auch für die Überprüfung der Kompetenz der StA und ihrer Hilfsbeamten zur Anordnung der Durchsuchung wegen Gefahr im Verzug. Ein gerichtlich nicht überprüfbarer Auslegungs-, Ermessens- oder Beurteilungsspielraum für die Behörden besteht bei der Durchsuchungsanordnung wegen Gefahr im Verzug nicht (vgl. BVerfGE 103, 142 [156 ff.]). Nur eine uneingeschränkte gerichtliche Kontrolle des Merkmals der Gefahr im Verzug wird der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG für den Schutz der persönlichen Lebenssphäre des Einzelnen und der grundrechtssichernden Funktion von Art. 13 Abs. 2 GG gerecht (vgl. BVerfGE 103, 142, 158; BVerfG StV 2002 348 f).
Der Begriff ?Gefahr im Verzug" in Art. 13 Abs. 2 GG ist eng auszulegen; die richterliche Anordnung einer Durchsuchung ist die Regel, die nichtrichterliche die Ausnahme. ?Gefahr im Verzug" muß mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen sind. Reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder lediglich auf kriminalistische Alltagserfahrung gestützte, fallunabhängige Vermutungen reichen nicht aus. Gerichte und Strafverfolgungsbehörden haben im Rahmen des Möglichen tatsächliche und rechtliche Vorkehrungen zu treffen, damit die in der Verfassung vorgesehene Regelzuständigkeit des Richters auch in der Masse der Alltagsfälle gewahrt bleibt. Auslegung und Anwendung des Begriffs ?Gefahr im Verzug" unterliegen einer unbeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Die Gerichte sind allerdings gehalten, der besonderen Entscheidungssituation der nichtrichterlichen Organe mit ihren situationsbedingten Grenzen von Erkenntnismöglichkeiten Rechnung zu tragen. Eine wirksame gerichtliche Nachprüfung der Annahme von ?Gefahr im Verzug" setzt voraus, dass sowohl das Ergebnis als auch die Grundlagen der Entscheidung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Durchsuchungsmaßnahme in den Ermittlungsakten dargelegt werden (BVerfG StV 2001, 322 ff).
*** (BGH)
Die Strafverfolgungsbehörden dürfen mit dem Antrag auf richterliche Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung nicht solange zuwarten, bis die Gefahr eines Beweismittelverlusts tatsächlich eingetreten ist und damit die von Verfassungs wegen vorgesehene Regelzuständigkeit des Richters unterlaufen. Das Fehlen einer richterlichen Durchsuchungsanordnung führt zu einem Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der bei der Durchsuchung gewonnenen Beweismittel, wenn das Unterlassen eines Antrags auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses nicht nachzuvollziehen ist. Dem Aspekt eines möglichen hypothetisch rechtmäßigen Ermittlungsverlaufs kann bei einer groben Verkennung des Richtervorbehalts keine Bedeutung zukommen, weil bei Duldung grober Missachtungen des Richtervorbehalts gar ein Ansporn entstünde, die Ermittlungen ohne Einschaltung des Ermittlungsrichters einfacher und möglicherweise erfolgversprechender zu gestalten (BGH, Beschluss vom 30.08.2011 - 3 StR 210/11 zu StPO §§ 102, 105; GG Art. 13 Abs. 2).
***
Auch wenn sich die zur Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen von Beweiserhebungs- oder Beweisverwertungsverboten erforderlichen Beweiserhebungen nach dem Grundsatz des Freibeweises richten, ändert dies nichts an der Aufklärungspflicht des Gerichts. Mit der Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht kann deshalb im Revisionsverfahren beanstandet werden, dass der Tatrichter einem als Beweisantrag bezeichneten Beweisbegehren zwecks Ermittlung zu einem Beweisverwertungsverbot nicht nachgegangen ist. Das Revisionsgericht ist auch im Rahmen der Beruhensprüfung nicht gehindert, selbst im Freibeweis Ermittlungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen eines Beweisverwertungsverbots anzustellen, wenn der Rechtsfehler zunächst lediglich darin besteht, dass der Tatrichter die gebotene Aufklärung unterlassen hat (BGH, Beschluss vom 03.05.2011 - 3 StR 277/10 - KG zu StPO §§ 244 Abs. 2, 102, 105, 337, 344 Abs. 2 S. 2, 349 Abs. 2).
***
?... Die Staatsanwaltschaft München I führt gegen die Beschuldigten V. , K. und G. ein Ermittlungsverfahren. V. wird vorgeworfen, in einem gegen den Polizeiobermeister K. anhängigen Disziplinarverfahren uneidlich falsch ausgesagt zu haben, wozu ihn dieser unter Mithilfe seines Rechtsanwalts G. angestiftet haben soll. Die Staatsanwaltschaft hat gegen Rechtsanwalt G. , der sich als Verteidiger des Polizeiobermeister K. gemeldet hat, die Ausschließung als Verteidiger beantragt.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht München diesem Antrag entsprochen, da Rechtsanwalt G. verdächtig sei, Polizeiobermeister K. bei der Anstiftung des Beschuldigten V. zur uneidlichen Aussage beratend unterstützt zu haben (§ 138 a Abs. 1 Nr. 1 StPO).
II. Die sofortigen Beschwerden des Beschuldigten K. und seines Verteidigers, des Mitbeschuldigten Rechtsanwalt G. , gegen diesen Beschluss sind zulässig (§ 138 d Abs. 6 Satz 1 StPO), jedoch nicht begründet.
1. Zu Recht hat das Oberlandesgericht Rechtsanwalt G. von der Mitwirkung als Verteidiger im Verfahren gegen den Beschuldigten K. ausgeschlossen; der ausgeschlossene Rechtsanwalt ist der Beteiligung an der Tat, die den Gegenstand der Untersuchung bildet, in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grade verdächtig (§ 138 a Abs. 1 Nr. 1 StPO). Dass und weshalb gegen ihn hinreichender Tatverdacht der Beihilfe zur uneidlichen Falschaussage besteht, hat das Oberlandesgericht u. a. unter Würdigung des Beweisgehalts des im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung bei dem Beschuldigten K. beschlagnahmten E-Mail-Verkehrs umfassend gewürdigt. Dieser Darlegung, die in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht zutrifft und keiner Ergänzung bedarf, schließt sich der Senat an; sie wird durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet oder auch nur in Frage gestellt.
2. Der Erörterung bedarf nur, ob die den Tatverdacht gegen Rechtsanwalt G. begründenden, anlässlich der Wohnungsdurchsuchung gewonnenen Beweismittel einem Verwertungsverbot unterliegen, sollten sie unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt der §§ 98 Abs. 1, 105 Abs. 1 StPO bzw. der inhaltsgleichen Regelung der Art. 52 Satz 2 BayDO erlangt worden sein.
a) Dem liegt folgender Geschehensablauf zugrunde:
Im Jahre 2003 leitete das Polizeipräsidium München gegen den Polizeiobermeister K. ein förmliches Disziplinarverfahren ein wegen des Vorwurfs, ohne Genehmigung eine Nebentätigkeit ausgeübt zu haben. Mit der Untersuchung wurde die Ständige Untersuchungsführerin für Disziplinarverfahren bei der Landesanwaltschaft Bayern, die Oberlandesanwältin S. , beauftragt.
Am Morgen des 20.4.2005 fand im Beisein des Beschuldigten K. und seines Verteidigers Rechtsanwalt G. die zeugenschaftliche Vernehmung des V. statt. Dieser gab nach Belehrung gemäß § 57 StPO eine schriftliche, den Beschuldigten K. wahrheitswidrig entlastende Stellungnahme ab und erklärte auf Nachfrage, mit K. vor seiner Vernehmung keinen Kontakt gehabt zu haben sowie sich nicht mehr erinnern zu können, wo und wann er das übergebene, von ihm nicht unterschriebene Schriftstück verfasst habe. Zur Beantwortung weiterer Fragen war er nicht bereit.
Die Oberlandesanwältin, die zu Recht eine Anstiftung des Zeugen V. zur Falschaussage durch den Beschuldigten K. vermutete, beantragte - um in dieser Sache überhaupt weiter tätig werden zu können - im Anschluss an die Vernehmung bei der Einleitungsbehörde, dem Polizeipräsidium München, die Ausdehnung der Untersuchung gemäß Art. 56 Abs. 2 BayDO auf den Vorwurf der Anstiftung zur Falschaussage. Diesem Antrag wurde seitens des Polizeipräsidiums München entsprochen, was ihr am Folgetag, dem 21.4.2005 gegen 8.40 Uhr per Fax mitgeteilt wurde. Daraufhin fertigte die Oberlandesanwältin gestützt auf Art. 52 BayDO wegen Gefahr in Verzug einen Durchsuchungsbeschluss, u. a. betreffend die Wohnräume des Polizeiobermeisters K. , der um 9.40 Uhr bei der Polizei einging und um 11.00 Uhr vollstreckt wurde. Bei Sichtung des privaten PC's wurde der die Beschuldigten K. und Rechtsanwalt G. belastenden E-Mail-Verkehr zwischen beiden sichergestellt.
Die Annahme von Gefahr in Verzug hatte die Oberlandesanwältin in dem Durchsuchungsbeschluss selbst wie folgt begründet:
?Sowohl Durchsuchung als auch Sicherstellung sind verhältnismäßig. Aufgrund der Eilbedürftigkeit und der Gefahr, dass noch auf der Festplatte vorhandene Spuren endgültig gelöscht werden, ist kein milderes Mittel vorhanden. Es besteht die Gefahr, dass Herr K. das auf seinem PC erstellte Dokument löscht bzw. schon gelöscht hat. In diesem Fall würde das auf der Festplatte gespeicherte Dokument zum Überschreiben freigegeben werden. Die Gefahr, dass diese Stelle auf der Festplatte überschrieben wird und damit auch normalerweise rekonstruierbare Teile des Dokuments vernichtet werden, wächst mit der Anzahl der Dokumente, die neu erstellt werden. Unter diesen Umständen rechtfertigt sich die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung durch die Untersuchungsführerin gem. Art. 52 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BayDO.'
b) Ohne Erfolg machen die Beschwerdeführer geltend, es bestünde für die aufgefundenen, sie belastenden Beweismittel ein Verwertungsverbot, weil die Durchsuchung am 21.4.2005 unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt aus Art. 52 BayDO erfolgt sei.
aa) Art. 52 Satz 2 BayDO bestimmte, dass Beschlagnahmen sowie Durchsuchungen nur auf Anordnung des örtlich zuständigen Verwaltungsgerichts, bei Gefahr im Verzug auch auf Anordnung des Untersuchungsführers durchgeführt werden durften. Sachlich zuständig für den Erlass des Durchsuchungsbeschlusses wäre nach Art. 43 Abs. 1 BayDO vorrangig die Kammer für Disziplinarsachen des Verwaltungsgerichts München gewesen und zwar in der Besetzung mit einem Berufsrichter als Vorsitzendem und zwei ehrenamtlichen Richtern. Eine Anfrage des Senats bei dem Präsidenten des Bayerischen Verwaltungsgerichts München hat ergeben, dass sich die spontane Ladung der aus verschiedenen Regierungsbezirken stammenden ehrenamtlichen Richter für eine Beschlussfassung außerhalb der mündlichen Hauptverhandlung regelmäßig äußerst schwierig gestaltete und innerhalb von 24 Stunden kaum realisierbar war. Ein Eildienst, wie bei den Amtsgerichten für Ermittlungsrichter eingerichtet, bestand wegen der zwingenden Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter, für die ein Bereitschaftsdienst ausgeschlossen war, nicht. Art. 29 BayDG, der Art. 43 Abs. 1 BayDO abgelöst hat, sieht deshalb nunmehr eine Alleinentscheidungsbefugnis des Vorsitzenden für Anträge auf Beschlagnahme und Durchsuchungen vor.
Vor diesem Hintergrund ist die Annahme von Gefahr im Verzug durch die Oberlandesanwältin, der als Ständiger Untersuchungsführerin der Landesanwaltschaft Bayern die durch die damalige Gesetzeslage bedingte faktische Nichterlangbarkeit einer gerichtlichen Eilentscheidung der Kammer für Disziplinarsachen bekannt war, nicht zu beanstanden. Erst ab dem 21.4.2005 um 8.40 Uhr, als ihr von der Einleitungsbehörde die entsprechende Erweiterung des förmlichen Disziplinarverfahrens mitgeteilt worden war, war sie befugt, nach Art. 52 Satz 2 BayDO einen Durchsuchungsbeschluss, dessen sachliche Voraussetzungen unzweifelhaft vorlagen, zu erwirken bzw. einen solchen selbst zu erlassen. Rechtsfehlerfrei hat sie - um einen drohenden Beweismittelverlust zu verhindern - in diesem Moment wegen Gefahr in Verzug unmittelbar ihre Eilkompetenz in Anspruch genommen und von einer zeitaufwändigen Anrufung des Verwaltungsgerichts abgesehen. Auf Grund der am Vortag im Beisein der Beschuldigten K. und G. erfolgten Zeugenvernehmung, bei der die zweifelhafte Urheberschaft des von V. übergebenen Schriftstücks erörtert worden war, lag es nämlich nahe, dass der Beschwerdeführer K. alsbald Verdacht schöpfen und durch Manipulationen an seinem PC Vertuschungsversuche unternehmen würde. Unter diesen Umständen war sofortiges Handeln geboten.
bb) Zuzustimmen ist den Beschwerdeführern darin, dass es der Oberlandesanwältin theoretisch möglich gewesen wäre, ohne die ihre Befugnis nach Art. 52 BayDO begründende Entscheidung der Einleitungsbehörde abzuwarten, den Vorgang noch am 20.4.2005 der Staatsanwaltschaft zuzuleiten in der Hoffnung, diese werde einen hinreichenden Tatverdacht annehmen, umgehend ein Ermittlungsverfahren einleiten und sofort einen Durchsuchungsbeschluss beim zuständigen Ermittlungsrichter erwirken.
In dem Umstand, dass die Oberlandesanwältin diese theoretische Möglichkeit einer von ihr nicht zu beeinflussenden Durchsuchung außerhalb des förmlichen Disziplinarverfahrens nicht erwogen hat, liegt aber jedenfalls keine Willkür. Eine bewusste Missachtung oder gleichgewichtig grobe Verkennung des für Wohnungsdurchsuchungen bestehenden Richtervorbehalts, die ein Verwertungsverbot rechtfertigen könnten (vgl. BGH NStZ 2007, 601), ist darin nicht zu erkennen. ..." (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2008 - 2 ARs 452/07)
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Zuständig für die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung einer Durchsuchung wegen des Verdachts, eine Sendeanlage ohne Frequenzzuteilung genutzt zu haben, ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Verfolgungsbehörde oder ihre den Antrag stellende Zweigstelle ihren Sitz hat (BGH, Beschluss vom 16.04.2008 - 2 ARs 74/08 zu StPO §§ 102, 105, 162 Abs. 1; TKG § 55 Abs. 1, § 127 Abs. 6, 7; §§ 127, 129, 149).
Ein Beweisverwertungsverbot ist grundsätzlich nur dann Folge einer fehlerhaften Durchsuchung, wenn die zur Fehlerhaftigkeit der Ermittlungsmaßnahmen führenden Verfahrensverstöße schwerwiegend waren oder bewusst bzw. willkürlich begangen wurde. Es ist zwar nicht akzeptabel, dass in einer größeren Stadt um die Mittagszeit eines Feiertags kein Bereitschaftsrichter, der als zuständiger Richter (§ 162 I 2 StPO) den Durchsuchungsbeschluss erlassen könnte, erreichbar ist. Ordnet statt seiner der ermittelnde Staatsanwalt die Durchsuchung an und sind eine gezielte Umgehung des Richtervorbehalts sowie eine willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug nicht erkennbar, sind die aufgefundenen Beweismittel verwertbar (BGH, Beschluss vom 25.04.2007 - 1 StR 135/07 zu §§ 7 I, 12 I, 13 I, 102 ff., 162 I 2 StPO - Beweisverwertungsverbot bei fehlerhafter Durchsuchung).
Eine bewusste Missachtung oder gleichgewichtig grobe Verkennung der Voraussetzungen des für Wohnungsdurchsuchungen bestehenden Richtervorbehalts kann die Annahme eines Verbots der Verwertung bei der Durchsuchung gewonnener Beweismittel rechtfertigen (BGH, Urteil vom 18.04.2007 - 5 StR 546/06 - siehe unter ?Verwertungsverbot - Wohnungsdurchsuchung").
Eine richterlich angeordnete oder gestattete Durchsuchung wird nicht dadurch rechtswidrig, daß sie unzureichend dokumentiert worden ist. Eine unzureichende Dokumentation der richterlichen Entscheidung führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot (BGH, Beschluss vom 13.01.2005 - 1 StR 531/04).
Für die Überprüfung der Art und Weise des Vollzugs einer nach § 105 Abs. 1 S. 1 StPO richterlich angeordneten abgeschlossenen Durchsuchung kann der Betroffene die richterliche Entscheidung entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO jedenfalls dann beantragen, wenn die beanstandete Art und Weise des Vollzugs nicht ausdrücklicher und evidenter Bestandteil der richterlichen Anordnung war (BGH, Beschluss vom 25.08.1999 - 5 AR (VS) 1/99, StV 1999, 634).
*** (OLG)
Ist zwischen dem Zeitpunkt, in dem die Anordnung einer Durchsuchungsmaßnahme erforderlich wurde und dem Zeitpunkt ihrer Durchführung soviel Zeit verstrichen, daß eine richterliche Entscheidung zwischenzeitlich unschwer hätte herbeigeführt werden können, zieht dieser schwerwiegende Verstoß gegen den Richtervorbehalt ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der bei der Durchsuchung sichergestellten Beweismittel nach sich (OLG Köln, Urteil vom 27.10.2009 - 81 Ss 65/09 zu StPO §§ 105 Abs. 1 S. 1, 98):
?... I. Mit der am 28. 05. 2008 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage v. 15. 04. 2008 wird dem Angekl. der unerlaubte Besitz von BtM in einer nicht geringen Menge zur Last gelegt: Er habe am 29. 09. 2007 in Köln vier Hanfpflanzen und vier Tüten Marihuana mit einem Gesamtnettogewicht von 640,58 g und einem Wirkstoffgehalt von 41,21 g THC besessen. Ferner habe er über ca. 130 Hanfsamen, 1,47 g Psylocibinpilze und 4 Ecstasytabletten verfügt.
Aufgrund dieses Sachverhalts hat das AG - SchöG - Köln den Angekl. mit Urt. v. 22. 10. 2008 wegen ?Besitzes von Marihuana in nicht geringer Menge' zu einer Freiheitsstrafe von 1 J. 2 M. verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Angekl. hat das LG Köln ihn durch Urt. v. 29. 04. 2009 freigesprochen. In tatsächlicher Hinsicht hat es dazu festgestellt:
?Während der Zeit des Frühdienstes zwischen 6.30 Uhr und 13.30 Uhr am 29. 09. 2007, einem Samstag, meldete Herr K. sich bei der Polizei und teilte mit, daß er den Verdacht habe, daß sein Nachbar auf dem Balkon Cannabis anpflanze. Darauf fuhren die uniformierten Polizeibeamten Herr G. und Frau R. mit dem Streifenwagen zu der Wohnung von Herrn K. und begaben sich dort auf den Balkon. Von dort aus konnten sie auf dem Balkon der Nachbarwohnung die Spitzen von Pflanzen erkennen und vermuteten, daß es sich um Hanfpflanzen handele. Die beiden Polizeibeamten begaben sich sodann zu dem Hauseingang des Nachbarhauses und klingelten vergeblich bei dem Angekl., verschafften sich aber Zutritt zu dem Treppenhaus des Mehrfamilienhauses durch einen Nachbarn des Angekl. Sodann klingelten und klopften sie mehrfach an der Wohnungstür des Angekl. und riefen, ?aufmachen, Polizei'. Damit wollten die Polizeibeamten zunächst auf freiwilliger Basis versuchen, die Pflanzen auf dem Balkon näher in Augenschein zu nehmen. Nachdem keine Reaktion erfolgte und die Beamten davon ausgingen, daß der Wohnungsinhaber nicht anwesend sei, setzten sich die Polizeibeamten mit dem Dienstgruppenleiter in Verbindung, um die weitere Vorgehensweise zu beraten. Der Dienstgruppenleiter Herr A. hielt seinerseits Rücksprache mit dem Bereitschaftsstaatsanwalt Herrn T. und teilte diesem den Sachverhalt mit. StA T. ordnete die Durchsuchung der Wohnung des Angekl. wegen Gefahr im Verzug an, ohne Kontakt mit dem zuständigen Bereitschaftsrichter aufzunehmen, der zu dieser Zeit, ca. 12.00 Uhr mittags, noch den Eildienst im Polizeipräsidium in Köln wahrnahm, und vermerkte dazu unter dem 16. 01. 2008:
?Ich habe die Durchsuchung am 29. 09. 2007 im Rahmen meines Bereitschaftsdienstes angeordnet, weil Gefahr im Verzug bestand. Bei Einholung eines Durchsuchungsbeschl. wäre der Ermittlungserfolg gefährdet gewesen. Die Einholung eines richterlichen Beschl. hätte mehrere Stunden in Anspruch genommen. Denn, die Bereitschafts- und Ermittlungsrichter und -richterinnen im Kölner AG-Bezirk entscheiden nur nach Vorlage eines schriftlichen Aktenstückes und erlassen die Beschl. nur in Schriftform. Ein schriftliches Aktenstück hätte noch erstellt werden müssen und dem Richter bzw. der Richterin vorgelegt werden müssen. Der Besch. wußte bereits, daß die Polizei vor Ort war und einen Verdacht gegen ihn hatte, denn die Polizei war durch einen Nachbarn benachrichtigt worden und hatte bereits bei dem Besch. geklingelt. Hätte die Polizei sich zur Einholung eines Durchsuchungsbeschl. zunächst wieder entfernt, hätte der Besch. genügend Zeit gehabt, Beweismittel beiseite zu schaffen. Ich hatte den Polizeibeamten gebeten, die vorgenannten Gründe in einem kurzen Vermerk niederzulegen. Offensichtlich ist dies versehentlich nicht oder nur verkürzt erfolgt.'
Die Polizeibeamten R. und G. riefen sodann per Diensthandy einen Schlüsseldienst hinzu. Nach dem dieser eintraf und sich an der Tür zu schaffen gemacht und dadurch Geräusche verursacht hatte, öffnete der Angekl. die Wohnungstür von Innen. Er ließ die Beamten in die Wohnung, nachdem diese ihm mitgeteilt hatten, daß eine Durchsuchung beabsichtigt sei, und zeigte den Beamten den Balkon mit den Pflanzen und händigte ihnen Beweismaterial aus. In der Strafanzeige v. 29. 09. 2007 vermerkte der Polizeibeamte G.: ?Nach Rücksprache mit dem DGL der K-Wache sowie dem Bereitschaftsstaatsanwalt Hr. T. wurde Gefahr im Verzug bejaht und die Firma ?Guett Dem' zum Öffnen der Tür bestellt'.
Auf der Grundlage dieses Sachverhalts ist das LG von einem Verwertungsverbot für die bei der Durchsuchung erlangten Beweismittel wegen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt aus § 105 Abs. 1 S. 1 StPO ausgegangen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der StA.
II. Die zulässige Revision ist nicht begründet. ... 2. Rechtsfehlerfrei ist die StrK zunächst davon ausgegangen, daß es an der erforderlichen richterlichen Durchsuchungsanordnung fehlt. Die Anordnung durch den StA war nicht geeignet, die Maßnahme zu legitimieren, da die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme seiner Eilkompetenz gem. § 105 Abs. 1 S. 1 StPO nicht vorlagen.
(a) Eine richterliche Durchsuchungsanordnung war nicht etwa unter dem Gesichtspunkt einer freiwilligen Unterwerfung (vgl. dazu Meyer-Goßner a.a.O. § 105 Rn. 1) deshalb entbehrlich, weil der Angekl. die Tür zu seiner Wohnung öffnete, nachdem er die Tätigkeit des Schlüsseldiensts wahrgenommen hatte, in der Folge den Polizeibeamten Zutritt gewährte und das Rauschgift aushändigte. Ein solches Verhalten ist - wie das LG zu Recht ausgeführt hat - im Hinblick auf eine mögliche Gestattung der Durchsuchung ohne Aussagekraft.
(b) Die danach erforderliche Anordnung der Durchsuchung konnte nicht von einem Beamten der StA getroffen werden.
Die entsprechende Kompetenz der StA und - subsidiär (BVerfG NJW 2005, 1637, 1638) - ihrer Hilfsbeamten besteht gem. § 105 Abs. 1 S. 1 StPO nur bei Gefahr im Verzug. Sie liegt vor, wenn die richterliche Anordnung nicht eingeholt werden kann, ohne den Zweck der Maßnahme zu gefährden (statt aller: Meyer-Goßner a.a.O. § 98 Rn. 6 m.w.N.). Dabei ist der Begriff ?Gefahr im Verzug' eng auszulegen; denn die richterliche Anordnung einer Durchsuchung ist die Regel, die nichtrichterliche die Ausnahme.
Die Annahme der ?Gefahr im Verzug' muß mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen sind. Reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder lediglich auf kriminalistische Alltagserfahrung gestützte, fallunabhängige Vermutungen reichen nicht aus (BVerfGE 103, 142 = NJW 2001, 1121 = StraFo 2001, 193 = NStZ 2001, 382 = StV 2001, 207; BVerfG StV 2004, 633; BayObLG NZV 2003, 148 = VRS 104, 294; LR/Schaefer, StPO, 25. Aufl. 2007, § 105 Rn. 21 ff.). Die Inanspruchnahme der Eilkompetenz setzt regelmäßig den - hier nicht unternommenen - Versuch voraus, einen Richter zu erreichen. Nur wenn ausnahmsweise schon die mit dem Versuch, eine richterliche Anordnung zu erlangen, verbundene zeitliche Verzögerung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde, dürfen die Strafverfolgungsbehörden selbst die Anordnung treffen, ohne sich zuvor um eine richterliche Entscheidung bemüht zu haben (BVerfGE 103, 142 = NJW 2001, 1121 = StraFo 2001, 193 = NStZ 2001, 382 = StV 2001, 207).
Davon ausgehend lag hier Gefahr im Verzug nicht vor.
a) Das liegt auf der Hand für den Zeitpunkt, als die Polizeibeamten die (mutmaßlichen) Cannabispflanzen erstmals selbst wahrnahmen. In dieser Situation bestand ein akuter Handlungsbedarf bezüglich eines Zugriffs auf die Tatgegenstände zur Beweissicherung nicht. Denn Anhaltspunkte dafür, daß der Angekl. alsbald versuchen werde, die Beweismittel - durch Vernichten oder Verbringen an einen anderen Ort - der Sicherstellung zu entziehen, lagen ersichtlich nicht vor. Vielmehr glaubte er sich offensichtlich in der Zeit der Aufzucht der Pflanzen unbehelligt, obwohl sie immerhin eine Größe erreicht hatten, die ihre Wahrnehmbarkeit aus einiger Entfernung ermöglichte. Vor diesem Hintergrund konnte davon ausgegangen werden, daß es ohne Gefährdung der Ermittlungen möglich war, selbst noch am folgenden Montag einen richterlichen Durchsuchungsbeschl. zu erwirken und diesen - ggf. nach vorherigem Versuch der Herbeiführung freiwilliger Kooperation des Angekl. - zu vollstrecken.
b) Akuter Handlungsbedarf i.S.d. Inanspruchnahme einer Eilkompetenz bestand aber auch nach der objektiven Faktenlage nicht, nachdem die Polizeibeamten bei dem Angekl. an der Wohnungstür geklingelt und mit der Aufforderung ?Aufmachen, Polizei!' geklopft hatten. Über die Tageszeit (Samstag Mittag) hinaus gab es nämlich keine objektiven Anhaltspunkte dafür, daß nunmehr die Einholung einer richterlichen Entscheidung den Erfolg der beabsichtigten Durchsuchung gefährdet hätte.
(aa) Zum einen bestand kein konkreter Anlaß zu der Besorgnis, daß innerhalb kurzer Zeit mit Maßnahmen des Angekl. zur Vereitelung eines Zugriffs der Strafverfolgungsbehörden auf die in seiner Wohnung befindlichen Beweismittel zu rechnen sei.
Es lagen schon keine Hinweise darauf vor, daß der Angekl. sich in der Wohnung aufhielt und nur aus Furcht vor der Polizei die Wohnungstür nicht öffnete. Entsprechend hat das LG auch lediglich festgestellt, daß der Angekl. später die Wohnungstür öffnete, als sich der herbeigerufene Schlüsseldienst an dieser zu schaffen machte. Das läßt die Möglichkeit offen, daß er zum Zeitpunkt des Läutens der Polizeibeamten nicht in der Wohnung war und sie erst zu einem späteren Zeitpunkt - vor Eintreffen des Schlüsseldienstes - wieder aufgesucht hat. Es fehlte darüber hinaus auch an konkreten Anhaltspunkten dafür, daß damit gerechnet werden mußte, der nicht in seiner Wohnung aufhältige Angekl. werde von Nachbarn über den Polizeieinsatz informiert werden. Beide Annahmen erweisen sich vielmehr als bloße Mutmaßungen, mit denen die Inanspruchnahme der Eilkompetenz gerade nicht gerechtfertigt werden kann (BVerfGE 103, 142 = NJW 2001, 1121 = StraFo 2001, 193 = NStZ 2001, 382 = StV 2001, 207; BVerfG, StV 2004, 633; BayObLG NZV 2003, 148 = VRS 104, 294; LR-StPO/Schaefer, 25. Aufl. 2007, § 105 Rn. 21 ff.). Der Umstand, daß der Angekl. in der Zeit zwischen dem erstmaligen Erscheinen der Polizeibeamten an der Wohnungstür und der Rückkehr mit dem Schlüsseldienst tatsächlich die in der Wohnung aufbewahrten Drogen (Hanfsamen, Pilze, Ecstasy-Tabletten) nicht beseitigt hat und auch die Hanfpflanzen an ihrem ursprünglichen Ort belassen hat, spricht vielmehr dafür, daß er bis zu diesem Zeitpunkt nicht mit einem polizeilichen Zugriff rechnete und nicht von der Notwendigkeit ausging, die BtM noch vor ihrer Entdeckung und Sicherstellung beseitigen zu müssen.
Darüber hinaus bestand die - bereits vom LG zutreffend erwogene - Möglichkeit, für den Zeitraum, den der Versuch der Einholung einer richterlichen Durchsuchungsanordnung in Anspruch genommen hätte, die weitere Beobachtung der Hanfpflanzen vorzunehmen. So hätte man feststellen können, ob der Angekl. sich möglicherweise anschicken würde, die Pflanzen zu beseitigen. In diesem Fall hätten die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Eilkompetenz vorgelegen und es hätte davon sogleich Gebrauch gemacht werden können. Gefahr im Verzug kann schließlich - entgegen der in der Revisionsbegründung geäußerten Auffassung - auch nicht mit der Erwägung begründet werden, daß neben den vier Hanfpflanzen in der Wohnung des Angekl. weitere BtM aufgefunden worden sind. Anhaltspunkte für deren Vorhandensein bestanden nicht. Die Revisionsbegründung spricht selbst von einer ?Vermutung' und läßt so ihrerseits die Verkennung der Bedeutung des Richtervorbehalts besorgen.
(bb) Zum anderen ist davon auszugehen, daß eine richterliche Entscheidung innerhalb eines vertretbaren zeitlichen Rahmens hätte herbeigeführt werden können.
Der Eilrichter des AG Köln hielt sich zum fraglichen Zeitpunkt noch im Polizeipräsidium auf. Ihm hätte der überschaubare Sachverhalt mit geringem Aufwand unterbreitet werden können. Das gilt selbst dann, wenn er auf einer schriftlichen Vorlage bestanden hätte, wie es einer unter den Ermittlungsrichtern des AG Köln verbreiteten Praxis entspricht. Der Ermittlungsstand ließ sich in wenigen Sätzen schriftlich niederlegen und mit den verfügbaren technischen Übertragungsmöglichkeiten - etwa per Telefax - übermitteln. Daß die Einholung einer richterlichen Entscheidung ?mehrere Stunden' in Anspruch genommen hätte oder gar - wie dies die StA Köln in ihrer Revisionsbegründung meint - am 29. 09. 2007 überhaupt nicht mehr möglich gewesen wäre, ist unter diesen Umständen auszuschließen.
3. Im vorliegenden Fall zieht der Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 105 Abs. 1 S. 1 StPO (Beweiserhebungsverbot) auch ein Beweisverwertungsverbot nach sich.
Insofern gehen die Strafgerichte in gefestigter, vom BVerfG gebilligter Rspr. davon aus, daß dem Strafverfahrensrecht ein allg. geltender Grundsatz, wonach jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist und daß die Frage der Verwertbarkeit verbotswidrig erlangter Erkenntnisse jew. nach den Umständen des Einzelfalls, namentlich nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden ist. Insbes. die willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug oder das Vorliegen eines besonders schwer wiegenden Fehlers können danach ein Verwertungsverbot begründen (BVerfG, Beschl. v. 02. 07. 2009 - 2 BvR 2225/08 -, zitiert nach juris, Rn. 16; BVerfG NJW 2008, 3053; BGHSt 51, 285 = NJW 2007, 2269 = NStZ 2007, 601 = StV 2007, 337; BGH, Beschl. v. 15. 05. 2008 - 2 ARs 452/07 - Rn. 15; OLG Hamm NJW 2009, 3109, 3111).
Das Vorliegen eines besonders schwer wiegenden Fehlers ist in der Rspr. in Anwendung der vorstehenden Grundsätze insbes. dann angenommen worden, wenn zwischen dem Zeitpunkt, in dem die Anordnung der Maßnahme erforderlich wurde und dem Zeitpunkt ihrer Durchführung so viel Zeit verstrichen war, daß die richterliche Entscheidung zwischenzeitlich unschwer hätte herbeigeführt werden können (BGHSt 51, 285 = NJW 2007, 2269 = NStZ 2007, 601 = StV 2007, 337; für den Fall der Blutentnahme gem. § 81a StPO: LG Berlin, DAR 2008, 534; weitere Fallbeispiele bei Wohlers StV 2008, 434, 436 f.). Eine solche Sachgestaltung legt die bewußte Umgehung des Richtervorbehalts nahe.
a) Der Senat verkennt nicht, daß die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung der StA und ihren Ermittlungspersonen nicht schlechthin verboten, sondern jedenfalls in Eilfällen gestattet ist. Weiter wird nicht verkannt, daß die Maßnahme der Klärung eines erheblichen Tatverdachts (eines Verbrechenstatbestands gem. § 29a BtMG) diente. Es kann schließlich davon ausgegangen werden, daß die Zuständigkeit des Richters durch den StA nicht bewußt ignoriert worden ist.
b) Für die vorliegende Fallgestaltung ergibt sich das Vorliegen eines besonders schweren Fehlers gleichwohl aus der Zusammenschau der nachstehend dargestellten Umstände:
aa) Zunächst ist beachtlich, daß - wie im Zusammenhang mit der Frage der Eilkompetenz im einzelnen dargelegt - nach der objektiven Faktenlage eine richterliche Durchsuchungsanordnung unschwer zu erlangen gewesen wäre: Der Eilrichter hielt sich zur Mittagszeit (vgl. dazu a. OLG Celle zfs 2009, 530, 531 m.zust.Anm. Bode) noch im Polizeipräsidium auf, der überschaubare Sachverhalt hätte eine kurzfristige Kommunikation erlaubt; greifbare Anhaltspunkte für ein unmittelbar bevorstehendes Beiseiteschaffen von Beweismitteln, das seinerseits insbes. hinsichtlich der Pflanzen eine gewisse Zeit in Anspruch genommen hätte, lagen nicht vor. Eine komplexe und die Beamten überraschende Verfahrenssituation (hierauf zur Verneinung eines Beweisverwertungsverbots abstellend: KG, Urt. v. 01. 09. 2008 - (4) 1 Ss 220/08 - bei Juris, Rn. 9) bestand gerade nicht.
bb) Zu beachten bleibt weiter, daß die Polizeibeamten aus einer Situation heraus, die sofortiges Eingreifen nicht erforderte, diese ohne Not insoweit ?verschärft' haben, als sie eine Lage schufen, in der der Angekl. jedenfalls auf die Anwesenheit der Polizei aufmerksam werden konnte. Sie haben daher aus objektiver Sicht die Konstellation, die schließlich in die Inanspruchnahme der Eilkompetenz durch den Bereitschaftsstaatsanwalt mündete, selbst herbeigeführt, ohne daß dies von der objektiven Sachlage her geboten war. Die Inanspruchnahme der Eilkompetenz ist damit durch die Strafverfolgungsbehörden gleichsam ?provoziert' worden, was die Annahme einer bewußten Umgehung des Richtervorbehalts nahe legt (vgl. BVerfG NJW 2005, 1637 = StraFo 2005, 156 = NStZ 2005, 337 = StV 2005, 483).
cc) Besonders schwer wiegt aus der Sicht des Senats schließlich der Umstand, daß nach dem Vermerk des Eilstaatsanwalts v. 16. 01. 2008 (?Der Besch. wußte bereits, daß die Polizei vor Ort war und einen Verdacht gegen ihn hatte') eine unzutreffende oder zumindest mißverständliche Information seitens der Polizei zu besorgen ist. Objektive Anhaltspunkte dafür, daß der Angekl. zum Zeitpunkt des Klingelns in der Wohnung war und lediglich nicht öffnete, bestanden nämlich - wie gesehen - nicht. Diese Frage hatte aber für die Inanspruchnahme der Eilkompetenz ersichtlich erhebliche Bedeutung. Wenn insoweit durch die Strafverfolgungsbehörden ein Sachverhalt zugrunde gelegt wird, für den - von Tag und Uhrzeit abgesehen - konkrete Hinweise nicht vorliegen, spricht auch dies deutlich für eine bewußte oder zumindest leichtfertige Mißachtung der (auch verfassungsrechtlichen) Kompetenzordnung, die nicht ohne Sanktion bleiben darf.
dd) Dem Gesichtspunkt eines möglichen hypothetisch rechtmäßigen Ermittlungsverlaufs kann bei der hier vorliegenden Verkennung des Richtervorbehalts keine Bedeutung zukommen. Die Einhaltung der durch Art. 13 Abs. 2 GG und § 105 Abs. 1 S. 1 StPO festgelegten Kompetenzregelung könnte bei Anerkennung des hypothetisch rechtmäßigen Ersatzeingriffs in diesen Fällen stets unterlaufen und der Richtervorbehalt sogar letztlich sinnlos werden (BGHSt 51, 285 = NJW 2007, 2269 = NStZ 2007, 601 = StV 2007, 337).
ee) Insgesamt liegt daher hier ein Sonderfall schwerwiegender Rechtsverletzung vor, der zur Unverwertbarkeit der erlangten Beweismittel führt, weil der Staat aus solchen schwerwiegenden Rechtsverletzungen keinen Nutzen ziehen darf. Eine Verwertung würde hier gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens verstoßen (BGHSt 51, 285 = NJW 2007, 2269 = NStZ 2007, 601 = StV 2007, 337). ..."
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Ein richterlicher Bereitschaftsdienst auch für die Nachtzeit (§ 104 III StPO) ist jedenfalls dann einzurichten, wenn in den in Frage stehenden Zeiträumen einem Richtervorbehalt unterliegende Ermittlungsmaßnahmen nicht nur ausnahmsweise anfallen. Zur Frage, inwieweit der Umstand, dass zur Tatzeit gegen 1 Uhr morgens ein richterlicher Eildienst nicht vorhanden gewesen ist, einen organisatorischen Mangel darstellt, der zur Rechtswidrigkeit einer erfolgten Durchsuchung führt und eine Nichtverwertbarkeit der dabei aufgefundenen Beweismittel nach sich zieht (hier: Beweisverwertungsverbot bejaht). Zum notwendigen Revisionsvorbringen in einem derartigen Fall (OLG Hamm, Urteil vom 18.08.2009 - 3 Ss 293/08 zu GG Art. 13 II; StPO §§ 104 III, 105 I 1, 344 II 2, NJW 2009, 3109 ff).
*** (LG)
Wenn die für eine Durchsuchung erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, kann diese nur mit Einwilligung des Betroffenen erfolgen. Die Bedingungen für eine freie Entscheidung darüber müssen geschaffen werden, was eine ausdrückliche Belehrung erfordert, dass ohne Einwilligung eine Durchsuchung nicht ohne weiteres stattfinden werde. Fehlt es an einem ausdrücklichen Inkenntnissetzen des Betroffenen über die Freiwilligkeit der Durchsuchung, ist diese rechtswidrig. Die bewusste Ausnutzung des Glaubens an die Rechtmäßigkeit einer unzulässigen Durchsuchung führt zu einem Verwertungsverbot der dadurch erlangten Beweismittel (LG Hamburg, Urteil vom 30.06.2010 - 706 Ns 17/10 zu StPO §§ 102, 104, 105).
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Bei einer Beschwerde gegen einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss kann das Beschwerdegericht seine Entscheidung nur auf diejenigen Tatsachen und Beweismittel stützen, die dem Beschuldigten durch Akteneinsicht der Verteidigung bekannt sind. Wird dem Verteidiger gem. § 147 Abs. 2 StPO die Akteneinsicht vollständig verweigert, fehlt jegliche Grundlage, um die angegriffene Entscheidung zu bestätigen (LG Berlin, Beschluss vom 18.02.2010 - 536 Qs 1/10).
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Jede richterliche Durchsuchungsanordnung setzt eine eigenverantwortliche Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen voraus, da eine Durchsuchung schwerwiegend in die grundrechtlich geschützte persönliche Lebenssphäre eingreift. Ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss ist deshalb rechtswidrig, wenn dem zuständigen Richter lediglich ein Antrag auf Erlass zu Grunde liegt, in dem der maßgebliche Sachverhalt zusammengefasst wird und sich der Beschluss darin erschöpft, wesentliche Teile der polizeilichen Zuschrift ohne zusätzliche eigenständige Begründung zu klammern (LG Kiel, Beschluss vom 20.03.2009 - 46 Qs 17/09).
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Zur Feststellung der Rechtswidrigkeit einer vor der Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen erfolgten Ingewahrsamnahme, die ausschließlich dem Zweck diente, das Beiseiteschaffen von Beweismitteln und Vermögenswerten durch den Beschuldigten zu verhindern. Allein die Anordnung eines dinglichen Arrests in das Vermögen des Beschuldigten indiziert nicht die eine Ingewahrsamnahme rechtfertigende Gefahr, der Beschuldigte werde während der Durchsuchung Maßnahmen ergreifen, welche die Vollstreckung der Arrestanordnung vereiteln könnten (LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 26.02.2008 - 5/26 Qs 6/08 zu StPO §§ 102, 105, 106, 127 II, 164; HessSOG § 32 I Nr. 2, NJW 2008, 2201 f):
?... Die StA Frankfurt a.M. ermittelte unter anderem gegen den Besch. wegen des Verdachts des Verstoßes gegen den unlauteren Wettbewerb (Versenden von unverlangten Werbefaxen mit vermeintlichen Sonderangeboten) sowie des Verdachts des Betrugs (Provokation überhöhter Telefongebühren mittels 0190-Nummern). Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens hatte das AG Frankfurt a.M. mit Beschluss vom 15. 10. 2004 die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Besch. als Verantwortlichen der M-GmbH sowie seiner Person, der ihm gehörigen Sachen und der ?von ihm faktisch geführten Firma M" angeordnet. Am 14. 4. 2005 erfolgte die Durchsuchung. Durch Beschluss vom 21. 4. 2005 hat das AG die vorläufige Sicherstellung der am 14. 4. 2005 sichergestellten Gegenstände zum Zwecke der Auswertung bestätigt. Mit Beschluss vom 18. 10. 2006 hat das AG erneut die Durchsuchung der Geschäfts- und Nebenräume der M-GmbH und der der Wohn-, Geschäfts- und Nebenräume des Besch. bzw. der von ihm geführten Firma E-GmbH angeordnet. Durch Beschluss vom 29. 3. 2007 wurde dieser Beschluss bestätigt, wobei die Durchsuchung bei dem Besch. auch zum Zwecke der Vermögensabschöpfung erfolgen sollte. Mit Beschluss vom gleichen Tag ordnete das AG den dinglichen Arrest in das Vermögen des Besch. bis zur Höhe von 1028000 Euro an. Das AG hat sodann mit Beschluss vom 5. 4. 2007 den Durchsuchungsbeschluss vom 18. 10. 2006 auf die Wohnräume des Besch. und mit Beschluss vom 14. 5. 2007 den dinglichen Arrest auf das Vermögen der S-GmbH erweitert. Auf Grund des Verhaltens des Besch. im Zusammenhang mit der ersten Durchsuchung am 14. 4. 2005, bei der er die Polizeibeamten mindestens 15 Minuten vor der Tür hat warten lassen, bis die mehrfach gesicherte Tür geöffnet werden konnte, und bei der in der Wohnung verbranntes Papier und in einer Mauernische in der Sauna versteckte Datenträger sowie im Garten aus dem Fenster geworfene Datenträger gefunden worden waren, wurde auch bei der nunmehr anstehenden Durchsuchung die Vernichtung von Beweismaterial befürchtet. Der Antrag der StA vom 11. 5. 2007 auf Erlass eines Haftbefehls wegen Verdunklungsgefahr wurde von dem Ermittlungsrichter mit der Begründung abgelehnt, dass ein Haftbefehl jedenfalls unverhältnismäßig sein dürfte, da er lediglich die reibungslose Durchführung der beabsichtigten Durchsuchung sichern sollte. Die StA veranlasste daraufhin gleichwohl durch die Polizei die Festnahme des Besch. Er wurde am 30. 5. 2007 gegen 0.45 Uhr vor seiner Wohnung festgenommen und in eine Haftzelle des Polizeipräsidiums verbracht. In der Zeit von 9.20 bis 10.50 Uhr wurden sodann die Geschäftsräume der Fa. M sowie von 9.10 bis 10.55 Uhr die Wohnung und zwei Kfz der Firma S-GmbH durchsucht. Schließlich wurden am selben Tag von 13.15 bis 14.10 Uhr noch die Geschäftsräume der Fa. S-GmbH auf Grund staatsanwaltlicher Anordnung wegen Gefahr im Verzug durchsucht. Der Besch. wurde am 30. 5. 2007 um 15.30 Uhr aus der Haft entlassen. Auf die Beschwerde des Besch. hat das AG mit Beschluss vom 24. 1. 2008 festgestellt, dass die vorläufige Festnahme des Besch. am 30. 5. 2007 in der Zeit von 0.45 Uhr bis zum Beginn der Durchsuchung rechtmäßig, die darüber hinausgehende Ingewahrsamnahme des Besch. aber rechtswidrig war.
Die Beschwerde des Besch. gegen diese Entscheidung des AG war erfolgreich, soweit sie sich auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Festnahme bezog. Die Beschwerde der StA blieb ohne Erfolg. ...
II. Die Festnahme des Besch. am 30. 5. 2007 war rechtswidrig. Die Ingewahrsamnahme des Besch. am Vorabend der Durchsuchung diente allein dem Zweck, das Beiseiteschaffen von Beweismitteln und Vermögenswerten zu verhindern. Eine gesetzliche Eingriffsgrundlage hierfür ist nicht gegeben.
Die Festnahme kann zunächst nicht auf § 105 StPO unmittelbar gestützt werden. Zwar ermächtigt diese Vorschrift auch zur Anwendung unmittelbaren Zwangs, jedoch nur zu solchen Zwangsmaßnahmen, die der Durchsetzung der gegenständlichen Durchsuchung dienen, so bei einer Wohnungsdurchsuchung zum gewaltsamen Öffnen der Wohnung bzw. bei einer Personendurchsuchung gegebenenfalls zur kurzfristigen Festnahme und Durchsuchung der Person auf der Polizeiwache (Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 105 Rdnr. 13; Rudolphi, in: SK-StPO, § 105 Rdnr. 21). Zu weitergehenden Maßnahmen, insbesondere eines ?Stubenarrests" oder gar - wie vorliegend - einer präventiven Ingewahrsamnahme im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung, um das Beiseiteschaffen von Beweismitteln oder Vermögenswerten zu verhindern, berechtigt § 105 StPO nicht. Hierdurch würde nicht nur das Anwesenheitsrecht des Beschuldigten aus § 106 StPO verletzt, vor allem mangelt es an der erforderlichen Bestimmtheit der Vorschrift hinsichtlich eines so schwerwiegenden und eigenständigen Eingriffs in das Grundrecht des Beschuldigten aus Art. 2 II 2 GG (vgl. Eisenberg, in: Festschr. f. Rolinski, S. 165 [174]).
Die Festnahme kann auch nicht auf § 127 II StPO gestützt werden. Gemäß § 127 II StPO sind die StA und die Beamten des Polizeidienstes bei Gefahr in Verzug auch dann zur vorläufigen Festnahme befugt, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls vorliegen. Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen eines Haftbefehls gegeben sind, muss zumindest das Vorliegen von Gefahr im Verzug verneint werden. Gefahr im Verzug besteht dann, wenn die Festnahme infolge der Verzögerung gefährdet wäre, die durch das Erwirken eines richterlichen Haftbefehls eintreten würde. Hier liegt es jedoch so, dass im Vorfeld der Durchsuchungen der von der StA beantragte Haftbefehl vom AG gerade aus Verhältnismäßigkeitsgründen abgelehnt worden war. Diese Ablehnung schließt die vorläufige Festnahme nach § 127 II StPO wegen derselben Straftat nur dann nicht aus, wenn die früheren Ablehnungsgründe durch neue Umstände ausgeräumt sind (Meyer-Goßner, § 127 Rdnr. 19; Boujong, in: KK-StPO, 5. Aufl., § 127 Rdnr. 37). Dies ist jedoch nicht der Fall, da sich keine neuen Gesichtspunkte ergeben hatten.
Auch aus § 164 StPO kann vorliegend keine Ermächtigungsgrundlage für die Festnahme des Besch. entnommen werden. Erforderlich wäre hier eine bereits vorliegende oder unmittelbar bevorstehende Störung. Der Störer muss also störend handeln oder doch unmittelbar zu einer Störungshandlung ansetzen: Die bloße, auch durch Tatsachen gestützte Erwartung, dass es zu einer Störung kommen könne, rechtfertigt noch keine Maßnahmen nach § 164 StPO (Rieß, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 23. Aufl., § 164 Rdnr. 8). Der Besch. hatte jedoch zum Zeitpunkt seiner Festnahme noch nicht einmal Kenntnis von der am nächsten Morgen stattfindenden Durchsuchung. Störungshandlungen gingen von ihm zum Zeitpunkt der Festnahme nicht aus und standen auch nicht unmittelbar bevor.
Auch § 32 I Nr. 2 HessSOG kann die Ingewahrsamnahme nicht rechtfertigen. Eine solche Maßnahme ist nach dem Hessischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung nur zulässig, wenn sie unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit mit erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern. Unabhängig vom Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts ist auch das Merkmal der Unerlässlichkeit der Maßnahme nicht gegeben. Da das Instrument des Gewahrsams während der Zeit des Nationalsozialismus massiv missbraucht wurde, sollte durch die Tatbestandsmerkmale ?unerlässlich" und ?unmittelbar bevorstehend" rechtlich unmöglich gemacht werden, dass die Vorschrift zu einer Ermächtigung zum so genannten Vorbeugegewahrsam (früher: Schutzhaft) ausgeweitet wird (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 18. 6. 2007 - 20 W 221/06, BeckRS 2007, 15767 m.w. Nachw.). Unerlässlich ist nicht gleichbedeutend mit erforderlich, sondern geht darüber hinaus. Eine Maßnahme ist nur dann unerlässlich, wenn die Gefahrenabwehr nur auf diese Weise möglich und nicht durch eine andere Maßnahme ersetzbar ist. Als mildere Mittel wären aber vorliegend die Durchführung der Durchsuchung im unmittelbaren Anschluss an das Antreffen des Besch. auf der Straße oder der Einsatz einer wirksamen Ramme zum Öffnen der Tür denkbar gewesen. Präventiver Freiheitsentzug stellt jedenfalls kein Mittel dar, kriminaltaktische Defizite zu beheben.
Mangels gesetzlich normierter Ermächtigungsgrundlage für den mit der Ingewahrsamnahme einhergehenden erheblichen Grundrechtseingriff in die persönliche Freiheit des Besch. kann aber auch das Argument der StA, der zweifellos vorhandene Arrestgrund habe die Gefahr indiziert, der Besch. werde während der Durchsuchung Maßnahmen ergreifen, welche die Vollstreckung der Arrestanordnung vereiteln könnte, nicht durchgreifen. Hierzu hätten während der Durchsuchung unter Berufung auf § 164 StPO geeignete Gegenmaßnahmen wie zum Beispiel eine Telefonsperre getroffen werden können (vgl. Rengier, NStZ 1981, 375).
Soweit schließlich der Besch. beantragt festzustellen, dass Staatsanwalt Dr. B als Sachbearbeiter abzulösen ist, ist die Beschwerde unzulässig, da es insoweit bereits an einer beschwerdefähigen Entscheidung des AG fehlt, im Übrigen aber auch ein Rechtsanspruch des Besch. auf Beauftragung eines anderen Staatsanwalts nach § 145 I GVG nicht besteht (vgl. Meyer-Goßner, § 145 GVG Rdnr. 6). Der Antrag wird jedoch dem Leiter der StA bei dem LG Frankfurt a.M. vorzulegen sein. ..."
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?... Der Besch. ist Polizeibeamter im bremischen Polizeidienst und war seinerzeit als Polizeikommissar im Polizeirevier G. eingesetzt, wo ihm auch ein Dienstcomputer zur Verfügung stand. Gegen ihn wurde in einem anderen Ermittlungsverfahren der StA wegen des Verdachts der fortgesetzten Unterschlagung ihm anvertrauter Gelder ermittelt. Im Zuge jener Ermittlungen hatte der Verteidiger für seinen Mandanten dem Ermittlungsführer KHK D. erlaubt, eine auf dem dienstlichen Rechner privat gespeicherte Datei ?Oddset' auf dem Laufwerk Z/S 82 G zu sichern. Auf dieser Datei befanden sich Daten von Spieleinsätzen des Beamten im sog. ?Oddset'-Wettsystem, wodurch in jenem anderen Ermittlungsverfahren eine Spielsucht des Beamten belegt werden sollte. Zum Zwecke dieser Datensicherung teilte die Verteidigung dem Ermittlungsbeamten auch das Paßwort (?D1479 Turbo') mit, mit dem der Mandant die Datei ?Oddset' geschützt habe.
Der Ermittlungsführer KHK D. wandte sich daraufhin am 15. 6. 2005 an den zuständigen Domänen-Administrator, den Zeugen POK K., per E-Mail, in der er unter ?Betreff: Datensicherung aus Gründen der Beweissicherung im Ermittlungs- und Disziplinarverfahren' um Sicherung folgender Datei bat: ?Laufwerk Z/S 82 G. Die Datei ist mit der Kennung D1479 Turbo gegen unberechtigten Zugriff gesichert. Die Datei ist überschrieben mit: 'Oddset eigene eingesetzte Gelder'. Es handelt sich bei der Datei um Listen mit Einsatz-, Gewinn- und Verlustdarstellung. Das Einverständnis des betroffenen Beamten liegt vor. Die Datensicherung sollte auch Angaben zur Erstellung der Datei, Veränderungen und letzte Speicherung bzw. letzter Zugriff enthalten.' ...
Bei der Suche nach der Datei ?Oddset' fielen dem Zeugen K. im Unterordner S 82 G Verzeichnisse (= Ordner) wie ?Spiele', ?Sonstiges' und ?Humor' ins Auge. Er teilte daraufhin dem Zeugen KHK D. mit, daß man das gesamte Verzeichnis überprüfen werde, und beauftragte den Zeugen U. am folgenden 16. 6. 2004 damit, ?das gesamte Verzeichnis auf verbotene Inhalte zu kontrollieren'. ...
In einem weiteren Aktenvermerk v. 17. 6. 2004 legte der Zeuge U. unter der Überschrift, ?Verbotene Dateien' nieder, daß es sich bei den im Verzeichnis S 82 G gespeicherten Dateien offensichtlich um fast ausschließlich private Dateien handele. Das Verzeichnis enthalte u. a. Spiele, Powerpoint-Präsentationen, Fotos und private E-Mails. Die Daten mit einem Umfang von 407 MB wurden auf einer CD gesichert, die mit einer Stichprobe des Dateiinhalts dem Ermittlungsführer KHK D. übersandt wurde. Das Verzeichnis S 82 G wurde auf dem Server des Dienstcomputers gelöscht. KHK D. stellte bei der Durchsicht aller Dateien des auf CD gesicherten Ordners S 82 G fest, daß insbes. unter dem Unterordner ?Strafanzeigen' eine Vielzahl von Dateien mit pornografischem Inhalt abgelegt waren, die als private E-Mails empfangen und mit dem E-Mail-Verlauf gespeichert worden waren, aber - insoweit nicht anders nachweisbar - über den E-Mail-Betrieb nicht an andere weitergeleitet worden waren. Da die Ermittler annahmen, daß außer dem früheren Besch. auch alle anderen Beamten das Polizeireviers G. Zugriff auf den Ordner S 82 G und damit die Gelegenheit gehabt hätten, sich den Inhalt aller Dateien auf diesem Laufwerk und mithin auch die pornografischen Darstellungen anzusehen, wurde ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verbreitung pornografischer Schriften gem. § 184 Abs. 1 Ziff. 8 StGB eingeleitet.
II. Mit Schriftsatz seines Verteidigers v. 1. 11. 2004 legte der Besch. Beschwerde gegen die Beschlagnahme und Einsicht seiner privaten E-Mail-Verläufe und E-Mail-Inhalte ein und begehrte darüber die richterliche Entscheidung. Nachdem das neue Verfahren durch Verfügung der StA gem. § 154 Abs. 1 StPO im Hinblick auf die in dem anderen Verfahren zu erwartende Strafe vorläufig eingestellt worden war, begehrt der Besch. nunmehr nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO die richterliche Feststellung, daß die polizeilich vorgenommene Beschlagnahme und Sichtung der über den Dienst-PC in dem keinem anderen als ihm selber zugänglichen Laufwerk gespeicherten privaten Dateien rechtswidrig sei und diese nicht verwertbar seien: Seine Einwilligung zur polizeilichen Sichtung habe lediglich die Datei ?Oddset' umfaßt; alle anderen Dateien im Laufwerk S 82 G seien erkennbar ebenfalls privater Natur und dürften nur aufgrund vorheriger richterlicher Anordnung und dann nur bei triftigem Anlaß aus dem ersten Ermittlungsverfahren geöffnet und überprüft werden; ihre systematische und allumfassende Überprüfung käme einer illegalen Ausspähung gleich und lasse deshalb auch keine Verwertung sog. ?Zufallsfunde' (hier pornografischen Charakters) zu.
Zunächst auf gemeinsamen Antrag der StA und des Besch. stellte das AG fest, daß die am 15. 6. 2004 erfolgte Durchsuchung des dienstlichen PC des Polizeibeamten und die Beschlagnahme von 40 Dateien mit pornografischem Inhalt rechtswidrig sei.
Die Einwilligung des Beamten habe ausschließlich der Öffnung und Verwertung der Datei ?Oddset' gegolten; weitere Zugriffe seien durch die Erlaubnis nicht gedeckt. Die pornografischen Schriften bzw. Bilder seien per E-Mail zugesandt worden, es handele sich damit um elektronisch übersandte Post, die den vorgesehenen Empfänger bereits erreicht hätte, so daß dafür die allgemeinen Beschlagnahmeregeln der §§ 94, 98 StPO gelten, zusätzlich aber auch § 110 StPO, da elektronisch gespeicherte Daten den ?Papieren' gleichgestellt seien. Die Durchsicht dieser Dateien und der anschließende Ausdruck entspreche der Durchsicht von Papieren, die ausschließlich der StA und auf deren Anordnung ihren Ermittlungspersonen zustehe. Weil beide Voraussetzungen nicht gegeben seien und weil mangels Erlaubnis des Inhabers auch nicht die des § 110 Abs. 2 StPO erfüllt seien, habe die Handhabung durch die Polizei hier nicht dem Gesetz entsprochen, seien die Durchsicht und der Ausdruck der Dateien deshalb rechtswidrig und diese Beweismittel unverwertbar.
Zugleich äußerte das AG Zweifel, ob es sich bei der Sicherung der ?Oddset'-Datei überhaupt um eine Durchsuchung im Rechtssinne handele, weil die Zustimmung des Berechtigten zur Dateisicherung einer freiwilligen Herausgabe entspreche, die eine Durchsuchung und Beschlagnahme überflüssig und damit unzulässig gemacht habe und keine ?Zufallsfunde' i. S. d. § 108 StPO mehr zulasse. Im übrigen erwecke das Vorgehen der Polizei hier den Eindruck, daß gezielt nach ?Zufalls-?Funden gesucht worden sei, was unzulässig sei und zur Unverwertbarkeit der Beweismittel führe.
Gegen diesen Beschl. richtet sich die Beschwerde der StA, die nunmehr die Beschlagnahme und Verwertung der Dateien mit pornografischem Inhalt - z. B. in einem gegen den Polizeibeamten deswegen anhängigen Disziplinarverfahren - für rechtens hält und sich dabei auf eine dem angefochtenen Beschl. entgegentretende Entscheidung des VG Bremen v. 21. 12. 2004 in dem Verwaltungsrechtsstreit 6 V 2212/2004 mit vergleichbarer Problematik beruft, wonach die Beschlagnahme und Verwertung auf dienstlichen Laufwerken gespeicherter privater Dateien auch ohne richterliche oder in Notfällen staatsanwaltschaftliche Anordnung grundsätzlich zulässig seien. Dies wird daraus hergeleitet, daß die private Nutzung von dienstlich zur Verfügung gestellter E-Mail-Funktionalität und auch die damit zusammenhängende Speicherung der empfangenen Dateien auf dem Dienst-PC laut wirksamer Dienstanweisung grundsätzlich unzulässig sei und ?daraus rechtlich folge, daß die Polizei Bremen grundsätzlich berechtigt war, alle empfangenen E-Mails wie dienstliche E-Mails zu behandeln'.
Zugleich habe der Dienstherr durch seine Dienstanweisung den Bereich der dienstlichen EDV-Anlagen des Landes und der Stadtgemeinde Bremen aus dem Anwendungsbereich des § 85 a. F. bzw. des § 88 n. F. TKG ausgenommen. Rechtlich geschützten Privatcharakter vermögen diese Dateien auch nicht dadurch zu erhalten, daß sie rechtsmißbräuchlich durch ein Paßwort vor dem ungehinderten dienstlichen Zugriff der Administratoren geschützt worden waren, zumal sie (teilweise) unter dem Ordner ?Strafanzeigen' abgelegt gewesen seien. Ein Verwertungsverbot wegen Gewinnung von Erkenntnissen unter Verstoß gegen das Postgeheimnis des Art. 10 GG sei daher nicht erkennbar.
III. Die Beschwerde der StA mußte erfolglos bleiben. Zu Recht hat das AG die Durchsuchung und datenmäßige Sicherung des gesamten Ordners S 82 G mit allen Unterordnern über die vom Besch. genehmigte Datei ?Oddset' hinaus für rechtswidrig erklärt.
1) Bei der Durchsicht des gesamten Verzeichnisses S 82 G handelte es sich zunächst um eine Durchsuchung i. S. d. § 102 StPO i. V. m. § 110 StPO. § 102 StPO regelt nicht nur die Durchsuchung von Wohnungen, sondern auch die Durchsuchung von - dem Besch. gehörenden - Sachen. Hierzu gehören auch elektronische Datenträger, die faktisch im Gewahrsam oder Mitgewahrsam des Besch. stehen oder die von ihm an seinem Arbeitsplatz benutzt werden, ohne daß es insoweit auf die Eigentumsverhältnisse ankommt (Schäfer in LR StPO, 25. A., § 102 Rdnr. 35, 39; KK-Nack, StPO, 5. A., § 102 Rdnr. 9, 11).
Da der Unterordner ?Oddset', in dessen Durchsicht allein der Besch. eingewilligt hatte, beim Öffnen des Ordners S 82 G sofort erkennbar und auffindbar war, bedurfte es einer weiteren Durchsicht der anderen dort abgelegten Unterordner bzw. Dateien nicht mehr, zumal die Bezeichnungen der übrigen Unterordner keinerlei Hinweise auf irgendeine strafrechtliche Relevanz bezüglich der dem Besch. zur Last gelegten Unterschlagung boten. Jede weitere Überprüfung im Ordner S 82 G außerhalb des Unterordners ?Oddset' stellte sich deshalb nach Wortlaut und Sinn als eine Durchsuchung gem. § 102 StPO dar.
Für eine solche Durchsuchung war gem. § 105 Abs. 1 StPO eine richterliche Anordnung erforderlich, weil der Besch. lediglich in die Durchsicht des Unterordners ?Oddset' eingewilligt hatte. Eine richterliche Anordnung lag aber nicht vor. Dafür, daß Gefahr im Verzug die sofortige Sichtung und Sicherstellung der übrigen Unterordner und Dateien erforderlich gemacht hätte, ist nichts ersichtlich, wird von den Ermittlungsbehörden auch nicht behauptet.
Eine richterliche Anordnung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Dienstcomputer, auf dem die gesicherten Dateien gespeichert waren, von anderen Polizeibeamten mitbenutzt wurde, die Zugang zu den anderen Ordnern und Dateien außerhalb des Ordners S 82 G hatten, und weil der Dienstherr jede private Nutzung dieses Dienstcomputers und des E-Mail-Anschlusses untersagt hatte.
Der Besch. hatte den Ordner S 82 G durch die oben unter I. dargestellten Vorkehrungen für alle anderen Benutzer außer ihm selbst und sogar für seine Domäne-Administratoren gesperrt bzw. deren Zugriff erheblich erschwert. Er hat auf diese Weise und auch durch die meisten von ihm gewählten Namen der dort abgelegten Unterordner oder Dateien auch für die Ermittlungsbeamten deutlich gemacht, daß es sich um rein private Dateien und Ordner handelte. Dies gilt auch, soweit der Besch. den einen Ordner am Ende der Liste mit ?Strafanzeigen' bezeichnet hat. Trotz eines solch offiziell klingenden Ordnernamens war angesichts des Aussperrens anderer Nutzer klar, daß diesem keine dienstliche Funktion zukam.
Daß der Beamte dienstanweisungswidrig die dienstlichen E-Mail-Funktionen bzw. dienstlichen Laufwerke privat genutzt hat, vermag den besonderen strafprozessualen Schutz vor Zugriff ohne vorherige richterliche Anordnung nicht aufzuheben, wie z. B. das VG Bremen meint. Es ist anerkannt, daß auch in öffentlichen oder sonst fremd genutzten Räumen eine räumlich geschützte Privatsphäre bestehen kann. Bei der Frage, ob ein privater Bereich vom Schutzzweck der §§ 102 ff. StPO erfaßt ist, kommt es nicht darauf an, ob der (Mit-) Gewahrsamsinhaber berechtigt oder unberechtigt den (Mit-) Gewahrsam hat, sondern allein auf die faktischen Verhältnisse. So gelten z. B. §§ 102, 105 StPO auch für die Durchsuchung eines von einem sog. Hausbesetzer gegen den Willen des Berechtigten genutzten Raumes (KK-Nack, a. a. O. Rdnr. 109).
Des weiteren war das polizeiliche Vorgehen, wie es oben unter I. dargestellt worden ist, nicht nach § 108 Abs. 1 StPO zu rechtfertigen.
Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob der vom Besch. gebilligte polizeiliche Zugriff auf den Unterordner ?Oddset' überhaupt eine Durchsuchung i. S. d. § 102 StPO war oder nur eine freiwillige Herausgabe darstellte, wie das AG in Erwägung zieht. Auch wenn insoweit von einer mit Einwilligung des Besch. erfolgten Durchsuchung ausgegangen wird, für die infolge der Einwilligung des Besch. keine richterliche Anordnung gem. § 105 StPO erforderlich war, so stellte § 108 StPO keinen Rechtsgrund für den Zugriff auf die übrigen Unterordner dar, weil § 108 StPO nicht das Durchsuchungsrecht, sondern nur das allgemeine Beschlagnahmerecht erweitert (Schäfer a. a. O. § 108 Rdnr. 3). Darüber hinaus boten die beim Zugriff auf das Verzeichnis S 82 G sichtbar gewordenen Ordnernamen mit Ausnahme des Unterordners ?Oddset', auf den der Besch. selbst hingewiesen hatte, also auch der Unterordner ?Strafanzeigen' keinerlei Hinweise auf das gegen den Besch. anhängige Ermittlungsverfahren wegen Unterschlagung oder auf sonstige Straftaten des Besch., so daß auch schon deshalb - wie bereits ausgeführt - Gefahr im Verzug eine Sichtung nicht erforderlich machte.
Das BVerfG hat erst jüngst - Beschl. v. 12. 4. 2005, 2 BvR 1027/02 [= StV 2005, 363] - hervorgehoben. ?Die Ermittlungsmethoden der StPO sind zwar im Hinblick auf die Datenerhebung und den Datenumfang weit gefaßt. Die jeweiligen Eingriffsgrundlagen stehen aber unter einer sehr strengen Begrenzung auf den Ermittlungszweck. Strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen sind nur zulässig, soweit dies zur Vorbereitung der anstehenden Entscheidungen im Hinblick auf die in Frage stehende Straftat nötig ist. Auf die Ermittlung anderer Lebenssachverhalte und Verhältnisse erstrecken sich die Eingriffsermächtigungen nicht. So benennt § 155 Abs. 1 StPO ausdrücklich diese Begrenzung des Ermittlungszwecks ('nur'). Die Zweckbindung an den zu ermittelnden Sachverhalt ist aber auch anderen Vorschriften der StPO zu entnehmen (... § 161 Abs. 1 S. 1 ..., § 163 Abs. 1 Nr. 1 StPO ...). Eine Ermittlung außerhalb dieses Zwecks hat keine gesetzliche Grundlage. Gelegentlich einer strafrechtlichen Ermittlung dürfen daher keine Sachverhalte und persönlichen Verhältnisse ausgeforscht werden, die für die Beurteilung der Täterschaft und für die Bemessung der Rechtsfolgen der Tat nicht von Bedeutung sind (§ 244 Abs. 3 S. 2 Variante 3 StPO). Dem entspricht es, daß gem. § 483 StPO auch die sich an die Datenerhebung anschließende Datenverarbeitung auf den Zweck des Strafverfahrens beschränkt ist.
Mit dieser strengen Begrenzung sämtlicher Ermittlungen und damit auch der Datenerhebung auf den Zweck der Aufklärung der begangenen Tat begrenzt die StPO die Eingriffe in das Recht an den eigenen Daten grundsätzlich auf diejenigen, die für die Strafverfolgung im konkreten Anlaßfall von Bedeutung sind. Die strafprozessualen Ermächtigungen erlauben damit zwar grundsätzlich einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, finden ihre Grenze aber in der Zweckbestimmung für das jeweilige Strafverfahren' (Rdnr. 104 f.)
Legt man diese Maßstäbe an das systematische Vorgehen der Ermittlungsbehörden an, so wie es die Zeugen K. und U. in ihren Vermerken v. 15. und 17. 6. 2004 dargelegt haben, so ähneln diese Zusatzermittlungen weit mehr einem gezielten Ausforschen privater Dateien außerhalb des Untersuchungszwecks als der zufälligen Wahrnehmung eines maßgeblichen strafbaren Verhaltens anläßlich der Verfolgung eines ganz anderen Ermittlungszwecks.
Die Durchsicht der Unterordner im Verzeichnis S 82 G mit Ausnahme des Unterordners ?Oddset', in dessen Durchsicht der Besch. eingewilligt hatte, war deshalb ohne richterliche Anordnung rechtswidrig.
2) Auch die Beschlagnahme der im Verzeichnis S 82 G gespeicherten Dateien mit Ausnahme der im Unterordner ?Oddset' gespeicherten Datei, in deren Sicherstellung der Besch. eingewilligt hatte, ist rechtswidrig und deshalb aufzuheben.
Die Sicherstellung der Dateien erfolgte wie vorstehend ausgeführt auf Grund einer rechtswidrigen Durchsuchung. Dies allein führt aber noch nicht dazu, daß die Beschlagnahme der Dateien weiterhin unzulässig ist und die Dateien unverwertbar sind. In Fällen wie dem vorliegenden ist vielmehr eine Abwägung vorzunehmen, die nur dann zu einem Verwertungsverbot führt, wenn der prozessuale Verfahrensverstoß so schwerwiegend ist, daß das Interesse an der Tataufklärung vor dem Hintergrund des Gewichts der aufzuklärenden Straftat gegenüber dem Interesse des betroffenen Bürgers am Schutz seiner Privatsphäre zurücktreten muß (OLG Koblenz in NStZ 2002, 660 f, Schäfer a. a. O. § 105 Rdnr. 112; vgl. auch Nack a. a. O., vor § 94 Rdnr. 8 f., § 94 Rdnr. 19 f., § 105 Rdnr. 21 f, Meyer-Goßner, StPO, 48. A., § 94 Rdnr. 21).
Im vorliegenden Fall wurde dem Besch. ein Vergehen der Unterschlagung und somit eine Straftat von höchstens mittlerer Schwere vorgeworfen. Dem steht ein schwerwiegender Verfahrensverstoß entgegen, weil die - wenn auch dienstordnungswidrig - vom Besch. privat gespeicherten Dateien ohne richterliche Anordnung durchsucht wurden. Bei der Abwägung ist auch von wesentlicher Bedeutung, ob ein richterlicher Durchsuchungsbeschl. erlassen worden wäre und das Beweismittel somit auch auf rechtmäßige Weise hätte beschafft werden können (BGH in NStZ 1989, 375 f.; 2004, 449 f., Nack a. a. O. vor § 94 Rdnr. 8 f., § 94 Rdnr. 19 f., § 105 Rdnr. 21 f.). Dies verneint die Kammer aus den bereits genannten Gründen, weil beim Zugriff auf das Verzeichnis S 82 G die angezeigten Unterordner mit Ausnahme des Ordners ?Oddset' keinerlei Bezug zu der dem Besch. zur Last gelegten Unterschlagung oder zu sonstigen Straftaten erkennen ließen. Wenn aber eine richterliche Durchsuchungsanordnung ausgeschlossen war, stellt sich die strafprozessuale Ermittlungsmaßname der Durchsuchung als willkürlich dar mit der Folge, daß auf Grund der vorgeschilderten Gesamtumstände nach Auffassung der Kammer auch die auf Grund willkürlicher Durchsuchung sichergestellten Dateien nicht verwertbar sind und damit ihre Beschlagnahme auch nicht zulässig ist.
Abschließend weist die Kammer darauf hin, daß Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens nur strafprozessuale Maßnahmen sind. Ob und inwieweit die getroffenen Maßnahmen im Rahmen eines gegen den Besch. anhängigen Disziplinarverfahrens zulässig waren bzw. sind, hat das zuständige Disziplinargericht zu entscheiden ..." (LG Bremen, Beschluß vom 22.7.2005 - 11 Qs 112/2005)
***
Die photographische Dokumentation einer Wohnung anlässlich einer Durchsuchung kann allein dann zulässig sein, wenn das Dokumentationsinteresse das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen überwiegt, beispielsweise wegen der Bedeutung der Straftat und der voraussichtlichen Bedeutung der Bilder als Beweismittel für den gerichtlichen Augenschein (LG Hamburg StV 2004, 368 ff).
Liegen neben zwei anonymen Anzeigen mit dem Vorwurf des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln keine weiteren Anhaltspunkte dafür vor, daß die erhobenen Beschuldigungen zutreffen könnten, besteht für einen schwerwiegenden Eingriff wie die Anordnung einer Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Beschuldigten nicht der erforderliche Tatverdacht (LG Regensburg StV 2004, 198).
Findet an einem Werktag eine Durchsuchung in der Wohnung des Beschuldigten um 19.50 Uhr statt und verfügten die Ermittlungsbehörden über die dafür maßgeblichen Erkenntnisse bereits seit 14.07 Uhr, hätte eine richterliche Durchsuchungsanordnung ohne weiteres beantragt und erlassen werden können, so daß die auf Gefahr im Verzug gestützte Durchsuchung rechtswidrig ist (LG Koblenz StV 2003, 382 f).
Siehe auch unter ?Unverletzlichkeit der Wohnung"
Anordnung und Durchführung der Beschlagnahme § 98 StPO (n.F)
(1) Beschlagnahmen dürfen nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die Beschlagnahme nach § 97 Abs. 5 Satz 2 in den Räumen einer Redaktion, eines Verlages, einer Druckerei oder einer Rundfunkanstalt darf nur durch das Gericht angeordnet werden.
(2) Der Beamte, der einen Gegenstand ohne richterliche Anordnung beschlagnahmt hat, soll binnen drei Tagen die gerichtliche Bestätigung beantragen, wenn bei der Beschlagnahme weder der davon Betroffene noch ein erwachsener Angehöriger anwesend war oder wenn der Betroffene und im Falle seiner Abwesenheit ein erwachsener Angehöriger des Betroffenen gegen die Beschlagnahme ausdrücklichen Widerspruch erhoben hat. Der Betroffene kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen. Solange die öffentliche Klage noch nicht erhoben ist, entscheidet das nach § 162 Abs. 1 zuständige Gericht. Ist die öffentliche Klage erhoben, entscheidet das damit befasste Gericht. Der Betroffene kann den Antrag auch bei dem Amtsgericht einreichen, in dessen Bezirk die Beschlagnahme stattgefunden hat; dieses leitet den Antrag dem zuständigen Gericht zu. 6Der Betroffene ist über seine Rechte zu belehren.
(3) Ist nach erhobener öffentlicher Klage die Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft oder eine ihrer Ermittlungspersonen erfolgt, so ist binnen drei Tagen dem Gericht von der Beschlagnahme Anzeige zu machen; die beschlagnahmten Gegenstände sind ihm zur Verfügung zu stellen.
(4) 1Wird eine Beschlagnahme in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Beschlagnahme in Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.
Leisätze:
In der Zuordnung von Telekommunikationsnummern zu ihren Anschlussinhabern liegt ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Demgegenüber liegt in der Zuordnung von dynamischen IP-Adressen ein Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber muss bei der Einrichtung eines Auskunftsverfahrens sowohl Rechtsgrundlagen für die Übermittlung, als auch für den Abruf von Daten schaffen. Das automatisierte Auskunftsverfahren der §§ 112, 111 TKG ist mit der Verfassung vereinbar. § 112 TKG setzt dabei für den Abruf eigene Ermächtigungsgrundlagen voraus. Das manuelle Auskunftsverfahren der §§ 113 Abs. 1 Satz 1, 111, 95 Abs. 1 TKG ist in verfassungskonformer Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar. Zum einen bedarf es für den Abruf der Daten qualifizierter Rechtsgrundlagen, die selbst eine Auskunftspflicht der Telekommunikationsunternehmen normenklar begründen. Zum anderen darf die Vorschrift nicht zur Zuordnung dynamischer IP-Adressen angewendet werden. Die Sicherheitsbehörden dürfen Auskünfte über Zugangssicherungscodes (§ 113 Abs. 1 Satz 2 TKG) nur dann verlangen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Nutzung gegeben sind (BVerfG, Beschluss vom 24.01.2012 - 1 BvR 1299/05).
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Die Verfassungsbeschwerde einer überörtlichen Rechtsanwaltssozietät mit sechs Standorten in Deutschland, die sich gegen die Anordnung von Durchsuchungen an zwei organisatorisch eigenständigen, den inländischen Tätigkeitsmittelpunkt bildenden Standorten wendet, ist wie die von einer inländischen juristischen Person erhobene Verfassungsbeschwerde (Art. 19 III GG) zu behandeln. Es ist mit Art. 13 I GG nicht vereinbar, Kanzleiräume von Rechtsanwälten als nichtverdächtigen Dritten, die den Beschuldigten nach Auffassung der Ermittlungsbehörde hinsichtlich bestimmter steuerrechtlicher Fragestellungen beraten haben sollen, auf der Grundlage von § 103 StPO zu durchsuchen, um Unterlagen über die Beratung von Mandanten, die mit dem Ermittlungsverfahren in keinem Zusammenhang stehen, zu erhalten und um hieraus Rückschlüsse auf den Inhalt der Beratung des Beschuldigten zu ziehen. Die Suche nach Beratungsunterlagen hinsichtlich unverdächtiger Mandanten steht ferner in einem offenkundigen Missverhältnis zu der damit verbundenen Beeinträchtigung des Grundrechts der unverdächtigen Mandanten auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I i.V. mit Art. 1 I GG) und der auch im Interesse der Allgemeinheit liegenden Vertrauensbeziehung zwischen Anwalt und Mandant. Die Verfassungsbeschwerde gegen die Sicherstellung eines Datenbestands zum Zweck der Durchsicht (§ 110 StPO) setzt insbesondere dann grundsätzlich die Erschöpfung des Rechtswegs in entsprechender Anwendung des § 98 II 2 StPO voraus, wenn die Sicherstellung über die thematisch begrenzte Zielvorgabe des Durchsuchungsbeschlusses hinausgeht (BVerfG, Beschluss vom 18.03.2009 - 2 BvR 1036/08, NJW 2009, 2518 ff, www.bverfg.de/entscheidungen/rk20090318_2bvr103608.html).
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn Fachgerichte eine richterliche Entscheidung über die Sicherstellung von Datensicherungsbänden der Server eines privat genutzten Dienstcomputers sowie über die "Beschlagnahme" darauf befindlicher Dateien wegen fehlender Antragsbefugnis des Nutzers gem. § 98 II 2 StPO ablehnen (BVerfG, Beschluss vom 25.07.2007 - 2 BvR 2282/06 zu Art. 1 I, 2 I, 10 I, 13 I, 19 IV GG; §§ 98 II 2 StPO, 184 I StGB, NJW 2007, 3343, 3344 - Verwendung eines Dienstcomputers zur Verbreitung pornografischer Schriften).
In einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss müssen Indiztatsachen zur Belegung des Anfangsverdachts nicht notwendigerweise genannt werden, wenn eine Begrenzung der Vollziehung der Maßnahme im Übrigen gewährleistet ist. Insoweit können anfängliche Mängel bei der Prüfung der Verdachtslage durch eine nachträgliche Entscheidung des Beschwerdegerichts geheilt werden. Auch für den Fall einer Durchsuchung bei anderen Personen i. S. des § 103 StPO reicht die eingegrenzte, aber gattungsmäßige Bestimmung der gesuchten Gegenstände aus; sind im Einzelfall ausreichende Gründe dafür gegeben, dass Beweisgegenstände einer bestimmten Kategorie auch bei einem Nichtverdächtigen zu finden sind, kann in zugleich ergehenden Durchsuchungsbeschlüssen nach § 102 und § 103 StPO eine Auffindevermutung bezüglich derselben Beweismittel zu Grunde gelegt werden (BVerfG, Beschluss vom 28.04.2003 - 2 BvR 358/03).
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde, weil die Gerichte Bedeutung und Tragweite von Art. 13 I, II i. V. mit Art. 19 IV GG bei der nachträglichen Überprüfung einer wegen Gefahr im Verzug von der Kriminalpolizei angeordneten Wohnungsdurchsuchung verkannt haben (im Anschluss an BVerfGE 103, 142 = NJW 2001, 1121; BVerfG, Beschluss vom 22.01.2002 - 2 BvR 1473/01).
*** (BGH)
Das erkennende Gericht ist auch dann nicht von der grundsätzlichen Pflicht entbunden, die Verwertbarkeit der durch eine Durchsuchung gewonnenen Beweise zu prüfen, wenn der Angeklagte die Rechtsschutzmöglichkeit entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genutzt hat. Ein Stufenverhältnis oder ein Vorrang dieses Rechtsbehelfs besteht auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht (BGH, Beschluss vom 16.06.2009 - 3 StR 6/09).
***
Die Rückgabe einer in einem Strafverfahren beschlagnahmten Sache hat an dem Ort zu erfolgen, an welchem diese aufzubewahren war; die zuständigen Justizbehörden sind nicht verpflichtet, die Sache dem Berechtigten an dessen Wohnsitz zu bringen (BGH, Urteil vom 03.02.2005 - III ZR 271/04).
*** (OLG)
Der Beschluss des Vorsitzenden einer Großen Strafkammer, einen ihm im Rahmen der haftrichterlichen Briefkontrolle vorgelegten Brief wegen dessen möglicher Bedeutung für die Untersuchung und wegen versuchter Einflussnahme auf das Aussageverhalten einer Zeugin zu ?beschlagnahmen', beinhaltet neben einer Beschlagnahme gemäß § 94 StPO auch einen Beförderungsausschluss gemäß § 119 Abs. 3 StPO. Die haftrechtliche Anordnung tritt nicht hinter der Sachaufklärungsanordnung zurück. Für die Entscheidung über die Beschlagnahme ist die voll besetzte Kammer zuständig; eine Zuständigkeitskonzentration bei dem zur haftrichterlichen Entscheidung über den Briefbeförderungsausschluss berufenen Kammervorsitzenden tritt nicht ein. Der Beschlagnahmebeschluss des unzuständigen Vorsitzenden leidet an einem derart schwerwiegenden Rechtsmangel, dass das Beschwerdegericht insoweit nicht selbst abschließend in der Sache entscheidet, sondern ausnahmsweise an die Vorinstanz zurückverweist (OLG Hamburg, Beschluss vom 28.04.2009 - 2 Ws 85-86/09; 2 Ws 90/09 zu StPO §§ 94, 98 Abs. 2 S. 3, 4, 119 Abs. 3, 126 Abs. 2 S. 1, § 309 Abs. 2; GVG § 76 Abs. 1).
***
Zum Verwertungsverbot bei anlässlich einer grob rechtswidrigen Durchsuchung aufgefundenen Beweismitteln (LG Berlin, Beschluss vom 28.06.2008 - 525 Qs 102/08 zu StPO §§ 98, 102):
?... Die Polizei ermittelte in einem Mehrparteienwohnhaus wegen des Verdachts einer sog. Scheinehe. Der Verdacht erhärtete sich nicht. Die befragten Wohnungsnachbarn gaben jedoch an, dass in einer anderen Wohnung ?Illegale' verkehren würden. Auf das Klingeln der Beamten an der Wohnungstür wurde nicht geöffnet. Da Stimmen zu hören waren, klopften die Beamten an die Wohnungstür, worauf geöffnet wurde. Auf die Frage der Beamten, ob man die Wohnung betreten dürfe, wurden sie eingelassen. Dort sahen ?sie sich aus Gründen der Eigensicherung um' und entdeckten in der Speisekammer den späteren Besch., der im Begriff war, Btm in einem Toastbrot zu verstecken. ...
Die StA legt dem Angeschuldigten mit Anklage v. 16.04.2007 zur Last, in Berlin am 01.11.2007 unerlaubt Btm besessen zu haben ... Er soll gegen 19.15 Uhr des Tattages in der Speisekammer der Wohnung ... Berlin ... 4,327 g Kokaingemisch mit einem Kokainhydrochloridgehalt von 1,231 g, weitere 131 mg - gemeint sind offensichtlich 231 mg - Kokaingemisch, 1,979 g Cannabis sowie zwei Tabletten Ecstasy mit einem Gesamtgewicht von 436 mg verwahrt haben.
Mit dem angefochtenen Beschl. hat das AG Tiergarten die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen abgelehnt. Hiergegen richtet sich die nach § 210 Abs. 2 StPO statthafte sofortige Beschwerde der StA, die zulässig ist, in der Sache jedoch keinen Erfolg hat.
Das AG hat die Eröffnung der Hauptverfahrens mit Recht abgelehnt.
Die in der Anklageschrift unter IV. aufgeführten Überführungsstücke - insbes. die sichergestellten und zum Gegenstand des Anklagevorwurfs gemachten Btm - sind nicht verwertbar, weil die Wohnungsdurchsuchung grob rechtswidrig war.
Zwar hat die Wohnungsinhaberin den Polizeibeamten den Zutritt in den Flur der Wohnung entgegen den Ausführungen im amtsgerichtlichen Beschl. gestattet, was offensichtlich dem Umstand geschuldet war, dass sie den Anlass des Polizeieinsatzes nicht im Hausflur vor den Nachbarn besprechen wollte. Dass sie damit zugleich in die weitere Durchsuchung der Wohnung, die in der nach der Befragung der Wohnungsinhaberin erfolgten, wenn auch nur kurzen Nachschau in allen Räumlichkeiten zu sehen ist, eingewilligt hat, ist jedoch nicht ersichtlich. Die stillschweigende Duldung genügt insoweit nicht (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 105 Rn. 1). Vielmehr hätte - was hier nicht geschehen ist - über die Freiwilligkeit belehrt werden müssen, da - wie das AG zutreffend ausgeführt hat - die Voraussetzungen der §§ 102 ff. StPO nicht vorliegen. Auch aus Sicht der Kammer sind die vagen Angaben der Nachbarn, die Wohnung werde von ausländischen Personen frequentiert, bei diesen könne es sich nur um Illegale handeln, nicht geeignet, einen auf Tatsachen gestützten Anfangsverdacht für das Vorliegen einer Straftat zu begründen. Daran ändert auch nichts, dass die Polizeibeamten durch die geschlossene Wohnungstür ein Gespräch zwischen einer weiblichen und einer männlichen Person gehört hatten, die Wohnungsinhaberin, darauf angesprochen, die Frage nach dem Aufenthalt einer illegalen Person in der Wohnung aber verneinte, was sich bezogen auf den von den Polizeibeamten sodann in der Speisekammer angetroffenen Angeschuldigten auch als zutreffend erwies. Dies gilt um so mehr, als sich das Belauschen der Wohnung allein auf der Grundlage der von den Nachbarn geäußerten vagen Vermutungen als ein fragwürdiges ?Herumschnüffeln' darstellt.
Eine Verurteilung des Angesch. kann auch nicht auf seine geständigen Angaben in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung gestützt werden. Die Kammer teilt insoweit die Auffassung des AG, dass diese Angaben in unmittelbarem Zusammenhang mit der nicht verwertbaren, weil rechtswidrigen Sicherstellung der Btm stehen und deswegen ihrerseits nicht verwertbar sind. ..."
***
Aufzeichnungen des Beschuldigten, die dieser sich erkennbar zu seiner Verteidigung in dem gegen ihn laufenden Strafverfahren gemacht hat, dürfen weder beschlagnahmt noch gegen den Widerspruch des Beschuldigten verwertet werden. Dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger des Beschuldigten erklärt hatte, die Aufzeichnungen könnten zum Akteninhalt gemacht werden. In der Verteidigererklärung liegt kein Einverständnis des Beschuldigten, wenn dieser nicht selbst sein Einverständnis erteilt (OLG Naumburg, Beschluss vom 25.11.2003 - 2 b Js 50/02 - 2-2 StE 8/03-2, StV 2004, 529 f).
Bei einer erledigten Ermittlungsmaßnahme ist der Antrag auf Feststellung deren Rechtswidrigkeit zwar dann zulässig, wenn durch sie tiefgreifend in die Grundrechte des Betroffenen eingegriffen wird und sich ihre direkte Belastung nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung, einschließlich der Beschwerdeentscheidung in der Regel nicht erlangen kann. Bei Beschlagnahmemaßnahmen steht jedoch regelmäßig ein Zeitrahmen zur Verfügung, der dem Betroffenen die Ausschöpfung des Instanzenzuges ohne weiteres ermöglicht. Selbst bei fortwirkenden Beeinträchtigungen der Beschlagnahme eröffnet Art. 19 IV GG nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens und Wegfall der strafprozessualen Beschwer der Beschlagnahme dem Verurteilten nicht die Möglichkeit, einen bereits durchlaufenen Rechtszug erneut beschreiten zu können. Eine gem. § 98 II 7 StPO nicht oder nicht ordnungsgemäß erfolgte Belehrung kann allenfalls dann die Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme bewirken, wenn sie zu einer Vereitelung oder zumindest Beeinträchtigung der effektiven gerichtlichen Kontrolle der ermittlungsbehördlichen Maßnahme geführt hat. Verfahrensfehler bei der Durchsuchung führen nicht grundsätzlich zur Unverwertbarkeit der dabei aufgefundenen Beweise, lassen also die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme regelmäßig unberührt. Dies gilt namentlich für solche Verfahrensfehler, welche die Beweiserlangung bei hypothetisch rechtmäßiger Vorgehensweise nicht hindern (OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.04.2003 - 3 Ws 301/03, NStZ-RR 2003, 175).
*** (LG)
Räumt der Provider eines E-Mail-Accounts eines Beschuldigten den Ermittlungsbehörden im Hinblick auf eine bestimmte E-Mails betreffende Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung einen ?Gastzugang' ohne zeitliche oder inhaltliche Beschränkung ein, handelt es sich bei der Sicherstellung von durch den Beschluss nicht erfasste Straftaten betreffende E-Mails um rechtmäßige Zufallsfunde (LG Mannheim, Beschluss vom 12.10.2010 - 24 Qs 2/10 zu StPO §§ 94, 98, 103, 108, 110).
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Ein Beschlagnahmebeschluss, der in seinen rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen nicht einmal ansatzweise über die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts des § 94 StPO hinausgeht, verletzt die dem Gericht als Kontrollorgan den Strafverfolgungsbehörden gegenüber obliegende Pflicht, durch geeignete Formulierungen im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren sicherzustellen, dass der Eingriff in die grundrechtlich geschützte Sphäre des Bürgers geschützt bleibt. Ein Beschlagnahmebeschluss verletzt das rechtliche Gehör, wenn das Gericht eine ausführliche inhaltliche Stellungnahme des Beschuldigten, die zu den tatsächlichen und rechtlichen Aspekten nähere Angaben macht, bei der Bestätigung der Beschlagnahme entweder nicht zur Kenntnis nimmt oder mit keinem Wort bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt (LG Berlin StV 2002, 67 f).
Der Ermittlungsrichter muß bei einer Beschlagnahmeanordnung regelmäßig in der Lage sein zu überblicken, welche Beweismittel bei einer Durchsuchung vorgefunden werden. Durch eine bloße Umschreibung der Beweismittel darf es nicht dem ausführenden Beamten überlassen bleiben, welche konkreten Unterlagen er als beweiserheblich ansieht. Diese Entscheidung ist dem Richter vorbehalten (LG Koblenz StV 2001, 501 f).
Siehe auch unter ?Anordnung und Ausführung einer Durchsuchung".
*** (AG)
?... Durch Beschluss vom 30.11.2011 wurde vom Amtsgericht Reutlingen die Beschlagnahme von Datenbeständen des Beschuldigten beschlossen, die sich auf Festplatten bei einem (Host)Provider befinden. Dort, bei der Fa. ? wurden in Vollziehung des Beschlusses Speicherträger (vier Festplatten) beschlagnahmt. Hiergegen wendet sich der Beschuldigte mit einer Beschwerde unter Datum 02.12.2011.
Der Beschwerde ist (teilweise) abzuhelfen. Der der Durchsuchung und Beschlagnahme zugrunde liegende Anfangsverdacht gegen den Beschuldigten besteht - nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens - unvermindert fort. Auch war die Fa. ? nicht gehalten oder gar ermächtigt, den Beschuldigten über die strafprozessuale Zwangsmaßnahme zu informieren.
Datenträger jeder Art sind, sofern sie nicht freiwillig herausgegeben werden, zu beschlagnahmen, um der gespeicherten Daten, dem eigentlichen Beweisgegenstand, habhaft zu werden. Handelt es sich dabei um (fest eingebaute) Festplatten o.ä. (Massespeicher), kann die ansonsten erforderliche Beschlagnahme des gesamten Computers bzw. Computersystems in der Weise durch den Beschuldigten abgewendet werden, dass er sich mit der Anfertigung einer Kopie der entsprechenden Dateien oder des gesamten Datenträgers (?Image') vor Ort auf externe Datenträger einverstanden erklärt. Sofern diese forensische Datensicherung aus tatsächlichen Gründen vor Ort nicht möglich ist, ist eine Mitnahme von Datenträgern unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes möglich. Die Herstellung von 1:1 Kopien, die beweissichere Anfertigung eines Datenträgerabbilds (forensische Duplikation) nur mittels anerkannter forensisch-technischer Verfahren und entsprechender Software und ?Toolkits' (vgl. nur: BSI-Leitfaden zur IT-Forensik, S. 26 ff. m.w.N.), hat unverzüglich zu geschehen.
Vorliegend ist - einzig und alleine - die Fortdauer der Beschlagnahme mit diesen Grundsätzen zeitlich nicht mehr vereinbar. Die Festplatten bzw. die Festplatte (mitgeteilt sind lediglich 750 GB) befinden sich seit mehr als drei Werktagen in behördlichem Gewahrsam. Der Beschuldigte lässt unwiderlegt anwaltlich vortragen, dass die Festplatten, offenbar Teil eines ?Dedicated-to-customer'-Servers bei der Fa. ? technisch besehen nicht nur seiner Datenverarbeitung dienen, sondern dass von ihm vorgehaltene ?Server'- und Datenspeicherkapazitäten und wohl auch Rechenleistung, insbesondere für Datenbankanwendungen, Dritten gewerblich überlassen wurden. Damit ist zwar keineswegs ausgeschlossen, dass sich auf dem sichergestellten Speichermedium auch die gesuchten Beweisgegenstände befinden, z.B. als eigenständige Datenbank, Teil eines File-Systems oder eines Mailservers. Das wird auch eingeräumt. Der tatsächliche (physikalische) Zugriff auf solche Server-Hardware ist freilich wegen der möglichen Betroffenheit Dritter unbedingt auf ein Minimum zu beschränken, soweit durch den tatsächlichen Zugriff auf die Festplatten und andere Hardware die Funktion des Servers beeinträchtigt oder unterbunden wird.
Nicht verwiesen werden kann die Ermittlungsbehörde darauf, einzelne Dateien oder Festplattenpartitionen o.a., gar vor einer Durchsicht, nur teilweise zu sichern. Weder genügt ein solches Vorgehen den Anforderungen an anerkannte forensischen Verfahren zur Datensicherung (u.a. eines ?physischen Sektorabbildes'), noch ist es zweckmäßig und unterliegt im Übrigen nur eingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle, solange die Grenzen sachlich, also bezogen auf das Beweisthema, nicht überschritten werden.
Auch wenn nach derzeitigem Wissenstand nicht nachvollziehbar ist, warum der Beschuldigte, als ?EDV-Berater', offensichtlich in grob fahrlässiger Weise die gebotenen Datensicherungsmaßnahmen (vgl. BSI IT-Grundschutz Empfehlungen, M 6.32, G 5.22 etc.) unterlassen hat, möglicherweise aus Kostengründen, ist die Beschlagnahme angesichts der eher geringen Datenmenge mit Ablauf von drei Werktagen, nach Anhörung des Finanzamtes Reutlingen, zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit aufzuheben. ..." (AG Reutlingen, Beschluss vom 05.12.2011 - 5 Gs 363/11)
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Unabhängig von der Dauer einer Beschlagnahme ist ein tiefgreifender Grundrechtseingriff als Voraussetzung des erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses für die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Beschlagnahme bereits dann gegeben, wenn dem Verteidiger über einen Zeitraum von mehr als fünf Wochen keine Akteneinsicht gewährt und dem Beschuldigten dadurch die Möglichkeit genommen wurde, noch während der Dauer der Beschlagnahme gerichtliche Entscheidung zu beantragen. Einer gerichtlichen Anordnung der Beschlagnahme bedarf es auch dann, wenn Gegenstände, die nach gerichtlicher Anordnung in einem Verfahren beschlagnahmt wurden, für die sie nicht mehr benötigt werden, nunmehr als Beweismittel für ein anderes Verfahren in amtlichem Gewahrsam verbleiben sollen (AG Bremen, Beschluss vom 23.05.2011 - 91a Gs 224/11 zu StPO §§ 98 II, 147; GG Art. 2 I).
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Anordnungsbefugnis - Überwachung der Telekommunikation § 100 b StPO (n.F.)
(1) Maßnahmen nach § 100a dürfen nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch das Gericht angeordnet werden. Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung auch durch die Staatsanwaltschaft getroffen werden. Soweit die Anordnung der Staatsanwaltschaft nicht binnen drei Werktagen von dem Gericht bestätigt wird, tritt sie außer Kraft. Die Anordnung ist auf höchstens drei Monate zu befristen. Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als drei Monate ist zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung unter Berücksichtigung der gewonnenen Ermittlungsergebnisse fortbestehen.
(2) Die Anordnung ergeht schriftlich. 2In ihrer Entscheidungsformel sind anzugeben:
1. soweit möglich, der Name und die Anschrift des Betroffenen, gegen den sich die Maßnahme richtet,
2. die Rufnummer oder eine andere Kennung des zu überwachenden Anschlusses oder des Endgerätes, sofern sich nicht aus bestimmten Tatsachen ergibt, dass diese zugleich einem anderen Endgerät zugeordnet ist,
3. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme unter Benennung des Endzeitpunktes.
(3) Auf Grund der Anordnung hat jeder, der Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und ihren im Polizeidienst tätigen Ermittlungspersonen(§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) die Maßnahmen nach § 100a zu ermöglichen und die erforderlichen Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Ob und in welchem Umfang hierfür Vorkehrungen zu treffen sind, bestimmt sich nach dem Telekommunikationsgesetz und der Telekommunikations-Überwachungsverordnung. 3§ 95 Abs. 2 gilt entsprechend.
(4) Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, so sind die auf Grund der Anordnung ergriffenen Maßnahmen unverzüglich zu beenden. Nach Beendigung der Maßnahme ist das anordnende Gericht über deren Ergebnisse zu unterrichten.
(5) Die Länder und der Generalbundesanwalt berichten dem Bundesamt für Justiz kalenderjährlich jeweils bis zum 30. Juni des dem Berichtsjahr folgenden Jahres über in ihrem Zuständigkeitsbereich angeordnete Maßnahmen nach § 100a. Das Bundesamt für Justiz erstellt eine Übersicht zu den im Berichtsjahr bundesweit angeordneten Maßnahmen und veröffentlicht diese im Internet.
(6) In den Berichten nach Absatz 5 sind anzugeben:
1. die Anzahl der Verfahren, in denen Maßnahmen nach § 100a Abs. 1 angeordnet worden sind;
2. die Anzahl der Überwachungsanordnungen nach § 100a Abs. 1, unterschieden nach
a) Erst- und Verlängerungsanordnungen sowie
b) Festnetz-, Mobilfunk- und Internettelekommunikation;
3. die jeweils zugrunde liegende Anlassstraftat nach Maßgabe der Unterteilung in § 100a Abs. 2.
Leitsätze/Entscheidungen:
In der Zuordnung von Telekommunikationsnummern zu ihren Anschlussinhabern liegt ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Demgegenüber liegt in der Zuordnung von dynamischen IP-Adressen ein Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber muss bei der Einrichtung eines Auskunftsverfahrens sowohl Rechtsgrundlagen für die Übermittlung, als auch für den Abruf von Daten schaffen. Das automatisierte Auskunftsverfahren der §§ 112, 111 TKG ist mit der Verfassung vereinbar. § 112 TKG setzt dabei für den Abruf eigene Ermächtigungsgrundlagen voraus. Das manuelle Auskunftsverfahren der §§ 113 Abs. 1 Satz 1, 111, 95 Abs. 1 TKG ist in verfassungskonformer Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar. Zum einen bedarf es für den Abruf der Daten qualifizierter Rechtsgrundlagen, die selbst eine Auskunftspflicht der Telekommunikationsunternehmen normenklar begründen. Zum anderen darf die Vorschrift nicht zur Zuordnung dynamischer IP-Adressen angewendet werden. Die Sicherheitsbehörden dürfen Auskünfte über Zugangssicherungscodes (§ 113 Abs. 1 Satz 2 TKG) nur dann verlangen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Nutzung gegeben sind (BVerfG, Beschluss vom 24.01.2012 - 1 BvR 1299/05).
***
?... I. Die Beschwerdeführerinnen wenden sich gegen die Verpflichtung zur Auskunft über eine Internetprotokoll-Adresse ohne vorherige Einholung einer richterlichen Anordnung gemäß § 100g, § 100b StPO.
1. a) Die Beschwerdeführerin zu 2) ist ein Unternehmen, das eine Vielzahl von IT-Dienstleistungen für Banken erbringt, insbesondere die Bereitstellung und den technischen Betrieb des ?Online-Bankings". Die Beschwerdeführerin zu 1) ist Leiterin der Rechtsabteilung im Unternehmen der Beschwerdeführerin zu 2). In einem Ermittlungsverfahren wegen Computerbetruges zum Nachteil eines Online-Banking-Nutzers (sogenanntes Phishing) forderte die Staatsanwaltschaft Baden-Baden die Beschwerdeführerin zu 2) mit Schreiben vom 12. Oktober 2009 auf, die Internetprotokoll-Adresse (im Folgenden: IP-Adresse) des Auftraggebers eines näher bezeichneten Überweisungsvorgangs mitzuteilen. Das Auskunftsersuchen stützte die Staatsanwaltschaft auf die allgemeine Ermittlungsgeneralklausel des § 161 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 15 Abs. 5 Satz 4, § 14 Abs. 2 des Telemediengesetzes (TMG). Zur Begründung führte sie aus, im Rahmen der von der Beschwerdeführerin zu 2) erbrachten Dienstleistungen stehe das Online-Banking als Telemediendienst im Vordergrund, weshalb diese keine Telekommunikationsdienste im Sinne des Telekommunikationsgesetzes (TKG) erbringe und daher dem Fernmeldegeheimnis des Art. 10 Abs. 1 GG, § 88 TKG nicht unterliege. Eine richterliche Anordnung gemäß § 100g, § 100b StPO sei nicht erforderlich.
b) Der Aufforderung zur Auskunft kam die Beschwerdeführerin zu 2) nicht nach. Die Staatsanwaltschaft Baden-Baden lud daraufhin am 19. Oktober 2009 die Beschwerdeführerin zu 1) als Zeugin, damit diese über die IP-Adresse Auskunft gebe. Die Beschwerdeführerin zu 1) erschien zum Termin, verweigerte jedoch die Aussage mit dem Hinweis, bei Erteilung der Auskunft ohne Erlass einer richterlichen Anordnung gemäß § 100g, § 100b StPO gegen das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG, § 88 TKG zu verstoßen und sich gemäß § 206 StGB strafbar zu machen.
c) Mit Bescheid vom 27. Oktober 2009 setzte die Staatsanwaltschaft Baden-Baden daraufhin ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 Euro gegen die Beschwerdeführerin zu 1) fest. Den hiergegen erhobenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 161a Abs. 3 Satz 1 StPO wies das Amtsgericht Baden-Baden mit Beschluss vom 16. April 2010 zurück. Auf eine Dienstaufsichtsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1) gegen das Auskunftsverlangen, die Zeugenladung und den Ordnungsgeldbescheid teilte die Generalstaatsanwaltschaft in Karlsruhe unter dem 6. Mai 2010 mit, dass die angegriffenen Maßnahmen durch das Beschwerdevorbringen nicht in Frage gestellt würden. In den Begründungen wurde die Auffassung der Staatsanwaltschaft Baden-Baden aufgegriffen und im Wesentlichen darauf abgestellt, dass im Vordergrund der von der Beschwerdeführerin zu 2) erbrachten Dienstleistungen das Online-Banking als Telemediendienst stehe, das Fernmeldegeheimnis folglich nicht berührt sei.
2. Mit der fristgerecht eingegangenen Verfassungsbeschwerde wenden die Beschwerdeführerinnen sich gegen die vorgenannten Anordnungen und Entscheidungen.
Die Beschwerdeführerin zu 1) sieht sich insbesondere in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 und Abs. 2 GG verletzt. Bei dem Auskunftsgegenstand, der IP-Adresse eines unbekannten Nutzers, handle es sich um ein Verbindungsdatum, das dem Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG unterfalle; für Auskünfte darüber bestehe von Verfassungs wegen ein Richtervorbehalt. Die Beschwerdeführerin zu 2) werde bei der Durchführung des Online-Bankings auch als Erbringerin von Telekommunikationsdienstleistungen tätig; die IP-Adressen der Online-Banking-Nutzer erhebe sie ausschließlich in dieser Eigenschaft, nämlich bei der Bereitstellung des Internet-Zugangs und zum Aufbau der Telekommunikationsverbindung zum jeweiligen Nutzer, nicht dagegen für die Anwendung und Durchführung des Online-Bankings.
Ferner rügen die Beschwerdeführerinnen Verletzungen der Art. 103 Abs. 2, Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 19 Abs. 4, Art. 12 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 GG.
II. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 (24 ff.); 96, 245 (248 ff.)).
1. Soweit die Beschwerdeführerin zu 1) einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 und Abs. 2 GG rügt, ist die Verfassungsbeschwerde mangels einer den gesetzlichen Anforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechenden substantiierten Begründung unzulässig.
Mit der Verhängung des Ordnungsgelds gegen die Beschwerdeführerin zu 1) ist ein Eingriff in ihre allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG verbunden, dessen Rechtsgrundlage sich aus § 161a Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 70 Abs. 1 Satz 2 StPO ergibt. Die Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften im Einzelfall prüft das Bundesverfassungsgericht nicht umfassend nach; die verfassungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich vielmehr auf die Frage, ob spezifisches Verfassungsrecht verletzt wurde (stRspr, vgl. nur BVerfGE 18, 85 (92 f.)). Letzteres ist der Fall, wenn eine gerichtliche Entscheidung auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Grundrechte beruht, deren Verletzung geltend gemacht wird, oder wenn das Auslegungsergebnis selbst die geltend gemachten Grundrechte verletzt (vgl. BVerfGE 30, 173 (188)). Nach diesen Maßstäben hat die Beschwerdeführerin eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts nicht hinreichend dargelegt. Auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens ist insbesondere nicht zu entscheiden, ob die angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts Baden-Baden Bedeutung und Tragweite von Art. 10 GG verkennt.
a) Offen erscheint bereits, ob mit der staatlich angeordneten Auskunftserteilung ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG verbunden ist.
aa) Das Fernmeldegeheimnis gewährleistet die Vertraulichkeit der individuellen Kommunikation, wenn diese wegen der räumlichen Distanz zwischen den Beteiligten auf eine Übermittlung durch andere angewiesen ist und deshalb in besonderer Weise einen Zugriff Dritter - einschließlich staatlicher Stellen - ermöglicht. Die Beteiligten sollen weitgehend so gestellt werden, wie sie bei einer Kommunikation unter Anwesenden stünden. Das Grundrecht ist entwicklungsoffen und umfasst nicht nur die bei Entstehung des Gesetzes bekannten Arten der Nachrichtenübertragung, sondern auch neuartige Übertragungstechniken (BVerfGE 46, 120 (144); 115, 166 (182)). Der Schutzbereich erfasst neben den Kommunikationsinhalten alle näheren Umstände des Fernmeldeverhältnisses und bezieht sich sowohl auf die Tatsache der Kommunikation als auch auf die Verbindungsdaten über Teilnehmer, Anschlüsse und Nummern, unter welchen die Teilnehmer miteinander in Kontakt treten (BVerfGE 107, 299 (312); 113, 348 (364 f.); 115, 166 (183); 120, 274 (307); 124, 43 (54); BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris, Rn. 189). Hierzu zählen auch IP-Adressen.
Demgegenüber unterfallen solche Verbindungsdaten, die nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs beim Telekommunikationsteilnehmer aufgezeichnet und gespeichert werden, nicht dem Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG, sondern werden durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützt (BVerfGE 115, 166 (183 ff.); 120, 274 (307 f.); 124, 43 (54)). Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses endet in dem Moment, in dem die Nachricht bei dem Empfänger angekommen und der Übertragungsvorgang beendet ist. Die spezifischen Gefahren der räumlich distanzierten Kommunikation bestehen im Herrschaftsbereich des Empfängers, der eigene Schutzvorkehrungen treffen kann, nicht. Die Nachricht ist mit Zugang beim Empfänger nicht mehr den erleichterten Zugriffsmöglichkeiten Dritter ausgesetzt, die sich aus der fehlenden Beherrschbarkeit und Überwachungsmöglichkeit des Übertragungsvorgangs durch die Kommunikationsteilnehmer ergeben. Die gespeicherten Inhalte und Verbindungsdaten unterscheiden sich dann nicht mehr von Datenbeständen, die der Nutzer selbst angelegt hat (BVerfGE 115, 166 (185)).
Die Einordnung einer Leistung unter das Regelungsregime des Telekommunikationsgesetzes oder des Telemediengesetzes bestimmt nicht über die Reichweite des Schutzbereichs des Art. 10 Abs. 1 GG. Art. 10 Abs. 1 GG folgt nicht dem rein technischen Telekommunikationsbegriff des Telekommunikationsgesetzes, sondern knüpft personal an den Grundrechtsträger und dessen Schutzbedürftigkeit aufgrund der Einschaltung Dritter in den Kommunikationsvorgang an
(BVerfGE 124, 43 (55 f.); BVerfGK 9, 62 (75)).
bb) Die Beschwerdeführerinnen haben nicht hinreichend dargelegt, dass die in Rede stehende IP-Adresse von der Beschwerdeführerin zu 2) als Erbringerin von Telekommunikationsleistungen während eines laufenden Telekommunikationsübertragungsvorgangs erhoben wurde und damit außerhalb des Herrschaftsbereichs der Kommunikationsteilnehmer anfiel. Die Beschwerdeführerinnen behaupten zwar, die Beschwerdeführerin zu 2) stelle selbst einen - verschlüsselten - Internetzugang für die Bank her. Dem Beschwerdevortrag ist aber nicht eindeutig zu entnehmen, dass mit den von der Beschwerdeführerin zu 2) erbrachten Leistungen die Tätigkeit eines gesonderten ?Internet Service Providers" auf Seiten der Bank tatsächlich entbehrlich wird. Insbesondere verhält sich der Beschwerdevortrag auch nicht dazu, auf welchem Wege der Bank beziehungsweise der Stelle tätig werdenden Beschwerdeführerin zu 2) eine IP-Adresse zugeteilt wird; dieser Frage kommt für die Einordnung der Tätigkeit der Beschwerdeführerin aber Bedeutung zu. Auch der Hinweis auf die Verschlüsselung der Verbindung durch die Beschwerdeführerin zu 2) führt nicht weiter, da nicht deutlich wird, inwieweit es sich bei der Verschlüsselung um eine Maßnahme handelt, die nicht auch ein gewöhnlicher Internetnutzer unter Verwendung entsprechender Technik durchführen könnte.
b) Ebenso wenig lässt sich auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens sagen, ob ein möglicher Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG gerechtfertigt wäre oder ob die den angefochtenen Entscheidungen zugrunde liegende Rechtsauffassung, wonach eine richterliche Anordnung für die Auskunftserteilung über die IP-Adresse nicht erforderlich ist, die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage verkennt.
aa) Die Schrankenbestimmung des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG sieht - anders als die durch Art. 13 GG gewährleistete Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung - das Erfordernis eines Richtervorbehalts für Eingriffe nicht ausdrücklich vor und stellt dem Wortlaut nach auch im Übrigen keine qualifizierten Anforderungen an die Ausgestaltung der Ermächtigungsgrundlagen.
Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann, wenn sich der Eingriff im Einzelfall als so schwerwiegend darstellt, dass den Anforderungen an die Wahrung der Verhältnismäßigkeit und die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nur im Wege einer vorherigen richterlichen Kontrolle Rechnung getragen werden kann (BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris, Rn. 248). Für die Abfrage und Übermittlung von Telekommunikationsdaten kann dies der Fall sein, wenn diese über einen längeren Zeitraum in großem Umfang gespeichert werden und im Falle ihrer Auswertung detaillierte Rückschlüsse auf das Kommunikations- und Bewegungsverhalten einer Person zulassen würden (BVerfGE 107, 299 (319 f.); BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris, Rn. 227).
Für die Frage, welches Gewicht dem in der Datenabfrage und Verwendung der Daten liegenden Eingriff in die Privatsphäre einer Person zukommt, ist daher neben dem Zweck der Verwendung und der Art und Weise der Abfrage - heimlich oder offen - auch der Anlass und Umfang der Speicherung von Bedeutung. Die Abfrage von Verbindungsdaten aus einem Datensatz, der aufgrund einer anlasslosen systematisch über einen längeren Zeitraum vorgenommenen Speicherung erstellt wurde, stellt einen intensiveren Eingriff dar als die Abfrage von Daten, die ein Telekommunikationsanbieter in Abhängigkeit von den jeweiligen betrieblichen und vertraglichen Umständen - etwa zu Abrechnungszwecken gemäß §§ 96, 97 TKG - kurzfristig aufzeichnet. Bei der längerfristigen Aufzeichnung einer Gesamtheit von Daten kann aufgrund der möglichen Rückschlüsse auf die Privatsphäre einer Person nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Rückgriff auf diese Daten grundsätzlich geringer wiegt als eine inhaltsbezogene Telekommunikationsüberwachung (BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris, Rn. 227).
bb) Das Beschwerdevorbringen enthält keine näheren Aussagen darüber, auf welcher Rechtsgrundlage, zu welchem Zweck und wie lange die Beschwerdeführerin zu 2) die IP-Adressen speichert und inwiefern im Zusammenhang mit den IP-Adressen weitere Daten erhoben werden. Damit ist eine Beurteilung der Schwere des in der Abfrage liegenden Eingriffs ebenso wenig möglich wie eine nähere Konkretisierung der Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit für den Abruf und die Verwendung der abgefragten Daten.
Als Rechtsgrundlage für eine Speicherung der IP-Adressen kommen sowohl die Vorschriften des Telekommunikations- als auch des Telemediengesetzes in Betracht. Nach § 96 Abs. 2 TKG dürfen Verkehrsdaten über das Ende der Verbindung hinaus nur verwendet werden, wenn dies zum Aufbau weiterer Verbindungen oder für die in §§ 97, 99, 100 und 101 TKG genannten Zwecke - Abrechnungszwecke, Störungsbeseitigung und Missbrauchsbekämpfung - erforderlich ist; im Übrigen sind sie nach Beendigung der Verbindung unverzüglich zu löschen. Die §§ 113a, 113b TKG, nach denen Telekommunikationsdienste zur Speicherung von Verkehrsdaten über einen Zeitraum von sechs Monaten verpflichtet waren, hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 2. März 2010 (1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris) für nichtig erklärt. Zuvor waren die Anbieter von Telekommunikationsdiensten zur Speicherung der Daten verpflichtet; allerdings wurde die Pflicht zur Übermittlung an die ersuchenden Behörden vom Bundesverfassungsgericht ab dem 11. März 2008 einstweilen ausgesetzt (einstweilige Anordnung vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08, BGBl I S. 659; wiederholt und erweitert mit Beschluss vom 28. Oktober 2008, BGBl I S. 2239; zuletzt wiederholt mit Beschluss vom 15. Oktober 2009, BGBl I S. 3704). Da das Auskunftsverlangen der Staatsanwaltschaft Baden-Baden vom 12. Oktober 2009 datiert, erscheint eine Speicherung der vorliegend interessierenden Daten auf dieser Grundlage jedenfalls nicht ausgeschlossen. Soweit die Speicherung der IP-Adresse allein für die Herstellung einer verschlüsselten Verbindung unter Nutzung fremder Telekommunikationsdienste erforderlich wäre, kommen als Rechtsgrundlage §§ 14, 15 TMG in Betracht.
Auch unter Berücksichtigung der im Urteil zur Vorratsdatenspeicherung aufgestellten Grundsätze (BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris, Rn. 227, 247) lässt sich nicht sagen, dass die Herausgabe einer einzelnen IP-Adresse losgelöst von den angesprochenen Fragen in jedem Fall einen derart schwerwiegenden Eingriff in den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG darstellen würde, dass eine auf die allgemeine Ermittlungsgeneralklausel des § 161 Abs. 1 StPO gestützte Auskunftserteilung in jedem Fall unzulässig wäre (zur Reichweite des § 161 Abs. 1 StPO vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Februar 2009 - 2 BvR 1372/07, 2 BvR 1745/07 -, NJW 2009, S. 1405 (1407)).
2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen. ..." (BVerfG, 2 BvR 1124/10 vom 13.11.2010, Absatz-Nr. (1 - 24), www.bverfg.de/entscheidungen/rk20101113_2bvr112410.html)
*** (BGH)
? ... Der Revision ist allerdings dahingehend uneingeschränkt zuzustimmen, dass die Begründungen der richterlichen Entscheidungen zu den Abhörmaßnahmen, die der Revisionsrüge zugrunde liegen, in keiner Weise den an diese inhaltlich zu stellenden Anforderungen genügen. Die - gemäß § 34 StPO - zu begründenden Beschlüsse, die die Überwachung der Telekommunikation anordnen beziehungsweise gestatten (§ 100b Abs. 1 Satz 1 StPO) oder bestätigen (§ 100b Abs. 1 Satz 3 StPO) müssen zumindest eine knappe Darlegung der den Tatverdacht begründenden Tatsachen und der Beweislage enthalten, um die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme zu ermöglichen, wobei in geeigneten Fällen auch eine konkrete Bezugnahme auf Aktenteile genügen kann (BGHSt 47, 362 [366]). Keinesfalls darf sich der Richter mit der formelhaften Zitierung des Gesetzestextes begnügen und dabei gar - wie hier in einem Fall - den zugrunde liegenden Straftatbestand verschweigen (?Katalogtat").
Entsprechendes gilt für die Eilanordnungen des Staatsanwalts. Zu beanstanden ist dabei zudem das Fehlen jeglicher - auch nicht nachträglicher - Dokumentation der tatsächlichen Grundlagen, die es gerechtfertigt erscheinen ließen, davon auszugehen, dass eine richterliche Entscheidung ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks nicht rechtzeitig zu erlangen war. Dabei hätte es auch einer Darstellung dazu bedurft, welche Versuche unternommen wurden, den zuständigen Richter zu erreichen, oder weshalb wegen besonderer Eibedürftigkeit selbst hierzu keine Zeit war (vgl. BVerfG NJW 2001, 1121 [1124]). Denn dies versteht sich an einem Werktag am Vormittag, aber auch um die Mittagszeit keineswegs von selbst.
b) Die ungenügende Fassung der richterlichen oder staatsanwaltschaftlichen Anordnungen der Überwachung der Telekommunikation begründet jedoch nicht per se die Rechtswidrigkeit dieser Maßnahmen mit der Folge der Unverwertbarkeit der hieraus gewonnenen Erkenntnisse. Entscheidend sind vielmehr die tatsächlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Überwachung der Telekommunikation, d.h. ob danach die Gestattung der Überwachung und, soweit es sich um staatsanwaltschaftliche Eilanordnungen handelte, auch die Annahme von Gefahr im Verzug, vertretbar war. Inwieweit die Strafkammer in diesem Fall das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen zur vertretbaren Anordnung der Überwachung der Telefongespräche - während der Verfahrensvorbereitung oder während der Hauptverhandlung - überprüfte, ist offen. Von Amts wegen muss dies jedenfalls im Grundsatz nicht geschehen (vgl. Senat, Beschluss vom heutigen Tag - 7. März 2006 - 1 StR 316/05 Rdn. 8 ff.; dass der Kernbereich privater Lebensführung betroffen ist, liegt hier fern). Der Darstellung einer entsprechenden Überprüfung - wenn sie gleichwohl während der Hauptverhandlung erfolgte - und deren tatsächlicher Grundlagen in den Urteilsgründen bedarf es nicht. Zur Vermeidung der Überfrachtung der schriftlichen Urteilsgründe ist dies regelmäßig sogar tunlichst zu vermeiden. § 267 Abs. 1 Satz 2 StPO gebietet auch unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Darstellung der Beweiswürdigung nicht die Darstellung des Gangs der Ermittlungen oder der Voraussetzungen einzelner Maßnahmen während des Ermittlungsverfahrens. Werden insoweit - mittels einer Verfahrensrüge - Fehler geltend gemacht, die den Bestand des Urteils in Frage stellen, so wird der entsprechende Vortrag (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), sofern er schlüssig ist, hinsichtlich der behaupteten tatsächlichen Grundlagen vom Revisionsgericht im Freibeweisverfahren überprüft.
c) Dessen bedürfte es - sofern die Rüge in zulässiger Form erhoben worden wäre - hier aber schon deshalb nicht, da der Verwertung der Gespräche, auf die sich die Revisionsrüge bezieht, weder bis zu dem gemäß § 257 StPO maßgebenden Zeitpunkt - und auch nicht während der weiteren Hauptverhandlung - widersprochen wurde. Dies wäre jedoch notwendig gewesen, schon weil das Verwertungsverbot für den Angeklagten disponibel ist (vgl. Senat, Beschluss vom 7. März 2006 - 1 StR 316/05 Rdn. 8). ...
d) Letztlich kommt es aber auch hierauf nicht an. Wäre der Antrag als Widerspruch gegen die Verwertung wegen fehlender Voraussetzungen der Anordnung der Überwachung der Telekommunikation zu werten, so beträfe dies nur die drei von der Verfügung des Vorsitzenden erfassten Gespräche vom 21. und 22. September 2004. Das Abhören der elf Gespräche aus der Zeit vom 8. Oktober bis zum 5. November 2004, das die Revision angreift, wurde jedoch erst mit dem danach verkündeten Beschluss angeordnet. Gegen dessen Vollzug, also auch gegen das Anhören der elf aufgezeichneten Gespräche, auf die sich die Revisionsrüge bezieht, erhob der Angeklagte beziehungsweise sein Verteidiger dann keinen Einwand. Auch nach dem Vorspielen der Gespräche, nach der Verlesung von Anordnungen zur Überwachung der Telekommunikation und auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung wurde die Möglichkeit der Verwertung der angehörten Telefonate nie auch nur in Frage gestellt, geschweige denn, wurde ein förmlicher Widerspruch gegen deren Verwertung erhoben.
e) Abschließend sei auf Folgendes hingewiesen: Aufgrund der in der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft zur Revisionsbegründung mitgeteilten tatsächlichen Grundlagen - teilweise unter Hinweis auf die entsprechenden Aktenteile - für die Anordnung der Überwachungsmaßnahmen zum Anordnungszeitpunkt bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese Anordnungen nicht zumindest rechtlich vertretbar waren. Ferner wird in dieser Gegenerklärung hinsichtlich der beiden beanstandeten Eilanordnungen des Staatsanwalts auch der Zwang zum sofortigen Handeln ausreichend belegt. ..." (BGH, Beschluss vom 07.03.2006 - 1 StR 534/05)
Anrechnung § 51 StGB
(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.
(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.
(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.
(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.
(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111 a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Anrechnung verfahrensfremder Untersuchungs- oder Auslieferungshaft ist verfassungsrechtlich immer dann geboten, wenn zwischen der die Haft auslösenden Tat und der Tat, die der Verurteilung zugrunde liegt, ein funktionaler Zusammenhang besteht oder zwischen ihnen ein irgendwie gearteter sachlicher Bezug bestanden hat. Die Annahme einer Verfahrenseinheit ist bei einer Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO verfassungsrechtlich geboten. Dies gilt auch dann, wenn die Untersuchungshaft bereits beendet war, bevor die später abgeurteilten Taten begangen wurden. Dies gilt auch bei Überhaftnotierung. Dabei spielt es keine Rolle, daß die Untersuchungshaft, um deren Berücksichtigung es geht, zu dem Zeitpunkt, als die funktionale Verbindung durch den Erlaß eines neuen - nicht vollzogenen - Haftbefehls hergestellt worden ist, bereits beendet war und - formal gesehen - sogar auf einem anderen, zwischenzeitlich aufgehobenen Haftbefehl beruhte. Entscheidend ist, daß durch die wechselseitige Sicherungsfunktion zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Verknüpfung beider Verfahren entstanden ist, die die Anrechnung rechtfertigt (BVerfG, Beschluss vom 15.05.1999 - 2 BvR 116/99).
***
?... 2. Das Landgericht hat indes entgegen § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB im Urteil keine Bestimmung über den Maßstab getroffen, nach dem die in der Schweiz aus Anlass der abgeurteilten Taten erlittene Freiheitsentziehung auf die erkannte Freiheitsstrafe anzurechnen ist. Dabei kann dahinstehen, ob diese Freiheitsentziehung in Form von Auslieferungs- oder zusätzlich auch noch in Form von Abschiebehaft erfolgt ist (vgl. einerseits Urteilsabdruck UA 3, andererseits UA 4). In beiden Fällen hat die unterbliebene Anrechnung zu erfolgen, wenn, was hier der Fall ist, die Freiheitsentziehung "aus Anlass der Tat" erfolgte (BGH, Beschluss vom 10. April 1997 - 5 StR 674/96, NStZ 1997, 385; MünchKommStGB/Franke, § 51 Rn. 21). In entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO kann der Senat im vorliegenden Fall den Anrechnungsmaßstab selbst bestimmen, da nur eine Anrechnung im Verhältnis von 1 : 1 in Betracht kommt (BGH, Beschluss vom 15. April 2008 - 1 StR 166/08, Beschluss vom 5. August 2010 - 2 StR 254/10). ..." (BGH, Beschluss vom 05.06.2012 - 4 StR 58/12)
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Bei der Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe ist ein Härteausgleich für erledigte, an sich gesamtstrafenfähige Vorstrafen im Wege der Vollstreckungslösung zu gewähren (BGH, Beschluss vom 20.01.2010 - 2 StR 403/09 zu StGB §§ 51, 54, 55, 57 a, 57 b).
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Erschwernisse während einer in Australien vollzogenen Auslieferungshaft - fortwährende Bedrohungen des Angeklagten durch Mithäftlinge, woran auch Beschwerden beim Anstaltspersonal nichts geändert haben; Bedrohung und Einschüchterung durch einen Vollzugsbeamten; teilweise Unterbringung in Räumen ohne Tageslicht; nicht funktionierende und videoüberwachte Toiletten mit der Folge, dass bei dem Angeklagten Depressionen und Angstzustände eintraten und er zweimal in Hungerstreik trat - rechtfertigen es, die in Australien erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 2:1 anzurechnen (BGH, Beschluss vom 13.08.2009 - 3 StR 255/09).
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?... Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Das mit der Sachrüge begründete Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen den Schuldspruch und die lebenslange Freiheitsstrafe richtet.
Die gebotene Prüfung des angefochtenen Urteils führt aber zur Nachholung der Festsetzung des Anrechnungsmaßstabs für die in der Tschechischen Republik im Auslieferungsverfahren erlittene Freiheitsentziehung. Solches ist entsprechend § 51 Abs. 3, Abs. 4 Satz 2 StGB auch bei der hier verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe geboten, weil die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung auch auf die durch § 57a Abs. 1 Nr. 1 StGB festgesetzte Mindestverbüßungszeit anzurechnen ist (BGHR StGB § 51 Abs. 4 Anrechnung 4).
Der Senat hat den Anrechnungsmaßstab entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst im Verhältnis 1:1 bestimmt (vgl. BGHR aaO). Dafür war ausschlaggebend, dass der Angeklagte seit Mai 1997 bis zu seiner Festnahme am 4. April 2005 in der Tschechischen Republik gelebt hat und dass Anhaltspunkte für eine andere Anrechnung weder ersichtlich noch vorgetragen sind (vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. August 2001 - 1 StR 322/01). ..." (BGH, Beschluss vom 06.04.2006 - 5 StR 99/06)
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Weichen die Bedingungen in Mazedonien erlittener Auslieferungshaft erheblich von in Deutschland erlittener Untersuchungshaft ab, kann die in Mazedonien erlittene Haft im Verhältnis von 1:3 angerechnet werden (LG Verden (Aller), Urteil vom 06.07.2006 - 2-1/06).
Die Zeit in brasilianischer Auslieferungshaft ist mit einem Umrechnungsfaktor von 2,5 anzurechnen, wenn der Beschuldigte in einer Zelle mit 9 qm freier Fläche, die für 6 Personen ausgelegt ist, mit 14 bis 17 Mitinsassen untergebracht wurde, als Toilette ein Loch im Boden diente, die Zelle fensterlos und ohne Frischluft war, die Temperatur zeitweise bei 40 Grad Celcius lag und das verabreichte Essen unzureichend und teilweise verdorben war (LG München II StV 2001, 19 f).
Anspruch auf Übersetzung
Ein der deutschen Sprache nicht mächtiger Bürger kann verlangen, dass ihm Übersetzungen der Anklageschrift, des Bußgeldbescheides, des Haftbefehls und des Strafbefehls vorgelegt werden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann er erfolgreich beantragen, wenn er Fristen versäumt, weil er keine Übersetzung des Bußgeldbescheides, der Ladung, der Rechtmittelbelehrung und des Strafbefehls erhalten hat (vgl. Schmidt, Verteidigung von Ausländern, 2 A.. 2005, Rz 232 ff, 243).
Anstiftung § 26 StGB
Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.
Hinweise:
Anstiftung ist das ursächliche Hervorrufen des Tatentschlusses durch eine Willensbeeinflussung im Wege des geistigen Kontaktes zwischen dem Anstifter und dem Angestifteten.
Nach § 30 I StGB ist auch eine versuchte Anstiftung strafbar. Eine versuchte Anstiftung kommt in Betracht, wenn eine vollendete Anstiftung nicht vorliegt. Das kommt in Betracht, wenn die Haupttat gar nicht oder unabhängig von dem Einfluss des Anstifters begangen worden ist. Die in Betracht kommende Haupttat müsste ein Verbrechen sein.
Leitsätze/Entscheidungen:
Anstiftung i.S. des § 26 StGB ist die vorsätzliche Bestimmung eines anderen zur Begehung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Tat. Unter Bestimmen ist die Einflußnahme auf den Willen eines anderen zu verstehen, die diesen zu dem im Gesetz beschriebenen Verhalten bringt. In welcher Form und durch welche Mittel die Einflußnahme erfolgt, ist gleich (st.Rspr.; vgl. BGH Urteil vom 20.01.2000 - 4 StR 400/99).
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Grundsätzlich bestehen Bedenken dagegen, daß ein in staatlichem Auftrag handelnder Lockspitzel den von ihm in strafbares Tun verwickelten Täter durch weitere Geschäfte tiefer in Schuld und Unrecht verstrickt, als es zur Überführung und Bestrafung erforderlich ist. Im Hinblick auf den schuldmildernden Umstand der Anstiftung durch einen polizeilichen Lockspitzel muß das Gericht prüfen, ob und in welchem Umfang gegen den Angeklagten ein Verdacht bestand, der den Einsatz eines Lockspitzels rechtfertigen konnte. Zur Strafzumessung bei Betäubungsmitteldelikten, wenn ein polizeilicher Lockspitzel auf den Täter eingewirkt hat (BGH, Entscheidung vom 19.05.1987 - 1 StR 202/87).
Bleibt zweifelhaft, ob der Angeklagte den Täter zu dessen Tat angestiftet oder ob er ihm nur Hilfe geleistet hat, so ist er wegen Beihilfe zu verurteilen (BGH, Urteil vom 28.10.1982 - 4 StR 480/82).
(1) Fremde Haupttat (Täterschaft - Teilnahme)
?... Im Rahmen der Teilnahmelehre ist anerkannt, dass sich der Vorsatz des Anstifters oder Gehilfen in jedem Fall auf eine vollendete Haupttat erstrecken muss (Hoyer in SK-StGB vor § 26 Rdn. 59 m. w. N.). Wenn die Haupttat objektiv nicht über das Versuchsstadium hinausgelangt, genügt für die Annahme einer strafbaren Beteiligung an dieser versuchten Tat dementsprechend nicht, dass der Teilnehmer den Vorsatz hatte, dass es durch seine Anstiftungs- oder Unterstützungshandlung jedenfalls zu dem tatsächlich begangen Versuch kommen wird. Vielmehr kommt eine strafbare Teilnahme erst in Betracht, wenn er eine vollendete Tat angestrebt hat oder - zumindest mit bedingtem Vorsatz - von einer Vollendung ausgegangen ist. ..." (BGH, Beschluss vom 24.10.2006 - 3 StR 392/06)
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?... 1. Die Verneinung von Mittäterschaft der Angekl. S hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Der Tatrichter hat zwar die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme erörtert (vgl. hierzu auch Senatsurt. v. 16. 7. 2003 - 2 StR 68/03). Seine wertende Betrachtung beruht jedoch auf einem zu engen Verständnis der Beurteilungsgrundlage. Auch wird seine Annahme, die Angekl. S habe die Tat nicht als eigene gewollt, sie habe keinen eigenständigen Tatbeitrag geleistete und keine Herrschaft über die konkrete Tatausführung gehabt, von den getroffenen Feststellungen nicht getragen.
Im Rahmen der erforderlichen Gesamtbewertung durfte das LG bei der rechtlichen Einordnung der Tatbeiträge der Angekl. S nicht ausschließlich auf die Ausführung der eigentlichen Tötungshandlung und den Handlungsantrieb in dieser konkreten Situation abstellen (vgl. BGH, NStZ 1996, 434, [435]).
Mittäterschaft (§ 25 II StGB) erfordert - auf der Grundlage gemeinsamen Wollens - einen die Tatbestandserfüllung fördernden Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränken oder in einer geistigen Mitwirkung liegen kann. Gemeinschaftliche Begehung der tat setzt also nicht voraus, dass jeder Mittäter selbst ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal verwirklicht hat. Hat ein Beteiligter einen wesentlichen Beitrag geleistet, so ist er als Mittäter anzusehen, wenn er die Tat als eigene wollte. Das bedeutet eine Einstellung des Mitwirkenden, die seinen Tatbeitrag nicht als bloße Förderung fremden Tuns erscheinen lässt, sonder als Teil der Tätigkeit aller. Ob er ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Bedeutsame Anhaltspunkte für eine Beteiligung als Mittäter können sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft. Diesen Kriterien wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Nach den Feststellungen des LG brachte die Angekl. S den K dazu, dass man sich darüber einig wurde, dass K den N erschließen sollte. Hieran hatte die S ein starkes eigenes Interesse, da sie sich durch N erheblich belästigt fühlte. Die Angekl. S ging auch auf den Vorschlag des N ein, sich zu treffen, um - je nach Ausgang des Gesprächs - dem K zu ermöglichen, den N zu erschließen. Danach ist die Annahme des LG, die Angekl. S. habe die Tötung des N nicht als eigene Tat gewollt, nicht nachzuvollziehen. Die Angekl. S hatte im Übrigen auch insoweit Tatherrschaft, als sie die Tötung durch de Mitangekl. K unschwer hätte verhindern können. Auf die Eigenhändigkeit bei der Tatbegehung selbst, auf die der Tatrichter entscheidend abstellt, kommt es nicht ausschlaggebend an.
Dass sie vom konkreten Geschehensablauf ?unwiderlegbar' überrascht und erschreckt war, wie das LG meint, versteht sich - wen man dem Bedeutung beimessen will - ebenfalls nicht von selbst. Diese Einlassung der Angekl. war nicht ohne weiteres als glaubhaft zu Grunde zu legen, da sie wusste, dass K die Schusswaffe zum Töten des N dabei hatte und die Bedingung hierfür (nicht Freigeben der Angekl. S durch N) eingetreten war. ..."
(2) Vorsätzliche Haupttat
(3) Rechtswidrige Haupttat
(4) Anstifterhandlung
Für den Begriff "Bestimmen" in § 30a II Nr. 1 BtMG gelten die allgemeinen, zu § 26 StGB entwickelten Grundsätze (BGHSt 45, 373 = NStZ 2000, 321). Zwar kann der zu einer konkreten Tat bereits fest Entschlossene nicht mehr zu ihr "bestimmt" werden. So verhält es sich jedoch nicht, wenn ein Minderjähriger erst durch die Übergabe des Rauschgifts mit der Anweisung, dieses zu bestimmten Bedingungen zu verkaufen, zu konkreten Taten des unerlaubten Handeltreibens veranlasst worden ist. In einem solchen Fall "benutzt" der Täter einen Minderjährigen zum Betäubungsmittelverkehr auch dann, wenn dieser hierzu von vornherein (allgemein) bereit war und die Bereitschaft dem Täter gegenüber auch aufgezeigt hat (BGH, Urteil vom 17.08.2000 - 4 StR 233/00).
Die Bejahung einer Anstiftung setzt weder voraus, dass der Tatbeitrag ?allein" entscheidend war, noch, dass der Täter ein eigenes Interesse am Taterfolg hat (BGH, Urteil vom 22. 3. 2000 - 3 StR 10/00).
Anstiftung i.S. des § 26 StGB ist die vorsätzliche Bestimmung eines anderen zur Begehung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Tat. Unter Bestimmen ist die Einflußnahme auf den Willen eines anderen zu verstehen, die diesen zu dem im Gesetz beschriebenen Verhalten bringt. In welcher Form und durch welche Mittel die Einflußnahme erfolgt, ist gleich (st.Rspr.; vgl. BGH Urteil vom 20.01.2000 - 4 StR 400/99).
Ein zu einer Tat bereits Entschlossener ("omnimodo facturus") kann nicht mehr angestiftet werden, jedoch liegt in einer Bestärkung seines Entschlusses psychische Beihilfe. Wird dagegen der spätere Täter veranlaßt, anstelle der Tat, zu der er entschlossen war, eine andere Tat zu begehen, so handelt es sich um eine als Anstiftung zu bewertende ?Umstiftung" (BGH, Beschluss vom 08.08.1995 - 1 StR 377/95).
(5) Anstiftervorsatz - bestimmte Haupttat
Für die Anstiftung zum Heimtückemord genügt bedingter Vorsatz des Anstifters, der auch gegeben sein kann, wenn der Anstifter aus Gleichgültigkeit mit jeder eintretenden Möglichkeit der Tatausführung einverstanden ist. Ist bei dem Täter einer bezahlten Auftragstötung das Handeln aus Habgier neben anderen Motiven nicht bewußtseinsdominant, kommen auch sonstige niedrige Beweggründe als Mordmerkmal in Betracht. Fehlt beim Anstifter der Vorsatz hinsichtlich des tatsächlich vorliegenden Mordmerkmals der Heimtücke, stellt sich der Anstifter jedoch vor, der Täter werde aus Habgier handeln, so ist tateinheitlich zur Anstiftung zum Totschlag eine versuchte Anstiftung zum Mord gegeben (BGH, Urteil vom 12.01.2005 - 2 StR 229/04).
***
?... Die Verneinung einer Anstiftung zum Mord weist ebenfalls Rechtsfehler auf. Das LG hat eine Verurteilung wegen Anstiftung zum Mord abgelehnt, weil der Angekl. S nicht nachzuweisen sei, dass die konkrete Begehungsweise der Tötung des N abgesprochen gewesen sei. Die Angekl. S habe sich vielmehr unwiderlegbar und glaubhaft dahingehend eingelassen, dass sie von dem Knall erschreckt war und konkret mit dieser Art und Weise der Tatbegehung in diesem Moment nicht gerechnet habe.
Der Tatrichter hat rechtsfehlerhaft nicht erörtert, ob die Angekl. S die Möglichkeit einer heimtückischen Tatbegehung durch K vorhergesehen und billigend in Kauf genommen hat (vgl. dazu Senatsurt. v. 16. 7. 2003 - 2 StR 68/03; BGH, NStZ 1996, 434 [435]). Der Anstiftervorsatz muss die fremde Haupttat nicht in allen Einzelheiten, sondern nur in ihren Hauptmerkmalen erfassen. In diesem Zusammenhang hätte der Tatrichter darauf eingehen müssen, dass der Mitangekl. K mit Wissen und Wolen der Angekl. S versteckt einen Revolver mit sich führte, um gegebenenfalls den N zu erschließen. Die getroffenen Feststellungen legen nahe, dass auch die Angekl. S sich bewusst war, dass N grundsätzlich ahnungslos war. Dass die Angekl. S zum Zeitpunkt der Schlussabgabe ?konkret mit dieser Art und Weise der Tatbegehung in diesem Moment nicht gerechnet hatte' - wobei die StrK ohnehin nach den getroffenen Feststellungen die Einlassung der Angekl. nicht ohne nähere Begründung als unwiderlegbar und glaubhaft ansehen durfte - schließt keinesfalls aus, dass sie die - eher naheliegende - Möglichkeit einer heimtükischen Tatbegehung durch K vorhergesehen und billigend in Kauf genommen hat. Dass sie vom Knall erschreckt war, besagt ebenfalls nichts über ihre Vorstellung zur Tatausführung. Durch die aufgezeigten Rechtsfehler werden die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen nicht berührt und können daher bestehen bleiben. ..." (BGH, Urteil vom 15. 10. 2003 - 2 StR 300/03)
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?... Auch für diese Angeklagten als Anstifter ist der Fehler der Täter C und M bei der Zuordnung des Fahrzeugs zu einem bestimmten Tatopfer rechtlich unbeachtlich. Diese Rechtsfolge für einen Anstifter hat der BGH bereits entschieden (BGHSt 37, 214, 218f.; hierzu Geppert Jura 1992, 163ff.; Küpper JR 1992, 294ff.; J. Müller MDR 1991, 830f.; Puppe NStZ 1991, 124ff.; Schlehofer GA 1992, 207ff.; Stratenwerth aaO, S. 57ff.; Streng JuS 1991, 910f.; Weßlau ZStW 104 (1992), 105ff.; abl. bes. Bemmann in FS Stree/Wessels, 1993, S. 397ff.; Roxin JZ 1991, 680f. und in FS Spendel, 1992, S. 289ff.). Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der erhobenen Kritik fest. Die dazu aufgeworfene Frage, wie die Strafbarkeit des Anstifters zu beurteilen wäre, wenn der Täter nach der Personenverwechslung auch noch das seinem Auftrag entsprechende Opfer angreifen würde, bedarf hier keiner Entscheidung.
Für die Anstifter lag hier jedenfalls die Verwechslung ebenso wie für die Täter ?in der Streubreite des ... gesehenen Risikos" (AKStGB- Zielinski aaO). Dem früheren Mitangekl. L hatten sie die Wohnungen der vorgesehenen Tatopfer gezeigt, aber keine genauere Bestimmung des Tatopfers getroffen; den später angestifteten Tätern C und M haben sie keine Vorgaben für das Erkennen der ?richtigen" Tatopfer gemacht, sondern nur Namen und Adressen mitgeteilt. Schließlich waren sie auch mit der Verwendung der in ihrer Wirkung auf beliebige Opfer unbeherrschbaren Handgranaten einverstanden. Auch ihr Vorsatz war demnach nur auf die nächsten Fahrzeugbenutzer konkretisiert. ..." (BGH, Urteil vom 07.10.1997 - 1 StR 635/96 - error in persona)
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?... Richtig ist zwar die Annahme des LG, daß Anstiftung nur in Betracht kommt, wenn ein Tatbeteiligter den Vorsatz hat, einen anderen zu einer bestimmten Tat zu veranlassen (BGHSt 34, 63ff. mit Anm. Herzberg JuS 1987, 617ff. und Roxin JZ 1986, 908ff.; für den Gehilfenvorsatz BGH Urt. v. 18. 4. 1996 - 1 StR 14/96; BayObLG JR 1992, 427 mit Anm. Wolf). Der Anstiftervorsatz muß jedoch die fremde Haupttat nicht in allen Einzelheiten, sondern nur in ihren Hauptmerkmalen erfassen. Ausreichend konkretisiert ist er zumindest dann, wenn er Umstände umfaßt, aus denen sich die durch die eigene Anstiftungshandlung verursachte fremde rechtswidrige Tat so weit erkennen läßt, daß sie dem Tatbestand einer Strafnorm zugeordnet werden kann. Ob auch verwandte Tatbestände mit gleicher Angriffsrichtung, Qualifikationen der Tat oder zusammengesetzte Tatbestände dem Anstiftervorsatz zuzurechnen sind, hängt sodann davon ab, ob die Rahmenvorstellung des Anstifters vom nachfolgenden Tatgeschehen dies umfaßt. ..." (BGH, Urteil vom 07.05.1996 - 1 StR 168/96)
***
Der Irrtum des Täters über die Person des Tatopfers ist für den Anstifter unbeachtlich, es sei denn, daß die Verwechslung des Opfers durch den Täter außerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren liegt (BGH, Entscheidung vom 25.10.1990 - 4 StR 371/90 - error in persona).
***
?... Der Vorsatz des Anstifters muß sich auf eine bestimmte Haupttat beziehen. Welche Anforderungen dabei an die Bestimmtheit zu stellen sind, ist in Schrifttum und Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Übereinstimmung herrscht darüber, daß es nicht ausreicht, wenn der Wille des Anstifters nur darauf gerichtet ist, den Täter ohne weitere Konkretisierung überhaupt zu strafbaren Handlungen oder zu Straftaten einer lediglich dem gesetzlichen Tatbestand nach beschriebenen Art (z. B. Diebstählen) zu veranlassen (RsprRGSt 9, 107 f.; RGSt 26, 361; 34, 327 f.; v. Olshausen, StGB, 11. Aufl., § 48 Anm. 7; Schäfer, in: Dalcke-Fuhrmann-Schäfer, StrafR und Strafverfahren, 37. Aufl., § 48 StGB Anm. 2a; Dreher-Tröndle, StGB, 42. Aufl., § 26 Rdnr. 6; SS-Cramer, StGB, 22. Aufl., § 26 Rdnr. 24; LK-Roxin, 10. Aufl., § 26 Rdnr. 9 und § 30 Rdnr. 24; Baumann-Weber, StrafR AT, 9. Aufl., S. 563). Damit ist der vorliegende Fall jedoch nicht entschieden; denn hier hat sich der Angekl. nicht darauf beschränkt, dem Täter überhaupt eine Straftat anzusinnen; auch hat er sich nicht damit begnügt, den zu verwirklichenden Deliktstatbestand (schwerer Raub oder schwere räuberische Erpressung) erkennbar zu machen: vielmehr waren in seinem Vorschlag bereits die in Frage kommenden Tatobjekte nach allgemeinen Artmerkmalen (?Bank oder Tankstelle') festgelegt. Darin besteht die Besonderheit, die den gegebenen Sachverhalt aus der Reihe der - soweit ersichtlich - bislang höchstrichterlich entschiedenen Fälle heraushebt.
An der Bestimmtheit der Tat fehlt es aber auch dann, wenn diese nur nach der Gattung der in Betracht kommenden Tatobjekte umrissen ist. Zum gegenteiligen Ergebnis würde allerdings die von Roxin vertretene Auffassung führen. Danach soll es genügen, wenn in der Vorstellung des Anstifters außer einem bestimmten Tatbestand die ?wesentlichen Dimensionen des Unrechts' fixiert sind, wie sie sich ?durch Auslegung des Verhaltens des Anstifters aus dem Gesamtbild der Anstiftungssituation' ergeben. Nach diesem Kriterium ist beispielsweise die Aufforderung, der andere möge seinen Lebensunterhalt durch Diebstähle bestreiten oder sich das Geld durch Diebstähle beschaffen, hinreichend bestimmt, wenn nur die Größenordnung der Beträge zwischen den Beteiligten einigermaßen feststeht (Roxin, aaO; ders., JA 1979, 169, 172) ..." (BGH, Urteil vom 21.04.1986 - 2 StR 661/85)
(6) Strafzumessung
Bei einer Verurteilung wegen Anstiftung verstößt es gegen das Doppelverwertungsverbot, wenn strafschärfend verwertet wird, dass der Angeklagte, der eigentliche Initiator der Taten war. Denn Anstiftung setzt voraus, dass ein anderer zur Begehung der vorsätzlichen rechtswidrigen Tat bestimmt wird, der Anstifter also den Entschluss zur Tat hervorruft (BGH, Beschluss vom 13.09.2001 - 4 StR 322/01).
Antrag auf gerichtliche Entscheidung - Klageerzwingung
Siehe unter ?Beschwerderecht des Verletzten".
Antragsberechtigte § 77 StGB
(1) Ist die Tat nur auf Antrag verfolgbar, so kann, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, der Verletzte den Antrag stellen.
(2) Stirbt der Verletzte, so geht sein Antragsrecht in den Fällen, die das Gesetz bestimmt, auf den Ehegatten, den Lebenspartner und die Kinder über. Hat der Verletzte weder einen Ehegatten, oder einen Lebenspartner noch Kinder hinterlassen oder sind sie vor Ablauf der Antragsfrist gestorben, so geht das Antragsrecht auf die Eltern und, wenn auch sie vor Ablauf der Antragsfrist gestorben sind, auf die Geschwister und die Enkel über. Ist ein Angehöriger an der Tat beteiligt oder ist seine Verwandtschaft erloschen, so scheidet er bei dem Übergang des Antragsrechts aus. Das Antragsrecht geht nicht über, wenn die Verfolgung dem erklärten Willen des Verletzten widerspricht.
(3) Ist der Antragsberechtigte geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig, so können der gesetzliche Vertreter in den persönlichen Angelegenheiten und derjenige, dem die Sorge für die Person des Antragsberechtigten zusteht, den Antrag stellen.
(4) Sind mehrere antragsberechtigt, so kann jeder den Antrag selbständig stellen.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Nach den Feststellungen des LG fühlte sich der Angekl., der im Jahr 2001 wegen gefährlicher Körperverletzung in 2 Fällen zu Lasten seiner früheren Ehefrau rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden war, insoweit zu Unrecht verurteilt und als Opfer einer ?Verschwörung" zwischen seiner früheren Ehefrau, deren Lebensgefährten und mehrerer Bekannten sowie einer ?Nötigung" zu einem unwahren Geständnis durch das erkennende Gericht in jenem Verfahren. Teils aus Rache, teils um die angebliche Verschwörung aufzudecken und seine Rehabilitierung zu betreiben, erstattete er aus der Strafhaft Strafanzeigen gegen mehrere in jenem Verfahren als Zeugen vernommene Personen wegen angeblicher Falschaussagen; darüber hinaus richtete er eine Vielzahl von Schreiben teils wirren, überwiegend beleidigenden Inhalts an Verfahrensbeteiligte und Behörden.
Das LG hat den Angekl. wegen Verleumdung in 3 Fällen, Beleidigung in 3 Fällen, übler Nachrede in Tateinheit mit Beleidigung, versuchter Nötigung, falscher Verdächtigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Seine hiergegen eingelegte Revision hat überwiegend Erfolg. ...
c) Der Verurteilung wegen Beleidigung in den Fällen II. 8 und II. 10 liegt zu Grunde, dass der Angekl. bei einer Anhörung durch die StVK sowie in einem Beschwerdeschreiben gegen die Einstellung der auf seine Anzeigen eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen Falschaussagen jeweils - neben zahlreichen weiteren Personen - eine Staatsanwältin beleidigte, indem er sie u.a. als ?geisteskrank" bezeichnete. Die Geschädigte war Sitzungsvertreterin der StA in der im Jahr 2001 gegen den Angekl. geführten Hauptverhandlung. Sie war auch Sachbearbeiterin des dem angefochtenen Urteil zu Grunde liegenden Ermittlungsverfahrens und in der Hauptverhandlung wiederum Sitzungsvertreterin der StA; schließlich begründete sie die - später zurückgenommene - Revision der StA. Es mangelt insoweit an der Feststellung der Verfahrensvoraussetzung wirksamer Strafanträge. Ein Strafantrag des Dienstvorgesetzten gemäß § 194 III 1 StGB ist nicht gestellt worden. Zwar könnte, wie der GBA erwogen hat, im Einzelfall in der Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durch einen selbst durch die Tat geschädigten Staatsanwalt eine konkludente Antragstellung gesehen werden. Voraussetzung für eine solche - bedenkliche - Auslegung wäre aber jedenfalls, dass dem betreffenden Staatsanwalt nicht schon durch - landesrechtliche - gesetzliche Regelung, Verwaltungsvorschrift oder Weisung die Führung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer ihn selbst betreffenden Tat untersagt ist. Hierzu verhält sich das angefochtene Urteil nicht; der Senat sieht hier keinen Anlass, die Verfahrensfrage selbst aufzuklären. ..." (BGH, Beschluss vom 14.03.2003 - 2 StR 7/03).
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Stirbt das Opfer einer Körperverletzung, so geht seine Nebenklagebefugnis nach der Änderung des Rechts der Nebenklage durch das Opferschutzgesetz vom 18.12.1996 nicht mehr auf seine in § 77 II StGB bezeichneten Angehörigen über (Aufgabe von BGHSt 33, 114 = NJW 1985, 1175 = NStZ 1985, 407; BGH, Beschluss vom 13.05.1998 - 3 StR 148/98).
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Der Strafantrag eines Minderjährigen ist nicht allein deshalb wirksam, weil der Minderjährige noch vor Ablauf der Strafantragsfrist volljährig geworden ist (BGH, Entscheidung vom 25.01.1994 - 1 StR 770/93):
?.... ... 2. Der Schuldspruch wegen Entführung wider den Willen der Entführten kann dagegen nicht bestehen bleiben:
a) Eine Verurteilung gemäß § 237 StGB erfordert gemäß § 238 StGB einen Strafantrag. Der Strafantrag ist eine Prozeßvoraussetzung, deren Vorliegen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen an Hand der Akten geprüft und deren Fehlen von Amts wegen beachtet werden muß (BGHSt 6, 155, 156; KK-Wache 3. Aufl., § 158 Rn 33 - jew. mwN). Die dementsprechend vom Senat vorgenommene Prüfung hat folgendes ergeben:
Tattag war der 1. 4. 1992. Tatopfer war die am 21. 6. 1974 geborene Daniela D. Daniela D hat am 30. 4. 1992 zu Protokoll der Polizeiinspektion Straubing erklärt, sie wolle, daß der Beschuldigte wegen der zu ihrem Nachteil begangenen Tat bestraft werde.
Zu diesem Zeitpunkt war Daniela D noch minderjährig (§ 2 BGB). Der Strafantrag eines Minderjährigen ist unwirksam. § 77 III StGB ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht dahin auszulegen, daß neben dem Minderjährigen auch dessen gesetzlicher Vertreter ein Strafantragsrecht hätte, also auch ein Strafantrag des Minderjährigen wirksam sein könnte, sondern dahin, daß bei einer zum Nachteil eines Minderjährigen begangenen Straftat nur der gesetzliche Vertreter einen wirksamen Strafantrag stellen kann (BGH NStZ 1981, 479 mwN). Der Strafantrag der Geschädigten ist daher unwirksam.
b) Der Senat hat erwogen, ob sich an diesem Ergebnis etwas ändert, weil die Geschädigte noch vor Ablauf der Strafantragsfrist (§ 77b I 1 StGB) volljährig geworden ist (zur Fristberechnung bei dieser Fallgestaltung vgl. Dreher/Tröndle 46. Aufl., § 77 Rn 18), sie selbst also einen wirksamen Strafantrag hätte stellen können. Dies war zu verneinen.
Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß ein von einem nicht Antragsberechtigten gestellter und daher unwirksamer Strafantrag wirksam werden kann, wenn der Antragsberechtigte innerhalb der Antragsfrist diesen Antrag billigt, mag auch die Billigungserklärung für sich genommen nicht den Formerfordernissen des § 158 II StPO genügen (vgl. BGH NJW 1953, 1479: Billigung des Strafantrags, den ein nicht personensorgeberechtigter Elternteil gestellt hat, durch den personensorgeberechtigten Elternteil; OLG Stuttgart Justiz 1976, 437: Billigung des Strafantrags, den ein hierzu nicht befugter Unterbezirkssekretär einer politischen Partei gestellt hat, durch den zuständigen Kreisvorsitzenden; BayObLGSt 1980, 64, 65: Billigung eines Strafantrags gemäß § 119 BetrVG, den ein hierzu nicht befugter Gewerkschaftsangestellter gestellt hat, durch den zuständigen Vorstand).
Die Übertragung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt aber nur, daß die Geschädigte nach Eintritt ihrer Volljährigkeit ihren zuvor gestellten Strafantrag hätte billigen und damit wirksam machen können, auch ohne an die Form des § 158 II StPO gebunden zu sein.
Aus Gründen der Rechtsklarheit ist jedoch erforderlich, daß die Billigung eines unwirksamen Strafantrags in irgendeiner Weise deutlich erkennbar nach außen tritt. Dies ist hier nicht geschehen. Die bloße Annahme, daß der Strafverfolgungswille eines Minderjährigen auch noch nach Eintritt der Volljährigkeit fortbesteht, genügt nicht. Bloßer Zeitablauf kann eine unwirksame Rechtshandlung nicht nachträglich wirksam machen.
Erhärtet wird dieses Ergebnis durch den Rechtsgedanken von § 108 III BGB. Auch eine zivilrechtlich bedeutsame Rechtshandlung eines Minderjährigen wird nicht automatisch mit dem Eintritt der Volljährigkeit wirksam. Erforderlich ist vielmehr zusätzlich eine Genehmigung des volljährig Gewordenen. Diese Genehmigung kann zwar konkludent erfolgen, setzt aber ein äußerlich erkennbares schlüssiges Verhalten voraus: überdies ist erforderlich, daß der frühere Minderjährige wußte oder zumindest für möglich hielt, daß seine als Minderjähriger abgegebene Erklärung für sich allein genommen nicht wirksam war (vgl. Palandt-Heinrichs 52. Aufl., § 108 Rn 4; RGRK-Krüger-Nieland 12. Aufl., § 108 Rn 11; Jauernig BGB, 6. Aufl., § 108 Anm. 1 - jew. mwN).
3. Eine Strafantragsfrist ist eine Ausschlußfrist, so daß es aus Rechtsgründen ausgeschlossen ist, der Geschädigten - die von keiner Stelle auf die Unwirksamkeit ihres Strafantrags hingewiesen worden war - für die Stellung eines wirksamen Strafantrags Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (vgl. OLG Bremen NJW 1956, 392; Dreher/Tröndle aaO, § 77b Rn 2). ..."
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Sind bei einer fortgesetzten Tat Einzelakte nur auf Antrag verfolgbar, so können nur diejenigen Einzelakte in die Strafverfolgung einbezogen werden, hinsichtlich derer ein wirksamer Antrag gestellt worden ist (BGH, Entscheidung vom 26.02.1987 - 1 StR 5/87).
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Der nichteheliche Vater, der im Unterhaltsprozeß des Kindes den Geschlechtsverkehr mit der Kindesmutter wahrheitswidrig bestritten hat, kann nur dann wegen Prozeßbetrugs verfolgt werden, wenn das Kind Strafantrag gestellt hat (BGH, Beschluss vom 16.04.1985 - 4 StR 31/85):
?... Die vom RevGer. von Amts wegen vorzunehmende Prüfung des Vorliegens der Verfahrensvoraussetzungen (Pikart, in: KK, § 337 Rdnr. 25) ergeben, daß der für die Strafverfolgung wegen versuchten Betruges gemäß §§ 263 IV, 247 StGB erforderliche Strafantrag (§ 77 StGB) fehlt:
Der Angekl. hatte in dem Rechtsstreit, in dem ihn P. S auf Feststellung der Vaterschaft und auf Zahlung des Regelunterhalts vom Tage der Geburt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres verklagt hatte, Abweisung der Klage beantragt, obwohl er, wußte, daß er mit der Kindesmutter während der Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt hatte ... und damit rechnete, der Vater" des Klägers zu sein. Der nichteheliche Vater, der im Unterhaltsprozeß des Kindes den Geschlechtsverkehr mit der Kindesmutter wahrheitswidrig bestritten hat, kann aber nur dann wegen Prozeßbetrugs verfolgt werden, wenn das Kind als geschädigter Angehöriger (§ 11 I Nr. 1a StGB) Strafantrag gestellt hat (BGHSt 7, 245).
P. S hat jedoch keinen Strafantrag gestellt. Die Strafanzeige -mit Strafantrag - wurde von K. S, dem früheren Ehemann der Angekl. M. - T. S, erstattet. Zwar ist bei der Verletzung materieller Rechtsgüter auch eine Vertretung des Verletzten bei der Antragstellung im Willen (und nicht nur in der Erklärung) möglich (RGSt 51, 84; 68, 263 [265]). Dies setzt aber voraus, daß der Vertretene den Vertreter - allgemein oder im Einzelfall - mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt, ihm diese also übertragen hatte (RGSt 61, 45 [46 f.]; Jähnke, in: LK, 10. Aufl., § 77 Rdnr. 52 f. m.w. Nachw.; Stree, in: Schönke-Schröder, StGB, 21. Aufl., § 77 Rdnr. 27). Eine solche Beauftragung des K. S durch den - bei dessen Antragstellung bereits volljährigen - P. S ist jedoch weder aus der von K. S erstatteten Strafanzeige noch aus den nachträglich erholten Äußerungen von S und S zu entnehmen. Der fehlende Strafantrag läßt sich auch nicht durch Erwägungen, was der Antragsberechtigte bei voller Kenntnis der Rechts- und Sachlage wohl getan haben würde, ersetzen (vgl. BGH, Urt. v. 15. 2. 1977 - 5 StR 577/76).
Der Senat stellt daher das Strafverfahren bezüglich des Angekl. K. S wegen Fehlens des erforderlichen und wegen Fristablaufs (§ 77b StGB) nicht mehr nachholbaren Strafantrags gemäß § 354 I i.V. mit § 260 III StPO ein. ..."
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Die Nebenklagebefugnis hinsichtlich einer vorsätzlichen Körperverletzung kann beim Tode des Verletzten auf die in § 77 II StGB bezeichneten nahen Angehörigen des Verletzten übergehen. In einem solchen Fall kann ein Rechtsmittel eines als Nebenkläger auftretenden Angehörigen darauf gestützt werden, daß der Angeklagte nicht wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist (BGH, Urteil vom 09.01.1985 - 3 StR 502/84).
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Das Strafantragsrecht nach § 22 I UWG steht auch dem Dienstherrn oder Auftraggeber des Bestochenen zu, wenn das dem Tatbestand des § 12 UWG erfüllende Verhalten ihm gegenüber "unlauter", er Verletzter ist (BGH, Entscheidung vom 18.01.1983 - 1 StR 490/82).
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Wird ein im Eigentum eines Parteikreisverbandes stehendes Wahlplakat überklebt, so ist der von einem Mitarbeiter der Kreisgeschäftsstelle im Auftrag des Kreisvorsitzenden gestellte Strafantrag wirksam (BGH, Urteil vom 19.08.1982 - 4 StR 387/82):
?... I. Verfahrensvoraussetzungen.
Der nach § 303 III StGB erforderliche Strafantrag ist entgegen der Ansicht der Revision form- und fristgerecht gestellt worden.
1. Antragsberechtigt ist der FDP-Kreisverband Siegerland-Wittgenstein. Denn dieser war Eigentümer des überklebten Plakates, er hatte es - das ergibt sich aus dem Schreiben des Kreisvorsitzenden vom 18. 2. 1980 - ?zusammen mit einer Reihe weiterer Wahlkampfmittel gekauft". Das Plakat ist auch nach dem Aufbringen auf dem Plakatträger, da dieser ebenfalls im Eigentum des genannten Kreisverbandes stand, in dessen Eigentum geblieben (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 1979, 2056; OLG Oldenburg, StrVert 1982, 347, 348 m.w. Nachw.). Als Eigentümer ist der Kreisverband Verletzter i.S. des § 303 III StGB und somit antragsberechtigt (vgl. Dreher-Tröndle, StGB, 40. Aufl., § 77 m.w. Nachw.).
Der Hinweis der Revision auf § 3 ParteienG geht fehl. Diese Vorschrift betrifft ausschließlich die Aktiv- und Passivlegitimation politischer Parteien und ihrer Gebietsverbände der jeweils höchsten Stufe in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (vgl. Seifert, Erläuterung zu § 3 ParteienG, in: Das dt. BundesR; vgl. auch LG Bonn, NJW 1976, 810; LG Frankfurt, NJW 1979, 1661). Sie berührt jedoch nicht das einem Kreisverband als Eigentümer einer beschädigten Sache zustehende Antragsrecht nach § 303 III StGB.
2. Der FDP-Kreisverband Siegerland-Wittgenstein hat mit Schreiben vom 5. 11. 1980 wirksam Strafantrag gestellt.
b) Auch sonst erfüllt das genannte Schreiben die Anforderungen, die § 77 StGB und § 158 StPO an einen Strafantrag stellen. Die Ansicht der Revision, das Schreiben enthalte schon deswegen keinen wirksamen Strafantrag, weil es nicht vom Kreisvorsitzenden, der nach § 8 IV der Satzung des genannten Kreisverbandes den Kreisvorstand nach innen und außen vertritt, sondern von der auf der Kreisgeschäftsstelle angestellten Frau G unterzeichnet ist, geht fehl. Frau G hat von dem Kreisvorsitzenden, wie aus dessen Schreiben vom 18. 2. 1981 hervorgeht, ?den ausdrücklichen Auftrag erhalten, den Strafantrag zu stellen". Sie hat somit für diesen als Vertreter in der Erklärung gehandelt, ihre Unterschrift genügt deshalb (vgl. BGH, Urt. v. 22. 2. 1973 - 4 StR 504/72; RGSt 61, 45 [46, 47]). Daß der Nachweis ihrer Bevollmächtigung erst dem genannten Schreiben des Kreisvorsitzenden, das nach Ablauf der Antragsfrist des § 77b StGB eingegangen ist, zu entnehmen war, ändert nichts an der Wirksamkeit des Antrags. Denn ein rechtzeitig für den Berechtigten gestellter Strafantrag ist auch dann wirksam, wenn der Nachweis der Bevollmächtigung erst nach Ablauf der Antragsfrist erbracht wird (vgl. RGSt 60, 281 [282]; 61, 45 [47]). Es beeinträchtigt ebenfalls nicht die Wirksamkeit des Strafantrags, daß der Wille, im Namen des Kreisvorsitzenden zu handeln, aus dem Antragsschreiben selbst nicht erkennbar hervorgeht (vgl. RGSt 61, 45 [47]). ..."
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Ist die durch eine Straftat nach § 237 StGB Geschädigte noch nicht 18 Jahre alt, können allein die gesetzlichen Vertreter einen wirksamen Strafantrag stellen (BGH, Beschluss vom 15.09.1981 - 4 StR 417/81).
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Die Ermächtigung zur Verfolgung der verfassungsfeindlichen Verunglimpfung eines Mitglieds einer Regierung kann nicht durch dessen Amtsnachfolger erteilt werden (BGH: Beschluss vom 10.06.1980 - 3 StR 42/80).
*** (OLG)
Der Insolvenzverwalter ist antragsberechtigt im Verfahren nach § 111g II StPO und auch im Adhäsionsverfahren (entgegen OLG Frankfurt a.M., NStZ 2007, 168 = NJW 2007, 1223 L; NStZ-RR 2006, 342 = NStZ 2007, 587 L; OLG Celle: Beschluss vom 08.10.2007 - 2 Ws 296/07).
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Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der durch die Tat geschädigten juristischen Person ist nicht Verletzter i.S. der §§ 111g, 111h StPO. Er kann jedenfalls dann, wenn nach Lage der Akten eine Fortführung des in Insolvenz geratenen Unternehmens nicht in Betracht kommt, auch deren Befugnisse nach diesen Vorschriften nicht ausüben (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 09.06.2006 - 3 Ws 508/06):
?... Das LG hat den Antrag zu Recht zurückgewiesen, weil der Ast. nicht Verletzter i.S. von §§ 111g und 111h StPO ist.
§ 111g StPO trägt dem Grundgedanken von § 73 I 2 StGB Rechnung, dass dem Verletzten im Strafverfahren die Durchsetzung seiner Ansprüche ermöglicht werden soll (vgl. Nack, in: KK-StPO, 5. Aufl., § 111g Rn 1; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl., § 111g Rn 1). Der Begriff des Verletzten i.S. von § 111g StPO entspricht daher auf Grund dieses Regelungszusammenhangs demjenigen des § 73 I 2 StGB. Verletzt ist danach die durch die Tat im prozessualen Sinn geschädigte natürliche oder juristische Person als Trägerin des geschützten Individualrechtsgutes, in das der Täter durch die verbotene Handlung unmittelbar eingegriffen hat (BGHSt 31, 207 [210] = NJW 1983, 1910; Lackner/Kühl, StGB, 25. Aufl., § 73 Rn 6 und § 77 Rn 6; Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., § 73 Rn 13 und § 77 Rn 2). Dies war hier allein die Schuldnerin, nicht aber der Insolvenzverwalter über ihr Vermögen.
Der Insolvenzverwalter ist auch nicht kraft seiner Stellung berechtigt, anstelle der Schuldnerin deren Rechte als Verletzte i.S. des § 111g StPO geltend zu machen. Dies ergibt sich aus der Systematik des § 77 StGB. Dort hat der Gesetzgeber für den Strafantrag ausdrücklich zwischen dem Antragsrecht des originär Verletzten (§ 77 I StGB), Fällen in denen ein Antragsberechtigter dieses Antragsrecht ausübt (§ 77 III StGB) und Fallgestaltungen unterschieden, in denen das Antragsrecht (ausnahmsweise) auf bestimmte Angehörige übergeht (§ 77 II StGB). Dazu ist anerkannt, dass der Insolvenzverwalter kraft seines Amtes für den Schuldner das Antragsrecht ausüben kann (vgl. Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., § 77 Rn 24; Lackner/Kühl, § 77 Rn 11; RGSt 33, 433; 35, 149). Dies macht ihn indessen nicht selbst zum Verletzten. Die Möglichkeit, Befugnisse des Verletzten wahrzunehmen, bedeutet kein eigenes Antragsrecht (BGHR StGB § 77 III Antragsrecht 1; vgl. auch BGHR StGB § 77 I Verletzter 1). Die Verletzteneigenschaft ist vielmehr an die juristische Person der Schuldnerin gebunden und geht weder auf die Insolvenzmasse noch auf den Insolvenzverwalter über (vgl. Senat, Beschl. v. 15. 5. 2006 - 3 Ws 466 + 507/06; OLG Hamm, NStZ-RR 1996, 11; OLG Koblenz, NJW 1988, 3275).
Eine dem § 77 III StGB entsprechende Regelung, kraft deren der Insolvenzverwalter berechtigt wäre, die Vollziehung des Arrestes für die verletzte Schuldnerin geltend zu machen, fehlt für § 111gff. StPO. Die Interessenlage spricht auch nicht dafür, den Anwendungsbereich von § 111g StPO über den Wortlaut hinaus i.S. des § 77 III StGB dahin auszudehnen, dass nicht nur der Verletzte selbst, sondern auch der Insolvenzverwalter über sein Vermögen den Antrag stellen kann. Die Privilegierung des Verletzten in § 111g StPO findet ihren Grund im persönlichen Opferschutz und der Durchsetzung der Ansprüche des Geschädigten. Demgegenüber besteht der Hauptzweck des Insolvenzverfahrens - jedenfalls in Fällen, in denen wie hier nach Lage der Akten eine Fortführung des in Insolvenz geratenen Unternehmens fern liegt - in der bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger (vgl. Senat, Beschl. v. 15. 5. 2006 - 3 Ws 466 + 507/06).
Der Insolvenzverwalter ist dadurch nicht rechtlos gestellt, denn vor den Zivilgerichten bleibt er voll handlungsfähig. ..."
***
Der (nur) für die Aufgabenkreise Vertretung bei Behörden und Vermögenssorge bestellte Betreuer ist nicht berechtigt, Strafantrag gegen einen Angehörigen des Betreuten zu stellen (OLG Köln, Beschluss vom 20.05.2005 - 8 Ss 66/05).
***
Der Strafantrag kann auch wegen einer künftigen Straftat gestellt werden, wenn diese bereits bezeichnet werden kann und ihre Begehung unmittelbar bevorsteht (OLG Düsseldorf: Entscheidung vom 09.01.1987 - 5 Ss 414/86 - 310/86 I).
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Setzt jemand den von Hausbesetzern geschaffenen rechtswidrigen Zustand durch seinen Einzug in das fremde Besitztum gemeinsam mit ihnen fort, so erstreckt sich der vom Berechtigten vor Einzug gegen Unbekannt gestellte Strafantrag auch gegen diese Person (OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 28.06.1982 - 2 Ss 258/82-179/82 II).
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In Nordrhein-Westfalen kann der Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs von dem Sachbearbeiter des Rechtsamts der Verwaltung einer Großstadt, soweit er nach deren Organisationsrecht dazu befugt ist, wirksam für die Gemeinde gestellt werden (OLG Köln, Urteil vom 10.06.1982 - 1 Ss 738/81).
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Der Leiter einer Straßenmeisterei ist Organ des jeweiligen Straßenbauamtes und deshalb berechtigt, innerhalb des ihm zugewiesenen Wirkungskreises das Strafantragsrecht auszuüben (OLG Celle, Urteil vom 17.11.1980 - 2 Ss 239/80):
?... Auch der Strafantrag des Leiters der Straßenmeisterei Hermannsburg ist vom AG zutreffend für rechtswirksam gehalten worden. Es fehlt zwar an einer ausdrücklichen Ermächtigung des Straßenmeisters durch den Leiter des zuständigen Straßenbauamtes, Strafantrag zu stellen, seine Strafantragsbefugnis ergibt sich jedoch aus den vom Niedersächsischen Landesverwaltungsamt als oberer Landesbehörde verfügten ?Dienstaufgaben der Straßenmeistereien und Autobahnmeistereien der niedersächsischen Straßenbauverwaltung" vom 17. 8. 1973 und der ?Dienstvorschrift für die Leiter der Straßenmeistereien und Autobahnmeistereien der niedersächsischen Straßenbauverwaltung" vom 5. 7. 1973. Danach vertritt der Leiter der Straßenmeisterei die niedersächsische Straßenbauverwaltung gegenüber Dritten im Rahmen der ihm übertragenen Dienstgeschäfte. Ihm sind zur selbständigen Erledigung alle erforderlichen Anordnungen und Maßnahmen, die für den Betrieb der Straßenmeisterei und seiner Dienstaufgaben erforderlich sind, übertragen worden. U. a. ist er für die Verwaltung, Unterhaltung und Verkehrssicherheit der Straßen des überörtlichen Verkehrs seines Bezirks einschließlich des Zubehörs und der Nebenanlagen verantwortlich.
Im Rahmen seiner Organerrichtungsgewalt konnte das Landesverwaltungsamt diese Regelung verfügen, ohne daß es einer förmlichen Errichtung durch Gesetz oder Verordnung bedurfte (Wolff-Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Aufl., § 78 IIc 5, § 78 IIIa 2 bis 4). Auch bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen die generelle Ermächtigung. Als Außenstellen sind die Straßenmeistereien Abteilungen der jeweiligen Straßenbauämter mit selbständigen Tätigkeitsmerkmalen (OLG Oldenburg, Beschl. v. 7. 9. 1979 - Ss 438/79; Weber, Das Organisationsgefüge des Landes Niedersachsen, Neues Archiv f. Nds., Sonderh. Mai 1968). Der Leiter einer Straßenmeisterei ist damit Organ des jeweiligen Straßenbauamtes und deshalb berechtigt, innerhalb des ihm zugewiesenen Wirkungskreises das Strafantragsrecht auszuüben. (Zum Strafantragsrecht bei juristischen Personen vgl. RG, GA 1963, 116; Stree, in: Schönke-Schröder, StGB, 20. Aufl., § 77 Rdnr. 14.) Mit dieser Auffassung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu der Auffassung des OLG Oldenburg (aaO). Das OLG Oldenburg hatte die Frage einer generellen Ermächtigung des Leiters einer Straßenmeisterei nicht zu entscheiden. In dem dort entschiedenen Fall lag eine ausdrückliche Ermächtigung des Leiters des Straßenbauamtes vor. ..."
Anwaltlicher Beistand § 68 b StPO
Zeugen, die noch keinen anwaltlichen Beistand haben, kann für die Dauer der Vernehmung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn ersichtlich ist, daß sie ihre Befugnisse bei der Vernehmung nicht selbst wahrnehmen können und ihren schutzwürdigen Interessen auf andere Weise nicht Rechnung getragen werden kann. Hat die Vernehmung
1. ein Verbrechen,
2. ein Vergehen nach den §§ 174 bis 174 c, 176, 179 Abs. 1 bis 4, §§ 180, 180 b, 182, 225 Abs. 1 oder 2 des Strafgesetzbuches oder
3. ein sonstiges Vergehen von erheblicher Bedeutung, das gewerbs- oder gewohnheitsmäßig oder von einem Bandenmitglied oder in anderer Weise organisiert begangen worden ist,
zum Gegenstand, so ist die Beiordnung auf Antrag des Zeugen oder der Staatsanwaltschaft anzuordnen, soweit die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen. Für die Beiordnung gelten § 141 Abs. 4 und § 142 Abs. 1 entsprechend. Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Die Verfassungsbeschwerde betrifft den Ausschluss eines anwaltlichen Beistands von der Zeugenvernehmung.
1. In einem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Gummersbach, welches Korruptionsvorwürfe in der Energiewirtschaft zum Gegenstand hatte, wurde der Beschwerdeführer als Zeuge geladen. Er erschien mit einem zuvor mandatierten Rechtsanwalt. Ausweislich des Sitzungsprotokolls gestaltete sich der Verfahrensablauf wie folgt:
Aufruf des Zeugen G. Der Zeuge G. erschien in Begleitung seines Zeugenbeistands Rechtsanwalt Dr. V. Herr Rechtsanwalt Dr. V. erklärte, dass sein Mandant, Herr Rechtsanwalt G., eine Unterstützung bei seiner Aussage im Hinblick auf § 55 StPO benötige und wünsche. Es wurde Gelegenheit zu Stellungnahmen gegeben. Die Staatsanwaltschaft sah unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung und des § 55 StPO keine Veranlassung, Herrn Rechtsanwalt Dr. V. als Zeugenbeistand zuzulassen. Das Gericht zog sich um 10:09 Uhr zur Beratung zurück. Die Sitzung wurde um 10:18 Uhr mit allen Prozessbeteiligten wie vor der Unterbrechung fortgesetzt. Es erging folgender Gerichtsbeschluss: b.u.v. Es wird festgestellt, dass der Zeuge nicht berechtigt ist, einen Zeugenbeistand zu seiner Vernehmung hinzuzuziehen. Rechtsanwalt Dr. V. beantragte zu diesem Beschluss rechtliches Gehör. Das rechtliche Gehör wurde Herrn Rechtsanwalt Dr. V. gewährt, er gab eine Erklärung ab. Die Erklärung wurde durch das Gericht zur Kenntnis genommen. Herr Rechtsanwalt Dr. V. erklärte für den Zeugen, dass dieser sich das Recht vorbehalte, Verfassungsbeschwerde einzulegen. Rechtsanwalt Dr. V. nahm im Zuschauerraum des Sitzungssaales Platz. Einvernahme des Zeugen G.: ?
2. Die hiernach eingelegte Beschwerde verwarf das Landgericht Köln durch Beschluss vom 14. April 2009 als unzulässig.
3. Durch Urteil des Amtsgerichts Gummersbach vom 27. April 2009 wurden die vier Angeklagten des Ausgangsverfahrens wegen Vorteilsannahme und Beihilfe zur Vorteilsannahme und in Einzelfällen wegen Untreue zu Geldstrafen verurteilt. Das Berufungsverfahren ist vor dem Landgericht Köln anhängig.
4. Mit der fristgerecht eingereichten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Er sei deshalb mit einem Rechtsanwalt erschienen, da er befürchtete, sich oder seiner Arbeitgeberin durch seine Aussage zu dem Problemkomplex ?Korruptionsverdacht in der Energiewirtschaft" ungewollt zu schaden. Die Frage des Vorsitzenden, ob er sich durch die bevorstehende Vernehmung konkret der Gefahr ausgesetzt sehe, von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen zu müssen, habe der Beschwerdeführer aus Angst, ein de-facto-Geständnis potentieller eigener Straftaten abzugeben, durch seinen Rechtsanwalt verneinen lassen. Der Schutz des fairen Verfahrens sei jedoch nicht auf die Fälle beschränkt, in denen der Zeuge erwäge, sich auf § 55 StPO zu berufen. Für den Ausschluss des Zeugenbeistands fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Dieser sei zudem zur Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig gewesen. Es habe keine Gefahr bestanden, dass der Beistand seine Rechte missbrauchen werde.
5. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen, der Bundesgerichtshof sowie der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Generalbundesanwalt hält die Verfassungsbeschwerde nach dem vorgetragenen Sachverhalt für zulässig und begründet.
Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung der Kammer sind gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum Recht eines Zeugen auf Zuziehung eines anwaltlichen Beistands hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. BVerfGE 38, 105; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. April 2000 - 1 BvR 1331/99 -, NStZ 2000, S. 434 (435)). Danach ist die zulässige Verfassungsbeschwerde in einem die Entscheidungskompetenz der Kammer eröffnenden Sinn offensichtlich begründet.
Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein faires Verfahren, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
Die diesem immanente Forderung nach verfahrensmäßiger Selbständigkeit des in ein justizförmiges Verfahren hineingezogenen Bürgers bei der Wahrnehmung ihm eingeräumter prozessualer Rechte und Möglichkeiten gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten gebietet es, auch dem Zeugen grundsätzlich das Recht zuzubilligen, einen Rechtsbeistand seines Vertrauens zu der Vernehmung hinzuzuziehen, wenn er das für erforderlich hält, um von seinen prozessualen Befugnissen selbständig und seinen Interessen entsprechend sachgerecht Gebrauch zu machen. Die Lage des Zeugen, der sich in Erfüllung seiner allgemeinen staatsbürgerlichen Zeugenpflichten der Gefahr eigener Verfolgung aussetzt, weist enge Bezüge zu der Situation des Beschuldigten auf (vgl. BVerfGE 38, 105 (112)). Im Gegensatz zu diesem unterliegt der Zeuge jedoch grundsätzlich der Aussage- und Wahrheitspflicht mit den sie sichernden Zwangsmitteln und Strafandrohungen. Er darf Belastendes nicht bloß verschweigen, sondern muss ausdrücklich ablehnen, ihm gefährlich erscheinende Fragen zu beantworten mit den damit verbundenen ungünstigen Auswirkungen gegenüber Verfahrensbeteiligten und Öffentlichkeit. Frei vom Aussagezwang ist dieser Zeuge erst, wenn er selbständig und sachgerecht über die Ausübung oder Nichtausübung des Auskunftsverweigerungsrechts entscheiden kann (vgl. BVerfGE 38, 105 (113)).
Das Recht auf ein faires Verfahren gewährleistet dem Zeugen jedoch nicht schlechthin ein allgemeines Recht auf Rechtsbeistand. Mit dem Postulat der Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen, wirksamen Rechtspflege ist es nicht vereinbar, die Mitwirkung eines Rechtsbeistands in jedem Fall und ohne jede Einschränkung zu dulden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt vielmehr eine Abwägung zwischen dem Anspruch des Zeugen und dem öffentlichen Interesse an der Effizienz des Strafprozesses, die die Behörden und Gerichte unter Beachtung aller persönlichen und tatsächlichen Umstände des Einzelfalles vorzunehmen haben. Für die Hinzuziehung eines Rechtsbeistands bedarf es daher einer besonderen rechtsstaatlichen Legitimation, die sich in unterschiedlicher Ausprägung aus der jeweiligen besonderen Lage des Zeugen, insbesondere aus den ihm im eigenen Interesse eingeräumten prozessualen Befugnissen bei der Erfüllung der allgemeinen staatsbürgerlichen Zeugenpflichten ergibt (vgl. BVerfGE 38, 105 (118)).
Diesen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses eines Zeugenbeistands entspricht die angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts Gummersbach nicht.
Es fehlt an einer Abwägung zwischen den Interessen des Zeugen und denen des Staates an der Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege. Unabhängig von der Frage, wie sich bereits das Fehlen einer expliziten Rechtsgrundlage für den Ausschluss eines Zeugenbeistands (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. April 2000 - 1 BvR 1331/99 -, NStZ 2000, S. 434 (435); zur Untauglichkeit des § 68b StPO a.F. als Rechtsgrundlage vgl. BTDrucks 13/7165, S. 8; 16/12098, S. 10, 15; Ignor/Bertheau, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2008, § 68b Rn. 1) im Rahmen der Prüfung des fairen Verfahrens auswirkt, ist vorliegend nicht ersichtlich, dass die Zurückweisung des Beistands zur Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen, wirksamen Rechtspflege erforderlich war. Ein Anwalt kann von der Vertretung des Zeugen dann ausgeschlossen werden, wenn seine Teilnahme erkennbar dazu missbraucht wird, eine geordnete und effektive Beweiserhebung zu erschweren oder zu verhindern und damit das Auffinden einer materiell richtigen und gerechten Entscheidung zu beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 38, 105 (120)). Anhaltspunkte hierfür sind in der angegriffenen Entscheidung nicht aufgezeigt.
a) Eine Abwägung ist nicht deshalb entbehrlich, weil der Zeuge vor Beginn seiner Vernehmung keine näheren Angaben zum Grund der Hinzuziehung eines Beistands machte, sondern sich zunächst lediglich pauschal auf § 55 StPO berief. Nicht der Zeuge muss deren Notwendigkeit darlegen; der Ausschluss des Beistands bedarf der Rechtfertigung (vgl. auch Rogall, in: Systematischer Kommentar zur StPO, 62. Lieferung [Juli 2009], Vor § 48 Rn. 108; vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. April 1983 - 2 BvR 307/83 -, NStZ 1983, S. 374 (375)). Maßgebend ist, ob der Zeuge die Mitwirkung des Beistands für erforderlich hält, um seine prozessualen Rechte wahrzunehmen. Diese sind vielgestaltig: neben dem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO fallen hierunter auch das Beanstandungsrecht bei Fragen, die unter § 68a StPO fallen sowie solchen, die unzulässig, ungeeignet sind oder nicht zur Sache gehören, § 241 Abs. 2 StPO. Ferner Anträge auf Ausschluss der Öffentlichkeit, §§ 171b, 172 GVG, z.B. zur Wahrung eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses, Anträge auf Ausschluss des Beschuldigten, § 247 StPO, das Recht auf Abgabe eines zusammenhängenden Berichts, § 69 Abs. 1 Satz 1 StPO, die Einflussnahme bei der Protokollierung sowie generell die Vermeidung von Aussagefehlern und Missverständnissen (vgl. BVerfGE 38, 105 (117); Thomas, NStZ 1982, S. 489 (492); Krey, in: Gedächtnischrift für Karlheinz Meyer, 1990, S. 239 (260f.)). Diese weiteren Rechte des Zeugen lassen sich als zukünftiges prozessuales Geschehen zwar nahezu immer abstrakt, höchst selten aber konkret vorhersehen (vgl. Thomas, a.a.O.). Selbst wenn der Zeuge seine Rechte kennt, kann er sich somit in der Mehrzahl der Fälle vor seiner Vernehmung lediglich pauschal hierauf berufen, wodurch eine konkrete Begründungspflicht regelmäßig keine nähere Sachverhaltsaufklärung ermöglicht. Vom Zeugen entsprechende Ausführungen zum Grund des Erscheinens in Begleitung eines Rechtsbeistands zu verlangen, würde ihn auch der Gefahr aussetzen, solche Angaben zu machen, vor deren Offenbarung im Rahmen der Vernehmung ihn § 55 StPO gerade schützen will (vgl. Lüdeke, Der Zeugenbeistand, 1995, S. 56).
Den Interessen an einer effektiven Strafverfolgung und einem geordneten, auf die Wahrheitsfindung fokussierten Ablauf der Hauptverhandlung ist dann Rechnung getragen, wenn der Beistand bei einer Gefährdung dieser Ziele ausgeschlossen werden kann. Um dies zu ergründen, ist das Gericht durchaus befugt, die Umstände der Hinzuziehung eines Zeugenbeistands aufzuklären und entsprechende Fragen sowohl an den Zeugen als auch an dessen Beistand zu stellen, da es erst hierdurch in die Lage versetzt wird, etwaige Ausschlussgründe - jetzt gemäß § 68b Abs. 1 StPO - zu prüfen. Demgegenüber trifft den Zeugen grundsätzlich keine Rechtfertigungspflicht für das Erscheinen in Begleitung eines Rechtsbeistands. Eine Beeinträchtigung der effektiven Strafverfolgung besteht in der Regel nicht bereits dann, wenn der Zeuge keine Angaben zur eigentlichen Erforderlichkeit der Mitwirkung eines Beistands macht (vgl. König, in: Festschrift für Riess, 2002, S. 243 (245); BGH, Urteil vom 20. April 1989 - 4 StR 69/89 -, juris, Rn. 8).
b) Die Verneinung der Frage, ob der Beschwerdeführer davon ausgehe, sich im Rahmen der bevorstehenden Vernehmung auf § 55 StPO zu berufen, vermag einen Ausschluss des Zeugenbeistands nicht zu rechtfertigen (vgl. Rogall, in: Systematischer Kommentar zur StPO, 62. Lieferung [Juli 2009], Vor § 48 Rn. 108). Bei § 55 Abs. 1 StPO handelt es sich nicht um ein generelles Aussageverweigerungs-, sondern um ein auf einzelne Fragen beschränktes Auskunftsverweigerungsrecht. Es gibt dem Zeugen die situative Befugnis, einzelne Fragen nicht zu beantworten (vgl. Rogall, in: Systematischer Kommentar zur StPO, 62. Lieferung [Juli 2009], § 55 Rn. 20, zur Ausnahme s. Rn. 51; Ignor/Bertheau, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2008, § 55 Rn. 5). Zwar ist es möglich, dass der Zeuge schon vor seinem Bericht (§ 69 Abs. 1 StPO) allein anhand des ihm mitgeteilten Beweisthemas die Gefahr einer Selbstbelastung erkennen und die Auskunft über einzelne Tatsachen, Sachverhaltskomplexe oder in Gänze verweigern kann. Vom letzteren Fall abgesehen, wird der Zeuge im Verhör (§ 69 Abs. 2 StPO) jedoch erst im Einzelfall je nach dem Inhalt an ihn gestellter Fragen entscheiden können, ob er sich durch deren Beantwortung der Gefahr eigener strafrechtlicher Verfolgung aussetzt (vgl. Rogall, in: Systematischer Kommentar zur StPO, 62. Lieferung [Juli 2009], § 55 Rn. 34). Es ist ihm daher grundsätzlich unmöglich, ex ante ein etwaiges Eingreifen des Auskunftsverweigerungsrechts zu prognostizieren. Inwiefern im vorliegenden Fall, auch mit Blick auf die Profession des Beschwerdeführers als Rechtsanwalt, etwas anderes gelten könnte, hat das Amtsgericht nicht dargelegt. ..." (BVerfG, Beschluss vom 10.03.2010 - 2 BvR 941/09)
*** (OLG)
Eine - im Rahmen des Beschwerdeverfahrens allein überprüfbare - Gesetzeswidrigkeit einer Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht liegt vor, wenn eine solche im Gesetz nicht vorgesehen, unverhältnismäßig oder unzumutbar ist. Auch hat die Strafvollstreckungskammer in ihren Weisungen das verbotene oder verlangte Verhalten genau zu bestimmen. Hingegen findet eine Überprüfung der Zweckmäßigkeit im Beschwerdeverfahren nicht statt. Im übrigen kommen die Vorschriften und Rechtsgrundsätze des einfachen Beschwerdeverfahrens uneingeschränkt zur Anwendung. Ist der Verurteilte aufgrund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht in der Lage, die bei einer Vorstellungsanweisung in einer Forensischen Ambulanz entstehenden Reisekosten zu tragen, muß die Staatskasse für diese aufkommen. Aus Gründen der Klarstellung und der Fürsorgepflicht ist es angezeigt, daß die Strafvollstreckungskammer in ihrem die Führungsaufsicht ausgestalteten Beschluss den Verurteilten ausdrücklich darauf hinweist, ob sie die ihm erteilten Weisungen - strafbewehrt - auf § 68b Abs. 1 StGB oder - nicht strafbewehrt - auf § 68b Abs. StGB stützt (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.08.2010 - 1 Ws 107/10 zu + StGB § 68b ff.; StPO §§ 453 Abs. 2, 454 Abs. 2, 463 Abs. 2).
***
Die im Rahmen der Führungsaufsicht erteilte Weisung an den Verurteilten, ?eine Verhaltenstherapie zur Auseinandersetzung und Behandlung eines latenten Gewaltpotentials durchzuführen', genügt ihrem Inhalt nach nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz. Das Gericht hat, soweit dies im Zeitpunkt der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer bereits möglich ist und anderenfalls, sobald eine geeignete Einrichtung gefunden ist, nicht nur die Art der Therapie, sondern auch die betreffende Therapieeinrichtung sowie den Zeitpunkt des Therapiebeginns zu bezeichnen (OLG Naumburg, Beschluss vom 26.02.2010 - 1 Ws 78/10).
***
Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht müssen in der Sache überprüfbar sein. Erst die genaue Bestimmung gibt § 145a StGB, für den die Weisung die Funktion einer Blankettausfüllung hat, die Kontur und gewährleistet so seine Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz. Die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts nach § 68b StGB ohne individuelle Konkretisierung für den Einzelfall genügt nicht (OLG Dresden, Beschluss vom 27.10.2009 - 2 Ws 509/09).
***
Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht nach § 68b StGB unterliegen immanenten Schranken, die sich sowohl aus dem spezialpräventiven Zweck der Führungsaufsicht als auch aus dem notwendig inneren Bezug der Weisung zur jeweils zugrundeliegenden Straftat ergeben; das Überschreiten dieser immanenten Beschränkung stellt einen Weisungsfehlgebrauch dar und führt zur Gesetzeswidrigkeit (OLG Dresden, Beschluss vom 11.09.2009 - Ws 409/09).
***
Nach § 68 b StPO ist auch die eine Beiordnung ablehnende Entscheidung unanfechtbar (OLG Hamm StV 2001, 103).
Siehe auch unter" Zeugenbeistand".
Anwendbarkeit Deutschen Rechts
Siehe unter ?Deutsches Recht - Anwendbarkeit".
Anwendung - Jugendstrafrecht
Siehe unter ?Jugendstrafrecht - Anwendung".
Anwesenheitspflicht des Angeklagten
Siehe unter ?Entbindung des Angeklagten von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung" und ?Pflicht des Angeklagten zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung".
Anwesenheit des Dolmetschers in der Hauptverhandlung
Siehe unter ?Dolmetscher".
Anwesenheit des Sachverständigen in der Hauptverhandlung
Die ständige Anwesenheit eines Sachverständigen in der Hauptverhandlung im Rahmen eines Sicherungsverfahrens wird vom Gesetz nicht gefordert. Soll mit der Revision beanstandet werden, daß der Sachverständige einem wesentlichen Teil der Hauptverhandlung nicht beigewohnt hat, der ihm ein zutreffendes Bild von der Persönlichkeit des Beschuldigten und dessen Zustand vermittelt hätte, muß diesbezüglich eine Aufklärungsrüge erhoben werden (BGH StV 1999, 470).
Anwesenheit des Verteidigers in der Hauptverhandlung
Der Pflichtverteidiger ist verpflichtet, der gesamten Dauer der Hauptverhandlung beizuwohnen. Er darf sich nicht entfernen. Eine zeitweilige Vertretung durch einen anderen Rechtsanwalt ist möglich.
Begibt sich der Verteidiger nach Ablehnung eines Entpflichtungsantrags unter Ablegung der Robe in den Zuschauerraum, gibt er eindeutig zu erkennen, daß er sich weigert, die Verteidigung weiter zu führen. Der Angekl. ist von diesem Zeitpunkt an nicht mehr verteidigt, so daß das Verfahren nicht zu Ende geführt werden kann (BGH StV 1993, 566 f).
Anwesenheitsrechte
Der Verteidiger ist nicht berechtigt, gelegentlich der polizeilichen Vernehmung seines Beschuldigten Mandanten anwesend zu sein. Er wird deshalb den von ihm vertretenen Beschuldigten nicht anraten, bei der Polizei auszusagen. Etwas anderes mag gelten, wenn ihm durch die Polizei die Anwesenheit bei der Vernehmung gestattet wird. Befleißigt sich der vernehmende Beamte einer Vernehmungstaktik, die dazu nur dazu bestimmt und geeignet ist, dass sich der verteidigte Beschuldigte massiv belastet, ohne dass die Bereitschaft besteht, entlastende Umstände zur Kenntnis zu nehmen, so rät der Verteidiger zum sofortigen Schweigen. Entsprechendes gilt, wenn der vernehmende Beamte anordnet, dass sich der Verteidiger während der Vernehmung jeglicher Intervention zum Schutze des Beschuldigten zu enthalten hat und nicht ?dazwischen reden" soll. Im übrigen wissen gut ausgebildete Kriminalisten die ?aktive" Mitwirkung eines erfahrenen Verteidigers bei der Vernehmung durchaus zu schätzen.
Eine Einlassung des Beschuldigten kommt schon eher bei einer staatsanwaltlichen Vernehmung in Betracht. Hier hat der Verteidiger ein Anwesenheitsrecht (§§ 163 a III 1, 168 c I StPO).
***
Ehegatten, gesetzliche Vertreter und Erziehungsberechtigte haben das Recht, in der Hauptverhandlung als Beistand zugelassen und auf Verlangen gehört zu werden (§ 67 I JGG und § 149 StPO). Die entsprechende Beteiligung im polizeilichen Ermittlungsverfahren zulässig und möglich, u.U. sogar hilfreich.
Zeugen oder Geschädigten kann gestattet werden, eine Person ihres Vertrauens hinzuzuziehen (Nr. 19 a RiStBV). Allerdings darf dadurch nicht der Untersuchungszweck gefährdet werden. Bei sexuellen Gewaltdelikten gegen Frauen ist dem Opfer stets eine Person des Vertrauens zur psychischen Unterstützung zuzulassen; wobei allerdings stets an die Gefahr unlauterer Absprachen des Aussageverhaltens zu denken ist.
Anwesenheitsrecht bei richterlichen Ermittlungshandlungen § 168 c StPO
(1) Bei der richterlichen Vernehmung des Beschuldigten ist der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet.
(2) Bei der richterlichen Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen ist der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet.
(3) Der Richter kann einen Beschuldigten von der Anwesenheit bei der Verhandlung ausschließen, wenn dessen Anwesenheit den Untersuchungszweck gefährden würde. Dies gilt namentlich dann, wenn zu befürchten ist, daß ein Zeuge in Gegenwart des Beschuldigten nicht die Wahrheit sagen werde.
(4) Hat ein nicht in Freiheit befindlicher Beschuldigter einen Verteidiger, so steht ihm ein Anspruch auf Anwesenheit nur bei solchen Terminen zu, die an der Gerichtsstelle des Ortes abgehalten werden, wo er in Haft ist.
(5) Von den Terminen sind die zur Anwesenheit Berechtigten vorher zu benachrichtigen. Die Benachrichtigung unterbleibt, wenn sie den Untersuchungserfolg gefährden würde. Auf die Verlegung eines Termins wegen Verhinderung haben die zur Anwesenheit Berechtigten keinen Anspruch.
Leitsätze/Entscheidungen:
Aus dem Prozessgrundrecht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren lässt sich kein Rechtssatz des Inhalts ableiten, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnen Beweise stets unzulässig wäre. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass bei polizeilichen Vernehmungen Anwesenheitsrechte von Verteidigern und weiteren Beschuldigten nicht vorgesehen sind; Gleiches gilt für die an dem Gesetzeswortlaut des § 168c II StPO orientierte Auslegung, nach der ein derartiges Anwesenheitsrecht auch bei der richterlichen Vernehmung einer anderen Person als der eines Zeugen im Vorverfahren, namentlich eines Beschuldigten, grundsätzlich nicht besteht. Zu den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen, unter denen trotz Nichtgewährung des Konfrontationsrechts Zeugenaussagen bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden dürfen (BVerfG, Beschluss vom 05.07.2006 - 2 BvR 1317/05).
*** (BGH)
Allein das Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 168c Abs. 3 StPO macht die Benachrichtigung des Beschuldigten vom Termin zur richterlichen Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen nicht entbehrlich, denn sie dient der Wahrung seiner Rechte auch über ein Ermöglichen des Erscheinens hinaus (BGH, Beschluss vom 03.03.2011 - 3 StR 34/11):
?... Soweit das LG seine Überzeugung, der Angekl. habe sich vor dem Haftrichter wahrheitsgemäß eingelassen, auch mit dem Inhalt der Aussage der Geschädigten bei ihrer Vernehmung durch den Zeugen Richter am AG S. begründet, ist das Urt. nicht frei von Rechtsfehlern.
1. Die Beweiswürdigung begegnet bereits sachlich-rechtlichen Bedenken. Sachverständig beraten hat das LG die Geschädigte für glaubwürdig und ihre vom Zeugen wiedergegebene Aussage für glaubhaft erachtet. Gleichwohl hat es sich nicht davon überzeugen können, dass der Angekl. mit der Geschädigten - wie von ihr geschildert - auch in den Fällen II. 2. und 3. der Urteilsgründe den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog. Weshalb es den Angaben der Geschädigten in diesen Fällen nur teilweise, im Falle II. 1. dagegen insgesamt gefolgt ist, legt es nicht dar. Diesen Widerspruch aufzulösen hätte es sich indes veranlasst sehen müssen. Hat der Tatrichter Zweifel an der Glaubhaftigkeit einzelner Teile einer Zeugenaussage, so muss er dem Revisionsgericht die Überprüfung ermöglichen, ob seine Annahme, dies lasse deren Beweiswert im Übrigen unberührt und stelle deren Tauglichkeit nicht insgesamt in Frage, auf rechtsfehlerfreien Erwägungen beruht.
2. Darüber hinaus rügt die Revision zu Recht, dass das LG diese Aussage nach § 252 StPO nicht hätte verwerten dürfen. Die Geschädigte hat in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO) Gebrauch gemacht. Der Behandlung ihrer Vernehmung durch Richter am AG S. als richterliche - und damit dessen Vernehmung zum Inhalt der Aussage - steht entgegen, dass der Bf. von dem Termin nicht gem. § 168c Abs. 5 Satz 1 StPO benachrichtigt worden ist; Raum für eine Abwägung, ob die Umstände des Einzelfalles die Annahme eines Verwertungsverbots gebieten, verbleibt in einem solchen Falle nicht (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 168c Rn. 6 m.w.N.). Allein das Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 168c Abs. 3 StPO macht die Benachrichtigung des Besch. vom Termin zur richterlichen Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen nicht entbehrlich, denn sie dient der Wahrung seiner Rechte auch über ein Ermöglichen des Erscheinens hinaus (LR-Erb, StPO, 26. Aufl., § 168c Rn. 37). Ob etwas anderes dann gilt, wenn der Besch. bereits ausgeschlossen worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 03.11.1982 - 2 StR 434/82, BGHSt 31, 140, 142 [= StV 1983, 51]), kann offen bleiben. Dass nicht nur die Anwesenheit des Bf. bei der Vernehmung, sondern auch schon dessen Benachrichtigung vom Termin den Untersuchungserfolg gefährdet hätte (§ 168c Abs. 5 Satz 2 StPO), legt das LG in seinem den Widerspruch gegen die Verwertung zurückweisenden Beschluss nicht dar. ..."
***
Der Verstoß gegen die Benachrichtigungspflicht aus § 168c Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 StPO führt nicht zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich eines Mitbeschuldigten (BGH, Beschluss vom 17.02.2009 - 1 StR 691/08).
***
Nach dem am 2. 2. 2006 in Kraft getretenen Art. 4 Abs. 1 EU-RhÜbK gilt in den betreffenden Vertragsstaaten bei in Erledigung von Rechtshilfeersuchen durchgeführten Vernehmungen das Recht des ersuchenden Staates. Demnach ist eine gemäß französischem Verfahrensrecht ohne Benachrichtigung des Verteidigers zulässige richterliche Zeugenvernehmung in Erledigung eines deutschen Rechtshilfeersuchens nicht verwertbar, wenn die richterliche Vernehmung ohne Benachrichtigung des Verteidigers erfolgte (BGH, Beschluss vom 15.03.2007 - 5 StR 53/07 zu StPO §§ 251 Abs. 2, 168 c Abs. 5; EU-RhÜbK Art. 4 Abs.).
***
?... Die Revisionen machen mit Recht geltend, dass infolge von Fehlern im Ermittlungsverfahren das Recht der Angeklagten auf konfrontative Befragung der Geschädigten nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK verletzt wurde. Da die Angaben der Geschädigten nicht durch gewichtige Gesichtspunkte außerhalb ihrer Aussage gestützt werden, kann das Urteil keinen Bestand haben.
1. Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK garantiert - als eine besondere Ausformung des Grundsatzes des fairen Verfahrens nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK - das Recht des Angeklagten, ?Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen'. Die Befragung des Zeugen hat dabei grundsätzlich, aber nicht zwingend in der Hauptverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten zu erfolgen. Ist ein Zeuge lediglich im Ermittlungsverfahren oder sonst außerhalb der Hauptverhandlung vernommen worden, muss dem Angeklagten entweder zu dem Zeitpunkt, in dem der Zeuge seine Aussage macht, oder in einem späteren Verfahrensstadium die Gelegenheit gegeben werden, den Zeugen selbst zu befragen, unter Umständen über seinen Verteidiger befragen zu lassen. Selbst wenn der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt die Gelegenheit zur konfrontativen Befragung des Zeugen hatte, verstößt dies jedoch nicht ohne weiteres gegen Art. 6 Abs. 3 Buchst. d i.V.m. Abs. 1 Satz 1 MRK. Entscheidend ist vielmehr, ob das Verfahren in seiner Gesamtheit einschließlich der Art und Weise der Beweiserhebung und -würdigung fair war (st. Rspr.; vgl. EGMR, Urteile vom 19. Dezember 1990 - Nr. 26/1989/186/246 - Delta gegen Frankreich = ÖJZ 1991, 425, 426; vom 28. August 1992 - Nr. 39/1991/291/362 - Artner gegen Österreich = EuGRZ 1992, 476; vom 7. August 1996 - Nr. 48/1995/554/640 - Ferrantelli und Santangelo gegen Italien = ÖJZ 1997, 151, 152; vom 14. Dezember 1999 - Nr. 37019/97 - A.M. gegen Italien = StraFo 2000, 374, 375; vom 18. Oktober 2001 - Nr. 37225/97 - N.F.B. gegen Deutschland = NJW 2003, 2297; vom 20. Dezember 2001 - Nr. 33900/96 - P.S. gegen Deutschland = NJW 2003, 2893, 2894; vom 23. November 2005 - Nr. 73047/01 - Haas gegen Deutschland = JR 2006, 289, 291; BGHSt 46, 93, 94 ff. m. w. Nachw.; BGH NStZ 2004, 505, 506; 2005, 224, 225; NStZ-RR 2005, 321).
Bei der Prüfung, ob insgesamt ein faires Verfahren vorlag, kommt es nach der Rechtsprechung des EGMR insbesondere auch darauf an, ob der Umstand, dass der Angeklagte keine Gelegenheit zur konfrontativen Befragung hatte, der Justiz zuzurechnen ist (EGMR [Ferrantelli & Santangelo] ÖJZ 1997, 151, 152; [Haas] JR 2006, 289, 291). Zwar muss die Justiz auch aktive Schritte unternehmen, um den Angeklagten in die Lage zu versetzen, Zeugen zu befragen oder zumindest befragen zu lassen. Allerdings ist sie nicht zu Unmöglichem verpflichtet (impossibilium nulla est obligatio). Vorausgesetzt, dass ihr keine mangelnde Sorgfalt bei den Bemühungen vorzuwerfen ist, dem Angeklagten die konfrontative Befragung von Zeugen zu ermöglichen, ist im Fall deren Unerreichbarkeit die fehlende Gelegenheit zur Befragung hinzunehmen (EGMR [Haas] aaO m. w. Nachw.).
Davon, ob die unterbliebene konfrontative Befragung eines Zeugen der Justiz zuzurechnen ist, ist nach der Rechtsprechung des EGMR der Beweiswert der Angaben dieses Zeugen abhängig. So hat der EGMR entschieden, dass im Fall ausreichender, jedoch fehlgeschlagener Bemühungen seitens der Justiz eine Verurteilung aufgrund der Angaben eines nicht kontradiktorisch vernommenen Zeugen - bei äußerst sorgfältiger (?extreme care') Würdigung - möglich ist, solange sie nicht einzig und allein (?solely') auf diesen Angaben beruht (EGMR [Artner] EuGRZ 1992, 476; [Haas] JR 2006, 289, 291). Insbesondere bei Vorliegen von Verfahrensfehlern hat er demgegenüber bereits dann einen Konventionsverstoß angenommen, wenn sich die Verurteilung zwar nicht allein, aber in einem entscheidenden Ausmaß (?to a decisive extent') auf Angaben eines solchen Zeugen stützt (EGMR [Delta] ÖJZ 1991, 425, 426; [A.M.] StraFo 2000, 374, 375; [P.S.] NJW 2003, 2893, 2894).
Bei der Anwendung des deutschen Strafprozessrechts ist die MRK in der Auslegung, die sie durch Rechtsprechung des EGMR erfahren hat, zu berücksichtigen (BVerfG NJW 2004, 3407; BGHSt 45, 321, 328 f.). Daher gilt für die tatrichterliche Beweiswürdigung: Ist die unterbliebene konfrontative Befragung eines Zeugen der Justiz zuzurechnen, kann eine Verurteilung auf dessen Angaben nur gestützt werden, wenn diese durch andere gewichtige Gesichtspunkte außerhalb der Aussage bestätigt werden (BGHSt 46, 93, 106; BGH NStZ 2005, 224, 225; NStZ-RR 2005, 321; vgl. auch BGH NJW 2003, 3142, 3144; NStZ 2004, 505, 506 f.).
2. Dass die Angeklagten keine Gelegenheit hatten, die Geschädigte zu befragen, beruht, wie die Strafkammer zutreffend festgestellt hat, auf Fehlern im Ermittlungsverfahren. Ob sie die Unerreichbarkeit der Geschädigten in der Hauptverhandlung mit Recht bejaht hat, braucht der Senat daher nicht zu entscheiden.
a) Entgegen § 168c Abs. 5 Satz 1 StPO wurde der Verteidiger des Angeklagten S. K. nicht von der ermittlungsrichterlichen Vernehmung der Geschädigten am 16. August 2005 benachrichtigt. Dies beruht auf einem Verschulden der Justiz, da die am 4. August 2005 bei den Justizbehörden in München eingegangene schriftliche Verteidigungsanzeige erst am 19. August 2005 der sachbearbeitenden Staatsanwältin und erst am 24. August 2005 dem zuständigen Ermittlungsrichter vorgelegt wurde. Für den Rechtsverstoß macht es keinen Unterschied, ob die erforderliche Benachrichtigung absichtlich, versehentlich oder unter Verkennung der gesetzlichen Voraussetzungen unterblieben ist (BVerfG [Kammer] NJW 2006, 672, 673; BGH NJW 2003, 3142, 3143 m. w. Nachw.).
Weiterhin wurde der - zunächst anwesende - Angeklagte S. K. selbst nach Unmutsäußerungen der Geschädigten und ihrem Versuch, den Vernehmungsraum zu verlassen, von der weiteren ermittlungsrichterlichen Vernehmung ausgeschlossen, bevor er von seinem Fragerecht hätte Gebrauch machen können. Nach der Würdigung der Strafkammer war indessen ein - hier auch fern liegender - Ausschlussgrund nach § 168c Abs. 3 StPO nicht gegeben. Der Ausschluss des Angeklagten drängte im Übrigen auch dazu, die Wahrnehmung seines Fragerechts durch einen Verteidiger sicherzustellen (BGHSt 46, 93, 97 ff.).
b) Der Angeklagte D. Ko. wurde von der ermittlungsrichterlichen Vernehmung der Geschädigten ebenfalls entgegen § 168c Abs. 5 Satz 1 StPO nicht benachrichtigt. Obwohl das Ermittlungsverfahren formal nicht gegen ihn geführt wurde, hatte er bereits den Status eines Beschuldigten. Da die Geschädigte ihn bei den polizeilichen Vernehmungen am 2. und 3. August 2005 belastet hatte, wurde er Beschuldigter spätestens durch den Antrag der Staatsanwaltschaft auf ihre ermittlungsrichterliche Vernehmung, weil dieser auf die Sicherung der Aussage auch ihn betreffend gerichtet war. Ein Verdächtiger wird zum Beschuldigten, wenn die Ermittlungsbehörden faktisch Maßnahmen ergreifen, die erkennbar darauf abzielen, gegen ihn wegen einer Straftat vorzugehen (BGHR StPO § 55 Abs. 1 Verfolgung 3; BGH NJW 2003, 3142, 3143). Dass gegen den Angeklagten D. Ko. ebenfalls wegen der von der Geschädigten geschilderten Straftaten ermittelt werden sollte, ergibt sich zudem aus dem gegen den Angeklagten S. K. erlassenen Haftbefehl vom 3. August 2005, in dem der Angeklagte D. Ko. als anderweitig Verfolgter bezeichnet ist. Die Staatsanwaltschaft hätte daher auch auf die Benachrichtigung dieses Angeklagten hinwirken müssen.
Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Benachrichtigung nach § 168c Abs. 5 Satz 2 StPO lagen in Anbetracht der nach §§ 168e, 58a StPO getrennt durchgeführten Vernehmung fern und wurden von der Strafkammer infolgedessen nicht geprüft (hierzu BGH NJW 2003, 3142, 3144), zumal dann wiederum die Beiordnung eines Pflichtverteidigers erforderlich geworden wäre.
3. Die Strafkammer ist zwar - auf der Grundlage von BGHSt 46, 93, 103 ff. - im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass der Tatnachweis voraussetzt, dass die Angaben der Geschädigten durch gewichtige Gesichtspunkte außerhalb der Aussage bestätigt werden. Sie legt diesbezüglich aber nicht die hier gebotenen strengen Maßstäbe an, so dass das Urteil sich im Ergebnis als rechtsfehlerhaft erweist.
Die Strafkammer hat eine fachkundige - für sich genommen rechtsfehlerfreie - Aussageanalyse vorgenommen. Schon hierbei wäre allerdings zu bedenken gewesen, dass gerade den Merkmalen, dass die Angaben ?detailreich' und ?in einen vielschichtigen Kontext eingebunden' sind, infolge des Fehlens einer kontradiktorischen Erörterung ein geringeres Gewicht zukommt (Senat, Urteil vom 25. Juli 2000 - 1 StR 169/00 - Umdr. S. 27 f., in BGHSt 46, 93 nicht abgedruckt).
Die weiteren Beweismittel, die das Urteil zur Bestätigung der Aussage anführt, genügen hier im Hinblick darauf, dass die unterbliebene konfrontative Befragung der Justiz zuzurechnen ist, den sich daraus ergebenden besonderen Beweiswürdigungs- und Begründungsanforderungen nicht. Die Überzeugung der Kammer stützt sich wesentlich auf die ?Entstehungsgeschichte' der Aussage, die Auseinandersetzung in der Trambahn und die ersten zeitnah erfolgten Äußerungen der Geschädigten; beides wird durch Zeugen- und Sachverständigenbeweis bestätigt. Was die Auseinandersetzung in der Trambahn anbelangt, so ließe sie sich jedoch auch mit einem vom Angeklagten - gleichfalls zeitnah - behaupteten Beziehungsstreit in Einklang bringen. Dies gilt umso mehr, als nach den Urteilsfeststellungen die Geschädigte selbst aussagte, sie habe etwa vor den Familienmitgliedern so getan, als habe sie eine Beziehung mit dem Angeklagten S. K. . Dass die Auseinandersetzung bei den beiden Fahrgästen nicht den ?Eindruck eines Beziehungsstreits erweckte', ist indessen nicht ausreichend mit Tatsachen belegt und stellt ein bloßes Werturteil dieser Zeugen dar. Die ersten Äußerungen der Geschädigten gegenüber der Polizei sprechen zwar - als wichtiger Teil der Aussagegenese - für die Glaubhaftigkeit der Aussage; es handelt sich hierbei aber nicht um Gesichtspunkte, die außerhalb der Aussage liegen. Die auf eine Schwangerschaft der Geschädigten hindeutenden Umstände (Milchausfluss und Schmierblutungen) sind zudem nicht aussagekräftig bezüglich der Feststellung, dass der Geschlechtsverkehr nicht einvernehmlich stattfand.
Soweit sich die Überzeugung der Strafkammer darauf stützt, dass die Angaben der Geschädigten von Zeugen insofern bestätigt wurden, als sie von einer Fahrt des Angeklagten D. Ko. nach Polen im Juni 2005 sowie von ihrem Besuch in einer Gaststätte etwa am 25. Juli 2005 berichtete, fehlt es an einem hinreichenden Bezug zu den festgestellten Taten. Auch teilt das Urteil nicht mit, ob und wie sich die Angeklagten bei ihren polizeilichen Vernehmungen hierzu eingelassen hatten.
Augenzeugen, die Angaben zum Kerngeschehen machen konnten, standen dem Landgericht nicht zur Verfügung. Auch objektive Beweismittel, mit denen die von der Geschädigten geschilderten Taten bestätigt worden wären, waren nicht vorhanden (vgl. Senat aaO S. 28).
4. Auf dem Rechtsfehler beruht das angegriffene Urteil (§ 337 Abs. 1 StPO). Ein Freispruch durch den Senat selbst kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil eine erneute Vernehmung der Geschädigten, die dem Fragerecht der Angeklagten nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK Rechnung trägt, nicht auszuschließen ist. ..." (BGH, Beschluss vom 29.11.2006 - 1 StR 493/06)
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Der Bestellung eines Pflichtverteidigers zur Gewährleistung des Rechts des Angeklagten auf Konfrontation mit einem Hauptbelastungszeugen anläßlich dessen richterlicher Vernehmung bedarf es nicht deshalb, weil der nicht verhinderte Wahlverteidiger an der Vernehmung nicht teilnimmt (BGH, Beschluss vom 27.01.2005 - 1 StR 396/04).
Auch die Rüge der Nichtbenachrichtigung des Verteidigers bzw. der Erziehungsberechtigten eines jugendlichen Beschuldugten vom Termin seiner richterlichen Vernehmung setzt die vollständige Mitteilung des bei der richterlichen Vernehmung vorgelesenen und von dem Beschuldigten bestätigten Protokolls seiner polizeilichen Vernehmung voraus. Ergibt sich während der Vorführung des Beschuldigten die Notwendigkeit der Bestellung eines Verteidigers und wird erst durch diese dessen Berechtigung zur Teilnahme an der richterlichen Vernehmung des Beschuldigten begründet, erscheint zweifelhaft, ob § 168 c Abs. 5 S. 1 StPO unter diesen Umständen es gebietet, mit der förmlichen Vernehmung innezuhalten, um den Verteidiger von der stattfindenden Vernehmung zu benachrichtigen (BGH, Urteil vom 13.1.2005 - 4 StR 469/04).
Die Benachrichtigung des Beschuldigten und seines Verteidigers vom Termin einer richterlichen Zeugenvernehmung kann auch bei der Vernehmung eines Zeugen, dem von den Strafverfolgungsbehörden Vertraulichkeit zugesichert worden war, nur unter der Voraussetzung des § 168 c Abs. 5 S. 2 StPO unterbleiben (BGH, Urteil vom 24.7.2003 - 3 StR 212/02, 2003, 540 ff).
Aus der Tatsache, dass ein Beschuldigter anlässlich der richterlichen Vernehmung eines Mitbeschuldigten nicht anwesend war, ergibt sich kein Verbot für die Verwertung der Aussage des Mitbeschuldigten (BGH StV 2002, 584 ff).
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?... Diese Beweiserhebung im Ermittlungsverfahren war entgegen der Auffassung der Verteidigung nicht rechtsfehlerhaft. Deshalb fehlt die Grundlage für die Annahme eines Verwertungsverbots hinsichtlich der Verlesung des richterlichen Vernehmungsprotokolls durch das LG (vgl. dazu Schomburg in Schomburg/Uhlig/Lagodny, IRG 2. A. vor § 68 Rdnr. 37 m.w.N.).
aa) Der Untersuchungsrichter des Kantons Bern hat durch Unterlassen einer Benachrichtigung der Verteidiger nicht rechtsfehlerhaft gehandelt. Gemäß Art. 3 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. 4. 1959 (BGBl. 1976 II 1799 i. d. Fassung der Bekanntmachung vom 11. 3. 1986 ?nur die Schweiz betreffend': BGBl. 1986 II 544) läßt ein um Rechtshilfe ersuchter Staat das Ersuchen grundsätzlich in der in seinen Rechtsvorschriften vorgesehenen Form erledigen. Nach Art. 4 Satz 1 dieses Übereinkommens wird der ersuchende Staat von Zeit und Ort der Erledigung nur auf ausdrückliches Verlangen benachrichtigt. Gemäß Art. III des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Ergänzung des Übereinkommens und die Erleichterung seiner Anwendung vom 13. 11. 1969 (BGBl. II 1171; 1976 II 1818) wird die Anwesenheit von Prozeßbeteiligten bei der Vornahme von Rechtshilfehandlungen im ersuchten Staat gestattet, auch wenn dessen Recht die Anwesenheit von Prozeßbeteiligten bei Untersuchungshandlungen nicht vorsieht, dies aber nach den innerstaatlichen Vorschriften des ersuchenden Staates zulässig ist. Damit beantwortet sich im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz die Frage der Anwesenheit von Prozeßbeteiligten ausnahmsweise nach dem Recht des ersuchenden Staates (vgl. Nagel, Beweisaufnahme im Ausland 1988, 163). Der schweizerische Untersuchungsrichter hatte nur auf Antrag der deutschen Behörden aufgrund des deutschen Strafprozeßrechts die Anwesenheit von Prozeßbeteiligten bei der Zeugenvernehmung zu gestatten und die dazu erforderlichen Benachrichtigungen vorzunehmen. Da kein derartiger Antrag vorlag, hat er nicht gegen Rechtsnormen verstoßen.
bb) Für die Frage des Vorliegens eines Rechtsfehlers bei der Beweiserhebung im Ermittlungsverfahren ist daher entscheidend, ob die deutschen Strafverfolgungsbehörden den Antrag auf Ermöglichung der Anwesenheit der Verteidiger bei der Zeugenvernehmung zu Unrecht unterlassen haben. Dies ist hier jedoch auszuschließen, da ein Ausnahmefall nach § 168 c Abs. 5 S. 2 StPO vorlag.
Alles spricht dafür, daß wegen Gefährdung des Untersuchungszwecks die sofortige Vernehmung des zufällig angetroffenen Zeugen geboten war. Nach § 168 c Abs. 5 S. 2 StPO ist in einem solchen Fall von der Benachrichtigung des Verteidigers abzusehen. Zwar kann das Revisionsgericht grundsätzlich die Voraussetzungen des § 168 c Abs. 5 S. 2 StPO dann nicht selbst überprüfen, wenn weder der (deutsche) Ermittlungsrichter - hier in der besonderen Lage des vorliegenden Falles die deutschen Hilfsbeamten der StA - noch das Tatgericht sich damit ausdrücklich befaßt haben. Das Revisionsgericht ist grundsätzlich auf die Prüfung beschränkt, ob die Entscheidung frei von Rechtsmängeln, insbesondere Ermessensfehlern ist (BGHSt 29, 1, 3; 31, 140, 143 [= StV 1983, 51]). Hier allerdings war aus der Sicht der deutschen Hilfsbeamten der (zum unmittelbaren Verkehr der Justizbehörden untereinander vgl. Art. VIII des oben erwähnten deutsch-schweizerischen Zusatzvertrages vom 13. 11. 1969) zur Zeit der Beantragung der Untersuchungshandlung am 2. 11. 1993 keine andere Beurteilung möglich als diejenige, daß der Untersuchungserfolg bei einer zeitlichen Zurückstellung der Zeugenvernehmung zur Ermöglichung der Anwesenheit der Verteidiger gefährdet gewesen wäre.
Nach den ihnen am 15. 7. 1993 mitgeteilten Erkenntnissen der Kantonspolizei Bern hatte sich der Zeuge Gr. am 13. 11. 1992 nach den USA abgemeldet. Am 18. 6. 1993 war dieser für das Kreiskommando Thun zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben worden. In einem im Juli 1993 gegen ihn geführten Strafverfahren des Richteramtes Thun wegen eines Straßenverkehrsdelikts hatte er danach zwar noch seine vormalige Adresse in Einingen angegeben; dort hatte er aber tatsächlich keine Wohnung. Wie die deutschen Beamten bei der Durchsuchung feststellten, befanden sich dort die Wohnung des Zeugen Gl. und die Geschäftsräume der Firma F. Für die Firma F. war der Zeuge Gr. als Mitinhaber aufgetreten, ohne jedoch ins Handelsregister eingetragen zu sein. Über das Vermögen seiner früheren Firma GT. AG war im Januar 1993 der Konkurs eröffnet worden.
Auf diese Tatsachen hatte sich bereits vor dem Ersuchen der deutschen Ermittlungsbehörde um internationale Rechtshilfe deren Annahme der Unerreichbarkeit des Zeugen Gr. gestützt, weshalb das Ersuchen die Durchsuchung der Geschäftsräume der Firma F. und die Befragung von Zeugen aus dem Umfeld von Gr. begehrt hatte. Der Zeuge Gr. wurde dabei nur durch Zufall angetroffen. Der schweizerische Untersuchungsrichter sah ersichtlich keinen Grund für eine freiheitsentziehende Maßnahme gegen ihn; in der Schweiz war er nur wegen geringfügiger Vergehen verfolgt und von der Vollziehung der Untersuchungshaft in Deutschland in einem Verfahren wegen versuchter räuberischer Erpressung im Jahre 1992 nach vorläufiger Festnahme wieder verschont worden. Bei seinem Antreffen in den Büroräumen der Firma F. gab er als Wohnsitz eine Adresse in Bratislava an. Die anwesenden deutschen Ermittlungsbeamten hatten keine Möglichkeit, ihn am 2. 11. 1993 bis zu einem möglichen Eintreffen der Verteidiger auf schweizerischem Boden festhalten zu lassen. Ihre Ermittlungen waren im übrigen auch deshalb besonders eilbedürftig, weil diese neben der versuchten Anstiftung zum Mord durch die Angeklagten zugleich auch einen Handgranatenanschlag auf einen Ermittlungsbeamten und ein weiteres Attentat auf den Tatzeugen S. durch unbekannte Täter zum Gegenstand hatten. Vor dem Hintergrund dieser Taten war dem Verteidiger des Angekl. He. am 7. 10. 1993 bereits die Akteneinsicht verweigert worden, weil sie den Untersuchungszweck gefährden konnte.
Unter allen diesen Umständen war das Entschließungsermessen der Hilfsbeamten der StA bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefährdung des Untersuchungserfolges bei Unterlassen der möglichen sofortigen Vernehmung des Zeugen Gr. ohne Benachrichtigung der Verteidiger i. S. d. § 168 c Abs. 5 S. 2 StPO auf Null reduziert. Daher kann der Senat ausnahmsweise die Frage der Anwendung des § 168 c Abs. 5 S. 2 StPO selbst beantworten, obwohl weder die Entscheidung der deutschen Ermittlungsbehörden hierüber ausdrücklich in den Akten vermerkt ist noch sich das Tatgericht damit befaßt hat. Die in BGHSt 29, 1 und 31, 140 abgedruckten Urteile stehen dem nicht entgegen. Das vorliegende Prozeßgeschehen unterscheidet sich wesentlich von den dort entschiedenen Fällen.
cc) Im übrigen würde auch aus einem Verstoß gegen § 168 c Abs. 5 S. 1 StPO im vorliegenden Fall kein Beweisverwertungsverbot folgen. Dessen Entstehung ist davon abhängig, daß der Verteidiger im Rahmen des Äußerungsrechts nach § 257 StPO der Verwertung sofort widerspricht; denn es darf zur Vermeidung unüberschaubarer Prozeßlagen für die nachfolgenden Beweiserhebungen und Prozeßhandlungen nicht unklar bleiben, ob die vorherige Beweisaufnahme nach dem Willen des Widerspruchsberechtigten verwertbar ist oder nicht. Für Fälle des Verstoßes gegen die §§ 136 Abs. 1 S. 2, 137 StPO ist dies anerkannt (BGHSt 38, 214, 225 f [= StV 1992, 212]; 39, 349, 352 [= StV 1994, 4]; BGH Urt. v. 12. 1. 1996 - 5 StR 756/ 94 [= StV 1996, 187], zum Abdruck in BGHSt bestimmt). Entsprechendes hat der Senat bereits zuvor auch für den Fall des § 168 c Abs. 5 S. 1 StPO angenommen (NStZ 1987, S. 132, 133).
Im vorliegenden Fall hat der Verteidiger den Widerspruch verspätet erhoben, so daß dieser kein Beweisverwertungsverbot auslösen konnte. Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob mit dieser Annahme von Entscheidungen des 2. und 5. Strafsenats (BGHSt 31, 140 ff. [= StV 1983, 51], BGH StV 1985, 397, 398) abgewichen wird, welche jedoch nicht ausdrücklich darauf eingegangen sind, kann offenbleiben. Sie ist hier nicht entscheidungserheblich. ..." (BGH StV 1997, 244 ff).
*** (OLG)
Eine Videoaufzeichnung der richterlichen Vernehmung eines minderjährigen Zeugen unterliegt im Falle des Widerspruchs des Angeklagten einem Beweisverwertungsverbot, wenn der zu der richterlichen Vernehmung kurzfristig geladene Verteidiger wegen anderweitiger beruflicher Verpflichtungen an einer Teilnahme verhindert war und seine Bitte um Terminsverlegung unbeachtet blieb, obwohl einer kurzfristigen Terminsverlegung keine Gründe entgegengestanden hätten (OLG München StV 2000, 352 f).
*** (LG)
Allein der Umstand, dass ein Zeuge in einem Parallelverfahren seine Aussage zu Unrecht verweigert hat, rechtfertigt nicht die Annahme, der Zeuge werde anlässlich seiner richterlichen Vernehmung in Gegenwart des Beschuldigten nicht die Wahrheit sagen (LG Bielefeld, Beschluss vom 24.09.2010 - Qs 91/10 II):
?... Die StA ermittelte gegen den Besch. Ö.wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das BtMG. Dem Besch. wird vorgeworfen, gemeinsam mit weiteren Personen unerlaubt gewerbsmäßig mit Btm gehandelt zu haben. Dabei steht K. in Verdacht, Mittäter des Ö. zu sein. A. wird verdächtigt, als Bunkerhalter fungiert zu haben.
Mit Beschl. v. 15.02.2010 schloss das AG die Besch. A. und Ö. von der ermittlungsrichterlichen Vernehmung des gesondert verfolgten, mittlerweile rechtskräftig wegen Betäubungsmitteldelikten verurteilten K. als Zeugen aus. Es sei zu befürchten, dass der Zeuge in Anwesenheit des Besch. nicht bzw. nicht die Wahrheit aussagen werde.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Besch. Ö. gegen den Ausschluss von der richterlichen Vernehmung des Zeugen K. Es sei im Gegenteil zu befürchten, dass der Zeuge in Abwesenheit des Besch. nicht wahrheitsgemäß aussagen werde.
II. Die zulässige Beschwerde des Besch. ist begründet.
Nach § 168c Abs. 2 StPO ist dem Besch. bei der richterlichen Vernehmung des Zeugen die Anwesenheit gestattet. Nach § 168c Abs. 3 StPO kann der Richter einen Besch. von der Anwesenheit bei der Verhandlung ausschließen, wenn dessen Anwesenheit den Untersuchungszweck gefährden würde, insbes. wenn zu befürchten ist, dass ein Zeuge in Gegenwart des Besch. nicht die Wahrheit sagen werden.
Das Anwesenheitsrecht des Besch. dient der Absicherung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör und ist gleichzeitig eine Ausprägung des Grundsatzes der Waffengleichheit zwischen Besch. und StA, die ebenfalls ein Anwesenheitsrecht bei der richterlichen Vernehmung von Zeugen hat. Ein Ausschluss des Besch. ist vor diesem Hintergrund nur dann möglich, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Zeuge in Gegenwart des Besch. nicht die Wahrheit sagen werde oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass der Besch. seine Anwesenheit oder seine bei der Vernehmung erlangten Kenntnisse mißbräuchlich verwenden wird, um die Ermittlungen - etwa durch Beeinflussung von Zeugen oder Manipulation von Beweismitteln - zu beeinträchtigen.
Im vorliegenden Verfahren ist nicht erkennbar, dass ein solcher Ausschlussgrund vorliegt. Allein der Umstand, dass der Zeuge K. in einem Parallelverfahren seine Zeugenaussage zu Unrecht verweigert hat, lässt nicht erkennen, dass dies gerade auf der Anwesenheit des Besch. Ö. beruhte. Dass der Zeuge K. die Aussage zu Unrecht verweigert hat und damit das Risiko von gerichtlichen Maßnahmen gegen ihn auf sich nimmt, lässt eher darauf schließen, dass er generell keine Aussage machen will, unabhängig von der Anwesenheit des Zeugen. Es sind keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte erkennbar, dass sich der Zeuge K. in Abwesenheit des Besch. Ö. zu einer Aussage entschließt, zumal der Verteidiger des Besch. nicht von der Vernehmung ausgeschlossen werden kann. Entsprechende Ankündigungen des K. sind nicht bekannt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Besch. den Zeugen bedroht oder anderweitig beeinflusst hat. ..."
*** (AG)
Hat ein Angeklagter in keinem Stadium des Verfahrens Gelegenheit, den wesentlichen Belastungszeugen selbst zu befragen, und ist ein Verteidiger vor der ermittlungsrichterlichen Vernehmung dieses Zeugen nicht bestellt worden, obwohl die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung vorlagen und mit der Möglichkeit zu rechnen war, daß ein späterer Rückgriff auf den Ermittlungsrichter als Zeugen nötig werden könnte, unterliegt die ermittlungsrichterliche Vernehmung einem Beweisverwertungsverbot (AG Hamburg StV 2004, 11 ff).
Anwesenheit von Zeugen in der Hauptverhandlung
Siehe unter ?Einzelvernehmung, Gegenüberstellung" und ?Gang der Hauptverhandlung".
Arglosigkeit
Siehe unter ?Heimtücke als Mordmerkmal".
Atemalkoholmessgerät - Verwertbarkeit
Eine Verfassungsbeschwerde gegen die Verurteilung wegen fahrlässigen ordnungswidrigen Führens eines Kraftfahrzeuges unter Alkoholeinwirkung gem. § 24a I Nr. 1 und III StVG (in der bis zum 31.3.2001 geltenden Fassung) wird nicht zur Entscheidung angenommen, obwohl bei Feststellung der Atemalkoholkonzentration keine Sicherheitsabschläge vom Mesergebnis vorgenommen wurden (BVerfG, Beschluss vom 03.12.2001 - 2 BvR 1956/01).
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Bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration i. S. v. § 24 a Abs. 1 StVG unter Verwendung eines Atemalkoholmessgerätes, das die Bauartzulassung für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs erhalten hat, ist der gewonnene Meßwert ohne Sicherheitsabschläge verwertbar, wenn das Gerät unter Einhaltung der Eichfrist geeicht ist und die Bedingungen für ein gültiges Messverfahren gewahrt sind (BGH StV 2001, 347).
***
Bei einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen § 24a StVG, der eine so genannte Atemalkoholmessung zu Grunde liegt, muss den tatrichterlichen Feststellungen hinreichend deutlich zu entnehmen sein, dass der Zeitablauf seit Trinkende mindestens 20 Minuten betragen hat (OLG Hamm zfs 2002, 402).
Bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration mit Hilfe des Geräts Alcotest 7110 Evidential MK III der Firma Dräger handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren. Wenn kein Verfahrensbeteiligter die Funktionstüchtigkeit des Messgerätes in Zweifel zieht, müssen in den Entscheidungsgründen lediglich Messmethode und Atemalkoholwerte mitgeteilt werden (OLG Hamm NZV 2002, 198).
Die tatrichterliche Feststellungen bei einer Atemalkoholmessung sind lückenhaft, wenn der Tatrichter nicht feststellt, dass das verwendete Messgerät im Zeitpunkt der Messung noch gültig geeicht war. Dafür ist der Verweis auf eine Bescheinigung für die Ersteichung des Gerätes durch die Herstellerfirma nicht ausreichend (OLG Hamm zfs 2001, 474).
Bei der Analyse der Atemalkoholkonzentration (AAK) des Betroffenen mit dem Gerät Dräger Alcotest 7110 Evidential MK III handelt es um ein standardisiertes Messverfahren. Die Zuverlässigkeit und die Messprinzipien des Geräts sind grundsätzlich anerkannt. Grundsätzlich genügt deshalb in den Urteilsgründen die Angabe des Messverfahrens und des Messergebnisses; der Mitteilung eines Toleranzwertes bedarf es nicht. Allerdings ist die Mitteilung der beiden Einzelmessergebnisse erforderlich, damit eine zuverlässige Mittelwertbildung durch Aufrundung ausgeschlossen und die Einhaltung der nach DIN VDE 0405 höchst zulässigen Differenz zwischen beiden Einzelwerten der AAK überprüft werden. Die Festlegung eigener Grenzwerte für die AAK in der Atemluft in § 24a I StVG und ihre Verknüpfung mit denselben Rechtsfolgen, die für die ihnen gegenübergestellten BAK-Grenzwerte bestimmt sind, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Bedenken gegen die Messgenauigkeit des verwendeten Geräts Alcotest 7110 Evidential MK III bestehen nicht. Den mit dem Alcotest 7110 Evidential MK III gemessenen Einzelwerten sind ebensowenig Sicherheitszuschläge hinzuzurechnen, wie dem aus ihnen (ohne Aufrundung) zu errechnenden Mittelwert. Eine Beeinflussung des Messergebnisses etwa durch Fremdsubstanzen in der Atem- oder Umgebungsluft, durch die Atemtechnik (Hypo-/Hyperventilation), durch die Körper- oder Umgebungstemperatur bzw. durch Mundalkohol wird durch die Gerätetechnik zuverlässig ausgeschlossen (BayObLG, Beschluss vom 12.05.2000 - 2 ObOWi 598/99 - ZfS 2000, 313).
Atemalkoholwert
Aus einem bestimmten Atemalkoholwert darf nicht auf die Höhe der Blutalkoholkonzentration geschlossen werden. Hat die Bestimmung des Atemalkoholwertes eine über dem tatbestandlichen Gefahrengrenzwert liegende Alkoholisierung ergeben, kann diese Messung grundsätzlich nicht durch das günstigere Ergebnis einer nachfolgenden Blutalkoholbestimmung infrage gestellt werden (OLG Zweibrücken ZfS 2002, 200).
Eine gemessene Atemalkoholkonzentration von 0,94 mg/l ist als alleiniges Indiz nicht geeignet, die absolute Fahruntüchtigkeit zu erweisen, insbesondere kann sie nicht rechtsfehlerfrei auf eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,1 Promille umrechnet werden (OLG Naumburg ZfS 2001, 136).
Zuverlässige Schlüsse von einer durch Draeger-Testgerät bestimmten Atemalkoholkonzentration auf eine bestimmte Blutalkoholkonzentration sind nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft nicht möglich (OLG Hamm NJW 1995, 2425).
Aufenthaltsgesetz
Siehe unter ?Einschleusen von Ausländern" und ?illegaler Aufenthalt".
Aufforderung zum Verlassen des Sitzungssaales
Siehe unter ?Einzelvernehmung, Gegenüberstellung".
Aufhebung des Haftbefehls § 120 StPO
(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Er ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt wird.
(2) Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten werden.
(3) Der Haftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es vor Erhebung der öffentlichen Klage beantragt. Gleichzeitig mit dem Antrag kann die Staatsanwaltschaft die Freilassung des Beschuldigten anordnen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen verliert seine Bedeutung nicht durch den Erlass eines erstinstanzlichen Urteils. Die floskelhafte Feststellung, dass vermeidbare Verfahrensverzögerungen von besonderem Gewicht nicht erkennbar seien, genügt bei einer Haftdauer von 14 Monaten nicht den Anforderungen an die darzulegende Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Beschuldigten und dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch, wenn sich aus den Verfahrensakten die Möglichkeit vermeidbarer Verfahrensverzögerungen ergibt (BVerfG, Beschluss vom 13.05.2009 - 2 BvR 388/09).
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?... 1. Bei der Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten. Grundsätzlich darf im Rechtsstaat nur einem rechtskräftig Verurteilten vollständig die Freiheit entzogen werden. Der Freiheitsentzug eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung, die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist (vgl. BVerfGE 19, 342 (347); 74, 358 (371)), nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen ständig der Freiheitsanspruch des noch nicht verurteilten Beschuldigten als Korrektiv entgegen gehalten werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. grundlegend BVerfGE 19, 342 (347), sowie BVerfGE 20, 45 (49 f.); 36, 264 (270); 53, 152 (158 f.)). Zwischen beiden Belangen muss abgewogen werden.
2. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht nur für die Anordnung, sondern auch für die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung. Er verlangt, dass die Dauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur erwarteten Strafe steht und setzt ihr auch unabhängig von der Straferwartung Grenzen (BVerfGE 20, 45 (49 f.)). Außerdem vergrößert sich regelmäßig das Gewicht des Freiheitsanspruchs gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft (vgl. BVerfGE 36, 264 (270); 53, 152 (158 f.)).
3. Zu beachten ist das verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verankerte Beschleunigungsgebot in Haftsachen (vgl. BVerfGE 46, 194 (195)), das verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen (vgl. BVerfGE 20, 45 (50); 36, 264 (273)). An den zügigen Fortgang des Verfahrens sind dabei umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger die Untersuchungshaft schon andauert (BVerfGK 7, 421 (427)). Das Beschleunigungsgebot verliert seine Bedeutung auch nicht durch den Erlass des erstinstanzlichen Urteils. Es ist auch darüber hinaus bei der Prüfung der Anordnung der Fortdauer von Untersuchungshaft zu beachten (BVerfGK 5, 109 (117)). Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und einer Sicherstellung der späteren Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft deshalb nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verfahrensverzögerungen verursacht ist (BVerfGE 20, 45 (50); 36, 264 (270 ff.); 53, 152 (161 f.)). Von dem Beschuldigten nicht zu vertretende, sachlich nicht gerechtfertigte und vermeidbare erhebliche Verfahrensverzögerungen stehen regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegen.
4. Der Grundrechtsschutz beeinflusst auch das Verfahrensrecht. Das Verfahren der Haftprüfung und Haftbeschwerde muss so ausgestaltet sein, dass nicht die Gefahr einer Entwertung der materiellen Grundrechtsposition besteht (vgl. hierzu BVerfGE 53, 30 (65); 63, 131 (143)). Dem ist durch eine verfahrensrechtliche Kompensation (vgl. BVerfGE 17, 108 (117 ff.); 42, 212 (219 f.); 46, 325 (334 f.)) des mit dem Freiheitsentzug verbundenen Grundrechtseingriffs, insbesondere durch erhöhte Anforderungen an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen, Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 103, 21 (35 f.)). Die mit Haftsachen betrauten Gerichte haben sich bei der zu treffenden Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft mit deren Voraussetzungen eingehend auseinanderzusetzen und diese entsprechend zu begründen. Zu berücksichtigen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens, die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehenden Straferwartung und - unter Berücksichtigung einer etwaigen Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 57 StGB - das hypothetische Ende einer möglicherweise zu verhängenden Freiheitsstrafe sowie Verzögerungen des Verfahrens. Die zugehörigen Ausführungen müssen in Inhalt und Umfang eine Überprüfung des Abwägungsergebnisses am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für das die Anordnung treffende Fachgericht im Rahmen einer Eigenkontrolle gewährleisten und in sich schlüssig und nachvollziehbar sein (BVerfGK 7, 421 (429 f.); 8, 1 (5)).
II. Diesen sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ergebenden Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts nicht gerecht.
1. Sie lassen die gebotene Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Beschuldigten und dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch nicht erkennen. Das Landgericht begründet die Verhältnismäßigkeit lediglich damit, dass eine Strafaussetzung zum Halbstrafenzeitpunkt gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht in Betracht komme und die Erwägungen des Verteidigers zur Haftentlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Strafe gemäß § 57 Abs. 1 StGB zu ab-strakt seien. Das Oberlandesgericht verweist ausschließlich floskelhaft darauf, dass der Beschwerdeführer mit einer erheblichen Gesamtfreiheitsstrafe zu rechnen habe und der zu erwartende Strafrest erheblich sei. Konkrete Überlegungen zu der Höhe der noch zu verbüßenden Reststrafe werden nicht niedergelegt. Die Gerichte gehen weder auf den Verfahrensablauf noch auf mögliche Verzögerungen sowie deren Ursachen ein. Den angegriffenen Entscheidungen fehlen sowohl die notwendigen Feststellungen wie auch die darauf aufbauenden Bewertungen, so dass eine nachvollziehbare und sachgerechte Abwägung nicht gewährleistet ist. Sie können schon deshalb keine tragfähige Grundlage für die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft sein.
2. Bei der vorzunehmenden Abwägung wird das Oberlandesgericht zu berücksichtigen haben, dass sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Untersuchungsgefangenen gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse des Staates mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft erhöht (vgl. BVerfGE 19, 342 (347); 36, 264 (270); 53, 152 (158 f.)). Der Vollzug der Untersuchungshaft von mehr als einem Jahr bis zum Beginn der Hauptverhandlung oder dem Erlass des Urteils wird nur in ganz besonderen Ausnahmefällen zu rechtfertigen sein (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. September 1999 - 2 BvR 1775/99 -, NStZ 2000, S. 153; BVerfGK 7, 140 (156); BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07 -, StV 2008, 198 (199)).
Zwar hat sich mit der Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Amtsgericht das Gewicht des staatlichen Strafanspruchs vergrößert; denn die Begehung der Straftat ist nach der Beweisaufnahme als erwiesen angesehen worden. Der Umstand, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, führt zu keiner anderen Beurteilung; denn die eingelegte Berufung beseitigt nicht die Existenz des angegriffenen Urteils und damit den Umstand, dass auf der Grundlage eines gerichtlichen Verfahrens bereits ein Schuldnachweis gelungen ist (BVerfGK 5, 109 (122); 7, 140 (161)). Das rechtfertigt es aber grundsätzlich nicht, einen Verurteilten bis zum Zeitpunkt der Vollverbüßung der ausgesprochenen Strafe in Untersuchungshaft zu halten. Dem steht schon der Resozialisierungszweck der Strafhaft entgegen; denn wird die verhängte Freiheitsstrafe durch Anrechnung der Untersuchungshaft zum überwiegenden Teil oder gar vollständig verbüßt, so können die im Rahmen des Vollzugs der Strafhaft möglichen Maßnahmen zur Resozialisierung nur in geringem Ausmaß oder überhaupt keine Wirkung entfalten (BVerfGK 5, 109 (122); 7, 140 (162)). Dieser Rechtsgedanke erfordert es auch, dass bei der Ermittlung der Dauer der zu erwartenden Strafhaft eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 57 StGB jedenfalls dann berücksichtigt werden muss, wenn sie im konkreten Fall zu erwarten ist (vgl. BVerfGK 7, 140 (162); OLG Celle, Beschluss vom 22. April 2002 - 2 StE 6/01 -, NStZ-RR 2002, S. 254; OLG Hamm, Beschluss vom 5. November 1992 - 3 Ws 540/92 -, JURIS; OLG Bamberg, Beschluss vom 19. April 1989 - Ws 148/89 -, StV 1989, S. 486; OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. Juni 1986 - 1 Ws 146/86 -, NStZ 1986, S. 568; LG Köln, Beschluss vom 24. Juni 1998 - 110-13/97 -, StraFo 1998, S. 351; LG Zweibrücken, Beschluss vom 29. September 1994 - 1 Qs 135/94 -, StV 1994, S. 589; Boujong, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. 2003, § 112 Rn. 48; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl. 1996, § 120 Rn. 10; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. 2006, § 120 Rn. 4).
Das Oberlandesgericht hat daher in seine Abwägungsentscheidung den noch konkret zu erwartenden Strafrest einzubeziehen. Dabei wird es auch eine mögliche Aussetzung zur Bewährung gemäß § 57 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen haben, zumal der Beschwerdeführer zuvor nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Dass über den Beschwerdeführer noch keine Erkenntnisse aus der Strafhaft vorliegen, die die Prüfung der Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB ermöglichen, und dass auch ein Sachverständigengutachten nach § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO, § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB noch nicht erstellt wurde, rechtfertigt nicht den völligen Wegfall der Prognoseentscheidung (vgl. auch BVerfGK 7, 140 (162)).
3. Neben der zeitlichen Begrenzung der Untersuchungshaft durch die zu erwartende Strafe nehmen mit der Dauer der Untersuchungshaft die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache zu. Im Rahmen der Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch und dem Strafverfolgungsanspruch kommt es auf die durch objektive Kriterien bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer an, wobei mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft höhere Anforderungen an das Vorliegen eines sie rechtfertigenden Grundes zu stellen sind (BVerfGE 36, 264 (270); 53, 152 (158 f.)). Dies bedingt eine auf den Einzelfall bezogene Analyse des Verfahrensablaufs. Entsprechend dem Gewicht der zu ahndenden Straftat können zwar kleinere Verfahrensverzögerungen die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen. Allein die Schwere der Tat und die sich daraus ergebende Straferwartung können aber bei erheblichen, vermeidbaren und dem Staat zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen nicht zur Rechtfertigung einer ohnehin schon lang andauernden Untersuchungshaft herangezogen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat dabei bei einer Dauer der Untersuchungshaft von 18 Monaten im Einzelfall schon eine Verzögerung von sechs Wochen als Verletzung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen angesehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. September 1999 - 2 BvR 1775/99 -, NStZ 2000, S. 153 (154)).
Insoweit begegnet die Verfahrensbehandlung vor dem Amtsgericht Bedenken. Dabei ist zu beachten, dass der Grundsatz der Beschleunigung in Haftsachen auch dann gilt, wenn der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt ist (vgl. BVerfGE 53, 152 (159 f.)). Dem Beschleunigungsgebot ist - sofern nicht besondere Umstände vorliegen - nur dann Genüge getan, wenn innerhalb von drei Monaten nach Eröffnung des Hauptverfahrens mit der Hauptverhandlung begonnen wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Februar 2007 - 2 BvR 2563/06 -, NStZ-RR 2007, 311 (313)). Das Oberlandesgericht wird deshalb im Einzelnen zu erwägen haben, ob die Verschiebung der Hauptverhandlung nach Zulassung der Anklage am 31. Oktober 2006 vom ursprünglich vorgesehenen Termin am 5. Dezember 2006 auf den 24. Juli 2007 aufgrund der Nachermittlungen und dem Verteidigerverhalten gerechtfertigt war. Es wird zu berücksichtigen haben, dass in der Zeit von Ende Dezember 2006 bis 26. März 2007 keine verfahrensfördernden Handlungen vorgenommen wurden, obwohl die Stellungnahme der Sachverständigen H. zum Antrag vom 23. November 2006 bereits am 18. Dezember 2006 dem Gericht vorlag und die polizeilichen Nachermittlungen bereits am 21. Dezember 2006 abgeschlossen waren.
III. Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG durch das Oberlandesgericht und das Landgericht festzustellen. Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts ist unter Zurückverweisung der Sache aufzuheben (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Das Oberlandesgericht hat unverzüglich unter Berücksichtigung der angeführten Gesichtspunkte erneut eine Entscheidung über die Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 19. Februar 2008 herbeizuführen. ..." (BVerfG, 2 BvR 806/08 vom 11.6.2008, Absatz-Nr. (1 - 44), www.bverfg.de/entscheidungen/rk20080611_2bvr080608.html)
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Bei absehbar umfangreichen Verfahren, in denen sich der Angeklagte in Untersuchungshaft befindet, fordert das Beschleunigungsgebot in Haftsachen stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlungsplanung mit mehr als nur einem durchschnittlichen Hauptverhandlungstag pro Woche. Wird aber durch ein angeordnetes Selbstleseverfahren im Ergebnis eine Konzentration des Prozeßstoffes erreicht, der derjenigen einer zweimal wöchentlichen Verhandlung entspricht, liegt eine Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes fern. Insoweit kommt es in diesem Verfahrensstadium nicht darauf an, ob die Belastungssituation des Gerichts eine höhere Verhandlungsdichte zugelassen hätte (BVerfG, Beschluss vom 17.07.2006 - 2 BvR 1190/06).
Hält ein in Untersuchungshaft befindlicher Angeklagter die rechtliche Vertretung durch einen Verteidiger seines Vertrauens gegenüber der Einhaltung des Beschleunigungsgrundsatzes für vorrangig mit der Folge, daß die zur Wahrung des Beschleunigungsgrundsatzes ins Auge gefaßte Terminierung der Strafsache wegen Verhinderung des Verteidigers nicht realisiert werden könnte, muß bei anderweitiger Gewährleistung der Verteidigung der Wunsch des Angeklagten zurückstehen, wenn weitere Personen angeklagt sind, die sich ebenfalls in Untersuchungshaft befinden (BVerfG, Beschluss vom 02.03.2006 - 2 BvQ 10/06 zu StPO §§ 141, 120 Abs. 1; GG Art. 2, 20 Abs. 3).
Die fachgerichtliche Rechtsprechung, wonach es der Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen in Umfangsverfahren grundsätzlich gebietet, zumindest an 2 Tagen in der Woche Termin zur Hauptverhandlung anzuberaumen, trägt den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundrechts der persönlichen Freiheit Rechnung. Mit dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot in Haftsachen ist eine Vorgehensweise nicht vereinbar, die die Urteilserstellung von vornherein auf das zeitlich fixierte Ende der Frist des § 275 Abs. 1 StPO ausrichtet. Ebenso wie sich aus dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen die Pflicht des Gerichtspräsidenten ableitet, durch Ergreifen geeigneter organisatorischer Maßnahmen die beschleunigte Bearbeitung von Haftsachen sicherzustellen, folgt daraus zugleich, daß solche gerichtsorganisatorischen Maßnahmen zu unterlassen sind, die einer beschleunigten Bearbeitung von Haftsachen zuwiderlaufen (hier: Abziehen von Berufsrichtern aus einer Strafkammer während laufender Urteilsabsetzungsfrist). In der vermeidbaren Verzögerung von 6 Wochen bei der Urteilszustellung zu einem Zeitpunkt, in dem die Untersuchungshaft bereits mehr als 5 Jahre angedauert hat, liegt eine erhebliche, den Strafverfolgungsbehörden zuzurechnende Verfahrensverzögerung, die das Beschleunigungsgebot verletzt. Die nicht rechtskräftig verhängte Freiheitsstrafe stellt grundsätzlich nur ein Indiz für das Gewicht der zu verfolgenden Straftat im Zusammenhang mit der Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft dar. Sie kann deshalb nicht ohne weiteres als Maßstab für die mögliche Länge der Untersuchungshaft dienen, weil dies mit dem Resozialisierungszweck der Strafhaft in ein Spannungsverhältnis tritt (BVerfG, Beschluss vom 29.12.2005 - 2 BvR 2057/05).
Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot bei Aufhebung eines erstinstanzlichen Urteils nach fast 2-jähriger Hauptverhandlung und fast 25-monatiger Dauer des Revisionsverfahrens (BVerfG, Beschluss vom 05.12.2005 - 2 BvR 1964/05).
Eine Haftsache ist auch dann wie eine Haftsache zu behandeln, wenn der Haftbefehl nicht vollzogen wird, weil er außer Vollzug gesetzt ist. Kommt es aufgrund vermeidbarer Fehler der Justizorgane zu einer erheblichen Verzögerung, so steht dies der Aufrechterhaltung des Haftbefehls regelmäßig entgegen. Der inhaftierte Beschuldigte hat es insbesondere nicht zu vertreten, wenn seine Strafsache nicht binnen angemessener Frist zum Abschluß gebracht werden kann, weil familiär bedingte personelle Veränderungen auf der Richterbank mit einer ordnungsgemäßen Bewältigung des Geschäftsanfalls in Haftsachen kollidieren. Es handelt sich insoweit weder um einen unvorhersehbaren Zufall noch um ein schicksalhaftes Ereignis (BVerfG, Beschluss vom 29.11.2005 - 2 BvR 1737/05).
Verfassungswidrigkeit der Fortdauer der Untersuchungshaft nach erstinstanzlichem Urteil wegen erheblicher Verfahrensverzögerung im Revisionsverfahren (BVerfG, Beschluss vom 22.02.2005 - 2 BvR 109/05).
Der verfassungsrechtliche Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen gilt nicht nur für den vollstreckten Haftbefehl, sondern ist darüber hinaus von Bedeutung, wenn sich ein Inhaftierter in anderer Sache in Straf- oder Untersuchungshaft befindet oder wenn der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt wurde. Eine kurzfristige und unvermeidbare Überlastung des Strafgerichts kann Verfahrensverzögerungen in Haftsachen rechtfertigen. Das für die Haftprüfung zuständige Gericht hat in seiner Begründung die Tatsachen festzustellen, die zur Verzögerung führen. Eine Berücksichtigung des Beschleunigungsgrundsatzes lediglich dem Wortlaut nach ohne nähere Feststellungen zu den Verzögerungstatsachen lässt eine unrichtige Anschauung von Bedeutung und Tragweite des Freiheitsgrundrechtes erkennen (BVerfG, Beschluss vom 13.09.2002 - 2 BvR 1375/02).
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Wird ein Haftbefehl wegen nicht mehr vorliegenden dringenden Tatverdachts während laufender Hauptverhandlung aufgehoben, unterliegt die Beurteilung des dringenden Tatverdachts im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht. Der Prüfungsumfang ist insbesondere dann erheblich eingeschränkt, wenn die Beweisaufnahme abgeschlossen ist oder unmittelbar vor dem Abschluß steht und sich auf Beweismittel erstreckt hat, deren - potentielle - Beweisbedeutung dem Beschwerdegericht aus den Akten nicht ersichtlich ist (BGH, Beschluss vom 19.12.2003 - StB 21/03).
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Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen hat Vorrang vor gerichtlichen Bemühungen um eine Verfahrensverbindung. Der wegen bestimmter Tatvorwürfe in Untersuchungshaft gehaltene Angeschuldigte hat ein Recht darauf, dass - unabhängig von anderen gegen ihn gerichteten Strafverfahren - die Haftsache mit größtmöglicher Beschleunigung betrieben wird (OLG Oldenburg, Beschluss vom 24.03.2011 - 1 Ws 128/11).
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Vergeht nach Eingang einer ausschließlich auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision beim Tatrichter ein Zeitraum von 6 Monaten bis zur Übersendung der Akten durch die Staatsanwaltschaft an das Revisionsgericht, ist die Fortdauer einer ohnehin schon lange andauernden Untersuchungshaft nicht mehr gerechtfertigt (KG, Beschluss vom 10.09.2007 - 3 Ws 465/07).
Ist wegen eines identischen Tatvorwurfs der Vollzug eines Haftbefehls gegen einen Mitbeschuldigten im Hinblick auf die Verletzung des Beschleunigungsgebots ausgesetzt worden, erfordert der auch innerhalb eines Strafverfahrens im Verhältnis der Angeschuldigten zueinander zu beachtende Grundsatz der Gleichbehandlung aus Art. 3 GG die Aufhebung der Untersuchungshaftanordnung gegen einen anderen Mitbeschuldigten, wenn dieser von der Verletzung des Beschleunigungsgebots in gleicher Weise belastet ist (OLG Dresden, Beschluss vom 25.05.2007 - 2 Ws 218/07).
Eine zur Aufhebung des Haftbefehls wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemäß § 120 Abs. 1 StPO führende Verletzung des Beschleunigungsgebotes in Haftsachen (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) kann auch gegeben sein, wenn notwendige Ermittlungshandlungen zur Aufklärung des Sachverhaltes unterlassen und die Ermittlungsakten über einen Zeitraum von ca. 2 Monaten lediglich der Bearbeitung von Haftbeschwerden zugeführt werden (OLG Brandenburg, Beschluss vom 27.04.2007 - 1 Ws 89/07).
Kann ein Hauptverhandlungstermin nicht durchgeführt werden, weil es seitens der JVA versäumt wurde, den in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten vorzuführen, und wird die Hauptverhandlung daraufhin ausgesetzt, ohne den Versuch zu unternehmen, sie an den verbleibenden anberaumten Hauptverhandlungsterminen abzuschließen mit der Folge, dass mit der Hauptverhandlung erst nach weiteren 6 Monaten begonnen werden kann, führt dies wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots zur Aufhebung des Haftbefehls (OLG Hamm, Beschluss vom 29.03.2007 - 2 Ws 88/07).
Kommt es auch innerhalb von 3 Monaten trotz des bei der Festnahme des Beschuldigten abgelegten Geständnisses und vorliegender Aussagen der Geschädigten der vorgeworfenen Straftaten sowie weiterer Ermittlungen, die eine unverzügliche Anklage ermöglicht hätten, nicht zur Anklageerhebung, ist das Beschleunigungsgebot in Haftsachen verletzt (OLG Naumburg, Beschluss vom 19.03.2007 - 1 Ws 132/07).
Das auch nach Erlaß eines erstinstanzlichen Urteils Geltung beanspruchende Beschleunigungsgebot in Haftsachen ist verletzt, wenn die Verfahrensakten 7 Monate nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist noch nicht auf den Weg zu dem Revisionsgericht gebracht worden sind. Die Bearbeitung von Kostenfestsetzungsanträgen sollte in Haftsachen entweder bis zur Entscheidung des Revisionsgerichts zurückgestellt werden oder in einem separaten Kostenheft erfolgen (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 16.02.2007 - 1 Ws 31/07).
Auch wenn ein Angeklagter im erstinstanzlichen Verfahren zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden ist, ist ein Haftbefehl wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots aufzuheben, wenn sich der Angeklagte im Zeitpunkt des Eingangs der Akten beim Berufungsgericht bereits fast 6 Monate in Untersuchungshaft befunden und das Berufungsgericht die Sache während weiterer 5 Monate nicht ordnungsgemäß gefördert hat (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 02.02.2007 - 1 Ws 9/07).
Finden nach Festnahme und Inhaftierung eines Beschuldigten für einen Zeitraum von 3 Monaten keine weiteren Ermittlungen oder andere Maßnahmen zur Durchführung des Verfahrens statt, ist der Haftbefehl im Hinblick auf die Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, insbesondere in Form des Beschleunigungsgebots, aufzuheben (OLG Brandenburg, Beschluss vom 18.01.2007 - 2 Ws 12/07).
Wird ein Urteil erst mehr als 6 Monate nach der Urteilsverkündung zugestellt, führt die darin liegende Verletzung des Beschleunigungsgebots zur Aufhebung eines Haftbefehls wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und anderer Taten (Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren) auch dann, wenn die verspätete Urteilszustellung darauf zurückzuführen ist, daß das Hauptverhandlungsprotokoll infolge Ausscheidens von Kammermitgliedern aus dem Justizdienst nicht früher fertiggestellt werden konnte (OLG Naumburg, Beschluss vom 07.11.2006 - 1 Ws 533/06).
Bei der Prüfung der Frage, ob die Fortdauer der U-Haft noch verhältnismäßig ist, sind alle Fehler der Justiz zu berücksichtigen, die den rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens erheblich verzögern. Dazu zählt auch die Notwendigkeit der Aufhebung eines Urteils durch das Revisionsgericht wegen eines Verfahrensfehlers jedenfalls dann, wenn es nach der Entscheidung des Revisionsgerichts zu weiteren der Justiz zuzurechnenden Verzögerungen gekommen ist (OLG Koblenz, Beschluss vom 11.09.2006 - 1 Ws 472/06).
Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen gilt auch nach Erlaß eines erstinstanzlichen Urteils im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit der Folge, daß ein erheblicher Verstoß dagegen der Fortdauer der Untersuchungshaft entgegenstehen kann. Der Verzögerung des Verfahrens beim Tatgericht durch Haft- oder sonstige Beschwerdeentscheidungen oder die Gewährung von Akteneinsicht ist durch Anlegung und/oder Verwendung von Duplo-Akten zu begegnen (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 19.07.2006 - 1 Ws 72/06).
Haftsachen haben Vorrang vor Nichthaftsachen (OLG Hamm, Beschluss vom 30.3.2006 - 2 Ws 71/06, StV 2006, 319 ff).
Im Haftbefehl nicht bezeichnete weitere Taten sind für die Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft ohne Bedeutung. Das gilt auch, wenn der Haftbefehl auf die weiteren Taten hätte erweitert werden können, aber nicht erweitert worden ist. Die Aufklärung vermuteter weiterer Straftaten rechtfertigt keine Verzögerung einer Haftsache. Die Justizbehörden haben die polizeilichen Ermittlungen in einer Haftsache so zu steuern, daß sie nicht unangemessen lange dauern (hier: über 2 Monate bis zur Aktenübersendung an die Staatsanwaltschaft trotz glaubhaften und ausreichenden Geständnisses des Beschuldigten bei der Verhaftung und der Haftbefehlsverkündung; OLG Oldenburg, Beschluss vom 22.03.2006 - 1 Ws 170/06).
Findet nach Eingang der Akte beim Landgericht infolge Berufungseinlegung gegen das erstinstanzliche Urteil durch den Angekl. für die Dauer von 3 Monaten keine Befassung mit der Sache statt mit der Folge, daß die Berufungshauptverhandlung erst über 6 Monate nach Eingang der Akten beim Berufungsgericht stattfinden kann, stellt dies einen nicht vertretbaren Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot mit der Folge dar, daß der Haftbefehl aufzuheben ist, weil die Fortdauer der Untersuchungshaft als nicht mehr verhältnismäßig anzusehen wäre (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.01.2006 - 1 Ws 142/05).
Das Recht der Untersuchungshaft enthält keine eigenständige Regelung zum Begriff und zu den Folgen einer Haftunfähigkeit. In entsprechender Anwendung der in § 455 Abs. 4 StPO aufgestellten Grundsätze ist der Vollzug der Untersuchungshaft nicht zulässig, wenn er wahrscheinlich zu einer konkreten Lebensgefährdung oder zu erheblichen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen bei dem Untersuchungsgefangenen führen kann. Soweit sich eine medizinische Betreuung als notwendig erweist, kann diese in der Haft erfolgen. Es bedarf im Einzelfall einer Abwägung zwischen den Belangen des Beschuldigten sowie den staatlichen Interessen, wie sie in den jeweiligen Haftgründen ihren Ausdruck finden (OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.12.2005 - 1 Ws 1348/05, StV 2006, 314 f).
Kommt es infolge eines Ladungsfehlers zur Aussetzung der Hauptverhandlung und ist absehbar, daß es innerhalb der nächsten Monate nicht zu einer neuen Hauptverhandlung kommen wird, steht die zu erwartende Verfahrensverzögerung im Falle ihrer Unabwendbarkeit einer bereits eingetretenen Verzögerung gleich, was zur Unverhältnismäßigkeit der weiteren Anordnung der Untersuchungshaft führen kann (OLG Bremen, Beschluss vom 13.06.2005 - Ws 69/05, StV 2005, 445 f).
Ist seit Erlass eines Haftbefehls keine Förderung des Ermittlungsverfahrens zu erkennen, sind insbesondere keine weiteren Ermittlungstätigkeiten vorgenommen, Beweismittel benutzt oder ausgewertet worden, kann dies die Aufhebung des Haftbefehls wegen Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch dann gebieten, wenn der Beschuldigte noch nicht 6 Monate inhaftiert ist, weil auch vor Erreichen der Sechsmonatsgrenze dem Verfahren zügig Fortgang gegeben werden muss (OLG Schleswig, Beschluss vom 26.07.2004 - 2 Ws 229/04, StV 2005, 140).
Ist seit Erlaß eines Haftbefehls keine Förderung des Ermittlungsverfahrens zu erkennen, sind insbesondere keine weiteren Ermittlungstätigkeiten vorgenommen, Beweismittel benutzt oder ausgewertet worden, kann dies die Aufhebung des Haftbefehls wegen Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch dann gebieten, wenn der Beschuldigte noch nicht 6 Monate inhaftiert ist, weil auch vor Erreichen der Sechsmonatsgrenze dem Verfahren zügig Fortgang gegeben werden muß (OLG Schleswig, Beschluß vom 26.7.2004 - 2 Ws 229/04, StV 2005, 140 f).
Ein eklatanter Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot durch Nichtbearbeitung eines Verfahrens über mehr als ein Jahr muß zur Aufhebung eines - fast zwei Jahre außer Vollzug gesetzten - Haftbefehls führen (OLG Dresden StV 2004, 495 f).
Die Haftfortdauer ist bei einem jugendlichen Straßenhändler (Kokain) unverhältnismäßig, wenn dieser sich erstmalig und länger als zwei Monate in Haft befindet, allein mit einer Bewährungsstrafe zu rechnen hat und zudem das Verfahren gegen ihn nicht mit der gebotenen Beschleunigung gefördert worden ist. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn dem sprachunkundigen Angeklagten entgegen Art. 6 Abs. 3 MRK bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens keine in seine Heimatsprache übersetzte Fassung der Anklageschrift zugestellt worden ist (OLG Hamm StV 2004, 328 f).
Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot durch von einem Angeklagten nicht zu vertretende Verfahrensverzögerung können auch nach dem Erlaß des erstinstanzlichen Urteils den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen und dem Fortbestehen des Haftbefehls bzw. dem weiteren Vollzug der Untersuchungshaft entgegenstehen (OLG Koblenz StV 2004, 329 f).
Auch die mit einer Außervollzugsetzung eines Haftbefehls verbundenen freiheitsbeschränkenden Auflagen können eine so erhebliche Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit darstellen, daß erhebliche Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot zur Aufhebung des Haftbefehls führen können (OLG Düsseldorf StV 2004, 82 f).
Bleibt seit Zustellung der Revisionsbegründung durch den Angeklagten die Akte knapp 5 Monate unbearbeitet bei der Staatsanwaltschaft, erfordert die Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes die Aufhebung des Haftbefehls auch dann, wenn der seit ca. 13 Monaten in U-Haft befindliche Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden ist (LG Berlin StV 2002, 608).
Wird gegen einen in anderer Sache in Strafhaft befindlichen Angeklagten Hauptverhandlungstermin nach Ende der Strafhaft anberaumt, verstößt es gegen den Beschleunigungsgrundsatz gem. Art. 6 MRK, wenn zur Sicherung der bevorstehenden Hauptverhandlung am Ende der Strafhaft Haftbefehl erlassen wird, anstelle einen früheren Hauptverhandlungstermin anzuberaumen (OLG München StV 2002, 555).
Die aufgrund vorläufiger Bewertung des bisherigen Ergebnisses der Beweisaufnahme durch das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung ergangene Haftentscheidung (hier: Aufhebung des Haftbefehls nach Entfallen des dringenden Tatverdachts) ist im Beschwerdeverfahren nicht auf ihre Richtigkeit überprüfbar, sondern nur darauf, ob sich das erkennende Gericht mit den bisher gewonnenen Beweisergebnissen, die den dringenden Tatverdacht begründen könnten, umfassend auseinander gesetzt hat und zu einer vertretbaren Wertung gelangt ist (KG StV 2001, 689 f).
***
Hat sich ein Beschuldigter anläßlich seiner Festnahme umfänglich geständig eingelassen und finden für einen Zeitraum von 3 Monaten keine weiteren verfahrensgegenständlichen Ermittlungen statt, ohne daß das Ermittlungsverfahren durch eine Anklageerhebung, einen Antrag auf Durchführung eines beschleunigten Verfahrens oder auf Erlaß eines Strafbefehls abgeschlossen wird, ist der Beschleunigungsgrundsatz mit der Folge verletzt, daß der Haftbefehl aufgehoben werden muß (LG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 04.04.2007 - 21 Qs 63/07).
Unabhängig von der Höhe einer zu erwartenden Strafe ist auch ein außer Vollzug gesetzter Haftbefehl aufzuheben, wenn infolge einer vom Angeklagten nicht zu vertretenden Verletzung des Beschleunigungsgebots das Verfahren bereits längere Zeit nicht gefördert wurde und darüber hinaus ungewiß ist, wann Termin zur Hauptverhandlung anberaumt werden kann (LG Frankfurt am Main, Beschluß vom 14.12.2006 - 5/30 KLs-6350 Js 208763/03).
Werden während eines Zeitraums von 2 1/2 Monaten, in denen sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft befindet, wegen der im Haftbefehl zugrundeliegenden Taten keine Ermittlungen durchgeführt bzw. erscheinen solche auch nicht als erforderlich, kann bei einem Vorwurf des Verstoßes gegen das AuslG der weitere Vollzug der Untersuchungshaft nicht mehr als verhältnismäßig angesehen werden (LG Cottbus, Beschluß vom 20.10.2004 - 24 Qs 402/04, StV 2005, 141 f).
Auch wenn ein Haftbefehl gegen Auflagen und Weisungen ausgesetzt ist, muß das Beschleunigungsgebot für Haftsachen in abgemilderter Form Anwendung finden. Dies gilt insbes., wenn bis zur Haftverschonung nahezu 6 Monate Untersuchungshaft vollstreckt wurden (LG Leipzig, Beschluss vom 12.11.2004 - 5 KLs 806 Js 85862/03, StV 2005, 141).
Die Anordnung des Vorsitzenden des erkennenden Gerichts, den Verurteilten nach Aufhebung des Haftbefehls nicht aus dem Sitzungssaal zu entlassen, sondern ihn zunächst in die Justizvollzugsanstalt zurückzuführen, ist rechtswidrig (LG Berlin StV 2001, 690).
Siehe auch unter ?Beschleunigungsgebot".
Aufhebung einer Aussetzungsmaßnahme § 123 StPO
(1) Eine Maßnahme, die der Aussetzung des Haftvollzugs dient ( § 116 ), ist aufzuheben, wenn
1. der Haftbefehl aufgehoben wird oder
2. die Untersuchungshaft oder die erkannte Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird.
(2) Unter denselben Voraussetzungen wird eine noch nicht verfallene Sicherheit frei.
(3) Wer für den Beschuldigten Sicherheit geleistet hat, kann deren Freigabe dadurch erlangen, dass er entweder binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Frist die Gestellung des Beschuldigten bewirkt oder die Tatsachen, die den Verdacht einer vom Beschuldigten beabsichtigten Flucht begründen, so rechtzeitig mitteilt, dass der Beschuldigte verhaftet werden kann.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Aufrechnung mit angefallenen Gerichtskosten gegen den Herausgabeanspruch bezüglich einer vom Angeklagten geleisteten Kaution ist nicht zulässig. Die Sicherheitsleistung dient allein dazu, dass sich der Beschuldigte dem weiteren Verfahren stellt, während sie insbesondere nicht zu der Bezahlung der Gerichtskosten herangezogen werden kann. Daraus wird deutlich, dass die Zulassung einer uneingeschränkten Aufrechnungsbefugnis mit dem Zweck der Hinterlegung unvereinbar ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.02.2000 - 20 W 400/99, StV 2000, 50).
Aufklärungspflicht § 244 II StPO
Gemäß § 244 II StPO hat das Gericht zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Der Sachverhalt muß im Rahmen der angeklagten Tat unter Ausschöpfung aller bekannten oder sich aufdrängenden Erkenntnismittel solange erforscht werden, wie auch nur die entfernte Möglichkeit einer Änderung der bisher begründeten Vorstellung von dem zu beurteilenden Sachverhalt besteht (BGHSt 1, 94, 96; BGHSt 38, 369; BGHSt 40, 3; BGH NStZ-RR 2002,68). Eine Pflicht zur ?ausufernden" Aufklärung besteht nicht. Das Tatgericht ist nicht gehalten, voraussichtlich nutzlose Beweiserhebungen anzustellen.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... I. Der Beschluss des BayObLG verletzt den Bf. in seinem Grundrecht aus Art. 2 II 2 Bf. in seinem Grundrecht aus Art. 2 II 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes, da er der Wirkkraft des Freiheitsgrundrechts für die Sachverhaltsaufklärung und Beweiswürdigung nicht hinreichend Rechnung trägt. Ein Verstoß gegen dieses Grundrecht ist vom Bf. zwar nicht ausdrücklich gerügt worden. Im Wege der Begründetheitserstreckung ist jedoch die Überprüfung einer in zulässiger Weise angegriffenen Entscheidung auf ihre verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit hin unter jedem in Betracht kommenden Gesichtspunkt möglich (vgl. BVerfGE 70, 138 [162] = NJW 1986, 367; BVerfGE 99, 100 [119] = NJW 1999, 2430 L = NVwZ 1999, 753. st. Rspr.).
1. Prüfungsmaßstab für die hier zu entscheidenden Fragen der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die strafrichterliche Aufklärungspflicht und Beweiswürdigung ist vornehmlich Art. 2 II 2 i.V. mit Art. 20 III GG. Die Grundsätze fairen Verfahrens haben insoweit Vorrang vor dem aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ableitbaren Willkürverbot, da sie die stärkere sachliche Beziehung zu dem zu prüfenden Sachverhalt haben (vgl. BVerfGE 13, 290 [296] = NJW 1962, 437; BVerfGE 64, 229 [238f.] = NJW 1983, 2811; BVerfGE 65, 104 [112f.] = NJW 1984, 603; BVerfGE 75, 348 [357] = NJW 1988, 757).
a) Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden (Art. 2 II 2, 104 I GG). Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. ...
b) Straf- und Strafverfahrensrecht tragen diesen Grundsätzen Rechnung, indem sie die Ermittlung des Sachverhalts der richterlichen Aufklärungspflicht, dem ?Gebot bestmöglicher Sachaufklärung' (vgl. BVerfGE 57, 250 [277] = NJW 1981, 1719 = NStZ 1981, 357; Schlüchter, Das Strafverfahren, 2. Aufl., Rdnr. 472), unterstellen (§ 244 II StPO). Dem Tatrichter kommt dabei eine besondere Verantwortung zu, weil seine Feststellungen in der Revision nur mit Hilfe einer von der Rechtsprechung an strenge (verfassungsrechtlich unbedenkliche, vgl. BVerfGE 63, 45 [70] = NJW 1983, 1043 = NStZ 1983, 273) Zulässigkeitsvoraussetzungen gebundenen Aufklärungsrüge (vgl. Herdegen, in: KK-StPO, 4. Aufl. § 244 Rdnr. 36ff.m.w. Nachw.; Kuckein, in: KK-StPO, § 344 Rdnr. 51 m.w. Nachw.) beanstandet werden können (§ 344 II StPO).
Beweisaufnahme und Beweiswürdigung stehen in vielfacher Verschränkung. So wie § 244 II StPO das Gericht verpflichtet, alle bekannten Beweismittel vollständig zu erheben, verpflichtet § 261 StPO, über alle auf der Grundlage des materiellen Rechts entscheidungserheblichen Beweisfragen eine vollständige Beweiswürdigung vorzunehmen und dise dem Urteil zu Grunde zu legen (vgl. Fezer, StV 1995, 95). Dabei müssen nicht nur die unmittelbaren Beweise erhoben, sondern auch die zu ihrer Würdigung erforderlichen Umstände (u.a. zur Glaubwürdigkeit der Zeugen und Glaubhaftigkeit ihrer Angaben) ihrerseits im Rahmen der Beweisaufnahme aufgeklärt und zum Gegenstand der nachfolgenden Würdigung gemacht werden.
In der Revision ist der Inhalt der Beweiswürdigung mit der Sachrüge angreifbar. Die Anforderungen des BGH an die Beweiswürdigung haben sich - mit der Folge einer wirksameren Sicherung der Grundrechte des Beschuldigten, auch der Unschuldsvermutung (vgl. hierzu BVerfGE 74, 358 [370ff.] = NJW 1987, 2427 = NStZ 1987, 421) - stark verändert (vgl. zur Entwicklung Fezer, StV 1995, 95; Schäfer, StV 1995, 147). Während die frühere Rechtsprechung Schlussfolgerungen des Tatgerichts, die nach der Lebenserfahrung möglich sind, genügen ließ (vgl. BGHSt 10, 208 [209] = NJW 1957, 1039; 36, 1 [14] = NJW 1989, 781 = NStZ 1989, 114; Herdegen, in: Festschr.f. Hanack, 1999, S. 311 [313ff.]), wird nunmehr vorausgesetzt, dass der Schuldspruch auf einer tragfähigen Beweisgrundlage aufbaut, die die objektiv hohe Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit des Beweisergebnisses ergibt (vgl. BGH, NStZ-RR 1996, 202; NStZ-RR 1997, 42 [43]; bei Kusch, NStZ 1997, 376 [377]; NStZ-RR 1999, 139 = StV 1999, 136; Herdegen, in: Festschr.f. Hanack, S. 311 [323ff.]; Fezer, StV 1995, 95 [99]; ders., in: Festschr.f. Hanack, S. 331 [340]; Schäfer, StV 1995, 147 [149ff.]; Jähnke, in: Festschr.f. Hanack, S. 355 [360ff.]). Wenngleich die Beweiswürdigung von Gesetzes wegen ?frei', d.h. keinen Beweisregeln unterworfen ist (vgl. Schäfer, StV 1995, 147 [148]), hat die obergerichtliche Rechtsprechung aus den wissenschaftlichen, insbesondere den kriminalistischen, forensischen und aussagepsychologischen Untersuchungen gewonnene Erfahrungsregeln, Grundsätze für die Beweiswürdigung und ihre Darlegung in den Urteilsgründen entwickelt, die bei Nichteinhaltung die Aufhebung in der Revision zur Konsequenz haben. Dies gilt insbesondere für Beweissituationen, die - auch von Verfassungs wegen - erhöhte Anforderungen an die Beweiswürdigung stellen, wie u.a. die Beurteilung der Aussage eines Zeigen vom Hörensagen (vgl. BGH, StV 1985, 45 [47]; StV 1985, 368 [269]; BVerfGE 57, 250 [293] = NJW 1981, 1719 = NStZ 1981, 357; BVerfG, NJW 1996, 448 = NStZ 1995, 600 = StV 1995, 561 [562]), Fälle, in denen Aussage gegen Aussage steht und in denen die Entscheidung davon abhängt, welcher der einander widersprechenden Aussagen das Gericht folgt (vgl. BGH, StV 1995, 115; StV 1996, 249; NStZ 1997, 494; NStZ 2000, 496; NStZ 2001, 161 [162]; NStZ 2002, 161 = StV 2002, 466 [467]; StV 2002, 468; NStZ 2002, 494 = StV 2002, 469; StV 2002, 470 u. 470 [471]; NStZ 2003, 164 [165] u. 165 [166f.]; BGHSt 44, 153 [158f.] = NJW 1998, 3788; BGHSt 44, 256 [257] = NJW 1999, 802), sowie Fälle des Wiedererkennens (vgl. BGH, StV 1993, 234 u. 627 L; BGHSt 40, 66 = NJW 1994, 1807 = NStZ 1994, 295 = StV 1994, 282; BGHR § 261 StPO Identifizierung 1 und 3).
Mit diesen Anforderungen an die Grundlagen einer Entscheidung über die Schuld des Angekl. hat der BGH den Maßstab konkretisiert, der sich aus der freiheitssichernden Funktion des Art. 2 II 2 GG für das faire, rechtsstaatliche Verfahren ergibt. Er hat damit der durch empirische psychologische Untersuchungen gewonnenen Erkenntnis der Unzuverlässigkeit des Zeugenbeweises generell, aber auch und gerade in den genannten Beweissituationen, in denen die Verurteilung wesentlich von der Aussage und dem Wiedererkennen einer einzelnen Person abhängt (vgl. dazu eingehend Eisenberg, BeweisR der StPO, 4. Aufl. [2002], Rdnrn. 1374ff.; ders., Kriminologie, 5. Aufl. [2002]; S. 312ff.; Barton [Hrsg.], Redlich aber falsch, 1995; Bender/Röder/Nack, Tatsachenfeststellung vor Gericht I - Glaubwürdigkeits- u. Beweislehre, 2. Aufl. [1995], S. 1ff.; Meurer/Sporer, in: Zum Beweiswert von Personenidentifizierungen: Neuere empirische Befunde, 1990, S. 1ff.; Holland/Otzen/Sporer, in: Die Beeinflussbarkeit von Zeugenaussagen, 1994, S. 154ff.; Kühne, in: Widmungsschr.f. Manfred Rehbinder, 1995, S. 155ff.; Steller/Vollbert, in: Psychologie im Strafverfahren, 1997, S. 12ff., und Köhnken, S. 63ff.; Zacharias, Der gefährdete Zeuge im Strafverfahren, 1997, S. 47ff.; Schünemann, StV 1998, 391 [393f.]), Rechnung getragen und die besondere Verantwortung der Tatgerichte bei der Sachaufklärung und Beweiswürdigung verdeutlicht.
Nicht jeder Verstoß gegen § 244 II oder § 261 StPO und die hierzu vom BGH aufgestellten Grundsätze rechtfertigt dabei das Eingreifen des BVerfG. Voraussetzung ist vielmehr, dass sich das Tat- und ggf. das RevGer. so weit von der Verpflichtung entfernt haben, in Wahrung der Unschuldsvermutung bei jeder als Täter in Betracht kommenden Person auch die Gründe, die gegen die mögliche Täterschaft sprechen, wahrzunehmen, aufzuklären und zu erwägen, dass der rationale Charakter der Entscheidung verloren gegangen scheint und sie keine tragfähige Grundlage mehr für die mit einem Schuldspruch einhergehenden Freiheitsentziehung sein kann.
2. Um einen derartigen Ausnahmefall handelt es sich bei der Entscheidung des LG, die sowohl in Bezug auf die Aufklärungspflicht als auch in Bezug auf die Beweiswürdigung in verfassungsrechtlich nicht mehr hinzunehmender Weise von den obergerichtlichen Anforderungen abweicht.
a) Die Berufungskammer hat die Aufklärungspflicht (§ 244 II StPO) verletzt, indem sie die von der Revision aufgeführten Beweise nicht erhoben hat. Die von der StA bei dem BayObLG hiergegen vorgebrachten Erwägungen, denen sich das RevGer. offenbar angeschlossen hat (gegenteilige Erkenntnisse lassen sich dem insoweit unbegründeten Beschluss nicht entnehmen), erschöpfen sich in Leerformeln, ohne auf die vorliegende außergerichtliche Fallkonstellation mit zudem zwei besondere Aufmerksamkeit erfordernden Beweiswürdigungsproblemen (Aussage gegen Aussage und Wiedererkennen) einzugehen.
Es handelte sich nicht um den ?Normalfall' des theoretisch in Rede stehenden Alternativtäters, sondern der mögliche Alternativtäter existierte tatsächlich und war zunächst nach der Veröffentlichung eines von der Geschädigten im hiesigen Verfahren gemeinsam mit der Geschädigten im Parallelverfahren erstellten Phantombildes auf Grund von Hinweisen aus der Bevölkerung ermittelt worden. Er hatte eine in allen wesentlichen, die Vorgehensweise kennzeichnenden, Details identische Tat zugegeben. Auch die Ermittlungsbehörden waren deshalb zunächst davon ausgegangen, dass es sich um ein und denselben Täter handelte. Die Geschädigte hatte bei der ersten, ein Jahr nach der zu ihren Lasten begangenen Tat und gemeinsam mit der Geschädigten einer aktuelleren Tat, durchgeführten Lichtbildvorlage eine Ähnlichkeit mit dem Täter festgestellt und, obwohl sie selbst unmittelbar nach der Tat ganz ungenaue Angaben zum Alter und Aussehen des Mannes gemacht und später angegeben hatte, das Alter von Personen nicht gut schätzen zu können, erklärt, der Täter sei älter gewesen.
Die zentrale Frage der Beweiswürdigung war mithin nicht die von der Strafkammer ausführlich dargelegte Glaubhaftigkeit der Tatschilderung durch die Zeugin. Entscheidend war vielmehr ihre Fähigkeit, sich ein Jahr nach der Tat Aussehen und Besonderheiten des Täters in Erinnerung zu rufen und dieses Erinnerungsbild sowohl mit dem Bf. als auch mit seinem Bruder zu vergleichen sowie Kriterien zu benennen, die für eine größere Ähnlichkeit des Erinnerungsbildes mit dem Bf., nicht aber für eine solche mit seinem Bruder sprechen. Hierzu schweigt das Urteil; wichtige, den Bf. entlastende Indizien werden nicht erwähnt:
So fehlt eine Auseinandersetzung damit, dass der Bruder des Bf. bei der Tat im Juni 2001 ebenfalls ein Mountainbike bei sich führte, das er allerdings erst ein halbes Jahr zuvor erworben hatte (ob er vorher ein andersfarbiges Rad besessen oder aber im Sommer 2000 das Rad seines Bruders benutzt hatte, wurde nicht thematisiert, obwohl der Bf. dies schon in seiner ersten polizeilichen Vernehmung behauptet hatte), seiner Einlassung im Ermittlungsverfahren zufolge eine mit der des Bf. identische Schildkappe besitzt, die er bei der Tat getragen hatte, und gleichfalls häufiger Steine zur Garten-Dekoration auf seinem Fahrrad transportiert. Auch weitere, in der Aussage der Geschädigten aufgetretene Widersprüche zu früheren Vernehmungen (betreffend das Alter, die Haarfarbe und die vom Täter getragenen Schuhe sowie die Werkzeugtasche am Fahrrad) und sonstige Ungereimtheiten (Länge der Jeanshose, Nichtauffinden des beschrieben dunkelblauen T-Shirts bei der Durchsuchung) wurden nicht erörtert.
Bei dieser von zahlreichen Unsicherheitsfaktoren geprägten Beweissituation musste sich das Gericht veranlasst sehen, trotz der erlangten, subjektiven Überzeugung alle weiteren erkennbaren Beweismöglichkeiten zu nutzen (vgl. BGH, StV 1996, 249 [250]). Dass hierzu die Vernehmung und Inaugenscheinnahme des möglichen Alternativtäters zählt, liegt auf der Hand, auch wenn es wahrscheinlich ist, dass er von seinem Zeugnisverweigerungs- (§ 52 I Nr. 3 StPO) oder von seinem Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 StPO) Gebrauch machen würde.
Die Verlesung des Urteils (soweit zulässig, vgl. BGH, NStZ 2003, 217) und ggf. die Vernehmung der weiteren Geschädigten hätte die Parallelität und Identität der Sexualstraftaten in zahlreichen ungewöhnlichen Details verdeutlicht und damit die - nicht erfolgte - Dokumentation und Erörterung dieser Umstände auch für die erkennende Kammer unumgänglich gemacht.
Da es entscheidend auf das erste vermeintliche Wiedererkennen des Bf. und die Entstehung der diesbezüglichen Aussage der Geschädigten ankam, hätte dieser Punkt mittels Inaugenscheinnahme des Phantombildes sowie Befragung der Geschädigten und der polizeilichen Zeugen hierzu näherer Aufklärung zugeführt werden müssen.
b) Das LG hat zudem in zweifacher Weise in dem für die Entscheidung ausschlaggebenden Punkt gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen, so dass die Beweiswürdigung auch deshalb fehlerhaft ist und das Urteil hätte aus diesem Grunde ebenfalls aufgehoben werden müssen (vgl. Stuckenberg, in: KMR, StPO, § 261 Rdnrn. 31ff.m.w. Nachw. zur Rspr. des BGH).
Das Gericht ist einerseits einem Zirkelschluss erlegen, indem es die zu beweisende Frage, ob die Geschädigte den Bf. irrtümlich für den Täter gehalten und ihn u.U. mit dem möglichen Alternativtäter - seinem Bruder - verwechselt hat, als bewiesen ansah, weil die Geschädigte die Brüder in den Gegenüberstellungen und Lichtbildvorlagen nicht verwechselt habe. Andererseits hat es dem Wiedererkennen in der Berufungsverhandlung einen hohen Beweiswert zugemessen, ohne zu erkennen zu geben, ob ihm die Gefahr bewusst war, dass die Zeugin den Angekl. in der Hauptverhandlung nicht mit ihrem Erinnerungsbild von dem Täter verglichen hat, sondern mit der von ihr anlässlich der vorhergehenden Lichtbildvorlage und Gegenüberstellung identifizierten Person.
3. In der Entscheidung des BayObLG werden die vom BGH entwickelten Kriterien für die Kontrolle der tatgerichtlichen Beweiswürdigung in Konstellationen von Aussage gegen Aussage und bei Wiedererkennensfragen außer Acht gelassen. Der Strafsenat perpetuiert den Grundrechtsverstoß durch das landgerichtliche Urteil und wird daher selbst dem verfassungsrechtlichen Maßstab nicht gerecht.
Die Revisionsbegründung des Bf. entsprach den Voraussetzungen für die formgerechte Begründung einer Aufklärungsrüge; die Begründetheitsprüfung war dem Strafsenat mithin eröffnet. Bei der gegebenen Sachlage und unter Berücksichtigung der besonderen Konstellation des konkreten Einzelfalls ist es von Verfassungs wegen nicht hinnehmbar, dass das BayObLG die Revision gleichwohl verworfen hat.
Die Würdigung des Zirkelschlusses, der den zentralen Punkt der Beweiswürdigung betraf, mit einem erneuten Zirkelschluss und dahin gehend, es handele sich nur um eine nicht tragende Erwägung, ist sachwidrig und damit objektiv willkürlich. Das LG hatte sich mit der nahe liegenden Möglichkeit einer fehlerhaften Identifizierung des Bf. an Stelle des möglichen Alternativtäters nicht auseinander gesetzt und keine Kontrolle des eigenen Beweisergebnisses daraufhin vorgenommen, welche der festgestellten Indizien auch auf den Bruder des Bf. als möglichen Täter hinwiesen und damit ihren Beweiswert zu Lasten des Bf. verlieren. Es hatte sich so den Blick für die eigentliche Beweisfrage verstellt. Dieser Fehler ist dem Revisionssenat in gleicher Weise unterlaufen.
Die Ausführungen zur Problematik des wiederholten Wiedererkennens gehen gleichfalls am Revisionsvortrag vorbei und sind ebenso wenig nachvollziehbar wie die Entscheidung, das landgerichtliche Urteil beruhe nicht auf den Fehlern. Denn die Fehler lagen hier darin, dass das Tatgericht es bei der Begründung seiner Überzeugungsbildung unterlasen hat, seine Erwägungen bezogen auf sämtliche gegen die Täterschaft des Bf. sprechenden Indizien zu dokumentieren, und ihm zusätzlich zwei Verstöße gegen Denk- und Erfahrungssätze in den entscheidenden Passagen unterlaufen sind. Dies hat regelmäßig und so auch hier unmittelbar Einfluss auf das Urteil.
II. Der Beschluss des BayObLG verletzt den Bf. in seinem Grundrecht aus Art. 2 II 2 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes. Er ist demzufolge aufzuheben, und die Sache ist an das RevGer. zurückzuverweisen. Ob der Verstoß des Revisionssenats gegen die vom BGH aufgestellten Beweisgrundsätze zugleich einen Verstoß gegen Art. 101 I 2 GG bedeutet, kann mithin dahinstehen.
Auch das landgerichtliche Urteil wäre an sich wegen Verstoßes gegen die Grundsätze fairen Verfahrens aufzuheben. Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit jedoch nicht in zulässiger Weise erhoben worden, da sie den Substanziierungserfordernissen der §§ 23 I 2, 92 BVerfGG nicht entspricht. Der Bf. hat nicht erklärt, durch die Berufungsentscheidung in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt zu sein, und seine Angriffe allein auf den behaupteten Verstoß des RevGer. gegen Art. 101 I 2 GG konzentriert; eine verfassungsrechtliche Auseinandersetzung mit dem landgerichtlichen Urteil fehlt völlig. Die Erstreckung der Begründetheit auf dieses Urteil ist also nicht möglich. ..." (BVerfG, Beschluss vom 30.04.2003 - 2 BvR 2045/02)
*** (BGH)
Der Senat hält die Auffassung des 5. Strafsenats (Beschl. v. 04.05.2011 - 5 StR 124/11 = StV 2011, 458 ) für richtig, auch in Fällen einer übereinstimmenden Interessenlage einen die Beweiserhebung nicht selbst beantragenden Mitangeklagten oder sonst Beteiligten auf die Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2 StPO zu verweisen, die je nach Fallgestaltung weitergehenden Vortrags im Sinne des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO bedarf, während ihm die Rüge einer Verletzung der Bestimmungen des § 244 Abs. 3 bis 6 StPO dagegen nicht eröffnet ist (BGH, Beschluss vom 02.08.2011 - 3 StR 217/11 zu StPO §§ 244, 344 Abs. 2 S. 2).
***
Eine gebotene Beweiserhebung darf nicht deshalb abgelehnt werden, weil Staatsanwaltschaft oder Polizei einer Beweisperson Geheimhaltung zugesagt hat. Eine solche Zusicherung der Vertraulichkeit bindet zwar - mit Einschränkungen - die Staatsanwaltschaft und die Polizei. Für das gerichtliche Verfahren hat sie aber keine Bedeutung (BGH, Beschluss vom 26.07.2011 - 1 StR 297/11 zu StPO §§ 96, 244 II).
***
Auch wenn sich die zur Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen von Beweiserhebungs- oder Beweisverwertungsverboten erforderlichen Beweiserhebungen nach dem Grundsatz des Freibeweises richten, ändert dies nichts an der Aufklärungspflicht des Gerichts. Mit der Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht kann deshalb im Revisionsverfahren beanstandet werden, dass der Tatrichter einem als Beweisantrag bezeichneten Beweisbegehren zwecks Ermittlung zu einem Beweisverwertungsverbot nicht nachgegangen ist. Das Revisionsgericht ist auch im Rahmen der Beruhensprüfung nicht gehindert, selbst im Freibeweis Ermittlungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen eines Beweisverwertungsverbots anzustellen, wenn der Rechtsfehler zunächst lediglich darin besteht, dass der Tatrichter die gebotene Aufklärung unterlassen hat (BGH, Beschluss vom 03.05.2011 - 3 StR 277/10 - KG zu StPO §§ 244 Abs. 2, 102, 105, 337, 344 Abs. 2 S. 2, 349 Abs. 2).
***
Aufklärungsrüge wegen unterlassener Beweiserhebung zu den Voraussetzungen von § 46b StGB (BGH, Beschluss vom 10.11.2010 - 2 StR 523/10):
?... Das LG hat den Angekl. wegen versuchten Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung, weiter in Tateinheit mit Raub und weiter in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 J. verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angekl. führt zur Aufhebung im Strafausspruch aufgrund einer Verfahrensrüge; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Revision macht zu Recht geltend, das LG hätte sich in Erfüllung seiner Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO dazu gedrängt sehen müssen, zum einen StA U. zu vernehmen, der ausgesagt hätte, dass die Strafverfolgungsbehörden ohne die Angaben des Angekl. seines Mittäters D. nicht habhaft geworden wären, und zum anderen das Protokoll der Haftbefehlsverkündung v. 27.05.2010 zu verlesen, aus dem sich ergäbe, dass der Angekl. im Anschluss an die Verkündung des Haftbefehls seinen - noch in der Anklage v. 14.05.2010 als ?namentlich nicht bekannten' - Mittäter als den D. offenbart haben. Dies vor dem Hintergrund, dass die Kammer in dem angefochtenen Urt. zu der Überzeugung gelangt ist, dass es sich bei D. tatsächlich um den Mittäter des Angekl. handelte. Auch sind vorliegend die formellen Voraussetzungen des § 46b StGB, der einen vertypten Strafmilderungsgrund enthält, erfüllt, da sich die Nennung des Mittäters auf eine Katalogtat i.S.d. § 100a Abs. 2 StPO bezog und diese auch vor der Eröffnung des Hauptverfahrens am 07.06.2010 erfolgte.
Es ist nicht auszuschließen, dass der Strafausspruch auf der unterbliebenen Beweiserhebung beruht, denn eine Aufklärungshilfe des Angekl. wäre im Rahmen der Strafzumessung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen gewesen. ..."
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?... a) Die Aufklärungsrügen sind unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Soweit mit der Aufklärungsrüge Nr. 1 geltend gemacht wird, dass eine Gynäkologin und eine Polizeibeamtin hätten vernommen werden sollen, sind diese Beweismittel wegen fehlender ladungsfähiger Adressen nicht genügend bezeichnet (vgl. BGH NStZ 2006, 713). Zudem ermangelt es der von der Revision vorgetragenen erwarteten Beweistatsache der gebotenen Bestimmtheit (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 9 m.w.N.).
Den an eine unterlassene Inaugenscheinnahme des Pkw des Angeklagten anknüpfenden Aufklärungsrügen Nr. 2 und 3 ermangelt es an dem gebotenen Vortrag, dass der Untersuchungsgegenstand zur Zeit der Hauptverhandlung noch zur Verfügung stand (vgl. BGHR aaO Aufklärungsrüge 5) und warum sich das Landgericht vor dem Hintergrund des vom Angeklagten eingeräumten freiwilligen Geschlechtsverkehrs im Pkw zu weiterer Aufklärung gerade durch dieses Beweismittel hätte genötigt sehen müssen (vgl. BGHR aaO Aufklärungsrüge 6).
Soweit mit den Aufklärungsrügen Nr. 4 und 5 vorgetragen wird, drei in der Hauptverhandlung vernommene Zeuginnen hätten bei sachgerechter Erhebung ihrer polizeilichen Aussagen für den Angeklagten Günstigeres bekundet, beruft sich die Revision auf eine unterbliebene vollständige Ausschöpfung erhobener Beweise (vgl. BGHSt 4, 125, 126). Solches kann indes nicht Gegenstand einer Aufklärungsrüge sein, weil sich das Revisionsgericht nicht über das Verbot der Rekonstruktion der Beweisaufnahme hinwegsetzen darf (vgl. BGHSt 43, 212, 214; BGH NJW 2003, 150, 152, insoweit in BGHSt 48, 34 nicht abgedruckt). Nur auf der Grundlage der Kenntnis der vollständigen Aussage der Zeuginnen in der Hauptverhandlung ließe sich beurteilen, ob das von der Revision als sachgerecht erachtete Aufklärungsbegehren erfüllt worden ist. Die Erlangung einer solchen Kenntnis ist indes nach den verfahrensrechtlichen Strukturprinzipien - jenseits von Protokollierungen gemäß § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO - ausgeschlossen. Das Tatgericht ist nämlich zur umfassenden Dokumentation der Beweisaufnahme im Urteil nicht verpflichtet (vgl. BGHSt 15, 347, 348; BGH NStZ 2007, 720), sondern lediglich zur Darstellung seiner - wenn auch rational zu begründenden und tatsachengestützten (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2008 - 5 StR 224/08 Rdn. 16) - Beweisführung (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 267 Rdn. 12a).
b) Die Rüge, das Landgericht habe den Hilfsbeweisantrag auf Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens hinsichtlich der Zeugenaussage der Nebenklägerin zu Unrecht abgelehnt, ist unbegründet. Die Inanspruchnahme eigener Sachkunde ist nach Vernehmung der sachverständigen Zeugin Leinweber, die die Nebenklägerin in der stationären Therapie betreut hatte, im Ergebnis nicht zu beanstanden (UA S. 9 f.; 25; vgl. BGH NJW 1998, 2753, 2754).
c) Auch die Rüge, das Landgericht habe durch Nichtverwertung der in einem Internet-Chat zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin nach der Tat hinterlegten Dialoge Verfahrensrechte des Angeklagten missachtet, versagt.
aa) Der Revisionsvortrag vermag eine (§ 261 StPO; vgl. BGHSt 38, 14, 16 f.; BGH NJW 2007, 92, 95 f.) nicht zu begründen, weil die Nachrichten nicht durch Verlesen gemäß § 249 StPO zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht worden sind.
bb) Er wäre auch als Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) unbegründet. Zwar muss das Gericht von Amts wegen Beweis erheben, wenn ihm aus den Akten oder aus dem Stoff der Verhandlung noch Umstände und Möglichkeiten bekannt oder erkennbar sind, die bei verständiger Würdigung der Sachlage begründete Zweifel an der Richtigkeit der - aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme erlangten - Überzeugung wecken müssen (BGHR StPO § 244 Abs. 2 Aufdrängen 6 m.w.N.). Dies ist indes hier nicht der Fall.
Die Nebenklägerin hat sich nach dem Revisionsvortrag auf Vorhalt zu einem Teil der Dialoge erklärt. Auf Antrag der Verteidigung wurden - zur Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Nebenklägerin - anschließend fünf Zeugen vernommen, unter anderem dazu, ob Nachrichten vom Angeklagten verändert worden sind. Nachdem das Landgericht Letzteres - auch ersichtlich vor dem Hintergrund erkannten eigenen Fehlverhaltens des Angeklagten, fehlender Zuneigung zur Nebenklägerin, der praktizierten Vorwärtsverteidigung und der die Nebenklägerin bedrängenden Anrufe (UA S. 22) - als wahrscheinlich angesehen hat (UA S. 23), drängte die Aufklärungspflicht nicht mehr zu deren Verlesung.
cc) Das vorgetragene Verfahrensgeschehen begründet auch keine Behinderungsrüge (§ 338 Nr. 8 StPO; vgl. BGHSt 49, 317, 328; Meyer-Goßner aaO § 338 Rdn. 59). Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem von der Revision behaupteten Fairnessverstoß und dem Urteil besteht nicht.
Einen solchen sieht die Revision in der mangelnden gerichtlichen Reaktion auf einen Vorspann (?dies vorausgeschickt") in einem Beweisantrag des Verteidigers. Darin wurde als Ergebnis einer Zeugenvernehmung der Nebenklägerin behauptet, diese habe drei ihr zugeschriebene Äußerungen im Internet-Chat mit dem Angeklagten bestätigt. Danach hätte das Gericht ohne ausdrücklichen Hinweis nicht von der Wahrscheinlichkeit einer Manipulation der Gesprächsprotokolle durch den Angeklagten ausgehen dürfen. Dies trifft nicht zu.
Das Gericht war unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, seine Würdigung des Ergebnisses einer Beweiserhebung dem Angeklagten vor der Urteilsverkündung mitzuteilen (vgl. BGHSt 43, 212, 214 f.). Die Verteidigung wurde auch nicht im Unklaren über das Verständnis des Gerichts betreffend die Grundlagen eines von ihr gestellten Antrags gehalten (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 38). Die Darlegungen im Vorspann des Antrags waren mit den unter anderem auf die Vernehmung von fünf Zeugen gerichteten Beweisanträgen inhaltlich keineswegs dergestalt verbunden, dass die Begründungen der Beweisanträge auch Beweisbehauptungen aus dem Vorspann umfasst hätten. Zudem gilt für ein nicht direkt antragsbezogenes bestimmtes Verständnis vom Ergebnis einer vorherigen Beweiserhebung Folgendes: Wenn einem Beweisantrag - wie hier - vollständig stattgegeben wird, macht dies schon im Blick auf die notwendigerweise fehlende Begründung einer solchen Entscheidung die Beweiserwägungen des Gerichts in keiner Hinsicht transparent. Hieraus lässt sich für den Antragsteller kein Vertrauenstatbestand herleiten.
Im Übrigen gibt die im Urteil auf die Zeugenaussage der Mutter der Nebenklägerin gestützte Feststellung, wonach die Nebenklägerin den ihr vom Angeklagten übersandten Blumenstrauß aus dem Fenster warf, Anlass, die im Chat bekundete Freude über die Blumen als unzutreffend anzusehen. ..." (BGH, Urteil vom 09.12.2008 - 5 StR 412/08)
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?... 2. Soweit die Revision geltend macht, durch die Nichtbeiziehung der genannten Akten habe das Landgericht gegen seine Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) verstoßen, ist die Rüge unzulässig; denn sie teilt nicht mit, zu welchen konkreten verfahrensrelevanten Erkenntnissen die Beiziehung der Akten geführt hätte (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; s. demgegenüber den Sachverhalt, der der Entscheidung des Senats NStZ 2008, 109 zugrunde lag). Entgegen der Ansicht der Verteidigung war sie der Notwendigkeit eines entsprechenden Revisionsvorbringens nicht enthoben. Dass das Landgericht die Ermittlungsakten gegen die in der Hauptverhandlung vernommenen Belastungszeugen nicht beigezogen hat, hinderte die Verteidigung grundsätzlich nicht, gemäß § 475 Abs. 1 Satz 1 in diese Einsicht zu nehmen und - soweit vorhanden - den hierdurch aufgedeckten, für das Verfahren gegen den Angeklagten entscheidungserheblichen Beweisertrag in der Revision zu benennen (vgl. BGH StraFo 2006, 500); denn auch die Notwendigkeit, zur ordnungsgemäßen Ausführung einer Revisionsrüge Tatsachen aus einem anderen Verfahren vorzutragen, begründet regelmäßig ein berechtigtes Interesse im Sinne der genannten Vorschrift, die Akten jenes Verfahrens einzusehen. Dass die Verteidigung innerhalb der Revisionsbegründungsfrist entsprechende Bemühungen um Akteneinsicht erfolglos entfaltet hätte, trägt die Revision ebenfalls nicht vor (vgl. BGHSt 49, 317, 327 ff.). ..." (BGH, Beschluss vom 17.07.2008 - 3 StR 250/08)
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?... In der Anklageschrift hat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vorgeworfen, die D. GmbH zur Auszahlung eines Darlehens von 2,4 Mio. DM durch die Täuschung über den Verwendungszweck des Geldes - den Kauf von Geräteteilen zur Herstellung von 20 Kaltlichtbestrahlungsgeräten - veranlasst zu haben. Nach Verlesung der Anklageschrift hat sich der Angeklagte zur Sache nicht eingelassen. In der Hauptverhandlung vom 10. November 2006 (41. Hauptverhandlungstag) hat er beantragt, im Wege des Urkundsbeweises sein an das Landgericht adressiertes, zur Strafakte gelangtes Schreiben vom 3. November 2006 zu verlesen zu dem Beweisthema: ?Die Verlesung wird folgenden Wortlaut der Erklärung ergeben: ?.'. Angefügt war dem Antrag das vierseitige Schreiben im Wortlaut. In ihm hat sich der Angeklagte zur finanziellen Lage der D GmbH geäußert, die bisherige Beweisaufnahme bewertet und insbesondere die Behauptung aufgestellt, es sei zwischen ihm und der durch den Zeugen De. vertretenen D. GmbH tatsächlich ein Kaufvertrag über 20 Kaltlichtbestrahlungsgeräte abgeschlossen worden, der nur zur Beschönigung der Bilanz der GmbH als Darlehensvertrag bezeichnet worden sei; das ausbezahlte Darlehen habe in Wirklichkeit eine Anzahlung auf den Kaufpreis sein sollen. Außerdem hat er in dem Schreiben mehrere Beweisbehauptungen aufgestellt und dafür Beweismittel benannt.
Mit Beschluss vom 20. November 2006 hat die Strafkammer den Verlesungsantrag mit folgender Begründung abgelehnt: ?Soweit der Angeklagte beantragt, seine eigene Erklärung zu verlesen, handelt es sich nicht um einen Beweisantrag, weil es an einer Beweistatsache fehlt. Da der Angeklagte wiederholt ? erklärt hat, er wolle sich nicht einlassen, sieht sich die Kammer daran gehindert, die Erklärung von Amts wegen zu verlesen. Die schriftliche Äußerung des Angeklagten spiegelt seine Auffassung und Meinung zu bestimmten Geschehnissen wieder. Würde sie verlesen, käme dies einer Einlassung insoweit gleich (sog. Einlassungssurrogat). Damit wäre die Möglichkeit zur Bewertung seines Schweigens zu diesen Punkten im Übrigen eröffnet, was der Angeklagte gerade ausdrücklich nicht wünscht.'
2. Die Rüge hat keinen Erfolg. Die Ablehnung des Antrags hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es sich bei dem Begehren des Angeklagten nicht um einen Beweisantrag handelte, der nur unter einer der Voraussetzungen des § 244 Abs. 3 StPO hätte zurückgewiesen werden können.
aa) Das Schreiben des Angeklagten vom 3. November 2006 enthielt - wenn man von den Beweisanträgen absieht, über die das Landgericht gesondert entschieden hat und die nicht Gegenstand der Rüge sind - sowohl seiner Zweckbestimmung als auch seinem Inhalt nach im Kern eine den Vorwurf des Betrugs bestreitende Einlassung zur Sache, auch wenn der Angeklagte wiederholt ausdrücklich erklärt hatte, von seinem Schweigerecht Gebrauch machen zu wollen. Ist ein Angeklagter aber bereit, Angaben zur Sache zu machen, so ist er gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2, § 136 Abs. 2 StPO zu vernehmen. Die Verneh-mung erfolgt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem Zweck der Vorschrift durch eine mündliche Befragung mit mündlichen Antworten (BGH NStZ 2000, 439; Tolksdorf in KK 5. Aufl. § 243 Rdn. 44; Meyer-Goßner aaO § 243 Rdn. 30). Der Angeklagte hat daher keinen Anspruch darauf, dass das Gericht seine schriftliche Einlassung in der Hauptverhandlung verliest (vgl. BGH NJW 1994, 2904, 2906 - insoweit in BGHSt 40, 211 nicht abgedruckt; BGH NStZ 2000, 439; 2004, 163, 164; StV 2007, 622; Tolksdorf aaO § 243 Rdn. 44 m. w. N.; Frister in SK-StPO 54. Lfg. § 243 Rdn. 71). Dies gilt auch dann, wenn der Angeklagte zu dem in § 243 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO vorgesehenen Zeitpunkt der Hauptverhandlung zunächst von seinem Schweigerecht Gebrauch macht, in deren späteren Verlauf jedoch zum Anklagevorwurf Stellung nehmen will (vgl. BGH NStZ 1986, 370).
bb) Diese gesetzlich vorgesehene Form der Einlassung des Angeklagten kann nicht dadurch umgangen werden, dass dieser seine Stellungnahme zur Anklage in einem Schreiben an das Gericht niederlegt und nach dessen Eingang einen Antrag auf Verlesung des Wortlauts im Urkundsbeweis stellt. Die Beweisbehauptung, der Angeklagte habe sich in einem Schriftstück in einer bestimmten Weise zum Tatvorwurf geäußert, betrifft für sich grundsätzlich keine für die Entscheidung über den Schuldspruch oder Rechtsfolgenausspruch relevante Beweistatsache, die im formellen Strengbeweis aufzuklären ist (vgl. BGH NJW 1994, 2904, 2906; NStZ 2000, 439; StV 2007, 622; Meyer-Goßner aaO § 244 Rdn. 18 m. w. N.; aA Schlothauer StV 2007, 623, 625). Anders liegt es nur, wenn gerade der Inhalt des Schriftstückes an sich als Beweisgrundlage für den Urteilsspruch heranzuziehen ist. Im Einzelnen:
Die Sacheinlassung eines Angeklagten ist zwar Teil der Beweisaufnahme im materiellen Sinn, weil sie den Umfang der durchzuführenden formellen Beweisaufnahme bestimmt und über eine Tatsache, die dieser glaubhaft eingestanden hat, kein Beweis erhoben werden muss (vgl. Meyer-Goßner aaO § 244 Rdn. 3; Schlüchter in SK-StPO aaO § 244 Rdn. 26, 28; vgl. auch Frister in SK-StPO aaO § 243 Rdn. 52). Sie gehört jedoch nicht zu der in den §§ 244 - 257 StPO geregelten formellen Beweisaufnahme und ist damit kein Beweismittel im technischen Sinn (vgl. Schlüchter aaO). Dies ergibt sich schon daraus, dass gemäß § 243 Abs. 3 und 4, § 244 Abs. 1 StPO die Vernehmung eines aussagebereiten Angeklagten zur Sache nach Verlesung der Anklageschrift vor Beginn der eigentlichen Beweisaufnahme erfolgt und das Gesetz somit eine Trennung der Einlassung von der formellen Beweisaufnahme vorsieht (Herdegen in KK 5. Aufl. § 244 Rdn. 2).
An dieser gesetzlichen Konzeption ändert sich im Grundsatz nichts dadurch, dass der Angeklagte auf sein Recht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO, sich vor der formellen Beweisaufnahme mündlich zum Tatvorwurf zu äußern, verzichtet und statt dessen rechtliches Gehör in der Weise in Anspruch nimmt, dass er dem Gericht eine schriftliche Stellungnahme zu der Beschuldigung überreicht oder zusendet. Nicht anders als bei einer mündlichen Einlassung nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO erwächst dem Gericht hieraus zunächst lediglich die Verpflichtung, das Vorbringen des Angeklagten zur Kenntnis zu nehmen und zu prüfen, inwieweit dieses nach Maßgabe des § 244 Abs. 2 StPO Anlass gibt, die Sachaufklärung durch formelle Beweisaufnahme auf bestimmte zusätzliche Gesichtspunkte zu erstrecken. Es gilt hier nichts anderes als in den Fällen, in denen sich der Angeklagte schon vor der Hauptverhandlung schriftlich zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf geäußert hat, etwa nach § 136 Abs. 1 Satz 4 StPO, durch Einwendungen im Sinne des § 201 Abs. 1 StPO oder im Zusammenhang mit Anträgen nach § 219 Abs. 1 StPO. Insoweit ist bisher - soweit ersichtlich - nicht ernsthaft vertreten worden, dass derartige schriftliche Äußerungen in der Hauptverhandlung verlesen werden müssen, um gegebenenfalls die gerichtliche Aufklärungspflicht zu aktivieren.
Unterschiede ergeben sich erst dann, wenn gerade der Inhalt der Einlassung des Angeklagten als Grundlage des Urteilsspruchs herangezogen werden soll. Legt der Angeklagte bei seiner Vernehmung nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO etwa ein Geständnis ab, so wird dieses durch seine mündliche Äußerung im Rahmen der materiellen Beweisaufnahme zum Inbegriff der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) und darf daher vom Gericht bei der Urteilsfindung verwertet werden (siehe oben). Anders liegt es bei einem Geständnis, das der Angeklagte dem Gericht in schriftlicher Form zukommen lässt. Hier muss der Wortlaut des Schriftstücks durch Verlesung im formellen Urkundsbeweis in die Hauptverhandlung eingeführt werden, wenn das Geständnis als Grundlage des Urteils herangezogen werden soll (vgl. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 244 Rdn. 33; Meyer-Goßner aaO § 249 Rdn. 13). Es gilt hier nichts anderes als für schriftliche Geständnisse des Angeklagten, die nicht für das Gericht bestimmt waren und etwa durch Sicherstellung oder Beschlagnahme Bestandteil der Verfahrensakten geworden sind. Ebenso liegt es bei einer erheblichen Divergenz zwischen der mündlichen Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung und seiner schriftlichen Stellungnahme zum Tatgeschehen, wenn aus letzterer Schlussfolgerungen dazu gezogen werden sollen, ob die mündliche Einlassung glaubhaft ist (vgl. Frister aaO § 243 Rdn. 72). Wird in diesen Fällen ein Antrag gestellt, die schriftliche Erklärung des Angeklagten zu verlesen, ist dies ein Beweisantrag, der nur unter den Voraussetzungen des § 244 Abs. 3 StPO zurückgewiesen werden kann. Allerdings wird schon die Aufklärungspflicht im Regelfall zur Verlesung des Schriftstückes drängen.
Nach diesen Maßstäben handelte es sich bei dem Beweisbegehren vom 10. November 2006 nicht um einen Beweisantrag. Es war nicht darauf gerichtet, den Wortlaut des Schreibens als solchen dem Urteil zugrunde zu legen; vielmehr wollte der Angeklagte lediglich seine den Tatvorwurf bestreitende Einlassung sowie vor deren Hintergrund seine Bewertung des bisherigen Ergebnisses der Beweisaufnahme strengbeweislich in die Hauptverhandlung eingeführt wissen, obwohl das Gesetz diese Form der Beweiserhebung hierfür gerade nicht vorsieht. Das Gericht hatte den Inhalt des Schreibens auch ohne dessen urkundsbeweisliche Verlesung zur Kenntnis zu nehmen und - soweit durch § 244 Abs. 2 StPO geboten - für die Gestaltung und gegebenenfalls den Umfang der Beweiserhebung zu berücksichtigen, aber auch bei der Beurteilung von deren Ergebnissen in Betracht zu ziehen.
cc) Abschließend bemerkt der Senat zu diesem Punkt:
Das vom Angeklagten mit seinem Vorgehen ersichtlich verfolgte Interesse, nach einer Verlesung seiner schriftlichen Einlassung durch das Gericht im formellen Strengbeweis (§ 249 Abs. 1 StPO) im Revisionsverfahren mit der Rüge einer Verletzung des § 261 StPO beanstanden zu können, das Urteil habe sich mit wesentlichem Entlastungsvorbringen nicht ausreichend auseinandergesetzt, rechtfertigt keine andere Beurteilung (vgl. Frister aaO; Frisch in SK-StPO 37. Aufbau-Lfg. § 337 Rdn. 81 m. w. N.). Zwar handelt es sich bei einer schriftlichen Einlassung um eine grundsätzlich verlesbare Urkunde, weil das Gesetz die Verlesung nicht ausschließt (vgl. BGHSt 39, 305, 306). Jedoch kann ein schweigender Angeklagter das Gericht nicht zur Verlesung einer schriftlichen Einlassung zwingen und damit im Ergebnis wählen, ob er sich mündlich oder schriftlich zur Sache einlassen will. Ein solches Wahlrecht zwischen einer durch das Gericht verlesenen, ihre Sachbehandlung im Urteil inhaltlich revisionsrechtlich voll überprüfbaren schriftlichen Einlassung einerseits und einer in der Hauptverhandlung selbst vorgetragenen, revisionsrechtlich nur mittelbar über deren Wiedergabe im Urteil überprüfbaren Aussage andererseits ist mit der auf die Prinzipien der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit angelegten Konzeption des Strafverfahrens und dem hieran anknüpfenden inhaltlich eingeschränkten System der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht vereinbar (vgl. Geppert in FS für Rudolphi S. 643, 654).
b) Aus dem Gesagten folgt, dass auch die gerichtliche Pflicht zur Amtsaufklärung (§ 244 Abs. 2 StPO) es nicht gebot, das Schreiben des Angeklagten vom 3. November 2006 im Wege des Urkundsbeweises zu verlesen. Daher ist es revisionsrechtlich unerheblich, dass sich das Landgericht nach dem Wortlaut seines Ablehnungsbeschlusses nicht bewusst war, dieses verlesen zu können (vgl. BGHSt 39, 305, 306).
Gemäß § 244 Abs. 2 StPO hat das Gericht die Pflicht, zur Ermittlung des wahren Sachverhalts von Amts wegen die Beweisaufnahme auf alle Tatsachen und zulässigen Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung über den Tatvorwurf von Bedeutung sind und zur Sachaufklärung beitragen können. Deshalb muss es im Rahmen der angeklagten Tat die beweisbedürftigen Tatsachen mit allen zulässigen Beweismitteln feststellen, die für die Schuldfrage oder die in Betracht kommenden Rechtsfolgen erheblich sind (vgl. Gollwitzer aaO § 244 Rdn. 40; Schlüchter aaO § 244 Rdn. 31, 35). Der konkrete Inhalt des Schreibens vom 3. November 2006 enthielt jedoch - wie oben dargestellt - als rein bestreitende Einlassung zum Tatvorwurf kein für den Schuldspruch oder den Rechtsfolgenausspruch wesentliches Vorbringen, aus dem für sich zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten Schlüsse hätten gezogen werden können. Zu seiner Verlesung im Urkundsbeweis drängte daher nichts. Soweit das Schreiben Beweisanträge enthielt, hat das Landgericht darüber entschieden. Eine Verfahrensrüge ist insoweit nicht erhoben.
Dem Anspruch des Angeklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) wurde dadurch Rechnung getragen, dass sein Schreiben Aktenbestandteil geworden ist, das Gericht dessen Inhalt zur Kenntnis genommen hat und unter Aufklärungsgesichtspunkten verpflichtet war, die Beweisaufnahme auf alle nach dem Inhalt des Schreibens sich aufdrängenden Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken. Somit kann eine zur Akte gelangte schriftliche Einlassung den Umfang und den Inhalt der Beweisaufnahme bestimmen. Wenn das Gericht einer nach dem Inhalt einer schriftlichen Einlassung sich aufdrängenden Beweistatsache nicht nachgeht oder ein sich danach aufdrängendes Beweismittel nicht verwendet, beispielsweise einen Tatzeugen oder Alibizeugen nicht vernimmt, verletzt es insoweit seine Aufklärungspflicht. Mit der Aufklärungsrüge kann dann aber nicht die unterlassene Verlesung der Einlassung als solche gerügt werden, sondern nur die unterlassene Erhebung von Beweisen, die sich aufgrund der zum Akteninhalt gewordenen schriftlichen Erklärung aufdrängte.
Darüber hinaus gilt hier: Soweit das im Verlesungsantrag des Angeklagten wiedergegebene Schreiben vom 3. November 2006 Anlass hätte geben können, bestimmten Beweisanregungen nachzugehen, insbesondere den Zeugen De. nochmals zu vernehmen, ist die Aufklärungsrüge unzulässig. Es fehlt an der Mitteilung sowohl des zu erwartenden Beweisergebnisses als auch der Umstände, aufgrund derer sich die Beweiserhebung aufgedrängt hat. Zudem wäre die Aufklärungsrüge auch unbegründet. Die in der schriftlich formulierten Einlassung enthaltenen Behauptungen wurden - soweit bedeutsam - vom Landgericht bei der Beweisaufnahme berücksichtigt und in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert. ..." (BGH, Beschluss vom 27.03.2008 - 3 StR 6/08)
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?... Die Revision kann nicht mit der Verfahrensrüge gehört werden, die Kammer habe es unter Verstoß gegen die richterliche Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO versäumt, Beweis über die polizeilichen Aussagen des Zeugen Mo. vom 9. September 2006 durch Vernehmung des Zeugen KOK K. zu erheben. Widersprüche zwischen dem Inhalt des Urteils und den Akten sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH revisionsrechtlich unerheblich, wenn sie sich nicht aus dem Urteil selbst ergeben (BGH NStZ 1992, 506). Ergibt sich der Widerspruch nicht aus dem Urteil selbst, so läuft die Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO vielmehr auf die unzulässige Rüge der Aktenwidrigkeit hinaus (vgl. BGH NStZ 1995, 27, 28). So verhält es sich hier. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Widersprüche können in der Hauptverhandlung mit dem Zeugen Mo. unter Vorhalten, insbesondere der Augenscheinseinnahme des Videos vom Tatabend, erörtert und ausgeräumt worden sein.
Entgegen der Auffassung der Revision liegt in dem Schweigen der Urteilsgründe zu dem geltend gemachten Widerspruch auch keine Verletzung der sachlich-rechtlichen Anforderungen an die Beweiswürdigung. Denn der Tatrichter ist nur gehalten, die zum Zeitpunkt der Urteilsfällung wesentlichen beweiserheblichen Umstände in den Urteilsgründen zu erörtern (vgl. BGH a.a.O.). Der Widerspruch zu Bekundungen eines Zeugen im Ermittlungsverfahren kann aber durch seine Aussage in der Hauptverhandlung oder durch sonstige Beweismittel so zweifelsfrei gelöst sein, dass kein Anlass für seine Darlegung in den Urteilsgründen mehr bestand (vgl. BGH StV 1992, 550). ..." (BGH, Beschluss vom 30.04.2008 - 2 StR 82/08)
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?... Schließlich war das Landgericht aus Gründen der Aufklärungspflicht nicht gehalten, einen ?forensischen Ethnologen' zu hören. Die diesem Begehren zugrunde liegende Tatsachenbehauptung, die Nebenklägerin könne vor dem türkisch-kulturellen Hintergrund ?unbewusst bereit' gewesen sein, ?sich durch eine (nach ihrem Verständnis) zusätzliche Erniedrigung - einem vollzogenen Geschlechtsverkehr - zu bestrafen', da sei ?der Angeklagte gerade recht' gekommen, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Jedenfalls hätte sich die Jugendkammer dazu, zumal ein solches Gutachten nicht einmal in der Hauptverhandlung verlangt worden ist, nach dem Maßstab einer Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2 StPO nicht gedrängt sehen müssen. ..." (BGH, Beschluss vom 03.04.2008 - 1 StR 51/08)
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?... Die Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) bleibt auch ohne Erfolg, soweit mit ihr beanstandet wird, das Landgericht habe die Alkoholisierung des Angeklagten zum Tatzeitpunkt nicht ausreichend aufgeklärt. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob sie den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt; denn das vorgetragene Ergebnis der vermissten Beweisaufnahme - der Angeklagte sei hochgradig alkoholisiert gewesen - betrifft keine bestimmte Beweistatsache, sondern eine Wertung. Jedenfalls ist die Rüge unbegründet, weil der zu beurteilende Sachverhalt nicht zur Vernehmung der bei der Tat nicht anwesenden Zeugen über den Alkoholkonsum des Angeklagten drängte. Das sachverständig beratene Landgericht konnte anhand aussagekräftiger psychodiagnostischer Kriterien (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 20 Rdn. 22) zum Nachtatverhalten ausschließen, dass der alkoholgewohnte Angeklagte zum Tatzeitpunkt schuldunfähig war. ..." (BGH, Beschluss vom 27.03.2008 - 3 StR 69/08)
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Ein Rechtssatz des Inhalts, dass der Tatrichter in Kapitalstrafsachen aus Gründen der Aufklärungspflicht stets gehalten ist, einen Sachverständigen mit der Erstattung eines Gutachtens zur Schuldfähigkeit zu betrauen, existiert nicht. Das Revisionsgericht kann vielmehr regelmäßig davon ausgehen, dass der Tatrichter über die notwendige Sachkunde verfügt, um zu beurteilen, ob mit Blick auf das Tatbild und die Person des Angeklagten die Hinzuziehung eines Schuldfähigkeitsgutachters geboten ist (BGH, Beschluss vom 05.03.2008 - 1 StR 648/07 zu StPO §§ 244, 246a, 261).
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?... Die Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet zudem mit einer auf die Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) gestützten Rüge zu Recht, dass es das Landgericht unterlassen hat, durch Verlesung der Urteile Beweis über die den Verurteilungen des Angeklagten durch das Landgericht Mönchengladbach vom 31. Mai 1996 und das Landgericht Essen vom 17. Januar 2001 zu Grunde liegenden Taten zu erheben (vgl. auch BGHSt 43, 106).
Das Landgericht Mönchengladbach hatte den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte im August 1995 in den frühen Morgenstunden eine 18 Jahre alte Frau vom Rad gestoßen, ihr ein Küchenmesser an den Hals gelegt und sie gezwungen, sich vollständig zu entkleiden. Er verlangte von ihr, vor ihm niederzuknien und den Oralverkehr zu vollziehen, und zwang sie, ihm einen Zungenkuss zu geben. Dann griffen Polizeibeamte ein, die von Nachbarn alarmiert worden waren.
Das Landgericht Essen hatte den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen schlug der Angeklagte im Juli 1998 einen damals zwölf Jahre alten Jungen zunächst bewusstlos, packte ihn im Nacken und zerrte ihn in ein Gebüsch. Unter der Drohung, dem Jungen das Genick zu brechen, erzwang der Angeklagte den Oral- und den Analverkehr.
Das Landgericht hätte sich zu der Verlesung dieser Urteile gedrängt sehen müssen, zumal diese - wenn auch nicht durch einen förmlichen Beweisantrag - im Hauptverhandlungstermin vom 20. Februar 2007 von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war. Dass die einschlägigen Vorverurteilungen, insbesondere auch die Feststellungen zu der Vorgehensweise des Angeklagten, für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Nebenklägerin von Bedeutung sein können, liegt auf der Hand. ..." (BGH, Urteil vom 14.02.2008 - 4 StR 317/07)
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?... Hinsichtlich der Aufklärungsrüge, das Landgericht habe sich nur unzureichend bemüht, die Zeugin zur Vernehmung in der Hauptverhandlung herbeizuschaffen, erschöpft sich die Revision letztlich in allgemeinen Hinweisen, in welche Richtung weitere Bemühungen des Gerichts hätten gehen können. Welche konkreten Maßnahmen die Strafkammer hätte unternehmen müssen und welcher Erfolg dem beschieden gewesen wäre, teilt die Revision jedoch nicht mit. Im Übrigen hätte es der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Hauptverhandlung offen gestanden, entweder dem Gericht etwaig vorhandene konkrete Hinweise zum Aufenthalt der Zeugin zu geben und auf deren Beischaffung durch das Gericht hinzuwirken oder aber selbst Maßnahmen zu ergreifen, die Zeugin zur Hauptverhandlung beizubringen (vgl. § 214 Abs. 3 StPO). ..." (BGH, Urteil vom 07.02.2008 - 4 StR 575/07)
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?... d) Die Verfahrensbeanstandung, die Kammer habe durch die Weigerung, alle aufgezeichneten Gespräche in türkischer Sprache ins Deutsche übersetzen zu lassen oder zumindest die unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers für die Verteidigung zu bewilligen, ihre Aufklärungspflicht verletzt (§ 244 Abs. 2 StPO) und die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt unzulässig beschränkt (vgl. § 338 Nr. 8 StPO), greift ebenfalls nicht durch.
Die Aufklärungsrüge ist bereits unzulässig, weil sie kein bestimmtes Beweisergebnis behauptet. Sie wäre auch unbegründet; denn eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch die unterlassene (wörtliche) Übersetzung liegt nicht vor. Es befinden sich Zusammenfassungen in deutscher Sprache über den Inhalt der Telefonate in den Akten, aus denen sich keine Relevanz der in Türkisch geführten Gespräche für die abgeurteilten Taten ergibt. Schon deshalb musste sich die Kammer nicht zur Übersetzung der Telefonate gedrängt sehen. Hinzu kommt, dass das Landgericht auch zur Überprüfung der durch die Ermittlungsbehörden getroffenen Vorauswahl ?relevanter' Telefonate bereits die Aufzeichnungen von mehreren Hundert Gesprächen in Augenschein genommen hatte, ohne dass sich eine von den Angaben in den schriftlichen Zusammenfassungen abweichende Verfahrensrelevanz ergeben hatte.
Auch im Übrigen ist die Rüge unbegründet. Die Verteidigung ist nicht dadurch in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt worden, dass die Kammer nicht alle Telefonate hat übersetzen lassen: Die Vorschrift des § 147 Abs. 1 StPO gibt keinen Anspruch auf eine Übersetzung sämtlicher in einer fremden Sprache aufgezeichneten Gespräche (Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 147 Rdn. 19; OLG Koblenz NStZ 1995, 611).
Den weitergehenden Antrag auf unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers, um der Verteidigung das Abhören der in türkischer Sprache geführten Telefonate zu ermöglichen, hat die Kammer in der vorliegenden Verfahrenssituation, in der bereits deutschsprachige Zusammenfassungen der Gespräche vorlagen, aus denen sich ergab, dass die in türkischer Sprache geführten Telefonate für die Vorwürfe gegen den Angeklagten keine Relevanz aufwiesen, mit rechtsfehlerfreier Begründung abgelehnt. ..." (BGH, Beschluss vom 04.12.2007 - 3 StR 404/07)
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?... a) Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob die Verfahrensrüge die Voraussetzungen einer Beweisantragsrüge nach den von BGHSt 45, 188, 190 aufgestellten Grundsätzen erfüllt, soweit ein ausdrücklicher Antrag zur Durchführung einer Bild-Ton-Vernehmung nach § 247a Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz StPO i.V.m. Art. 10 Abs. 1 und 2 EuRhÜbK für nicht erforderlich gehalten wird. Der Senat neigt zu der Auffassung, dass es einem ausdrücklich zu formulierenden Begehren eines Beweisantragstellers obliegt, ob er sich nach Feststellung der Unerreichbarkeit eines Zeugen für dessen von ihm begehrte Vernehmung in der Hauptverhandlung mit dem bei einer Bild-Ton-Übertragung gegebenen Defizit an Unmittelbarkeit (vgl. BGHSt 45, 188, 196) im Vergleich zur konfrontativen Vernehmung im Gerichtssaal begnügen möchte (vgl. BGHSt 22, 118, 122 zur Pflicht zur Befragung des Antragstellers, ob er sich mit einer kommissarischen Vernehmung begnügt; vgl. ferner BGHSt 46, 73, 78 zur Pflicht gemäß § 247a StPO nach Verlesung eines richterlichen Vernehmungsprotokolls bei - enger als in § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO auszulegender - Unerreichbarkeit des Zeugen nach § 251 StPO). Die Rüge greift jedenfalls als Aufklärungsrüge gemäß § 244 Abs. 2 StPO i.V.m. § 247a Satz 1 2. Halbsatz StPO, Art. 10 Abs. 1 und 2 EuRHÜbK durch.
aa) Die behauptete Beweistatsache ist genügend bestimmt (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 6). Der Antrag auf Vernehmung der unter bekannter Adresse in Österreich wohnhaften Zeugin H. - eines bestimmten Beweismittels (vgl. BGHR aaO) - enthält die Behauptung mangelnder Personenidentität in dem Sinn, dass der Angeklagte nicht am Überfall auf den Bordellbetrieb beteiligt war. Dies stellt eine bestimmte Beweistatsache dar (vgl. BGH NStZ 2006, 585, 586; 2004, 99, 100; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 244 Rdn. 17). Zwar hat der Verteidiger im Tenor seines Antrags vordergründig ein bloßes Beweisziel benannt (vgl. BGHSt 39, 251, 253 f.). Indes ergibt sich vorliegend aus der weiteren Begründung des Antrags, es handele sich um eine - im Übrigen auch nach Auffassung des Landgerichts im ablehnenden Beschluss unverzichtbare - Tat- und Wiedererkennungszeugin und diese Zeugin werde ihre notwendigerweise auf konkrete Körpermerkmale des ihr erinnerlichen Täters gestützte Erinnerungsleistung in einer Weise erbringen, die mit dem (damaligen) Erscheinungsbild des Angeklagten nicht in Einklang zu bringen sei. Dies genügt in der hier vorliegenden, von gesteigertem Aufklärungsbedürfnis gekennzeichneten besonderen Beweissituation des eher komplexen und fehlerträchtigen Wiedererkennens eines Täters durch Zeugen (vgl. BVerfG - Kammer - NJW 2003, 2444, 2445; BGHR StPO § 261 Identifizierung 6; BGH, Urteil vom 17. Juli 2007 - 5 StR 186/07 Rdn. 20) den Anforderungen, die an eine bestimmte Beweisbehauptung zu stellen sind. Der Gegenstand der Zeugenaussage ist hier nämlich in einem solchen Maß auf die Wahrnehmung von dem Zeugenbeweis unmittelbar zugänglichen Wiedererkennungsmerkmalen ausgerichtet, dass deren konkretere Benennung nicht geboten ist, um das Aufklärungsbegehren näher zu präzisieren. Das Erfordernis der Konnexität liegt bei der hier auch gegebenen Opfereigenschaft der Zeugin auf der Hand (vgl. BGH NStZ 2006, 585, 586).
bb) Die Revision macht zu Recht geltend, das Landgericht hätte sich in Erfüllung seiner Aufklärungspflicht dazu gedrängt sehen müssen, die Tat und Wiedererkennungszeugin H. per Ton-Bild-Übertragung zu vernehmen. Die Aufklärungspflicht ist auch verletzt, wenn bei verständiger Würdigung der Sachlage durch den abwägenden Richter die Verwendung einer Aufklärungsmöglichkeit den Schuldvorwurf möglicherweise in Frage gestellt hätte (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 2 Umfang 1; BGH StV 2005, 253, 254). Dies ist bei den hier vorliegenden, nicht eindeutig übereinstimmenden, vom Landgericht zudem auch überwiegend nicht anhand konkreter Körpermerkmale dargelegten Wiedererkennungsleistungen der Zeuginnen der Fall. Das Landgericht konnte sich von seiner Aufklärungspflicht auch nicht mit der Hilfserwägung befreien, es handele sich um eine Behauptung ins Blaue hinein. Eine solche Bewertung ist angesichts des Umstandes, dass die Zeugin den Angeklagten auf Wahllichtbildern nicht erkannt hat und die Strafkammervorsitzende die Zeugin als wichtige Wiedererkennungszeugin betrachtet hat, nicht gerechtfertigt. Zudem liegt es in der Natur der Sache, dass ein Antragsteller die Aussagen der Zeugin im Vorhinein regelmäßig nicht kennt, sondern den behaupteten Inhalt lediglich für möglich hält (vgl. BGHSt 21, 118, 121, 125; BGH NStZ 2006, 585, 586).
b) Die Revision hat ferner dargelegt, dass eine audiovisuelle Vernehmung der Zeugin H. im Wege der Rechtshilfe möglich gewesen wäre. In der Republik Österreich ist das Übereinkommen vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EuRhÜbK) am 23. August 2005 in Kraft getreten (Schomburg/Gleß in Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen 4. Aufl. S. 999). Einer Bewilligung und Durchführung einer solchen in Artikel 10 Abs. 1 und 2 EuRhÜbK vorgesehenen Vernehmung hätten keine Hindernisse entgegengestanden, zumal § 247a Abs. 2 öStPO selbst die audiovisuelle Auslandsvernehmung von Zeugen durch österreichische Gerichte vorsieht (vgl. Kirchbacher in Fuchs/Ratz, Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung 55. Lfg. § 247a Rdn. 6 f.).
Eine Vernehmung der Zeugin H. durch eine Bild-Ton-Übertragung wäre trotz gewisser Einschränkungen der Unmittelbarkeit (vgl. BGHSt 45, 188, 196) auch nicht von vornherein ungeeignet gewesen, um eine Vernehmung über eine Täteridentifizierung durchzuführen, wobei der Zeugin Lichtbilder vom Angeklagten hätten vorgehalten werden können oder auch die Person des anwesenden Angeklagten im Wege der Videosimultanübertragung hätte gezeigt werden können.
c) Der Vorschrift des § 247a Satz 2 StPO lässt sich keine Einschränkung für die hier zu beurteilende Nichtentscheidung über die Bewilligung der audiovisuellen Auslandsvernehmung entgegen bestehender Aufklärungspflicht entnehmen (vgl. auch BGHSt 45, 188, 197).
5. Auf die übrigen beachtlich erscheinenden Verfahrensrügen braucht der Senat nicht mehr einzugehen. Damit erheischt der Umstand keine Entscheidung, ob bei unterlassener Vereidigung von zwei Dolmetschern entgegen § 189 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GVG Russischkenntnisse der Strafkammervorsitzenden, die den Dolmetschern freilich verborgen geblieben waren, zu einer Verneinung des Beruhens des Urteils auf diesem Rechtsfehler führen können (vgl. BGH NStZ 2005, 705, 706), was hier auch eine gewisse Konzentration der Strafkammervorsitzenden auf den schwierigen Übertragungsvorgang erfordert hätte.
Sollte erneut ein - im Einzelnen zu begründender - Ausschluss des Angeklagten von der Hauptverhandlung gemäß § 247 Satz 1 StPO erforderlich werden, wird der neue Tatrichter gehindert sein, den in Abwesenheit des Angeklagten vernommenen Zeugen zu entlassen, bevor der Angeklagte zuvor über den wesentlichen Inhalt der in seiner Abwesenheit erfolgten Aussage unterrichtet worden ist (vgl. BGHR StPO § 247 Abwesenheit 20; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 247 Rdn. 15).
6. Aufgrund der Komplexität und der Fehleranfälligkeit bei einer Überführung aufgrund der Aussage zum Wiedererkennen durch Belastungszeugen wird der neue Tatrichter grundsätzlich gehalten sein, darzulegen, ob und in welchem Grade die Aussagen der Wiedererkennungszeuginnen zur Übereinstimmung zwischen dem Angeklagten und den seinerzeit wahrgenommenen Täter mit den in der Hauptverhandlung gewonnen übrigen Beweisergebnissen in Einklang gebracht werden können oder aber diesen zuwider läuft (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2007 - 5 StR 186/07 Rdn. 20). Diese Pflicht könnte es gebieten, das von der Revision im Rahmen einer Verfahrensrüge vorgetragene Entlastungsindiz - DNA am Slip des Vergewaltigungsopfers ausschließlich von einem anderen Mann stammend - in die Beweiswürdigung mit einzubeziehen. Der Senat weist ferner darauf hin, dass den Darlegungserfordernissen, zumal bei dem hier vorliegenden, bis viermaligen Wiedererkennen (vgl. BGHSt 16, 204, 205 f.; BGH StV 1997, 454 f.), größere Aufmerksamkeit zu widmen sein wird (vgl. dazu näher BGH StV 2004, 58).
Sollte der neue Tatrichter zu gleichen Schuldsprüchen kommen, wäre die Annahme von Tateinheit im Blick auf die identische Gewaltausübung zutreffend (Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 177 Rdn. 105). ..." (BGH, Beschluss vom 09.10.2007 - 5 StR 344/07).
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?... Indes ist die hier - mangels erhobener Verfahrensrügen gemäß § 244 Abs. 2 und/oder § 261 StPO - aufgrund der Sachrüge mögliche und gebotene Prüfung der Beweiswürdigung auf den Inhalt des landgerichtlichen Urteils beschränkt (vgl. BGHSt 35, 238, 241). Die Revision kann grundsätzlich nicht mit der Behauptung gehört werden, das Tatgericht habe sich mit einer bestimmten Aussage einer Beweisperson nicht auseinandergesetzt, wenn sich diese Aussage nicht aus dem Urteil selbst ergibt (vgl. BGH NJW 2003, 150, 152). Danach bleibt - worauf auch der Generalbundesanwalt zu Recht hingewiesen hat - der Vortrag der Revision von vornherein erfolglos, alle geschädigten Zeuginnen hätten aufgrund unvollständiger Wertung ihrer Aussagen durch das Landgericht und nach Maßgabe der richtigen Wertung durch den Revisionsführer den Angeklagten nicht nur nicht wiedererkannt, sondern ihn mitunter sogar als Täter explizit ausgeschlossen. Damit unterliegen die Behauptungen der Revision, die Zeuginnen A. , S. und M. hätten ganz andere Täter beschrieben, das Landgericht hätte die Aussage der Zeugin N. missinterpretiert und die Räumlichkeiten der Grundschule seien - entgegen der Aussage der Zeugin S. (UA S. 13) - hell erleuchtet gewesen, hier nicht der revisionsgerichtlichen Prüfung. Gleiches gilt für den urteilsfremden Vortrag, im Fall 1. d habe der Täter am vermuteten Einstiegsfenster der Grundschule Zigarettenkippen hinterlassen, die - wie auch andere ausgewertete Spuren - den Angeklagten nicht belastet hätten. ..." (BGH, Urteil vom 17.07.2007 - 5 StR 186/07).
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?... 3. Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht durch Unterlassung der Verlesung der schriftlichen Erklärungen der Mitangeklagten (§ 244 Abs. 2 StPO):
Die Rügen, das Landgericht habe sich aufgrund der Aufklärungspflicht jeweils zur Verlesung der ihm übergebenen schriftlichen Erklärungen der beiden Mitangeklagten gedrängt sehen müssen, sind unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil sie wesentliche Verfahrensvorgänge nicht mitteilen. Die Revisionen tragen nicht vor, auf Grund welcher Umstände sich das Landgericht zu der vermissten Verlesung hätte gedrängt sehen müssen. Alle drei Angeklagten sind im Ermittlungsverfahren von dem Kriminalhauptkommissar K. vernommen worden; dieser wurde in der Hauptverhandlung als Zeuge gehört. Das tragen die Revisionen nicht vor. Allein der Vortrag der Tatsache, dass die Mitangeklagten in der Hauptverhandlung von ihrem Recht zu schweigen Gebrauch gemacht hatten, reicht nicht aus, um beurteilen zu können, ob das Tatgericht bei sorgfältiger und verständiger Würdigung dieses Umstands begründete Zweifel an der Richtigkeit der (auf Grund der bisherigen Beweisaufnahme erlangten) Überzeugung haben und deshalb durch die Verlesung der schriftlichen Erklärungen weiteren Erkenntnisgewinn erwarten konnte, so dass es diese Möglichkeit zu weiterer Beweiserhebung nutzen musste.
Das Tatgeschehen in der Wohnung hat das Landgericht aufgrund der Aussagen der Zeugen Michael F. , Nadine Fr. und Marcel Me. festgestellt. Der frühere Mitangeklagte A. hatte die Richtigkeit der gegen ihn und die Mitangeklagten erhobenen Vorwürfe pauschal bestätigt. Aus diesem äußeren Tatgeschehen hat das Landgericht gefolgert, dass Ausführungsart und Zielrichtung der Tat vorher abgesprochen waren, was die Angeklagten in ihren schriftlichen Erklärungen bestritten. Unter diesen Umständen hätten die Revisionen nähere Ausführungen machen müssen, um dem Revisionsgericht die Überprüfung zu ermöglichen, ob sich der Strafkammer die Verlesung der schriftlichen Erklärungen aufdrängen musste, zumal deren Beweiswert grundsätzlich nicht so hoch eingeschätzt werden kann wie derjenige von mündlichen Angaben eines Mitangeklagten, der auf Nachfragen antwortet und dem Vorhalte gemacht werden können. Der Angeklagte M. hatte bei der Polizei Angaben gemacht, der Vernehmungsbeamte K. ist ausweislich der Urteilsgründe dazu vernommen worden. Die Revisionen teilen nicht mit, ob die frühere Aussage des Angeklagten M. mit seiner schriftlichen Erklärung inhaltlich übereinstimmte, so dass seine Angaben inhaltlich bereits Gegenstand der Beweisaufnahme waren. Die Revisionen teilen auch nicht mit, was die Angeklagten D. und R. bei ihren polizeilichen Vernehmungen ausgesagt haben und ob diese Vernehmungen Gegenstand der Hauptverhandlung waren. ..." (BGH, Urteil vom 20.06.2007 - 2 StR 84/07)
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Wird in einer Verfahrensituation, in der Aussage gegen Aussage steht, die Vernehmung eines ?Auslandszeugen' beantragt, durch die die Glaubwürdigkeit der maßgeblichen Belastungszeugin und die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben in Zweifel gezogen werden sollen, drängt die Aufklärungspflicht zur Vernehmung des Zeugen, zumindest aber zur Klärung der Frage, ob der Zeuge existent und ob von ihm ein Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung zu erwarten ist (BGH, Beschluss vom 29.11.2006 - 2 StR 404/06 zu StPO § 244 Abs. 5, Abs. 2):
?... Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und wegen besonders schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt; vom Vorwurf einer weiteren Vergewaltigung hat es ihn freigesprochen. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Aufklärungsrüge Erfolg. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift vom 13. September 2006 ausgeführt:
?Die Revision dringt mit einer Aufklärungsrüge durch. Die Geschädigte R. , deren Aussage einzige Grundlage für den Schuldspruch bildet, hat bestritten, bereits in Rumänien als Prostituierte gearbeitet zu haben. Die entgegenstehende Einlassung des Beschwerdeführers, er habe die Zeugin im April 2004 in Rumänien auf einer Party kennen gelernt, auf der die Zeugin als Prostituierte zum Einsatz gekommen war (UA S. 18), hält die Strafkammer für widerlegt. In der Hauptverhandlung beantragte die Verteidigung unter Angabe ladungsfähiger Anschriften für den Fall der Verurteilung des Beschwerdeführers hilfsweise die Vernehmung der Zeugin H. und des Zeugen D. zum Beweise der Tatsache, dass die Zeugin R. auf der vom Beschwerdeführer erwähnten Party (Betriebsfeier) sich als Prostituierte betätigte. D. sollte nach dem Beweisantrag in seiner Eigenschaft als Veranstalter der Betriebsfeier und Besteller der Prostituierten bei einem Party-Service, die Zeugin H. als Vermittlerin der Zeugin R. an die Freier aussagen.
Die Revision beanstandet zu Recht, dass der Tatrichter diesem Beweisangebot unter Verstoß gegen die Aufklärungspflicht nicht nachgegangen ist, sondern den Beweisantrag abgelehnt hat (UA S. 33). Bei der hier gegebenen Verfahrenssituation, in der Aussage gegen Aussage steht, drängte die Aufklärungspflicht zur Vernehmung der Zeugen, jedenfalls aber zur Klärung der Frage, ob die Zeugen existent sind und ob von ihnen ein Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung zu erwarten war. Dieses wäre auch ohne größeren Zeit- und Arbeitsaufwand möglich gewesen. Denn bei den benannten Zeugen handelt es sich um so genannte ?Auslandszeugen' im Sinne von § 244 Abs. 5 S. 2 StPO, bei denen es zulässig ist, vor ihrer Ladung im Wege des Freibeweises zu klären, ob von ihnen eine sachdienliche Aussage zu erwarten ist (BGH NStZ 1995, 244). Diese Klärung hätte durch Einschaltung des Verbindungsbeamten des Bundeskriminalamtes bei der deutschen Botschaft in Bukarest unschwer erfolgen können. Im Falle der Bestätigung der Beweisbehauptung hätte das zu einer anderen Bewertung der Glaubwürdigkeit der Zeugin R. und der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben führen können. Insbesondere wäre damit der tatrichterlichen Annahme, die Zeugin sei aufgrund der Täuschung durch den Beschwerdeführer in dem Glauben nach Deutschland gekommen, hier als Haushaltshilfe Geld verdienen zu können, möglicherweise der Boden entzogen worden; die Revision weist zutreffend darauf hin, dass für den Beschwerdeführer kein Grund zur Täuschung der Zeugin bestand, wenn diese bereits in Rumänien der Prostitution nachging. Im Falle der Bestätigung der Beweisbehauptung würde auch die Glaubwürdigkeit der Zeugin und die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben im Falle II 1 der Urteilsgründe besonders kritisch zu würdigen sein.'
Dem schließt sich der Senat an, zumal die einzelnen Vernehmungen der Zeugin erhebliche Widersprüche aufweisen, so dass, anders als das Landgericht meint, von einer Aussagekonstanz im Aussageverhalten der Zeugin nicht mehr ausgegangen werden kann. ..." (BGH, Beschluss vom 29.11.2006 - 2 StR 404/06)
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?... Der Freispruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit der Aufklärungsrüge gemäß § 244 Abs. 2 StPO die unterlassene Vernehmung des Zeugen H. I. in der Hauptverhandlung. Diesem habe kein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO zugestanden. Die Rüge greift durch.
a) Ihr liegt folgendes Geschehen zugrunde:
Nachdem der Zeuge H. I. sich in der Hauptverhandlung auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht berufen hatte, wurde ihm dieses zunächst durch Verfügung des Vorsitzenden und schließlich durch Kammerbeschluss zugestanden. In diesem Beschluss wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Ordnungs- und Zwangsmittel gegen den Zeugen zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Zeuge G. habe bekundet, er vermute, H. I. sei wirklich ?groß im Geschäft gewesen' und Y. I. müsse der Chef der ganzen Bande gewesen sein. Da auch der Zeuge Kr. bei seiner Beschuldigtenvernehmung bestätigt habe, H. I. sei ?groß im Geschäft gewesen', bestehe der Verdacht, H. I. habe weitere Straftaten begangen, die noch nicht rechtskräftig abgeurteilt seien. Er müsse demnach damit rechnen, dass der Angeklagte seinerseits Angaben nach § 31 BtMG machen würde, die ihn - den Zeugen - belasten würden. Im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts NJW 2002, 1411, 1412 stehe dem Zeugen bei dieser Sachlage ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zu. Zudem gebe es Differenzen zwischen seinen bisherigen richterlichen Aussagen.
b) Das Landgericht hat ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht des Zeugen H. I. nicht tragfähig begründet.
Das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO kann grundsätzlich nur in dem Umfang greifen, in welchem die Befragung sich auf Vorgänge richtet, die im Verhältnis zu den abgeurteilten Geschehen andere Taten im verfahrensrechtlichen Sinn des § 264 Abs. 1 StPO darstellen würden. Dabei genügt es, wenn der Zeuge über Vorgänge Auskunft geben müsste, die den Verdacht gegen ihn mittelbar begründen, sei es auch nur als Teilstück in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude (BGH NJW 1999, 1413, 1414; BGHR StPO § 55 Abs. 1 Verfolgung 1). Besteht die konkrete Gefahr, dass er durch eine wahrheitsgemäße Aussage zugleich potentielle Beweismittel gegen sich selbst wegen noch verfolgbarer eigener Delikte liefern müsste, so ist ihm die Erteilung solcher Auskünfte nicht zumutbar (BVerfG NJW 2002, 1411, 1412).
Eine solche Gefahr der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Zeugen H. I. hat das Landgericht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt dargetan.
Die pauschalen Bekundungen anderer Zeugen, H. I. sei groß im Rauschgiftgeschäft tätig gewesen, sind keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO zur Einleitung weiterer, über die abgeschlossenen hinausgehenden Verfahren.
Auch die Benennung seines Rauschgiftlieferanten in der Hauptverhandlung begründet keine weitere Gefahr der Strafverfolgung für den Zeugen H. I. , die der Selbstbelastungsfreiheit unterliegt. In der vom Landgericht zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ging es um die erstmalige Preisgabe unbekannter Rauschgiftlieferanten, die nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die Gefahr für den Beschwerdeführer beinhaltete, zumindest mittelbare Ansatzpunkte für eine Strafverfolgung wegen von ihm begangener weiterer, nicht abgeurteilter Betäubungsmitteldelikte zu liefern. Im vorliegenden Fall war der Lieferant des Zeugen H. I. aufgrund seiner eigenen Angaben jedenfalls seit dem Jahre 2002 bekannt. Sollte seine erneute Benennung als Rauschgiftlieferanten durch den Zeugen in der Hauptverhandlung den Angeklagten dazu veranlassen, möglicherweise den Zeugen über die bereits bekannten Taten hinausgehend zu belasten, so ist dies vom Schutzzweck der verfassungsrechtlich verbürgten Selbstbelastungsfreiheit nicht umfasst (BVerfG NJW 2003, 3045, 3046).
Die Gefahr der Strafverfolgung wegen eines Aussagedeliktes hat das Landgericht nicht konkretisiert.
c) Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer zu einer anderen Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gelangt wäre, wenn sie den Zeugen H. I. in der Hauptverhandlung vernommen hätte, weil sie selbst die fehlende Gewinnung eines persönlichen Eindrucks und die fehlende Möglichkeit von Fragestellungen zur Begründung ihrer Zweifel anführt.
Schon aufgrund der Verfahrensrüge muss das Urteil aufgehoben werden. ...." (BGH, Beschluss vom 19.12.2006 - 1 StR 326/06)
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?... Die einzige erhobene Verfahrensrüge, ausdrücklich als Aufklärungsrüge aus § 244 Abs. 2 StPO bezeichnet, ist als solche nicht in zulässiger Weise (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) erhoben, da weder ein bestimmtes Beweisergebnis noch die zu nutzenden Beweismittel benannt werden. Mit der Behauptung, dass das Landgericht ?zu anderen, eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten bejahenden Ergebnissen gelangt wäre', wird eine konkrete Beweistatsache nicht angeführt. Die Bezeichnung des vermissten Verfahrensvorgehens beschränkt sich auf etwa unterbliebene ?Nachfragen' und ?Vorhalte' an den gehörten Sachverständigen G. . Indes kann die Aufklärungsrüge nicht darauf gestützt werden, dass ein Beweismittel nicht ausgeschöpft worden sei, insbesondere bestimmte Fragen nicht gestellt oder bestimmte Vorhalte nicht gemacht worden seien (Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 244 Rdn. 82 m. N. d. Rspr.).
b) Auch eine andere Interpretation der Verfahrensrüge führt nicht zu deren Erfolg. Während eine Rüge aus § 261 StPO nicht ausdrücklich erhoben ist, mag der angebrachten Verfahrensrüge eine entsprechende Intention entnommen werden, weil eine vermeintliche Divergenz zwischen den im Urteil mitgeteilten Bekundungen des Sachverständigen G. einerseits und dessen Ausführungen in seinem vorbereitenden schriftlichen Gutachten andererseits aufgegriffen werden und daran die Folgerung geknüpft wird, damit ?hätte sich die Kammer näher befassen müssen'. Indes ist die Beanstandung, selbst wenn man sie etwa als alternative Rüge der Verletzung von § 244 Abs. 2 StPO oder von § 261 StPO - eine Rüge, die ohnehin nur in Ausnahmefällen statthaft ist (vgl. BGHSt 43, 212, 215; BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 36, 37; Schäfer StV 1995, 147, 154 ff.), verstehen würde - zumindest unbegründet. Es bestand eine unterschiedliche Ausgangslage für die Abfassung des vorbereitenden schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen G. einerseits und für die Erstattung von dessen Gutachten in der Hauptverhandlung andererseits. So hatte das Landgericht durch Beschluss vom 27. September 2004 den Sachverständigen (lediglich) mit der Beantwortung der Frage beauftragt, ob die vom Angeklagten ?vorgeschlagene Strahlenbehandlung und deren Durchführung für den Tod der Patientin Sm. ursächlich war und ob die Patientin bei einer anderen Strahlenbehandlung in geringerer Dosierung bzw. anderer Anwendung länger als bis zum 13. April 1999 - ihrem Todestag - gelebt hätte'. Die relevanten Angaben des Sachverständigen in seinem in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten gehen darüber insoweit hinaus, als der zur Zeit der Behandlung der Patientin aktuelle Stand der strahlenmedizinischen Wissenschaft und Praxis dargestellt worden ist. Zudem lagen dem schriftlichen Gutachten nicht die ?Original-Patientenakte', die erst während der Hauptverhandlung eingeführt wurde, und die schriftliche (ergänzende) Einlassung des Angeklagten hierzu zugrunde. Schon diese Umstände können die etwaigen Differenzen zwischen dem schriftlichen und dem mündlich erstatteten Gutachten möglicherweise erklären. ..." (BGH, Urteil vom 13.12.2006 - 5 StR 211/06)
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?... 1. Die - jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des § 244 Abs. 2 StPO - zulässige Verfahrensrüge, die sich gegen die Ablehnung eines Antrags auf Einholung eines psychologischen Gutachtens über die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin wendet, ist unbegründet. Dem Landgericht musste sich eine solche Begutachtung der als Zeugin vernommenen, zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 20 Jahre alten Nebenklägerin nicht aufdrängen; sie lag nicht einmal nahe.
Die Würdigung von Zeugenaussagen und die Beurteilung ihrer Glaubhaftigkeit ist Aufgabe des Gerichts. Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass Berufsrichter über diejenige Sachkunde bei der Anwendung aussagepsychologischer Glaubwürdigkeitskriterien verfügen, die für die Beurteilung von Aussagen auch bei schwieriger Beweislage erforderlich ist, und dass sie beteiligten Laienrichtern diese Sachkunde jeweils vermitteln können. Ausnahmen können sich ergeben, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Erinnerungsfähigkeit einer Beweisperson aus besonderen, psychodiagnostisch erfassbaren Gründen eingeschränkt ist oder dass besondere psychische Dispositionen oder Belastungen - die auch im verfahrensgegenständlichen Geschehen selbst ihre Ursache haben können - die Zuverlässigkeit der Aussage in Frage stellen könnten, und dass für die Feststellung solcher Faktoren und ihrer möglichen Einflüsse auf den Aussageinhalt eine besondere, wissenschaftlich fundierte Sachkunde erforderlich ist, über welche der Tatrichter im konkreten Fall nicht verfügt (vgl. BGH NStZ 2001, 105). Ob ein solcher Fall vorliegt, unterliegt der richterlichen Beurteilung im Rahmen der Aufklärungspflicht. Besonderheiten im genannten Sinn sind nicht schon allein deshalb anzunehmen, weil Gegenstand der Aussage eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist oder weil eine Beweisperson zur Zeit des geschilderten Vorfalls in kindlichem oder jugendlichem Alter war oder dies zum Zeitpunkt ihrer Aussage ist. Die mit Jugendschutzsachen befassten Spruchkörper verfügen regelmäßig über besondere Sachkunde auch zur Beurteilung der Aussagen kindlicher Zeugen (vgl. BGH, Urt. vom 11. August 1998 - 1 StR 338/98, insoweit in NStZ 1999, 297 nicht abgedruckt; BGH, Urt. vom 27. Januar 2005 - 3 StR 431/04, NStZ 2005, 394 m.w.N.).
Vorliegend zeigt die Revision Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall nicht auf; solche sind auch sonst nicht ersichtlich. Soweit die Revision einzelne Unklarheiten oder Widersprüche in der vom Landgericht wiedergegebenen Aussage der Nebenklägerin hervorhebt, gehen die sich hieraus ergebenden Anforderungen an die Beweiswürdigung ersichtlich nicht über das Maß hinaus, welches vom Tatrichter regelmäßig verlangt wird. Auch aus den von der Revision angesprochenen konstellativen Faktoren ergibt sich nicht, warum die Sachkunde der Jugendschutzkammer hier nicht hätte ausreichen sollen. Das Landgericht hat den Antrag daher zu Recht mit dem Hinweis auf die eigene Sachkunde zurückgewiesen. ..." (BGH, Urteil vom 26.04.2006 - 2 StR 445/05)
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?... Jedenfalls zwei der vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen sind begründet.
a) Zutreffend rügt die Revision, dass das Landgericht einen Antrag der Verteidigung, den rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. B. nochmals ergänzend zu vernehmen, zu Unrecht abgelehnt hat.
aa) Der Sachverständige, der die Sektion der Leiche des getöteten Ali K. vorgenommen hatte, hatte bei seiner Vernehmung ausgesagt, der Tod sei infolge eines Schusses eingetreten, der das Tatopfer von hinten getroffen und eine Hauptschlagader eröffnet hatte. Nach diesem Treffer sei Ali K. angesichts des sofortigen massiven Blutverlusts allenfalls noch sechs bis zehn Sekunden bei Bewusstsein und handlungsfähig gewesen und habe allenfalls noch eine Strecke von zehn Metern laufen können.
Zu einem späteren Zeitpunkt in der Hauptverhandlung wurde der Sachverständige Dr. Sch. vernommen; dieser sagte aus, Blutspuren des Getöteten seien in einer Entfernung von 20 bis 25 Metern von dem Ort aufgefunden worden, an dem K. sich nach den Feststellungen zum Zeitpunkt der Schussabgabe durch den Angeklagten befand. Zeugen hatten darüber hinaus unterschiedliche Abläufe dargestellt, aus denen sich nach Auffassung der Verteidigung ein Laufweg von Ali K. nach der Schussabgabe durch den Angeklagten von ca. 40 Metern ergab. Mit ihrem Antrag beantragte die Verteidigung, den Sachverständigen Prof. Dr. B. im Hinblick auf die vom Sachverständigen Dr. Sch. dargelegten neuen Tatsachen nochmals zu vernehmen. Der Antrag führte aus, das ergänzende Gutachten werde ergeben, dass Ali K. nach dem zur Aufreißung der Brustarterie führenden tödlichen Treffer weder in der Lage gewesen sei, noch einmal aufzustehen, noch dazu, die genannte Strecke zurückzulegen.
Das Landgericht hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, der Sachverständige sei zu dem Beweisthema bereits vernommen worden; es sei nicht zu erwarten, dass eine ergänzende Befragung zu neuen Erkenntnissen führen werde. In den Urteilsgründen hat es ausgeführt, tödlich sei der zweite vom Angeklagten abgegebene Schuss gewesen; dieser habe Ali K. bei einer Ausweichbewegung von hinten getroffen. Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B. stehe den Feststellungen zum Tatablauf nicht entgegen. Seine Ansicht, Ali K. habe nach dem tödlichen Treffer nicht mehr weiter als 10 Meter laufen können, sei ?nicht absolut zu sehen', denn Haltung und körperliche Bewegung des Tatopfers seien nicht rekonstruierbar. Die Schlagader sei möglicherweise erst durch die Laufbewegung weiter aufgerissen; überdies sei Ali K. ein durchtrainierter Sportler gewesen. Der tödliche Schuss könne das Tatopfer nach dem Ergebnis des rechtsmedizinischen Gutachtens nicht erst beim Laufen getroffen haben (UA S. 42, 43).
bb) Mit der zitierten Begründung durfte der Antrag der Verteidigung nicht abgewiesen werden. Dabei kann dahinstehen, ob im Hinblick auf die durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch. eingeführten neuen Anknüpfungstatsachen ein Beweisantrag vorlag, der nur aus den Gründen des § 244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 StPO hätte abgelehnt werden können. Jedenfalls gebot hier die Aufklärungspflicht, deren Verletzung die Revision hilfsweise rügt, die Erhebung des Beweises. Bei den durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch. eingeführten Tatsachen handelte es sich um wesentliche neue Anknüpfungstatsachen, zu denen der Sachverständige Prof. Dr. B. noch nicht gehört worden war. Dem steht nicht entgegen, dass er bereits allgemein zu dem Beweisthema befragt worden war.
Soweit das Landgericht den Widerspruch zwischen den Ergebnissen beider Gutachten dahin gehend relativiert hat, der Befund des Sachverständigen Prof. Dr. B. sei ?nicht absolut' zu sehen, der Sachverständige könne sich bei seiner Bewertung somit auch geirrt haben, weil für die Beurteilung relevante Tatsachen wie Körperhaltung und Blutdruck nicht rekonstruierbar seien, schöpft dies die Beweisbehauptung des Antrags nicht aus. Die Begründung übersieht auch, dass der Sachverständige die Obduktion des Tatopfers selbst vorgenommen hatte. Die Lage der Verletzungen und der Verlauf der Schusskanäle sowie die hieraus möglichen Rückschlüsse auf die Körperhaltung des Opfers und die Position des Schützen bei der Schussabgabe waren ihm daher ebenso bekannt wie der Umstand, dass es sich bei dem Tatopfer um einen sportlich durchtrainierten jungen Mann handelte. Soweit das Landgericht erwogen hat, die von dem Schuss getroffene Schlagader könne erst infolge der Laufbewegung des Tatopfers ?weiter aufgerissen' sein, setzte die Ablehnung der Beweiserhebung mit dieser Begründung voraus, dass eine solche nachträgliche Erweiterung der Verletzung für den obduzierenden Sachverständigen nicht erkennbar gewesen wäre. Es ist nicht ersichtlich, auf Grund welcher Sachkunde das Landgericht mit der erforderlichen Sicherheit zu dieser Annahme gelangen konnte.
Auch angesichts der sonstigen Beweislage, insbesondere der Unzuverlässigkeit der miteinander vielfach unvereinbaren Aussagen von Zeugen, die überwiegend einem der beiden ?Lager' zuzuordnen waren, und des Mangels an objektivierbaren Beweisergebnissen, hätte sich dem Tatrichter aufdrängen müssen, den beantragten Beweis zu erheben, zumal eine ergänzende Befragung des Sachverständigen unschwer möglich gewesen wäre.
Ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler kann nicht ausgeschlossen werden. Hätte der Sachverständige bei Vorhalt der Ergebnisse des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Sch. mit überzeugender oder nicht widerlegbarer Begründung an der Beurteilung festgehalten, das Tatopfer habe nach dem tödlichen Schuss keinesfalls noch weiter als 10 Meter laufen können, so wäre hiermit, da das Landgericht auch das Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch. für überzeugend gehalten hat, jedenfalls der vom Landgericht festgestellte Tatablauf nicht vereinbar. ..." (BGH, Urteil vom 22.03.2006 - 2 StR 585/05).
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?... Zwar kann sich die Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO auch aus Hinweisen in den Akten ergeben (BGH NStZ 1985, 324, 325), sodass die Aufklärungsrüge dem Revisionsgericht gleichsam den Blick in die Akten eröffnet. Andererseits verspricht die Aufklärungsrüge dann keinen Erfolg, wenn ihre Prüfung eine Wertung des Inhalts der Beweisaufnahme erfordert (Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 244 Rdn. 352 m.w.N.).
Ein nach den Urteilsfeststellungen in der Hauptverhandlung nicht aufgeklärter Widerspruch hinsichtlich der Angaben der Nebenklägerin M. zur Tatzeit zwischen den Urteilsfeststellungen und dem Akteninhalt ist hier nicht ersichtlich. Die Revision missversteht das Urteil. Daraus ist allein zu entnehmen, dass die Nebenklägerin M. jedenfalls in der Hauptverhandlung unzweifelhaft und für den Tatrichter überzeugend erklärt hat, die Tat habe nicht im Jahre 1987 sondern 1988 stattgefunden, und zwar an einem Sonnabend, wobei sie am folgenden Wochenende erfahren habe, dass der Angeklagte in Haft sei (UA S. 22 f.), und die festgestellten Hafturlaube nur mit einer Tatzeit im Oktober oder Dezember 1988 korrespondierten. Im Übrigen ist die Urteilspassage, auf die sich die Revision vor allem bezieht (?von einer Tatzeit 1987 sprach diese aber nie' [UA S. 22]), vom vorhergehenden Absatz über die zeitliche Einordnung der Taten seitens des ermittelnden Polizeibeamten abgesetzt. Die Kammer hat ferner die ?Abweichungen während der verschiedenen Aussagen der Geschädigten M. hinsichtlich der genauen Tatzeiten' erkannt und gewürdigt (UA S. 25).
Hinsichtlich der Rüge, es hätte eine Verlesung nach § 253 Abs. 2 StPO erfolgen müssen, ist somit bereits nicht dargetan, dass die Nebenklägerin M. bekundet hat, bei der Aufnahme des Protokolls nicht tatsächlich das im Protokoll Festgehaltene ausgesagt zu haben (BGH NStZ 2002, 46, 47). Die Auseinandersetzung mit Abweichungen bei den Aussagen und das Eingehen auf das gedankliche In-Beziehung-Setzen mit der Vergewaltigung an B. S. seitens der Kammer legt vielmehr nahe, dass der Nebenklägerin M. ihre der Anklageschrift zugrunde liegende polizeiliche Aussage vorgehalten worden ist, sie diese als ihre Aussage anerkannt hat, sich jedoch insbesondere aufgrund der sicheren Erinnerung, dass die Tat während des Hafturlaubs geschah, davon inhaltlich distanziert hat. Sie hat sich (in der Hauptverhandlung) ?nie davon abbringen' lassen, ?dass die Tat 1988 erfolgte, auch wenn die Anklageschrift von 1987 ausging' (UA S. 23).
Auch im Übrigen haben sich keine weiteren Beweiserhebungen aufgedrängt, da das Beweisergebnis zu den Tatzeiten - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat - hinreichend gesichert ist (vgl. dazu BGH StV 1996, 249). Gerade die spontane Erinnerung der Nebenklägerin M. in der Hauptverhandlung daran, dass sie an dem auf die Vergewaltigung folgenden Wochenende vom Bruder des Angeklagten erfahren habe, dass dieser in Haft sei, weil ihn eine andere Frau der Vergewaltigung bezichtigt habe (UA S. 22 f.), stützt das Ergebnis in besonderer Weise. Diese Aussage hat sich zur Überzeugung des Gerichts zusammen mit anderen Beweisanzeichen zu einem in sich geschlossenen Bild gefügt. Dabei ist zusätzlich ein Brief des Angeklagten an die Nebenklägerin vom 27. Dezember 1988 von erheblicher Bedeutung, in dem er diese auf ?blaue Flecken' anspricht, was die Nebenklägerin M. stets als auf die Vergewaltigungstat bezogen verstanden hat.
Soweit die Revision weiterhin behauptet, dass die Taten bereits deshalb nicht Ende 1988 hätten stattgefunden haben können, weil die Nebenklägerinnen K. und M. dann wegen des vorausgegangenen Strafverfahrens misstrauisch gewesen wären, nimmt sie eine eigene Beweiswürdigung vor. Außerdem hat die Nebenklägerin M. ausgesagt, sie habe erst nach der Tat erfahren, dass sich der Angeklagte wegen Vergewaltigung in Haft befinde (UA S. 23). ..." (BGH, Beschluss vom 17.03.2006 - 1 StR 577/05)
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Wird die Aufklärungsrüge darauf gestützt, dass sich dem Gericht eine Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, so erfordert § 344 II 2 StPO die Darlegung der Umstände und Vorgänge, die für die Beurteilung dieser Frage bedeutsam sein könnten. Wird der Aufklärungsmangel aus dem Inhalt früherer, im Ermittlungsverfahren erfolgter Zeugenvernehmungen hergeleitet, so bedarf es daher regelmäßig deren (vollständiger) inhaltlicher Wiedergabe (BGH, Urteil vom 11. 9. 2003 - 4 StR 139/03, NStZ 2004, 690 f):
1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat in Bezug auf die Verurteilung wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und den Maßregelausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angekl. ergeben. Auch der Schuldspruch wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Vergewaltigung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Der Erörterung bedarf insoweit - angesichts des Teilaufhebungsantrags des GBA - nur die zu § 244 II StPO erhobene Verfahrensrüge, mit der der Bf. die Verletzung der Aufklärungspflicht durch Ablehnung der Vernehmung der Zeugen Rolf, Regina und Roland S sowie Johanna A geltend macht.
a) Die Verteidigung hat in der Hauptverhandlung die Vernehmung der vorgenannten Zeugen ?zum Verhalten des Angekl. am 7. 4. 2002' (nach der Tat) und ?zum Verhältnis der Eheleute T' (bei der Geschädigten handelt es sich um die Ehefrau des Angekl.) beantragt. Zur Begründung hat sie im wesentlichen ausgeführt, der Angekl. habe dem Zeugen Rolf S noch am Tattag, den übrigen Zeugen ?kurz danach' von dem Vorfall vom 7. 4. 2002 berichtet. Alle 4 Zeugen seien ?dem Angekl. seit Jahren aufs Engste verbunden' und könnten auch genaue Angaben über das Verhältnis des Angekl. zu seiner Ehefrau und über ein ?mögliches Motiv für eine Falschbeschuldigung' durch diese machen.
Die StrK hat den Antrag durch Beschluss mit der Begründung abgelehnt, mangels bestimmt behaupteter Beweistatsachen liege nur ein Beweisermittlungsantrag vor. Die Vernehmung der angebotenen Zeugen dränge sich im Übrigen bei verständiger Würdigung der Sachlage weder auf noch liege sie nahe.
Der Bf. sieht hierin einen Verstoß gegen § 244 II StPO. Die beantragte Beweiserhebung habe sich dem Gericht aufdrängen müssen, da - wie die Revision durch die Wiedergabe von Ausschnitten aus polizeilichen Vernehmungsprotokollen zu belegen versucht - bei den Angaben der Zeugen, denen die Geschädigte ihrerseits von dem Tatgeschehen berichtet habe, Widersprüchlichkeiten aufgetreten seien. Die Einvernahme der benannten Zeugen hätte demgegenüber ergeben, dass der Angekl. diesen den Tathergang wie bei seiner polizeilichen Vernehmung und in der Hauptverhandlung geschildert habe.
b) Der Rüge bleibt der Erfolg versagt.
aa) Es erscheint bereits zweifelhaft, ob sie den Voraussetzungen des § 344 II 2 StPO genügt, da die polizeilichen Vernehmungsprotokolle, auf Grund derer der StrK sich die beantragte Beweiserhebung nach Auffassung der Revision hätte aufdrängen müssen, in der Begründungsschrift nicht vollständig, sondern nur in Ausschnitten wiedergegeben werden. Nach dieser Bestimmung sind nämlich die die Rüge begründenden Tatsachen so genau und vollständig anzugeben, dass das RevGer. allein auf ihrer Grundlage prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (st.Rspr.; vgl. BGHR StPO § 344 II 2 Aufklärungsrüge 7, 8 mwN). Dies erfordert bei einer Aufklärungsrüge auch die Darlegung der Umstände und Vorgänge, die für die Beurteilung der Frage, ob sich dem Gericht die vermisste Beweiserhebung aufdrängen musste, bedeutsam sein konnten (vgl. BGHR StPO § 344 II 2 Aufklärungsrüge 3, 6 mwN). Wird - wie hier - der Aufklärungsmangel aus dem Inhalt früherer, im Ermittlungsverfahren erfolgter Zeugenvernehmungen hergeleitet, so bedarf es daher regelmäßig deren (vollständiger) inhaltlicher Wiedergabe (vgl. auch BGHR StPO § 344 II 2 Aufklärungsrüge 6).
bb) Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Das LG hat den gestellten Antrag zu Recht als Beweisermittlungsantrag gewertet, da ihm eine bestimmte Beweisbehauptung nicht entnommen werden kann. Es war - entgegen der Auffassung des GBA - auch nicht auf Grund der ihm nach § 244 II StPO obliegenden Aufklärungspflicht gehalten, die beantragten Beweiserhebungen vorzunehmen. Der bloße Umstand, dass der die Vergewaltigung bestreitende Angekl. nach der Tat Dritten den ?Vorfall' geschildert hat, musste hier das Gericht nicht bereits zu deren Vernehmung drängen. Denn auch wenn man unterstellt, dass der Angekl. diesen gegenüber von einer Vergewaltigung nichts berichtet oder eine solche in Abrede gestellt hat, hätte das LG nach Sachlage dem keinen höheren Beweiswert zumessen müssen, als seinem diesbezüglichen Bestreiten im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung selbst. Soweit die benannten Zeugen Angaben über ein ?mögliches Motiv für eine Falschbeschuldigung' hätten tätigen sollen, musste sich mangels jeglicher konkreter Tatsachenangabe dem LG eine entsprechende Beweiserhebung schon deshalb nicht aufdrängen, da es sich bei der Motivation zu einem Handeln oder Unterlassen um einen Vorgang im Inneren eines anderen Menschen handelt, der grundsätzlich nicht tauglicher Gegenstand des Zeugenbeweises sein kann (vgl. hierzu Meyer-Goßner 46. Aufl., vor § 48 Rn 2). Schließlich war die beantragte Vernehmung auch nicht aus Gründen der ?Waffengleichheit' geboten. Soweit das LG Zeugen vernommen hat, denen die Geschädigte von der Tat berichtet hat, geschah dies ersichtlich zur Beurteilung der - vom LG rechtsfehlerfrei bejahten - Glaubwürdigkeit der Zeugin. Dies führt jedoch nicht bereits i.S. eines Automatismus dazu, dass aus Gründen der Amtsaufklärung nunmehr auch all die Personen zu vernehmen sind, denen der Angekl. seinerseits den Tathergang geschildert hat. ..."
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Die Aufklärungspflicht ist auch verletzt, wenn bei verständiger Würdigung der Sachlage durch den abwägenden Richter die Verwendung einer Aufklärungsmöglichkeit den Schuldvorwurf möglicherweise in Frage gestellt hätte (BGH, Beschluss vom 24.11.2004 - 5 StR 480/04).
Grundsätzlich kann die Aufklärungsrüge nicht darauf gestützt werden, ein benutztes Beweismittel sei nicht ausgeschöpft worden. Anders ist die Sachlage nur dann, wenn sich das Aufklärungsdefizit aus den Urteilsgründen selbst ergibt. Beweismittel ist auch die Aussage eines (Mit-)Angeklagten. In einem Fall, in dem im wesentlichen Aussage gegen Aussage steht, erfordert die deshalb gesteigerte Aufklärungs- und Darlegungspflicht, dass das Gericht sämtliche Umstände, die die Entscheidung zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten zu beeinflussen geeignet sind, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Deshalb muß, wenn der Mitangeklagte ?Tatzeuge' des dem Angeklagten vorgeworfenen Sachverhalts war, die Vernehmung des Mitangeklagten zu diesem Sachverhalt und die Darlegung und Würdigung von dessen Aussage in den Urteilsgründen erfolgen. Fehlt es daran, kann dies sowohl die Aufklärungsrüge als auch die allgemeine Sachrüge begründen (BGH StV 2003, 660 f).
Ein Gericht kommt seiner Pflicht zur umfassenden Sachaufklärung regelmäßig nicht ausreichend nach, wenn es zum Nachweis einer vom Anklagten bestrittenen Tat ein sachnäheres Beweismittel nicht heranzieht, obwohl es erreichbar ist. Nur dann, wenn ein Zeuge für seine unmittelbare Vernehmung nicht zur Verfügung steht, ist es unter dem Gesichtspunkt der Amtsaufklärungspflicht unbedenklich, allein das sachfernere Beweismittel zu benutzen (BGH StV 2003, 487 f).
Im Fall eines als ungenügend erachteten Gutachtens kann der Richter zwar aufgrund des ihm in § 83 Abs. 1 StPO eingeräumten Ermessens eine neue Begutachtung anordnen. Eine Pflicht hierzu besteht hingegen nur, wenn dies die Aufklärungspflicht gebietet oder die Voraussetzungen des § 244 IV 2 2. Halbsatz StPO vorliegen. Wird die fehlende Sachkunde des Sachverständigen geltend gemacht, kann ein revisibler Verfahrensfehler nur in einer Verletzung von § 244 II oder § 244 IV StPO liegen (BGH StV 2003, 430).
Bei der Prüfung, ob die Aufklärungspflicht die Ladung eines benannten Zeugen im Ausland gebietet, sind neben dem Gewicht der Strafsache die Bedeutung und der Beweiswert des weiteren Beweismittels vor dem Hintergrund des Ergebnisses der bisherigen Beweisaufnahme einerseits und der zeitliche und organisatorische Aufwand der Ladung und Vernehmung mit den damit verbundenen Nachteilen durch die Verzögerung des Verfahrens andererseits unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit abzuwägen (BGH NJW 2002, 2403 zu § 244 V StPO).
Der Tatrichter kann seine Aufklärungspflicht dadurch verletzen, dass von der persönlichen Vernehmung der einzigen Tatzeugin abgesehen wird, auch wenn diese im Hinblick auf Einschränkungen der Verhandlungs- und Vernehmungsfähigkeit der Zeugin besondere Schwierigkeiten aufgeworfen hätte (BGH StV 2002, 635 ff).
Hält der Tatrichter zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben eines Zeugen die Zuziehung eines Sachverständigen für geboten, wird er sich der Hilfe eines Psychologen bedienen, wenn ?normalpsychologische' Wahrnehmungs-, Gedächtnis- und Denkprozesse in Rede stehen. Das gilt auch für den Fall intellektueller Minderleistung eines Zeugen. Der besonderen Sachkunde eines Psychiaters bedarf es allenfalls dann, wenn die Zeugentüchtigkeit dadurch in Frage gestellt ist, daß der Zeuge an einer geistigen Erkrankung leidet oder sonst Hinweise darauf vorliegen, daß die Zeugentüchtigkeit durch aktuelle psychopathologische Ursachen beeinträchtigt sein kann (BGH StV 2002, 293 f).
Begnügt sich das Tatgericht mit der Sperrerklärung einer unzuständigen Behörde für die Mitarbeiterin des Sozialdienstes und nimmt sie deren Nichterscheinen in der Hauptverhandlung hin, obwohl es sich im Hinblick auf die Beweislage um eine wichtige Zeugin handelte, ist die Aufklärungspflicht verletzt (BGH StV 2001, 349 f).
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Eine Verfahrensrüge ist nur dann in zulässiger Weise erhoben, wenn - neben der Benennung einer bestimmten Beweistatsache und eines bestimmten Beweismittels - diejenigen Umstände und Vorgänge dargelegt werden, die für die Beurteilung der Frage, ob sich dem Gericht die vermißte Beweiserhebung aufdrängen mußte, bedeutsam sein konnten. Das bedeutet für den Fall der vermißten Anhörung eines etwaigen Zeugen, daß zumindest mitgeteilt werden muß, ob und in welcher prozessualen Rolle (als Beschuldigter oder als Zeuge) die Auskunftsperson bereits vernommen worden ist und welche Aussagen dabei gemacht worden sind (BGH, Urteil vom 15.09.1998 - 5 StR 145/98, NStZ 1999, 45 f zu StPO §§ 244 II, 344 II 2):
?... Die Revision macht geltend, das LG habe die Aufklärungspflicht § 244 II StPO) verletzt, indem es die Ehefrau des Angekl. und Mutter der beiden geschädigten Mädchen nicht als Zeugin vernommen hat. Die Rüge ist nicht in der durch § 344 II 2 StPO vorgeschriebenen Form erhoben und daher unzulässig.
Nach der genannten Vorschrift ist eine Verfahrensrüge nur dann in zulässiger Weise erhoben, wenn ?die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben' sind. Diese Angaben haben mit Bestimmtheit und so genau und vollständig zu geschehen, daß das RevGer. allein auf Grund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen zutreffen. Eine Aufklärungsrüge ist nur dann begründet, wenn der Tatrichter es unterlassen hat, eine bestimmte Beweistatsache unter Benutzung eines bestimmten Beweismittels aufzuklären, obwohl sich ihm die unterbliebene Beweiserhebung aufdrängen mußte (BGHR StPO § 344 II 2 Aufklärungsrüge 6 mwN). Eine bestimmte Beweistatsache und ein bestimmtes Beweismittel sind hier von der Revision benannt worden.
Außerdem ist jedoch für eine zulässige Aufklärungsrüge die Darlegung derjenigen Umstände und Vorgänge erforderlich, die für die Beurteilung der Frage, ob sich dem Gericht die vermißte Beweiserhebung aufdrängen mußte, bedeutsam sein konnten (BGHR StPO § 244 II Zeugenvernehmung 4; BGHR StPO § 344 II 2 Aufklärungsrüge 3, 6; LR- Gollwitzer 24. Aufl., § 244 Rn 345; KK- Hanack 24. Aufl., § 344 Rn 94; vgl. auch KK- Pikart 3. Aufl., § 344 Rn 52). Das bedeutet für den Fall der vermißten Anhörung eines etwaigen Zeugen, daß zumindest mitgeteilt werden muß, ob und in welcher prozessualen Rolle (als Beschuldigter oder als Zeuge) die Auskunftsperson bereits vernommen worden ist und welche Aussagen dabei gemacht worden sind (vgl. BGHR StPO § 344 II 2 Aufklärungsrüge 6 mwN). Die Ehefrau des Angekl. ist im vorliegenden Verfahren durch die Polizei als Beschuldigte vernommen worden und hat dabei zur Sache geschwiegen. Zumindest dies bedurfte des - unterbliebenen -Vortrags durch die Revision. Es kommt danach nicht darauf an, ob es auch der Mitteilung bedurfte, daß gegen die Ehefrau des Angekl. nach Abtrennung vom vorliegenden Verfahren ein gesondertes Verfahren geführt wurde und welchen Gang dieses Verfahren inzwischen genommen hat.
Etwas anderes ergibt sich nicht etwa daraus, daß das RevGer. bei zulässig erhobener Aufklärungsrüge die Kompetenz hat, an Hand des Akteninhalts zu untersuchen, ob der Tatrichter alle vorhandenen erheblichen Beweismittel herbeigeschafft und verwertet hat (BGHR StPO § 344 II 2 Aufklärungsrüge 6). ..."
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Die gerichtliche Aufklärungspflicht gebietet es nicht, die Ergebnisse eines vom Angeklagten ohne Wissen des Gerichts eingeholten, unter Einsatz eines Polygraphen (?Lügendetektor') erstellten Glaubwürdigkeitsgutachtens in das Strafverfahren einzuführen (BGH StV 1999, 4).
Je weniger gesichert ein Beweisergebnis erscheint, je gewichtiger die Unsicherheitsfaktoren sind, je mehr Widersprüche bei der Beweiserhebung zutage getreten sind, desto größer ist der Anlaß für das Gericht, trotz der erlangten Überzeugung weitere erkennbare Beweismöglichkeiten zu benutzen. Dies gilt in besonderem Maße in Fällen von Aussage gegen Aussage. Die Anforderungen, die an die Beweiswürdigung in derartigen Fällen zu stellen sind, gelten in vergleichbarer Weise auch für die Anforderungen, die in derartigen Fällen an den Umfang der Aufklärungspflicht zu stellen sind (BGH StV 1996, 249 f).
Die Gerichte sind im Rahmen ihrer Verpflichtungen zu fairer Verfahrensgestaltung gehalten, erkannte Mißverständnisse der Verteidigung (hier: Grundlage eines einen Beweisantrag zurückweisenden Beschlusses) durch entsprechende Hinweise auszuräumen (BGH NStZ 1994, 483).
Wird unter Beweis gestellt, daß der Hauptbelastungszeuge gegenüber der Polizei eine Vielzahl von belastenden Angaben gemacht habe, die nicht der Wahrheit entsprochen hätten, verstößt das Gericht gegen die richterliche Aufklärungspflicht, wenn es diese Behauptungen als wahr unterstellt und es unterläßt, durch Klärung von behaupteten Hilfstatsachen sich ein umfassendes Bild von der Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen zu machen (BGH StV 1990, 98).
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? ... Diese vom LG festgestellten Umstände deuten auf Triebanomalien beim Angekl. hin. Die StrK hätte sich deshalb die Frage stellen müssen, ob die Einsichtsfähigkeit des Angekl. oder - was hier näher liegt - sein Hemmungsvermögen als Folge krankhafter seelischer Störungen oder anderer seelischer Abartigkeiten ausgeschlossen (§ 20 StGB) oder erheblich vermindert waren (§ 21 StGB). Da nicht anzunehmen ist, daß der Tatrichter hinreichende eigene Sachkenntnisse zur Beantwortung dieser auf medizinischem und psychologischem Gebiet liegenden Fragen hat, drängte sich die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Sachverständigen auf. Das LG hat dadurch, daß es davon abgesehen hat, sich sachkundig zu machen, seine Pflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) verletzt, die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind (KK - Herdegen § 244 Rdnr. 32) ..." (BGH StV 1984, 507).
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Hat die Aussage eines in der Hauptverhandlung erscheinenden, aber grundlos die Aussage verweigernden Zeugen für die Überzeugungsbildung des Gerichts erhebliche Bedeutung, gebietet es die Aufklärungspflicht, Anstrengungen zu unternehmen, den Zeugen zu einer Sachaussage zu bringen (BGH StV 1983, 495).
Weichen die Bekundungen eines Zeugen in der Hauptverhandlung stark von denjenigen im Ermittlungsverfahren ab, so kann das Gericht seine Aufklärungspflicht dadurch verletzen, daß es unterläßt, dem Zeugen die abweichenden früheren Bekundungen zur Klärung der Widersprüche vorzuhalten. Darauf kann auch die Revision gestützt werden, wenn sich der Mangel des Vorhalts aus dem angefochtenen Urteil selbst ergibt (BGH, Urteil vom 03.07.1962 - 1 StR 157/62, NJW 1962, 1832).
*** (OLG)
Ungeachtet der gesetzlichen Regelungen über die Verständigung im Strafverfahren, insbesondere § 257c StPO, sind die Tatgerichte nicht berechtigt, einem auf einer Verständigung beruhenden Urteil einen Sachverhalt zugrunde zu legen, der nicht auf einer unter vollständiger Ausschöpfung des Beweismaterials gebildeten Überzeugung beruht. Ein im Rahmen einer Verständigung abgegebenes Geständnis des Angeklagten kann dessen Verurteilung jedenfalls dann nicht tragen, wenn sich dem Geständnis nicht einmal dessen Inhalt und Umfang nachvollziehbar entnehmen lässt (OLG Celle, Beschluss vom 09.11.2010 - 32 Ss 152/10 zu StPO §§ 257c, 244 Abs. 2, 261).
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Ob eine Tat Gegenstand eines bereits vollstreckten Haftbefehls hätte sein können mit der Folge, daß die dafür vollstreckte U-Haft-Zeit auf die Sechsmonatsfrist anzurechnen wäre, richtet sich danach, ob und wann hinsichtlich dieser Tat dringender Tatverdacht bestand, was voraussetzt, daß mit großer Wahrscheinlichkeit von der Täterschaft oder Beteiligung des Beschuldigten auszugehen ist. Dabei kommt es zur Erreichung des Normzwecks nicht darauf an, ob und wann die Staatsanwaltschaft den dringenden Tatverdacht bejaht hat. Entscheidend ist vielmehr der Zeitpunkt, an dem sie ihn hätte bejahen können. Zur Aufhebung eines Haftbefehls wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots (OLG Naumburg, Beschluss vom 02.12.2008 - 1 Ws 674/08 zu StPO §§ 121, 120 Abs. 1):
?... I. Der Angekl. befand sich zunächst aufgrund des von der StA Halle beantragten Haftbefehls des AG Halle (Saale) v. 20. 09. 2007 (303 Ls 270 Js 27620/07), der auf den dringenden Tatverdacht des Betruges in sieben Fällen und den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützt war, v. 08.10. bis 13. 11. 2007 in U-Haft. Zur Vollstreckung des Restes der Ersatzfreiheitsstrafe aus dem Strafbefehl des AG Halle-Saalkreis v. 29. 08. 2003 (350 Ds 601 Js 6333/03) wurde die U-Haft v. 14.11. bis 18. 12. 2007 unterbrochen. Seit dem 19. 12. 2007 befand sich der Angekl. mit Ausnahme des 18. 04. 2008, als ein Tag Erzwingungshaft vollstreckt worden ist, wiederum in jener Sache in U-Haft. Mit Urteil des AG Halle (Saale) v. 12. 06. 2008 wurde gegen ihn wegen Betruges in zwölf Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 J. verhängt und mit Beschl. vom selben Tag der Haftbefehl v. 20. 09. 2007 nach Maßgabe des Urteils aufrechterhalten. Bis zum Erlaß des Urteils hatte der Angekl. beinahe 7 M. U-Haft erlitten. Gegen das Urteil legte der Angekl. das Rechtsmittel der Berufung ein. Mit Beschl. v. 21. 10. 2008 hob die 9. StrK - BerufungsK - des LG Halle den Haftbefehl mit der Begründung auf, daß der Haftgrund der Fluchtgefahr in Wegfall geraten sei, da zum einen die Regelung des § 329 StPO den Fluchtanreiz mildere und zum anderen in anderer Sache gegen den Angekl. inzwischen Haftbefehl erlassen worden sei.
Die in der vorliegenden Sache mit Datum v. 14. 04. 2008 erhobene Anklage der StA Halle (Az.: 170 Js 22053/07), mit welchem dem Angekl. zwei Vergewaltigungen (Tatzeiten: 12.05. und 07.06. 2007) zur Last gelegt werden, hat die 4. gr. StrK des LG Halle nach Eingang der Akten am 26. 05. 2008 mit Beschl. v. 11. 09. 2008 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Der Beginn der Hauptverhandlung ist auf den 16. 01. 2009 bestimmt worden.
Der Angekl. befindet sich seit dem 22. 10. 2008 aufgrund des von der StA am 09. 10. 2008 beantragten und zunächst in Überhaft notierten Haftbefehls der 4. StrK des LG Halle v. 16. 10. 2008 (24 KLs - 170 Js 22053/07 - 8/08), der auf den dringenden Tatverdacht der Vergewaltigung (Tatzeit: 07. 06. 2007) und den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützt ist, in U-Haft.
Der gegen den Haftfehl v. 16. 10. 2008 gerichteten Beschwerde des Angekl. mit Schriftsatz seines Verteidigers v. 17. 11. 2008 hat die StrK nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die hier gem. §§ 121, 122 StPO vorzunehmende Haftprüfung führt zur Aufhebung des Haftbefehls des LG Halle v. 16. 10. 2008.
Das besondere Haftprüfungsverfahren hat Vorrang gegenüber der vom Angekl. eingelegten Haftbeschwerde (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 122, Rn. 18). Auch wenn die Akten dem Senat nicht zur Durchführung der Haftprüfung gem. §§ 121, 122 StPO vorgelegt worden sind, kann über die Haftfortdauer nach § 121 Abs. 1 StPO entschieden werden (Meyer-Goßner, a.a.O., Rn. 1).
Hier ist die Frist des § 121 StPO bereits verstrichen. Die Haftbefehle in den jew. bei der StA Halle geführten Verfahren 270 Js 27620/07 und 170 Js 22053/07 betreffen ?dieselbe Tat' i.S.d. § 121 StPO. Der von dem Tatbegriff des § 264 StPO oder des § 53 StGB abweichende Begriff ?dieselbe Tat' ist nach der in Rspr. und Lit. herrschenden Meinung so zu verstehen, daß ihr alle Straftaten des Besch. von dem Zeitpunkt an zuzurechnen sind, in dem sie angesichts des jew. zu bejahenden dringenden Tatverdachts gegen den Besch. ?bekannt' gewesen sind und daher, einen Haftgrund unterstellt, in einem Haftbefehl hätten aufgenommen werden können (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 121, Rn. 11 f.; OLG Stuttgart, StV 2008, 85 f. m.w.N.). Dies gilt unabhängig davon, ob die Straftaten Gegenstand desselben Verfahrens oder getrennter Verfahren sind. Dies folgt aus dem Normzweck des § 121 StPO, der sicherstellen soll, daß die Dauer der U-Haft aus verfassungsrechtlichen Gründen zeitlich begrenzt wird und die Strafverfolgungsorgane das oder die Strafverfahren beschleunigt betreiben. Dieses Ziel wird allein erreicht, wenn alle Taten, die Gegenstand eines Haftbefehls sein könnten, begrifflich unter § 121 StPO eingeordnet werden (vgl. OLG Zweibrücken, StV 1998, 556 [557]). Nur so kann der Umgehung des von § 121 Abs. 1 StPO gewährten Schutzes des Besch. durch die sog. ?Reservehaltung' von Tatvorwürfen entgegen getreten werden. Der spätere Erlaß eines zweiten Haftbefehls aufgrund der ?in Reserve gehaltenen' Tatvorwürfe hätte zumindest eine zeitliche Verschiebung, wenn nicht gar die vollständige Verhinderung - nämlich nach Erlaß eines auf Freiheitsentziehung lautenden Urteils in dem weiteren Verfahren - der an sich veranlaßten Haftprüfung durch das OLG zur Folge.
Ob eine Tat Gegenstand eines bereits vollstreckten Haftbefehls hätte sein können, richtet sich danach, ob und wann hinsichtlich dieser Tat dringender Tatverdacht bestand, was voraussetzt, daß mit großer Wahrscheinlichkeit von der Täterschaft oder Beteiligung des Besch. auszugehen ist. Dabei kommt es zur Erreichung des Normzwecks nicht darauf an, ob und wann die StA den dringenden Tatverdacht bejaht hat. Entscheidend ist vielmehr der Zeitpunkt, an dem sie ihn hätte bejahen können (vgl. OLG Zweibrücken a.a.O.).
Danach sind vorliegend die Voraussetzungen für die Entscheidung nach §§ 121, 122 StPO gegeben. Die Tat, die Gegenstand des Haftbefehls v. 16. 10. 2008 ist, soll der Angekl. vor Erlaß des Haftbefehls v. 20. 09. 2007 begangen haben. Diese Tat war bei Eingang der Akten am 06. 07. 2007 der StA Halle bis auf die Vernehmung des - damals - Besch. ausermittelt. Nach der Gewährung von Akteneinsicht für den Verteidiger des Besch. am 07. 08. 2007 und dem ergebnislosen Verstreichen der dem Besch. gesetzten Frist zur Einlassung v. 31. 08. 2007 fanden keine weiteren Ermittlungshandlungen statt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war der Tatvorwurf der Vergewaltigung am 07. 06. 2007 der StA im Sinne eines dringenden Tatverdachts bekannt. Aufgrund des bereits damals feststehenden Ermittlungsergebnisses hat die StA unter dem Datum des 14. 04. 2008 Anklage auch wegen der Tat v. 07. 06. 2007 erhoben und am 09. 10. 2008 Haftbefehl gegen den Angekl. beantragt. Die Tat v. 07. 06. 2007 hätte deshalb bereits in den am 20. 09. 2007 vom AG Halle (Saale) erlassenen Haftbefehl aufgenommen werden können.
Anstatt diesen Haftbefehl auch auf die Tat v. 07. 06. 2007 zu erstrecken, hat die StA - was an sich nicht zu beanstanden ist - zwei getrennten Verfahren geführt. Diese Verfahrensweise darf jedoch nicht dazu führen, daß die besondere Haftprüfung des § 121 StPO umgangen wird. Deshalb ist in die zu berechnende Sechs-Monats-Frist sowohl der Zeitraum des U-Haftvollzuges v. 08. 10. 2007 bis zu dem auf Freiheitsentziehung lautenden Urteil des AG Halle (Saale) v. 12. 06. 2008, wovon die Zeiten der Vollzugsunterbrechung v. 14.11. bis 18. 12. 2007 sowie am 18. 04. 2008 in Abzug zu bringen sind, als auch die Zeit des Vollzuges des zweiten Haftbefehls ab dem 22. 10. 2008 nach Aufhebung des ersten Haftbefehls einzurechnen. Nicht zu berücksichtigen ist dagegen die Zeit zwischen dem 12. 06. 2008 und dem 21. 10. 2008, in welcher der die abgeurteilten Taten betreffende Haftbefehl v. 20. 09. 2007 vollzogen worden ist, da dies hinsichtlich dieser Taten nach einem auf Freiheitsentziehung erkennendem Urteil geschah. Unter Abzug dieser Zeiten befindet sich der Angekl. bereits über 8 M. wegen ?derselben Tat' in U-Haft, ohne daß bisher eine Aktenvorlage bzw. eine Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO hinsichtlich der Tat v. 07. 06. 2007 stattgefunden hätte, die nunmehr veranlaßt ist.
Der weitere Vollzug der U-Haft ist unzulässig. Es liegen bereits die allg. Voraussetzungen der U-Haft nach § 112 StPO nicht vor.
Zwar besteht gegen den Angekl. aufgrund der in der Anklageschrift v. 14. 04. 2008 aufgeführten Beweismitteln dringender Tatverdacht bezüglich der allein den Gegenstand des Haftbefehls v. 16. 10. 2008 bildenden Tat v. 07. 06. 2007. Auch mag der dem Haftbefehl zugrunde gelegte Haftgrund der Fluchtgefahr mit der im vorliegenden Verfahren gegebenen Straferwartung unter weiterer Berücksichtigung des dem Angekl. drohenden Strafvollzuges in dem Verfahren 270 Js 27620/07 sowie infolge des zu erwartenden Bewährungswiderrufs bezüglich des Gesamtstrafenbeschl. des AG Blomberg v. 18. 06. 2006 (1 Ds 22 Js 633/05) gerechtfertigt sein.
Der angefochtene Haftbefehl ist jedoch aufzuheben, weil die Fortdauer der U-Haft wegen Verletzung des in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgebots unverhältnismäßig ist, § 120 Abs. 1 S. 1 StPO.
Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen umfaßt das gesamte Strafverfahren (BVerfG, Beschl. v. 22. 02. 2005 - 2 BVR 109/05 -; BVerfG, Beschl. v. 29. 12. 2005 - 2 BVR 2057/05 -). An den zügigen Fortgang des Verfahrens sind dabei umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger die U-Haft schon andauert (vgl. BGHSt 38, 43 [= StV 1991, 525]; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18. 08. 1982 - 1 Ws 607/82 -; Senat, Beschl. v. 07. 11. 2006 - 1 Ws 533/06 -). Dabei kann - je nach Sachlage - bereits eine vermeidbare Verfahrensverzögerung von rund 2 M. mit dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen unvereinbar sein (vgl. BVerfG a.a.O.; OLG Schleswig, Beschl. v. 02. 04. 1992 - 1 HEs 14/92 -; Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 07. 03. 1985 - 2 Ws 90/85 H -; OLG Köln, Beschl. v. 18. 08. 1992 - HEs 136/92 -; OLG Koblenz, Beschl. v. 28. 04. 2000, StV 2000, 515; Senat, Beschl. v. 19. 05. 2008 - 1 Ws 294/08 - m.w.N.).
So liegt es hier. Die StA hat nach der Inhaftierung des Angekl. erst unter dem Datum des 14. 04. 2008 Anklage erhoben, ohne daß für diese Verzögerung ebenso wie für den erst sechs Wochen späteren Eingang der Akten bei Gericht am 26. 05. 2008 ein sachlicher Grund erkennbar wäre. Auch der Eröffnungsbeschl. v. 11. 09. 2008 ist erst dreieinhalb Monate nach Eingang der Akten bei Gericht ergangen. Der Beginn der Hauptverhandlung ist erst für den 16. 01. 2009 und damit mehr als 4 M. nach Erlaß des Eröffnungsbeschl. anberaumt worden. Im Ergebnis ist hier ohne Belang, daß diese Terminierung laut den Ausführungen der Nichtabhilfeentscheidung - neben der Belastung der Kammer - in erster Linie der terminlichen Verhinderung des Verteidigers des Angekl. geschuldet ist. Vielmehr zwingt die in den Verantwortungsbereich der Justiz und nicht des Angekl. fallende insgesamt erhebliche Verfahrensverzögerung zur Aufhebung des angefochtenen Haftbefehls. ..."
***
Stellt die Verteidigung sukzessiv immer neue Beweisanträge, nachdem das Gericht sein Beweisprogramm schon abgeschlossen hat, führen die durch die sachgerechte Bearbeitung der Anträge auftretenden, der Justiz grundsätzlich nicht zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen auch bei einer längeren Zeitdauer nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Untersuchtungshaft i.S.v. Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK (KG, Beschluss vom 06.10.2008 - 4 Ws 89/08):
?... Gegen den Bf. ist zurzeit das Hauptverfahren vor dem LG Berlin anhängig. Dem Verfahren liegen betreffend den Bf. zwei (verbundene) Anklagen der StA Berlin zugrunde. Der mit dem Anklagesatz v. 20. 10. 2006 (69 Js 250/05) hinsichtlich der Tatvorwürfe übereinstimmende Haftbefehl des AG Tiergarten v. 02. 08. 2005 (351 Gs 3183/05) legt dem Angekl. zur Last, von März bis Mai 2004 durch zwei selbstständige Handlungen mit BtM jew. in nicht geringer Menge (erster Fall = Fallakte 47: 100 Kilogramm Haschisch und drei Kilogramm Kokain; zweiter Fall: 100 Gramm Kokain) unerlaubt Handel getrieben zu haben und im ersten Fall zugleich vorsätzlich einen anderen zur unerlaubten Einfuhr von BtM in nicht geringer Menge bestimmt zu haben. Aufgrund dieses Haftbefehls befindet sich der Bf. seit dem 08. 09. 2006 in U-Haft. Mit der Anklageschrift v. 18. 09. 2006 (52 Js 389/04) wird dem Bf. vorgeworfen, am 02. 11. 2003 zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde (gefälschter griechischer Reisepaß) gebraucht und hierbei zugleich sich ohne Paß und Ausweisersatz im Bundesgebiet aufgehalten zu haben. Den insoweit erlassenen Haftbefehl v. 01. 07. 2004 (351 Gs 2596/04) hat der Senat durch Beschl. v. 29. 04. 2008 aufgehoben. Für beide Verfahren ist der Bf. am 08. 09. 2006 aus Portugal ausgeliefert worden; er hat sich dort seit dem 16. 08. 2006 in Auslieferungshaft befunden. Die Hauptverhandlung vor dem LG hat am 20. 02. 2007 begonnen, ein Urteil ist bisher nicht ergangen. Mit Beschl. v. 19. 11. 2007 hat das LG den Antrag des Bf. auf Aufhebung der beiden Haftbefehle zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat der Senat mit Beschl. v. 17. 12. 2007 verworfen. Auf erneuten Antrag des Angekl. auf Aufhebung der genannten Haftbefehle hat das LG mit Entscheidung v. 07. 03. 2008 beschlossen, daß die Haftverhältnisse fortdauern. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Angekl. hat der Senat durch Beschl. v. 29. 04. 2008 den Haftbefehl v. 01. 07. 2004 aufgehoben und im übrigen die Beschwerde verworfen. Den Antrag des Angekl. v. 04. 08. 2008, den Haftbefehl v. 02. 08. 2005 aufzuheben, hat das LG durch seinen Beschl. v. 15. 08. 2008 zurückgewiesen. Die Beschwerde des Angekl. hat keinen Erfolg. ...
2. Die Fortdauer der U-Haft ist auch weiterhin noch verhältnismäßig (§ 120 Abs. 1 S. 1 StPO).
Unter Zugrundelegung des bereits im Senatsbeschl. v. 29. 04. 2008, auf den angesichts des vergleichsweise geringen Zeitablaufs verwiesen wird (vgl. VerfGH, Beschl. v. 25. 04. 2008 - VerfGH 164/07, 164 A/07 -), im einzelnen dargelegten Maßstabes und der dortigen Ausführungen, die der verfassungsrechtlichen Überprüfung standgehalten haben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11. 06. 2008 - 2 BvR 1062/08 -) und aufgrund des insoweit ergänzenden, in der Sache aber unwesentlichen Antragsvorbringens nicht abzuändern sind (vgl. auch VerfGH, Beschl. v. 23. 12. 1992 - 38/92 -), gibt auch der weitere Fortgang des Verfahrens keinen Anlaß zu einer Änderung der Haftverhältnisse.
Die nach wie vor geringe Terminierungsdichte hat sachlich nachvollziehbare Gründe und ist der Justiz nicht anzulasten. Seit dem Senatsbeschl. fanden am 30.04., 05., 22., 28. und 30.05., 02.06., 18.07., 07., 15. und 21.08., 10., 16. und 30.09., 02. 10. 2008 Sitzungen statt, wobei an lediglich zwei Terminen länger als vier Stunden verhandelt wurde. Eine Verfestigung der vom Senat in seinem vorgenannten Beschl. festgestellten Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes und eine damit einhergehende Verletzung des Freiheitsgrundrechts des Angekl. gem. Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG ist jedoch aus folgenden zwei Gründen weiterhin nicht gegeben.
Zum einen erklärt sich die weitere Terminierung aus dem Verhalten der Verteidigung, seit August 2007, verstärkt ab dem 08. 10. 2007 - und wie weiterhin angekündigt - sukzessiv Beweisanträge zu stellen. Die StrK hat ihr eigenes Beweisprogramm schon seit langem abgeschlossen und ist in den weiteren Terminen, wie im einzelnen in dem Nichtabhilfebeschl. der Kammer v. 10. 09. 2008 dargestellt und bereits weitgehend im Senatsbeschl. v. 29. 04. 2008 behandelt, Beweisanträgen der Verteidigung nachgegangen. Daß sich in diesem weit fortgeschrittenen Verfahrensstadium aufgrund der von der Kammer anzustellenden Ermittlungen bzw. Verfügungen Verzögerungen ergeben können und eine straffe Terminierung im Gegensatz zum Beginn eines Verfahrens (vgl. KG, Beschl. v. 15. 03. 2007 - 2 Ws 166 - 167/07 -; OLG Hamm, StV 2006, 191 ff; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl., § 120 Rn. 3) nicht ohne weiteres mehr möglich ist, liegt auf der Hand und ist der Justiz bei wie hier sachgerechter Bearbeitung der Anträge nicht anzulasten (vgl. BGH NJW 2005, 2466 ff; Senat, Beschl. v. 27. 12. 2006 - 4 Ws 215/06 -; KG, Beschl. v. 25. 02. 2008 - (3) 1 HEs 9/08 (7/08); KG, Beschl. v. 04. 09. 2003 - 5 Ws 467/03 -; KG, Beschl. v. 29. 06. 1981 - (2) 1 HEs 40/91 (11/81) -; OLG Düsseldorf MDR 1987, 1048; LR-Hilger, StPO 26. Aufl., § 120 Rn. 16b, 34, 38; Meinen in Heghmann/Scheffler, Handbuch zum Strafverfahren, U-Haft, Rn. 226; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl., § 121 Rn. 21; KK-Boujong, StPO 5. Aufl., § 121 Rn. 16, 21; siehe auch die Hinweise des BVerfG, Beschl. v. 23. 01. 2008 - 2 BvR 2652/07 -, zu einem unlauteren, das Verfahren verzögernden Verhalten der Verteidigung, Rn. 56, sowie zum vorgeschlagenen Procedere einer Fristsetzung BGH a.a.O.). Vorliegend ergaben sich notwendigerweise längere Zeitabläufe bereits dadurch, daß für erkennende Richter nebst der Ergänzungsrichterin aus einem Parallelverfahren, zwei Staatsanwälte und einen Polizeibeamten Aussagegenehmigungen, zum Teil erst auf Gegenvorstellungen der StrK hin eingeholt und damit die Verwaltungsentscheidungen anderer Behörden abgewartet werden mußten. Neben Zeugenvernehmungen wurden vor allem die Vernehmungsprotokolle des Hauptbelastungszeugen weiter verlesen - die zu Beschleunigungszwecken vorzugswürdige Einführung im Selbstleseverfahren schied seinerzeit wegen des Mitangekl. G. aus - und weitere Urkunden verlesen. Die Zeugin A. wurde nach Eintritt der Rechtskraft ihres Freispruchs notwendigerweise nachvernommen, sie berief sich in der Hauptverhandlung - wie angekündigt - auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO. Die zunächst zum 28.05. beabsichtigte, infolge Erkrankung alsbald am 02. 06. 2008 nachgeholte Vernehmung der StAin B. erklärt sich aus ihrer vorherigen urlaubsbedingten Abwesenheit. Schließlich ist auch nichts dagegen zu erinnern, daß der Zeuge und Sachverständige M. erst am 21. 08. 2008 vernommen wurde. Zum einen ist sein Gutachten bereits am 30. 05. 2008 verlesen worden und zum anderen war auch dieser Zeuge für einen früheren Termin im August urlaubsbedingt entschuldigt. Die längere Unterbrechung der Hauptverhandlung v. 21.08. bis zum 10. 09. 2008 war bis Ende August den Urlauben der beiden Verteidiger des Angekl., danach dem einwöchigen Urlaub des Vors. (vgl. zum Urlaubsanspruch der Richter BVerfG, Beschl. v. 23. 01. 2008 - 2 BvR 2652/07 -; KG, Beschl. v. 15. 03. 2007 - 2 Ws 166 - 167/07 -) geschuldet.
Daß die Kammer den zügigen Fortgang des Verfahrens betreibt, wird auch daran erkennbar, daß das Verfahren gegen den Mitangekl. G. am 02. 06. 2008 abgetrennt und am 12. 06. 2008 mit seiner Verurteilung beendet werden konnte. Die lediglich noch bis zum 30. 10. 2008 fortgeschriebene Terminierung ist vor dem Hintergrund, daß die Kammer nahezu ausschließlich noch Beweisanträgen der Verteidigung nachgeht und ihr danach jederzeit eine rasche Verfahrensbeendigung möglich wäre, nachvollziehbar. Die weitere Terminierung - vorgesehen sind der 10., 22. und 30. 10. 2008 - genügt dem Beschleunigungsgrundsatz angesichts des Verfahrensstandes und dem noch teilweise offenen Beweisprogramm angesichts nur angekündigter Beweisanträge der Verteidigung und läßt keine absehbare Verfahrensverzögerung erkennen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05. 12. 2005 - 2 BvR 1964/05 -; VerfGH, Beschl. v. 25. 04. 2008 - VerfGH 164/07, 164 A/07 -).
Die zweite wesentliche, der Justiz nicht anzulastende Ursache für die nach wie vor geringe Terminierungsdichte liegt darin, daß sich der Angekl. am 04. 06. 2008 einer schweren Herzklappenoperation unterziehen mußte und das Verfahren durch die anschließende vorübergehende Verhandlungsunfähigkeit gem. § 229 Abs. 3 StPO v. 04.06. bis zum zunächst 07.07., verlängert bis zum 16. 07. 2008 notwendigerweise unterbrochen war (vgl. BVerfGE 36, 264, 274 f.; Senat, Beschl. v. 27. 12. 2006 - 4 Ws 215/06 -; KG, Beschl. v. 08. 02. 2005 - (5) 1 HEs 18/05 (8/05) -). Nach ärztlicher Auskunft war der Angekl. zunächst bis zum 21. 07. 2008 verhandlungsunfähig und erst nach nochmaliger Rücksprache mit dem behandelnden Arzt war eine maximal halb- und später zweistündige, tatsächlich 15-minütige Hauptverhandlung am 18. 07. 2008 und damit noch gerade rechtzeitige Fortsetzung des Verfahrens möglich. Für die weiteren Sitzungen wurde ärztlicherseits eine Verhandlungsfähigkeit von zwei bis drei Stunden bei planmäßigen Genesungsfortschritten attestiert. Die zurückhaltende Terminierung und jew. kurze Sitzungsdauer der StrK ist im August und bis Mitte September daher auch aus diesem Grunde gerechtfertigt. ..."
***
Die richterliche Aufklärungspflicht gebietet es, dem Sachverständigen Gelegenheit zu geben, sich mit neuen Anknüpfungstatsachen zu befassen, bevor das Gericht selbst wegen veränderter Tatsachengrundlagen von dem erstatteten Gutachten abweicht (OLG Zweibrücken StV 2000, 126).
Trotz des Einverständnisses der Verfahrensbeteiligten zur Verlesung polizeilicher Zeugenvernehmungen kann das Gericht verpflichtet sein, die Zeugen persönlich zu hören. Die Verpflichtung des Gerichts, den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären, besteht unabhängig von dem Prozeßverhalten der Beteiligten und erfährt durch die Möglichkeit des § 251 Abs. 2 StPO keine Einschränkung. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Aussage des Zeugen die entscheidende Bedeutung für die Verurteilung des Angeklagten zukommt (OLG Köln StV 1998, 585).
Stützt das Gericht die Verurteilung des Angeklagten auf die Aussage eines Mitangeklagten, verstößt es gegen seine Aufklärungspflicht, wenn es den Mitangeklagten nicht noch einmal als Zeugen vernimmt, nachdem dieser durch Abtrennung des Verfahrens aus dem Verfahren ausgeschieden ist (BayObLG StV 1989, 522 - str.).
Siehe auch unter ?Anknüpfungstatsachen", ?Beschleunigtes Verfahren - beschränkte Beweisaufnahme", ?Geheimhaltungsinteressen" und ?Vernehmung von Zeugen".
Aufklärung weiterer Straftaten und Haft
Siehe unter ?Untersuchungshaft über 6 Monate hinaus".
Aufruf zur Sache
Siehe unter ?Gang der Hauptverhandlung".
Aufschub der Vollstreckung bei erheblichen Nachteilen für den Verurteilten § 456 StPO
(1) Auf Antrag des Verurteilten kann die Vollstreckung aufgeschoben werden, sofern durch die sofortige Vollstreckung dem Verurteilten oder seiner Familie erhebliche, außerhalb des Strafzwecks liegende Nachteile erwachsen.
(2) Der Strafaufschub darf den Zeitraum von vier Monaten nicht übersteigen.
(3) Die Bewilligung kann an eine Sicherheitsleistung oder andere Bedingungen geknüpft werden.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Notwendigkeit, geschäftliche Angelegenheiten vor Beginn des Strafantritts zu ordnen, ohne die ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstehen würde, rechtfertigt es, dem Verurteilten einen Vollstreckungsaufschub von 3 Monaten zu bewilligen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.9.1999 - 2 Ws 227/99, StV 2000, 213 f).
Zu den Voraussetzungen eines vorübergehenden Vollstreckungsaufschubs, wenn der Gewerbebetrieb des Verurteilten ohne diesen nicht fortgeführt werden kann (OLG Frankfurt, Entscheidung vom 17.11.1988 - 3 Ws 1106/88, NStZ 1989, 93).
***
Entstehen einem Verurteilten infolge einer einwöchigen Ladungsfrist zum Strafantritt unnötig viele Nachteile in der Abwicklung seiner Wirtschafts- und Lebensbeziehungen, ist ihm ein angemessener Vollstreckungsaufschub (hier: sechs Wochen) zu gewähren, um diese Nachteile abzuwenden (LG Itzehoe, Beschluss vom 23.11.1992 - 9 Qs 179/ 92 VII, StV 1993, 206).
***
Wenn der Verurteilte durch sofortige Vollstreckung der Strafe eine arbeitsamtlich geförderte und schon weit fortgeschrittene Umschulungsmaßnahme nicht beenden kann, so liegt darin ein erheblicher, außerhalb des Strafzweckes liegender Nachteil i. S. v. § 456 StPO, der einen Vollstreckungsaufschub rechtfertigt (StA Regensburg, Bescheid vom 13.3.2000 - 132 VRs 95823/99, StV 2000, 383).
Aufschub der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe bei Geisteskrankheit oder anderer Erkrankung § 455 StPO
(1) Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ist aufzuschieben, wenn der Verurteilte in Geisteskrankheit verfällt.
(2) Dasselbe gilt bei anderen Krankheiten, wenn von der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr für den Verurteilten zu besorgen ist.
(3) Die Strafvollstreckung kann auch dann aufgeschoben werden, wenn sich der Verurteilte in einem körperlichen Zustand befindet, bei dem eine sofortige Vollstreckung mit der Einrichtung der Strafanstalt unverträglich ist.
(4) Die Vollstreckungsbehörde kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrechen, wenn
1. der Verurteilte in Geisteskrankheit verfällt,
2. wegen einer Krankheit von der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr für den Verurteilten zu besorgen ist oder
3. der Verurteilte sonst schwer erkrankt und die Krankheit in einer Vollzugsanstalt oder einem Anstaltskrankenhaus nicht erkannt oder behandelt werden kann
und zu erwarten ist, daß die Krankheit voraussichtlich für eine erhebliche Zeit fortbestehen wird. Die Vollstreckung darf nicht unterbrochen werden, wenn überwiegende Gründe, namentlich der öffentlichen Sicherheit, entgegenstehen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Aufschiebung der Vollstreckung - I bis III
?... Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, über den wegen Eilbedürftigkeit ohne Anhörung der Gegenseite entschieden wird, ist zulässig und begründet.
1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde wäre unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 88, 169 (172) [BVerfG 07.04.1993 - 1 BvR 565/93] ; 91, 328 (332); stRspr).
2. Die Verfassungsbeschwerde ist weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Sie wirft in der Hauptsache die Frage auf, ob die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung von § 455 StPO den Grundrechten des Antragstellers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 3 Abs. 1 , Abs. 3 Satz 2 GG sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hinreichend Rechnung getragen haben.
3. Die danach gebotene Folgenabwägung lässt die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe überwiegen.
a) Unterbliebe die einstweilige Anordnung, hätte die Verfassungsbeschwerde später aber Erfolg, so wäre die Vollstreckung der Freiheitsstrafe - bei ihrer Rechtswidrigkeit eine erhebliche Verletzung des Freiheitsrechts des Antragstellers (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 1993 - 2 BvR 1605/92 und 2 BvR 1710/92 -, NStZ 1993, S. 507 = NJW 1994, S. 3087) - nicht rückgängig zu machen. Darüber hinaus könnte es zu faktischen - möglicherweise nicht mehr reversiblen - Beeinträchtigungen des Lebens und der Gesundheit des Antragstellers kommen. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller bei Vollstreckung der Freiheitsstrafe nach den gutachterlichen Feststellungen sein Leben infolge Selbsttötung einbüßen oder jedenfalls schwerwiegende Schäden an seiner Gesundheit nehmen könnte.
b) Sofern die einstweilige Anordnung erlassen würde, die Verfassungsbeschwerde aber später keinen Erfolg hätte, wären das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, die Sicherung des Rechtsfriedens in Gestalt der Rechtspflege und die Pflicht des Staates zur Gewährleistung einer funktionierenden Strafrechtspflege (vgl. BVerfGE 51, 324 (343) [BVerfG 19.06.1979 - 2 BvR 1060/78] ) in Ausführung einer vom Gericht für erforderlich gehaltenen Maßnahme nur auf Zeit beeinträchtigt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe könnte jederzeit nachgeholt werden. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Vollstreckung der Strafe bereits seit nunmehr 7. Mai 1991 ruht.
Der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung erweist sich wegen der aufgezeigten Nachteile im Falle eines Obsiegens des Antragstellers in der Hauptsache als unabweisbar. ..." (BVerfG, Beschluss vom 29.11.2006, 2 BvR 1323/06)
*** (OLG)
Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe darf gem. § 455 Abs. 4 S. 2 StPO nicht unterbrochen werden, wenn ?überwiegende' Gründe entgegenstehen. Zur Nachprüfbarkeit der auf § 455 Abs. 4 S. 2 StPO gestützten ablehnenden Entscheidung der Vollstreckungsbehörde im gerichtlichen Verfahren nach § 458 Abs. 2 StPO auf Ermessensfehler ist es deshalb erforderlich, dass in der Entscheidung die für die Annahme der Voraussetzungen des § 455 Abs. 4 S. 1 StPO maßgeblichen Umstände mitgeteilt werden. Erfolgt keine Angabe über die Schwere der Erkrankung und die Erforderlichkeit und den Umfang der Behandlung, ist die Abwägung zu S. 2 nicht nachvollziehbar (OLG Thüringen, Beschluss vom 11.11.2010 - 1 Ws 406/10).
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Wird eine Strafe nicht vollzogen, so ist für eine Entscheidung nach § 455 Abs. 4 StPO kein Raum. Ein Antrag auf Unterbrechung der Vollstreckung mehrerer nacheinander zu vollziehender Freiheitsstrafen wegen Vollzugsuntauglichkeit ist sachgerecht dahin auszulegen, dass hinsichtlich der nicht vollzogenen Strafen ein Aufschub der Strafvollstreckung erstrebt wird. Zu den Anforderungen an eine nachprüfbare Ermessensentscheidung im Verfahren nach § 455 StPO;
?... I. Der Beschwerdeführer wurde in diesem Verfahren durch die 1. Strafkammer des Landgerichts Meiningen durch Urteil vom 20.02.2002, rechtskräftig seit dem 08.03.2002, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 11 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 10 Monaten verurteilt. Weiterhin wurde die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
Eine Vollstreckung der Strafe in dieser Sache erfolgt gegenwärtig nicht. Vielmehr wird seit dem 03.01.2003 eine Restfreiheitsstrafe im Verfahren 7 Js 10605/96 - 1 Kls auf Grund des Widerrufsbeschlusses des Landgerichts Meiningen vom 06.06.2002 vollstreckt. Strafende ist insoweit auf den 04.07.2004 notiert. Im Anschluss daran sind die Maßregel und die Freiheitsstrafe in vorliegender Sache zu vollziehen.
Unter dem 22.01.2003 hat der Verurteilte durch seine Verteidigerin beantragt, die Strafvollstreckung aus dem Widerrufsbeschluss des Landgerichts Meiningen vom 06.06.2002 im Verfahren 7 Js 100605/96 sowie aus dem Urteil des Landgerichts Meiningen vom 20.02.2002 in vorliegender Sache gem. § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO zu unterbrechen. Der Antrag wurde darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer an Hepatitis C erkrankt sei und dass die damit in Zusammenhang stehende notwendige Interferon-Behandlung nicht, wie zunächst vorgesehen, im Maßregelvollzug Hildburghausen erfolgen könne.
Durch Verfügungen vom 29.01.2003 hat die Staatsanwaltschaft Meiningen diesen Antrag mit folgender gleich lautender Begründung verbeschieden:
Eine Haftunterbrechung gemäß § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO wird abgelehnt.
Der Rechtsbeistand des Verurteilten macht geltend, dass eine Erkrankung an Hepatitis C vorliegt, die in der Haftanstalt nicht behandelt werden könne. Dem ist entgegenzuhalten, dass möglicherweise bald im Landesfachkrankenhaus Hildburghausen eine Behandlung möglich werden wird. Man muss da nur etwas Hartnäckigkeit zeigen.
Eine Strafunterbrechung ist auch deshalb nicht möglich, weil Gründe der öffentlichen Sicherheit entgegenstehen. Der Verurteilte wurde mehrfach wegen Rauschgift-Verbrechen verurteilt. Zu seinem Leben gehört es, mit Rauschgift wie mit einem normalen Lebensmittel umzugehen. Wenn der Verurteilte in seinem jetzigen Zustand in Freiheit entlassen würde, wäre mit Sicherheit ein neuer strafbarer Umgang mit Rauschgift zu erwarten.
Soweit angegeben wird, eine Behandlung mit Interferon könne dem Verurteilten helfen, fehlt im Übrigen seine Erklärung, mit einer solchen Behandlung ggf. einverstanden zu sein. Der Anstaltsarzt T. hat angegeben, eine Interferon-Behandlung sei mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden.
Gegen diese staatsanwaltschaftliche Verfügungen erhob der Verurteilte Einwendungen mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 458 Abs. 2 StPO . Dies geschah hinsichtlich des Verfahrens 7 Js 10605/96 gegenüber dem Landgericht Erfurt und im vorliegenden Verfahren mit Schriftsatz vom 17.03.2003 an die 1. Strafkammer des Landgerichts Meiningen. Die Verteidigerin des Verurteilten ging insoweit davon aus, dass, da der Verurteilte in vorliegender Sache sich nicht in der Unterbringung bzw. im Strafvollzug befunden hat, die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges nach § 264 Abs. 1 StPO i.V.m. § 462 a Abs. 2 StPO gegeben sei.
Über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung in vorliegender Sache hat mit dem angefochtenen Beschluss die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Meiningen entschieden und hat den Antrag vom 17.03.2003, die Vollstreckung aus dem Urteil des LG Meiningen vom 20.02.2002 zu unterbrechen, abgelehnt.
II. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung der landgerichtlichen und der staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen. Über den Antrag des Verurteilten wird erneut zu befinden sein.
Der angefochtene Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Meiningen war schon deshalb aufzuheben, weil die Strafvollstreckungskammer dieses Landgerichts für die zu treffende Entscheidung nicht zuständig ist.
Nach § 462 a Abs. 1 Satz 1 StPO ist dann, wenn gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt wird, für die nach den §§ 453 , 454 , 454 a und 462 StPO zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befasst wird, aufgenommen ist. Diese Regelung gilt nicht nur für den Fall der Erstaufnahme, sondern auch für jede spätere Verlegung mit Ausnahme vorübergehender Verschubungen (vgl. BGHSt 26,165 f. [BGH 08.07.1975 - 2 ARs 181/75] ; BGHSt 36, 229 ff..). Hier wurde der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 458 StPO i.V.m. § 462 StPO mit Schriftsatz vom 17.03.2003 gestellt und ist beim Landgericht Meiningen am 18.03.2003 eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt hat sich der Verurteilte zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Verfahren 7 Js 10605/96 in der JVA Tonna befunden. Diese Anstalt liegt im Bezirk des Landgerichts Erfurt. Zwar hat sich der Verurteilte bis zum 25.06.2002 in der JVA Untermaßfeld und damit in einer Strafanstalt befunden, die im Bezirk des Landgerichts Meiningen liegt. Die damals zuständige Strafvollstreckungskammer wurde aber vor der Verlegung nicht mit der Sache befasst, sodass auch keine Fortwirkungszuständigkeit besteht. Darauf, dass die Vollstreckung der Freiheitsstrafe in einem anderen Verfahren erfolgt ist, kommt es im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung des § 462 a StPO nicht an.
Da somit ein unzuständiges Gericht in der Sache entschieden hat, war der angefochtene Beschluss aufzuheben.
Dies führt allerdings nicht zur Verweisung der Sache an das zuständige Gericht, nämlich die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Erfurt, sondern der Senat kann, da das zuständige Gericht ebenfalls im Bezirk des Thüringer Oberlandesgerichts liegt, in der Sache selbst entscheiden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 309 Rn. 6 m.w.N.).
Die vorzunehmende Sachprüfung führt zur Aufhebung der Verfügung der Staatsanwaltschaft Meiningen vom 29.01.2003 hinsichtlich des vorliegenden Verfahrens 454 Js 13616/01.
Der Verurteilte hat sich zum Zeitpunkt der Antragstellung an die Staatsanwaltschaft Meiningen, dem 22.01.2003, in Strafhaft befunden, und zwar zur Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe aus dem Verfahren 7 Js 10605/96 infolge des Widerrufsbeschlusses des Landgerichts Meiningen vom 06.06.2002. Somit war von vornherein kein Raum für eine Entscheidung in vorliegender Sache über die Unterbrechung der Vollstreckung der nicht vollzogenen Freiheitsstrafe. Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 455 StPO kann nämlich nur eine solche Freiheitsstrafe unterbrochen werden, die vollstreckt wird.
Jedoch muss der Antrag des Verurteilten vom 22.01.2003 sachgerecht dahin ausgelegt werden, dass hinsichtlich der vorliegenden Sache eine Aufschiebung der Strafvollstreckung erstrebt wird. Das Begehren des Verurteilten bezieht sich ohne jeden Zweifel auch auf einen Strafaufschub. Zwar enthält § 455 Abs. 3 StPO keine dem § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO wörtlich entsprechende Regelung. Von § 455 Abs. 3 StPO werden indes aber auch Fälle wie der Vorliegende erfasst, etwa wenn die nötige ärztliche Behandlung in der Vollzugsanstalt nicht möglich wäre (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 455 Rn.6 m.w.N.). Auch wenn hier auf Grund der Dauer der Strafvollstreckung im Verfahren 7 Js 10605/96 der Beginn der Strafvollstreckung in vorliegender Sache erst im Juli 2004 ansteht, ist es grundsätzlich angezeigt, den Strafausstand wegen Vollzugsuntauglichkeit bei einem für mehrere Verfahren gestellten Antrag für jedes Verfahren zu prüfen, und zwar, wenn die Vollstreckung der Freiheitsstrafe noch nicht begonnen hat nach § 455 Abs. 1 bis 3 StPO und wenn die Vollstreckung läuft nach § 455 Abs. 4 StPO .
Dafür spricht auch der Umstand, dass § 455 Abs. 1 bis 3 StPO keine Frist vorsieht, innerhalb derer ein Antrag auf Aufschub der Vollstreckung gestellt bzw. eine gerichtliche Entscheidung nach § 458 StPO beantragt werden kann.
Dass der Antrag des Verurteilten vom 22.01.2003 hinsichtlich dieses Verfahrens als Antrag auf Strafaufschub zu behandeln und zu bescheiden ist, wurde von der Staatsanwaltschaft bei ihrer Entscheidung nicht bedacht. Sie hat vielmehr eine - hier nicht angezeigte - Prüfung nach § 455 Abs. 4 StPO vorgenommen.
Die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde ist schon aus diesem Grunde ermessensfehlerhaft und kann keinen Bestand haben.
Aber auch, wenn man die Verfügung der Staatsanwaltschaft Meiningen vom 29.01.2003 dahin auslegt, dass ein Strafausstand in der möglichen Form des Strafaufschubs abgelehnt werden sollte, entspricht diese Entscheidung nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die Aufhebungsgründe aus dem Beschluss des Senats vom 21.08.2003 1 Ws 264/03 im Parallelverfahren 7 Js 10605/96, auf den verwiesen wird, gelten hier gleichermaßen. Es handelt sich nämlich auch hinsichtlich des vorliegenden Strafvollstreckungsverfahrens nicht um eine nachprüfbare Ermessensentscheidung.
Inwieweit die Krankheit des Verurteilten, die ersichtlich unstreitig ist, jedoch nicht einmal bestimmt angenommen wird, die Kriterien nach § 455 Abs. 3 StPO erfüllt, wird nicht dargelegt. So wird nichts ausgeführt über die Schwere der Erkrankung, die Dauer und die Art und Weise einer erforderlichen Behandlung, die Möglichkeit der Behandlung in einer Vollzugsanstalt oder einem Anstaltskrankenhaus sowie über die Erwartung des Fortbestands der Erkrankung für eine erhebliche Zeit. Die Grundlagen für die Entscheidung hinsichtlich der Prüfung der Voraussetzungen des § 455 Abs. 3 StPO werden in keiner Weise deutlich. Der gebotene Bezug auf (amts-)ärztliche Gutachten bzw. Stellungnahmen wird nicht vorgenommen. Soweit Gründe der öffentlichen Sicherheit zur Versagung des Strafausstands herangezogen werden, ist eine sachgerechte Abwägung nicht möglich, da, wie dargelegt, die maßgeblichen Umstände nach § 455 Abs.3 StPO nicht mitgeteilt werden.
Nach alledem mussten die Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde und der Strafvollstreckungskammer aufgehoben werden.
Die Sache war an die Staatsanwaltschaft Meiningen zurückzugeben, um die gebotene Entscheidung nach § 455 Abs. 3 StPO im vorliegenden Verfahren nachzuholen. Es wird angezeigt sein, auch um den derzeit gegebenen medizinischen Sachstand zu berücksichtigen, eine ergänzende ärztliche Stellungnahme, ggf. eine amtsärztliche Stellungnahme bzw. eine solche des Haftkrankenhauses, beizuziehen.
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?... 1. Die Strafprozessordnung unterscheidet scharf zwischen dem Aufschub ( § 455 Abs. 1-3 StPO ) einer bevorstehenden und der Unterbrechung ( § 455 Abs. 4 StPO ) einer bereits begonnenen Vollstreckung einer Freiheitsstrafe und knüpft diese Maßnahmen, wie sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt, im Falle nicht akut lebensgefährlicher körperlicher Erkrankungen an unterschiedliche Voraussetzungen, die nicht miteinander vermengt werden dürfen.
2. Zwischen beiden Maßnahmen besteht auch ein erheblicher sachlicher Unterschied, der es ausschließt, die Vorschriften über den Aufschub auf die Unterbrechung (oder umgekehrt) entsprechend anzuwenden (LR-Wendisch, StPO, 25. Aufl., § 455 Rdn. 16).
a) § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO folgt dem Grundsatz, dass eine einmal begonnene Strafvollstreckung - auch im Interesse des Verurteilten - konsequent zu Ende geführt werden soll und die Unterbrechung selbst bei schweren körperlichen Erkrankungen nur als letztes Mittel in Betracht kommt. Ist die notwendige medizinische Betreuung in einem Vollzugskrankenhaus möglich, bleibt für eine Unterbrechung kein Raum (OLG Karlsruhe NStZ 91, 53). U. U. kann sogar eine zeitlich befristete und überwachte Verlegung in ein externes Krankenhaus ( §§ 461 StPO , 65 Abs. 2 S. 1 StVollzG ) vorgehen (KK-Fischer, StPO, 4. Aufl., § 455 Rdn. 13). § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO ermöglicht also die Fortsetzung der Vollstreckung trotz zwischenzeitlich eingetretener Vollzugs-untauglichkeit im Sinne des Abs. 3 dieser Vorschrift - die bereits dann vorliegt, wenn die nötige ärztliche Behandlung in der Vollzugsanstalt nicht möglich ist (BGHSt 19, 148, 150) [BGH 19.11.1963 - 5 AR Vs 84/63] -, ist aber keine gesetzliche Grundlage für die Ablehnung eines auf schon bestehende Erkrankungen gestützten Aufschubgesuches.
b) § 455 Abs. 3 StPO folgt demgegenüber dem Gedanken, dass es sowohl in Interesse der Vollzugsanstalt als auch im Interesse der Verurteilten liegen kann, wenn nur Personen die Verbüßung von Freiheitsstrafen antreten, die entweder körperlich gesund sind oder deren körperlichen Erkrankungen mit den einer Vollzugsanstalt zur Verfügung stehenden Mitteln Rechnung getragen werden kann. Einen Strafantritt in einem Vollzugskrankenhaus (oder in einer Vollzugsanstalt zum Zwecke der sofortigen Verlegung in ein [Vollzugs-]Krankenhaus) sieht das Gesetz nicht vor.
3. Hier hätte die Staatsanwaltschaft vor Erlass ihrer Entscheidung aufklären müssen, welche konkreten Maßnahmen im Zusammenhang mit den vielfältigen Gesundheitsstörungen des Beschwerdeführers unerlässlich sind und ob sie in der Justizvollzugsanstalt W....... (oder einer anderen Vollzugsanstalt) durchgeführt werden können. Bei der auf verlässlicher Tatsachengrundlage zu treffenden Entscheidung wären dann u. U. die mit einer anstaltsinternen medizinischen Betreuung verbundenen Belastungen für alle Beteiligten zu berücksichtigen und mit dem staatlichen Vollstreckungsanspruch abzuwägen gewesen.
Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass bei einem ?Vorgealterten' (Attest Bl. 33 d.A.), der heute 72 Jahre alt ist und wahrscheinlich auch unter einer die Psyche beeinträchtigenden hirnorganischen Störung leidet, die vom Amtsarzt ausgesprochene (und von der Strafkammer übernommene) Empfehlung, einer im Raum stehenden Versteifung der Wirbelsäule (Attest Bl. 53 d.A.) solle durch ?ausreichende Sportmöglichkeiten' begegnet werden, realitätsfern und wenig hilfreich erscheint. Und ob die ebenfalls empfohlene Krankengymnastik in einer Justizvollzugsanstalt überhaupt durchgeführt werden kann, wäre zunächst einmal aufzuklären gewesen.
4. Der Senat kann über den Antrag auf Vollstreckungsaufschub entgegen § 309 Abs. 2 StPO nicht abschließend entscheiden. Die Entscheidung steht im Ermessen der Vollstreckungsbehörde und kann gerichtlich nur auf Ermessensfehler überprüft werden (KG NStZ 94, 255). Führt diese Überprüfung wie hier zu der Feststellung, dass das Ermessen aus rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen fehlerhaft ausgeübt wurde, steht es dem Gericht grundsätzlich nicht zu, an Stelle der Vollstreckungsbehörde Vollstreckungsaufschub zu gewähren oder zu versagen. Ein Fall, in dem eine ermessensfehlerfreie Entscheidung von vornherein nur einen ganz bestimmten Inhalt haben könnte, liegt nicht vor.
Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde eine für das Gericht nachvollziehbare Abwägung aller entscheidungserheblichen Umstände beinhalten muss. Ist dies nicht der Fall, unterliegt sie bereits deshalb der Aufhebung (vgl. OLG Hamm, Beschl. vom 6. 2.01 - 5 Ws 35/01 in: www.burhoff.de) ..."(OLG Koblenz, Beschluss vom 25.06.2003, 1 Ws 387/03)
Unterbrechung der Vollstreckung - IV
Ein Konflikt zwischen der grundrechtlich verankerten Pflicht des Staates, rechtskräftig erkannte Freiheitsstrafen auch zu vollstrecken, und dem Interesse des Verurteilten an der Wahrung seiner verfassungsmäßig verbürgten Rechte, namentlich auf Leben und körperliche Unversehrtheit ist durch Abwägung der einander widerstreitenden Interessen zu lösen. Die §§ 56 ff. StVollzG einerseits und § 455 StPO andererseits tragen dem Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht des Staates zur Durchsetzung seines Strafanspruchs und dem Interesse des Verurteilten an der Wahrung seiner Gesundheit hinreichend Rechnung. Das Interesse des Gefangenen an der Wahrung seines Grundrechtes aus Art. 2 II 1 GG überwiegt nur, wenn angesichts seines Gesundheitszustandes zu befürchten ist, dass er wegen der Fortsetzung der Strafvollstreckung sein Leben einbüßen oder schwerwiegenden Schaden an seiner Gesundheit nehmen wird. Allerdings muss bei einer solchen Gefahr nicht stets die Strafhaft unterbrochen werden, denn vom Vollzug droht die Gefahr dann nicht, wenn er Mittel zur Abhilfe bereit hält. Solche Mittel sind nicht nur die in § 455 IV Nr. 3 StPO ausdrücklich genannte Untersuchung und Behandlung in Vollzugseinrichtungen, sondern auch diejenige in einem externen Krankenhaus (§ 65 II StVollzG), die ebenfalls ohne Unterbrechung des Vollzugs vonstatten gehen können. Weigert sich der Gefangene, sich gem. § 65 II StVollzG in einem externen Krankenhaus behandeln zu lassen, obwohl diese Therapie geeignet wäre, seine Erkrankung adäquat zu behandeln, sind die Weigerung der Strafvollstreckungsbehörde, die Verbüßung de Haft zu unterbrechen, und die diese Verfügung bestätigenden gerichtlichen Entscheidungen von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschluss vom 27.06.2003 - 2 BvR 1007/03).
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Das Recht der Untersuchungshaft enthält keine eigenständige Regelung zum Begriff und zu den Folgen einer Haftunfähigkeit. In entsprechender Anwendung der in § 455 Abs. 4 StPO aufgestellten Grundsätze ist der Vollzug der Untersuchungshaft nicht zulässig, wenn er wahrscheinlich zu einer konkreten Lebensgefährdung oder zu erheblichen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen bei dem Untersuchungsgefangenen führen kann. Soweit sich eine medizinische Betreuung als notwendig erweist, kann diese in der Haft erfolgen. Es bedarf im Einzelfall einer Abwägung zwischen den Belangen des Beschuldigten sowie den staatlichen Interessen, wie sie in den jeweiligen Haftgründen ihren Ausdruck finden (OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.12.2005, 1 Ws 1348/05).
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?... Gegen den Verurteilten wird derzeit, bis zum 04.07.2004, der Rest einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Meiningen vom 14.07.1997 - 7 Js .../96 - 1 Kls - vollstreckt; im Anschluss ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aus dem Urteil des Landgerichts Meiningen vom 20.02.2002 - 454 Js .../01 - zu vollziehen, in dem gleichzeitig eine Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 10 Monaten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ausgesprochen worden war.
Mit Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 22.01.2003 hat der Verurteilte im Hinblick auf seine Erkrankung an Hepatitis C und die damit im Zusammenhang stehende notwendige Interferonbehandlung, welche nicht wie zunächst vorgesehen im Maßregelvollzug Hildburghausen erfolgen konnte, die Unterbrechung der Strafvollstreckung beantragt.
Dieser Antrag wurde durch die Staatsanwaltschaft Meiningen mit Verfügung vom 29.01.2003 mit folgender Begründung verbeschieden:
?Eine Haftunterbrechung gemäß § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO wird abgelehnt. Der Rechtsbeistand des Verurteilten macht geltend, dass eine Erkrankung an Hepatitis C vorliegt, die in der Haftanstalt nicht behandelt werden könne. Dem ist entgegenzuhalten, dass möglicherweise bald im Landesfachkrankenhaus Hildburghausen eine Behandlung möglich werden wird. Man muss da nur etwas Hartnäckigkeit zeigen.
Eine Strafunterbrechung ist auch deshalb nicht möglich, weil Gründe der öffentlichen Sicherheit entgegenstehen. Der Verurteilte wurde mehrfach wegen Rauschgift-Verbrechen verurteilt. Zu seinem Leben gehört es, mit Rauschgift wie mit einem normalen Lebensmittel umzugehen. Wenn der Verurteilte in seinem jetzigen Zustand in Freiheit entlassen würde, wäre mit Sicherheit ein neuer strafbarer Umgang mit Rauschgift zu erwarten.
Soweit angegeben wird, eine Behandlung mit Interferon könne dem Verurteilten helfen, fehlt im Übrigen seine Erklärung, mit einer solchen Behandlung ggf. einverstanden zu sein. Der Anstaltsarzt T. hat angegeben, eine Interferon-Behandlung sei mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden.'
Gegen diese staatsanwaltschaftliche Verfügung erhob der Verurteilte Einwendungen mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 458 Abs. 2 StPO . Mit dem angefochtenen Beschluss vom 15.07.2003 wies die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Erfurt die Einwendungen als unbegründet zurück. Die Strafvollstreckungskammer hat in Vorbereitung der Beschlussfassung ergänzende Stellungnahmen, u.a. des Anstaltsarztes der JVA Tonna und des Fachkrankenhauses für Psychiatrie und Neurologie Hildburghausen beigezogen und in vollem Umfang eine eigenständige Sachprüfung vorgenommen. Im Einzelnen wird auf die Gründe dieser Entscheidung verwiesen.
Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung der landgerichtlichen und der staatsanwaltschaftlichen Entscheidung. Über den Antrag des Verurteilten ist erneut zu befinden.
Nach § 455 Abs. 4 StPO kann die Strafvollstreckungsbehörde die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrechen, wenn eine der in Ziff. 1-3 genannten Voraussetzungen gegeben ist.
Die von der Staatsanwaltschaft zu treffende Entscheidung beruht auf Ermessen; die gerichtliche Entscheidung, die auf Einwendungen nach § 458 Abs. 2 StPO zu treffen ist, beinhaltet nur die Überprüfung, ob die Strafvollstreckungsbehörde ermessensfehlerfrei entschieden hat (vgl. KG, Beschluss vom 27.04.2001, 5 Ws 232/01 bei Juris; KK-Fischer, StPO, 5. Aufl., § 456 Rn. 10, § 455 Rn. 10). Die Strafvollstreckungskammer ist bei dieser Prüfung nicht befugt, ihr Ermessen an die Stelle desjenigen der Vollstreckungsbehörde zu setzen.
Die Ermessensüberprüfung setzt jedoch voraus, dass tatsächlich die Vollstreckungsbehörde eine nachprüfbare Ermessensentscheidung getroffen hat. Eine solch nachprüfbare Ermessensentscheidung stellt die Verfügung der Staatsanwaltschaft Meiningen vom 29.01.2003 jedoch nicht dar. Inwieweit die Krankheit des Verurteilten, die ersichtlich unstreitig ist, jedoch nicht einmal bestimmt angenommen wird, die Kriterien nach § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO erfüllt, wird nicht dargelegt. So wird nichts ausgeführt über die Schwere der Erkrankung, die Dauer und die Art und Weise einer erforderlichen Behandlung, die Möglichkeit der Behandlung in einer Vollzugsanstalt oder einem Anstaltskrankenhaus sowie über die Erwartung des Fortbestands der Erkrankung für eine erhebliche Zeit. Die Grundlagen für die Entscheidung hinsichtlich der Prüfung der Voraussetzungen des § 455 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 StPO werden in keiner Weise deutlich. Zwar fordert das Gesetz für die Entscheidung nach § 455 Abs. 4 StPO nicht wie im Fall der Verwaltungsvorschrift des § 45 Abs. 1 StVollzRO die Beiziehung eines amtsärztlichen Gutachtens. Jedoch erscheint dies im Interesse einer rechtsfehlerfreien Entscheidung grundsätzlich angezeigt (so auch Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 455 Rn. 10). Zumindest ist es jedoch erforderlich, Stellungnahmen eines Anstaltsarztes bzw. hinsichtlich der Möglichkeit der Behandlung in einem Vollzugskrankenhaus Stellungnahmen einer solchen Einrichtung nachvollziehbar der Entscheidung zugrunde zu legen.
Dieser Mangel der Entscheidung der Staatsanwaltschaft wird auch nicht dadurch geheilt, dass dargelegt wird, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit, nämlich die Gefahr der Begehung neuer schwerer Straftaten nach dem BtMG , einer Unterbrechung der Strafvollstreckung entgegenstehen. Auch wenn sich die Prüfung nach § 455 Abs. 4 Satz 2 StPO gerade auf die Fälle bezieht, in denen die Voraussetzungen des § 455 Abs. 4 Satz 1 StPO gegeben sind - ansonsten ist für eine Vollstreckungsunterbrechung ohnehin kein Raum - , erfolgt diese Abwägung nicht unabhängig von den Voraussetzungen des Satzes 1. Die Vollstreckung darf bei Vorliegen der Gründe des § 455 Abs. 4 Satz 1 StPO nämlich dann nicht unterbrochen werden, wenn überwiegende Gründe entgegenstehen. Die erforderliche Abwägung setzt damit voraus, dass die Angaben zu den maßgeblichen Umständen nach Satz 1 der Vorschrift mitgeteilt werden. Erfolgt keine Angabe über die Schwere der Erkrankung und die Erforderlichkeit und den Umfang der Behandlung, ist die Abwägung zu Satz 2 der genannten Vorschrift nicht nachvollziehbar.
Soweit in der angefochtenen landgerichtlichen Entscheidung ergänzende Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO erfolgen und das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung trifft, kann dadurch die unzureichende, nicht ohne Ermessensfehler ergangene Entscheidung der Staatsanwaltschaft nicht ersetzt werden. Eine solche Verfahrensweise entspricht nicht der Rechtslage (so bereits Senatsbeschluss vom 29.01.2003, 1 Ws 29/03).
Nach alledem mussten die Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde und der Strafvollstreckungskammer aufgehoben werden.
Die Sache war an die Staatsanwaltschaft Meiningen zurückzugeben, um die gebotene rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung nachzuholen. Es wird angezeigt sein, auch um den derzeit gegebenen medizinischen Sachstand zu berücksichtigen, eine ergänzende ärztliche Stellungnahme, ggf. eine amtsärztliche Stellungnahme bzw. eine solche des Haftkrankenhauses beizuziehen.
Der Beschwerdeführer sei hinsichtlich der nochmaligen Prüfung nach § 455 Abs. 4 StPO darauf hingewiesen, dass es - unabhängig von der Problematik des § 455 Abs. 4 Satz 2 StPO - nicht darauf ankommt, ob er in einem Anstaltskrankenhaus behandelt werden will, sondern, ob seine Krankheit in einer Vollzugsanstalt oder einem Anstaltskrankenhaus behandelt werden kann. ..."(OLG Jena, Beschluss vom 21.08.2003, 1 Ws 264/03)
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?... Das als sofortige Beschwerde zu wertende Rechtsmittel ist gemäß §§ 458 , 462 Abs. 3 Satz 1 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig ( §§ 306 Abs. 1 , 311 Abs. 2 StPO ); in der Sache bleibt es jedoch ohne Erfolg.
Auch nach Ansicht des Senats hat die Staatsanwaltschaft Augsburg bei ihrer Entscheidung vom 07.01.2003, die Strafhaft gemäß § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO zu unterbrechen, im Ergebnis in nicht zu beanstandener Weise von dem ihr in der vorgenannten Vorschrift eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht.
Nach dieser Bestimmung darf u.a. die Unterbrechung der Vollstreckung nur erfolgen, wenn die Krankheit bzw. Vollzugsuntauglichkeit ?voraussichtlich für eine erhebliche Zeit fortbestehen wird'. Wann dies der Fall ist, ist - auch nach dem Willen des Gesetzgebers - eine Einzelfallfrage, die nach Ansicht des Senats vor allem an der Reststrafendauer zu messen und dann zu bejahen ist, wenn bei Nicht Unterbrechung der Verurteilte einen unverhältnismäßig großen Teil der anzurechnenden Straftat außerhalb der Vollzugsanstalt bliebe (KMR, Rdnr 24 zu § 455 StPO). Die ?erhebliche Dauer' i. S. des § 455 Abs. 4 Nr. 3 Satz 1 StPO ist daher bei einem nur noch kurzen Strafrest kürzer zu bemessen als bei einer noch länger zu verbüßenden Freiheitsstrafe (vgl. hierzu auch Loewe-Rosenberg, 25. Auflage, Rdnr 19 zu § 455 StPO). Der Senat vermag daher die in der von der Verteidigung vorgelegten Dissertation von Olaf Helschel vertretene Auffassung der Annahme einer zeitlichen Untergrenze von 3 Monaten der voraussichtlichen Krankheitsdauer als Voraussetzung für eine Strafunterbrechung nicht zu teilen.
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Verurteilte bei Beginn der Haftunterbrechung am 07.01.2003 bereits etwa 2 Monate seiner im Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 09.02.2000 (10 Ds 203 Js 129100/99 ) verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verbüßt gehabt hatte. Ferner ist nach der derzeitigen Aktenlage davon auszugehen, dass der Verurteilte als Erstverbüßer in den Genuss der Regelung des § 57 Abs. 2 StGB kommen wird und er somit lediglich nur noch etwa 4 Monate zu verbüßen hätte, weil der dann noch verbleibende Strafrest von 5 Monaten voraussichtlich zur Bewährung ausgesetzt wird.
Werden nun diese 4 Monate voraussichtlich noch zu verbüßender Reststrafe in Relation zu der zum Zeitpunkt der Haftunterbrechung nach der Stellungnahme der Anstaltsärztin Dr. ... vom 17.12.2002 zu erwartenden Dauer des Krankenhausaufenthalts von mindestens 2 Wochen gesetzt, so war es nach Ansicht des Senats seitens der Vollstreckungsbehörde ermessensfehlerfrei, wenn diese bei der vorliegenden Fallkonstellation von einer ?erheblichen Zeit' i. S. des § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO ausgegangen ist.
Im Übrigen haben sowohl die Staatsanwaltschaft Augsburg als auch die Strafvollstreckungskammer zu Recht unter Bezugnahme auf die vorgenannte ärztliche Stellungnahme darauf hingewiesen, dass bei dem vorgesehenen operativen Eingriff Komplikationen leicht möglich gewesen wären, was zu einem längeren Krankenhausaufenthalt geführt hätte.
Nach alledem spielten bei dieser Sachlage die Bewertung des Gnadengesuchs des Verurteilten vom 09.12.2002 sowie die Fragen der Kostenersparnis für den Justizfiskus und der in der staatsanwaltschaftlichen Nichtabhilfeentscheidung vom 27.01.2003 angesprochene Vorteil der unterbliebenen Überwachung des Verurteilten im Krankenhaus keine Rolle mehr. ..." (OLG München, Beschluss vom 13.06.2003, 2 Ws 387/03)
Aufstellung und Fortschreibung des Vollzugsplans
Siehe unter ?Vollzugplan - Fortschreibung".
Aufzeichnung einer Zeugenvernehmung auf Bild-Ton-Träger § 58 a StPO (n.F.)
(1) Die Vernehmung eines Zeugen kann auf Bild-Ton-Träger aufgezeichnet werden. Sie soll aufgezeichnet werden
1. bei Personen unter sechzehn Jahren, die durch die Straftat verletzt worden sind, oder
2. wenn zu besorgen ist, daß der Zeuge in der Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist.
(2) Die Verwendung der Bild-Ton-Aufzeichnung ist nur für Zwecke der Strafverfolgung und nur insoweit zulässig, als dies zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. § 101 Abs. 8, §§ 147 und 406 e finden entsprechende Anwendung.
Leitsätze/Entscheidungen:
Wird wegen des Verdachts ermittelt, eine noch nicht 16 Jahre alte Jugendliche sei Opfer schwerwiegender Sexualverbrechen geworden, so begründet § 58a I 2 StPO eine grundsätzliche Verpflichtung der Ermittlungsbehörden, die Aussagen der Jugendlichen aufzuzeichnen (BGH, Beschluss vom 03.08.2004 - 1 StR 288/04).
***
Die digitale Tonaufzeichnung der Zeugenvernehmungen in einer Hauptverhandlung zum Zwecke der Verfahrenssicherung verstößt weder gegen § 169 S. 2 GVG noch gegen das Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG, wenn dadurch in einem - ebenfalls in der Hauptverhandlung befindlichen - Parallelverfahren die Vernehmung der Richter des vorliegenden Verfahrens, die deren Ausschluß gem. § 22 Nr. 5 StPO zur Folge hätte, verhindert werden kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die Angeklagten des vorliegenden Verfahrens in U-Haft befinden. Die zur Verfahrenssicherung vorgenommenen Tonaufzeichnungen sind ohne Zustimmung der jeweils betroffenen Verfahrensbeteiligten zulässig. Es ist nicht zu beanstanden, daß die zur Verfahrenssicherung vorgenommenen Tonaufzeichnungen auf einem - mit einem persönlichen Paßwort gesicherten - PC des Kammervorsitzenden gespeichert und nicht in Abschrift zur Akte genommen werden (OLG Bremen, Beschluss vom 10.01.2007 - Ws 233 - 234/06, StV 2007, 177 f).
Für Vernehmungen gemäß § 58a I 2 StPO gilt die Zuständigkeitsregelung des § 162 I 1 StPO auch dann, wenn sich im Bezirk des hiernach zuständigen AG kein Video-Vernehmungszimmer befindet (OLG München, Beschluss vom 17.12.2003 - 2 Ws 1217/03, NStZ 2004, 642).
Die Kopie des Videobandes, auf dem die Vernehmung eines Zeugen aufgezeichnet ist, ist Bestandteil der Akten; sie stellt kein Beweismittel i. S. von § 147 IV 1 StPO dar. Eine Beschwerde gegen die Verfügung des Vorsitzenden, Akteneinsicht an den Verteidiger durch Mitgabe einer Kopie des Videobandes zu gewähren, ist deshalb unzulässig (OLG Stuttgart, Beschluss vom 12.11.2002 - 4 Ws 267/02, StV 2003, 17).
***
Steht fest, dass die Videovernehmung nicht im Bezirk des angerufenen Gerichts vorgenommen werden kann, so ist eine Auslegung des § 162 I 1 StPO dahingehend, dass für die Zuständigkeit bei Zeugenvernehmungen auf den Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthaltsort der Zeugen abzustellen ist, nicht möglich. Vielmehr ist die Staatsanwaltschaft gehalten, den Ermittlungsrichter desjenigen Amtsgerichts anzurufen, welches die technischen Voraussetzungen für Videovernehmung besitzt (LG München II, Beschluss vom 23.03.2003 - 4 Qs 2/05 zu StPO §§ 58a I Nr. 1, 255a, 162, NStZ-RR 2005, 317).
Augenschein
Der Augenschein ist die sinnliche Wahrnehmung der Existenz, Lage oder Beschaffenheit eines Objektes. Gegenstand des Augenscheins sind z.B. Abbildungen, Experimente (z.B. Fahrversuche), Filme, Lichtbilder, Ortsbesichtigungen, Personen, Skizzen, technische Aufzeichnungen, Tonbandaufnahmen, Urkunden, Videoaufnahmen usw.
Siehe unter ?Beweisanträge in der Hauptverhandlung".
Augenschein durch das Gericht § 86 StPO
Findet die Einnahme eines richterlichen Augenscheins statt, so ist im Protokoll der vorgefundene Sachbestand festzustellen und darüber Auskunft zu geben, welche Spuren oder Merkmale, deren Vorhandensein nach der besonderen Beschaffenheit des Falles vermutet werden konnte, gefehlt haben.
Hinweise:
Diese Bestimmung regelt nur die richterliche Augenscheinseinnahme außerhalb der Hauptverhandlung (vgl. §§ 168, 168a, aber auch §§ 118a III 3, 271 bis 273).
Leitsätze/Entscheidungen:
Erläuternde Angaben, die eine "Auskunftsperson" beim gerichtlichen Augenschein macht, dürfen, wenn sie dem besseren Verständnis des Augenschein dienen, in die Niederschrift aufgenommen und mit ihr in der Hauptverhandlung verlesen werden. Zur richterlichen Überzeugungsbildung dürfen sie nicht herangezogen werden; hierfür bedarf es der förmlichen Vernehmung der Auskunftsperson als Zeuge (BGH, Entscheidung vom 09.05.1985 - 1 StR 63/85, StV 1986, 187).
***
Wird in der Hauptverhandlung zur Identifizierung des Täters ein bei der Verkehrsüberwachung gefertigter Videofilm abgespielt und in Augenschein genommen, erstreckt sich der Augenschein auf jedes einzelne der Bilder, aus denen sich der Film zusammensetzt, somit auch auf diejenigen, von denen Abzüge gemacht und zu den Akten genommen worden sind. Auch wenn diese Abzüge nicht ausdrücklich zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden sind, stellt es keinen Rechtsfehler dar, wenn das Gericht zur Darstellung der zur Identifizierung des Betroffenen herangezogen Videobilder auf die inhaltlich mit ihnen übereinstimmenden Abzüge, die sich in den Akten befinden, Bezug genommen hat (BayObLG, Beschluss vom 30.09.1998 - 2 ObOWi 502/98, NStZ-RR 1999, 90).
Augenschein während der Hauptverhandlung
Die Augenscheinseinnahme ist der Teil der Hauptverhandlung. Die Anwesenheit des Angeklagten ist zwingend notwendig.
Das Protokoll über eine kommissarische Augenscheinseinnahme muss den Anforderungen der §§ 86, 168a StPO entsprechen.
Ausbeutung von Prostituierten § 180a StGB
(1) Wer gewerbsmäßig einen Betrieb unterhält oder leitet, in dem Personen der Prostitution nachgehen und in dem diese in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit gehalten werden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
1. einer Person unter achtzehn Jahren zur Ausübung der Prostitution Wohnung, gewerbsmäßig Unterkunft oder gewerbsmäßig Aufenthalt gewährt oder
2. eine andere Person, der er zur Ausübung der Prostitution Wohnung gewährt, zur Prostitution anhält oder im Hinblick auf sie ausbeutet.
Leitsätze/Entscheidungen:
Nach der Neufassung des § 180 a Abs. 1 StGB macht sich nur noch derjenige strafbar, der gewerbsmäßig einen Betrieb unterhält oder leitet, in dem die dort tätigen Prostituierten in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit gehalten werden. Gehalten werden Prostituierte im Abhängigkeitsverhältnis nur dann, wenn der Zustand durch eine gezielte und fortdauernde Einwirkung einseitig, d. h. gegen den freien Willen der Prostituierten herbeigeführt oder aufrechterhalten wird (OLG Düsseldorf StV 2003, 165 ff).
Ausbleiben des Angeklagten § 230 StPO
(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt.
(2) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Ein Eingriff in die persönliche Freiheit kann nur hingenommen werden, wenn und soweit der legitime Anspruch der staatlichen Gemeinschaft auf vollständige Aufklärung der Tat und auf rasche Bestrafung des Täters nicht anders gesichert werden kann. Dieser Grundsatz gilt auch für den Haftbefehl nach § 230 II StPO. Eine Verhaftung des Angeklagten ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht mehr zu vereinbaren, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände die Erwartung gerechtfertigt wäre, dass der Angeklagte zu dem Termin erscheinen wird:
?... Vor dem Amtsgericht war gegen die Beschwerdeführerin ein Strafverfahren wegen zwei Vergehen der uneidlichen Falschaussage anhängig. Nachdem bereits zwei frühere Hauptverhandlungstermine - einer wegen Urlaubs der Beschwerdeführerin - verlegt worden waren, erging auch in der am 17. Oktober 2005 durchgeführten Hauptverhandlung kein Urteil, sondern das Verfahren wurde nach Durchführung von Zeugenvernehmungen ausgesetzt, weil weitere Beweiserhebungen nötig geworden waren.
2. Am 28. November 2005 bestimmte das Amtsgericht neuen Termin auf den 21. Dezember 2005, 13:00 Uhr. Mit Schreiben vom 30. November 2005 ersuchte der Verteidiger der Beschwerdeführerin um Verlegung, weil die Beschwerdeführerin an diesem Tag an einer von ihrer Krankenkasse genehmigten Kur im Bayerischen Wald teilnehme. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2005 lehnte das Amtsgericht eine Verlegung ab. Bei dem von der Beschwerdeführerin belegten Kurs handele es sich lediglich um eine Maßnahme der Gesundheitspflege, die um mehrere Wochen verschoben werden könne. Zwar sei nach telefonischer Mitteilung des Veranstalters bei einer Nichtteilnahme eine Kursgebühr von 69 ? zu bezahlen; es sei der Beschwerdeführerin aber zuzumuten, der Schulung wegen der Hauptverhandlung fernzubleiben und die dadurch anfallenden Gebühren zu entrichten. ...
3. Die Beschwerdeführerin hatte sich am 19. Dezember 2005 in den Bayerischen Wald begeben, um an dem Kurs jedenfalls teilweise teilzunehmen. Am Morgen des 21. Dezember 2005 teilte sie der Geschäftsstelle des Amtsgerichts telefonisch mit, sie sei ?eingeschneit' und könne daher in der Hauptverhandlung nicht erscheinen. Der Amtsrichter unterrichtete den Verteidiger hierüber und teilte seine Absicht mit, das Verfahren gegen die Beschwerdeführerin abzutrennen und gegen sie einen Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO zu erlassen. Ob der Verteidiger in diesem Telefonat zusagte, zur anberaumten Terminsstunde nicht mehr zu erscheinen, ist streitig; jedenfalls wurde er über eine beabsichtigte Verschiebung des Aufrufs der Sache nicht unterrichtet. Der Verteidiger wies das Amtsgericht in einem wenig später eingereichten Telefaxschreiben noch darauf hin, dass das Ausbleiben der Beschwerdeführerin entschuldigt sei und diese sich nicht dem Verfahren entziehen wolle. Als er sich zum vorgesehenen Termin um 13:00 Uhr zum Sitzungssaal begab, musste er feststellen, dass außer einem Zeugen niemand erschienen war. Eine Rückfrage auf der Geschäftsstelle ergab, dass der Termin aufgehoben worden sei.
4. Entgegen der Annahme des Verteidigers hatte das Amtsgericht zwar weitere Zeugen und den Mitangeklagten abgeladen, die Hauptverhandlung aber nicht aufgehoben, sondern deren Beginn lediglich verschoben. Nach Aufruf der Sache um 14:15 Uhr erließ das Amtsgericht gegen die Beschwerdeführerin einen Haftbefehl gemäß § 230 StPO. Telefonische Nachfragen hätten ergeben, dass eine Zu- und Abfahrt von der Klinik möglich sei. Die Beschwerdeführerin habe in Kenntnis des Termins ihre Kur angetreten und nicht das Erforderliche, etwa eine Rückreise am Vortag, unternommen, um ihr Erscheinen im Termin sicherzustellen.
5. Auf Grund des Haftbefehls wurde die Beschwerdeführerin am 13. Januar 2006 (Freitag) verhaftet. Daraufhin bestimmte das Amtsgericht Termin zur Hauptverhandlung auf den 23. Januar 2006. ...
7. In der Hauptverhandlung am 23. Januar 2006 wurde die aus der Haft vorgeführte Beschwerdeführerin freigesprochen; der Haftbefehl wurde aufgehoben.
1. Ein Eingriff in die persönliche Freiheit kann nur hingenommen werden, wenn und soweit der legitime Anspruch der staatlichen Gemeinschaft auf vollständige Aufklärung der Tat und auf rasche Bestrafung des Täters nicht anders gesichert werden kann. Dieser Grundsatz gilt auch für den Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO. Die Bestimmung dient der Sicherung der Weiterführung und Beendigung eines begonnenen Strafverfahrens. Eine Maßnahme nach § 230 Abs. 2 StPO setzt nicht etwa dringenden Tatverdacht und Flucht- oder Verdunklungsgefahr voraus, sondern nur die Feststellung, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung nicht erschienen und sein Ausbleiben nicht genügend entschuldigt ist. Als Mittel, die Anwesenheit des Angeklagten in einem neuen Verhandlungstermin sicherzustellen, sieht § 230 Abs. 2 StPO in erster Linie die Anordnung der Vorführung vor. Erst in zweiter Linie kann der stärker in die persönliche Freiheit eingreifende Haftbefehl in Frage kommen. Nur dies wird dem verfassungsrechtlichen Gebot gerecht, dass bei einer den Bürger belastenden Maßnahme Mittel und Zweck in angemessenem Verhältnis zueinander stehen müssen. Eine Verhaftung des Angeklagten ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht mehr zu vereinbaren, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände die Erwartung gerechtfertigt wäre, dass der Angeklagte zu dem Termin erscheinen wird (vgl.BVerfGE 32, 87 (93 f.)).
2. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts hält verfassungsrechtlicher Prüfung nicht stand. Zwar hat das Oberlandesgericht zutreffend angenommen, dass der Beschwerdeführerin trotz der Erledigung des Haftbefehls ein Rechtsschutzbedürfnis an dessen fachgerichtlicher Prüfung zukam; der Beschluss berücksichtigt jedoch nicht hinreichend Bedeutung und Tragweite des Grundrechts der persönlichen Freiheit der Beschwerdeführerin.
a) Bedenken unterliegt schon die Annahme des Oberlandesgerichts, die Beschwerdeführerin sei der Hauptverhandlung unentschuldigt ferngeblieben. Denn der Haftbefehl erging hier in einem Hauptverhandlungstermin, von dem die Beschwerdeführerin und ihr Verteidiger keine Kenntnis hatten. Zu dem Zeitpunkt, auf welchen die Beschwerdeführerin geladen war - 21. Dezember 2005 um 13:00 Uhr -, fand keine Hauptverhandlung statt. Zwar hatte das Amtsgericht die weiteren Beteiligten telefonisch abgeladen, eine Unterrichtung des Verteidigers aber unterlassen. Der Verteidiger der Beschwerdeführerin und ein Zeuge, die sich zu dieser Zeit am Sitzungssaal eingefunden hatten, erhielten von der Geschäftsstelle die Auskunft, der Termin ?falle aus'. Ein Hinweis darauf, dass der Aufruf der Sache auf 14:15 Uhr verschoben worden war, war am Sitzungssaal nicht angebracht. Von der kurzfristig angesetzten neuen Terminsstunde konnten somit weder die Öffentlichkeit noch der Verteidiger Kenntnis haben; Gleiches gilt für die Beschwerdeführerin selbst, falls sie doch noch versucht hätte, (verspätet) in der Hauptverhandlung zu erscheinen. Einem Termin, dessen Stattfinden nicht bekannt ist, kann man nicht unentschuldigt fernbleiben.
b) Ob noch aus anderen Gründen ein unentschuldigtes Ausbleiben der Beschwerdeführerin vorlag, kann dahinstehen. Das Freiheitsrecht der Beschwerdeführerin ist hier jedenfalls auch deshalb verletzt, weil das Oberlandesgericht die Verhältnismäßigkeit des Haftbefehls nur unzureichend geprüft hat.
aa) Das Oberlandesgericht hat die Erwartung, dass die Beschwerdeführerin zu künftigen Hauptverhandlungsterminen nicht erscheinen werde, zunächst damit begründet, dass sie in Kenntnis der Warnung ihres Verteidigers trotz des in jener Woche anstehenden Hauptverhandlungstermins ihre Kur im Bayerischen Wald angetreten habe. Dabei übersieht das Oberlandesgericht, dass die Beschwerdeführerin trotz der Ablehnung ihres Antrags auf Terminsverlegung nicht verpflichtet war, wegen der Hauptverhandlung am 21. Dezember 2005 gänzlich von dieser Kur Abstand zu nehmen und damit auch eine finanzielle Einbuße zu erleiden. Die Vermutung, dass sie von vornherein beabsichtigt habe, der Verhandlung am 21. Dezember 2005 fernzubleiben, ist nicht belegt; dagegen spricht auch eine vom Verteidiger vorgelegte Bescheinigung der Gemeinde B. über schneebedingte Verkehrsbehinderungen. Auch dass die Beschwerdeführerin nach Ansicht der Fachgerichte bei der Berechnung der Fahrtzeit einen ?Sicherheitszuschlag' hätte einkalkulieren müssen, ließ keine Schlüsse darauf zu, dass ihre Teilnahme an künftigen Terminen nicht zu erwarten sei.
bb) Außerdem hat das Oberlandesgericht wesentliche Gesichtspunkte nicht gewürdigt, welche die Bereitschaft der Beschwerdeführerin, an weiteren Hauptverhandlungsterminen teilzunehmen, nahe legten.
So hat sich das Oberlandesgericht nicht mit der Anwesenheit der Beschwerdeführerin in der früheren Hauptverhandlung am 17. Oktober 2005 auseinandergesetzt. Anlass zur Erörterung hätte hier umso mehr bestanden, als sich die Beweislage in jener Hauptverhandlung offenbar zu Gunsten der Beschwerdeführerin verändert hatte und sie im neuerlichen Termin mit einem - in der Hauptverhandlung im Januar 2006 dann auch erfolgten - Freispruch rechnen konnte. Es kommt hinzu, dass sich die Beschwerdeführerin immerhin beim Amtsgericht gemeldet hatte. Die Fachgerichte haben auch das sonstige Vorbringen der Beschwerdeführerin, sich der Hauptverhandlung - etwa im Hinblick auf die nötige Betreuung ihrer 14-jährigen Tochter - nicht entziehen zu wollen, nicht näher erörtert.
cc) Darüber hinaus hat das Oberlandesgericht sich auch nicht damit auseinandergesetzt, dass das Amtsgericht noch am 22. Dezember 2005 um eine - ersichtlich unverhältnismäßige - Vollstreckung des Haftbefehls ersucht hatte, obwohl die Weihnachtstage bevorstanden und die Durchführung einer Hauptverhandlung nicht absehbar war. Dieses Vorgehen hätte jedenfalls im Zusammenhang mit den Umständen der Durchführung des Termins vom 21. Dezember 2005, in welchem dem Verteidiger objektiv die Möglichkeit genommen war, weiteren Vortrag zu Gunsten der Beschwerdeführerin - etwa auf Grund einer denkbaren zwischenzeitlichen Kontaktaufnahme - zu halten, Anlass zu einer sorgfältigeren Prüfung der Verhältnismäßigkeit geben müssen.
dd) Das Oberlandesgericht hätte ferner die Möglichkeit eines Vorführbefehls als milderes Mittel näher in Betracht ziehen müssen. Diese Maßnahme lag hier nicht nur wegen der Teilnahme der Beschwerdeführerin an der früheren Hauptverhandlung, sondern auch wegen der nicht erheblichen Schwere des Tatvorwurfs und der nicht gravierenden Straferwartung hinsichtlich der nicht vorgeahndeten Beschwerdeführerin nahe.
ee) Schließlich bedurfte auch die Dauer der Inhaftierung näherer Prüfung. Warum es hier erforderlich gewesen sein soll, die Beschwerdeführerin noch vor dem Wochenende 14./15. Januar 2006 zu verhaften und die Haft auf zehn Tage zu erstrecken, ist nicht dargelegt und erschließt sich auch nicht aus sonstigen Umständen.
III. Soweit sie sich unmittelbar gegen den Haftbefehl wendet, ist die Verfassungsbeschwerde mangels eines gegenwärtigen verfassungsprozessualen Rechtsschutzbedürfnisses derzeit unzulässig. Das Oberlandesgericht wird dessen Rechtmäßigkeit unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben nochmals umfassend zu prüfen haben. Somit steht der Beschwerdeführerin insoweit noch ein fachgerichtlicher Rechtsweg, nämlich die vom Oberlandesgericht erneut zu treffende Sachentscheidung, zur Verfügung. ..." (BVerfG, 2 BvR 473/06 vom 27.10.2006, Absatz-Nr. (1 - 29), www.BVerfG.de/entscheidungen/rk20061027_2bvr047306.html)
*** (BGH)
Die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen in Abwesenheit des aus der Hauptverhandlung entfernten Angeklagten betrifft einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung. Dies gilt nicht, wenn der Angeklagte Gelegenheit hat, die Vernehmung über eine Bild-Ton-Übertragung zeitgleich mitzuverfolgen und er vor der Entlassung des Zeugen nach ausdrücklicher Befragung des Vorsitzenden von seinem Fragerecht keinen Gebrauch machen will. Die Zulässigkeit der Verfahrensrüge der unzulässigen Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten setzt voraus, dass in der Revisionsbegründungsschrift die näheren Umstände der Video-Übertragung im Einzelnen vorgetragen werden (BGH, Urteil vom 09.02.2011 - 5 StR 387/10 zu StPO §§ 338 Nr. 5, 230, 247, 344 Abs. 2 S. 2).
***
Die Durchführung eines förmlichen Augenscheins während der Vernehmung eines Zeugen in Abwesenheit des aus dem Sitzungszimmer entfernten Angeklagten kann auch dann nicht als Teil der Vernehmung des Zeugen angesehen werden, wenn er eng mit dieser verbunden ist (BGH, Beschluss vom 05.10.2010 - 1 StR 264/10 zu StPO §§ 338 Nr. 5, 247, 230 Abs. 1).
***
Es erscheint ausgeschlossen, von § 231c StPO im Rahmen eines Strafverfahrens Gebrauch zu machen, das sich gegen mehrere Angeklagte wegen bandenmäßiger Begehung von Straftaten richtet. Die Befugnis zur Einlegung eines Rechtsmittels und zur Erhebung von Verfahrensrügen (hier: Verstoß gegen §§ 230, 231c StPO) bleibt einem Angeklagten uneingeschränkt erhalten, auch wenn dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen ist. Dies folgt aus dem Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. 07. 2009 (BGBl I 2353), das nach einer solchen Verfahrensbeendigung keine Einschränkungen hinsichtlich der Rechtsmittelbefugnis vorsieht (BGH, Beschluss vom 06.08.2009 - 3 StR 547/08).
***
?... b) Die Bewertung der Strafkammer, der Angeklagte sei bei der Fortsetzung der Hauptverhandlung - eigenmächtig - ausgeblieben (§ 231 Abs. 2 StPO) ist nach freibeweislicher (BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 24; BGH NStZ 1999, 418) Überprüfung nicht erschüttert worden und deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt (§ 230 Abs. 1 StPO); der erschienene Angeklagte darf sich aus der Hauptverhandlung nicht entfernen (§ 231 Abs. 1 Satz 1 StPO). Dies dient der Gewährleistung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in jeder Phase der Hauptverhandlung. Zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, zur Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs, ist der Angeklagte im Gegenzug zur Teilnahme an der Hauptverhandlung grundsätzlich verpflichtet und kann dazu auch gezwungen werden (§ 230 Abs. 2, § 231 Abs. 1 Satz 2, § 112 StPO; ein in Untersuchungshaft befindlicher Angeklagter muss vorgeführt werden, auch wenn er lieber ?in Ruhe Mittagessen möchte', BGH NStZ 1993, 446). Ein Angeklagter, der sich der Hauptverhandlung entzieht, hat zwar im Grunde seinen Anspruch auf Gehör verwirkt (zur Verwirkung vgl. Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG 50. Lfg. Art. 103 Abs. 1 Rdn. 18, 83). Wegen der besonderen Bedeutung des Rechts auf Gehör als Voraussetzung für ein faires rechtsstaatliches Verfahren trägt die Strafprozessordnung diesem Gedanken der Verwirkung allerdings nur unter den Voraussetzungen des § 231 Abs. 2 StPO sowie des - hier nicht in Frage stehenden - § 231a StPO (und bei Entfernung des Angeklagten aus der Hauptverhandlung wegen Ungebühr - § 177 GVG -) Rechnung.
Gemäß § 231 Abs. 2 StPO kann die Hauptverhandlung in Abwesenheit eines Angeklagten zu Ende geführt werden, wenn er sich aus dieser entfernt oder zu einem Fortsetzungstermin nicht erscheint, sofern er über die Anklage schon vernommen war und das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet. Über den bloßen Wortlaut hinaus muss der Angeklagte dabei seine Pflicht zum Verbleiben oder Wiedererscheinen eigenmächtig verletzt haben, denn bei genügender Entschuldigung kann sein Erscheinen auch sonst nicht erzwungen werden (vgl. § 230 Abs. 2 StPO). Eigenmächtig handelt der Angeklagte, der ohne Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe wissentlich seiner Anwesenheitspflicht nicht genügt (BGHSt 37, 249, 255; BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 24). Nicht erforderlich ist die Feststellung - wie noch von der früheren Rechtsprechung gefordert (vgl. BGH NStZ 1988, 421, 422) -, dass der Angeklagte versucht habe, im Sinne einer Boykottabsicht den ?Gang der Rechtspflege' zu stören oder ihm ?entgegenzutreten' (vgl. BGHSt 37, 249, 254 f. m.w.N.). Eigenmächtig einem Fortsetzungstermin fern bleibt danach auch der Angeklagte, der sich schon vor dem angesetzten Termin wissentlich und ohne Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund, d.h. ohne Not, in eine Lage begibt, die für ihn vorhersehbar mit dem erheblichen Risiko verbunden ist, zum angesetzten Termin an der Teilnahme der Hauptverhandlung gehindert zu sein. Dem eigenmächtigen Ausbleiben im Sinne von § 231 Abs. 2 StPO steht es deshalb gleich, dass sich der Angeklagte nach der Vernehmung zur Sache - vorher gilt § 231a StPO - in einen seine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt (BGH NStZ 2002, 533, 535 m.w.N.). Dem ist die Situation vergleichbar, wenn ein Angeklagter während einer laufenden Hauptverhandlung in Deutschland im Ausland vorsätzlich eine Straftat von Gewicht begeht, bei deren Entdeckung er mit seiner Verhaftung rechnen muss. Anders als bei einer Inhaftierung in anderer Sache in Deutschland (vgl. hierzu BGH NStZ 1997, 295) steht dann ein Zugriff auf den Angeklagten nicht in der Macht der deutschen Strafverfolgungsorgane. Gelingt die Überstellung des Angeklagten aus dem Ausland zur rechtzeitigen Fortsetzung der Hauptverhandlung in Deutschland nicht, so dass das Verfahren gegen ihn ausgesetzt werden muss, dann hat der Angeklagte durch die Begehung der Straftat hierzu direkt vorsätzlich die Ursache gesetzt. Darauf, dass sich das mit der vorsätzlichen Straftat bewusst eingegangene Risiko der Festnahme und in der Folge der Unmöglichkeit der Teilnahme des Angeklagten an der Fortsetzung der Hauptverhandlung in Deutschland dann auch tatsächlich realisiert, muss sich der direkte Vorsatz nicht beziehen. Auch der Angeklagte, der darauf vertraut, seine (Auslands-)Tat werde nicht entdeckt oder er könne rechtzeitig fliehen, setzt das Verhaftungsrisiko wissentlich im Sinne von § 231 Abs. 2 StPO. Der Absicht der Verfahrenssabotage bedarf es - wie oben ausgeführt - nicht. Nichts anderes kann gelten, wenn ein in Deutschland vor Gericht stehender Angeklagter, der schon früher eine Straftat entsprechenden Gewichts im Ausland begangen hat, wegen der er - wie er weiß - auch mit seiner Verhaftung im Land des Tatorts rechnen muss, sich während des Laufs der gegen ihn gerichteten Hauptverhandlung ohne Not in jenes Land und dort in eine Situation mit hohem Verhaftungsrisiko begibt. So liegt der Fall hier.
Am 19. Oktober 2001 war der Angeklagte wieder auf freien Fuß gekommen. Die Vollstreckung der Reststrafe der aus den Verurteilungen des Landgerichts Tübingen vom 10. November 1998 wegen Wertpapierfälschung (zwei Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe) und des Landgerichts Mannheim wegen Geldfälschung (drei Jahre und vier Monate Freiheitsstrafe) gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten war für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt worden. Der - auch nach Schweizer Recht vorbestrafte - Angeklagte hat dann im April 2002 zusammen mit seinem ?Komplizen' W. - so der Vorwurf - in der Schweiz eine schwerwiegende Betrugsstraftat mit Urkundenfälschung begangen. Er war deswegen im Jahre 2003 in der Schweiz auch schon verhaftet und etwa sechs Wochen lang in Untersuchungshaft genommen worden. Zumindest in diesem Zusammenhang war er in der Schweiz erkennungsdienstlich behandelt, waren also Fingerabdrücke von ihm genommen worden. Sein mutmaßlicher Mittäter W. war im November 2005 in der Schweiz festgenommen worden. Anfang Februar 2006 hatte dieser den Angeklagten Dr. H. den Schweizer Ermittlungsbehörden gegenüber schwer belastet, wie dem Angeklagten Mitte des Jahres 2006 bekannt war. Zum einen hatte der Angeklagte engen Kontakt zu seinem Schweizer Verteidiger im dortigen Verfahren. Zum anderen wurde dem in der Schweiz angeschuldigten Angeklagten in der Hafteinvernahme vom 16. Juli 2006 dies auch unwidersprochen vorgehalten:
?Nach Kenntnisnahme von W. s Verhaftung ließen Sie durch Ihren Anwalt ausrichten, dass vor Ende August bzw. September kein Einvernahmetermin möglich wäre. Weshalb das?'
Darauf erklärte der Angeklagte:
?Ich sprach dem Herrn Sc. , dass ich ab dem 20. Juli 2006 zur Verfügung stehen würde.'
Damit wird ersichtlich auf die Gespräche des Schweizer Verteidigers des Angeklagten mit dem ermittelnden Staatsanwalt in Zürich in der zweiten Junihälfte 2006 angespielt.
Vor diesem Hintergrund musste der Angeklagte jedenfalls seit Juni 2006 damit rechnen und hat auch damit gerechnet, dass ihm nunmehr bei einer Einreise in die Schweiz im Falle seiner Identifizierung die erneute Verhaftung droht. Dem steht nicht entgegen, dass sich der Angeklagte, wie er vorträgt, früher zuweilen unbehelligt in der Schweiz aufhielt, auch um der Vernehmung eines Zeugen beizuwohnen, dass er immer wieder bei seiner Lebensgefährtin an deren Wohnsitz in Basel weilte, dass er Flugreisen von Zürich aus antrat, im März 2005 und schließlich noch nach Johannisburg zum Besuch von Namibia Ende April/Anfang Mai 2006.
Einen Wohnsitz hatte der Angeklagte in der Schweiz nicht. Bei seiner Festnahme nannte er laut Verhaftungsrapport der Kantonspolizei Zürich vom 14. Juli 2006 als Heimatadresse vielmehr Haus Wo. in D- , ca. 40 km von Basel entfernt (laut Homepage der Gemeinde B. ). Bei seiner Hafteinvernahme am 16. Juli 2006 erklärte er ausdrücklich, dass er in der Schweiz keinen festen Wohnsitz hat. Dass der Angeklagte seinen dauernden Aufenthalt eben nicht - wie noch im Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 6. November 2007 behauptet - bei seiner Lebensgefährtin C. und den zwei gemeinsamen Kindern in der Bi. straße in Ba. wählte, sondern diesen zwar nahe, aber in Deutschland nahm, spricht nicht für sein Vertauen auf dauerhafte Freiheit in der Schweiz. Der Angeklagte wurde auch nicht unter der Anschrift seiner Lebensgefährtin unmittelbar zu dem über den Schweizer Verteidiger in der zweiten Junihälfte vereinbarten Anhörungsterminen am 18. August und 20. September 2006 zur Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl geladen, sondern - mangels einer ladungsfähigen Anschrift des Angeklagten in der Schweiz - nur über diese.
Die Gespräche des Schweizer Verteidigers am 22. und 27. Juni 2006 zur Vereinbarung der - hinausgeschobenen - Einvernahmetermine bewerteten die Ermittlungsbeamten in der Schweiz, wie sich aus dem Vorhalt an den Angeklagten in der Hafteinvernahme am 16. Juli 2006 ergibt, als Hinhaltetaktik, nachdem die Verhaftung des mutmaßlichen Mittäters W. bekannt geworden war. Die Fragen des Verteidigers an den ermittelnden Staatsanwalt nach einer beabsichtigten Verhaftung - auf die ein erfahrener Verteidiger niemals eine offene Antwort erwarten durfte - konnten in diesem Zusammenhang nur kontraproduktiv wirken. Sie deuteten darauf hin, dass eine wirkliche Bereitschaft, sich dem Verfahren in der Schweiz freiwillig zu stellen, nicht besteht.
Vor diesem Hintergrund lag es für den - strafprozessual erfahrenen - Angeklagten sehr nahe, dass die Schweizer Ermittlungsbehörden, nach der Verhaftung des W. , nun - ab der zweiten Junihälfte 2006 - ernsthaft versuchen würden, auch seiner - des Dr. H. - in der Schweiz habhaft zu werden. Denn eine Auslieferung aus Deutschland kam nicht in Betracht (Art. 16 Abs. 2 GG).
Beim Antritt der Flugreise nach Bangkok am 14. Juli 2006 war dann in Anbetracht der damit verbundenen Sicherheitsüberprüfungen die Identifizierung des Angeklagten auf dem Flughafen Zürich sicher und - womit er rechnen musste und auch rechnete - dann auch seine Festnahme nahe liegend. Der Angeklagte wurde - von ihm deshalb auch nicht unerwartet - am 14. Juli 2006 um 20.45 Uhr bei der Ausreisekontrolle aufgrund seiner Ausschreibung in Ripol (Recherches informatisées de la police) nach Fingerabdruckvergleich in SwissAfis (Automated fingerprint identification System des Schweizerischen Bundesamts für Polizei) als zur Festnahme ausgeschriebene Person erkannt, anhand seines Passes identifiziert, anschließend festgenommen und am 17. Juli 2006 in Schweizer Untersuchungshaft genommen, in der er jedenfalls bis zur Urteilsverkündung in dieser Sache am 15. November 2006 ununterbrochen verblieb.
Damit hat sich der Angeklagte eigenmächtig der Teilnahme an der Fortsetzung der gegen ihn gerichteten Hauptverhandlung in Stuttgart entzogen. Die Hauptverhandlung konnte in seiner Abwesenheit fort- und zu Ende geführt werden. Der Angeklagte hatte Gelegenheit gehabt, sich zu seinen persönlichen Verhältnissen und zur Sache zu äußern. Dass die Anwesenheit des Angeklagten im weiteren Verfahren nicht erforderlich war, hat die Strafkammer ermessensfehlerfrei bejaht.
Die Rüge eines Verstoßes gegen § 338 Nr. 5 i.V.m. § 230 Abs. 1, § 231 StPO ist deshalb jedenfalls unbegründet.
Darauf, ob es der Angeklagte auf die Behinderung des Verfahrens, auf dessen Boykott abgesehen hatte, kommt es - wie oben dargelegt - nicht an. Allerdings spricht einiges dafür, dass es der Angeklagte unter geschickter Inszenierung der entsprechenden Rahmenbedingungen im Juni 2006 zur Verschleierung seiner wahren Absicht darauf angelegt hatte, mit einer provozierten Inhaftierung in der Schweiz eine Aussetzung der Hauptverhandlung gegen ihn in Stuttgart zu erreichen. Am 19. Juni 2006 waren die Flugscheine nach Bangkok ausgestellt worden, am 22. und 27. Juni 2006 fanden die Gespräche des Schweizer Verteidigers mit dem Staatsanwalt in Zürich statt, die diesen hellhörig machen mussten und ihn - unter diesen Voraussetzungen - dann auch hellhörig machen sollten. Vom 29. Juni 2006 datiert die Rechnung für die Musikreise nach Verona. Damals neigte sich das Stuttgarter Verfahren nach nahezu eineinhalb Jahren Verhandlungsdauer ihrem Ende entgegen. Der Angeklagte musste angesichts des Gewichts der Tatvorwürfe immer noch mit der Verurteilung zu einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe rechnen, trotz der über zehn Jahre zurückliegenden Tatzeit und der konventionswidrigen (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) Verfahrensverzögerung, die die Strafkammer bei der Strafzumessung dann auch angemessen berücksichtigte. Bereits die Anklageerhebung erfolgte - auch unter Berücksichtigung der Komplexität des Sachverhalts und des Umfangs der internationalen Verflechtungen - schon spät am 18. Dezember 2000 (mit Anklageschrift vom 12. Dezember 2000). Die Hauptverhandlung konnte dann aber nach mehr als vier weiteren Jahren sogar erst am 9. Februar 2005 begonnen werden. Der Angeklagte hatte das nicht zu vertreten. Die Ursache lag vielmehr in der Überlastung der Wirtschaftsstrafkammern des Landgerichts Stuttgart, die - wie dem Senat bekannt ist - überproportional unter Personalkürzungen zu leiden hatten. Verfahren, in denen keine Untersuchungshaft vollzogen wird und in denen keine verfahrensabkürzende Absprache zustande kommt, können nicht mehr in angemessener Zeit begonnen und abgeschlossen werden. Daher hätte der Angeklagte nach einer Aussetzung des gegen ihn gerichteten Verfahrens schon deshalb - ganz abgesehen von der Haft in der Schweiz - nicht mit einem baldigen Neubeginn der Hauptverhandlung in Stuttgart und nicht mehr mit einem wirklich belastenden Ausgang dieses Verfahrens rechnen müssen. Demgegenüber war der Gegenstand des Verfahrens in der Schweiz vergleichsweise neu. In diesem Verfahren musste er auf jeden Fall noch mit ernsthafter Verfolgung rechnen, sei es in der Schweiz oder in Deutschland (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB). Sich diesem - zunächst - auszuliefern, um dem älteren deutschen Verfahren - scheinbar unfreiwillig und praktisch endgültig - zu entgehen, lag deshalb nahe. Im Schweizer Verfahren hat der Angeklagte, wie der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz vom 15. Oktober 2007 mitgeteilt hat, inzwischen seine Entlassung gegen Stellung einer Kaution erreicht. ..." (BGH, Beschluss vom 07.11.2007 - 1 StR 275/07)
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?... Nähere Ausführungen sind lediglich zu dem behaupteten Verstoß gegen §§ 338 Nr. 5, 247 Satz 1, 230 Abs. 1 StPO veranlasst.
a) Der Rüge liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:
Am 16. Hauptverhandlungstag wurde der Zeuge He. zu Geschehnissen vernommen, die nicht die angeklagte Tat, sondern einen Vorfall betrafen, der sich 10 Tage zuvor ereignet hatte. Damals war der Zeuge He. u. a. von dem Angeklagten H. , der nach den Urteilsfeststellungen Spaß am Quälen von Menschen hat, über Stunden grausam gefoltert und gedemütigt worden. Der Zeuge He. war nicht bereit, in Anwesenheit des Angeklagten H. und zweier weiterer Angeklagten wahrheitsgemäße Angaben zur Sache zu machen, weil er Angst vor diesen hatte und weil sowohl er als auch seine Familie von diesen bedroht worden waren, weshalb er auch seinen Wohnort gewechselt hatte.
Vor diesem Hintergrund wurden die drei Angeklagten während der Vernehmung des Zeugen He. von der Teilnahme an der Hauptverhandlung ausgeschlossen. Im Rahmen der Vernehmung wurden mit Einverständnis des Zeugen auch dessen als Folge der Folterungen vernarbten Unterarme in Augenschein genommen. Der Augenschein wurde nach Wiederzulassung der Angeklagten nicht wiederholt. Die Kammer hat dem Vorfall mit dem Zeugen He. im Folgenden indizielle Bedeutung beigemessen, insbesondere was die Anführerrolle des Angeklagten H. anbelangt.
b) Der von der Revision behauptete absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 i.V.m. §§ 247 Satz 1, 230 Abs. 1 StPO liegt nicht vor.
Zwar sind, worauf die Revision zutreffend hinweist, während der Abwesenheit des Angeklagten andere Beweisvorgänge, wie z. B. eine Augenscheinseinnahme, untersagt (BGH NStZ 1986, 564; 2001, 262; NJW 2003, 597). Sie müssen daher, wenn sie trotzdem stattgefunden haben, nach Wiedereintritt des Angeklagten wiederholt werden. Ausnahmsweise erstreckt sich eine Ausschließung des Angeklagten gemäß § 247 Satz 1 StPO jedoch neben der Vernehmung eines Zeugen auch auf eine Augenscheinseinnahme und zwar dann, wenn - wie hier - die Augenscheinseinnahme am Körper des zu vernehmenden Zeugen erfolgt, mit dessen Aussage in untrennbaren Zusammenhang steht und deshalb vom Ausschließungsgrund mitumfasst ist (vgl. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 247 Rdn. 19 FN 47; Hanack JR 1989, 255, 257).
Hier war der Angeklagte - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - nur in Abwesenheit der ihn bedrohenden Angeklagten bereit, sich als Beweismittel für ein nicht angeklagtes Geschehen zur Verfügung zu stellen. § 247 StPO lässt im Interesse der Sachaufklärung und des Zeugenschutzes Ausnahmen von der Anwesenheitspflicht des Angeklagten zu (Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 247 Rdn. Nr. 1).
aa) Es liegt auf der Hand, dass der Zeuge von vornherein keine wahrheitsgemäße, den Angeklagten belastende Aussage gemacht hätte, wenn er damit hätte rechnen müssen, nach Beendigung seiner Vernehmung - dann wieder in Anwesenheit des Angeklagten - zum Gegenstand eines Augenscheins gemacht zu werden. Das Vorzeigen von Spuren am Körper des vom Angeklagten misshandelten Zeugen besitzt nämlich den gleichen Erklärungswert wie eine belastende Aussage. Zudem wäre der Zeuge bei der Durchführung des Augenscheins noch sehr viel intensiver der Begegnung mit dem Angeklagten ausgesetzt als bei seiner Vernehmung. Denn auch dem Angeklagten stünde als Prozessbeteiligtem das Recht zu, den Augenschein selbst vorzunehmen und sich zu diesem Zweck dem Zeugen unmittelbar zu nähern. Eine derartige Konfrontation mit dem gemäß § 247 Satz 4 StPO über den Inhalt der Aussage informierten Angeklagten wirkt aber auf einen Zeugen nicht weniger einschüchternd als der Druck, eine belastende Aussage in dessen Gegenwart zu leisten. Die Gefahr, dass der Zeuge schon im Hinblick auf diese von ihm als äußerst bedrohlich empfundene Situation keine wahrheitsgemäße Aussage macht, ist deshalb nicht geringer als bei Vernehmung im Beisein des Angeklagten. Der Ausschluss des Angeklagten nur während der Vernehmung würde daran nichts ändern.
Hier war das Gericht auch nicht gehalten, auf ein weniger sachnahes Beweismittel wie z. B. einen Augenscheinsgehilfen auszuweichen, der später - in Anwesenheit des Angeklagten - als Zeuge oder Sachverständiger hätte vernommen werden können. Die Augenscheinseinnahme am Körper des Zeugen erfolgte nämlich im Rahmen seiner Vernehmung dergestalt, dass sie als deren notwendiger Bestandteil anzusehen ist und deshalb zur Sachaufklärung geboten war. So erklärte der Zeuge He. - wie von der Revision G. vorgetragen (RB 8) - den Prozessbeteiligten die in Augenschein genommenen Narben, was einem Augenscheinsgehilfen in dieser Form nicht möglich gewesen wäre.
bb) Damit kann letztlich dahinstehen, ob - wofür einiges spricht - der Ausschluss des Angeklagten während des Augenscheins an dem Zeugen auch aus Gründen des Opferschutzes, wie er in § 247 Satz 2 StPO zum Ausdruck kommt, geboten war (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 11 sowie BGH NJW 1985, 1478; Diemer in KK 5. Aufl. § 247 Rdn. 8; Pfeiffer, StPO 4. Aufl.§ 247 Rdn. 5). Immerhin liegt es auf der Hand, dass eine zu besorgende gesundheitliche Gefährdung des Folteropfers, die die Abwesenheit des Angeklagten bei der Vernehmung bedingen würde, auch dessen Ausschluss bei der sich anschließenden Augenscheinseinnahme seines Opfers zur Folge haben muss. Anderenfalls würde der Zweck der Maßnahme vereitelt. ..." (BGH, Beschluss vom 12.09.2007 - 2 StR 187/07)
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Findet ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung statt, während der Angeklagte - ohne sein Verschulden - verhandlungsunfähig war, liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO vor (BGH StV 1988, 511).
Für die Beurteilung der Eigenmächtigkeit des Fernbleibens kommt es nicht darauf an, ob das Gericht Grund zu der Annahme hatte, der Angeklagte habe den Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung vorsätzlich nicht wahrgenommen, sondern allein darauf, ob eine solche Eigenmächtigkeit tatsächlich vorlag. Dies ist vom Revisionsgericht selbständig zu prüfen (BGH StV 1982, 153).
*** (OLG)
Die weitere Beschwerde gegen Haftentscheidungen ist auch dann zulässig, wenn der zugrunde liegende Haftbefehl bei Einlegung des Rechtsmittels bereits wieder aufgehoben worden war. In diesem Fall richtet sich das Rechtsmittel auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Haftanordnung mit dem Ziel, ggf. deren Rechtswidrigkeit festzustellen. Ein Haftbefehl gem. § 230 Abs. 2 StPO hat im Regelfall zur Voraussetzung, dass zuvor der Versuch, die angeklagte Person zum Termin vorzuführen, gescheitert ist (OLG Braunschweig, Beschluss vom 20.06.2012 - Ws 162/12):
?... I. Die (jetzt) Verurteilte greift mit ihrer weiteren Beschwerde eine Entscheidung der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Göttingen an, mit der ihre Beschwerde, die sich gegen den gemäß § 230 Abs. 2 StPO am 07.03.2012 erlassenen Haftbefehl des Amtsgerichts Göttingen vom 07.03.2012 richtet, verworfen worden ist.
Dem liegt zugrunde, dass die Verurteilte - als damals Angeklagte - zu dem auf den 06.03.2012 anberaumten Termin der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Göttingen über die Anklage der Staatsanwaltschaft Göttingen vom 15. Januar 2012 nicht erschienen war, so dass der Strafrichter gem. § 230 Abs. 2 StPO Haftbefehl erließ. Daraufhin wurde die Verurteilte am 30.03.2012 aufgrund des Haftbefehls um 07:30 Uhr in ihrer Wohnung festgenommen und zunächst dem Haftrichter vorgeführt, der den Haftbefehl aufrechterhielt, worauf die Verurteilte sogleich im Verlauf des Termins zur Verkündung des Haftbefehls zu Protokoll des Amtsgerichts Haftbeschwerde einlegte. Um 10:45 Uhr wurde sie in der Justizvollzugsanstalt Vechta - Abteilung Hildesheim - aufgenommen und vier Tage später von dort zum nächsten Termin dem Amtsgericht am 03.04.2012 vorgeführt. Die Verhandlung endete mit einer sogleich rechtskräftig gewordenen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten wegen Diebstahls, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Seit der Festnahme am 30.03.2012 und bis zur Aufhebung des Haftbefehls nach Abschluss der Hauptverhandlung am 03.04.2012 war gegen die Verurteilte jedoch nicht Untersuchungshaft, sondern nach einer noch am 30.03.2012 erfolgten Änderung der Vollstreckungsreihenfolge eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt worden, wobei die Haftanordnung aber als sog. ?Überhaft" aufrechterhalten blieb.
Das Landgericht hat die Haftanordnung nicht überprüft, sondern die Haftbeschwerde bereits als unzulässig mit der Begründung verworfen, dass der Haftbefehl im Hinblick auf die vollstreckte Ersatzfreiheitsstrafe niemals vollzogen worden sei.
Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Verurteilten vom 12.04.2012, mit der die Verurteilte geltend macht, dass ihr Ausbleiben im Hauptverhandlungstermin vom 06.03.2012 zum einen aufgrund einer durch ärztliches Attest belegten Erkrankung entschuldigt gewesen und mit der sie zum anderen rügt, dass die Haftanordnung unverhältnismäßig gewesen sei.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die weitere Beschwerde bereits als unzulässig zu verwerfen.
II. Das Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Feststellung, dass die Haftanordnung und die Entscheidung der Strafkammer rechtswidrig waren.
Zunächst ist die weitere Beschwerde zulässig. Die Frage, ob gem. § 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO auf Beschwerde ergangene Beschlüsse des Landgerichts in Haftsachen auch dann weiter angefochten werden können, wenn der zugrunde liegende Haftbefehl bei Einlegung der weiteren Beschwerde bereits wieder aufgehoben worden war, wird in Literatur und Rechtsprechung streitig beurteilt. Während die Oberlandesgerichte Celle (Beschluss vom 21.02.2003 - 2 Ws 39/03; juris) und Düsseldorf (Beschluss vom 12.02.2001 - 1 Ws 33/01; juris) sowie (u.a.) Matt (in: Löwe-Rosenberg, StPO 26. Aufl., Rdnr. 33 zu § 310) die Frage bejahen, wird sie vom Oberlandesgericht Frankfurt (Beschluss vom 24.11.2005 - 1 Ws 126/05; juris), dem Oberlandesgericht Hamm (NJW 1999, 2299) sowie Meyer-Goßner (StPO 54. Aufl., Rdnr. 7 zu § 310) verneint. Der letztgenannten Ansicht liegt auch der Antrag der Generalstaatsanwaltschaft zugrunde.
Der Senat folgt dieser Ansicht nicht. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG NJW 1997, 2163) hatte schon zur Frage des Rechtsschutzes in Fällen erledigter richterlicher Durchsuchungsanordnungen entschieden, dass das aus Art. 19 Abs. 4 GG folgende Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes dem Betroffenen das Recht gibt, in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe die Berechtigung des Eingriffs auch dann gerichtlich klären zu lassen, wenn der Grundrechtseingriff beendet ist. Dies gilt im Hinblick auf das dadurch berührte überragende Rechtsgut der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 GG) auch und gerade für die Untersuchungshaft betreffenden Entscheidungen, wobei die Gewährung von Rechtsschutz im Hinblick auf das bei Freiheitsentziehungen bestehende Rehabilitierungsinteresse weder vom konkreten Ablauf des Verfahrens und dem Zeitpunkt der Erledigung der Maßnahme noch davon abhängt, ob Rechtsschutz typischerweise noch vor Beendigung der Haft erlangt werden kann (BVerfG, Beschluss vom 31.10.2005 - 2 BvR 2233/04; juris). Eine Haftbeschwerde darf in solchen Fällen nicht wegen prozessualer Überholung als unzulässig verworfen werden; vielmehr ist die Rechtmäßigkeit der zwischenzeitlich erledigten Maßnahme zu prüfen und deren Rechtswidrigkeit festzustellen (BVerfG a.a.O.). Da man diesen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht gerecht würde, wenn man die gebotene Überprüfung auf nur eine fachgerichtliche Entscheidung beschränken würde, und das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich eine umfassende Prüfung der Fachgerichte im Rahmen der durch das Prozessrecht vorgesehenen Instanzen einfordert (BVerfG, Beschluss vom 30.04.1997 - 2 BvR 817/90 - Leitsatz Nr. 1), müssen diese Grundsätze auch für die weitere Beschwerde gelten.
Das damit zulässige Rechtsmittel ist auch begründet. Dass der Beschluss des Landgerichts, der die vorstehende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht missachtet hat und zudem auf falsch ermittelter Tatsachengrundlage ergangen ist, deshalb keinen Bestand haben kann, bedarf keiner näheren Begründung zumal es allgemeine Meinung ist, dass eine Haftbeschwerde auch dann zulässig ist, wenn der Haftbefehl wegen ?Überhaft" nicht vollzogen wird (Meyer-Goßner, StPO 54. Aufl., Rdnr. 8 zu § 117). Das Landgericht hätte einer Sachentscheidung daher nicht ausweichen dürfen.
Die eigentlich bereits dem Landgericht gebotene Überprüfung des Haftbefehls hätte aber unschwer dessen Rechtswidrigkeit ergeben. Unabhängig von der Frage, ob das vorgelegte ärztliche Attest das Ausbleiben der Beschwerdeführerin im Termin genügend entschuldigt, hätte die Haftanordnung deshalb nicht ergehen dürfen, weil die Durchführung der Hauptverhandlung ersichtlich auch mit einer Vorführung zum Termin hätte gesichert werden können. Dann aber ist unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dem Vorführungsbefehl, weil gegenüber dem Haftbefehl weniger einschneidend, zwingend der Vorzug zu geben. So liegt es im vorliegenden Fall: Die Beschwerdeführerin hat einen festen Wohnsitz und wohnt dort mit ihrem Lebensgefährten und drei Kindern. Zur Hauptverhandlung konnte sie dort jederzeit ohne Probleme geladen werden und wurde dort bei ihrer Festnahme tatsächlich auch angetroffen. Der Erlass eines Haftbefehls wäre deshalb erst dann zulässig gewesen, wenn ein Vorführungsbefehl keinen Erfolg gehabt hätte. ..."
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Der Erlass eines Haftbefehls gemäß § 230 Abs. 2 StPO setzt nicht voraus, dass das Gericht zugleich einen erneuten Hauptverhandlungstermin innerhalb der Unterbrechungsfrist des § 229 StPO anberaumt. Allerdings kommt im Falle von Hauptverhandlungshaft dem Übermaßverbot - über das allgemeine Haftrecht hinausgehend - besondere Bedeutung zu. Denn § 230 Abs. 2 StPO setzt weder einen dringenden Tatverdacht noch einen Haftgrund nach §§ 112, 112a StPO voraus. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es daher, die Hauptverhandlung in angemessener Zeit nach Festnahme des Angeklagten durchzuführen (OLG Köln, Beschluss vom 11.06.2012 - 2 Ws 428/12).
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§ 230 Abs. 2 StPO lässt auch bei Schuldunfähigen nur Vorführungs- und Haftbefehl zu und nicht die - an andere und strengere Voraussetzungen geknüpfte - einstweilige Unterbringung. Dies trifft auch auf das Sicherungsverfahren nach den §§ 414 ff. StPO zu (OLG Hamburg, 07.03.2012 - 2 Ws 36/12).
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I. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift vom 02.12.2011 den Sach-- und Verfahrensstand wie folgt zusammengefasst:
?Gegen den Angeklagten ist durch Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 20.01. 2011 - 82 Ds-551 Js 681/09-417/10 - wegen Urkundenfälschung in fünf Fällen jeweils in Tateinheit mit Betrug, wobei es hinsichtlich des Betruges in zwei Fällen beim Versuch blieb, eine Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10,00 Euro verhängt worden. Gegen dieses Urteil, das der Staatsanwaltschaft Bonn am 21.03.2011 zugestellt worden ist, hat die Staatsanwaltschaft Bonn unter dem 21.01.2011 Berufung eingelegt, eingegangen beim Amtsgericht Bonn am selben Tag und diese mit Verfügung vom 07.04.2011, eingegangen beim Landgericht Bonn am 13.04.2011, begründet. Der Angeklagte hat gegen dieses Urteil, das seinem Verteidiger am 10.02.2011 zugestellt worden ist, mit Telefax seines Verteidigers vom 20.01.2011, eingegangen beim Amtsgericht Bonn am selben Tag, Revision eingelegt und diese mit weiterem anwaltlichen Telefax vom 11.02.2011, eingegangen beim Amtsgericht Bonn am 14.02.2011, mit der Verletzung materiellen Rechts begründet.
Die 5. kleine Strafkammer des Landgerichts Bonn - 25 Ns-551 Js 581/09-51/11 - hat durch Urteil vom 20.05.2011 die gemäß § 335 Abs. 3 StPO als Berufung anzusehende Revision des Angeklagten verworfen, weil der Angeklagte zu dem anberaumten Hauptverhandlungstermin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen und auch nicht in zulässiger Weise vertreten worden sei. Gegen dieses, dem Verteidiger des Angeklagten am 26.05.2011 zugestellte Urteil hat der Angeklagte mit Telefax seines Verteidigers am 20.05.2011, eingegangen beim Landgericht Bonn am selben Tag, Revision eingelegt, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Revision mit weiterem anwaltlichen Telefax vom 23.05.2011, eingegangen beim Landgericht Bonn am selben Tag, mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet.
Mit Beschluss vom 07.06.2011 hat die 5. kleine Strafkammer des Landgerichts Bonn - 25 Ns-551 Js 581/09-51/11 - den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig verworfen. Der Beschluss wurde dem Verteidiger des Angeklagten am 10.06.2011 zugestellt. Ein Rechtsmittel hiergegen ist nicht eingelegt worden.
Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat die 5. kleine Strafkammer des Landgerichts Bonn - nach Hauptverhandlungsterminen am 01.07.2011 und 05.07.2011 - mit Urteil vom 05.07.2011 - 25 Ns 51/11 - das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 20.01.2011 im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15,00 Euro verurteilt wird. Zu dem Hauptverhandlungstermin am 05.07.2011 war der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer (mündlicher) Ladung am 01.07. 2011 und Hinweises auf die Folgen seines Nichterscheinens nicht erschienen, woraufhin auf Anordnung des Vorsitzenden die Hauptverhandlung gemäß § 231 Abs. 2 StPO ohne die Anwesenheit des Angeklagten fortgesetzt worden war.
Gegen dieses, am 13.07.2011 dem Verteidiger des Angeklagten zugestellte Berufungsurteil vom 05.07.2011 hat der Angeklagte mit anwaltlichem Telefax vom 06.07.2011, beim Landgericht Bonn eingegangen am selben Tag, Revision eingelegt und diese mit weiteren anwaltlichen Telefaxen vom 13.07.2011 und 18.07.2011, jeweils eingegangen beim Landgericht Bonn am selben Tag, mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet."
Zu dem Verwerfungsantrag der Generalstaatsanwaltschaft hat der Verteidiger mit weiteren Schriftsätzen vom 12.12.2011 und 13.12.2011 Stellung genommen.
II. Das Rechtsmittel des Angeklagten vom 06.07.2011 hat insofern (vorläufigen) Erfolg, als es gemäß §§ 353, 354 Abs. 2 StPO zur Aufhebung des Urteils der 5. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bonn vom 05.07.2011 und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts Bonn führt.
1. Die in zulässiger Form erhobene Verfahrensrüge, mit der die Revision einen Verstoß gegen §§ 231 Abs. 2, 230 Abs.1 StPO rügt, ist begründet; sie erfordert gemäß § 338 Nr. 5 StPO die Urteilsaufhebung. Mit der allein durch den Vorsitzenden der Strafkammer getroffenen Anordnung, die Hauptverhandlung vom 05.07.2011 ohne den Angeklagten fortzusetzen, ist gegen § 231 Abs. 2 StPO verstoßen worden.
a) Bleibt der Angeklagte bei der Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung aus, so kann diese nach § 231 Abs. 2 StPO in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden, wenn er über die Anklage schon vernommen war und das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet. Erforderlich ist danach eine Ermessensentscheidung ?des Gerichts". Hat der Vorsitzende eines Kollegialgerichtes die Fortführung der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten verfügt, kann nicht ohne weiteres in der schlichten weiteren Mitwirkung anderer Berufsrichter oder der Schöffen an der Hauptverhandlung eine stillschweigende Billigung dieser Entscheidung gesehen werden. Der Senat folgt insoweit der in der Kommentarliteratur vertretenen Ansicht, wonach dem Schweigen der Schöffen auf das Vorgehen des Vorsitzenden beim Übergang in die Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nicht die Bedeutung eines Votums zukommt, das nach einer Beratung des Kollegiums abzugeben wäre (vgl. KMR-Eschelbach, StPO, 46. EL April 2007, § 231 Rdnr. 26; SK-Schlüchter, StPO, Stand 2007, § 231 Rdnr. 43). Die abweichende Ansicht (vgl. Becker, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 231 Rdnr. 31), die in der Mitwirkung der anderen Richter in aller Regel die stillschweigende Billigung der kompetenzwidrigen Entscheidung des Vorsitzenden sieht, liefe auf eine reine Fiktion hinaus. In jedem Fall, in dem von Seiten der beisitzenden Richter und Schöffen nicht interveniert wird, hätte die Anordnung des Vorsitzenden als Entscheidung des Kollegialgerichts zu gelten, ohne dass gewährleistet ist, dass sich sämtliche Richter überhaupt ihrer Mitwirkungsmöglichkeit und des Charakters der Entscheidung als Ergebnis einer Ermessensausübung bewusst waren. Von daher ist der Ansicht zu folgen, die für eine Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten die entsprechende Entscheidung des Kollegialgerichts fordert, die zweckmäßig durch einen förmlichen Beschluss erfolgen und mit Blick auf die Bedeutung der Entscheidung, die einen absoluten Revisionsgrund eröffnen kann, auch begründet werden sollte.
b) Der Vorsitzende der 5. kleinen Strafkammer hat somit in der Berufungshauptverhandlung vom 05.07.2011 gegen § 231 Abs. 2 StPO verstoßen, indem er ausweislich des Protokolls angeordnet hat, dass die Verhandlung ohne die Anwesenheit des Angeklagten fortgesetzt wird, nachdem dieser trotz ordnungsgemäßer Ladung zum Fortsetzungstermin nicht erschienen war. Dadurch hat er kompetenzwidrig ohne Beteiligung der Schöffen allein entschieden. In der schlichten Mitwirkung der Schöffen an der weiteren Hauptverhandlung liegt aus den genannten Gründen keine stillschweigende Billigung der Verfügung des Vorsitzenden, so dass es an einer Ermessensentscheidung ?des Gerichts" im Sinne des § 231 Abs. 2 StPO fehlt.
c) Hat entgegen § 231 Abs. 2 StPO nicht das Gericht, sondern der Vorsitzende entschieden, begründet dies den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO. Es mangelt in diesem Fall an einer Ausnahmebestimmung zu § 230 Abs. 1 StPO, weshalb die Anforderungen von § 338 Nr. 5 StPO erfüllt sind (vgl. Eschelbach, a.a.O.; Schlüchter, a.a.O.).
2. Da bereits der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt und die sonstigen von dem Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen sowie die allgemeine Sachrüge keiner Entscheidung bedürfen, weist der Senat für die neue Hauptverhandlung auf Folgendes hin:
a) Mit den Erwägungen, die von der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 02.12.2011 dazu angestellt worden sind, dürfte davon auszugehen sein, dass die Staatsanwaltschaft ihre Berufung vom 21.01.2011 gegen das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 20.01.2011 mit der Berufungsbegründung vom 07.04.2011 auf das Strafmaß beschränkt hat. Bei der Auslegung der Erklärung ist nicht am Wortlaut zu haften. Es sind vielmehr unter Berücksichtigung aller Umstände der Sinn der Gesamterklärung, der ge-dankliche Zusammenhang und das Ziel des Rechtsmittels zu erforschen (BGH NJW 1956, 756; BGHSt 29, 359, 365 = NJW 1981, 589; SenE v. 15.05.2001 - Ss 149/01 -; SenE v. 06.07.2001 - Ss 270/01 B - = VRS 101, 218 [219]; SenE v. 18.01.2005 - 8 Ss 476/04 -). Auch Rechtsmittel, die von der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, sind der Auslegung nach den vorstehenden Grundsätzen zugänglich.
b) Die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung dürfte - wiederum entsprechend der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 02.12.2011 - keinen durchgreifenden Bedenken begegnen. Die Gründe des amtsgerichtlichen Urteils lassen den Unrechts- und Schuldgehalt hinreichend abgrenzbar erkennen und bieten eine ausreichende Grundlage für die Überprüfung der Rechtsfolgenentscheidung.
Entgegen den Ausführungen der Revision bleibt danach gerade nicht offen, wer im konkreten Fall überhaupt geschädigt worden sein soll; denn es wird festgestellt, der Vermögensschaden sei bei den betroffenen Apothekern eingetreten. Abgesehen davon dürfte der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht anders zu beurteilen, wenn - entsprechend einer Hilfserwägung des Amtsgerichts - davon auszugehen wäre, dass jedenfalls ein Gefährdungsschaden bei den Apothekern eingetreten ist oder dass die Krankenkassen Geschädigte waren; denn sie könnten gegenüber den Apothekern gleichwohl zur Zahlung verpflichtet sein, wenn diese bei der Aushändigung der Medikamente keine Sorgfaltspflicht verletzt hätten.
Ebenso wenig sollten Bedenken dahin bestehen, dass die konkrete Höhe des erstrebten Vermögensvorteils nicht festgestellt wurde. Das Amtsgericht ist zugunsten des Angeklagten ?von einem geringwertigen Betrag nach § 263 Abs. 4 in Verbindung mit § 248a StGB" ausgegangen. ..." (OLG Köln, Beschluss vom 20.01.2012 - 1 RVs 290/11)
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Ein eigenmächtiges Sich-Entfernen des Angeklagten liegt nicht vor, wenn das Gericht dem Angeklagten im Anschluss an eine Unterbrechung der Hauptverhandlung mitteilt, er brauche zu dem Fortsetzungstermin nicht zu erscheinen. Bleibt der Angeklagte aufgrund dieser Mitteilung im Fortsetzungstermin, in dem das Urteil verkündet wird, aus, darf nicht ohne den Angeklagten verhandelt werden. Wird dennoch das Urteil verkündet, greift der absolute Revisionsgrund nach § 338 Nr. 5 StPO ein (OLG Celle, Beschluss vom 17.05.2011 - 32 Ss 47/11).
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?.. I. Die für den Angeklagten M. angebrachte weitere Beschwerde seines Verteidigers, Rechtsanwalt P. in R., vom 29.03.2011 richtet sich gegen den Beschluss des Landgerichts Schwerin vom 10.03.2011 - 33 Qs 22/11 -, mit dem die Große Strafkammer 3 - als Jugendkammer - die Beschwerde des Angeklagten vom 14.02.2011 gegen den Hauptverhandlungshaftbefehl des Amtsgerichts Schwerin vom 02.11.2010 als unbegründet verworfen hat. Die Strafkammer hat mit Beschluss vom 01.04.2011 der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Die gemäß § 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO statthafte Beschwerde ist formgerecht erhoben (§ 306 StPO), mithin zulässig. Sie erweist sich jedoch als unbegründet.
1.) Dem Rechtsmittel liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
Am 19.02.2010 erhob die Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer und den Mitangeklagten Pa. Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung zum Amtsgericht Schwerin - Jugendrichter - (Bd. I Bl. 117 ff. d. A.). Die Anklageschrift wurde dem Beschwerdeführer unter der im Ermittlungsverfahren bekannt gewordenen Adresse Pl..er Str. xx in xxx Sch. am 25.03.2010 durch Einlegen des Schriftstücks in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt (Bd. I Bl. 122 d. A.).
Die Ladung zu dem für den 14.09.2010 anberaumten Hauptverhandlungstermin wurde dem Beschwerdeführer ebenfalls unter der vorbezeichneten Adresse zugestellt, und zwar am 27.08.2010 wiederum durch dieselbe Postbedienstete durch Einwurf in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten (Bd. I Bl. 148 d. A.).
Zu dem Termin erschien der Beschwerdeführer nicht. Der Mitangeklagte teilte dem Gericht mit, der Beschwerdeführer habe ihn darüber informiert, keine Ladung erhalten zu haben. Das Gericht ordnete daraufhin die Vorführung des Beschwerdeführers zum nächsten Termin am 02.11.2010 an (Bd. I Bl. 152 ff. d. A.). Am 14.09.2010 teilte die Jugendgerichtshilfe Schwerin eine neue Adresse des Beschwerdeführers in xxx A., A. E. xx, mit, woraufhin die zuständige Jugendrichterin am 20.09.2010 die Aufrechterhaltung des Vorführungsbefehls verfügte (Bd. I Bl. 155 d. A.). Die Vorführung des Beschwerdeführers unter der neuen Adresse in A. schlug fehl. Dort konnte lediglich dessen Mutter angetroffen werden, die mitteilte, dass sich ihr Sohn derzeit zu Ausbildungszwecken in M. befinde. Sie habe keinen Kontakt zu ihm, eine Adresse, Telefon-Nummer oder der Name der von ihm besuchten Berufsschule seien ihr nicht bekannt (Bd. I Bl. 165 d. A.). Der Hauptverhandlungstermin am 02.11.2010 wurde wegen Abwesenheit des Beschwerdeführers bereits nach 10 Minuten beendet (Bd. I Bl. 166 f. d. A.). Außerhalb des Hauptverhandlungsprotokolls verfügte die zuständige Jugendrichterin gesondert am selben Tag den Erlass eine Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO (Bd. I Bl. 168, 169 f. d. A.).
Der Haftbefehl konnte bisher nicht vollstreckt werden. Am 25.11.2010 konnte der Beschwerdeführer weder an der bis dahin bekannten Anschrift in Schwerin noch in A. angetroffen werden. Nach Auskunft des Vermieters habe der Beschwerdeführer die Wohnung in Sch. im August 2010 gekündigt und dabei die Adresse in A. als neue Wohnanschrift angegeben.
Mittlerweile hat die Verteidigung eine Bescheinigung des Meldeamtes Sch. vom 28.04.2011 beigebracht, derzufolge der Angeklagte mit Hauptwohnung bis zum 01.07.2010 in Sch., Pl..er Str. xx, in der Zeit vom 01.07.2010 bis zum 30.08.2010 in Sch., Gr. W.str. xx, und ab dem 30.08.2010 in A., A. E. xx gemeldet (gewesen) sei.
2.) Das Landgericht hat die Beschwerde gegen den Haftbefehl zu Recht als unbegründet verworfen. Der Erlass des Haftbefehls am 02.11.2010 war in der Sache gerechtfertigt.
a.) Voraussetzung dafür ist nach § 230 Abs. 2 StPO, dass das Ausbleiben des Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht genügend entschuldigt ist. Dazu ist zu prüfen, ob dem Angeklagten wegen seines Ausbleibens unter Abwägung aller Umstände des Falles billigerweise ein Vorwurf gemacht werden kann (Meyer-Goßner, StPO, 53. Auflage, § 230 Rn. 16 m. w. N.). Eines dringenden Tatverdachts bedarf es ebensowenig wie Haftgründen nach den §§ 112 ff. StPO, erforderlich ist lediglich die Notwendigkeit des Zwangsmittels zur Sicherung der Durchführung der Hauptverhandlung. Ferner ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (L/R-Becker, a. a. O., § 230 Rn. 32 f.).
b.) Eine ausreichende Entschuldigung des Beschwerdeführers für sein Ausbleiben in den Hauptverhandlungsterminen am 14.09. und 02.11.2011 ist nicht ersichtlich.
aa.) Ausweislich der Zustellungsurkunde vom 27.08.2010 war der Beschwerdeführer unter der Adresse Pl.er Straße x in xxx Sch. ordnungsgemäß zum Hauptverhandlungstermin am 14.09.2010 geladen worden.
Als öffentliche Urkunde begründet diese gemäß §§ 182 Abs. 2 Satz 1, 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. Die Beweiskraft erstreckt sich demzufolge auch darauf, dass der Postzusteller die Sendung am 27.08.2010 in einen zur Wohnung des Angeklagten gehörenden Briefkasten eingeworfen hat (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.01.2010 - 3 Ws 21/10 - zitiert nach juris; BVerfG, NJW 1992, 225; NJW-RR 2002, 1008). Auf Grund der Postzustellungsurkunde ist daher von einer ordnungsgemäßen Ladung des Angeklagten auszugehen.
Der Gegenbeweis ist zwar zulässig (§ 418 II ZPO). Hierzu ist indes der volle Beweis der Unrichtigkeit der Zustellungsurkunde erforderlich. Dieser kann nur dadurch geführt werden, dass ein Sachverhalt vorgetragen und bewiesen wird, der jede Möglichkeit der Richtigkeit der beurkundeten Tatsache ausschließt (OLG Frankfurt a. a. O.; OLG Hamm, Beschluss vom 06.10.2009 - 3 Ss 425/09 -, zitiert nach juris; BVerfG, a. a. O; BGH, NJW 2006, 150, 151; Meyer-Goßner, § 37 Rn 27 m. w. N.), indem z.B. bewiesen wird, dass die Zustellungsanschrift in Wirklichkeit nicht (mehr) Wohnung des Angeklagten im hier maßgeblichen Sinne (vgl. dazu KK-Maul, StPO, 6. Auflage, § 37 Rz. 12) zur Zeit der Zustellung gewesen ist.
bb.) Ein solcher Beweis ist hier nicht geführt. Es fehlt vorliegend bereits am substantiierten Antritt eines Gegenbeweises. Durch bloße Zweifel an der Richtigkeit der urkundlichen Feststellungen ist dieser noch nicht erbracht.
(1) Dem Beschwerdevorbringen war dazu, neben nicht näher begründeten Zweifeln an der ordnungsgemäßen Bewirkung der Zustellung, zunächst nur zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer bereits seit dem 01.06.2010 nicht mehr unter der Sch.er Adresse Pl.er Str. x wohnhaft gewesen sei. Bereits am 01.06.2010 habe er sich "anderweitig ordnungsgemäß wohnhaft gemeldet". Tatsächlich erfolgte nach Mitteilung des Vermieters die Kündigung der Wohnung in der Pl.er Str. jedoch erst zum Ende August 2010. Entgegen dem Beschwerdevorbringen hatte sich der Beschwerdeführer auch nicht schon am 01.06.2010, sondern erst am 30.08.2010 bei der zuständigen Ordnungsbehörde A. angemeldet.
Soweit mit Schriftsatz vom 29.04.2011 nunmehr eine Bescheinigung vorgelegt wird, wonach der Angeklagte nur bis zum 01.07.2010 unter der Anschrift Pl.er Str. x, Sch., mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen sei, hernach vom 01.07.2010 bis 30.08.2010 in der G. W.str. xx (nicht, wie noch mit Anwaltsschriftsatz vom 06.04.2011 mitgeteilt, G. W.str. x), Sch. (als "Zwischenadresse"), und danach in A., A. E. xx, ist damit ein Gegenbeweis ebenfalls nicht geführt. Denn eine meldepolizeiliche Adresse ist auch und gerade noch kein hinreichender Beleg, dass unter ihr auch Wohnung im maßgeblichen Sinne genommen worden ist (vgl. dazu KK-Maul a.a.O. § 37 Rz. 11, 12; Meyer-Goßner a.a.O. § 37 Rz. 8), was im Falle des Angeklagten und seinem angeblichen letzten Wohnsitz in A. auch mehr als deutlich zu Tage tritt.
(2) Im Hauptverhandlungstermin am 14.09.2010 hatte das Gericht darüber hinaus keine sicheren Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte an der Adresse, unter der die Zustellung bewirkt worden war, nicht mehr wohnhaft ist. Nach den Angaben des Mitangeklagten hatte der Beschwerdeführer jedenfalls Kenntnis vom Termin, lehnte es aber ab zu kommen, da er angeblich keine Ladung erhalten habe. Den o. g. Anforderungen an einen Gegenbeweis der beurkundeten Zustellung genügte dieses Vorbringen nicht.
c.) Eine Vorführung des Beschwerdeführers an der inzwischen als neuen Wohnanschrift bekannt gewordenen Adresse des Beschwerdeführers in A. konnte nicht realisiert werden. Einer nochmaligen Ladung vor der Vorführung bedarf es regelmäßig nicht (L/R-Becker, a. a. O., § 230 Rn. 28 m. w. N.). Vielmehr wurde bekannt, dass sich der Beschwerdeführer tatsächlich nicht an dieser Adresse, der Anschrift seiner Mutter, aufhält. Diese konnte keinerlei Angaben zum Verbleib ihres Sohnes machen und bestritt, mit diesem noch in Kontakt zu stehen.
Ob von einem Angeklagten in einem Strafverfahren erwartet werden kann, nach einem Umzug seine neue Adresse dem Gericht mitzuteilen, nachdem er bereits von der gegen ihn anberaumten Hauptverhandlung Kenntnis erlangt hat, mag dahinstehen. Vorwerfbar nach dem o. g. Maßstab ist jedenfalls die Mitteilung einer Adresse gegenüber der Ordnungsbehörde und der Jugendgerichtshilfe durch den Beschwerdeführer, an der er sich nicht aufhält und über die ihn offensichtlich auch keine Post bzw. sonstige Nachrichten erreichen.
d.) Soweit die Beschwerde das Unterlassen einer Einwohnermeldeamtsanfrage vor Erlass des Haftbefehls beanstandet, wird nicht ersichtlich, welche Erkenntnisse zum tatsächlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers dadurch hätten gewonnen werden können, die den Erlass eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO entbehrlich machen. Mittels einer solchen Anfrage wäre nach dem Hauptverhandlungstermin am 02.11.2010 allenfalls die neue Anschrift in A. bekannt geworden. Polizeiliche Ermittlungen vor Ort am frühen Morgen des 02.11.2010 hatten aber gerade ergeben, dass sich der Beschwerdeführer unter dieser Anschrift nicht aufhält, ohne das eine neue Adresse ermittelt werden konnte bzw. eine solche bisher mitgeteilt wurde.
3.) Gründe für eine Aufhebung des - bisher noch nicht vollstreckten - Haftbefehls sind nicht ersichtlich. Er ist weiterhin zur Sicherstellung der Durchführung der Hauptverhandlung erforderlich. Es kann nicht erwartet werden, dass der Angeklagte M. zu einem neu anzuberaumenden Hauptverhandlungstermin ohne weiteres erscheinen wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.12.2000 - BvR 1706/00 -, zitiert nach juris). Eine glaubhafte Erklärung in dieser Hinsicht haben weder der Angeklagte noch sein Verteidiger bisher abgegeben. Im Gegenteil lassen das bisherige Verhalten des Angeklagten und das stellenweise zumindest unvollständige und widersprüchliche Beschwerdevorbringen den Schluss zu, dass dieser gerade mittels seiner Unerreichbarkeit eine weitere Verzögerung des Hauptverfahrens anstrebt.
Angesichts der Schwere der Tatvorwürfe und der Bedeutung der Sache ist die Aufrechterhaltung des Haftbefehls auch nicht unverhältnismäßig. ..." (OLG Rostock, Beschluss vom 04.05.2011 - I Ws 101/11)
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Der Erlass eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO setzt bei einem dauerhaft im Ausland lebenden Angeklagten voraus, dass seine Ladung zum Termin nicht nur gemäß § 216 Abs. 1 S. 1 StPO die Warnung auf die Folgen seines unentschuldigten Ausbleibens enthielt, sondern darüber hinaus den eindeutigen Hinweis, dass die Vollstreckung der angedrohten Zwangsmaßnahmen ausschließlich im Geltungsbereich der Strafprozessordnung erfolgt (KG, Beschluss vom 10.11.2010 - 3 Ws 459/10 - 1 AR 1247/10 zu StPO §§ 230 Abs. 2, 216 Abs. 1).
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Ein Angeklagter kann die Unzulässigkeit seiner Entfernung aus der Hauptverhandlung auch dann mit der Verfahrensrüge geltend machen, wenn er oder sein Verteidiger sie in der Hauptverhandlung nicht beanstandet haben. Ein Angeklagter kann die Unzulässigkeit seiner Entfernung aus der Hauptverhandlung auch dann rügen, wenn er den Sitzungssaal freiwillig und ausdrücklich mit Billigung seines Verteidigers verlassen hat. Dies allein reicht zur Annahme einer Rügeverwirkung oder eines Rügeverzichts nicht aus (OLG Hamm, Beschluss vom 17.03.2009 - 2 Ss 94/09 zu StPO §§ 247, 337, 338 Nr. 5, 230).
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Das Anwesenheitsrecht und damit auch die Anwesenheitspflicht eines Angeklagten steht - abgesehen von in der StPO normierten Ausnahmen - nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten und ist demzufolge einer ?konsensualen Regelung' nicht zugänglich (OLG Hamm, Beschluss vom 20.03.2007 - 3 Ss 541/06).
Die Erteilung einer wirksamen Zustellungsvollmacht setzt voraus, daß die betreffende Person mit der Bevollmächtigung einverstanden ist und zur Entgegennahme von Zustellungen bereit ist. Die Zustellungsvollmacht ist aktenkundig zu machen. Fehlt es daran, fehlt es an einer ordnungsgemäßen Zustellung einer Ladung, so daß ein Sicherungshaftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO nicht ergehen darf (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.01.2007 - 1 Ws 274/06).
Der Haftbefehl nach den §§ 230 Abs. 2, 236 StPO erfüllt im Strafbefehlsverfahren nicht den Zweck, den Ungehorsam des Angeklagten zu ahnden. Vor Erlass des Haftbefehls ist daher zu prüfen, ob die Hauptverhandlung trotz Ausbleibens des Angeklagten ohne Einbußen bei der Wahrheitsfindung, der gerechten Beurteilung des Falles und der gebotenen Einwirkung des Verfahrensablaufs auf den Angeklagten durchgeführt werden kann. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der Erlass eines Haftbefehls unverhältnismäßig ( KG Berlin, Beschluss vom 01.03.2007 - 1 AR 272/07 - 4 Ws 26/07, 1 AR 272/07, 4 Ws 26/07, NJW 2007, 2345).
Der Erlaß eines Haftbefehls wegen unentschuldigten Fernbleibens von der Hauptverhandlung gegen einen der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten setzt voraus, daß die mit der Ladung verbundene Warnung in eine ihm verständliche Sprache übersetzt worden ist (OLG Bremen, Beschluss vom 28.04.2005 - Ws 15/05, StV 2005, 433).
Eine Zustellung eines Haftbefehls gem. § 230 Abs. 2 StPO im Ausland durch Einschreiben mit Rückschein (§§ 37 Abs. 1 StPO, 183 ZPO) ist nur wirksam, wenn der unterschriebene Rückschein zu den Gerichtsakten gelangt. Eine Ersatzzustellung durch Niederlegung genügt nicht (OLG Oldenburg, Beschluss vom 21.02.2005 - 1 Ws 73/05, StV 2005, 432).
Auch ein nach § 230 Abs. 2 StPO erlassener Haftbefehl kann in entsprechender Anwendung von § 116 StPO außer Vollzug gesetzt werden. Die Außervollzugsetzung des Haftbefehls unter Verzicht auf die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen ist aber gesetzwidrig und muß zur Aufhebung des Haftbefehls führen, wenn solche Maßnahmen nicht erforderlich sind (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 11.03.2004, StV 2005, 432 f).
Erscheint ein schuldhaft verspäteter Angeklagter noch vor dem Ende der Hauptverhandlung und ist bis zu diesem Zeitpunkt ein Haftbefehl nicht erlassen worden, kann der erkennbar anwesende Angeklagte nunmehr nicht mehr als ausgeblieben behandelt und gegen ihn ein Haftbefehl nach § 230 StPO erlassen werden (KG StV 2002, 607 f).
Ein nach § 230 Abs. 2 StPO erlassener Haftbefehl ist aufzuheben, wenn nach anwaltlicher Beratung der Angeklagte freiwillig bei Gericht erschienen ist und erklärt hat, daß er zur nächsten Hauptverhandlung kommen werde (OLG Düsseldorf StV 2001, 331 f).
Gegen einen Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO bleibt die weitere Beschwerde zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit zulässig, auch wenn sich die Haftanordnung nach Einlegung des Rechtsmittels durch Freilassung des Angeklagten erledigt hat. Der Erlass eines Haftbefehls ist unverhältnismäßig, wenn eine Vorführungsanordnung ausreicht (OLG Düsseldorf StV 2001, 332).
Erklärt der Verteidiger dem Angeklagten, der Berufungshauptverhandlungstermin sei aufgehoben worden, so darf der Angeklagte auf die Auskunft grundsätzlich vertrauen (OLG Hamm NStZ-RR 1997, 208).
§ 411 Abs. 2 StPO läßt das Recht des Angeklagten unberührt, an einer gegen ihn anberaumten Hauptverhandlung persönlich teilzunehmen. Hat er seinen Willen, dieses Recht auszuüben, durch ausdrückliche Erklärung oder schlüssiges Verhalten zum Ausdruck gebracht, darf im Falle seines nicht eigenmächtigen Fernbleibens die Hauptverhandlung auch dann nicht durchgeführt werden, wenn er durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten wird (OLG Karlsruhe StV 1986, 289).
Auch gegen einen betrunkenen Angeklagten hat der Vorführungsbefehl Vorrang vor einem Haftbefehl (OLG Zweibrücken NJW 1996, 737).
*** (LG)
Der Erlass eines Haftbefehls gegen einen dauerhaft im Ausland wohnhaften Angeklagten kommt grundsätzlich nicht in Betracht, weil die dafür erforderliche ordnungsgemäße Ladung gemäß § 216 StPO eine Androhung von Zwangsmitteln voraussetzt, die nach allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts auf dem Gebiet eines fremden Staates unzulässig ist. Dass die Zustellung nicht am Wohnsitz des im Ausland wohnhaften Angeklagten erfolgt ist, sondern an den zum Empfang von Ladungen ausdrücklich bevollmächtigten Verteidiger, führt zu keiner anderen Bewertung (LG Saarbrücken, Beschluss vom 19.07.2010 - 2 Qs 22/10 zu StPO §§ 230 Abs. 2, 216 Abs. 1, 145a Abs. 2).
***
Auch der in der Hauptverhandlung erlassene Haftbefehl ist zu begründen (LG Zweibrücken, Beschluss vom 02.03.2009 - Qs 20/09, NJW 2009, 1828 f):
?... Mit Verfügung vom 30. 12. 2008 bestimmte der Vorsitzende des SchöffenGer. des AG P. Termin zu Hauptverhandlung auf Donnerstag, den 26. 2. 2009, 9 Uhr, Saal 27 und lud den Angekl. mit Postzustellungsurkunde zu diesem Termin. Ausweislich der Postzustellungsurkunde wurde die Ladung niedergelegt, da die Einlegung in einen Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung nicht möglich war. Mit Schriftsatz vom 23. 2. 2009 teilte der Verteidiger des Angekl. mit, dass der Angekl. am Hauptverhandlungstermin nicht teilnehmen könne. Die Ladung sei dem Angekl. nicht zugegangen. Er habe auch keine Kenntnis von dem Termin. Im Hinblick hierauf hat der Verteidiger angeregt, das Verfahren auf den 3. 3. 2009 zu vertagen.
In dem Termin vom 26. 2. 2009 erschien der Angekl. nicht. Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls wurde zunächst die sofortige Vorführung des Angekl. angeordnet. Nachdem dieser an seiner Meldeadresse nicht angetroffen werden konnte, verkündete der Vorsitzende nach Beratung des Gerichts - gegen den Angekl. einen Haftbefehl gem. § 230 II StPO. Inhaltlich nimmt der Haftbefehl lediglich Bezug auf § 230 II StPO und führt im Übrigen die dem Angekl. zur Last gelegten Taten - nebst anzuwendenden Strafvorschriften - auf. Die Beschwerde des Angekl. führte zur Aufhebung des Haftbefehls. ...
II. Der im Hauptverhandlungstermin am 26. 2. 2009 verkündete, angefochtene Beschluss ist aufzuheben, weil er den Anforderungen der §§ 230, 114 II Nr. 2 StPO nicht genügt.
§§ 114ff. StPO sind unmittelbar auch auf Haftbefehle nach § 230 II StPO anzuwenden. Es müssen also Angaben zu der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat (Sachverhalt und Strafvorschriften), dem Ausbleiben bei der Hauptverhandlung, der fehlenden oder ungenügenden Entschuldigung und gegebenenfalls der Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes enthalten sein (vgl. BeckOK-StPO, Stand: 2008, § 230 Rdnr. 17). Der Haftbefehl muss eine aus sich selbst heraus verständliche, sichere Grundlage für das durch ihn ausgelöste weitere Verfahren und die dort zu treffenden Haftentscheidungen bilden. Formal muss daher der schriftliche Haftbefehl die Anordnung der Haft nach § 230 II StPO enthalten und den Grund des Ausbleibens ohne genügende Entschuldigung trotz ordnungsgemäßer Ladung dafür bezeichnen, damit eine Überprüfung der Haftanordnung erfolgen kann (Eschelbach, in: Kleinknecht/Müller/Reitberger, StPO, Stand: Apr. 2007, § 230 Rdnr. 45).
Diesen Anforderungen genügt der Haftbefehl vom 26. 2. 2009 nicht. Allein der Umstand, dass ?Untersuchungshaft gem. § 230 II StPO angeordnet wird", gibt keine Tatsachen wieder, aus denen sich der Haftgrund ergibt. Die bloße Angabe der gesetzlichen Vorschrift ermöglicht nämlich dem Angekl. nicht, sich gezielt gegen das Haftargument zu verteidigen. Zwar kann dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 26. 2. 2009 entnommen werden, dass sich das Gericht mit den dem Haftbefehl zu Grunde liegenden Tatsachen befasst hat (ordnungsgemäße Ladung, Verhältnismäßigkeit des Hauptverhandlungshaftbefehls); dies genügt allerdings nicht. Diese Umstände müssen dem Haftbefehl selbst entnommen werden können.
Fehlt die Angabe der Tatsachen, aus denen sich der Haftgrund ergibt, ist der Haftbefehl aufzuheben. Eine Behebung solcher - nicht nur unerheblicher - Mängel durch das BeschwGer. kommt in einem solchen Fall nicht in Betracht (vgl. Hermann, Untersuchungshaft, ZAP, 2008, Rdnr. 495, unter Hinw. auf OLG Oldenburg bei Paeffgen, NStZ 2007, 79 [82]; OLG Celle, StV 1998, 385).
Sollte der Angekl. zum Hauptverhandlungstermin vom 3. 3. 2009 nicht erscheinen, bleibt es dem AG P. unbenommen, einen Hauptverhandlungshaftbefehl unter Angabe der die Haftanordnung rechtfertigenden Haftumstände zu erlassen. ..."
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?... Mit Verfügung vom 16. Februar 2006 bestimmte das Amtsgericht Marburg in dem Verfahren 55 Ds 5 Js 16892/04 - unter gleichzeitiger Verbindung mit den Verfahren 4 Js 15949/05 und 3 Js 16509/05 - Termin zur Hauptverhandlung auf den 06. März 2006, 10.00 Uhr. Die Ladung wurde dem Angeklagten ausweislich der auf Blatt 161 Bd. XXVI d.A. befindlichen Postzustellungsurkunde am 21. Februar 2006 unter der Anschrift Sarnauer Straße 9 in 35094 Lahntal zugestellt, nachdem zuvor eine Zustellung unter der vom Angeklagten angegeben Adresse in der Rosenheimer Straße 16 in 83080 Oberaudorf fehlgeschlagen war. Mit Schreiben vom 24. Februar 2006 teilte Frau Ingrid Speck mit, dass der Angeklagte seit 1999 nicht mehr in der Sarnauer Straße 9, 35094 Lahntal, wohne.
In dem Hauptverhandlungstermin am 06. März 2006 erschien der Angeklagte nicht. Mit Beschluss vom gleichen Tage erließ daraufhin das Amtsgericht Marburg in dem Verfahren Haftbefehl gemäß § 230 Abs.2 StPO gegen den Angeklagten.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Marburg vom 13. April 2006 hob das Amtsgericht Marburg den Haftbefehl vom 06. März 2006 auf. Mit Schreiben vom 25. April 2006 hat der Angeklagte Beschwerde gegen den Haftbefehl vom 06. März 2006 erhoben. Zur Begründung hat er im wesentlichen ausgeführt, dass das im Haftbefehl genannte Aktenzeichen falsch sei, da nur das Verfahren 55 Ds 5 Js 16892/04 angeführt sei, obwohl es sich um insgesamt drei Verfahren gehandelt habe. Zudem sei er zu dem Termin nicht ordnungsgemäß geladen worden, eine förmliche Zustellung der Ladung an ihn sei nicht erfolgt. Schließlich verstoße der Erlass des Haftbefehls gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 117 Abs.2, 304 Abs.1 StPO zulässig und begründet. Der Erlass des Haftbefehls vom 06. März 2006 war rechtswidrig.
Die Beschwerde, die als Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Haftbefehls vom 06. März 2006 auszulegen ist, ist zulässig. Zwar ist der Haftbefehl mit Beschluss des Amtsgerichts Marburg vom 13. April 2006 aufgehoben worden, so dass die Beschwerde an sich mangels Beschwer unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bleibt die Beschwerde nach Art 19 Abs.4 GG aber in Fällen tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriffe, wenn sich die belastende Maßnahme nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung im Beschwerdeverfahren kaum erlangen kann, zulässig. Dies ist auch bei einem Haftbefehl nach § 230 Abs.2 StPO der Fall (Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., vor § 296 RN. 18 a).
Die Beschwerde ist auch begründet. Der Erlass des Haftbefehls gemäß § 230 Abs.2 StPO war rechtswidrig. Haftbefehl nach § 230 Abs.2 StPO kann erlassen werden, wenn der Angeklagte nicht zur Hauptverhandlung erscheint und sein Ausbleiben nicht genügend entschuldigt ist. Das war vorliegend nicht der Fall.
Der Angeklagte ist im Hauptverhandlungstermin am 06. März 2006 ausweislich des Sitzungsprotokolls nicht erschienen. Das Nichterscheinen war jedoch entschuldigt. Nicht entschuldigt ist der Angeklagte, wenn weder er selbst noch ein anderer für ihn eine genügende Entschuldigung vorgebracht hat und auch sonst keine Entschuldigungsgründe bekannt geworden sind (Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 230 RN. 16). Entschuldigt ist der Angeklagte insbesondere, wenn er nicht ordnungsgemäß nach § 216 Abs.1 StPO geladen worden ist. Der auf freiem Fuß befindliche Angeklagte ist durch förmliche Zustellung zu laden (Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 216 RN. 2). Gemäß § 37 Abs.1 StPO gelten §§ 166 - 195 ZPO entsprechend. Laut Postzustellungsurkunde wurde die Ladung im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegung in den zur Wohnung Sarnauer Straße 9, 35094 Lahntal, gehörenden Briefkasten bewirkt. Die Zustellung war jedoch nicht wirksam, denn Wohnung in diesem Sinne ist ohne Rücksicht auf den Wohnsitz oder die po!izeiliche Anmeldung die Räumlichkeit, die der Adressat zur Zeit der Zustellung tatsächlich für eine gewisse Dauer zum Wohnen benutzt (Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 37 RN. 9). Zu Gunsten des Angeklagten muss aber vorliegend davon ausgegangen werden, dass er im Zeitpunkt der Zustellung nicht unter der Anschrift Sarnauer Straße 9, 35094 Lahntal gewohnt hat. Denn aus der Akte und den sonstigen Umständen ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte seine ständige Wohnung, wie auch seine Ehefrau bestätigt hat, nicht mehr dort hatte. Eine ordnungsgemäße Zustellung der Ladung im Sinne des § 216 Abs.1 StPO ist daher nicht erfolgt, so dass das Ausbleiben des Angeklagten genügend entschuldigt war. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls nach § 230 Abs.2 StPO lagen daher nicht vor, vielmehr hätte ein Haftbefehl nach § 112 Abs.1, Abs.2 Nr.1 StPO ergehen müssen. ..." (LG Marburg, Beschluss vom 19.03.2006 - 4 Qs 57/06).
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Die Ungehorsamshaft nach § 230 Abs. 2 StPO, die allein den Zweck hat, die Durchführung der Hauptverhandlung zu sichern, steht unter dem besonderen Gebot des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit der Folge, dass eine Verletzung des Beschleunigungsgebots zur Aufhebung des Haftbefehls führen muß (LG Saarbrücken StV 2001, 344 f).
Siehe auch unter ?Pflicht des Angeklagten zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung" und ?Strafbefehlsantrag nach Eröffnung der Hauptverhandlung"..
Ausbleiben des Angeklagten in der Berufungsverhandlung § 329 StPO
(1) Ist bei Beginn einer Hauptverhandlung weder der Angeklagte noch in den Fällen, in denen dies zulässig ist, ein Vertreter des Angeklagten erschienen und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt, so hat das Gericht eine Berufung des Angeklagten ohne Verhandlung zur Sache zu verwerfen. Dies gilt nicht, wenn das Berufungsgericht erneut verhandelt, nachdem die Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen worden ist. Ist die Verurteilung wegen einzelner von mehreren Taten weggefallen, so ist bei der Verwerfung der Berufung der Inhalt des aufrechterhaltenen Urteils klarzustellen; die erkannten Strafen können vom Berufungsgericht auf eine neue Gesamtstrafe zurückgeführt werden.
(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 kann auf eine Berufung der Staatsanwaltschaft auch ohne den Angeklagten verhandelt werden. Eine Berufung der Staatsanwaltschaft kann in diesen Fällen auch ohne Zustimmung des Angeklagten zurückgenommen werden, es sei denn, daß die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 2 vorliegen.
(3) Der Angeklagte kann binnen einer Woche nach der Zustellung des Urteils die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den in den §§ 44 und 45 bezeichneten Voraussetzungen beanspruchen.
(4) Sofern nicht nach Absatz 1 oder 2 verfahren wird, ist die Vorführung oder Verhaftung des Angeklagten anzuordnen. Hiervon ist abzusehen, wenn zu erwarten ist, daß er in der neu anzuberaumenden Hauptverhandlung ohne Zwangsmaßnahmen erscheinen wird.
Leitsätze/Entscheidungen:
Eine Sicherungsmaßnahme gegen den in der Berufungshauptverhandlung ausbleibenden Angeklagten gem. § 329 Abs. 4 S. 1 StPO darf nur dann angeordnet werden, sofern die Berufung des Angeklagten nicht ohne Verhandlung zur Sache zu verwerfen ist und/oder auf die Berufung der StA nicht ohne den Angeklagten verhandelt werden kann. Eine Verhaftung ist deshalb mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht mehr zu vereinbaren, wenn in der nächsten Hauptverhandlung auch bei unentschuldigtem Fernbleiben des Angeklagten ein Urteil nach Maßgabe des § 329 Abs. 1 u. 2 StPO ergehen könnte oder wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände die Erwartung gerechtfertigt wäre, daß der Angeklagte zu dem Termin erscheinen wird (BVerfG, Beschluss vom 18.12.2000 - 2 BvR 1706/00, StV 2001, 321 f).
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Die Revision gegen ein Berufungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO ist zulässig, auch wenn sie nur eine Sachrüge enthält, mit der behauptet wird, das Amtsgericht habe ein Verfahrenshindernis nicht beachtet, das bereits bei der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils vorgelegen habe (Bestätigung von BGHSt 21, 242; BGH, Beschluss vom 13.12.2000 - 2 StR 56/00, StV 2001, 326 ff).
*** (OLG)
Der Angeklagte und nicht das Gericht bestimmt die Person des Wahlverteidigers. Diesem Umstand ist bei der Entscheidung über einen Terminsverlegungsantrag wegen anderweitiger Verhinderung Rechnung zu tragen (OLG Koblenz, Beschluss vom 27.07.2009 - 1 Ss 102/09 zu StPO §§ 228 Abs. 2, 329, 412):
?... I. Die Revision des Angekl. richtet sich gegen das Urteil des LG Koblenz v. 27. 11. 2008, mit dem seine Berufung gegen das gem. § 412 StPO ergangene Verwerfungsurteil des AG Mayen v. 09. 04. 2008 als unbegründet verworfen wurde. ...
Mit Strafbefehl des AG v. 22. 02. 2008 wird dem Angekl. zur Last gelegt, am 29. 10. 2007 durch die fahrlässige Verursachung eines Verkehrsunfalls drei Menschen teils schwer verletzt zu haben. ...
Bereits am 07. 11. 2007 hatte der Angekl. RA Dr. F. mit seiner Verteidigung beauftragt. Der Verteidiger gehört zwar einer Kanzlei mit zahlreichen Rechtsanwälten an; die Vollmacht ist jedoch auf ihn allein beschränkt. Mit Schriftsatz v. 08. 01. 2008 an die StA hatte er die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO beantragt.
Nachdem der Angekl. gegen den Strafbefehl form- und fristgerecht Einspruch eingelegt hatte, bestimmte das AG - ohne vorherige Kontaktaufnahme mit dem Verteidiger - Hauptverhandlungstermin auf den 09. 04. 2008, 11:30 Uhr.
Die dem Angekl. ordnungsgemäß zugestellte Ladung ging dem Verteidiger an 18. 03. 2008 zu. Dieser teilte mit Faxschreiben v. 19. 03. 2008 mit, er habe am 09. 04. 2008 einen schon seit längerem anberaumten Gerichtstermin bei dem AG H. wahrzunehmen; der Gerichtstermin ?ist daher aufzuheben'. Diese Eingabe blieb beim AG mehr als zwei Wochen unbearbeitet liegen.
Die zuständige Richterin reagierte erst mit Schreiben v. 07. 04. 2008 an den Verteidiger
?... bleibt der Hauptverhandlungstermin vorläufig bestehen.
a) Sie sind eine Anwaltskanzlei mit 23 Anwälten, sodaß ich davon ausgehe, daß einer der Kollegen sicherlich den Termin wahrnehmen kann, insbes. da es sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt handelt.
b) Es muß festgestellt werden, daß bisher in jedem Verfahren, das beim AG - Strafrichter/Jugendrichter - in Mayen anhängig war, von Ihnen ein Antrag auf Aufhebung des anberaumten Termins gestellt wurde.'
Mit Schreiben v. 08. 04. 2008 wies RA F. darauf hin, daß er alleiniger Verteidiger sei und sich nicht teilen könne; die Behauptung, bisher seien in jedem Verfahren Verlegungsanträge gestellt worden, sei unrichtig; tatsächlich gestellte Anträge seien immer sachlich begründet gewesen. Zugleich lehnte er namens seines Mandanten die Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
Obwohl beim AG Mayen bekannt sein mußte, daß RA Dr. F. entweder beim AG H. bzw. auf dem Weg dorthin oder auf dem Weg nach Mayen ist, wurde die dienstliche Erklärung der abgelehnten Richterin am 09. 04. 2008 um 10:27 Uhr mit einer Frist zur Stellungnahme bis 11:15 Uhr per Fax in die Kanzlei des - dort nicht anwesenden - Verteidigers übermittelt. Nach Fristablauf wurde das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen.
Zu Beginn der Hauptverhandlung um 11:32 Uhr waren weder der Angekl. noch sein Verteidiger anwesend. Daraufhin wurde der Einspruch gem. § 412 StPO verworfen.
Gegen die Verwerfung legte der Angekl. ?Rechtsmittel' ein und beantragte außerdem Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er trug u.a. vor, sein Verteidiger habe bereits vor Zugang der Ladung durch das AG Mayen mit einem Richter vom AG H. mehrere Hauptverhandlungstermine für den 09. 04. 2008 von 10:00 Uhr bis 11:30 Uhr abgesprochen gehabt und diese auch wahrgenommen. Er - der Angekl. - sei von seinem Verteidiger dahingehend informiert worden, daß er zum Termin vor dem AG Mayen nicht erscheinen müsse.
Obwohl überhaupt noch keine Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ergangen war - die Entscheidung des AG erging am 02. 02. 2009, die ebenfalls für den Angekl. negative Beschwerdeentscheidung am 16. 04. 2009 -, bestimmte die Vors. der BerufungsK entgegen § 315 Abs. 2 S. 2 StPO Hauptverhandlungstermin auf den 27. 11. 2008. Mit Urteil v. selben Tage wurde die Berufung als unbegründet verworfen. In den schriftlichen Urteilsgründen heißt es:
Der Angekl. ist der Auffassung, sein Fernbleiben in der Hauptverhandlung I. Instanz sei entschuldigt. Sein Verteidiger habe ihm - was dieser im übrigen bestätigt hat - seinerzeit erklärt, er brauche der gerichtlichen Ladung keine Folge leisten, weil das AG verpflichtet sei, den Termin zu verlegen. Auf diese Auskunft habe er vertraut und auch vertrauen dürfen, wenngleich ihm durchaus bekannt gewesen sei, daß der Verlegungsantrag abgelehnt worden sei.
Zu Recht hat das AG den Einspruch gem. § 412 S. 1 StPO verworfen, weil der Angekl. ohne Entschuldigung der Hauptverhandlung ferngeblieben ist. Dem Angekl. ist der Vorwurf der schuldhaften Pflichtverletzung zu machen.
Er durfte nämlich nicht der - fehlerhaften - Auskunft seines Verteidigers vertrauen, sondern wäre vielmehr gehalten gewesen, der gerichtlichen Ladung Folge zu leisten bzw. sich bei dem Gericht danach zu erkundigen, ob die Hauptverhandlung stattfindet und er erscheinen muß. Dies gilt umso mehr, als er wußte, daß das Gericht den Verlegungsantrag abgelehnt und er auch keine Abladung erhalten hatte (vgl. Meyer-Goßner, Kommentar zur StPO, 51. Aufl., § 315 Rn. 29 m.w.N.).'
II. Die hiergegen gerichtete Revision des Angekl. hat Erfolg und die Aufhebung beider bisher ergangener Urteile zur Folge.
1. Der Begriff ?genügende Entschuldigung' darf nicht eng ausgelegt werden. § 329 Abs. 1 S. 1 StPO, der im Strafbefehlsverfahren entsprechend anzuwenden ist (§ 412 S. 1 StPO) enthält eine Ausnahme von der Regelung, daß ohne den Angekl. nicht verhandelt werden darf, und birgt die Gefahr eines sachlich unrichtigen Urteils in sich. Deshalb ist bei der Prüfung der vorgebrachten oder vorliegenden Entschuldigungsgründe eine weite Auslegung zugunsten des Angekl. angebracht. Eine Entschuldigung ist dann genügend, wenn die im Einzelfall abzuwägenden Belange des Angekl. einerseits und seine öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung andererseits den Entschuldigungsgrund als triftig erscheinen lassen, d.h. wenn dem Angekl. unter den gegebenen Umständen ein Erscheinen billigerweise nicht zumutbar war und ihm infolgedessen wegen seines Fernbleibens auch nicht der Vorwurf schuldhafter Pflichtverletzung gemacht werden kann.
Ebenso wie die Berufungsverwerfung nach § 329 Abs. 1 S. 1 StPO dient die Einspruchsverwerfung nach § 412 StPO der Beschleunigung des Verfahrens. Es soll verhindert werden, daß ein Angekl. allein durch sein Ausbleiben die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts hinauszögern kann (KK-Ruß, StPO, 6. Aufl., § 329 Rn. 1 m.w.N.). Das Gesetz nimmt im Interesse der erstrebten Beschleunigung des Verfahrens die Möglichkeit in Kauf, daß ein sachlich unrichtiges Urteil bzw. ein sachlich unrichtiger Strafbefehl nur wegen des nicht genügend entschuldigten Ausbleibens des Angekl. rechtskräftig wird. Die beiden sich widerstreitenden Grundsätze, einerseits das Bedürfnis nach Verfahrensbeschleunigung, andererseits aber das Streben nach einer möglichst gerechten Entscheidung, sind bei der Auslegung im Einzelfall zu beachten und zueinander ins rechte Verhältnis zu setzen.
2. Im konkreten Fall ist, was das Berufungsgericht übersehen hat, zu beachten, daß die Hauptverhandlung vor dem AG überhaupt nicht hätte stattfinden dürfen, weil die Ablehnung des Terminsverlegungsantrags willkürlich gewesen war. Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls war dem Angekl. ein Erscheinen im Termin ohne Verteidiger auch in Kenntnis der Ablehnung des Terminsverlegungsantrags unzumutbar.
a) Vorab ist auf die Selbstverständlichkeit hinzuweisen, daß sich das Verfahren gegen den Angekl. und nicht gegen seinen Verteidiger richtet. Ob sich RA Dr. F. in der Vergangenheit - zu Recht oder zu Unrecht - durch Terminsverlegungsanträge, forsche Formulierungen in Schriftsätzen (?ist daher aufzuheben') oder durch was auch immer den Unmut des Gerichts zugezogen hat, ist somit völlig unerheblich und muß von einem Gericht bei seiner Entscheidung gänzlich ausgeblendet werden. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, daß dann, wenn es in der Vergangenheit tatsächlich zu einer Häufung von Terminsverlegungsanträgen gekommen sein sollte, dem durch Terminsabsprachen entgegengewirkt hätte werden können.
b) Nach § 137 Abs. 1 S. 2 StPO kann sich der Besch. (Angekl.) in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers seiner Wahl bedienen, und zwar unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 140 StPO vorliegen (BayObLG StV 1995, 10; OLG Frankfurt StV 1998, 13). Dieses aus der Verfassung abgeleitete Recht sichert seinen Anspruch auf ein faires Verfahren (BVerfG NJW 1984, 2403 m.w.N.). Zwar bestimmt § 228 Abs. 2 StPO für den Fall der nicht notwendigen Verteidigung, daß die Verhinderung des Verteidigers dem Angekl. keinen Anspruch auf Aussetzung der Hauptverhandlung gibt. Rechtsstaatliche Prinzipien setzen der Anwendbarkeit dieser Vorschrift jedoch Grenzen (BVerfG a.a.O.).
c) Dieses Recht des Angekl. hat das AG bei seiner Entscheidung über den Terminsverlegungsantrag willkürlich mißachtet; sachliche Gründe für eine Ablehnung enthält das Schreiben v. 07. 04. 2008 nicht.
(1) Der Angekl. und nicht das Gericht bestimmt die Person des Wahlverteidigers. Es ist deshalb völlig unerheblich, wie viele Rechtsanwälte in derselben Kanzlei tätig sind wie der Verteidiger. RA Dr. F. war und ist ausweislich der in den Akten befindlichen Vollmacht der einzige Verteidiger des Angekl. und hatte ihn von Anfang an vertreten.
(2) Im konkreten Fall kommt noch hinzu, daß das AG sich mehr als zwei Wochen Zeit gelassen hatte, um dann erst unmittelbar vor dem Termin auf einen rechtzeitig gestellten Terminsverlegungsantrag zu reagieren. Bei einer Ablehnung in der 8. Kalenderwoche wäre es RA Dr. F. eventuell noch möglich gewesen, beim AG H. unter Hinweis auf die Unnachgiebigkeit der Richterin in Mayen um eine Terminsverlegung zu bitten. Am 07. oder 08. 04. 2008 war er dazu nicht mehr gehalten. Auf der anderen Seite war es dem Angekl. nicht zuzumuten, unmittelbar vor der Hauptverhandlung einen anderen, mit der Sache nicht vertrauten RA mit seiner Verteidigung zu beauftragen.
(3) Ein einfach gelagerter Sachverhalt lag bereits deshalb nicht vor, weil es bisher keinerlei Ermittlungen zur Unfallursache gegeben hat. Die Behauptung im Strafbefehl, der Unfall sei für den Angekl. ?vorhersehbar und bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt vermeidbar' gewesen, ist durch keine einzige Tatsache untermauert.
d) Ob dem Angekl. auch vor dem Hintergrund der Richterablehnung, auch wenn er von dem übereilt und prozessual zumindest fragwürdig abgewickelten Zwischenverfahren keine Kenntnis haben konnte, ein Erscheinen vor Gericht ohne Anwalt des Vertrauen unzumutbar war (s. dazu OLG Hamm, StV 1996, 11), kann hier dahinstehen. ..."
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Auf ein etwaiges späteres Erscheinen eines mit einer völlig unzureichenden Entschuldigung der Verhandlung ferngebliebenen Angeklagten muss das Berufungsgericht grundsätzlich nicht warten. Jedenfalls wenn nicht ersichtlich ist, dass der Angeklagte unterwegs zum Gericht ist, besteht auch kein Anlass für einen gerichtlichen Hinweis an den erschienenen Verteidiger, wie im Falle eines verspäteten Erscheinens des Angeklagten verfahren werde (OLG Oldenburg, Urteil vom 26.01.2009 - Ss 472/08, NJW 2009, 1762 f).
Wird mit der Revision gegen ein gem. § 329 I StPO ergangenes Verwerfungsurteil geltend gemacht, dieses gehe zu Unrecht davon aus, dass ein Angeklagter nicht genügend entschuldigt gewesen sei, setzt die Überprüfung die Erhebung einer der Vorschrift des § 344 II 2 StPO genügenden Verfahrensrüge voraus. Es kommt für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 329 I StPO nicht darauf an, dass sich der Angeklagte selbst entschuldigt hat. Das Berufungsgericht muss deshalb von Amts wegen prüfen, ob Umstände ersichtlich sind, die das Ausbleiben des Angeklagten genügend entschuldigen. Bei der Vorlage eines privatärztlichen Attests über die Arbeitsunfähigkeit des Angeklagten kann danach zu den erforderlichen Ermittlungen die fernmündliche Erkundigung beim ausstellenden Arzt über die näheren Umstände des die Arbeitsunfähigkeit begründenden Krankheitsbilds gehören. Die Voraussetzungen hierfür liegen mit der Vorlage des Attests durch den Angeklagten regelmäßig vor, weil der ausstellende Arzt damit konkludent von seiner Schweigepflicht entbunden wird (OLG Nürnberg, Beschluss vom 19.01.2009 - 2 St OLG Ss 259/08, NJW 2009, 1761 f).
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Die im Rahmen einer gegen ein nach § 329 Abs. 1 S. 1 StPO ergangenes Urteil gerichteten Revision erhobene Rüge, das Gericht habe ohne weitere Nachforschungen ein ärztliches Attest über die Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten als nicht ausreichende Entschuldigung angesehen und damit seine Aufklärungspflicht verletzt, genügt nur dann den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO, wenn mitgeteilt wird, was das Ergebnis der unterbliebenen Nachforschung gewesen wäre (im Anschluss an BayObLGSt 1996, 90/93 und OLG Zweibrücken v. 24.11.2000, Az. 1 Ss 165/00; OLG München, Urteil vom 18.11.2008 - 4 St RR 100/08).
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?... Das Amtsgericht Gießen hat den Angeklagten mit Urteil vom 2. März 2006 wegen dreifachen gewerbsmäßigen Diebstahls und Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt. Gegen diese Entscheidung legten der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Zu der auf den 28. August 2006 anberaumten Berufungshauptverhandlung wurde der Angeklagte am 7.9. April 2006 in der JVA Gießen geladen. Am selben Tag wurde er aus der Untersuchungshaft entlassen nach Berchem in Belgien, Ferdinand-Cosemannstr.88. Bereits am 22. März 2006 war gegen den Angeklagten ein Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ergangen, mit dem er unter Abschiebungsandrohung aufgefordert wurde, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Am 27. April 2006 nahm die Staatsanwaltschaft ihre Berufung zurück. Am 15. August 2006 teilte der Verteidiger dem Landgericht mit, der Angeklagte habe nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft die Bundesrepublik Deutschland umgehend verlassen. Er wies zugleich darauf hin, dass das Gericht bei den zuständigen Behörden dafür zu sorgen habe, dass dem Angeklagten die Einreise gestattet werde. In der Hauptverhandlung am 28.08.2006, zu der der Angeklagte nicht erschienen war, legte der Verteidiger eine von ihm verfasste Erklärung vor, wonach sich der Angeklagte in Belgien aufhalte uni unter bestimmten Rufnummern dort Kontakt mit seiner Ehefrau bestanden habe. Er verfüge nicht über eine Einreiseerlaubnis. Die Hauptverhandlung endete mit der Verwerfung der Berufung gemäß § 329 Abs. 1 StPO. Sie wurde damit begründet, dass nicht feststehe, ob sich der Angeklagte tatsächlich in Belgien aufhalte. Außerdem wäre es seine Aufgabe gewesen, dies dem Gericht mit zuteilen, um eine Wiedereinreise zur Teilnahme an der Berufungsverhandlung zu ermöglichen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte, das Landgericht habe den Begriff der genügenden Entschuldigung verkannt.
Die Revision ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und ebenso begründet worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Frankfurt am Hain hat in ihrer Stellungnahme vom 3. November 2006 u.a. ausgeführt:
?Der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Revision des Angeklagten dürfte der Erfolg nicht zu versagen sein. Die hinreichend mit Tatsachen belegte Rüge, das Gericht habe den Begriff der genügenden Entschuldigung verkannt, greift durch.
Nach ständiger Rechtsprechung ist im Rahmen des § 329 Abs. 1 StPO nämlich nicht entscheidend darauf abzustellen, ob sich ein Angeklagter genügend entschuldigt hat, sondern ob er tatsächlich entschuldigt war, wobei grundsätzlich eine weite Auslegung zu seinen Gunsten geboten ist. Dabei ist für die Beurteilung der Frage einer genügenden Entschuldigung auf den Kenntnisstand abzustellen, den das Gericht bei Beginn der Hauptverhandlung aufgrund der Mitteilungen des Angeklagten, des Verteidigers oder anderer Verfahrensbeteiligter sowie eigener Kenntnisse aus den Akten hatte. Die Verwerfung der Berufung ist bei schlüssigem Vorbringen eines Entschuldigungsgrundes daher nicht schon dadurch gerechtfertigt, dass das Gericht Zweifel an der Richtigkeit des Vortrags hegt, es sei denn, das Vorbringen des Säumigen erscheint als völlig unglaubhaft und aus der Luft gegriffen. Denn die Verwerfung der Berufung nach § 329 Abs.1 Satz 1 StPO ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Gericht die sichere Überzeugung erlangt hat, der Angeklagte sei nicht genügend entschuldigt. Bei bestehendem Zweifel, ob das Ausbleiben genügend entschuldigt ist, fehlt es an einer Voraussetzung nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO. Hat daher ein Angeklagter schlüssige Tatsachen für eine Entschuldigung vorgetragen, so ist eine Verwerfung nur möglich, wenn das Gericht diesen Vortrag nach Prüfung im Freibeweisverfahren für widerlegt hält (vgl. OLG Frankfurt, Beschlüsse vom 22.11.2004 - 2 Ss-OWi 402/04 - und vom 07.11.2005 - 1 Ss 240/05; BayObLG NJW 1998, 172 ; OLG Düsseldorf StV 1987, 9(10); Meyer-Goßner StPO, 49. Auflage, Rdnr. 18 ff zu § 329).
Eine solche Prüfung hat im vorliegenden Fall nicht stattgefunden, so dass nicht geklärt war, ob dem Angeklagten ein Erscheinen in der Hauptverhandlung zumutbar war. Wenn er sich aber nach seiner Ausweisung an der angegebenen Adresse in Belgien aufhielt, war dies nicht der Fall, weil ihm wegen seines Fernbleibens der Vorwurf schuldhafter Pflichtverletzung nicht gemacht werden kann. Da der Angeklagte ausgewiesen worden war, durfte er nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin auch nicht aufhalten (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Würde er dennoch einreisen oder sich hier aufhalten, so kann er mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe bestraft werden (§ 95 Abs. 2 Nr. 1 a und b AufenthG), es sei denn, ihm ist ausnahmsweise eine Erlaubnis nach § 11 Abs. 2 AufenthG erteilt worden. Letzteres war nicht der Fall. Dann aber war das Ausbleiben des rechtskräftig ausgewiesenen Angeklagten, der das Bundesgebiet verlassen und keine Ausnahmeerlaubnis hatte, genügend entschuldigt (vgl. OLG Stuttgart NStZ-RR 2004, 338; BayObLG StV 2001, 339; OLG Düsseldorf, StV 1983, 193 ; Gössel in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Auflage, Rdn. 42 zu § 329).
Hieran ändert sich nichts dadurch, dass der Angeklagte sich nicht selbst um eine Betretenserlaubnis zum Zwecke der Durchführung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens bemüht hat. Hierzu war er nämlich nicht verpflichtet (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.; BayObLG a.a.O.). Den Angeklagten trifft insoweit keine ihm billigerweise zumutbare prozessuale Mitwirkungspflicht an der Durchführung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens.
Der Zweck des § 329 Abs. 1 StPO besteht darin, den Beschwerdeführer daran zu hindern, die Sachentscheidung über seine Berufung dadurch zu verzögern, dass er sich der Verhandlung entzieht (Meyer-Goßner a.a.0. Rdnr. 2 zu § 329 m.w.N.). Die der Verfahrensbeschleunigung dienende Vorschrift ist eine aufs engste auszulegende Ausnahmebestimmung von dem Grundsatz, dass gegen einen abwesenden Angeklagten kein Urteil erlassen werden darf (§ 230 Abs. 1, 332 StPO), für die es nicht darauf ankommt, ob der Angeklagte sich ausreichend entschuldigt hat, sondern nur darauf, ob er objektiv entschuldigt ist. Die prozessualen Mitwirkungspflichten des berufungsführenden Angeklagte da haben da ihre Grenzen, wo ihm ein Erscheinen vor Gericht billigerweise nicht zugemutet werden kann. Dies ist auch dann der Fall, wenn die öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen vor Gericht mit seiner durch Ausweisung und Abschiebung begründeten - strafbewehrten - Pflicht, sich von dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland fernzuhalten, kollidieren und diese Kollision auf fehlender Abstimmung zwischen Ausländerbehörde und Gericht beruht, die dem Angeklagten nicht angelastet werden darf (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.; BayObLG a.a.O.; OLG Düsseldorf, StV 1983, 193 ; Gössel in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Auflage, Rdnr. 42 zu § 329). Wird ein Angeklagter von der Ausländerbehörde ohne Rücksicht auf ein gegen ihn laufendes Strafverfahren ausgewiesen, so ist es dem Angeklagten, der sein Recht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung wahrnehmen will, nicht zuzumuten, sich in einem anderen Land über die deutsche Botschaft eine Betretenserlaubnis für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu beschaffen. Vielmehr ist es Sache der Strafverfolgungsbehörden, in Absprache mit der Verwaltungsbehörde zu klären, ob der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs oder dem öffentlichen Interesse an einem Aufenthalt des Ausländers außerhalb des Bundesgebietes der Vorrang einzuräumen ist. Der Angeklagte war auch nicht verpflichtet, seinen Verteidiger mit seiner Vertretung in der Hauptverhandlung zu betrauen. Er hatte vielmehr das Recht, in der Hauptverhandlung selbst anwesend zu sein (vgl. BayObLG a.a.O.; OLG Stuttgart a.a.0.).'
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts Gießen zurückzuverweisen. ..." (OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.11.2006 - 2 Ss 309/06)
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?... Die unzutreffende Beurteilung der Verhandlungsfähigkeit hat zur rechtsfehlerhaften Annahme, der Angekl. sei nicht genügend entschuldigt, geführt.
Nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung ist § 329 I 1 StPO eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift, die sich bei der Frage der genügenden Entschuldigung in Zweifelsfällen zu Gunsten des Angekl. auswirkt (OLG Stuttgart, Justiz 2004, 126 mzN.; BayObLG, StV 2001, 338). Entscheidend ist nicht, ob er sich genügend entschuldigt hat, sondern ob er genügend entschuldigt ist. Für die Klärung dieser Rechtsfrage kommt es allein auf die wirkliche Sachlage an; dem BerGer. steht dabei kein Ermessensspielraum zu (OLG Karlsruhe, StraFo 1999, 25; OLG Düsseldorf, StV 1987, 8; Ruß, in: KK-StPO, 5. Aufl. § 329 Rn 8). Es ist gehalten, bei Anhaltspunkten für ein berechtigtes Fernbleiben von Amts wegen im Wege des Freibeweises, etwa durch Heranziehung eines Sachverständigen, Erkundigungen beim behandelnden Arzt oder durch eine amtsärztliche Untersuchung zu klären, ob das Ausbleiben genügend entschuldigt ist (BayObLG, StV 2001, 338; OLG Hamm, NStZ-RR 1998, 281; OLG Celle, StraFo 1997, 79).
Diesen Grundsätzen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht: Die Ausführungen des LG lassen besorgen, es sei davon ausgegangen, eine Erkrankung entschuldige einen Angekl. erst dann, wenn sie zur Verhandlungsunfähigkeit führt. Dies ist nicht der Fall; es genügt vielmehr, wenn die Teilnahme an der Hauptverhandlung wegen der Erkrankung unzumutbar ist (OLG Düsseldorf, NStZ 1984, 331; StV 1987, 9; OLG Hamm, NStZ-RR 1998, 281; Gössel, in: Löwe/Rosenberg, § 329 Rn 36 mwN). In die Beurteilung dieser Frage hätte das LG die Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten sowie die Bedeutung der Strafsache erkennbar einfließen lassen müssen (OLG Düsseldorf, NJW 1973, 110; OLG Stuttgart, Justiz 1988, 216; Frisch, in: SK-StPO, § 329 Rn 20, 23; Gössel, § 329 Rn 33); diese waren - unabhängig von der voraussichtlichen Hauptverhandlungsdauer - mit Blick auf die oben dargestellten Erwägungen sowie darauf, dass sich das Rechtsmittel gegen die Verhängung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung richtete, nicht gering zu veranschlagen.
Im Übrigen erbrachte die vom LG im Rahmen seiner Aufklärungspflicht eingeholte Auskunft beim Zahnarzt keine weiteren Erkenntnisse. Nahe liegende Kontaktaufnahmen mit dem Hausarzt oder dem Neurologen unterblieben.
Die Verfahrensgeschichte - wie dargelegt handelte es sich um den 4. Verhandlungstermin - enthob das Gericht nicht seiner Pflicht, den Zweifeln an einer genügenden Entschuldigung nachzugehen. Ob ein Absenken der hohen Anforderungen an die tatrichterliche Prüfungspflicht und Überzeugungsbildung, ob ein das Ausbleiben genügend entschuldigender Sachverhalt vorliegt (zusammenfassend Frisch, § 329 Rn 35; Ruß § 329 Rn 8ff; jew. mwN), in Ausnahmefällen, etwa wenn feststeht, dass ein Angekl. wiederholt eine Entschuldigung nur vorgetäuscht hat, in Betracht kommt, braucht der Senat hier nicht zu entscheiden. Regelmäßig wird sich aus dem Verfahrensablauf für die Beantwortung der allein entscheidungserheblichen Frage, ob ein Angekl. am Hauptverhandlungstag entschuldigt ist, nichts herleiten lassen.
So liegt es - entgegen der Auffassung des LG - auch hier. Das Vorbringen des Angekl., zur ersten Verhandlung am 17. 4. 2005 nicht erscheinen zu können, wurde amtsärztlich bestätigt; ein weiterer Hauptverhandlungstermin im August 2005 musste wegen der Mandatsniederlegung des Verteidigers, ein dritter Termin im November 2005 wegen eines akuten Infekts aufgehoben werden. Auch das vom LG verwerteten Treffer Gutachten führt nicht weiter, weil es sich auf die Fragestellung beschränkt, ob die Grunderkrankungen des Angekl. zur Verhandlungsunfähigkeit führen, die davon unabhängigen gewichtigen Hinweise auf aktuell hinzugetretene gravierende Beeinträchtigungen aber nicht behandelt.
Nach allem hätte die StrK das Ausbleiben des Angekl. entweder als genügend entschuldigt ansehen oder im Wege des Freibeweises weiter klären müssen, ob es sich lediglich um zum Zweck der Verfahrensverschleppung vorgeschobene Entschuldigungsgründe handelt. Der Fehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Eine Einstellung des Verfahrens nach § 206a StPO kommt selbst im Falle unterstellter vorübergehender Verhandlungsunfähigkeit des Angekl. nicht in Betracht, da nichts dafür spricht, dass seine Verhandlungsfähigkeit auf Dauer entfallen ist (BGH, NStZ 1996, 242). ..." (OLG Stuttgart, Beschluss vom 19.04.2006 - 1 Ss 137/06, NStZ-RR 2006, 314, 315)
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Die Berufung des in der Hauptverhandlung nicht erschienenen Angeklagten darf nicht verworfen werden, wenn der Angeklagte nicht persönlich geladen wurde und auch eine Zustellung an seinen Verteidiger bzw. im Falle der Aussetzung des Vollzugs eines Haftbefehls an einen Zustellungsbevollmächtigten nicht erfolgt ist. Die Zustellung der Ladung an einen sonstigen Bevollmächtigten ist unwirksam (OLG Dresden, Beschluss vom 21.07.2005 - 2 Ss 362/05, StV 2006, 8).
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?... Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 02.10.02 wegen Diebstahls in fünf Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 160 Tagessätzen verurteilt worden. Die dagegen von dem Angeklagten eingelegte Berufung hat die Kleine Strafkammer I mit dem angefochtenen Urteil gem. § 329 Abs. 1 StPO verworfen, weil der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer - öffentlich zugestellter - Ladung nicht zur Hauptverhandlung erschienen war und sein Ausbleiben nicht entschuldigt hat. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger am 15.07.03 Revision eingelegt und diese nach am 18.07.03 erfolgter Urteilszustellung mit am 01.08.03 eingegangenem Schriftsatz begründet. Der Angeklagte rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts, insbesondere die Verletzung des Art. 6 III c EMRK i.V. m. §§ 244 Abs. 2, 337 StPO sowie des § 329 Abs. 1 StPO.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in der Antragsschrift vom 22.08.03 ausgeführt: ?I. Die Revision ist statthaft (§ 333 StPO), frist- und formgerecht eingelegt (§ 341 StPO) und begründet worden (§§ 344, 345 StPO) und infolge der mit der Verwerfung seiner Berufung für den Angeklagten verbundenen Beschwer damit zulässig.
II. Die Revision erweist sich auch als begründet. Der Angeklagte rügt die Verletzung von § 329 Abs. 1 StPO und beanstandet, dass das Berufungsgericht den Begriff der nicht genügenden Entschuldigung verkannt habe.
1. Die Verfahrensrüge ist zulässig erhoben. Das Revisionsvorbringen genügt in seiner Gesamtheit noch den Erfordernissen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, denn an die Zulässigkeitsanforderungen der Verfahrensrüge werden keine strengen Anforderungen gestellt (OLG Köln StV 1989, 53). Zur formgerechten Begründung der Revision reicht es daher aus, wenn sie unter Angabe der die Entschuldigung begründenden bestimmten Tatsachen schlüssig vorträgt, das Berufungsgericht sei zu Unrecht von einer ungenügenden Entschuldigung ausgegangen (BGHSt 28, 384, 386; BayObLG NStZ-RR 2003, 87). Das Revisionsvorbringen, der Angeklagte sei aufgrund seiner ausländerrechtlichen Verpflichtung in sein Herkunftsland ausgereist und freies Geleit sei ihm für die Durchführung der Berufungshauptverhandlung nicht gewährt worden, genügt in seiner Gesamtheit den an die Erhebung der Verfahrensrüge nach § 329 Abs. 1 StPO zu stellenden Anforderungen.
2. Die Rüge greift auch durch. Nach § 329 Abs. 1 StPO ist, wenn der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung und Belehrung über die Folgen seines Ausbleibens zu der Berufungshauptverhandlung nicht erscheint, die Verwerfung seiner Berufung nur zulässig, wenn das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Angeklagte sich genügend entschuldigt hat, sondern ob er genügend entschuldigt ist (LR-Gollwitzer, StPO, 25. Aufl., § 329 Rdn. 26; KK-Ruß, StPO, 5. Aufl., § 329 Rdn. 7; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 329 Rdn. 18; BGHSt 17, 391, 396). Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass das Fernbleiben des Angeklagten entschuldigt sein kann, so muss das Berufungsgericht dem im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht durch Ermittlungen im Freibeweis nachgehen (Meyer-Goßner, a. a. O., § 329 Rdn. 19; BayObLG NJW 1998, 172; NStZ-RR 1999, 143; StV 2001, 338; NStZ-RR 2003, 87, 88; OLG Zweibrücken StV 2001, 336) und in den Urteilsgründen darlegen, dass die Voraussetzungen des § 329 StPO gegeben waren. Das Revisionsgericht kann nämlich auf die zulässig erhobene Verfahrensrüge nach § 329 Abs. 1 StPO - ähnlich wie bei der Anwendung sachlichen Rechts - nur feststellen, ob das Berufungsgericht die vorliegenden Entschuldigungsgründe überhaupt geprüft, im Urteil genügend dargestellt und den Rechtsbegriff der genügenden Entschuldigung rechtlich richtig gewürdigt hat (LR-Gollwitzer, a. a. O., § 329 Rdn. 102 m. w. N.). Dabei darf das Revisionsgericht nur solche Entschuldigungsgründe berücksichtigen, die dem Berufungsgericht im Zeitpunkt der Entscheidung erkennbar waren und das Revisionsgericht ist an die im Urteil getroffenen Feststellungen gebunden (BayObLG StV 2001, 338; OLG Hamm NStZ-RR 2000, 84, 85). Um dem Revisionsgericht eine Nachprüfung zu ermöglichen, muss das Urteil daher unter lückenloser Angabe der für erwiesen erachteten Tatsachen, vorgebrachter Entschuldigungsgründe, vorgelegter Bescheinigungen und gestellter Aussetzungsanträge unter umfassender Würdigung darlegen, weshalb das Ausbleiben des Angeklagten nicht entschuldigt ist. Auf die umfassende Würdigung des Entschuldigungsvorbringens darf nur dann verzichtet werden, wenn es ganz offensichtlich ungeeignet ist, das Ausbleiben des Angeklagten zu entschuldigen (KG StV 1995, 575)
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Die Urteilsgründe lassen besorgen, dass das Berufungsgericht den von dem Verteidiger in dessen Antrag in der Berufungshauptverhandlung vom 07.07.2003 mitgeteilten möglichen Entschuldigungsgründen keine ausreichende Beachtung geschenkt und in seine Überlegungen nicht mit einbezogen hat, dass der Aufenthalt des serbischen Angeklagten in der Bundesrepublik infolge von dessen Ausreise zur Vermeidung ausländerrechtlicher Maßnahmen unbekannt ist und dass der Angeklagte im Falle einer erneuten Einreise mit seiner Verhaftung rechnen müsste, denn nur dann macht der Antrag des Verteidigers auf Zusicherung sicheren Geleits nach § 295 StPO überhaupt Sinn. Hat ein Ausländer zur Vermeidung seiner drohenden Ausweisung und Abschiebung freiwillig die Bundesrepublik verlassen, so ist er genügend entschuldigt, wenn er nach der Ausreise zu der danach anberaumten Berufungshauptverhandlung nicht erscheint. Der Angeklagte darf in einem solchen Fall nämlich nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten (§ 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG). Im Falle einer erneuten Einreise oder eines Aufenthaltes muss der Angeklagte mit strafrechtlicher Verfolgung wegen eines Vergehens gegen § 92 Abs. 2 Nr. 1a und b AuslG rechnen, es sei denn, dass ihm ausnahmsweise eine Erlaubnis nach § 9 Abs. 3 AuslG erteilt worden ist. Dazu, ob dem Angeklagten eine solche Ausnahmeerlaubnis im Falle erfolgter Ausreise erteilt worden ist, verhält sich das angefochtene Urteil nicht. Auf diesem Darstellungsmangel beruht das angefochtene Urteil. Dem Revisionsgericht ist es aufgrund der bindenden tatsächlichen Feststellungen unmöglich zu prüfen, ob das Gericht den Rechtsbegriff der ?genügenden Entschuldigung' verkannt hat.'
Diesen Ausführungen tritt der Senat aufgrund eigener Prüfung bei und hat gem. § 353 StPO das angefochtene Urteil einschließlich der zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Gem. § 354 Abs. 2 StPO war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts Bremen zurückzuverweisen, die auch die Kostenentscheidung hinsichtlich des Revisionsverfahrens zu treffen hat (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 464 Rn. 3).
Trotz der aus verschiedenen Gründen (u.a. Aktenanforderungen, Aktenbeiziehungen u.a.) unterbliebenen stringenten Bearbeitung liegen die Voraussetzungen für eine Verfahrenseinstellung wegen überlanger Verfahrensdauer nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen (vgl. BVerfG StV 2003, 383, 385; NJW 2004, 2398) erkennbar nicht vor. ..." (OLG Hamburg, Beschluss vom 14.06.2005 - Ss 39/03, StraFo 2005, 381)
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?... Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Das LG hat den Wiedereinsetzungsantrag des Angekl. zu Unrecht als unzulässig verworfen. Denn der Bf. hat gem. § 45 II 1 StPO einen Sachverhalt vorgetragen und glaubhaft gemacht, der sein verspätetes Erscheinen zur Berufungshauptverhandlung entschuldigt. Der Angekl., der um 8.40 Uhr vor dem Eingang in der Turmstraße war, ist rechtzeitig am Gerichtsort erschienen. Obwohl bei den Einlasskontrollen mit einem längeren Zeitaufwand zu rechnen und auch die Suche des Sitzungssaales vom Angekl. in seinen Zeitplan einzukalkulieren ist (vgl. KG, Beschl. v. 26. 1. 2005 - 5 Ws 13/05 -; v. 11. 11. 2004 - 4 Ws 129/04 -; v. 24. 7. 2003 - 4 Ws 124/04 - und v. 27. 5. 2002 - 3 Ws 143/02 -), ergibt vorliegend eine Gesamtschau, dass den Angekl. kein Verschulden trifft. Denn er ist ungefähr 20 Minuten vor dem Termin erschienen und musste nicht damit rechnen, dass er nahezu 25 Minuten benötigen wird, um die Einlasskontrolle zu passieren. Der Angekl., der aktenkundig einen Dolmetscher benötigt, erreichte um 9.13 Uhr den Saal 409. Den dort angebrachten schriftlichen Hinweis, dass die Sitzung in den Saal 220 verlegt wurde, verstand er nicht und wartete zunächst einige Minuten, bevor er den Saal 220 suchte. Unter diesen Umständen hätte es zunächst einmal nahegelegen, den Hinweis auf die Saalverlegung von dem anwesenden Dolmetscher in die russische Sprache übersetzen zu lassen. Hinzu kommt, dass das LG trotz der Saalverlegung und dem für den Angekl. unverständlichen Hinweis lediglich die üblichen 15 Minuten gewartet und bereits um 9.15 Uhr mit der Urteilsverkündung begonnen hat. Da der Angekl. rechtzeitig ins Gericht gekommen ist und mit einer solchen Vorgehensweise nicht rechnen musste, hat er die Säumnis nicht verschuldet. Seinem Wiedereinsetzungsantrag ist daher zu entsprechen. ..." (KG, Beschluss vom 13.05.2005 - 5 Ws 240/05, NStZ-RR 2006, 183)
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Derjenige, der wegen einer fehlenden Zustellung oder eines der Ladung zur Berufungshauptverhandlung anhaftenden Mangels nicht säumig war, aber zu Unrecht als säumig behandelt wird, ist einem schuldlos Säumigen gleichzustellen. Deshalb muss auch demjenigen Angeklagten Wiedereinsetzung gem. § 329 III StPO analog ohne Rücksicht auf sein etwaiges Verschulden gewährt werden, der zwar infolge Trunkenheit verhandlungsunfähig ist, bei dem dieser Sachverhalt sich aber nicht zu Beginn der Hauptverhandlung, sondern erst während der Beweisaufnahme herausstellt und, dennoch eine Verwerfung seiner Berufung nach § 329 StPO erfolgt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.04.2005 - 3 Ws 224/05, NStZ-RR 2005, 174).
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?... Das LG hat darüber hinaus den Begriff der ?genügenden Entschuldigung' gem. § 329 I StPO verkannt. ?
a) Das Ausbleiben eines Angekl. ist entschuldigt, wenn ihm bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles daraus billigerweise kein Vorwurf gemacht werden kann. Als Entschuldigungsgründe können deshalb alle Umstände in Betracht kommen, die den Angekl. am Erscheinen hinderten oder die sein Erscheinen bei Abwägung der widerstreitenden Interessen oder Pflichten als unzumutbar erscheinen lassen (Gössel, § 329 Rn 35). Bei der Verschuldensfrage ist eine weite Auslegung zu Gunsten des Angekl. geboten (OLG Karlsruhe, Justiz 1973, 57 [58]; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 329 Rn 23 mwN).
Im vorliegenden Fall war dem Angekl. unter Berücksichtigung aller Umstände ein Erscheinen in der Hauptverhandlung nicht zumutbar, so dass ihm wegen seines Fernbleibens der Vorwurf schuldhafter Pflichtverletzung nicht gemacht werden kann.
Da der Angekl. ausgewiesen und abgeschoben worden war, durfte er nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin auch nicht aufhalten (§ 8 II 1 AuslG). Würde er dennoch einreisen oder sich hier aufhalten, so kann er mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe bestraft werden (§ 92 II Nr. 1a und b AuslG), es sei denn, ihm ist ausnahmsweise eine Erlaubnis nach § 9 III AuslG erteilt worden. Letzteres war nicht der Fall. Das Ausbleiben des rechtskräftig ausgewiesenen Angekl., der das Bundesgebiet verlassen und keine Ausnahmeerlaubnis hatte, war deshalb genügend entschuldigt (OLG Düsseldorf, StV 1983, 193; Gössel, § 329 Rn 42).
b) Hieran ändert sich nichts dadurch, dass der Angekl. nicht bereit war, sich selbst um eine Betretenserlaubnis zum Zwecke der Durchführung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens zu bemühen. Hierzu war er nicht verpflichtet (so auch BayObLG, StV 2001, 359; a.A. LG Bielefeld, NStZ-RR 1998, 343). Den Angekl. trifft insoweit keine ihm billigerweise zumutbare prozessuale Mitwirkungspflicht an der Durchführung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens.
Der Zweck des § 329 I StPO besteht darin, den Bf. daran zu hindern, die Sachentscheidung über seine Berufung dadurch zu verzögern, dass er sich der Verhandlung entzieht (Meyer-Goßner, § 329 Rn 2 mwN). Die der Verfahrensbeschleunigung dienende Vorschrift ist eine eng auszulegende Ausnahmebestimmung von dem Grundsatz, dass gegen einen abwesenden Angekl. kein Urteil erlassen werden darf (§§ 230 I, 332 StPO), für die es nicht darauf ankommt, ob der Angekl. sich ausreichend entschuldigt hat, sondern nur darauf, ob er objektiv entschuldigt ist.
Kann ein Angekl. zur Berufungshauptverhandlung nicht erscheinen, so hat er die Gründe dafür dem Gericht mitzuteilen. Nach Mitteilung des Hinderungsgrundes ?Krankheit' durch Vorlage eines ärztlichen Attestes obliegt ihm aber bereits keine Mitwirkungspflicht mehr bei der danach möglicherweise vom Gericht für erforderlich gehaltenen weiteren Substantiierung (KG Berlin, Beschl. vom 16. 9. 1999 - (4) 1 Ss 217/99 -, zitiert nach JURIS; Meyer-Goßner, § 329 Rn 19 mwN). Ebenso ist ein Angekl. in der Regel ohne Weiteres entschuldigt, wenn er sich in Haft befindet. Ist er in der Berufungssache inhaftiert, hat der Vorsitzende die Vorführung anzuordnen; dass der Angekl. sie nicht selbst betreibt, stellt kein Verschulden dar (OLG Stuttgart, StV 1988, 72). Befindet sich ein Angekl. in anderer Sache in Haft, obliegt ihm keine Mitwirkungspflicht an der Durchführung des Berufungsverfahrens dahingehend, dass er die Vollzugsanstalt auf die Notwendigkeit seiner Vorführung rechtzeitig hinzuweisen hätte (OLG Braunschweig, NStZ 2002, 163 [164]). Für Zustellungen gerichtlicher Entscheidungen im Berufungsverfahren statuiert § 40 III StPO eine Mitwirkungspflicht des Angekl. dahingehend, dass von ihm verlangt wird, dass er sich um den Fortgang des Verfahrens kümmert und die gesetzlich vorgeschriebenen Zustellungen im Inland für weitere gerichtliche Mitteilungen ermöglicht, wenn er die Rechtsnachteile, insbesondere die Verwerfung seiner Berufung nach § 329 I StPO, vermeiden will. Über diese Informationspflicht über seine Adresse hinaus wollte der Gesetzgeber dem Angekl. offensichtlich aber keine weitere Mitwirkungspflicht auferlegen.
Die prozessualen Mitwirkungspflichten des berufungsführenden Angekl. haben hiernach da ihre Grenzen, wo ihm ein Erscheinen vor Gericht billigerweise nicht zugemutet werden kann. Dies ist auch dann der Fall, wenn - wie vorliegend - die öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen vor Gericht mit seiner durch Ausweisung und Abschiebung begründeten - strafbewehrten - Pflicht, sich von dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland fernzuhalten, kollidieren und diese Kollision auf fehlender Abstimmung zwischen Ausländerbehörde und Gericht beruht, die dem Angekl. nicht angelastet werden darf (BayObLG, StV 2001, 339; OLG Düsseldorf, StV 1983, 193; Gössel, § 329 Rn 42; Rautenberg in: HK-StPO, 3. Aufl., § 329 Rn 22). Wird ein Angekl. von der Ausländerbehörde ohne Rücksicht auf ein gegen ihn laufendes Strafverfahren und damit entgegen dem in Art. 35 I GG statuierten Grundsatz der gegenseitigen Amtshilfe der Behörden des Bundes und der Länder ausgewiesen und abgeschoben, so ist es dem Angekl., der sein Recht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung wahrnehmen will, nicht zuzumuten, sich in seinem Heimatland - oder, wie vorliegend, sogar in einem Drittland, dessen Sprache er unter Umständen nicht mächtig ist - über die deutsche Botschaft eine Betretenserlaubnis für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu beschaffen. Vielmehr ist es Sache der Strafverfolgungsbehörden, in Absprache mit der Verwaltungsbehörde zu klären, ob der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs oder dem öffentlichen Interesse an einem Aufenthalt des Ausländers außerhalb des Bundesgebietes der Vorrang einzuräumen ist. Der Angekl. war auch nicht verpflichtet, seinen Verteidiger mit seiner Vertretung in der Hauptverhandlung zu betrauen. Er hatte vielmehr das Recht, in der Hauptverhandlung selbst anwesend zu sein (so auch BayObLG, StV 2001, 339). ... (OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.08.2004 - 1 Ss 132/04, NStZ-RR 2004, 338 f).
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Zwar kann grundsätzlich ein Urteil nach § 329 StPO in der Revision nur mit der Begründung angegriffen werden, das Gericht habe die Voraussetzungen für eine Verwerfung der Berufung unzutreffend bejaht. Dazu zählt jedoch auch der Fall, daß entgegen § 218 StPO der gewählte Verteidiger nicht zum Termin zur Hauptverhandlung geladen wurde. Allerdings bedingt dieser Verstoß nicht in jedem Fall die Aufhebung des Verwerfungsurteils. Ein Verwerfungsurteil beruht aber dann auf der unterbliebenen Ladung des ordnungsgemäß bestellten Verteidigers, wenn nicht ausgeschlossen ist, daß der Verteidiger im Termin Entschuldigungsgründe für den nicht erschienenen Angeklagten hätte vorbringen können, tatsächlich Entschuldigungsgründe gegeben sein können und dem Verteidiger bekannt waren. Dies muß von der Revision in einer der Form des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechenden Weise vorgetragen werden (BayObLG StV 2002, 356).
Ein Verwerfungsurteil gem. § 329 I StPO darf erst ergehen, wenn das Gericht einen angemessenen Zeitraum seit dem angesetzten Termin gewartet hat. Eine Pflicht, mehr als 15 Minuten zuzuwarten, besteht grundsätzlich nur, wenn der Angeklagte innerhalb der regelmäßigen Wartezeit mitgeteilt hat, dass er sich verspäten, aber noch innerhalb angemessener Zeit erscheinen werde (KG NStZ-RR 2002, 218).
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?... Die Revision ist begründet, denn auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts hätte das LG die Abwesenheit der Angeklagten in der Berufungsverhandlung nicht als unentschuldigt ansehen dürfen.
Grundsätzlich ist ein verhafteter Angekl. vorzuführen und scheidet eine Verwerfung nach § 329 I StPO aus, es sei denn, der Angekl. hätte - was hier gerade nicht der Fall ist - unmissverständlich auf eine Vorführung verzichtet (OLG Stuttgart StV 1988, 72; KK-Ruß 4. Aufl., § 329 Rn 12). Das gilt entgegen der vom LG unter Berufung auf den Kommentar von Kleinknecht/Meyer-Goßner (45. Aufl., § 329 Rn 24) vertretenen Auffassung auch dann, wenn der Angekl. nicht in der zu verhandelnden Sache einsitzt, sondern Strafhaft in anderer Sache verbüßt (KK-Ruß aaO; LR-Gollwitzer 24. Aufl., § 329 Rn 19; Rautenberg in Heidelberger Komm. zur StPO, 3. Aufl., § 329 Rn 23; Pfeiffer StPO, 2. Aufl., § 329 Rn 6; OLG Köln GA 1962, 382 und 1963, 58). Grundsätzlich ist einem inhaftierten Angekl. als Entlastung zugute zu halten, dass er an den Verhandlungstermin gar nicht oder zu spät denkt, weil er die bereits vor der Inhaftierung erhaltene Ladung während der Haft nicht in Händen hat, oder dass er annimmt, die Justizverwaltung, die ihn in Strafhaft genommen hat, werde nötigenfalls selbst dafür sorgen, dass er bei dem anderen Gericht vorgeführt wird, oder dass ein Angekl. annimmt, eine Vorführung könne ganz kurzfristig erfolgen, da ihm - sofern nicht hafterfahren - nicht die allen Justizangehörigen vertrauten Zeiträume bekannt sind, die eine gewöhnlich Verschubung in Anspruch nimmt (vgl. OLG Köln, GA 1963, 58, 59).
Für die Anwendung des § 329 I StPO kommt es nicht darauf an, ob der Angekl. sich ausreichend entschuldigt hat, sondern nur darauf, ob er objektiv entschuldigt ist. Deshalb gelten die oben angestellten Erwägungen zur Entschuldigung des Angekl. auch dann, wenn das BerGer. nicht weiß, dass er in anderer Sache inhaftiert ist. Wenn das BerGer. hiervon nichts weiß und deshalb die Berufung als unzulässig verwirft, so ist das Urteil über § 329 III StPO oder durch die Revision zu korrigieren (KK-Ruß aaO, Rn 12a.E.; LR-Gollwitzer aaO, Rn 20).
Die in dem Kommentar von Kleinknecht/Meyer-Goßner (aaO) vertretene abweichende Auffassung ist schon aus den vorgenannten Gründen abzulehnen; außerdem sind auch die Voraussetzungen für ihre Anwendbarkeit unscharf, wenn es heißt, der Angekl. bleibe ?unentschuldigt aus, wenn er auf die Notwendigkeit seiner Vorführung nicht rechtzeitig hinweise, obwohl er annehmen muss, dass das BerGer. von der Inhaftierung nichts weiß". Der Begriff der ?Rechtzeitigkeit" wird dem Berufungsrichter bei sachgerechter Auslegung nur selten als Instrument zur Verwerfung der Berufung dienen können, da ein nicht gerichtserfahrender Angekl. angesichts der modernen Transportmöglichkeiten regelmäßig wird annehmen dürfen, dass ein Transport zum Gerichtsort innerhalb eines Tages möglich sein wird, ohne dass man ihm aus diesem - für Gerichtskundige offensichtlichen - Irrtum einen Vorwurf wird machen können. Unklar bleibt auch, wann ein Angekl. ?annehmen muss", dass das BerGer. von der Inhaftierung in anderer Sache nichts wisse, da es für eine außerhalb der Justiz stehende Person nicht ohne weiteres verständlich sein wird, dass ein Justizorgan nichts von den Amtshandlungen des anderen Justizorgans wissen soll, obwohl beide aus der Sicht des Außenstehenden zu demselben ?Verwaltungsapparat" gehören. Der Kommentar von Kleinknecht/Meyer-Goßner beruft sich zudem zur Stützung seiner Auffassung auf 2 Gerichtsentscheidungen, die nicht in vollem Umfange einschlägig sind. Das OLG Celle hat in seiner Entscheidung vom 12. 6. 1963 (NdsRpfl 1963, 260) den Begriff des ?unabwendbaren Zufalls" i.S. des § 329 II StPO a.F. zu interpretieren gehabt, der enger ist als der Begriff der ?genügenden Entschuldigung"; das OLG Karlsruhe hat in seiner Entscheidung vom 21. 10. 1968 (NJW 1969, 476) die Verwerfung nach § 329 I StPO schon dann nicht mehr zugelassen, wenn das Gericht - wie im vorliegenden Fall - noch in letzter Minute vor der Entscheidung von der Inhaftierung des Angekl. erfahren hat, wenn dieser sich also nicht ?rechtzeitig", d.h. mit gehörigem Vorlauf, entschuldigt hatte. ..." (OLG Braunschweig, OLG Braunschweig, Beschluss vom 01.11.2001 - 1 Ss 65/01, NStZ 2002, 163 f)
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Wird nach der wirksamen öffentlichen Zustellung einer Ladung des Angeklagten zur Berufungshauptverhandlung dessen inländische Anschrift dem Gericht vor der Verhandlung doch noch bekannt, so muß es ihn nach § 37 StPO zum Termin laden. Die Zugangsfiktion des § 40 Abs. 2 StPO gilt dann nicht mehr (OLG Stuttgart StV 2001, 336).
Die Voraussetzungen für ein Verwerfungsurteil wegen unentschuldigter Abwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung werden im Freibeweisverfahren festgestellt. Ein Beweisantrag muß deshalb nicht gemäß § 244 Abs. 3 StPO und 6 StPO verbeschieden werden, ist jedoch Anregung für die gerichtliche Aufklärung gemäß Abs. 2 der Vorschrift. Auch die Verletzung der Aufklärungspflicht im Freibeweisverfahren kann mit der Aufklärungsrüge beanstandet werden (OLG Zweibrücken StV 2001, 336).
Es ist (entgegen OLG Dresden NJW 2000, 3295) daran festzuhalten, daß die Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO durch rechtsfehlerhafte Annahme der Voraussetzungen für eine Berufungsverwerfung nur Gegenstand einer den Vorschriften des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechenden Verfahrensrüge sein kann und vom Revisionsgericht nicht schon auf Grund einer allgemeinen Sachrüge zu prüfen ist (OLG Köln StV 2001, 336).
Ein Ausbleiben des Angeklagten im Berufungstermin kann unverschuldet sein, wenn der Angeklagte eine die Verhandlungsunfähigkeit beseitigende Therapie wegen erheblicher Eingriffe in seine körperliche Integrität oder seine Persönlichkeitsrechte unterlässt (BayObLG StV 2001, 336 ff).
§ 329 Abs. 1 StPO ist eine eng auszulegende Ausnahmebestimmung, die eine weite Auslegung zugunsten des Angeklagten gebietet. Es kommt nur darauf an, ob der Angeklagte entschuldigt ist, nicht, ob er sich genügend entschuldigt hat. Das Berufungsgericht ist gehalten, bei Anhaltspunkten für ein berechtigtes Fernbleiben im Wege des Freibeweises zu klären, ob das Fernbleiben genügend entschuldigt ist. Hierbei darf das Gericht nur Beweise erheben, die sofort zur Verfügung stehen (BayOblG StV 2001, 338 f).
Ist der Angeklagte ausgewiesen und hat er das Bundesgebiet verlassen und verfügt er über keine Ausnahmeerlaubnis zur Wiedereinreise, ist sein Ausbleiben in der Berufungshauptverhandlung genügend entschuldigt. Er ist auch nicht verpflichtet, sich als ausgewiesener Ausländer bei der Ausländerbehörde um eine kurzzeitige Betretenserlaubnis zum Zwecke der Durchführung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens zu bemühen (BayObLG StV 2001, 339).
Ist der Angeklagte zur Berufungshauptverhandlung nicht wirksam geladen und wird seine Berufung nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen, so ist ihm (auch) von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Verzichtsvermutung des § 342 Abs. 3 StPO gilt für diese Wiedereinsetzung nicht (OLG Hamburg StV 2001, 339 f).
Einer erschöpfenden Mitteilung der der Wertung des Tatrichters zugrunde gelegten Tatsachen und Feststellungen im Verwerfungsurteil bedarf es auch dann, wenn der Tatrichter Entschuldigungsvorbringen des Angeklagten als unglaubhaft bzw. vorgebrachte Umstände als nur vorgeschoben ansieht und deshalb die Berufung des im Berufungshauptverhandlungstermin ausgebliebenen Angeklagten gem. § 329 Abs. 1 StPO verwirft. Eine Autopanne wird in der Regel als genügende Entschuldigung i. S. v. § 329 Abs. 1 StPO anzusehen sein. Der Angeklagte ist auch nicht verpflichtet, bei Gericht nachzufragen, bis wann sein Erscheinen bei Gericht sinnvoll ist, um dann ggf. mit einem Taxi zu dem rund 80 km weit entfernten Gerichtsort zu fahren (OLG Hamm StV 2001, 340 f).
Ein Verwerfungsurteil wegen Nichterscheinens des Angeklagten darf erst dann ergehen, wenn das Gericht mit dem Beginn der Hauptverhandlung 15 Minuten gewartet hat. Die Wartezeit beginnt mit der angesetzten Terminszeit (OLG Düsseldorf NStZ-RR 2001, 303).
Für die Frage, ob das Berufungsgericht seiner Rechtspflicht nachgekommen ist, vor der Verwerfung der Berufung des Angeklagten gem. § 329 I StPO eine angemessene Zeit abzuwarten, ist auf den Beginn der Hauptverhandlung, also den Aufruf der Sache, nicht auf die angesetzte Terminsstunde abzustellen (OLG Frankfurt NStZ-RR 2001, 85).
Die Vorschrift des § 329 I Satz 1 StPO stellt keine Ausnahme vom Recht auf Beistand eines Verteidigers im Sinn der Entscheidung des EGMR vom 21.1.1999 (NJW 1999, 2353) dar (BayObLG NStZ-RR 2000, 307).
Keine Verwerfung der Berufung nach § 329 I StPO, wenn der Angeklagte nicht erschienen ist, weil er sich in anderer Sache in Haft befindet (OLG Braunschweig NStZ 2002, 163).
Das Ausbleiben eines Angeklagten im Berufungstermin kann nicht als entschuldigt angesehen werden, wenn er nach Erhalt der Terminsladung erneut eine Straftat begeht und deswegen im Ausland inhaftiert wird. Sein Ausbleiben beruht in diesem Fall auf eigenem Verschulden (OLG Frankfurt NStZ-RR 1999, 144).
Die Verwerfung der Berufung eines Angeklagten gem. § 329 I StPO, der wegen einer anderen Verurteilung zu Freiheitsstrafe seine Verhaftung befürchtet und deshalb zur Hauptverhandlung nicht erscheint, verstößt nicht gegen Art. 6 IIIc MRK, auch wenn der von dem Angeklagten mit dessen Verteidigung beauftragte Rechtsanwalt im Termin zur mündlichen Verhandlung seine Verteidigungsbereitschaft erklärt (OLG Köln NStZ-RR 1999, 112).
Bestehen Anhaltspunkte für ein alsbaldiges Erscheinen des Angeklagten zum Berufungshauptverhandlungstermin, ist es geboten, länger als die üblichen 15 Minuten zu warten, bevor die Berufung verworfen wird (OLG Frankfurt NStZ-RR 1998, 211).
Hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger in der Hauptverhandlung vortragen lassen, daß er sich erst seit wenigen Tagen in einer Drogentherapie befände, so daß die Gefahr bestünde, daß er die Therapie frühzeitig abbrechen würde, wenn er zur Hauptverhandlung erschiene, muß sich das Gericht damit auseinander setzen, warum es dennoch das Erscheinen des Angeklagten für zumutbar hält und einem Vertagungsantrag nicht stattgibt (KG StV 1995, 575).
Ein ungewöhnlich langer Zeitraum - hier 11 Monate - zwischen dem Zugang der Ladung und der Berufungshauptverhandlung entschuldigt das auf Vergessen des Termins beruhende Ausbleiben des Angeklagten in der Regel allein nicht. Für eine Widereinsetzung in den vorigen Stand in einem solchen Fall ist erforderlich, daß der Angeklagte darlegt (und glaubhaft macht), ob und gegebenenfalls welche zumutbaren Vorkehrungen er gegen das mögliche Vergessen des Termins getroffen hat (OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996, 169).
Ein ärztliches Attest, nach welchem der Angeklagte wegen einer näher bezeichneten Erkrankung nicht reisefähig ist, reicht grundsätzlich aus, um das Ausbleiben des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung genügend zu entschuldigen. Bedenken gegen die inhaltliche Richtigkeit eines solchen Attestes hat die Strafkammer im Wege des Freibeweises von Amts wegen zu klären (OLG Düsseldorf StV 1994, 364 f).
Wegen des Ausnahmecharakters des § 329 Abs. 1 StPO darf nach dieser Vorschrift nicht mehr verfahren werden, wenn der zu Beginn der Hauptverhandlung erschienene Angeklagte sich kurz darauf wieder entfernt oder sich erst in der Beweisaufnahme seine schuldhaft herbeigeführte Verhandlungsunfähigkeit herausstellt (OLG Celle StV 1994, 365).
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Durch das angefochtene Urteil ist auf die Berufung der StA das Urteil des SchöG im Strafausspruch dahin abgeändert worden, daß die Aussetzung der Vollstreckung der erkannten Strafe entfallen Ist. Die Berufungshauptverhandlung hat in Abwesenheit des derzeit in Strafhaft in der JVA V. aufenthaltsamen Angekl. stattgefunden. Ausweislich der Urteilsausführungen ist sie ?gem. § 329 Abs. II StPO unter Mitwirkung des Verteidigers ohne den Angekl. durchgeführt worden. da der Angekl. nach ordnungsgemäßer Ladung am 19. und am 21. 8. 1985 mitgeteilt hat, daß er an der Berufungshauptverhandlung nicht teilnehmen wolle, seine Verschubung aus der JVA V. verweigert hat und deshalb zum Termin nicht erschienen ist'. Weitere Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 329 Abs. II StPO enthält das angefochtene Urteil nicht. Im Anschluß an die vorstehend zitierten Ausführungen findet sich in den Urteilsausführungen noch der Satz: ?Eine zwangsweise Vorführung des Angekl. zur Berufungshauptverhandlung war zur weiteren verfahrenserheblichen Sachaufklärung nicht mehr erforderlich, zumal die Kammer wie in erster Instanz das SchöG von einem günstigen persönlichen Eindruck des Angeklagten ausgegangen ist.
Wie von der Revision zu Recht gerügt wird, rechtfertigt diese Begründung die Durchführung einer Verhandlung über die Berufung der StA in Abwesenheit des Angekl. gem. § 329 Abs. 11 S. 1 StPO nicht.
Gem. § 329 Abs. 11 S. 1 StPO ist eine Verhandlung über eine Berufung der StA ohne den Angekl., abgesehen von den hier ausscheidenden Fällen einer Anwendbarkeit der auch im Berufungsverfahren gem. § 332 StPO geltenden Vorschriften der §§ 231 Abs. 11 bis 233 StPO oder der nach § 411 Abs. II StPO zulässigen Vertretung des Angekl. durch einen Verteidiger, nur unter den Voraussetzungen des § 329 Abs. 1 S. 1 StPO möglich, d.h. sofern das Ausbleiben des Angekl. nicht genügend entschuldigt ist.
In den Ausführungen des angefochtenen Urteils findet sich eine ausdrückliche Erklärung, daß die StrK das Ausbleiben des Angekl. als nicht genügend entschuldigt angesehen habe, nicht. Aus dem erfolgten Verweis auf § 329 Abs. 2 StPO muß jedoch entnommen werden, daß die StrK diese Erklärung hat abgeben wollen. Damit sind indessen noch nicht die Erwägungen deutlich gemacht worden, aus denen heraus die StrK zur Annahme einer nicht genügenden Entschuldigung des Angekl. gekommen ist. Die den Urteilsgründen allein zu entnehmende Darlegung, der Angekl. sei nicht zum Termin erschienen, nachdem er nach ordnungsgemäßer Ladung am 19. und 21. 8.1985 mitgeteilt habe (wem gegenüber?), daß er an der Berufungshauptverhandlung nicht teilnehmen wolle und seine Verschubung aus der JVA V. verweigert habe, reicht nicht aus, um dem Revisionsgericht die Beantwortung der Frage möglich zu machen, ob die StrK den Rechtsbegriff der ?nicht genügenden Entschuldigung' verkannt haben könnte.
?Genügend' i. S. d. § 329 Abs. 1 S. 1 StPO ist eine Entschuldigung dann, wenn die im Einzelfall abzuwägende Belange des Angekl. einerseits und seine öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen andererseits den Entschuldigungsgrund als triftig erscheinen lassen, d. h. wenn dem Angekl. unter den gegebenen Umständen ein Erscheinen nicht zumutbar war und ihm infolgedessen wegen seines Fernbleibens auch nicht der Vorwurf schuldhafter Pflichtverletzung gemacht werden kann (st. Rspr. des Senats, vgl. Beschl. - Ss 4/82 - v. 24. 2. 1982 m.w.N.; Gollwitzer in LR 23. A. 1978 § 329 StPO Rdnr. 33 ff.).
Ob die Entschuldigung des Angekl. in diesem Sinne ?genügend' war, läßt sich indessen ohne Kenntnis der in dem angefochtenen Urteil nicht mitgeteilten Beweggründe des Angekl. für sein Fernbleiben nicht beurteilen. Bei der Überprüfung eines unter den Voraussetzungen drs § 329 Abs. 1 S. 1 StPO ergangenen Urteils ist das Revisionsgericht an die in diesem Urteil zur Frage der Entschuldigung getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden (BGHSt 28, 384, 387, 388). Der Senat war mithin nicht berecht, die Tatsachen, aus denen sich eine genügende oder ungenügende Entschuldigung des Angekl. ergeben könnte, im Wege des Freibeureises selbst zu ermitteln. Ob die vom Angekl. bei Ausführung seiner Verfahrensrüge der ungenügenden Amtsaufklärung der Voraussetzungen des § 329 Abs. 1 S. 1 StPO hierzu mitgeteilten weiteren Tatsachen, die der StrK bri ihrer Entscheidung bekannt waren, im Urteil aber nicht erwähnt worden sind, vom Revisionsgericht jedenfalls insoweit berücksichtigt werden dürfen, als sich aus ihnen die Unvollständigkeit der im Urteilerwähnten Tatsachen ergibt, läßt der Senat dahingestellt, da es darauf hier nicht mehr ankommt.
Da im vorhegenden Falle nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Voraussetzungen des § 329 Abs. 1 S. 1 StPO vorgelegen haben, war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Aufhebung des Urteils war auf die ihm zugrunde liegenden Feststellungen zu erstrecken (§ 353 StPO). Gem. § 354 Abs. II StPO war die Sache zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der StA gegen das Urteil des SchöG, soweit dieses noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist, an eine andere Große StrK des LG zurückzuverweisen.
Auf die Revisionsrüge, daß die StrK auch dadurch ihre Aufklärungspflicht verletzt habe, daß sie ohne dessen Anwesenheit zwar von einem günstigen persönlichen Eindruck des Angekl. ausgegangen, gleichwohl aber nicht zur Strafaussetzung zur Bewährung gelangt sei, kommt es danach nicht mehr an. Diese Rüge wäre nur dann von verfahrenserheblicher Bedeutung, wenn die StrK grundsätzlich gem. § 329 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 329 Abs. 1 S. 1 StPO in Abwesenheit des Angekl. hätte verhandeln dürfen. Das konnte vom Senat indessen gerade nicht festgestellt werden. ..." (OLG Bremen, Beschluss vom 07.02.1986 - Ss 127/85, StV 1987, 11).
***
Ist in einem Strafbefehlsverfahren der Angeklagte in der späteren Berufungshauptverhandlung durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten, so darf das Rechtsmittel des unentschuldigt ausgebliebenen Angeklagten auch dann nicht nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen werden, wenn dessen persönliches Erscheinen angeordnet war. Die rechtsfehlerhafte Anwendung des § 329 Abs. 1 StPO kann nicht im Wiedereinsetzungsverfahren, sondern nur mit der Revision geltend gemacht werden (OLG Düsseldorf StV 1985, 52).
*** (LG)
Belehrung eines der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten über die Folgen eines unentschuldigten Ausbleibens im Berufungsverfahren bzw. in der Hauptverhandlung nach Einspruch gegen Strafbefehl. Eine wirksame Ladung, die allein zur Verwerfung eines Einspruchs gegen einen Strafbefehl oder einer Berufung gemäß §§ 412 Abs. 1 oder 329 Abs. 1 StPO führen kann, setzt auch voraus, dass die gemäß § 323 Abs. 1 S. 2 StPO vorgeschriebene mit der Ladung verbundene Belehrung über die Folgen eines unentschuldigten Ausbleibens dem der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten auch in einer ihm verständlichen Sprache vorgenommen wurde. Die nichtübersetzte Belehrung steht einer Nichtbelehrung gleich (LG Heilbronn, Urteil vom 17.06.2010 - 5 Ns 44 Js 7003/09 zu StPO §§ 329 Abs. 1, 412 Abs. 1, 323 Abs. 1 S. 2).
Ausbleiben des Verteidigers § 145 StPO
(1) Wenn in einem Falle, in dem die Verteidigung notwendig ist, der Verteidiger in der Hauptverhandlung ausbleibt, sich unzeitig entfernt oder sich weigert, die Verteidigung zu führen, so hat der Vorsitzende dem Angeklagten sogleich einen anderen Verteidiger zu bestellen. Das Gericht kann jedoch auch eine Aussetzung der Verhandlung beschließen.
(2) Wird der notwendige Verteidiger gemäß § 141 Abs. 2 erst im Laufe der Hauptverhandlung bestellt, so kann das Gericht eine Aussetzung der Verhandlung beschließen.
(3) Erklärt der neu bestellte Verteidiger, daß ihm die zur Vorbereitung der Verteidigung erforderliche Zeit nicht verbleiben würde, so ist die Verhandlung zu unterbrechen oder auszusetzen.
(4) Wird durch die Schuld des Verteidigers eine Aussetzung erforderlich, so sind ihm die hierdurch verursachten Kosten aufzuerlegen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die durch die Aussetzung des Verfahrens entstandenen Kosten gem. § 145 IV StPO dem Pflichtverteidiger auferlegt werden, weil dieser das Gericht über das wegen Vermögensverfalls von der Rechtsanwaltskammer eingeleitete Widerrufsverfahren und den sodann ausgesprochenen, sofort vollziehbaren Widerruf seiner Anwaltszulassung so spät informierte, dass das Gericht nicht mehr in der Lage war, rechtzeitig einen neuen Pflichtverteidiger zu bestellen oder die Rechtsanwaltskammer durch Hinweis auf die seit drei Jahren laufende, kurz vor dem Abschluss stehende Hauptverhandlung zu einem Aufschub des Sofortvollzugs zu bewegen. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Beschluss über die Aussetzung des Verfahrens und die Kostentragung gem. § 145 IV StPO von der Strafkammer ohne Schöffen außerhalb der Hauptverhandlung gefasst wird. Zur Frage der Angemessenheit der Wartefrist für das Gericht, wenn sich ein Beschwerdeführer die Begründung seiner Beschwerde vorbehalten hat und das Gericht dafür keine Frist gesetzt hat (BVerfG, Beschluss vom 25. 2. 2009 - 2 BvR 2542/08, NJW 2009, 1582 ff - www.bverfg.de/entscheidungen/rk20090225_2bvr254208.html zu GG Art. 2 I, 20 III, 103 I; StPO § 145 IV).
*** (BGH)
Begibt sich der Verteidiger nach Ablehnung eines Entpflichtungsantrags unter Ablegung der Robe in den Zuschauerraum, gibt er eindeutig zu erkennen, daß er sich weigert, die Verteidigung weiter zu führen. Der Angekl. ist von diesem Zeitpunkt an nicht mehr verteidigt, so daß das Verfahren nicht zu Ende geführt werden kann (BGH StV 1993, 566).
Aus der Tatsache, daß der Strafkammervorsitzende dem Angeklagten das Wort entzogen hat, folgt nicht ohne weiteres, daß es schuldhaft den Anschein einer Standeswidrigkeit begründet, wenn der Rechtsanwalt die Erklärung des Angeklagten mit zum Inhalt eines Ablehnungsgesuches macht. Das eigenmächtige Verlassen der Hauptverhandlung eines zum Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwaltes in einem Fall notwendiger Verteidigung ist nicht standeswidrig, wenn dies eine Reaktion auf eine in ihrer Zulässigkeit rechtlich umstrittene oder rechtswidrige Maßnahme ist, durch die der Vorsitzende oder das Gericht erheblich in die Rechte des Angeklagten oder der Verteidigung eingreift. Ein Handeln aus Gewissenszwang ist zu respektieren, wenn es nicht auf schuldhafter Verkennung der Rechtslage beruht (BGH StV 1991, 133 f).
***
Die Kosten des Verfahrens können dem Pflichtverteidiger nach § 145 Abs. 4 StPO nur in den Fällen des § 145 Abs. 1 StPO auferlegt werden, nicht aber, wenn die Hauptverhandlung aufgrund sonstigen pflichtwidrigen Verhaltens des Verteidigers ausgesetzt werden muß (OLG Köln StV 2001, 389 f).
Die Kostentragungspflicht des Verteidigers ist auf schuldhaft von ihm verursachte Aussetzungen der Hauptverhandlung aus einem der in § 145 StPO genannten Gründe beschränkt (KG NStZ-RR 2000, 189).
Darf der bisherige Pflichtverteidiger darauf vertrauen, daß ein von dem Angekl. beauftragter Wahlverteidiger den Hauptverhandlungstermin wahrnimmt und ist ein von diesem in der Hauptverhandlung gestellter Aussetzungsantrag für ihn nicht vorhersehbar, beruht die Aussetzung der Hauptverhandlung nicht auf seinem Verschulden, weshalb er die Kosten der von ihm verursachten Aussetzung der Hauptverhandlung nicht zu tragen hat (KG StV 2000, 406 f).
Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt, weil der Verteidiger sich darauf beruft, daß das für zwei Tage vor der Hauptverhandlung geplante Verteidigergespräch infolge Erkrankung seines Mandanten nicht habe durchgeführt werden können, rechtfertigt dies nicht, dem Verteidiger die entstandenen Kosten und Auslagen aufzuerlegen (OLG Nürnberg StV 1998, 584 f).
Den Wahlverteidiger trifft die Pflicht, zur Sicherung des Verfahrens beizutragen, neben einem anderweitig bestellten Pflichtverteidiger nicht in gleicher Weise. Daher gilt für ihn eine unbedingte Erscheinungspflicht nicht. Dem Wahlverteidiger können daher auch bei ordnungsgemäßer Ladung die Kosten nicht auferlegt werden, wenn er zur Hauptverhandlung nicht erscheint (OLG Köln StV 1997, 122 f).
Für die Auferlegung der Kosten bei Ausbleiben eines (Pflicht-) Verteidigers nach § 145 Abs. 4 StPO ist nicht der Vorsitzende allein, sondern das Gericht in der Hauptverhandlung zuständig. Hat der (Pflicht-) Verteidiger seine Verhinderung am Erscheinen in der Hauptverhandlung rechtzeitig mitgeteilt und wird darauf vom Vorsitzenden nichts veranlaßt, beruht eine erforderliche Aussetzung der Hauptverhandlung nicht auf einem Verschulden des Verteidigers, so daß ihm nicht gem. § 145 Abs. 4 StPO die Kosten auferlegt werden können (OLG Hamm StV 1995, 514 f).
Die Kostenüberbürdung auf den Verteidiger nach § 145 IV StPO setzt voraus, daß die Aussetzung der Verhandlung durch ein solches Verhalten des Verteidigers notwendig wird, wie es in § 145 I StPO aufgeführt ist. Es genügt für die Aussetzung des § 145 IV nicht, daß sich in einer umfangreichen Hauptverhandlung nach mehrfachem Nichterscheinen des bestellten Verteidigers zu einzelnen Verhandlungstagen und nach insoweit jeweils erfolgter Bestimmung eines anderen Verteidigers gem. § 145 I nachträglich herausstellt, daß die Verteidigung des Angeklagten irreparabel unzulänglich gewesen ist, und deswegen die Aussetzung erfolgt (OLG Hamm NStZ 1983, 186).
Verteidigern, die durch unsachgemäße Erörterung von Ablehnungsanträgen die Verhandlungsunfähigkeit des gesundheitlich geschwächten Angeklagten herbeiführen, können die infolge der Aussetzung entstandenen Kosten auferlegt werden (OLG Hamburg NStZ 1982, 171 f).
***
Wird durch das Ausbleiben des (Wahl-)Verteidigers die Aussetzung der Verhandlung erforderlich, so ist eine Auferlegung der hierdurch verursachten Kosten auf den Verteidiger bei einem Verfahren vor dem Amtsgericht nur dann möglich, wenn das Gericht dem Verteidiger zuvor bekannt gemacht hatte, daß ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt (LG Bielefeld StV 2004, 32).
Eine Kostenüberbürdung auf den ausgebliebenen Wahlverteidiger im Verfahren vor dem Schöffengericht kommt nicht in Betracht, wenn kein gerichtlicher Hinweis auf die Notwendigkeit der Verteidigung erfolgte, wenn diese sich aus der Schwere der Tat (§ 140 Abs. 2 StPO) herleitet (LG Berlin StV 1995, 295 f).
Auskunft an den Betroffenen, Akteneinsicht § 185 StVollzG
Der Betroffene erhält nach Maßgabe des § 19 des Bundesdatenschutzgesetzes Auskunft und, soweit eine Auskunft für die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen nicht ausreicht und er hierfür auf die Einsichtnahme angewiesen ist, Akteneinsicht. An die Stelle des Bundesbeauftragten für den Datenschutz in § 19 Abs. 5 und 6 des Bundesdatenschutzgesetzes tritt der Landesbeauftragte für den Datenschutz, an die Stelle der obersten Bundesbehörde tritt die entsprechende Landesbehörde.
Leitsätze/Entscheidungen:
Das Recht eines Gefangenen auf Akteneinsicht in die Akten der Vollzugsbehörde, insbes. in seine Gefangenenpersonalakte gem. § 185 StVollzG, das durch einen Verteidiger ausgeübt werden kann, geht dem eigenen Recht des Verteidigers auf Akteneinsicht gem. § 147 StPO vor (BVerfG StV 2002, 272 f).
Siehe auch unter ?Auskünfte und Akteneinsicht".
Auskünfte und Akteneinsicht § 477 StPO (n.F.)
(1) Auskünfte können auch durch Überlassung von Abschriften aus den Akten erteilt werden.
(2) Auskünfte aus Akten und Akteneinsicht sind zu versagen, wenn der Übermittlung Zwecke des Strafverfahrens oder besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen. Ist eine Maßnahme nach diesem Gesetz nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig, so dürfen die auf Grund einer solchen Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten ohne Einwilligung der von der Maßnahme betroffenen Personen zu Beweiszwecken in anderen Strafverfahren nur zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach diesem Gesetz hätte angeordnet werden dürfen. Darüber hinaus dürfen personenbezogene Daten, die durch eine Maßnahme der in Satz 2 bezeichneten Art erlangt worden sind, ohne Einwilligung der von der Maßnahme betroffenen Personen nur verwendet werden
1. zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit,
2. für die Zwecke, für die eine Übermittlung nach § 18 des Bundesverfassungsschutzgesetzes zulässig ist, sowie
3. nach Maßgabe des § 476.
§ 100d Abs. 5, § 100i Abs. 2 Satz 2 und § 108 Abs. 2 und 3 bleiben unberührt.
(3) In Verfahren, in denen
1. der Angeklagte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren eingestellt wurde oder
2. die Verurteilung nicht in ein Führungszeugnis für Behörden aufgenommen wird und seit der Rechtskraft der Entscheidung mehr als zwei Jahre verstrichen sind,
dürfen Auskünfte aus den Akten und Akteneinsicht an nichtöffentliche Stellen nur gewährt werden, wenn ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der Information glaubhaft gemacht ist und der frühere Beschuldigte kein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat.
(4) Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung trägt der Empfänger, soweit dieser eine öffentliche Stelle oder ein Rechtsanwalt ist. Die übermittelnde Stelle prüft in diesem Falle nur, ob das Übermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben des Empfängers liegt, es sei denn, dass besonderer Anlass zu einer weitergehenden Prüfung der Zulässigkeit der Übermittlung besteht.
(5) Die nach den §§ 474, 475 erlangten personenbezogenen Daten dürfen nur zu dem Zweck verwendet werden, für den die Auskunft oder Akteneinsicht gewährt wurde. Eine Verwendung für andere Zwecke ist zulässig, wenn dafür Auskunft oder Akteneinsicht gewährt werden dürfte und im Falle des § 475 die Stelle, die Auskunft oder Akteneinsicht gewährt hat, zustimmt. Wird eine Auskunft ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts erteilt, so ist auf die Zweckbindung hinzuweisen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Für die Gewährung von Akteneinsicht an Privatpersonen enthalten die §§ 475ff. StPO spezielle Vorschriften, die sowohl dem Schutz der Rechte des Beschuldigten als auch der Sicherung der Zwecke des Strafverfahrens (§ 477 II 1 StPO) dienen. Diese besonderen gesetzlichen Voraussetzungen können nicht unter Berufung auf das allgemeine staatsanwaltliche Ermessen bei der Auswahl der Ermittlungsmaßnahmen (vgl. § 161 I StPO) unterlaufen werden (BVerfG, Beschluss vom 18.03.2009 - 2 BvR 8/08 zu GG Art. 1 I, 2 I; StPO §§ 161 I, 475ff., NJW 2009, 2876 f).
*** (BGH)
Eine Person, die nicht am Ermittlungs- bzw. am Strafverfahren im engeren Sinne beteiligt ist, sondern zufällig als Gesprächspartner von einer heimlichen Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme betroffen ist, hat Anspruch auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung unter Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Zu diesem Zweck sind ihr diejenigen Aktenbestandteile zur Verfügung zu stellen, die für die Überprüfung der Anordnungsbeschl. und der Art und Weise der Durchführung erforderlich sind (BGH, Beschluss vom 22.09.2009 - StB 38/09 zu StPO §§ 101 Abs. 7 S. 2, 475 Abs. 1, 477 Abs. 2; GG Art. 103 Abs. 1).
*** (OLG)
Der Umstand, dass ein Zeuge sich zur Auskunftsverweigerung berechtigt wähnt, begründet für den anwaltlichen Zeugenbeistand keinen Anspruch auf Akteneinsicht. Im Hinblick auf die Unbefangenheit bei der bevorstehenden Vernehmung wäre es nicht sachgerecht, dem Zeugen eine Vorbereitung seiner Aussage durch Akteneinsicht zu ermöglichen (KG, Beschluss vom 20.12.2007 - (1) 2 BJs 58/06 - 2 (22/07) zu StPO §§ 475, 477, 55, 147, 406e):
?... Der GBA führt gegen den Besch. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (?militante Gruppe [mg]'). In diesem Verfahren soll Z. als Zeuge vernommen werden. Mit Beschl. v. 22. 10. 2007 hat der Vors. dem Zeugen für die Dauer seiner Vernehmung RA M. gem. § 68b StPO als Zeugenbeistand beigeordnet. Die ebenfalls beantragte Akteneinsicht ist ihm durch den GBA verweigert und lediglich eine Ablichtung des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des BGH gegen B. v. 01. 08. 2007 übersandt worden. Der hiergegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
1. Über den zulässigen Antrag hat gem. §§ 475, 478 Abs. 3 S. 1 i.V.m. §§ 161a Abs. 3 S. 2 bis 4 StPO, 73 Abs. 1, 120 Abs. 3 GVG der Senat zu entscheiden. Soweit § 478 Abs. 3 S. 2 StPO anordnet, daß die Entscheidung ?des Vors.' unanfechtbar ist, wird damit für den Fall, daß die Entscheidung der StA im Ermittlungsverfahren angefochten wird, keine funktionale Zuständigkeit des Vors. begründet oder vorausgesetzt (vgl. KG, Beschl. v. 19. 04. 2001 - 4 VAs 1/01 -; LG Hildesheim, Beschl. v. 26. 03. 2007 - 25 Qs 17/06 - zitiert nach juris). Denn § 478 Abs. 3 StPO entspricht strukturell § 406e Abs. 4 StPO (vgl. BR-Drucks. 65/99, S. 61 ff., 63; Pfeiffer, StPO 5. Aufl., § 478 Rn. 4). Diese Vorschrift weist dem Vors. ?des mit der Sache befaßten Gerichts' die Zuständigkeit allein für den Fall zu, daß die Akteneinsicht während gerichtlicher Anhängigkeit des Verfahrens begehrt wird (vgl. Pfeiffer a.a.O. § 406 Rn. 4 f.). Eine Erweiterung der Zuständigkeit des Vors. zur Entscheidung über Anträge auf gerichtliche Entscheidungen gegen Verfügungen der StA ist mit § 478 Abs. 3 StPO nicht bezweckt.
2. Dem Antrag des RA auf Gewährung von Akteneinsicht kann nicht stattgegeben werden, weil Zwecke des Strafverfahrens entgegenstehen (§ 477 Abs. 2 S. 1 StPO).
a) Dem anwaltlichen Zeugenbeistand steht im Gegensatz zu dem Verteidiger (§ 147 Abs. 1 StPO) ein eigenes Recht auf Akteneinsicht nicht zu. Die Rechtsstellung des anwaltlichen Zeugenbeistands leitet sich aus der des Zeugen ab. Er hat keine eigenen Rechte als Verfahrensbeteiligter und keine weitergehenden Befugnisse als der Zeuge selbst (vgl. BVerfGE 38, 116; LR-Dahs, StPO 25. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 11; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 11, § 68b Rn. 5; KK-Wache, StPO 5. Aufl., § 161a Rn. 3). Einem Zeugen kommt daher, soweit er nicht Verletzter ist, ein Akteneinsichtsrecht lediglich als ?Privatperson' i.S.d. § 475 StPO zu, so daß auch der anwaltliche Zeugenbeistand ein Akteneinsichtsrecht allein nach dieser Vorschrift wahrnehmen kann (vgl. OLG Düsseldorf NJW 2002, 2806; OLG Hamburg, NJW 2002, 1590 [= StV 2002, 297]).
Aufgabe des Zeugenbeistands, ist es, den Zeugen während der Vernehmung bei der sachgerechten Wahrnehmung seiner prozessualen Rechte, insbes. von Auskunftsverweigerungsrechten gem. § 55 StPO oder Zeugnisverweigerungsrechten nach §§ 52 ff. StPO sowie bei der Verteidigung gegen Ordnungsmittel zu unterstützen. Darüber hinaus soll er bei Zeugen, die in ihrer Aussagefähigkeit beschränkt oder in ihrer Aussagebereitschaft gehemmt sind, dazu beitragen, Aussagefehler und Mißverständnisse zu verhindern. Soweit er im vorliegenden Fall dem Zeugen bei der anstehenden Entscheidung behilflich ist, ob er im Hinblick auf § 55 StPO einzelne Fragen nicht beantwortet, muß die Entscheidung jew. für die tatsächlich gestellte Frage getroffen werden und kann sich nicht danach richten, welche Fragen - aufgrund von Akteneinsicht - vorab als möglich angesehen werden. Zu der anstehenden Entscheidung muß der Beistand nicht den Inhalt der Sachakte kennen. Grundlage der Entscheidung ist vielmehr das Wissen oder die Einschätzung des Zeugen selbst, sich bei der wahrheitsgemäßen Beantwortung einer Verfolgung i.S.v. § 55 StPO auszusetzen (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 2002, 2806, 2807).
Die in der Lit. vertretene Ansicht, die ein Akteneinsichtsrecht des Zeugenbeistandes für den Fall fordert, daß anders wirksamer Beistand nicht möglich sei (vgl. KK-Senge, StPO 5. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 18a m.w.N. und § 68b Rn. 9), begegnet Bedenken.
Hiergegen spricht im vorliegenden Fall schon, daß diese Ansicht nicht auf das Verfahrensstadium abhebt, in dem selbst dem Verteidiger gem. § 147 Abs. 2 StPO die Akteneinsicht versagt werden könnte. Sie übersieht, daß der Gesetzgeber im Falle des Akteneinsichtsbegehrens eines Zeugen, der nicht Verletzter ist, den Strafverfolgungszwecken Vorrang eingeräumt hat (§ 477 Abs. 2 S. 1 StPO). Der Beistand darf den Zeugen nicht in der Aussage vertreten oder auf den Inhalt der Aussage Einfluß nehmen. Gerade dies ist aber nicht auszuschließen, wenn der Zeugenbeistand mit dem Zeugen anhand der durch die Akteneinsicht gewonnenen Kenntnisse inhaltliche Fragen erörtert. Erlaubte man dem Zeugen die Akteneinsicht, wäre nicht mehr nachvollziehbar, ob er Sachverhalte unbefangen aus seiner Erinnerung oder auf Grund der - ihm von seinem Beistand vermittelten Aktenlage darstellt. Vorhalte als Gedächtnisstütze würden ihren Sinn verlieren (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.). Die daraus resultierende Gefahr der Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung kann regelmäßig nicht hingenommen werden. Die Regelungen der §§ 58 Abs. 1 S. 1 und 243 Abs. 2 S. 1 StPO, welche die Unbefangenheit des Zeugen bei seiner Aussage sicherstellen sollen, zeigen, daß dem Gesetzgeber bewußt war, daß Qualität und Beweiswert einer Zeugenaussage ganz erheblich herabgesetzt sind, wenn dem Zeugen die Angaben des Angekl. oder der anderen Zeugen bekannt sind (vgl. von Schlieffen in Krekeler/Löffelmann, AnwK-StPO, Vorbemerkung zu § 48 Rn. 8). Folgerichtig hat die Rspr. wiederholt entschieden, daß der Zeuge seine Aussage ohne Kenntnis dessen machen soll, was Angekl. und andere Beweispersonen bekunden. Dadurch soll seine Unbefangenheit und seine Selbständigkeit der Darstellung erhalten bleiben (vgl. BGHSt 3, 386, 388; BGHR StPO § 338 Nr. 6 Zuhörer 6, 7). Eine Einsicht in die vollständigen Akten, insbes. in die Teile, die die Angaben anderer Zeugen und des Angekl. betreffen, verbietet sich daher grundsätzlich. Den Interessen des Zeugen kann regelmäßig durch Mitteilung des Beweisthemas und ggf. - wie vorliegend geschehen - durch Erteilung von Auskünften aus der Akte ausreichend Rechnung getragen werden.
Soweit der Ast. meint, die Beratung des Zeugen Z. über seine Rechte aus § 55 StPO nur in Kenntnis des Akteninhalts wahrnehmen zu können, ist zu bedenken, daß die Entscheidung über die Verfolgungsgefahr eine Rechtsfrage ist, über die das Gericht, nicht aber der Zeuge oder der Angekl. zu entscheiden hat (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 55 Rn. 10). Der Zeuge, der sich zur Auskunftsverweigerung berechtigt wähnt, ist auch im Ermittlungsverfahren ausreichend dadurch geschützt, daß ihm gem. § 161a Abs. 3 StPO der Weg zu einer gerichtlichen Entscheidung freisteht, - falls er mit Zwangsmitteln zu seiner Aussage bewegt werden soll. Im Falle einer unterlassenen Belehrung oder fehlerhaften Anwendung des § 55 StPO ist er zudem durch ein Verwertungsverbot in einem späteren Verfahren gegen sich geschützt (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Einleitung Rn. 55a und § 55 Rn. 17 m.w.N.).
b) Hinzu kommt, daß die Akteneinsicht durch den Zeugenbeistand in das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgende Recht des Besch. auf informationelle Selbstbestimmung eingreift. Die Vorschrift des § 406e StPO zeigt, daß der Gesetzgeber ?im schwierigen Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz, Verteidigungsinteressen, Wahrheitsfindung, Funktionsinteressen der Strafrechtspflege und dem legitimen, verfassungsrechtlich abzuleitenden Informationsanspruch des Verletzten einen vertretbaren Ausgleich' (LR-Hilger, StPO 25. Aufl., § 406e Rn. 3; vgl. auch BGHSt 39, 112, 116) gesucht hat und nur dem verletzten Zeugen regelmäßig ein Akteneinsichtsrecht zubilligen wollte. Selbst diesem insoweit begünstigten Zeugen kann nach § 406e Abs. 2 StPO im Interesse der Wahrheitsfindung und der Verfahrensökonomie die Akteneinsicht versagt werden. Erst recht ist daher dem nicht durch die Straftat verletzten Zeugen und seinem Beistand die Akteneinsicht zu verweigern, wenn dies die Verfahrenszwecke gefährdet.
c) Im Interesse der Wahrheitsfindung und einer unbeeinflußten Zeugenaussage ist die gem. § 475 Abs. 2 StPO grundsätzlich mögliche Akteneinsicht hier zu versagen, weil Zwecke des Strafverfahrens entgegenstehen (§ 477 Abs. 2 StPO). Im Hinblick auf die Unbefangenheit bei der Vernehmung wäre es nicht sachgerecht, dem Zeugen eine Vorbereitung seiner Aussage durch Akteneinsicht zu ermöglichen. Das dem Zeugen durch die Übersendung des Haftbefehls sowie durch das Schreiben des GBA v. 19. 10. 2007 mitgeteilte Beweisthema - sein enger Kontakt zu dem Besch. - bildet den Rahmen der anstehenden Zeugenbefragung. Der Zeuge hat sich aufgrund des Beweisthemas vorzubereiten und nicht aufgrund der Bewertung der verfahrensgegenständlichen Akten. Den schutzwürdigen Interessen des Zeugen ist durch die ihm gegebenen Informationen hinreichend Genüge getan. ..."
Auskünfte und Ermittlungen jeder Art § 161 StPO
(1) Zu dem in § 160 Abs. 1 bis 3 bezeichneten Zweck ist die Staatsanwaltschaft befugt, von allen Behörden Auskunft zu verlangen und Ermittlungen jeder Art entweder selbst vorzunehmen oder durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen zu lassen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln. Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes sind verpflichtet, dem Ersuchen oder Auftrag der Staatsanwaltschaft zu genügen, und in diesem Falle befugt, von allen Behörden Auskunft zu verlangen.
(2) Ist eine Maßnahme nach diesem Gesetz nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig, so dürfen die auf Grund einer entsprechenden Maßnahme nach anderen Gesetzen erlangten personenbezogenen Daten ohne Einwilligung der von der Maßnahme betroffenen Personen zu Beweiszwecken im Strafverfahren nur zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach diesem Gesetz hätte angeordnet werden dürfen. § 100d Abs. 5 Nr. 3 bleibt unberührt.
(3) In oder aus einer Wohnung erlangte personenbezogene Daten aus einem Einsatz technischer Mittel zur Eigensicherung im Zuge nicht offener Ermittlungen auf polizeirechtlicher Grundlage dürfen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu Beweiszwecken nur verwendet werden (Artikel 13 Abs. 5 des Grundgesetzes), wenn das Amtsgericht (§ 162 Abs. 1), in dessen Bezirk die anordnende Stelle ihren Sitz hat, die Rechtmäßigkeit der Maßnahme festgestellt hat; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Für die Gewährung von Akteneinsicht an Privatpersonen enthalten die §§ 475ff. StPO spezielle Vorschriften, die sowohl dem Schutz der Rechte des Beschuldigten als auch der Sicherung der Zwecke des Strafverfahrens (§ 477 II 1 StPO) dienen. Diese besonderen gesetzlichen Voraussetzungen können nicht unter Berufung auf das allgemeine staatsanwaltliche Ermessen bei der Auswahl der Ermittlungsmaßnahmen (vgl. § 161 I StPO) unterlaufen werden (BVerfG, Beschluss vom 18.03.2009 - 2 BvR 8/08 zu GG Art. 1 I, 2 I; StPO §§ 161 I, 475ff., NJW 2009, 2876 f).
Die Abfrage von Kreditkartendaten durch die StA bei Kreditkartenunternehmen stellt keinen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 I i.V. mit Art. 1 I GG dar, wenn die Kreditkartendaten bei den Unternehmen nur maschinell geprüft, mangels Übereinstimmung mit den Suchkriterien (hier: Abbuchungsbetrag, Zeitraum, Empfängerbank, Merchant-ID) aber nicht als Treffer angezeigt und der StA daher nicht übermittelt wurden. Die Abfrage von Kreditkartendaten, die sich auf eine konkret beschriebene Tathandlung (hier: Verschaffung des Zugangs zu einer Internetseite mit kinderpornografischen Inhalten durch Zahlung eines bestimmten Betrags an einen bestimmten Empfänger auf den Philippinen) beziehen, berührt die Kreditkarteninhaber, welche die Tatkriterien erfüllten und deren Daten daher an die StA übermittelt wurden, in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. § 161 I StPO ist jedoch eine verfassungsgemäße Ermächtigungsgrundlage für diesen Eingriff, der wie alle Ermittlungshandlungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen muss. Eine Rasterfahndung i.S. von § 98a StPO liegt nicht vor, wenn die Strafverfolgungsbehörde von privaten Stellen Auskünfte zu speziellen Täter-Daten erhält, also nicht die Gesamtdateien zum weiteren Abgleich mit anderen Dateien übermittelt bekommt. Kern der Rasterfahndung ist der Abgleich der herausgefilterten Datenbestände mehrerer Speicherstellen, der die Verknüpfung verschiedener Sachbereiche ermöglicht, um ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen (BVerfG, Beschluss vom 17.02.2009 - 2 BvR 1372, 1745/07, NJW 2009, 1405 ff).
*** (BGH)
Verwertungsverbot für verdecktes Verhör eines inhaftierten Beschuldigten durch einen als Besucher getarnten nicht offen ermittelnden Polizeibeamten unter Zwangseinwirkung (BGH, Beschluss vom 18.05.2010 - 5 StR 51/10 zu StPO §§ 110a, 136, 161, 163, MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1).
***
Zur Leitungs- und Kontrollbefugnis der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren - insbesondere bei Tötungsdelikten. Bereits mit Blick auf mögliche Beweisverwertungsverbote wegen fehlender oder nicht rechtzeitiger Belehrung als Beschuldigter nach §§ 136 I 2, 163a IV StPO oder mangels ?qualifizierter" Belehrung nach zunächst zu Unrecht erfolgter Vernehmung als Zeuge erfordert die der Staatsanwaltschaft zugewiesene Verantwortlichkeit, dass sie die ihr zustehenden Leitungs- und Kontrollbefugnisse auch effektiv ausübt. Dazu genügt es nicht, wenn sie lediglich Richtung und Umfang der von der Polizei vorzunehmenden Ermittlungen ganz allgemein vorgibt (BGH, Beschluss vom 27.05.2009 - 1 StR 99/09, NJW 2009, 2612 f):
?... In der Nacht vom 10. auf den 11. 11. 2007 befand sich die einjährige L, das Kind der Lebensgefährtin des Angekl., in ihrem Kinderbett, das sich im Schlafzimmer der Wohnung befand. Auch der Angekl. schlief in diesem Schlafzimmer, während L's Mutter, die Zeugin S, die Nacht im Wohnzimmer verbrachte. Gegen 2.30 Uhr begann L zu schreien, wodurch der Angekl. geweckt wurde. Er fühlte sich durch das Schreien des in dem Kinderbett stehenden, weinenden Kindes ?genervt' und wollte die störende Geräuschquelle um jeden Preis abstellen. Der Angekl. ging zu dem Kinderbett und schlug L mit der Hand zweimal kräftig ins Gesicht, wodurch diese stürzte, im Bett auf dem Rücken zum Liegen kam und weiter weinte. Der Angekl. würgte sie daraufhin so lange mit der rechten Hand am Hals, bis sie kein Lebenszeichen mehr von sich gab, insbesondere nicht mehr atmete und er sich dachte ?jetzt ist sie endlich still'. Sodann nahm er L aus dem Bettchen und vergewisserte sich, dass sie tot war. Anschließend legte er die Kinderleiche in Bauchlage zurück ins Bett und deckte sie zu, da er der Meinung war, so deute nichts auf eine gewaltsame Todesursache hin. Danach schlief der Angekl. in seinem Bett bis 8.30 Uhr. Auf Bitten der Zeugin S sah der Angekl. nach L und erklärte, dass sie sich nicht mehr bewege. Der verständigte Notarzt stellte gegen 9.09 Uhr den Tod des Kindes fest.
Das LG hat den Angekl. im Hinblick auf den hier dargestellten Vorgang wegen Mordes - im Übrigen wegen tatmehrheitlich begangener Misshandlung von Schutzbefohlenen in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung - zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angekl. blieb ohne Erfolg. ...
2. Der Verfahrensrüge liegt folgendes Geschehen zu Grunde: Noch am Tattag, dem 11. 11. 2007, wurde der Angekl. von der Polizei als Zeuge vernommen. Am 13. 11. 2007 wurde er zunächst erneut als Zeuge vernommen. Nachdem ihm eröffnet worden war, dass bei der am Vortag erfolgten, von der StA angeordneten Obduktion Verletzungen des getöteten Kindes festgestellt worden waren, wurde er gem. § 55 StPO belehrt. Anschließend wurde ihm ausdrücklich mitgeteilt, dass auf Grund des Verletzungsmusters der Verdacht bestehe, dass er etwas mit der Beibringung dieser Verletzungen zu tun habe.
Nachdem dem Angekl. auf seinen Wunsch hin eine fünfminütige Zigarettenpause gewährt worden war, erklärte er, er habe L am 11. 11. 2007 einen Schlag ins Gesicht gegeben und diese gewürgt, bis sie ruhig gewesen sei. Im Anschluss hieran wurde er nach §§ 136 I, 163a IV 2 StPO belehrt, allerdings ohne dass auf die Nichtverwertbarkeit seiner früheren Aussagen hingewiesen wurde (?qualifizierte Belehrung' - vgl. dazu BGH, NJW 2009, 1427 = NStZ 2009, 281), woraufhin er den äußeren Tathergang - auch zu den Vorwürfen der Misshandlung von Schutzbefohlenen und der gefährlichen Körperverletzung - detailliert, so wie vom LG festgestellt, schilderte.
Nach erneuter - wiederum nicht qualifizierter - Beschuldigtenbelehrung am Morgen des 14. 11. 2007 bestätigte der Angekl. seine am Vortag gemachten Angaben als vollumfänglich richtig. Bei der Haftbefehlseröffnung durch den Ermittlungsrichter am Nachmittag dieses Tages machte er zur Sache keine Angaben mehr. Zu Beginn der Hauptverhandlung ließ der Angekl. über seinen Verteidiger erklären, dass er das am 13. 11. 2007 abgelegte Geständnis widerrufe und im Übrigen von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch mache. Im Rahmen der Beweisaufnahme widersprach die Verteidigung rechtzeitig der Zeugenvernehmung der beiden polizeilichen Vernehmungsbeamten hinsichtlich der Vernehmungen des Angekl. am 13. und 14. 11. 2007.
3. Das Revisionsvorbringen genügt den Anforderungen des § 344 II 2 StPO jedenfalls deshalb, weil auf Grund der zulässig erhobenen Sachrüge ergänzend auf den Inhalt des Urteils zurückgegriffen werden kann (vgl. Senat, Beschl. v. 18. 7. 2007 - 1 StR 296/07, BeckRS 2007, 14490 [insow. nicht abgedr. in BGHR StPO § 52 Abs. 3 S. 1 Verzicht 1]; BGHSt 46, 189 [190f.] = NJW 2001, 528; BGHSt 45, 203 [204f.] = NJW 2000, 596 = NStZ 2000, 160 L m.w. Nachw.), das den Kern der Aussagen des Angekl. wiedergibt. Die Rüge ist jedoch aus den vom Generalbundesanwalt näher dargelegten Gründen unbegründet, weil das LG auf Grund der vorgenommenen Einzelfallabwägung (vgl. BGH, NJW 2009, 1427 = NStZ 2009, 281 [282]) die vom Angekl. im Rahmen seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung nach Belehrung gem. § 136 I 2 StPO gemachten Angaben - trotz unterbliebener qualifizierter Belehrung - zu Recht als verwertbar angesehen hat. Auch die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat keinen den Angekl. belastenden Rechtsfehler ergeben.
Die Urteilsgründe veranlassen jedoch zu dem Hinweis, dass Verfahrensvorgänge im Urteil grundsätzlich nicht zu erörtern sind. Insbesondere sind Ausführungen zur Verwertbarkeit von Beweismitteln von Rechts wegen nicht geboten. Zur Vermeidung der Überfrachtung der schriftlichen Urteilsgründe sind sie regelmäßig sogar tunlichst zu unterlassen (vgl. Senat, NStZ-RR 2007, 244 m.w. Nachw.).
4. Im Übrigen gibt der vorliegende Fall Anlass, auf Folgendes hinzuweisen:
a) Es ist nicht erst Sache der Hauptverhandlung und des Revisionsverfahrens, der immer größer werdenden praktischen Bedeutung der Beweisverwertungsverbote gerecht zu werden. Diese Aufgabe beginnt vielmehr bereits bei Einleitung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens (vgl. Schlothauer, in: Festschr. f. Lüderssen, 2002, S. 761 [772]).
Die StA leitet das Ermittlungsverfahren und trägt die Gesamtverantwortung für eine rechtsstaatliche, faire und ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens, auch soweit es durch die Polizei geführt wird (vgl. Nr. 1 RiStBV; Erb, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., Vorb. § 158 Rdnr. 21; Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., Einl. Rdnr. 41, § 160 Rdnr. 1, § 163 Rdnr. 3; Griesbaum, in: KK-StPO, 6. Aufl., § 160 Rdnr. 4, § 163 Rdnr. 2, jew. m.w. Nachw.). Auf Grund dieser umfassenden Verantwortung steht der StA gegenüber ihren Ermittlungspersonen ein uneingeschränktes Weisungsrecht in Bezug auf ihre auf die Sachverhaltserforschung gerichtete strafverfolgende Tätigkeit zu, vgl. § 161 I 2 StPO, § 152 I GVG (s. dazu Erb, in: Löwe/Rosenberg, Vorb. § 158 Rdnr. 33, § 161 Rdnr. 46, § 163 Rdnr. 7; Griesbaum, in: KK-StPO, § 163 Rdnrn. 2f.). Dabei kann sie konkrete Einzelweisungen zu Art und Durchführung einzelner Ermittlungshandlungen erteilen, Nrn. 3 II, 11 RiStBV, oder ihre Leitungsbefugnis im Rahmen der Aufklärung von Straftaten unabhängig vom Einzelfall durch allgemeine Weisungen im Voraus in Anspruch nehmen (vgl. Erb, in: Löwe/Rosenberg, § 163 Rdnr. 9; Meyer-Goßner, § 163 Rdnrn. 3f.; Griesbaum, in: KK-StPO, § 163 Rdnrn. 2f. m.w. Nachw.).
b) Bereits mit Blick auf mögliche Beweisverwertungsverbote wegen fehlender oder nicht rechtzeitiger Belehrung als Beschuldigter nach §§ 136 I 2, 163a IV StPO (vgl. dazu BGHSt 51, 367 = NJW 2007, 2706 = NStZ 2007, 653) oder mangels ?qualifizierter' Belehrung nach zunächst zu Unrecht erfolgter Vernehmung als Zeuge (vgl. dazu BGH, NJW 2009, 1427 = NStZ 2009, 281) erfordert die der StA zugewiesene Verantwortlichkeit, dass sie die ihr zustehenden Leitungs- und Kontrollbefugnisse auch effektiv ausübt. Dazu genügt es nicht, wenn sie lediglich Richtung und Umfang der von der Polizei vorzunehmenden Ermittlungen ganz allgemein vorgibt (vgl. Erb, in: Löwe/Rosenberg, Vorb. § 158 Rdnr. 39 m.w. Nachw.).
Jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art, bei denen es um die Aufklärung und Verfolgung von Tötungsdelikten geht, hat daher die StA, der derartige Fälle sofort anzuzeigen sind (vgl. § 159 I StPO), insbesondere den Status des zu Vernehmenden als Zeuge oder Beschuldigter klarzustellen und durch allgemeine Weisungen im Voraus oder durch konkrete Einzelweisungen eine ordnungsgemäße, rechtzeitige Beschuldigtenbelehrung gem. §§ 136 I 2, 163a IV StPO sicherzustellen. Wird ein Tatverdächtiger dennoch zu Unrecht als Zeuge vernommen, so hat sie wegen des Belehrungsverstoßes darauf hin zu wirken, dass dieser bei Beginn der nachfolgenden Vernehmung als Beschuldigter auf die Nichtverwertbarkeit der früheren Angaben hingewiesen wird (?qualifizierte Belehrung' - vgl. dazu BGH, NJW 2009, 1427 = NStZ 2009, 281). ..."
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Auskunftsverweigerungsrecht § 55 StPO
(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.
(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.
Leitsätze/Entscheidungen:
Aus dem Prozessgrundrecht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren lässt sich kein Rechtssatz des Inhalts ableiten, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnen Beweise stets unzulässig wäre. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass bei polizeilichen Vernehmungen Anwesenheitsrechte von Verteidigern und weiteren Beschuldigten nicht vorgesehen sind; Gleiches gilt für die an dem Gesetzeswortlaut des § 168c II StPO orientierte Auslegung, nach der ein derartiges Anwesenheitsrecht auch bei der richterlichen Vernehmung einer anderen Person als der eines Zeugen im Vorverfahren, namentlich eines Beschuldigten, grundsätzlich nicht besteht. Zu den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen, unter denen trotz Nichtgewährung des Konfrontationsrechts Zeugenaussagen bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden dürfen (BVerfG, Beschluss vom 05.07.2006 - 2 BvR 1317/05).
Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gefahr (erneuter) Strafverfolgung bei einem Zeugen nur dann zu bejahen, wenn eine Ermittlungsbehörde seiner wahrheitsgemäßen Aussage Tatsachen entnehmen könnte, die mittelbar oder unmittelbar einen Anfangsverdacht i.S. des § 152 II StPO begründen und sie zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens veranlassen könnten (BVerfG, Beschluss vom 30.04.2003 - 2 BvR 281/03).
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Ein Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden. In diese Gefahr geriete er dann, wenn eine Ermittlungsbehörde aus seiner wahrheitsgemäßen Aussage Tatsachen entnehmen könnte - nicht müßte -, die sie zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens veranlassen könnte. Da die Schwelle eines Anfangsverdachts i. S. d. § 152 II StPO niedrig liegt, ist auch das Bestehen einer entsprechenden Gefahr bereits weit im Vorfeld einer direkten Belastung zu bejahen:
?... LG und StA haben bei der Anwendung des § 55 I StPO die Tragweite des rechtsstaatlichen Grundsatzes, dass niemand gezwungen werden darf, gegen sich selbst auszusagen, verkannt und dadurch das Persönlichkeitsrecht des Bf. verletzt. Nach gefestigter Rechtsprechung des BVerfG wäre es mit der Menschenwürde eines Zeugen unvereinbar, wenn er zu einer Aussage gezwungen würde, durch die er die Voraussetzungen für seine eigene strafrechtliche Verurteilung liefern müsste (vgl. BVerfGE 38, 105, 113 = NJW 1975, 103; BVerfGE 56, 37, 49 = NJW 1981, 1431; BVerfG - 3. Kammer des 2. Senats StV 2001, 257). Als Folge dieses rechtsstaatlichen Grundsatzes gewährt § 55 I StPO dem Zeugen das Recht, die Auskunft auf solche Fragen zu verweigern, deren Beantwortung ihm die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden (vgl. BVerfGE 38, 105, 113 = NJW 1975, 103; BVerfG - 3. Kammer des 2. Senats StV 2001, 257). In eine solche Gefahr geriete der Zeuge dann, wenn eine Ermittlungsbehörde aus seiner wahrheitsgemäßen Aussage Tatsachen entnehmen könnte - nicht müsste -, die sie gem.§ 152 II StPO zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens veranlassen könnte (vgl. BGH NJW 1999, 1413; LR-Dahs 25. Aufl., § 55 Rn 10; KK-Senge 4. Aufl., § 55 Rn 4; Kleinknecht/Meyer-Goßner 45. Aufl., § 55 Rn 7; - jew. mwN). Da die Schwelle eines Anfangsverdachts i.S. des § 152 II StPO niedrig liegt, ist auch das Bestehen einer entsprechenden Gefahr bereits weit im Vorfeld einer direkten Belastung zu bejahen (vgl. LR-Dahs aaO). Hiervon geht auch das LG aus, indem es ein Auskunftsverweigerungsrecht i.S. des § 55 I StPO selbst für solche Tatsachen bejaht, die nur mittelbar einen Anfangsverdacht begründen können, und einem Zeugen dieses Recht für Angaben über bereits rechtskräftig abgeurteilte eigene Taten nur dann versagen will, wenn die Gefahr weiterer Verfolgung zweifellos ausgeschlossen ist. Diese Auslegung des § 55 I StPO ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
Jedoch haben LG und StA die Tragweite der durch Art. 2 I GG geschützten Selbstbelastungsfreiheit bei der Anwendung des § 55 StPO verkannt, indem sie dem Bf. ein Auskunftsverweigerungsrecht hinsichtlich der Lieferanten seiner bereits rechtskräftig abgeurteilten Betäubungsmittelgeschäfte mit der Begründung versagt haben, insoweit sei eine Verfolgungsgefahr zweifellos ausgeschlossen. Sowohl LG als auch StA sind davon ausgegangen, dass weitere, nicht vom Strafklageverbrauch umfasste Betäubungsmitteldelikte des Bf. im Raum stehen. Dies ergibt sich bereits aus ihrem Hinweis, es seien keine (unter Umständen für den Bf. gefährlichen) Fragen nach den weiteren Einzelheiten der abgeurteilten Betäubungsmittellieferungen beabsichtigt. Auch hat der Bf. im Ausgangsverfahren selbst eingeräumt, dass ein Teil seiner zurückliegenden Drogengeschäfte von dem amtsgerichtlichen Urteil nicht erfasst und daher noch verfolgbar sein könnten. Hat die StA demnach bereits Anhaltspunkte für weitere, noch nicht rechtskräftig abgeurteilte, Betäubungsmittelstraftaten des Bf., so kann nicht ausgeschlossen werden, dass er durch die von ihm verlangten Auskünfte - wenn auch nur mittelbar - neue Ermittlungsansätze hierzu liefern würde. Denn mit der Benennung seiner (oder seines) Betäubungsmittellieferanten würde er möglicherweise zugleich die (oder den) Beteiligten nicht vom Strafklageverbrauch umfasster Straftaten preisgeben. Da er die schon abgeurteilten Drogengeschäfte jedenfalls zum Teil mit demselben Dealer abgewickelt hatte, ist dies nicht nur denktheoretisch möglich, sondern tatsächlich zu befürchten. Schon hierdurch würde sich der - bislang nur in allgemeiner Form - gegen den Bf. bestehende Verdacht konkretisieren. Sodann müsste er damit rechnen, dass von ihm benannte Betäubungsmittellieferanten ihrerseits gegenüber der StA Angaben über weitere mit ihm abgeschlossene Drogengeschäfte machen und damit den gegen ihn bestehenden Tatverdacht zusätzlich erhärten könnten. Auch diese Gefahr besteht nicht nur theoretisch, weil im Bereich der Betäubungsmitteldelikte § 31 Nr. 1 BtMG dem Täter für eine über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus gehende Aufklärung der Straftat Strafmilderung verspricht (vgl. Körner BtMG, 5. Aufl., § 31 Rn 19) und so einen besonderen Anreiz für belastende Aussagen gegen Tatbeteiligte schafft. Da solche den Bf. belastenden Angaben eines zuvor von ihm selbst als eigenen Lieferanten bezeichneten Zeugen durchaus glaubhaft und nicht nur als eine zur Selbstentlastung erfundene Geschichte erschienen, muss der Bf. befürchten, durch die Benennung seiner (oder seines) Lieferanten Beweismittel gegen sich selbst zu liefern. Besteht die konkrete Gefahr, dass der Bf. der StA durch die Preisgabe seiner (oder seines) Betäubungsmittellieferanten die (oder den) Tatbeteiligten weiterer, noch verfolgbarer, eigener Delikte offenbaren, also Auskünfte über ?Teilstücke in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude" (vgl. BGH, NJW 1999 1413) geben und damit zugleich potenzielle Beweismittel gegen sich selbst liefern müsste, so ist ihm die Erteilung solcher Auskünfte nicht zumutbar. ..." (BVerfG, Beschluss vom 06.02.2002 - Az: 2 BvR 1249/01).
***
Ist über die Berechtigung einer auf § 55 StPO gestützten Auskunftsverweigerung zu entscheiden, muß das Gericht den verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass niemand gezwungen werden kann, gegen sich selbst auszusagen, berücksichtigen und sich in den Gründen der Entscheidung mit der Glaubhaftigkeit der vom Betroffenen abgegebenen Erklärungen auseinander setzen (BVerfG StV 1999, 71).
*** (BGH)
?... Straftaten, die erst durch die Aussage selbst begangen wurden, können ein Auskunftsverweigerungsrecht des Zeugen gemäß § 55 StPO nicht begründen (h.M., vgl. BGHSt 50, 318 ff.; BGH bei Dallinger, MDR 1958, 14; Ignor/Bertheau in LR-StPO, 26. Aufl., § 55 Rn. 12). Dies hat die Strafkammer an sich auch nicht verkannt. Ihre Auffassung, hier gelte anderes, weil die Zeugin durch die Anfertigung der schriftlichen Erklärung den Versuch einer Strafvereitelung zugunsten des Angeklagten begangen habe, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Herstellung eines schriftlichen Textes, den der Zeuge als seine Aussage bei seiner Vernehmung verlesen will und abliest, enthält keinen über die falsche Aussage hinausgehenden Unrechtsgehalt. Bei der Anfertigung der Erklärung handelt es sich also um eine straflose Vorbereitungshandlung (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1982 - 2 StR 314/81, BGHSt 31, 10 ff.; BGH, Urteil vom 18. März 1982 - 4 StR 565/81, JZ 1982, 434 f.).
Die Entscheidungen, auf die sich die Strafkammer zum Beleg ihrer gegenteiligen Auffassung beruft, ergeben nichts anderes. In einem Fall (BayObLG, Beschluss vom 1. April 1999 - 5 St RR 49/99) hatte nicht der Zeuge selbst seine Falschaussage vorbereitet, sondern ein außenstehender Dritter versucht, einen Zeugen zu einer Falschaussage zu veranlassen. In einer weiteren von der Strafkammer herangezogenen Entscheidung (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. November 1992 - 2 Ss 195/92, MDR 1993, 368) hatte ein Bekannter des Angeklagten schriftliche Falscherklärungen angefertigt und diese über die gutgläubige Verteidigerin zu den Akten gegeben, um seine Benennung als Zeuge zu erreichen. Hier liegt der Unterschied zur vorherigen Fallgestaltung darin, dass der Zeuge durch seine inhaltlich falsche schriftliche Erklärung seine Vernehmung erst herbeigeführt hat, während die Zeugin L. ihre ohnehin vorgesehene Vernehmung vorbereitet hat. Die schriftliche Erklärung der Zeugin war für ihre Vernehmung nicht kausal.
Eine versuchte Strafvereitelung könnte daher allenfalls in der Aussage der Zeugin selbst liegen, die, wie dargelegt, ein Auskunftsverweigerungsrecht nicht begründen kann. Auf die Frage, ob die Zeugin durch ihre Aussage vom 16. Dezember 2010 von einem etwaigen Versuch der Strafvereitelung zurückgetreten sein könnte, kommt es daher nicht mehr an. ..." (BGH, Beschluss vom 22.03.2012 - 1 StR 359/11)
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Beweiswürdigung bei Verurteilung aufgrund von durch Vernehmungsbeamte eingeführte belastende Angaben eines die Auskunft verweigernden Zeugen (BGH, Beschluss vom 20.10.2010 - 2 StR 377/10):
?... Das LG hat den Angekl. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Btm in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 J. und 6 M. verurteilt und im Übrigen freigesprochen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat - ohne dass es auf Verfahrensbeanstandungen ankommt - mit der Sachrüge Erfolg.
I. 1. Das LG hat folgende Feststellungen getroffen:
a) Am 20.08.2009 übersandte der nicht revidierende Mitangekl. W. nach telefonischer Anforderung bei dem Angekl. A. in einem - später sichergestellten Paket - 584 Gramm Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 28,9 Gramm Amphetaminbase an einen unbekannt gebliebenen Abnehmer in Niedersachsen. Dieses in einem Schuhkarton verstaute Rauschgift hatte er zuvor aus der Wohnung des Angekl. A. abgeholt und - nachdem er sich per SMS bei dem ihm ebenfalls bekannten Abnehmer dessen Anschrift besorgt hatte - im eigenen Zuhause versandfertig gemacht.
b) Am Morgen des 28.08.2009 vereinbarte der Angekl. W. telefonisch mit einem Anrufer namens C. die Lieferung von 4 kg Amphetamin und 1 kg Amphetaminpaste, falls letzteres nicht verfügbar sei, 6 kg Amphetamin. Dieses sollte zwischen 18.00 und 18.30 Uhr bei dem Angekl. W. abgeholt werden. Entweder besorgten die beiden Angekl. in den folgenden Stunden das bestellte Rauschgift oder sie hatten es noch in den Kellerräumen des Angekl. A. vorrätig. Gegen 17.00 Uhr klingelte der Mitangekl. W. bei dem Angekl. A. an dessen Haustür, betrat das Haus und kündigte in einem gleichzeitig geführten Telefonat an, dass er nicht in die Wohnung hochkommen wolle. Entsprechend seiner Ankündigung kam der Angekl. A. zu W. herunter, der in der Zwischenzeit das im Keller deponierte Rauschgift an sich gebracht hatte. Kurze Zeit später verließ W. mit einer mit dem Rauschgift gefüllten Sporttasche das Haus und fuhr sodann nach Hause zurück, während der Angekl. A. ebenfalls das Haus verließ und schließlich als Beifahrer mit einem anderen Fahrzeug davonfuhr. Kurz vor 19.00 Uhr erschienen drei Personen bei dem Mitangekl. W., brachten das dort bereit liegende Rauschgift gewaltsam an sich und fuhren in einem mit einer weiteren Person besetzten Kfz davon. Drei der vier Personen konnten später festgenommen werden; 5.271,7 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt von 64,92 Gramm Amphetaminbase wurden sichergestellt.
2. Der Mitangekl. W. hat die Tatvorwürfe überwiegend eingeräumt; hinsichtlich des Mitangekl. A. hat er angegeben, dieser habe im Falle der Versendung der Btm lediglich den Kontakt zu dem Abnehmer vermittelt, jedoch damit nichts zu tun haben wollen und sodann auch nichts von dem besorgten Rauschgift erhalten. Von der geplanten Veräußerung am 28.08.2009 habe der Angekl. A. nichts gewusst: Er sei nur zu ihm gefahren, um dort für ihn bereit gestellte Wäsche abzuholen. Der Angekl. A. hat - abgesehen davon, dass er eingeräumt hat, dem Angekl. W. von dem Ansinnen seines Bekannten nach Lieferung von Amphetamin berichtet zu haben - in einer Verteidigererklärung eine weitere Tatbeteiligung bestritten.
3. Das LG hält die von den getroffenen Feststellungen abweichenden Angaben der Angekl. für nicht plausibel und überzeugend. Die Kammer hat angesichts des Gesamtbildes - obwohl der Angekl. A. nie selbst mit Btm beobachtet worden sei - keinen vernünftigen Zweifel daran, dass der Angekl. A. täterschaftlich unerlaubt mit Btm in nicht geringer Menge Handel getrieben habe. Die Angekl. hätten mehrfach verdeckt über Rauschgift gesprochen. Der Zeuge N. E. K., der in der Hauptverhandlung teilweise von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe, habe im Ermittlungsverfahren Erkenntnisse einer V-Person ?P.' bestätigt, beide Angekl. hätten seit geraumer Zeit im Kilobereich mit Rauschgift gehandelt, wobei als Aufbewahrungsort der zur Wohnung des Angekl. A. zählende Keller gedient habe. Dass in den Kellerräumen bei einer Durchsuchung am 28.08.2009 keine Btm gefunden worden seien, spreche nicht dagegen, eine wirkliche Durchsuchung habe in den zahlreichen Kellerräumen mit weitverzweigten großen Räumlichkeiten nicht stattgefunden. Warum die polizeilichen Ermittler gleichwohl von einer täterschaftlichen Beteiligung des Angekl. A. ausgegangen seien, habe der Zeuge KHK R. hinsichtlich dessen Glaubwürdigkeit wie auch bei den anderen Ermittlungsbeamten keine Bedenken bestünden, anschaulich geschildert. Trotz verschlüsselter Sprechweise in den seit 05.08.2009 überwachten Telefonaten sei sog. ?Ameisenverkehr' (Verkauf von Rauschgift in kleinen Mengen) festgestellt worden; zwischen den Angekl. seien mehrfach zu ihrem arbeitsteiligen Handeln passende Absprachen, wie z.B. Verabredungen zu gemeinsamen mutmaßlichen Drogenbeschaffungsfahrten, getroffen worden. Außerdem habe der Mitangekl. W. sehr häufig bei A. alle mögliche Dinge geholt und sich dabei sehr oft im Keller aufgehalten. Zu diesen, eine Täterschaft des Angekl. A. belegenden Indizien passten neben den ihm vorgehaltenen Verschriftungen der abgehörten Telefonate (insbes. eines v. 28.08.2009, in dem er W. gefragt habe, ob ?der' sich schon gemeldet habe, und dieser darauf geantwortet habe, er schicke jemanden gegen 18.00 Uhr) die strafrechtlichen Vorbelastungen des Angekl. A. Dagegen sprächen indes nicht die Bekundungen der Zeugen Ne. und N. E. K. in der Hauptverhandlung, die beide erkennbar bemüht gewesen seien, nicht ein weiteres Strafverfahren auf sich zu ziehen, und deren Angaben von offensichtlichen Tendenzen zu Gunsten der Angekl. geprägt gewesen seien. Es sei nicht glaubhaft, dass N. E. K. seine im Ermittlungsverfahren gemachten belastenden Angaben nicht aufrechterhalten und sein Bruder Ne. E. K. bekundet habe, nichts von den Drogengeschäften der Angekl. gewusst zu haben.
II. Die Beweiswürdigung des LG, die hinsichtlich der zur Verurteilung führenden Taten nicht differenziert, hält sachlicher Nachprüfung nicht stand. Sie erweist sich aus mehreren Gründen als rechtsfehlerhaft.
1. a) Die Annahme, auch der Angekl. A. sei an den Taten des Mitangekl. W. beteiligt und habe täterschaftlich unerlaubt mit Btm in nicht geringer Menge Handel getrieben, stützt die Kammer vor allem auch auf die Aussage des Zeugen N. E. K. im Ermittlungsverfahren, wonach dieser Erkenntnisse der V-Person ?P.', beide Angekl. handelten seit geraumer Zeit im Kilogrammbereich mit Rauschgift, konkretisiert und bestätigt habe. Diese Angaben hat der Zeuge in der Hauptverhandlung allerdings nicht wiederholt, er hat vielmehr lediglich bekundet, beide Angekl. zu kennen und mit dem Angekl. A. befreundet gewesen zu sein.
Bei diesen wechselnden Aussagen hätte sich das LG eingehend mit der Glaubwürdigkeit des Zeugen auseinandersetzen müssen. Es hätte sich nicht damit begnügen dürfen, auf die Überzeugungskraft der Aussage der Polizeibeamten abzustellen, die den Zeugen im Ermittlungsverfahren vernommen hatten und in der Hauptverhandlung hierüber und über ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angekl. berichteten, und ansonsten lediglich festzustellen, dass die Nichtaufrechterhaltung der Tatvorwürfe nicht glaubhaft sei. Das LG versäumt es nicht nur darzulegen, wie der Zeuge in der Hauptverhandlung seinen Aussagewechsel begründet oder erklärt hat; es sieht darüber hinaus an dieser Stelle nicht, dass der Zeuge im Hinblick auf einen Vorfall v. 20.07.2009, bei dem ihn - wie er berichtet habe - die Angekl. wegen angeblicher Geldforderungen gegen seinen Bruder Ne. E. K. angegriffen hätten, womöglich ein Motiv gehabt haben könnte, den Angekl. A. zu Unrecht zu belasten. Dass die Kammer insoweit feststellt, der vernehmende Beamte habe den Eindruck gehabt, der Angekl. A. sei zwar verärgert gewesen, habe aber aus freien Stücken Angaben zu Beteubungsmittelaktivitäten der beiden Angekl. gemacht, besagt für sich noch nichts für die Frage, ob es sich bei den Angaben im Ermittlungsverfahren um eine zutreffende Belastung gehandelt hat, und entbindet im Übrigen nicht von einer eigenen Glaubwürdigkeitsprüfung durch die Kammer.
b) Daran ändert auch nichts der Umstand, dass die Kammer die Angaben des Zeugen durch weitere Indizien bestätigt sieht. Der pauschale Hinweis auf sog. ?Ameisenverkehr' bei beiden Angekl., der offenbar nicht selbst beobachtet worden ist, lässt offen, aufgrund welcher konkreten Gesprächsinhalte die Kammer zu der Annahme gelangt ist, dass (potentielle) Käufer gerade auch den Angekl. A. aufgesucht und von diesem Rauschgift in kleinen Mengen erworben haben. Die mögliche Kenntnis des Angekl. A. von Drogengeschäften des Mitangekl. W., die sich auch aus dem abgehörten Telefonat v. 28.08.2009 ergibt und die A. im Übrigen gar nicht in Abrede stellt, genügte nicht für eine Verurteilung wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Btm.
Dass Verabredungen zu mutmaßlichen Drogenbeschaffungsfahrten in die Niederlande nicht Grundlage für eine Bestätigung der Angaben des Zeugen N. E. K. im Ermittlungsverfahren sein können, bedarf keiner weiteren Darlegung.
Schließlich kann auch die Beobachtung, dass der Mitangekl. W. sehr häufig bei A. alle möglichen Dinge geholt und sich dabei oft auch im Keller aufgehalten habe, nicht als eine solche Bestätigung angesehen werden. Dass der Angekl. W. bei diesen Gelegenheiten außer ?allen möglichen Dingen' dort auch Btm mitgenommen hat, konnte positiv ersichtlich gerade nicht festgestellt werden. Allein der Aufenthalt im Keller ist aber ein an sich neutrales Verhalten, das seine Bedeutung im vorliegenden Verfahren lediglich vor dem Hintergrund der Angaben des Zeugen N. E. K. gewinnt und deshalb allenfalls eingeschränkt zur Bestätigung von dessen Angaben geeignet ist. Fehlt es aber an einer genügenden Bestätigung der Angaben des Zeugen N. E. K., der lediglich Zeuge vom Hörensagen ist, kann hierauf eine Verurteilung des Angekl. A. nicht gestützt werden (vgl. BGHSt 44, 153, 158; BGH NStZ 2002, 656, 657 [= StV 2002, 588]).
2. Das LG hat die Angekl. in einem weiteren Fall freigesprochen, ohne im Einzelnen die Gründe hierfür darzulegen. Gegenstand der Anklage war insoweit der Vorwurf einer Veräußerung von ca. 2 kg Amphetamin an den Zeugen Ne. E. K., der die Angekl. im Ermittlungsverfahren - anders als in der Hauptverhandlung - entsprechend belastet haben muss. Warum die Kammer nunmehr aufgrund der Angaben des Zeugen in der Hauptverhandlung zu einem Freispruch in diesem Fall gelangt, hinsichtlich der beiden anderen Tatvorwürfe dagegen zu Verurteilungen kommt, obwohl die auch diese Taten betreffenden Angaben des Zeugen wohl auch insoweit ?von offensichtlichen Tendenzen zu Gunsten der Angekl.' geprägt gewesen sind, teilt sie nicht mit. Dies aber wäre erforderlich gewesen, zunächst um festzustellen, ob womöglich eine Fallkonstellation vorliegt, in der das Gericht der Aussage eines Zeugen teils Glauben schenkt, ihn teils für unglaubhaft hält und deshalb besondere Anforderungen an eine Würdigung einer solchen Aussage bestehen (vgl. BGHSt 44, 256, 257; BGH NStZ 2002, 656, 657 [= StV 2002, 588]). ..."
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Zum Umfang des Auskunftsverweigerungsrechts bei Organisationsdelikten (BGH, Beschluss vom 04.08.2009 - StB 37/09):
?... I. Vor dem 2. Strafsenat des OLG Düsseldorf findet zurzeit die Hauptverhandlung gegen den Angekl. E. statt. Diesem wird im wesentlichen vorgeworfen, Mitglied des Zentralkommitees der DHKP-C gewesen zu sein und in dieser Eigenschaft von Deutschland aus in den Jahren 1993 bis 2005 an der Begehung mehrerer Terroranschläge in der Türkei mitgewirkt zu haben bzw. für diese verantwortlich zu sein.
In der Sitzung v. 02. 07. 2009 wurde der Bf. als Zeuge vernommen. Auf die Frage des Sitzungsvertreters des GBA, ob er eine Person namens A. kenne, hat der Zeuge zunächst die Auskunft unter Berufung auf § 55 StPO verweigert und diese Frage nach der Feststellung des Strafsenats, daß er hierzu nicht berechtigt ist, mit ?Ja' beantwortet. Auf die folgende Frage des Sitzungsvertreters, aus welchem Zusammenhang er den A. kenne, hat der Bf. unter Berufung auf § 55 StPO erneut die Antwort verweigert und an dieser Weigerung festgehalten, nachdem der Strafsenat wiederum seine fehlende Berechtigung zur Auskunftsverweigerung festgestellt hatte. Deswegen hat das OLG gegen den Zeugen unter Auferlegung der durch dessen Auskunftsverweigerung verursachten Kosten ein Ordnungsgeld von 500 ?, ersatzweise für je 100 ? einen Tag Ordnungshaft, angeordnet und die Verhängung von Beugehaft angedroht.
Nachdem der Zeuge die Auskunft weiterhin verweigert hatte, hat das OLG zur Erzwingung des Zeugnisses Haft bis zu einer Dauer von 3 M. gegen den Bf. beschlossen und dessen Inhaftnahme sowie Vorführung zum nächsten Hauptverhandlungstermin am 03. 08. 2009 verfügt. Gegen diese Anordnung von Beugehaft richtet sich die Beschwerde des Zeugen, der das OLG nicht abgeholfen hat.
II. Das Rechtsmittel ist gem. § 304 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StPO zulässig und hat Erfolg, weil dem Bf. hinsichtlich der nicht beantworteten Frage ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Abs. 1 StPO zusteht.
1. Die Gefahr einer Strafverfolgung i.S.d. § 55 StPO setzt voraus, daß der Zeuge Tatsachen bekunden müßte, die - nach der Beurteilung durch das Gericht - geeignet sind, unmittelbar oder mittelbar den Anfangsverdacht einer von ihm selbst oder von einem Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) begangenen Straftat zu begründen oder einen bereits bestehenden Verdacht zu bestärken. Bloße Vermutungen ohne Tatsachengrundlage oder rein denktheoretische Möglichkeiten reichen für die Annahme einer Verfolgungsgefahr nicht aus (vgl. BGH NJW 1994, 2839 [= StV 1994, 524]; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 55 Rn. 7). Eine das Recht zur Auskunftsverweigerung begründende Verfolgungsgefahr i.S.d. § 55 Abs. 1 StPO besteht grundsätzlich dann nicht mehr, wenn gegen den Zeugen hinsichtlich der Tat, deren Begehung er sich durch wahrheitsgemäße Beantwortung der Frage verdächtig machen könnte, bereits ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, die Strafklage daher verbraucht ist, oder die Straftat verjährt wäre und deswegen zweifelsfrei ausgeschlossen ist, daß er für diese noch verfolgt werden könnte (vgl. Meyer-Goßner a.a.O. Rn. 8 m.w.N.).
a) Hinsichtlich des Strafklageverbrauchs gelten im Bereich der Organisationsdelikte grundlegende Besonderheiten: Danach werden im Vergleich zu §§ 129, 129a, 129b StGB schwerere Straftaten, die mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung in Tateinheit stehen, dann nicht von der Rechtskraft eines allein wegen dieser Beteiligung ergangenen Urteils erfaßt, wenn sie in dem früheren Verfahren tatsächlich nicht - auch nicht als mitgliedschaftlicher Beteiligungsakt - Gegenstand der Anklage und der Urteilsfindung waren (BGHSt 29, 288). Daher ist ein wegen eines Organisationsdelikts Verurteilter durch die Rechtskraft des früheren Urteils nur vor weiterer Strafverfolgung wegen dieses Delikts und tateinheitlich mit diesem zusammentreffender weiterer, nicht schwerer wiegender Straftaten geschützt (st.Rspr.; vgl. BGH NStZ 2002, 607, 608).
b) Eine Verfolgungsgefahr ist bei Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung ferner dann nicht auszuschließen, wenn zwischen der abgeurteilten Tat und anderen Straftaten, derentwegen der Zeuge noch verfolgt werden könnte, ein so enger Zusammenhang besteht, daß die Beantwortung von Fragen zu der abgeurteilten Tat die Gefahr der Verfolgung wegen dieser anderen Taten mit sich bringt (vgl. NStZ-RR 2006, 239 [= StV 2006, 508]; NStZ 2006, 509; StraFo 2008, 423 m.w.N.)
Ein entsprechender Zusammenhang kann auch bei einem - insoweit bereits rechtkräftig verurteilten - Mitglied einer terroristischen Vereinigung gegeben sein, wenn es so in die Strukturen der Vereinigung eingebunden, insbes. in einer derart herausgehobenen Stellung tätig war, daß er schon deswegen (allg.) oder aufgrund der spezifischen Sachzusammenhänge weiterer Straftaten verdächtig ist, die aus der Vereinigung heraus begangen worden sind und für die nach obigen Grundsätzen in seiner Person Strafklageverbrauch nicht eingetreten ist. Die von einer terroristischen Vereinigung begangenen Straftaten sind vielfach dadurch gekennzeichnet, daß sie von einem begrenzten Kreis von Tätern begangen werden, die sich kennen oder zumindest voneinander wissen, untereinander - teils über Dritte - in (konspirativem) Kontakt stehen und von den terroristischen Aktivitäten der anderen Mitglieder zumindest aus Treffen, internen Mitteilungen oder Gesprächen Kenntnis haben. Daher kann schon die Aufdeckung der Zusammenhänge des Sichkennens einzelner Mitglieder der Vereinigung nicht selten auch Rückschlüsse über deren Beteiligung sowie der von weiteren Mitgliedern an (anderen) Taten der Vereinigung zulassen, so daß diese Erkenntnisse - unter Umständen mit weiteren schon bekannten Tatsachen - ?Teilstücke in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude' werden können (vgl. BVerfG NJW 2002, 1411 [= StV 2002, 177]; NJW 1999, 1413 m.w.N. [= StV 1999, 351]).
2. Nach diesen Maßstäben kann die angefochtene Entscheidung nicht bestehen bleiben. Für den Bf. ist bei Beantwortung der Frage eine Verfolgungsgefahr nicht ausgeschlossen.
a) Der Zeuge wurde durch Urteil des Hanseatischen OLG Hamburg v. 05. 01. 2000 rechtskräftig wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung zur Freiheitsstrafe von 6 J. 6 M. verurteilt, die er bis zum Jahr 2005 verbüßt hat. Dieser Verurteilung lag zu Grunde, daß der Bf. nach seiner Einreise nach Deutschland im Februar 1992 führender Funktionär der DHKP-C und zunächst von Anfang 1995 bis zu seiner (ersten) Verhaftung Mitte 1995 sowie erneut spätestens ab September 1997 sogar Deutschland- und Europaverantwortlicher dieser Vereinigung war.
b) Wegen dieser (herausgehobenen) Führungsrolle innerhalb der DHKP-C ist nicht ausgeschlossen, daß der Bf. in den 1990er Jahren an weiteren, bislang nicht abgeurteilten Straftaten in Deutschland und in der Türkei - etwa an solchen, wie sie dem Angekl. E. zur Last liegen - beteiligt war, für die Strafklageverbrauch durch seine Verurteilung durch das Hanseatische OLG Hamburg nach den oben dargestellten Maßstäben nicht eingetreten ist und die auch noch nicht verjährt sind. Bei (wahrheitsgemäßer) Beantwortung der Frage, aus welchem Zusammenhang er den A. kenne, bestünde für den Bf. die Gefahr, daß er durch Preisgabe der Hintergründe und des Zusammenhangs seiner Beziehung zu dieser Person zugleich auch Umstände zu weiteren eigenen, noch verfolgbaren Straftaten offenbart oder dadurch ein bestehender Verdacht verstärkt wird. Dies wird insbes. bei Berücksichtigung des Umstandes deutlich, daß nach - im Dezember 2004 gem. § 153c Abs. 1 Nr. 3 StPO abgeschlossenen - Ermittlungen der früheren GStA bei dem Bayerischen Obersten LG gegen A. wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer (inländischen) terroristischen Vereinigung dieser ab Januar 1998 bis zur (zweiten) Festnahme des Bf. am 15. 10. 1999 dessen Fahrer und Sekretär gewesen sein soll. Bei dieser Sachlage ist es zumindest nicht ausgeschlossen, daß sich durch die begehrte Auskunft die konkrete Gefahr einer Strafverfolgung des Bf. für vor Oktober 1999 begangene Straftaten ergibt. Daher kommt es nicht mehr darauf an, ob dem Bf. - wie dieser mutmaßt - durch die Beantwortung der Frage die Verfolgung von Straftaten droht, die er nach seiner Haftentlassung im Jahre 2005 begangen haben könnte. ..."
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Wird ein Zeuge in der Hauptverhandlung nicht vernommen, weil er sich vorab auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO berufen hat, so darf seine Vernehmung nicht durch Verlesung von ihm stammender früherer schriftlicher Erklärungen gemäß § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO ersetzt werden (BGH, Urteil vom 27.04.2007 - 2 StR 490/06 zu StPO §§ 251 Abs. 1 Nr. 2, 250 Satz 2, 55)
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?... Der Freispruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit der Aufklärungsrüge gemäß § 244 Abs. 2 StPO die unterlassene Vernehmung des Zeugen H. I. in der Hauptverhandlung. Diesem habe kein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO zugestanden. Die Rüge greift durch.
a) Ihr liegt folgendes Geschehen zugrunde:
Nachdem der Zeuge H. I. sich in der Hauptverhandlung auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht berufen hatte, wurde ihm dieses zunächst durch Verfügung des Vorsitzenden und schließlich durch Kammerbeschluss zugestanden. In diesem Beschluss wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Ordnungs- und Zwangsmittel gegen den Zeugen zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Zeuge G. habe bekundet, er vermute, H. I. sei wirklich "groß im Geschäft gewesen" und Y. I. müsse der Chef der ganzen Bande gewesen sein. Da auch der Zeuge Kr. bei seiner Beschuldigtenvernehmung bestätigt habe, H. I. sei "groß im Geschäft gewesen", bestehe der Verdacht, H. I. habe weitere Straftaten begangen, die noch nicht rechtskräftig abgeurteilt seien. Er müsse demnach damit rechnen, dass der Angeklagte seinerseits Angaben nach § 31 BtMG machen würde, die ihn - den Zeugen - belasten würden. Im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts NJW 2002, 1411, 1412 stehe dem Zeugen bei dieser Sachlage ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zu. Zudem gebe es Differenzen zwischen seinen bisherigen richterlichen Aussagen.
b) Das Landgericht hat ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht des Zeugen H. I. nicht tragfähig begründet.
Das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO kann grundsätzlich nur in dem Umfang greifen, in welchem die Befragung sich auf Vorgänge richtet, die im Verhältnis zu den abgeurteilten Geschehen andere Taten im verfahrensrechtlichen Sinn des § 264 Abs. 1 StPO darstellen würden. Dabei genügt es, wenn der Zeuge über Vorgänge Auskunft geben müsste, die den Verdacht gegen ihn mittelbar begründen, sei es auch nur als Teilstück in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude (BGH NJW 1999, 1413, 1414; BGHR StPO § 55 Abs. 1 Verfolgung 1). Besteht die konkrete Gefahr, dass er durch eine wahrheitsgemäße Aussage zugleich potentielle Beweismittel gegen sich selbst wegen noch verfolgbarer eigener Delikte liefern müsste, so ist ihm die Erteilung solcher Auskünfte nicht zumutbar (BVerfG NJW 2002, 1411, 1412).
Eine solche Gefahr der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Zeugen H. I. hat das Landgericht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt dargetan.
Die pauschalen Bekundungen anderer Zeugen, H. I. sei groß im Rauschgiftgeschäft tätig gewesen, sind keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO zur Einleitung weiterer, über die abgeschlossenen hinausgehenden Verfahren.
Auch die Benennung seines Rauschgiftlieferanten in der Hauptverhandlung begründet keine weitere Gefahr der Strafverfolgung für den Zeugen H. I. , die der Selbstbelastungsfreiheit unterliegt. In der vom Landgericht zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ging es um die erstmalige Preisgabe unbekannter Rauschgiftlieferanten, die nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die Gefahr für den Beschwerdeführer beinhaltete, zumindest mittelbare Ansatzpunkte für eine Strafverfolgung wegen von ihm begangener weiterer, nicht abgeurteilter Betäubungsmitteldelikte zu liefern. Im vorliegenden Fall war der Lieferant des Zeugen H. I. aufgrund seiner eigenen Angaben jedenfalls seit dem Jahre 2002 bekannt. Sollte seine erneute Benennung als Rauschgiftlieferanten durch den Zeugen in der Hauptverhandlung den Angeklagten dazu veranlassen, möglicherweise den Zeugen über die bereits bekannten Taten hinausgehend zu belasten, so ist dies vom Schutzzweck der verfassungsrechtlich verbürgten Selbstbelastungsfreiheit nicht umfasst (BVerfG NJW 2003, 3045, 3046).
Die Gefahr der Strafverfolgung wegen eines Aussagedeliktes hat das Landgericht nicht konkretisiert.
c) Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer zu einer anderen Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gelangt wäre, wenn sie den Zeugen H. I. in der Hauptverhandlung vernommen hätte, weil sie selbst die fehlende Gewinnung eines persönlichen Eindrucks und die fehlende Möglichkeit von Fragestellungen zur Begründung ihrer Zweifel anführt.
Schon aufgrund der Verfahrensrüge muss das Urteil aufgehoben werden. ...." (BGH, Beschluss vom 19.12.2006 - 1 StR 326/06)
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Liegt einer sachleitenden Anordnung des Vorsitzenden eine strafprozessuale Regelung zugrunde, die ihm einen Beurteilungsspielraum oder Ermessen eröffnet, so kann ein Verfahrensbeteiligter die Revisionsrüge, die Maßnahme habe die Grenzen des Beurteilungsspielraums bzw. Ermessens überschritten, grundsätzlich nur dann zulässig erheben, wenn er in der Hauptverhandlung von dem Rechtsbehelf nach § 238 Abs. 2 StPO Gebrauch gemacht hat. Hat der Vorsitzende einem Zeugen unter Verletzung seines Beurteilungsspielraums zu Unrecht ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO zugebilligt, so kann ein Verfahrensbeteiligter eine Verfahrensrüge hierauf demgemäß im Allgemeinen nur dann stützen, wenn er in der Hauptverhandlung die Entscheidung als unzulässig beanstandet hat (BGH, Urteil vom 16.11.2006 - 3 StR 139/06).
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Zwar besteht eine das Recht zur Auskunftsverweigerung begründende Verfolgungsgefahr grundsätzlich dann nicht mehr, wenn gegen den Zeugen ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Gleichwohl ist eine Verfolgungsgefahr dann nicht auszuschließen, wenn zwischen der abgeurteilten Tat und anderen Straftaten, deretwegen der Zeuge noch verfolgt werden könnte, ein so enger Zusammenhang besteht, daß die Beantwortung von Fragen zu der abgeurteilten Tat die Gefahr der Verfolgung wegen dieser anderen Taten mit sich bringt (BGH, Beschluß vom 28.4.2006 - StB 1/06 - 1 BJs 322/85 - 2).
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?... Die - hinsichtlich der Erzwingungshaft zulässige (§ 304 Abs. 5 StPO) - Beschwerde hat Erfolg. Der Antrag der Bundesanwaltschaft war zurückzuweisen, weil der Beschwerdeführerin hinsichtlich aller Fragen ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Abs. 1 StPO zustand.
1. Allerdings besteht eine das Recht zur Auskunftsverweigerung begründende Verfolgungsgefahr im Sinne des § 55 Abs. 1 StPO grundsätzlich dann nicht mehr, wenn gegen den Zeugen ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, die Strafklage daher verbraucht ist und deswegen zweifelsfrei ausgeschlossen ist, dass er sich durch seine Antwort der Gefahr der Strafverfolgung aussetzt.
Eine solche Gefahr wird jedoch vielfach nicht auszuschließen sein, wenn zwischen der abgeurteilten Tat und anderen Straftaten, deretwegen der Zeuge noch verfolgt werden könnte, ein so enger Zusammenhang besteht, dass die Beantwortung von Fragen zu der abgeurteilten Tat die Gefahr der Verfolgung wegen dieser anderen Taten mit sich bringt. Das ist in einem Fall angenommen worden, in dem der rechtskräftig verurteilte Täter eines Raubüberfalls als Zeuge zur Identität seiner Komplizen befragt werden sollte und die Auskunft im Hinblick darauf verweigerte, dass es im Tatzeitraum zu ähnlich gelagerten Überfällen gekommen war, eine bandenmäßige Begehung in Betracht kam und die Identität einzelner Tatbeteiligter noch nicht geklärt werden konnte (BGH StraFo 2006, 69 f.). Aus demselben Grunde wurde auch einem Betäubungsmittelhändler ein Auskunftsverweigerungsrecht zugestanden, der wegen mehrerer eigener Handelsgeschäfte abgeurteilt worden war und nach Rechtskraft seiner Verurteilung zur Identität seiner Lieferanten als Zeuge befragt wurde, obgleich er im Verdacht stand, in Verbindung mit diesem Personenkreis weitere, nicht vom Strafklageverbrauch umfasste Betäubungsmitteldelikte begangen zu haben (BVerfG NJW 2002, 1411 f.).
2. Ein entsprechender Zusammenhang kann auch bei einem Mitglied einer terroristischen Vereinigung gegeben sein, wenn es weiterer Straftaten verdächtig ist, für die ein Strafklageverbrauch nicht eingetreten ist (vgl. dazu BGHSt 29, 288, 294). Die von einer solchen Vereinigung begangenen Straftaten sind vielfach dadurch gekennzeichnet, dass sie vom gleichen Täterkreis mit weitgehend gleich bleibender Aufgabenverteilung begangen werden, wobei häufig die verwendeten Tatmittel sowie die Art und Weise der Planung und Ausführung Übereinstimmungen aufweisen. Daher liegt es auf der Hand, dass Erkenntnisse über die konkrete Beteiligung eines Mitglieds der Vereinigung an einer bestimmten Tat vielfach auch Rückschlüsse über seine und die Beteiligung von weiteren Mitgliedern an einer anderen Tat der Vereinigung zulassen und somit "Teilstücke in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude" werden können (vgl. BGH NJW 1999, 1413 m. w. N.).
3. Eine auf einem derartigen Zusammenhang beruhende Verfolgungsgefahr war auch für die Beschwerdeführerin nicht ausgeschlossen. Sie steht im Verdacht, als Mitglied der "RAF" an weiteren, bislang nicht abgeurteilten Straftaten beteiligt gewesen zu sein, für die ein Strafklageverbrauch nicht eingetreten ist. Bei Beantwortung von Fragen nach den Beteiligten an ihren abgeurteilten Taten bestünde für die Beschwerdeführerin die Gefahr, dass sie durch deren Preisgabe zugleich auch Tatbeteiligte an weiteren, noch verfolgbaren eigenen Straftaten offenbart. Bei dieser Sachlage ist es nicht ausgeschlossen, dass sich durch die begehrte Auskunft die konkrete Gefahr einer Strafverfolgung der Beschwerdeführerin ergibt (vgl. BGH StraFo 2006, 69 f.; BVerfG NJW 2002, 1411 f.).
Entsprechendes gilt indessen auch für jede andere weiterführende Erkenntnis zu den abgeurteilten Taten, die von der Befragung der Beschwerdeführerin erwartet wird. Auch bei solchen Erkenntnissen kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie im Rahmen einer mosaikartigen Beweisführung Bedeutung für den gegen die Beschwerdeführerin bestehenden Tatverdacht hinsichtlich weiterer Taten erlangen können. ..."(BGH, Beschluss vom 28.04.2006 - StB 2/06).
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§ 55 Abs. 1 StPO findet keine Anwendung, wenn sich der Zeuge erst durch die Beantwortung der an ihn gerichteten Frage strafbar machen kann:
?... a) Die Beschlüsse, mit denen das Landgericht Fragen der Verteidigung an die Nebenklägerin nach § 241 Abs. 2 i. V. m. § 55 Abs. 1 StPO nicht zugelassen hat, sind rechtsfehlerhaft. Zwar sind Fragen, deren Beantwortung ein Zeuge gemäß § 55 Abs. 1 StPO berechtigt verweigert, ?ungeeignet' im Sinne des § 241 Abs. 2 StPO (vgl. BGH NStZ 1986, 181 für den Beweisantrag auf Vernehmung des auskunftsverweigerungsberechtigten Zeugen; in der Sache ebenso, jedoch auf § 241 Abs. 1 StPO abstellend Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 55 Rdn. 12; Dahs in Löwe/Rosenberg, 25. Aufl. § 55 Rdn. 19; Rogall in SK - Stand Juli 2003 - § 55 Rdn. 56; Eisenberg, Beweisrecht der StPO 4. Aufl. Rdn. 1126). Der Nebenklägerin stand jedoch nicht das Recht zu, die Auskunft auf die von der Verteidigung gestellten Fragen gemäß § 55 Abs. 1 StPO zu verweigern. Dies gilt auch dann, wenn sie sich durch die Beantwortung der Fragen - wie das Landgericht meint - gemäß § 353 b Abs. 2 Nr. 2 StGB strafbar gemacht hätte. § 55 Abs. 1 StPO betrifft nur den Fall, dass sich der Zeuge durch eine wahrheitsgemäße Aussage der Gefahr aussetzen würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, die er bereits vor seiner Zeugenaussage begangen hat (BVerfG NStZ 1985, 277; BGH bei Dallinger MDR 1958, 14; OLG Düsseldorf StV 1982, 344 m. Anm. Prittwitz; OLG Zweibrücken NJW 1995, 1301, 1302; Meyer-Goßner aaO Rdn. 4; Dahs aaO Rdn. 12; Rogall aaO Rdn. 28; aA Sommer StraFo 1998, 9 f.). ..." (BGH, Urteil vom 15.12.2005 - 3 StR 281/04).
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Im Einzelfall kann es nahe liegen, daß ein Zeuge durch die Offenbarung der Identität weiterer an einer Straftat Beteiligter sich der Gefahr der Strafverfolgung wegen weiterer, nicht vom Strafklageverbrauch erfaßter Taten aussetzen könnte. Dies gilt namentlich dann, wenn es im Tatzeitraum zu einer Häufung ähnlich gelagerter Straftaten gekommen war, eine bandenmäßige Begehung in Betracht kommt und die Identität einzelner Tatbeteiligter noch nicht geklärt werden konnte (BGH, Urteil vom 27.10.2005 - 4 StR 235/05).
Zum Umfang des Auskunftsverweigerungsrechts eines Zeugen, wenn gegen ihn wegen des Lebensvorgangs, zu dem er befragt werden soll, ein bereits rechtskräftiger Schuldspruch vorliegt, der Straf- bzw. sonstige Rechtsfolgenausspruch jedoch noch nicht rechtskräftig geworden ist (BGH, Beschluss vom 02.06.2005 - StB 8/05).
Hat ein Zeuge, dem nach § 55 StPO ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zugebilligt wird, berechtigterweise die Beantwortung von Fragen der Verteidigung verweigert, bleiben seine übrigen Angaben bei gebotener kritischer Würdigung seines Aussageverhaltens verwertbar (BGH StV 2002, 178 f).
Wenn ein Zeuge in der Hauptverhandlung erschienen ist und unter Berufung auf sein Recht nach § 55 I StPO nicht zur Sache ausgesagt hat, ist eine Verlesung der Niederschriften über frühere Vernehmungen ausgeschlossen. Die bisherigen Angaben sind vielmehr durch die Vernehmung der Verhörperson in die Hauptverhandlung einzuführen (BGH NStZ 1996, 96).
Bloße Vermutungen oder rein denktheoretische Möglichkeiten reichen für die Annahme der Gefahr einer Strafverfolgung i. S. des § 55 StPO nicht aus (BGH NJW 1994, 2839).
Das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO erstreckt sich auch auf solche Fragen, durch deren wahrheitsgemäße Beanwortung zwar alleine nicht eine Strafverfolgung ausgelöst werden könnte, die aber ein Teilstück in einem mosaikartigen Beweisgebäude betreffen und demzufolge zu einer Belastung des Zeugen beitragen können. Wenn in § 55 StPO auch nur von der Auskunftsverweigerung in bezug auf einzelne Fragen die Rede ist, so kann ein Zeuge die Auskunft auch insgesamt verweigern, wenn seine Aussage mit seinem etwaigen strafbaren Verhalten in so engem Zusammenhang steht, daß eine Trennung nicht möglich ist. Einer Glaubhaftmachung gem. § 56 StPO bedarf es nicht, wenn sie nur durch eine Selbstbelastung des Zeugen möglich wäre (BGH StV 1987, 328).
Steht einem Zeugen kein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht, sondern lediglich ein begrenztes Auskunftsverweigerungsrecht auf einzelne Fragen zu, und ist nicht ersichtlich, daß der Zeuge bei einer Befragung zu Beweisbehauptungen, die ihn selbst nicht belasten, nach einer ordnungsgemäßen Belehrung über die Grenzen seines Auskunftsverweigerungsrechts nach § 55 StPO keinerlei Angaben gemacht hätte, ist er nicht unerreichbar (BGH StV 1984, 408).
*** (OLG)
Verweigert ein Zeuge unter Berufung auf § 55 StPO die Auskunft, kann gegen ihn Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft verhängt und ihm die Kosten nach § 70 Abs. 1 StPO auferlegt werden, wenn keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen eines zu einer Verweigerung der Auskunft berechtigendes strafbaren Verhaltens des Zeugen ersichtlich sind. Ob es für eine vom Zeugen geltend gemachte Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung tatsächlich Anhaltspunkte gibt und der Zeuge sich auf § 55 StPO berufen kann, unterliegt der tatsächlichen Beurteilung und rechtlichen Würdigung durch den Tatrichter. Ihm steht insoweit ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Das Beschwerdegericht kann daher lediglich überprüfen, ob sich der Tatrichter innerhalb des ihm eröffneten Beurteilungsspielraums gehalten, den richtigen Entscheidungsmaßstab zugrunde gelegt oder ob er seine Entscheidung auf fehlerhafte Erwägungen gestützt hat (OLG Celle, Beschluss vom 18.05.2011 - 2 Ws 131/11 zu §§ 55 StPO, 70 Abs 1 StPO).
***
Der Umstand, dass ein Zeuge sich zur Auskunftsverweigerung berechtigt wähnt, begründet für den anwaltlichen Zeugenbeistand keinen Anspruch auf Akteneinsicht. Im Hinblick auf die Unbefangenheit bei der bevorstehenden Vernehmung wäre es nicht sachgerecht, dem Zeugen eine Vorbereitung seiner Aussage durch Akteneinsicht zu ermöglichen (KG, Beschluss vom 20.12.2007 - (1) 2 BJs 58/06 - 2 (22/07) zu StPO §§ 475, 477, 55, 147, 406e):
?... Der GBA führt gegen den Besch. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (?militante Gruppe [mg]'). In diesem Verfahren soll Z. als Zeuge vernommen werden. Mit Beschl. v. 22. 10. 2007 hat der Vors. dem Zeugen für die Dauer seiner Vernehmung RA M. gem. § 68b StPO als Zeugenbeistand beigeordnet. Die ebenfalls beantragte Akteneinsicht ist ihm durch den GBA verweigert und lediglich eine Ablichtung des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des BGH gegen B. v. 01. 08. 2007 übersandt worden. Der hiergegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
1. Über den zulässigen Antrag hat gem. §§ 475, 478 Abs. 3 S. 1 i.V.m. §§ 161a Abs. 3 S. 2 bis 4 StPO, 73 Abs. 1, 120 Abs. 3 GVG der Senat zu entscheiden. Soweit § 478 Abs. 3 S. 2 StPO anordnet, daß die Entscheidung ?des Vors.' unanfechtbar ist, wird damit für den Fall, daß die Entscheidung der StA im Ermittlungsverfahren angefochten wird, keine funktionale Zuständigkeit des Vors. begründet oder vorausgesetzt (vgl. KG, Beschl. v. 19. 04. 2001 - 4 VAs 1/01 -; LG Hildesheim, Beschl. v. 26. 03. 2007 - 25 Qs 17/06 - zitiert nach juris). Denn § 478 Abs. 3 StPO entspricht strukturell § 406e Abs. 4 StPO (vgl. BR-Drucks. 65/99, S. 61 ff., 63; Pfeiffer, StPO 5. Aufl., § 478 Rn. 4). Diese Vorschrift weist dem Vors. ?des mit der Sache befaßten Gerichts' die Zuständigkeit allein für den Fall zu, daß die Akteneinsicht während gerichtlicher Anhängigkeit des Verfahrens begehrt wird (vgl. Pfeiffer a.a.O. § 406 Rn. 4 f.). Eine Erweiterung der Zuständigkeit des Vors. zur Entscheidung über Anträge auf gerichtliche Entscheidungen gegen Verfügungen der StA ist mit § 478 Abs. 3 StPO nicht bezweckt.
2. Dem Antrag des RA auf Gewährung von Akteneinsicht kann nicht stattgegeben werden, weil Zwecke des Strafverfahrens entgegenstehen (§ 477 Abs. 2 S. 1 StPO).
a) Dem anwaltlichen Zeugenbeistand steht im Gegensatz zu dem Verteidiger (§ 147 Abs. 1 StPO) ein eigenes Recht auf Akteneinsicht nicht zu. Die Rechtsstellung des anwaltlichen Zeugenbeistands leitet sich aus der des Zeugen ab. Er hat keine eigenen Rechte als Verfahrensbeteiligter und keine weitergehenden Befugnisse als der Zeuge selbst (vgl. BVerfGE 38, 116; LR-Dahs, StPO 25. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 11; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 11, § 68b Rn. 5; KK-Wache, StPO 5. Aufl., § 161a Rn. 3). Einem Zeugen kommt daher, soweit er nicht Verletzter ist, ein Akteneinsichtsrecht lediglich als ?Privatperson' i.S.d. § 475 StPO zu, so daß auch der anwaltliche Zeugenbeistand ein Akteneinsichtsrecht allein nach dieser Vorschrift wahrnehmen kann (vgl. OLG Düsseldorf NJW 2002, 2806; OLG Hamburg, NJW 2002, 1590 [= StV 2002, 297]).
Aufgabe des Zeugenbeistands, ist es, den Zeugen während der Vernehmung bei der sachgerechten Wahrnehmung seiner prozessualen Rechte, insbes. von Auskunftsverweigerungsrechten gem. § 55 StPO oder Zeugnisverweigerungsrechten nach §§ 52 ff. StPO sowie bei der Verteidigung gegen Ordnungsmittel zu unterstützen. Darüber hinaus soll er bei Zeugen, die in ihrer Aussagefähigkeit beschränkt oder in ihrer Aussagebereitschaft gehemmt sind, dazu beitragen, Aussagefehler und Mißverständnisse zu verhindern. Soweit er im vorliegenden Fall dem Zeugen bei der anstehenden Entscheidung behilflich ist, ob er im Hinblick auf § 55 StPO einzelne Fragen nicht beantwortet, muß die Entscheidung jew. für die tatsächlich gestellte Frage getroffen werden und kann sich nicht danach richten, welche Fragen - aufgrund von Akteneinsicht - vorab als möglich angesehen werden. Zu der anstehenden Entscheidung muß der Beistand nicht den Inhalt der Sachakte kennen. Grundlage der Entscheidung ist vielmehr das Wissen oder die Einschätzung des Zeugen selbst, sich bei der wahrheitsgemäßen Beantwortung einer Verfolgung i.S.v. § 55 StPO auszusetzen (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 2002, 2806, 2807).
Die in der Lit. vertretene Ansicht, die ein Akteneinsichtsrecht des Zeugenbeistandes für den Fall fordert, daß anders wirksamer Beistand nicht möglich sei (vgl. KK-Senge, StPO 5. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 18a m.w.N. und § 68b Rn. 9), begegnet Bedenken.
Hiergegen spricht im vorliegenden Fall schon, daß diese Ansicht nicht auf das Verfahrensstadium abhebt, in dem selbst dem Verteidiger gem. § 147 Abs. 2 StPO die Akteneinsicht versagt werden könnte. Sie übersieht, daß der Gesetzgeber im Falle des Akteneinsichtsbegehrens eines Zeugen, der nicht Verletzter ist, den Strafverfolgungszwecken Vorrang eingeräumt hat (§ 477 Abs. 2 S. 1 StPO). Der Beistand darf den Zeugen nicht in der Aussage vertreten oder auf den Inhalt der Aussage Einfluß nehmen. Gerade dies ist aber nicht auszuschließen, wenn der Zeugenbeistand mit dem Zeugen anhand der durch die Akteneinsicht gewonnenen Kenntnisse inhaltliche Fragen erörtert. Erlaubte man dem Zeugen die Akteneinsicht, wäre nicht mehr nachvollziehbar, ob er Sachverhalte unbefangen aus seiner Erinnerung oder auf Grund der - ihm von seinem Beistand vermittelten Aktenlage darstellt. Vorhalte als Gedächtnisstütze würden ihren Sinn verlieren (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.). Die daraus resultierende Gefahr der Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung kann regelmäßig nicht hingenommen werden. Die Regelungen der §§ 58 Abs. 1 S. 1 und 243 Abs. 2 S. 1 StPO, welche die Unbefangenheit des Zeugen bei seiner Aussage sicherstellen sollen, zeigen, daß dem Gesetzgeber bewußt war, daß Qualität und Beweiswert einer Zeugenaussage ganz erheblich herabgesetzt sind, wenn dem Zeugen die Angaben des Angekl. oder der anderen Zeugen bekannt sind (vgl. von Schlieffen in Krekeler/Löffelmann, AnwK-StPO, Vorbemerkung zu § 48 Rn. 8). Folgerichtig hat die Rspr. wiederholt entschieden, daß der Zeuge seine Aussage ohne Kenntnis dessen machen soll, was Angekl. und andere Beweispersonen bekunden. Dadurch soll seine Unbefangenheit und seine Selbständigkeit der Darstellung erhalten bleiben (vgl. BGHSt 3, 386, 388; BGHR StPO § 338 Nr. 6 Zuhörer 6, 7). Eine Einsicht in die vollständigen Akten, insbes. in die Teile, die die Angaben anderer Zeugen und des Angekl. betreffen, verbietet sich daher grundsätzlich. Den Interessen des Zeugen kann regelmäßig durch Mitteilung des Beweisthemas und ggf. - wie vorliegend geschehen - durch Erteilung von Auskünften aus der Akte ausreichend Rechnung getragen werden.
Soweit der Ast. meint, die Beratung des Zeugen Z. über seine Rechte aus § 55 StPO nur in Kenntnis des Akteninhalts wahrnehmen zu können, ist zu bedenken, daß die Entscheidung über die Verfolgungsgefahr eine Rechtsfrage ist, über die das Gericht, nicht aber der Zeuge oder der Angekl. zu entscheiden hat (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 55 Rn. 10). Der Zeuge, der sich zur Auskunftsverweigerung berechtigt wähnt, ist auch im Ermittlungsverfahren ausreichend dadurch geschützt, daß ihm gem. § 161a Abs. 3 StPO der Weg zu einer gerichtlichen Entscheidung freisteht, - falls er mit Zwangsmitteln zu seiner Aussage bewegt werden soll. Im Falle einer unterlassenen Belehrung oder fehlerhaften Anwendung des § 55 StPO ist er zudem durch ein Verwertungsverbot in einem späteren Verfahren gegen sich geschützt (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Einleitung Rn. 55a und § 55 Rn. 17 m.w.N.).
b) Hinzu kommt, daß die Akteneinsicht durch den Zeugenbeistand in das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgende Recht des Besch. auf informationelle Selbstbestimmung eingreift. Die Vorschrift des § 406e StPO zeigt, daß der Gesetzgeber ?im schwierigen Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz, Verteidigungsinteressen, Wahrheitsfindung, Funktionsinteressen der Strafrechtspflege und dem legitimen, verfassungsrechtlich abzuleitenden Informationsanspruch des Verletzten einen vertretbaren Ausgleich' (LR-Hilger, StPO 25. Aufl., § 406e Rn. 3; vgl. auch BGHSt 39, 112, 116) gesucht hat und nur dem verletzten Zeugen regelmäßig ein Akteneinsichtsrecht zubilligen wollte. Selbst diesem insoweit begünstigten Zeugen kann nach § 406e Abs. 2 StPO im Interesse der Wahrheitsfindung und der Verfahrensökonomie die Akteneinsicht versagt werden. Erst recht ist daher dem nicht durch die Straftat verletzten Zeugen und seinem Beistand die Akteneinsicht zu verweigern, wenn dies die Verfahrenszwecke gefährdet.
c) Im Interesse der Wahrheitsfindung und einer unbeeinflußten Zeugenaussage ist die gem. § 475 Abs. 2 StPO grundsätzlich mögliche Akteneinsicht hier zu versagen, weil Zwecke des Strafverfahrens entgegenstehen (§ 477 Abs. 2 StPO). Im Hinblick auf die Unbefangenheit bei der Vernehmung wäre es nicht sachgerecht, dem Zeugen eine Vorbereitung seiner Aussage durch Akteneinsicht zu ermöglichen. Das dem Zeugen durch die Übersendung des Haftbefehls sowie durch das Schreiben des GBA v. 19. 10. 2007 mitgeteilte Beweisthema - sein enger Kontakt zu dem Besch. - bildet den Rahmen der anstehenden Zeugenbefragung. Der Zeuge hat sich aufgrund des Beweisthemas vorzubereiten und nicht aufgrund der Bewertung der verfahrensgegenständlichen Akten. Den schutzwürdigen Interessen des Zeugen ist durch die ihm gegebenen Informationen hinreichend Genüge getan. ..."
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Will der Angeklagte ein Verwertungsverbot hinsichtlich einer Aussage geltend machen, die er als Zeuge ohne Belehrung über ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 I StPO gemacht hat, muß er der Verwertung in der Hauptverhandlung bis zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt widersprechen. Eine zulässige Revisionsrüge erfordert in einem solchen Fall demzufolge einen Tatsachenvortrag, aus dem sich ergibt, daß der Revisionsführer der Beweiserhebung über die ohne die Belehrung gemachten Angaben rechtzeitig i. S. d. § 257 StPO widersprochen hat (BayObLG StV 2002, 179 f).
Auch wenn durch rechtskräftige Verurteilung wegen des Vorwurfs der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln Strafklageverbrauch eingetreten ist, steht dem als Zeugen vernommenen Verurteilten ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn zu befürchten ist, daß durch die Benennung von Abnehmern der Betäubungsmittel durch deren Vernehmung weitere Betäubungsmittelgeschäfte ans Licht kommen könnten (OLG Zweibrücken StV 2000, 606).
Auch ein bereits rechtskräftig verurteilter Zeuge kann wegen desselben Sachverhalts die Auskunft nach § 55 StPO verweigern, wenn er sich durch seine Zeugenaussage in der Hauptverhandlung der Gefahr anderweitiger strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würde. Eine solche Verfolgungsgefahr ist gegeben, wenn der Zeuge bei wahrheitsgemäßer Aussage von seinen früheren Angaben abweichen und sich damit dem Vorwurf aussetzen müßte, den Angeklagten seinerzeit falsch verdächtigt zu haben. Jedoch begründen bloße, nicht durch konkrete Umstände belegte Vermutungen oder die rein denktheoretische Möglichkeit, die ursprüngliche Aussage könne falsch gewesen sein, weder einen prozessual ausreichenden Anfangsverdacht für das Vorliegen einer strafbaren Handlung, noch ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO (OLG Koblenz StV 1996, 474 ff).
Das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO erstreckt sich auch auf solche Fragen, die ein Teilstück in einem mosaikartigen Beweisgebäude betreffen und demzufolge zu einer Belastung des Zeugen beitragen können. Das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO erstreckt sich auch auf Fragen, die zur Überführung des Angeklagten dienen, wenn damit gleichzeitig Feststellungen zu einer Vortat ermöglicht werden, die Voraussetzung für eine Strafverfolgung des Zeugen nach § 138 Abs. 1 Nr. 9 StGB oder wegen Begünstigung wäre (OLG Celle StV 1988, 99).
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?... Gem. den vom BVerfG für die Auslegung des § 55 Abs. 1 StPO aufgestellten Grundsätzen steht einem Zeugen ein Auskunftsverweigerungsrecht hinsichtlich der Lieferanten seiner bereits rechtskräftig abgeurteilten Btm-Geschäfte zu, wenn Anhaltspunkte für weitere, von ihm begangene und noch nicht rechtskräftig abgeurteilte Btm-Straftaten vorliegen und die konkrete Gefahr besteht, daß der Zeuge durch die von ihm verlangten Auskünfte - wenn auch nur mittelbar - neue Ermittlungsansätze hierzu liefern und mit der Benennung seines bzw. seiner Btm-Lieferanten möglicherweise zugleich den (oder die) Beteiligten weiterer, nicht vom Strafklageverbrauch umfaßter und noch verfolgbarer Delikte preisgeben müßte (BVerfG, Beschl. v. 6. 2. 2002 - 2 BvR 1249/01 - StV 2002, 177).2005vr
Vorliegend ist die Gefahr einer weiteren Verfolgung des Zeugen P. im Falle einer Preisgabe des Lieferanten der bei ihm am 4. 3. 2003 sichergestellten Btm nach derzeitigem Sachstand nicht i. S. dieser höchstrichterlichen Rspr. zweifellos ausgeschlossen. Wenn auch nicht schon aus seiner zeugenschaftlichen Vernehmung v. 26. 2. 2004, so doch nunmehr aufgrund der Beschwerdeschrift v. 20. 4. 2004 sind zureichende tatsächliche Anknüpfungspunkte dafür vorhanden und genannt, daß der Bf. Gefahr laufen würde, durch die von ihm verlangten Angaben zu seinem Btm-Lieferanten bei der abgeurteilten Tat zumindest mittelbar Hinweise für die Verfolgung weiterer, nicht vom Strafklageverbrauch erfaßter prozessualer Taten zu geben und sich dadurch möglicherweise selbst zu belasten. Solche mittelbaren Anhaltspunkte für die Verfolgung weiterer, von dem Zeugen P. begangener Straftaten ergeben sich, worauf in der Beschwerdeschrift ebenfalls zutreffend hingewiesen wird, aus der gegebenen Aktenlage. Ausgehend von den Angaben des Zeugen R. wurde dem Zeugen P. im Rahmen des gegen ihn durchgeführten Strafverfahrens nämlich schon im Durchsuchungsbeschl. des AG Rastatt v. 10. 2. 2003 (9 Gs 22/03) angelastet, zumindest im Zeitraum Herbst 1999 bis 30. 6. 2002 in Weinsberg umfangreiche Rauschgiftgeschäfte gewerbsmäßig betrieben und in einer ?Vielzahl von Einzelfällen' Cannabis in größeren Mengen, zumindest in Portionen zu 100 g gewinnbringend weiterverkauft zu haben. In seinem rechtskräftigen Urt. v. 2. 7. 2003 (11 Ls 301 Js 2401/03) ist das AG Rastatt ebenfalls davon ausgegangen, daß der Bf. über die am 4. 3. 2003 von ihm in seiner Wohnung verwahrte Btm-Menge hinaus schon zuvor zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt den Entschluß faßte, sich durch wiederholten Ankauf und gewinnbringenden Weiterverkauf von Cannabis eine auf Dauer angelegte Einnahmequelle von nicht unerheblichem Umfang zu verschaffen und so seinen eigenen Drogenkonsum zu finanzieren. Weitere, im damaligen Strafverfahren nicht gegenständliche Btm-Delikte des Bf. sind schließlich auch deshalb nicht von der Hand zu weisen, weil er in der Vergangenheit schon wiederholt einschlägig in Erscheinung getreten und verurteilt worden ist.
Im vorliegenden Fall besteht daher - unter Zugrundelegung der genannten Entscheidung des BVerfG - für den Bf. gleichfalls die Gefahr, daß er allein durch die Benennung seines Lieferanten des am 4. 3. 2003 bei ihm sichergestellten Rauschgifts zumindest mittelbar Ansatzpunkte für eine Strafverfolgung wegen weiterer Btm-Delikte bieten könnte, und zwar schon deshalb, weil sich von ihm als Lieferanten zu benennende Personen gem. § 31 BtMG durch eigene Angaben zu weiteren, mit ihm abgeschlossenen Drogengeschäften entlasten könnten. Durch seine Aussage würde er damit Tatsachen bekunden, die mittelbar einen Anfangsverdacht gegen ihn begründen könnten, und die Voraussetzungen für seine eigene strafrechtliche Verfolgung und für weitere Ermittlungsansätze liefern, da tatsächlich zu besorgen ist, daß er weitere Drogengeschäfte mit dem Lieferanten des am 4. 3. 2003 verwahrten Btm abgewickelt hat. Dem Zeugen P. ist somit die Preisgabe seines Btm-Lieferanten gem. § 55 StPO nicht zumutbar. ..." (G Baden-Baden, Beschluß vom 5.5.2004 - 2 Qs 47/04, StV 2005, 78).
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Macht ein Zeuge von seiner Befugnis Gebrauch, sich während seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung eines anwaltlichen Beistands zu bedienen, so steht ihm ein Auskunftsverweigerungsrecht auf Fragen zu, die den Inhalt der mit seinem Anwalt geführten Beratungsgespräche betreffen. Dazu gehören auch das Bestehen einer Honorarvereinbarung und die Höhe eines Honorars für den Beistand (LG Berlin StV 1994, 533 f).
Ein Zeuge kann die Aussage über den Inhalt des mit seinem anwaltlichen Beistand geführten Beratungsgesprächs verweigern, das der Beantwortung einer an ihn gerichteten Frage vorausgegangen ist (LG Lübeck StV 1993, 516).
Ausland - Fluchtgefahr
Siehe unter ?Voraussetzungen der Untersuchungshaft".
Ausländische Staaten - Verfahrensverstöße
Siehe unter ?Zurechenbarkeit von Verfahrensverstößen".
Auslandshaft - Anrechnung § 450 a StPO
(1) Auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe ist auch die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung anzurechnen, die der Verurteilte in einem Auslieferungsverfahren zum Zwecke der Strafvollstreckung erlitten hat. Dies gilt auch dann, wenn der Verurteilte zugleich zum Zwecke der Strafverfolgung ausgeliefert worden ist.
(2) Bei Auslieferung zum Zwecke der Vollstreckung mehrerer Strafen ist die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung auf die höchste Strafe, bei Strafen gleicher Höhe auf die Strafe anzurechnen, die nach der Einlieferung des Verurteilten zuerst vollstreckt wird.
(3) Das Gericht kann auf Antrag der Staatsanwaltschaft anordnen, dass die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach dem Erlass des Urteils, in dem die dem Urteil zu Grunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmalig geprüft werden konnten, nicht gerechtfertigt ist. Trifft das Gericht eine solche Anordnung, so wird die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung, soweit ihre Dauer die Strafe nicht überschreitet, auch in einem anderen Verfahren auf die Strafe nicht angerechnet.
Leitsätze/Entscheidungen:
Im Gegensatz zu § 51 StGB regelt § 450a StPO ausdrücklich nur die Anrechnung von Auslieferungshaft zum Zwecke der Strafvollstreckung. Dies allein stellt jedoch keinen ausreichenden Grund dar, um eine Anrechnung von Abschiebehaft schlechthin zu versagen. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Benachteiligung von Verurteilten, die sich nach Rechtskraft des Urteils in Abschiebehaft befanden, gegenüber solchen, die Auslieferungshaft erlitten haben, aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist oder ob ein Fall vorliegt, bei dem eine funktionale Verfahrenseinheit i. S. der Rechtsprechung des BGH (BGHSt 43, 112) und des BVerfG (vgl. Beschluss vom 28.9.1998, NStZ 1999, 24) anzunehmen ist, bei der es das Freiheitsgrundrecht gebietet, eine Anrechnung in weitem Umfang vorzunehmen. Eine funktionale Verfahrenseinheit wird insbesondere anzunehmen sein, wenn die Festnahme des Verurteilten im Ausland aufgrund eines internatioanlen Haftbefehls erfolgte, der aus Anlass der Verurteilung erging, die nunmehr vollstreckt werden soll (BVerfG, Beschluss vom 14.01.2005 - 2 BvR 1825/03).
Auslandstaten - Absehen von Verfolgung bei Auslandsstraftaten § 153 c StPO
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung von Straftaten absehen,
1. die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes begangen sind oder die ein Teilnehmer an einer außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes begangenen Handlung in diesem Bereich begangen hat,
2. die ein Ausländer im Inland auf einem ausländischen Schiff oder Luftfahrzeug begangen hat,
3. wenn in den Fällen der §§ 129 und 129 a, jeweils auch in Verbindung mit § 129 b Abs. 1, des Strafgesetzbuches die Vereinigung nicht oder nicht überwiegend im Inland besteht und die im Inland begangenen Beteiligungshandlungen von untergeordneter Bedeutung sind oder sich auf die bloße Mitgliedschaft beschränken.
Für Taten, die nach dem Völkerstrafgesetzbuch strafbar sind, gilt § 153 f.
(2) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, wenn wegen der Tat im Ausland schon eine Strafe gegen den Beschuldigten vollstreckt worden ist und die im Inland zu erwartende Strafe nach Anrechnung der ausländischen nicht ins Gewicht fiele oder der Beschuldigte wegen der Tat im Ausland rechtskräftig freigesprochen worden ist.
(3) Die Staatsanwaltschaft kann auch von der Verfolgung von Straftaten absehen, die im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes durch eine außerhalb dieses Bereichs ausgeübte Tätigkeit begangen sind, wenn die Durchführung des Verfahrens die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführen würde oder wenn der Verfolgung sonstige überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.
(4) Ist die Klage bereits erhoben, so kann die Staatsanwaltschaft in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2 und des Absatzes 3 die Klage in jeder Lage des Verfahrens zurücknehmen und das Verfahren einstellen, wenn die Durchführung des Verfahrens die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführen würde oder wenn der Verfolgung sonstige überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.
(5) Hat das Verfahren Straftaten der in § 74 a Abs. 1 Nr. 2 bis 6 und § 120 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Art zum Gegenstand, so stehen diese Befugnisse dem Generalbundesanwalt zu.
Auslandstaten gegen international geschützte Rechtsgüter § 6 StGB
Das deutsche Strafrecht gilt weiter, unabhängig vom Recht des Tatorts, für folgende Taten, die im Ausland begangen werden:
1. (weggefallen)
2. Kernenergie-, Sprengstoff- und Strahlungsverbrechen in den Fällen der §§ 307 und 308 Abs. 1 bis 4 , des § 309 Abs. 2 und des § 310 ;
3. Angriffe auf den Luft- und Seeverkehr ( § 316c );
4. Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft sowie Förderung des Menschenhandels ( §§ 232 bis 233a );
5. unbefugter Vertrieb von Betäubungsmitteln;
6. Verbreitung pornografischer Schriften in den Fällen der §§ 184a und 184b Abs. 1 bis 3 , auch in Verbindung mit § 184c Satz 1 ;
7. Geld- und Wertpapierfälschung ( §§ 146 , 151 und 152 ), Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion und Vordrucken für Euroschecks ( § 152b Abs. 1 bis 3 ) sowie deren Vorbereitung ( §§ 149 , 151 , 152 und 152a Abs. 5 );
8. Subventionsbetrug ( § 264 );
9. Taten, die auf Grund eines für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen zwischenstaatlichen Abkommens auch dann zu verfolgen sind, wenn sie im Ausland begangen werden.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Vorschrift des § 6 Nr. 1 StGB, nach der kraft des Weltrechtsprinzips deutsches Strafrecht für ein im Ausland begangenes Verbrechen des Völkermordes gilt, steht im Einklang mit den Regelungen der Völkermord-Konvention (Genozid-Konvention) vom 9.12.1948, die die von jedem der Vertragsstaaten übernommene Verpflichtung, Völkermord zu verhindern und zu bestrafen, nicht erritorial begrenzt haben. Die mit einem Völkermord gem. § 220a I Nr. 1 StGB tateinheitlich begangenen Verbrechen gem. §§ 211, 212 StGB werden von dem nach § 6 Nr. 1 StGB geltenden Weltrechtsprinzip erfaßt (Annexkompetenz; (BGH, Urteil vom 30.04.1999 - 3 StR 215/98 , StV 1999, 604).
Auslandszeuge
Siehe unter ?Anonyme Zeugen" und ?Beweisanträge in der Hauptverhandlung".
Auslieferungsrecht
Art. 4 Nr. 6 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. 6. 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten ist dahin auszulegen, dass
- eine gesuchte Person im Vollstreckungsmitgliedstaat ?ihren Wohnsitz hat", wenn sie dort ihren tatsächlichen Wohnsitz begründet hat, und sich dort ?aufhält", wenn sie infolge eines beständigen Verweilens von gewisser Dauer in diesem Mitgliedstaat Bindungen zu diesem Staat von ähnlicher Intensität aufgebaut hat, wie sie sich aus einem Wohnsitz ergeben;
- die vollstreckende Justizbehörde, um zu entscheiden, ob in einer konkreten Situation zwischen der gesuchten Person und dem Vollstreckungsmitgliedstaat Bindungen bestehen, die die Feststellung zulassen, dass diese Person unter den Begriff ?sich aufhält" i.S. des Art. 4 Nr. 6 des Rahmenbeschlusses fällt, eine Gesamtschau mehrerer objektiver Kriterien vorzunehmen hat, die die Situation dieser Person kennzeichnen und zu denen insbesondere die Dauer, die Art und die Bedingungen des Verweilens der gesuchten Person sowie ihre familiären und wirtschaftlichen Verbindungen zum Vollstreckungsmitgliedstaat gehören (EuGH Große Kammer, Urteil vom 17.07.2008 - C-66/08 Szymon Kozlowski, NJW 2008, 3201 ff).
*** (BVerfG)
Es besteht keine allgemeine Regel des Völkerrechts, wonach niemand in den ersuchenden Staat ausgeliefert werden darf, der aus seinem Heimatstaat mit List, aber ohne Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit in den ersuchten Staat gelockt worden ist (BVerfG, Beschluss vom 05.11.2003 - 2 BvR 1243/03, 2 BvR 1506/03 - StV 2004, 432 ff zu GG Art. 25, 100 Abs. 2, 101 Abs. 1).
Eine Auslieferung zur Vollstreckung eines ausländischen, in Abwesenheit des Verfolgten ergangenen Strafurteils ist von Verfassungs wegen unzulässig, sofern der Verfolgte weder über die Tatsache der Durchführung und des Abschlusses des betreffenden Verfahrens in irgendeiner Weise unterrichtet war, noch ihm eine tatsächlich wirksame Möglichkeit eröffnet ist, sich nach Erlangung dieser Kenntnis nachträglich rechtliches Gehör zu verschaffen und sich wirksam zu verteidigen (BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004 - 2 BvR 26/04 - StV 2004, 438 ff zu § 24 IRG).
Keine Auslieferung bei unmenschlichen Haftbedingungen: Zur Unzulässigkeit der Auslieferung, wenn dem Verfolgten im ersuchenden Staat Haftbedingungen drohen, die den völkerrechtlichen Mindeststandards nicht entsprechen (BVerfG, Beschluss 08.04.2004 - 2 BvR 253/04 - StV 2004, 440 ff zu IRG § 73; EMRK Art. 3).
*** (BGH)
Die nach deutschem Recht eingetretene Verfolgungsverjährung einer Tat, für die auch die deutsche Gerichtsbarkeit begründet ist, steht der Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen auf Grund eines Europäischen Haftbefehls an die Republik Polen entgegen, selbst wenn nach polnischem Recht die Strafverfolgung noch nicht verjährt ist (BGH, Beschluss vom 15.04.2008 - 4 ARs 22/07 zu GG Art. 16 Abs. 2; EuAlÜbk Art. 6 Abs. (1) a, Art. 10; EuAlÜbkErgV POL Art. 4; RbEuHb Art. 4 Nr. 4, Art. 31; IRG §§ 1, 9 Nr. 2, 78 ff.).
***
?... Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin M. und wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (zum Nachteil der Nebenklägerin F. ) und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen den Angeklagten wurde Sicherungsverwahrung angeordnet und eine Sperrfrist von fünf Jahren für die Erteilung einer Fahrerlaubnis verhängt. Weiter wurde bestimmt, dass die in Luxemburg erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:1 auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet wird.
Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechtes rügt. Sein Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Zutreffend weist der Generalbundesanwalt darauf hin, dass der Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis bei der Tat zum Nachteil der Nebenklägerin F. wegen Verletzung des Grundsatzes der Spezialität ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis entgegensteht. Dieser Tatvorwurf war nicht Gegenstand der drei gegen den Angeklagten erlassenen Europäischen Haftbefehle und des Auslieferungsverfahrens. Eine nachträgliche Auslieferungsbewilligung ist insoweit ersichtlich nicht erfolgt. Auch hat der Angeklagte auf die Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität nicht verzichtet. Die Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis hatte daher zu entfallen.
Im Übrigen weist der Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Dass er im Tatkomplex zum Nachteil der Nebenklägerin F. nicht auch wegen Vergewaltigung und Geiselnahme verurteilt wurde, beschwert ihn nicht.
Der Wegfall der Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zieht hier den Wegfall der Anordnung der Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis nach sich, da das Landgericht die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ausschließlich damit begründet hat, dass der Angeklagte schon immer ohne Fahrerlaubnis gefahren ist, obwohl er deshalb schon mehrfach bestraft wurde.
Der rechtsfehlerfreie Strafausspruch kann bestehen bleiben. Der Senat schließt im Hinblick auf die milde Strafe von zwei Jahren und sechs Monaten im Tatkomplex zum Nachteil der Nebenklägerin F. aus, dass diese Strafe darauf beruht, dass die Strafkammer die Verwirklichung dreier Straftatbestände angenommen hat. Die Strafkammer ist zutreffend von dem von ihr gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB als vorrangig bezeichneten Strafrahmen des § 239 StGB ausgegangen und hat dem Fahren ohne Fahrerlaubnis ersichtlich nur für die Verhängung einer Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis Gewicht beigemessen. Diese Sperrfrist hat der Senat entfallen lassen.
Die Anordnung der Sicherungsverwahrung und die Bestimmung des Anrechnungsmaßstabes für die in Luxemburg in dieser Sache erlittene Freiheitsentziehung lassen keinen Rechtsfehler erkennen. ..." (BGH, Beschluss vom 06.02.2008 - 2 StR 583/07)
***
Die Bildung einer Gesamtstrafe unter Einbeziehung der Verurteilung wegen einer Tat, auf die sich die Auslieferungsbewilligung nicht erstreckt, verletzt den das Auslieferungsrecht beherrschenden Grundsatz der Spezialität, der als Verfolgungshindernis jeglicher gerichtlichen Verfolgungshandlung entgegensteht (BGH NStZ 1998, 149).
*** (OLG)
Die Auslieferung einer Verfolgten nach Peru, die vom Vorwurf der Mitgliedschaft in der Terrororganisation ?Leuchtender Pfad" durch die peruanischen Gerichte freigesprochen worden ist, ist wegen des Verbots der Doppelverfolgung (?ne bis in idem") unzulässig, wenn das freisprechende Urteil in einem rechtsstaatlichen Mindeststandards nicht genügenden Verfahren durch ein so genanntes ?gesichtsloses Gericht" später (hier: im Jahre 1993) aufgehoben und die Fortsetzung des Verfahrens angeordnet wird (OLG Köln, Beschluss vom 22.08.2008 - 6 Ausl. A 2/08 zu GG Art. 25, 103 III; IRG § 73, NJW 2008, 3300 ff).
Keine Auslieferung bei drohender Folter: Die Anerkennung eines Verfolgten als politischer Flüchtling in einem westeuropäischen Land (hier: Schweiz) steht einem Auslieferungsersuchen (hier: Türkei) nicht entgegen, wenn der Verfolgte seine politische Überzeugung unter Einsatz terroristischer Mittel betätigt hat. Eine Auslieferung ist unzulässig, wenn begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß dem Verfolgten im ersuchenden Staat die Gefahr droht, dort gefoltert oder in anderer Weise menschenrechtswidrig behandelt zu werden, mithin für den Verfolgten ein echtes Risiko unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Bestrafung besteht. Läßt sich trotz der ernstlichen Bemühungen eines Staates zur Eindämmung einer tatsächlichen Folterpraxis nicht abschließend und verlässlich beurteilen, ob eingeleitete Reformen Wirkung zeigen und scheiden weitere Aufklärungsmöglichkeiten aus, so gehen Zweifel am Bestehen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Auslieferungshindernisses zugunsten des Verfolgten (Anschluß an KG StV 1996, 103; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2004, 345).
Ein Auslieferungshaftbefehl ist aufzuheben, wenn erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der Auslieferung bestehen und alles dafür spricht, daß eine Auslieferung des Verfolgten nicht in Betracht kommt (Fortführung von OLG Karlsruhe Die Justiz 1988, 164). Ein solcher Fall liegt vor, wenn ein Verfolgter in einem westeuropäischen Land (hier: Schweiz) als politischer Flüchtling anerkannt ist, dieser Einschätzung - auch unter Berücksichtigung der aktuellen Verfolgungslage - keine gesicherten Erkenntnisse entgegenstehen und erhebliche Zweifel vorliegen, ob der Verfolgte die ihm im Rechtshilfeersuchen des ersuchenden Staates (hier: Türkei) zur Last gelegten Taten begangen hat (OLG Karlsruhe StV 2004, 445 f).
Auslieferung oder Ausweisung
Siehe unter ?Absehen von Vollstreckung und Nachholen der Vollstreckung bei Auslieferung oder Ausweisung".
Auslieferung und Ausweisung - Abesehen von Anklage § 154 b StPO
(1) Von der Erhebung der öffentlichen Klage kann abgesehen werden, wenn der Beschuldigte wegen der Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert wird.
(2) Dasselbe gilt, wenn er wegen einer anderen Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert oder an einen internationalen Strafgerichtshof überstellt wird und die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die inländische Verfolgung führen kann, neben der Strafe oder der Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen ihn im Ausland rechtskräftig verhängt worden ist oder die er im Ausland zu erwarten hat, nicht ins Gewicht fällt.
(3) Von der Erhebung der öffentlichen Klage kann auch abgesehen werden, wenn der Beschuldigte aus dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgewiesen wird.
(4) Ist in den Fällen der Absätze 1 bis 3 die öffentliche Klage bereits erhoben, so stellt das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren vorläufig ein. § 154 Abs. 3 bis 5 gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass die Frist in Absatz 4 ein Jahr beträgt.
Siehe unter ?Absehen von Vollstreckung und Nachholen der Vollstreckung bei Auslieferung oder Ausweisung".
Auslieferung von Akten
Siehe unter ?Vorlegung oder Auslieferung von Akten".
Aussage - Einführung im Wege des Vorhalts
Will das Tatgericht seine Überzeugung auf im Wege des Vorhalts eingeführte Aussagen eines Zeugen anlässlich einer früheren Vernehmung stützen, ist nur das verwertbar, was auf Vorhalt in die Erinnerung des Zeugen zurückkehrt und nunmehr von ihm bekundet wird, nicht dagegen der Inhalt des Vorhalts selbst. Es ist deshalb rechtsfehlerhaft, wenn Angaben verwertet werden, zu denen ausweislich der Urteilsgründe der Zeuge auf Vorhalt lediglich erklärt hat, ?er wisse dieses heute nicht mehr' (OLG Oldenburg, Beschluss vom 14.04.2011 - 1 Ss 49/11).
Aussagefreiheit
Siehe unter ?Schweigerecht".
Aussagegenehmigung
Siehe unter ?Vernehmung von Richtern, Beamten oder anderen Personen des öffentlichen Dienstes".
Aussagenotstand § 157 StGB
(1) Hat ein Zeuge oder Sachverständiger sich eines Meineids oder einer falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) und im Falle uneidlicher Aussage auch ganz von Strafe absehen, wenn der Täter die Unwahrheit gesagt hat, um von einem Angehörigen oder von sich selbst die Gefahr abzuwenden, bestraft oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung unterworfen zu werden.
(2) Das Gericht kann auch dann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder ganz von Strafe absehen, wenn ein noch nicht Eidesmündiger uneidlich falsch ausgesagt hat.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben, da die Ablehnung eines Aussagenotstandes nach § 157 StGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
1. Nach den Feststellungen war im Jahr 2004 ein Strafverfahren u.a. wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen gegen einen Sportlehrer des Gymnasiums, an welchem der Angeklagte bis Ende Juli 2001 als Schulleiter tätig war, beim Landgericht Bochum anhängig. Dem Lehrer wurde u.a. vorgeworfen, Schülerinnen im Rahmen des Sportunterrichts unangemessen berührt zu haben. In der Hauptverhandlung vom 24. September 2004 wurde der Angeklagte vor der Strafkammer des Landgerichts Bochum als Zeuge gehört. Obwohl sich im Schuljahr 1997/98 11 bis 12jährige Schülerinnen sowie im Januar 2001 die Mutter einer betroffenen Schülerin bei ihm über sexuelle Belästigungen und verbale Anzüglichkeiten seines Kollegen während des Sportunterrichts beschwert hatten, stellte der Angeklagte bei seiner Zeugenvernehmung auf entsprechende Befragung nach Belehrung über sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO wider besseres Wissen die Kenntnis solcher Beschwerden in Abrede bzw. gab wahrheitswidrig an, sich daran nicht zu erinnern.
2. Das Landgericht hat eine Absicht des Angeklagten, sich durch die Falschaussage vor strafrechtlicher Verfolgung zu schützen, nicht festzustellen vermocht. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass der Angeklagte trotz entsprechender Belehrung von seinem Auskunftsverweigerungsrecht keinen Gebrauch gemacht habe. Zudem habe eine strafrechtliche Verfolgung des Angeklagten zum damaligen Zeitpunkt nicht im Raum gestanden. Diese Begründung vermag die Ablehnung eines Aussagenotstandes nach § 157 StGB nicht zu rechtfertigen.
a) Für die Annahme einer Zwangslage nach § 157 StGB ist allein das Vorstellungsbild des Täters, bei wahrheitsgemäßer Aussage die Bestrafung wegen eines vorausgegangenen Verhaltens befürchten zu müssen, maßgeblich. Auf das objektive Vorhandensein einer solchen Gefahr kommt es dabei nicht an. § 157 StGB ist deshalb selbst dann anwendbar, wenn der Zeuge nur irrtümlich die Gefahr gerichtlicher Bestrafung angenommen hat (vgl. BGHSt 8, 316, 317; BGH bei Detter NStZ 1990, 222).
Vor dem Hintergrund dieser rein subjektiven Zielrichtung der Vorschrift ist es entgegen der Auffassung des Landgerichts keineswegs nahe liegend, dass ein Zeuge, der sich im Falle einer wahrheitsgemäßen Aussage begründet oder nur irrtümlich strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt sieht, dieser Zwangslage dadurch zu entgehen versucht, dass er sich auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StGB beruft. Vielmehr kommt ebenso in Betracht, dass dieser Zeuge bei seiner Vernehmung von der Vorstellung geleitet wird, schon durch das Gebrauchmachen vom Auskunftsverweigerungsrecht sein früheres - aus seiner Sicht strafrechtlich relevantes - Fehlverhalten einzugestehen, und deshalb zum Mittel der Falschaussage greift. Dies gilt erst recht mit Blick auf § 56 StPO, wonach der Zeuge, der sich auf § 55 StPO beruft, auf Verlangen verpflichtet ist, die Gründe für die Aussageverweigerung anzugeben. In einer solchen Zwangslage könnte sich auch der Angeklagte bei seiner Aussage vor dem Landgericht befunden haben. Hiermit hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt.
b) Eine Erörterung dieses möglichen Beweggrundes für die Falschaussage war nicht etwa deshalb entbehrlich, weil nicht nur objektiv, sondern - was allein maßgeblich ist - auch aus Sicht des Angeklagten im Zeitpunkt seiner Vernehmung eine Strafverfolgung wegen seines früheren Verhaltens ausgeschlossen war. Hier liegt es nämlich keinesfalls fern, dass, worauf die Revision zu Recht hinweist, der Angeklagte bei seiner Vernehmung davon ausging, durch seine Untätigkeit weitere Sexualdelikte seines Kollegen, insbesondere mögliche Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB, gefördert, sich mithin jedenfalls der Beihilfe durch Unterlassen zu solchen Taten schuldig gemacht zu haben. Als Schulleiter oblag dem Angeklagten eine Garantenpflicht zum Schutz der ihm anvertrauten Schüler. Diese verpflichtete ihn, die Schüler im Schulbetrieb vor gesundheitlichen Schäden zu bewahren (vgl. BGH VersR 1955, 742, 743; OLG Köln NJW 1986, 1947, 1948). Der Angeklagte wäre als Schulleiter deshalb gehalten gewesen, zumutbare Maßnahmen zur Verhinderung weiterer sexueller Übergriffe seines Kollegen zu treffen (vgl. BGHSt 43, 82, 87; BGH bei Holtz MDR 1982, 626; BGH MDR 1984, 274).
3. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 3 StPO Gebrauch und verweist die Sache an das Amtsgericht - Strafrichter - Bochum zurück, da dessen Strafgewalt hier ausreicht. Sollte in der neuen Hauptverhandlung nicht geklärt werden können, ob der Angeklagte bei seiner Falschaussage aus dem Motiv der Abwehr strafrechtlicher Verfolgung gehandelt hat, wird insoweit nach dem Zweifelsgrundsatz zu verfahren und zu seinen Gunsten vom Vorliegen eines Aussagenotstands auszugehen sein (vgl. BGH NStZ 1988, 497). ..." (BGH, Beschluss vom 26.07.2007 - 4 StR 240/07)
***
?... Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der im Fall II 4 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe. Darüber hinaus kann diese Einzel-strafe auch deswegen keinen Bestand haben, weil die Urteilsgründe nicht er-kennen lassen, dass die Strafkammer das Vorliegen eines Aussagenotstands nach § 157 Abs. 1 StGB geprüft hat. Hätte der Angeklagte bei seiner zweiten richterlichen Vernehmung wahrheitsgemäß ausgesagt, so hätte er sich zugleich der bei der ersten richterlichen Vernehmung begangenen uneidlichen Falsch-aussage in Tateinheit mit Strafvereitelung bezichtigen müssen, von der ein strafbefreiender Rücktritt nicht mehr in Betracht kam. Es ist daher nicht auszu-schließen, dass der Angeklagte bei seiner Falschaussage vom 25. April 2005 auch das Ziel der Selbstbegünstigung verfolgte. Dass die Absicht, die Gefahr einer Bestrafung von sich abzuwenden, der einzige oder wesentliche Beweg-grund für die falsche Aussage war, setzt § 157 StGB nicht voraus (vgl. BGHR StGB § 157 Abs. 1 Selbstbegünstigung 1 m.w.N.). Ebenso wenig wird § 157 StGB dadurch ausgeschlossen, dass der Angeklagte den Aussagenotstand durch seine falschen Angaben in einer früheren Vernehmung schuldhaft her-beigeführt hat (vgl. BGHSt 8, 301, 318 f.; BGH StV 1995, 249 m.w.N.). ..." (BGH, Beschluss vom 11.10.2006 - 4 StR 340/06)
Ausschließung eines Richters § 22 StPO
Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen,
1. wenn er selbst durch die Straftat verletzt ist;
2. wenn er Ehegatte, Lebenspartner, Vormund oder Betreuer des Beschuldigten oder des Verletzten ist oder gewesen ist;
3. wenn er mit dem Beschuldigten oder mit dem Verletzten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war;
4. wenn er in der Sache als Beamter der Staatsanwaltschaft, als Polizeibeamter, als Anwalt des Verletzten oder als Verteidiger tätig gewesen ist;
5. wenn er in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist.
Leistätze/Entscheidungen:
Ziffer 1
? ... Richter am Bundesgerichtshof S. - nicht aber Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof B. und Richterin am Bundesgerichtshof Sc. - ist an der Mitwirkung an der Entscheidung des Senats über die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 3. März 2008 ausgeschlossen. ...
Das Landgericht Berlin hat den Angeklagten G. wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten W. wegen ?Beihilfe durch Unterlassen zum Betrug" zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 75 Euro verurteilt.
1. Das Landgericht hat es für erwiesen erachtet, dass der Angeklagte G. als für Finanzen und Reinigung zuständiges Vorstandsmitglied der B. St. , einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts, die die Straßenreinigung im Wege des Anschluss- und Benutzungszwangs wahrgenommen und dafür von den Eigentümern der Anliegergrundstücke privatrechtliche Entgelte erhoben hat, eine fehlerhafte Berechnung der von den Grundstückseigentümern zu zahlenden Straßenreinigungsentgelte in der Tarifperiode 2001/2002 fortgeführt hat. Deshalb wurden allen Berliner Grundstückseigentümern für den Zeitraum 1. April 2001 bis 31. Dezember 2002 überhöhte Entgelte in Höhe von insgesamt über 23 Millionen Euro in Rechnung gestellt und - was sich aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe ergibt - von den Eigentümern auch bezahlt. Der Angeklagte W. hat es pflichtwidrig unterlassen, den Vorstandsvorsitzenden und weitere Vorstandsmitglieder von dem Abrechnungsfehler in Kenntnis zu setzen.
Der Angeklagte W. erhebt u. a. die auf eine Verletzung von § 338 Nr. 2 i.V.m. § 22 Nr. 1 StPO gestützte Verfahrensrüge, wonach Richter der erkennenden Strafkammer von der Mitwirkung an der Entscheidung zwingend ausgeschlossen gewesen seien, weil sie als Berliner Mieter Verletzte im Sinne von § 22 Nr. 1 StPO gewesen seien.
2. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 hat Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof B. mitgeteilt, er wohne in Berlin als Mieter. Der nach der senatsinternen Geschäftsverteilung ferner zur Mitwirkung an der Entscheidung berufene Richter am Bundesgerichtshof S. hat mitgeteilt, er sei 2001/2002 in Berlin Mieter gewesen, sein Bruder indes Grundstückseigentümer. Die als Vertreterin von Richter am Bundesgerichtshof S zur Mitwirkung berufene Richterin am Bundesgerichtshof Sc. hat mitgeteilt, sie sei ebenfalls Mieterin in Berlin.
Im Hinblick auf die Selbstanzeigen dieser Richter hat der Senat gemäß § 30 StPO darüber zu entscheiden, ob die Richter kraft Gesetzes von der Mitwirkung an der Entscheidung über die Revisionen ausgeschlossen sind.
3. Bezüglich Richter am Bundesgerichtshof S. liegt ein Ausschlussgrund vor. Er ist in der Seitenlinie im ersten Grad mit einem Verletzten verwandt (§ 22 Nr. 3 StPO).
Verletzter im Sinn von § 22 Nr. 1 StPO ist ein Richter, wenn er selbst oder ein Angehöriger im Sinne des § 22 Nr. 3 StPO durch die Straftat, die Gegenstand des Verfahrens ist, persönlich unmittelbar in seinen Rechten betroffen ist (BGHSt 51, 100, 109 f. m.w.N.).
Dies ist im Tatzeitraum bei sämtlichen Grundstückseigentümern Berlins und somit auch bei dem Bruder des Richters S. der Fall. Gegen die Grundstückseigentümer wurden überhöhte Straßenreinigungsentgelte geltend gemacht und nachfolgend durchgängig erfüllt. Dadurch haben die Grundstückseigentümer jeweils einen Vermögensschaden in Höhe der sachlich unbegründeten Reinigungskosten erlitten.
4. Bezüglich Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof B. und Richterin am Bundesgerichtshof Sc. liegt indes kein Ausschlussgrund vor. Sie waren als Mieter nicht Adressaten der geltend gemachten Reinigungskosten. Sollten sie aufgrund mietvertraglicher Vereinbarungen verpflichtet gewesen sein, Straßenreinigungsentgelte als Mietnebenkosten dem Vermieter zu erstatten, läge lediglich eine mittelbare Beeinträchtigung ihres Vermögens vor, was die Annahme einer Verletzteneigenschaft noch nicht gestattet (vgl. zum spiegelbildlichen Fall mittelbar verminderter Einnahmen BGHSt 1, 298). ..." (BGH, Beschluss vom 24.03.2009 - 5 StR 394/08)
***
Ein Richter ist nicht deshalb als Verletzter einer Untreue gemäß § 22 Nr. 1 StPO von der Entscheidung ausgeschlossen, weil die angeklagte Vermögens-straftat sich gegen eine als nichtrechtsfähiger Verein organisierte politische Partei richtete, deren Mitglied er ist (BGH, Urteil vom 18.10.2006 - 2 StR 499/05).
***
?... Durch Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 18. April 2005 sind der Angeklagte K. wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, und der Angeklagte W. wegen Beihilfe zur Untreue zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 170 Euro verurteilt worden.
1. Die Verurteilung stützt sich im Wesentlichen auf die Feststellung, der Angeklagte K. habe im Zeitraum ab 1995 bis zu seinem Ausscheiden aus diesen Funktionen als Vorsitzender des Landesverbands Hessen und Vorstandsmitglied der Christlich Demokratischen Union (CDU) Deutschlands im Jahre 1998 aus unbekannten Quellen stammendes Parteivermögen, das auf verschleierten Konten zunächst in der Schweiz und ab 1994 in Liechtenstein verborgen worden war, vor den Organen der Partei verheimlicht und an inhaltlich falschen jährlichen Rechenschaftsberichten des Landesverbands gegenüber der Bundespartei mitgewirkt, die in deren Rechenschaftsberichte gegenüber dem Präsidenten des Deutschen Bundestags eingingen. Dieser habe deshalb mit Bescheid vom 14. Februar 2000 einen Betrag von ca. 41,3 Mio. DM zuviel ausgezahlter staatlicher Zuwendungen von der Partei zurück gefordert. Der Landesverband habe hierfür gegenüber dem Bundesverband Ersatzleistungen erbracht; der Schaden sei später teilweise mittels einer Sonderumlage der Mitglieder ausgeglichen worden. Der Angeklagte W. habe in seiner Funktion als Bevollmächtigter dem Angeklagten K. Beihilfe geleistet.
Gegen das Urteil haben beide Angeklagten Revision eingelegt. Der Angeklagte W. erhebt unter anderem eine auf die Verletzung von § 338 Nr. 2 i.V.m. § 22 Nr. 1 StPO gestützte Verfahrensrüge, wonach der Vorsitzende der erkennenden Strafkammer von der Mitwirkung an der Entscheidung zwingend ausgeschlossen gewesen sei, weil er Mitglied des Landesverbands Hessen der CDU und daher Verletzter im Sinne von § 22 Nr. 1 StPO gewesen sei. Termin zur Hauptverhandlung über die Revisionen der Angeklagten ist auf den 6. September 2006 bestimmt.
Mit Schreiben vom 11. Mai 2006 hat der nach der senatsinternen Geschäftsverteilung zur Mitwirkung an der Entscheidung berufene Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß mitgeteilt, er sei seit ca. 20 Jahren Mitglied der CDU Deutschlands, habe auf örtlicher und regionaler Ebene Ämter ausgeübt und tue dies weiterhin.
Mit Schreiben vom 17. Mai 2006 hat die Vorsitzende des Senats, Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan, mitgeteilt, sie sei im verfahrensrelevanten Zeitraum Mitglied des Landesverbands Nordrhein-Westfalen der CDU Deutschlands gewesen und sei dies auch gegenwärtig.
Der Generalbundesanwalt sowie die Verteidigung des Angeklagten K. haben zu den Selbstanzeigen der beiden Richter eine Stellungnahme nicht abgegeben.
Die Verteidigung des Angeklagten W. hat in ihrer Stellungnahme ausgeführt, eine Verletzteneigenschaft der beiden Richter scheide von vornherein aus, weil sie nicht Mitglieder des Landesverbands Hessen der CDU Deutschlands seien und eine individuelle Mitgliedschaft auf Bundesebene nicht bestehe.
Im Hinblick auf die Selbstanzeigen der beiden Richter hat der Senat gemäß § 30 StPO darüber zu entscheiden, ob die Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan und der Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß kraft Gesetzes von der Mitwirkung an der Entscheidung über die Revisionen ausgeschlossen sind.
2. Ein Ausschlussgrund gemäß § 22 Nr. 1 StPO liegt nicht vor.
a) Verletzter im Sinne von § 22 Nr. 1 StPO ist ein Richter, wenn er durch die Straftat, die Gegenstand des Verfahrens ist, persönlich unmittelbar in seinen Rechten betroffen ist (BGHSt 1, 298; BGHR StPO § 22 Verletzter 1; BayObLG NStZ 1993, 347; Meyer-Goßner StPO 49. Aufl. § 22 Rdn. 6; Pfeiffer in KK-StPO 5. Aufl. § 22 Rdn. 4; Kuckein in KK-StPO § 338 Rdn. 55). § 22 Nr. 1 StPO schließt nur solche Personen regelmäßig und ohne Rücksicht auf die Frage in-dividueller Befangenheit (§ 24 StPO) als Richter aus, die schon auf Grund ihrer formalen Stellung als Betroffene des verfahrensgegenständlichen Geschehens die Gewähr persönlicher Unbefangenheit nicht bieten. Eine nur entfernte oder mittelbare Betroffenheit reicht hierfür nicht aus.
Bei einem Vermögensdelikt kommt es daher darauf an, ob durch das tatsächliche Geschehen, welches Gegenstand des Strafverfahrens ist, bei dem zur Entscheidung berufenen Richter unmittelbar ein Vermögensnachteil bewirkt worden ist (vgl. Wendisch in LR 25. Aufl. § 22 Rdn. 7). Das ist bei den beiden Richtern weder hinsichtlich der von der Anklage umfassten und im angefochtenen Urteil festgestellten Handlungen zu Lasten des Landesverbands Hessen noch hinsichtlich derjenigen zu Lasten des Bundesverbands der CDU Deutschlands der Fall.
b) Die CDU Deutschlands ist, wie auch andere Parteien in Deutschland, als nicht rechtsfähiger Verein (§ 54 BGB) organisiert. Dabei ist nach den Satzungen der Bundespartei und der Landesverbände davon auszugehen, dass die Aufnahme, über die regelmäßig der für den Wohnsitz zuständige Kreisverband entscheidet (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 des Statuts der CDU Deutschlands - im Folgenden: Statut -; § 4 Abs. 8 Satz 1 Satzung der CDU Hessen - im Folgenden: Satzung Hessen), zur (unmittelbaren) Mitgliedschaft sowohl in dem jeweiligen Landesverband als auch in dem Bundesverband führt; letzterer ist nicht nur als Dachverband der Landesverbände organisiert. Das ergibt sich, entgegen der Ansicht der Verteidigung des Angeklagten W. , aus §§ 16 ff., § 35 Abs. 1, aber auch aus §§ 10, 11 Abs. 3 des Statuts.
Ist somit jedes Mitglied eines Kreis- und Landesverbands zugleich Mitglied des nicht rechtsfähigen Vereins auf Bundesebene, so käme grundsätzlich eine unmittelbare Betroffenheit sämtlicher Mitglieder der Bundespartei in Betracht, wenn ihnen das Vermögen der Gesamtpartei - und damit auch dasjenige des jeweiligen Landesverbands - in gesamthänderischer Verbundenheit gemäß § 54 Satz 1 i.V.m. § 718 Abs. 1 BGB zustände (vgl. dazu BGH NJW 1990, 1181), und eine Zuordnung des Parteivermögens zur Bundespartei als solcher oder zu ihren Untergliederungen daher nicht möglich wäre.
c) Das Reichsgericht hat für Tathandlungen, die vor Inkrafttreten des BGB zu Lasten des Vereinsvermögens eines kleinen, aus den Richtern eines Gerichts bestehenden nicht eingetragenen Idealvereins begangen wurden, entschieden, Verletzte im Sinne von § 22 Nr. 1 StPO seien sämtliche Vereinsmitglieder (RGSt 33, 314, 316). Auch wenn das Vereinsvermögen wegen fehlender Rechtsfähigkeit des nicht eingetragenen Vereins grundsätzlich den Mitgliedern als Gesamthandsgemeinschaft zugeordnet wurde (vgl. auch Palandt-Heinrichs BGB 65. Aufl. § 54 Rdn. 7), ist in der Entwicklung der Rechtsprechung die vermögensrechtliche Anbindung an die einzelnen Mitglieder nicht rechtsfähiger Vereine, namentlich bei Großorganisationen, fast ganz aufgegeben worden (vgl. z. B. BGHZ 42, 210, 216; 50, 325, 329). Im Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00 (BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Außen-GbR, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet, Rechtsfähigkeit besitzt; das Verhältnis zwischen Verbindlichkeiten der Gesellschaft und der Haftung persönlich haftender Gesellschafter entspricht danach demjenigen bei der OHG. Auch diese inzwischen wohl unstreitige Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit der Außen-GbR spricht dafür, die Regelung des § 54 Satz 1 BGB jedenfalls eng auszulegen. In der Literatur wird aus der genannten Rechtsentwicklung gefolgert, dass auch der nicht rechtsfähige Verein selbst Träger seines Aktiv- und Passivvermögens sei (vgl. Weick in Staudinger BGB, Stand Mai 2005, § 54 Rdn. 74; Schwarz in Bamberger/Roth BGB § 54 Rdn. 13; Hadding in Soergel BGB 13. Aufl., Stand 2000, § 54 Rdn. 16, 20).
d) Bei der Beurteilung der Anwendbarkeit von § 54 Satz 1 BGB auf politische Parteien ist zudem zu berücksichtigen, dass die zivilrechtlichen Regelungen zum Teil durch Regelungen des Parteienrechts überlagert und modifiziert werden (vgl. auch OLG Zweibrücken NJW-RR 2000, 749, 750). So gehen etwa §§ 24, 26, 26 a PartG jedenfalls dem Wortlaut nach von einer Rechtsträgerschaft der Partei aus. § 37 PartG schließt die Anwendung von § 54 Satz 2 BGB und damit eine persönliche Haftung der Mitglieder für Verbindlichkeiten aus, welche die Partei im eigenen Namen begründet hat. Dem entsprechen die Regelungen des § 35 Abs. 1 und 2 des Statuts. Hieraus ergibt sich, dass die Partei ihre Mitglieder im Innenverhältnis vermögensrechtlich gerade nicht wie Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft behandeln, sondern wie Mitglieder eines eingetragenen Vereins stellen will. Insoweit ist auch die grundsätzliche vermögensrechtliche Selbständigkeit der ihrerseits als nicht rechtsfähige Vereine organisierten Landesverbände zu berücksichtigen.
e) Im Ergebnis sind die beiden Richter, die den Landesverbänden Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg angehören, von einem durch die verfahrensgegenständlichen Taten möglicherweise verursachten Vermögensschaden in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Partei allenfalls mittelbar betroffen. Das gilt sowohl für einen auf der Ebene des Landesverbands Hessen als auch für einen möglicherweise auf der Ebene des Bundesverbands oder anderer Landesverbände entstandenen Schaden. An dem durch die angeklagten Taten betroffenen Vereinsvermögen haben sie keinen Anteil, so dass sie nicht Verletzte im Sinne von § 22 Nr. 1 StPO sind. ..." (BGH, Beschluss vom 11.07.2006, 2 StR 499/05)
Ziffer 2
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Ziffer 3
? ... Richter am Bundesgerichtshof S. - nicht aber Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof B. und Richterin am Bundesgerichtshof Sc. - ist an der Mitwirkung an der Entscheidung des Senats über die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 3. März 2008 ausgeschlossen. ...
Das Landgericht Berlin hat den Angeklagten G. wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten W. wegen ?Beihilfe durch Unterlassen zum Betrug" zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 75 Euro verurteilt.
1. Das Landgericht hat es für erwiesen erachtet, dass der Angeklagte G. als für Finanzen und Reinigung zuständiges Vorstandsmitglied der B. St. , einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts, die die Straßenreinigung im Wege des Anschluss- und Benutzungszwangs wahrgenommen und dafür von den Eigentümern der Anliegergrundstücke privatrechtliche Entgelte erhoben hat, eine fehlerhafte Berechnung der von den Grundstückseigentümern zu zahlenden Straßenreinigungsentgelte in der Tarifperiode 2001/2002 fortgeführt hat. Deshalb wurden allen Berliner Grundstückseigentümern für den Zeitraum 1. April 2001 bis 31. Dezember 2002 überhöhte Entgelte in Höhe von insgesamt über 23 Millionen Euro in Rechnung gestellt und - was sich aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe ergibt - von den Eigentümern auch bezahlt. Der Angeklagte W. hat es pflichtwidrig unterlassen, den Vorstandsvorsitzenden und weitere Vorstandsmitglieder von dem Abrechnungsfehler in Kenntnis zu setzen.
Der Angeklagte W. erhebt u. a. die auf eine Verletzung von § 338 Nr. 2 i.V.m. § 22 Nr. 1 StPO gestützte Verfahrensrüge, wonach Richter der erkennenden Strafkammer von der Mitwirkung an der Entscheidung zwingend ausgeschlossen gewesen seien, weil sie als Berliner Mieter Verletzte im Sinne von § 22 Nr. 1 StPO gewesen seien.
2. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 hat Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof B. mitgeteilt, er wohne in Berlin als Mieter. Der nach der senatsinternen Geschäftsverteilung ferner zur Mitwirkung an der Entscheidung berufene Richter am Bundesgerichtshof S. hat mitgeteilt, er sei 2001/2002 in Berlin Mieter gewesen, sein Bruder indes Grundstückseigentümer. Die als Vertreterin von Richter am Bundesgerichtshof S zur Mitwirkung berufene Richterin am Bundesgerichtshof Sc. hat mitgeteilt, sie sei ebenfalls Mieterin in Berlin.
Im Hinblick auf die Selbstanzeigen dieser Richter hat der Senat gemäß § 30 StPO darüber zu entscheiden, ob die Richter kraft Gesetzes von der Mitwirkung an der Entscheidung über die Revisionen ausgeschlossen sind.
3. Bezüglich Richter am Bundesgerichtshof S. liegt ein Ausschlussgrund vor. Er ist in der Seitenlinie im ersten Grad mit einem Verletzten verwandt (§ 22 Nr. 3 StPO).
Verletzter im Sinn von § 22 Nr. 1 StPO ist ein Richter, wenn er selbst oder ein Angehöriger im Sinne des § 22 Nr. 3 StPO durch die Straftat, die Gegenstand des Verfahrens ist, persönlich unmittelbar in seinen Rechten betroffen ist (BGHSt 51, 100, 109 f. m.w.N.).
Dies ist im Tatzeitraum bei sämtlichen Grundstückseigentümern Berlins und somit auch bei dem Bruder des Richters S. der Fall. Gegen die Grundstückseigentümer wurden überhöhte Straßenreinigungsentgelte geltend gemacht und nachfolgend durchgängig erfüllt. Dadurch haben die Grundstückseigentümer jeweils einen Vermögensschaden in Höhe der sachlich unbegründeten Reinigungskosten erlitten.
4. Bezüglich Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof B. und Richterin am Bundesgerichtshof Sc. liegt indes kein Ausschlussgrund vor. Sie waren als Mieter nicht Adressaten der geltend gemachten Reinigungskosten. Sollten sie aufgrund mietvertraglicher Vereinbarungen verpflichtet gewesen sein, Straßenreinigungsentgelte als Mietnebenkosten dem Vermieter zu erstatten, läge lediglich eine mittelbare Beeinträchtigung ihres Vermögens vor, was die Annahme einer Verletzteneigenschaft noch nicht gestattet (vgl. zum spiegelbildlichen Fall mittelbar verminderter Einnahmen BGHSt 1, 298). ..." (BGH, Beschluss vom 24.03.2009 - 5 StR 394/08)
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Ziffer 4
Die Revisionsrüge, das Gericht habe seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen (§ 338 Nr. 4 StPO), bleibt dem Angeklagten auch dann uneingeschränkt erhalten, wenn dem Urteil eine Verständigung (§ 257c StPO) vorausgegangen ist. Ein in der Revision beachtlicher Rechtsfehler nach § 338 Nr. 4, § 6a StPO, § 74a Abs. 1 Nr. 4 GVG liegt nicht nur dann vor, wenn das Tatgericht seine Zuständigkeit auf der Grundlage objektiv willkürlicher Erwägungen angenommen hat. Die Ausnahmeregelung des § 74a Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 GVG greift unabhängig davon ein, ob neben einem Betäubungsmitteldelikt weitere Straftaten mit der Bildung einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit stehen (BGH, Beschluss vom 13.09.2011 - 3 StR 196/11 zu §§ 6a, § 257c, 338 Nr 4 StPO, § 74a Abs 1 Nr 4 Halbs 2 GVG).
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Auch die bloße Akteneinsichtsgewährung an einen anwaltlichen Verletztenvertreter und die Einräumung einer Frist für eine eventuelle Stellungnahme im Rahmen früherer Tätigkeit als Staatsanwältin stellen eine zur Ausübung des Richteramtes ausschließende Tätigkeit dar (BGH, Beschluss vom 12.08.2010 - StR 378/10).
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Die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit ist nicht deshalb unzulässig, weil der Angeklagte im Verlauf der Hauptverhandlung ?im Hinblick auf eine verfahrensabkürzende Absprache' den Tatvorwurf eingestanden hat. Die Befugnis zur Einlegung eines Rechtsmittels und zur Erhebung von Verfahrensrügen bleibt dem Angeklagte uneingeschränkt erhalten, auch wenn dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen ist (BGH, Beschluss vom 03.09.2009 - 3 StR 156/09 zu StPO §§ 338 Nr. 4, 257c).
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Auch eine rechtsfehlerhafte Verweisung durch den Strafrichter an das Schöffengericht nach Eröffnung des Hauptverfahrens ändert nichts daran, dass die Verweisung bindend und eine Rückgabe an den Strafrichter ausgeschlossen ist. Die Vorlage einer Sache an das LG durch den nicht mehr zuständigen Strafrichter führt nicht zur Nichtigkeit des Vorlegungsbeschlusses. Die sachliche Unzuständigkeit des LG verhilft einer Zuständigkeitsrüge nach § 338 Nr. 4 StPO nur bei objektiver Willkür der Übernahmeentscheidung zum Erfolg (BGH, Beschluss vom 19.02.2009 - 3 StR 439/08 zu StPO §§ 225a Abs. 1, 268, 270, 338 Nr. 4).
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?... Die Vorbefassung stellt grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund dar (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 21, 142, 143 f.; BGHR StPO § 338 Nr. 3 Strafkammer 1, insoweit in BGHSt 43, 96 nicht abgedruckt). Der Gesetzgeber hat nur in den nach § 22 Nr. 4 und 5, § 23, § 148a Abs. 2 Satz 1 StPO gesetzlich geregelten Ausnahmefällen die Ausschließung eines Richters wegen früherer Mitwirkung in einer Sache vorgesehen. Im Übrigen wird das deutsche Verfahrensrecht von der Auffassung beherrscht, dass der Richter auch dann unvoreingenommen an die Beurteilung einer Sache herantrete, wenn er sich schon früher über denselben Sachverhalt ein Urteil gebildet habe (BVerfGE 30, 149, 153 ff.). Dem entspricht es, dass ein Richter, der an einem vom Revisionsgericht aufgehobenen Urteil mitgewirkt hat, erneut in der zurückverwiesenen Sache mitentscheiden darf, ohne grundsätzlich als befangen zu gelten (BGH NStZ 1991, 595; 1994, 447). Ebenso wenig kann ein verständiger Angeklagter in den Fällen, in denen das Bundesverfassungsgericht - wie hier - von der durch § 95 Abs. 2 BVerfGG eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Sache an das Revisionsgericht zurückzuverweisen, Bedenken gegen die Unvoreingenommenheit der Richter haben.
Besondere Umstände, die Anlass zur Besorgnis geben könnten, die erneut zur Entscheidung berufenen Richter seien nicht bereit, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu beachten, sind - zumal da sie an dessen Rechtsauffassung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden sind - nicht ersichtlich. Der vom Bundesverfassungsgericht aufgehobene Beschluss des Senats enthält auch keine unsachlichen Äußerungen zum Nachteil des Angeklagten (vgl. hierzu BGH NStZ 2005, 218). Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht nicht von der für Ausnahmefälle - in denen eine sachgerechte Behandlung durch das eigentlich zuständige Gericht nicht mehr zu erwarten ist - für zulässig erachteten Möglichkeit der Zurückverweisung an einen anderen Spruchkörper (BVerfGE 20, 336, 343 m.w.N.) Gebrauch gemacht. ..." (BGH, Beschluss vom 11.04.2007 - 5 StR 475/02)
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?... II. Ein Ausschlussgrund gegen den Richter am Bundesgerichtshof Dr. A. liegt nicht vor. In Betracht käme hierbei allein ein möglicher Ausschluss des Richters nach § 22 Nr. 4 StPO, wenn er in der Sache als Beamter der Staatsanwaltschaft tätig gewesen wäre. Dies ist hier nicht der Fall.
Entscheidend hierfür ist darauf abzustellen, ob der Richter zuvor als Beamter der Staatsanwaltschaft irgendetwas zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Beeinflussung des Ganges des Verfahrens getan hat (RGSt 70, 161, 162; BGH, Urteil vom 7. August 1973 - 1 StR 219/73; NStZ 1982, 78; BGH bei Holtz MDR 1982, 281, 282; KK-StPO/Pfeiffer 5. Auflage § 22 Rdn. 10; Meyer-Goßner StPO 48. Auflage § 22 Rdn. 18).
Der Richter am Bundesgerichtshof Dr. A. ist in dem gegen die Angeklagten geführten Strafverfahren nicht als Beamter der Staatsanwaltschaft tätig geworden. Er hat, wie sich aus der Selbstanzeige des Richters vom 31. Januar 2006 sowie der weiteren dienstlichen Erklärung vom 28. Februar 2006 ergibt, während der Zeit seiner Abordnung an das Thüringer Justizministerium keine Tätigkeiten entfaltet, die der Erforschung des Sachverhalts oder einer Beeinflussung des Ganges des Verfahrens dienten oder dienen sollten. Die Ausübung der Dienstaufsicht ist nicht dazu bestimmt, Einfluss auf ein bestimmtes Strafverfahren zu nehmen, sondern dient allein der allgemeinen dienstlichen Überprüfung des Handelns der beaufsichtigten Behörde. Fachaufsichtliche Weisungen an die Staatsanwaltschaft sind nicht erfolgt. Auch sonst sind das Strafverfahren gegen die Angeklagten betreffende Weisungen an die Staatsanwaltschaft unter Beteiligung des Richters am Bundesgerichtshof Dr. A. nicht ergangen. Fakten, die auf eine solche Tätigkeit des Richters hindeuteten oder sie belegten, sind aus den Akten weder ersichtlich noch werden sie von den Angeklagten vorgetragen. Insbesondere ergibt sich aus dem von dem Angeklagten P. vorgelegten Wortprotokoll des Justizausschusses des Thüringer Landtags vom 27. Oktober 2000 eine solche Tätigkeit nicht. Ausweislich dieses Protokolls erhielt der Richter in Vertretung des Abteilungsleiters 3 des Thüringer Justizministeriums am 14. Juni 2000 einen Anruf des damaligen Thüringer Generalstaatsanwalts, der ihm mitteilte, dass ein Beschluss des Landgerichts Mühlhausen in dem gegen die Angeklagten stattfindenden Strafverfahren ergangen sei, der die Durchsuchung des Thüringer Wirtschaftsministeriums anordne. Der Beschluss werde per Fax an das Justizministerium geleitet, wobei er darum bitte, dass Dr. A. ihn persönlich entgegennehme, um die Kenntnisnahme durch Unbefugte zu verhindern. Richter am Bundesgerichtshof Dr. A. versuchte nach Erhalt des Beschlusses, den Thüringer Justizminister zu unterrichten, was jedoch zunächst misslang, da dieser einen auswärtigen Termin wahrnahm. Nach der Rückkehr des Ministers überbrachte ihm der Richter den Durchsuchungsbeschluss des Landgerichts und wies ihn auf dessen Inhalt hin. Der Justizminister informierte sodann im Beisein Dr. A. s telefonisch das Thüringer Wirtschaftsministerium darüber, dass eine Durchsuchung bevorstehe. Auch nach dem Ende des Telefongesprächs des Justizministers erfolgte keine Besprechung mit Dr. A. . Der Minister bat Dr. A. nur, die Staatsanwaltschaft davon zu unterrichten, dass die von dem Landgericht Mühlhausen gewünschten Unterlagen durch das Thüringer Wirtschaftsministerium herausgegeben würden, ohne dass es einer Vollziehung des Durchsuchungsbeschlusses bedürfte. Dr. A. informierte nach der Abfahrt des Ministers den Generalstaatsanwalt sowie den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Mühlhausen entsprechend. Am Abend des 14. Juni 2000 unterrichtete Dr. A. seinen vorgesetzten Abteilungsleiter im Thüringer Justizministerium über den Vorgang; dieser übernahm am folgenden Tag die weitere Bearbeitung der Angelegenheit.
Danach hat der Richter am Bundesgerichtshof Dr. A. in Bezug auf die anstehende Durchsuchung des Thüringer Wirtschaftsministeriums lediglich eine als Überbringertätigkeit einzuordnende Funktion erfüllt. Seine Aufgabe erschöpfte sich in der Entgegennahme und anschließenden Weiterleitung des dem Justizministerium mitgeteilten Durchsuchungsbeschlusses des Landgerichts Mühlhausen. Die Entscheidung über die Information des Wirtschaftsministeriums oblag allein dem Thüringer Justizminister, die dieser ohne Mitwirkung des Richters getroffen hat. Darüber hinaus folgt aus dem Wortprotokoll der Sitzung des Justizausschusses des Thüringer Landtags, dass der Richter am Bundesgerichtshof Dr. A. erst den vorstehend dargestellten Vorgang zum Anlass nahm, in die das Strafverfahren gegen die Angeklagten beim Thüringer Justizministerium geführten Akten Einsicht zu nehmen (Bl. 31 des Protokolls); zuvor hatte er ersichtlich noch keine Kenntnis von deren Inhalt.
III. Die Ablehnungsgesuche der Angeklagten P. und K. sind nicht begründet.
Der Senat legt die Stellungnahmen des Angeklagten K. , obgleich dieser nicht ausdrücklich die Ablehnung des Richters am Bundesgerichtshof Dr. A. erklärt hat, als Ablehnungsgesuch im Sinne von § 24 StPO aus. Der Angeklagte K. hat seine Besorgnis dargelegt, der Richter am Bundesgerichtshof Dr. A. könne durch seine frühere Tätigkeit für das Revisionsverfahren beeinflusst sein. Aus einer ?großen Nähe' des vorliegenden Sachverhalts zu den in § 22 StPO umschriebenen Konstellationen sei auch aus der Sicht eines verständigen Angeklagten die Besorgnis der Befangenheit begründet. Dies lässt erkennen, dass der Angeklagte K. Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters am Bundesgerichtshof Dr. A. hegt.
Soweit die Angeklagten geltend machen, die Tätigkeit des Richters am Bundesgerichtshof Dr. A. während der Zeit seiner Abordnung an das Thüringer Justizministerium ergebe jedenfalls eine ?große Nähe' zu dem in § 22 Nr. 4 StPO geregelten Ausschlussgrund, ist ihr nach § 24 StPO zulässiger Antrag nach dem oben Ausgeführten nicht begründet.
Eine Besorgnis der Befangenheit kann sich nicht allgemein aus dem Umstand der Abordnung des Richters am Bundesgerichtshof Dr. A. an das Thüringer Justizministerium und seiner dortigen, im Wege der Dienstaufsicht erfolgten Befassung mit dem gegen die Angeklagten geführten Strafverfahren ergeben (vgl. KK-StPO/Pfeiffer § 24 Rdn. 6).
Auch aus dem Handeln des Richters im Zusammenhang mit dem Erlass eines gegen das Thüringer Wirtschaftsministerium gerichteten Durchsuchungsbeschlusses des Landgerichts Mühlhausen kann eine Besorgnis der Befangenheit nicht gefolgert werden. Wie sich aus dem Wortprotokoll über die Sitzung des Justizausschusses des Thüringer Landtags vom 27. Oktober 2000 ergibt, hat der Richter am Bundesgerichtshof Dr. A. insoweit lediglich als Überbringer des Beschlusses an den Justizminister gehandelt, ohne dass er auf die Entscheidung des Ministers über eine vorherige Benachrichtigung des Wirtschaftsministeriums oder gar den Erlass des Durchsuchungsbeschlusses selbst Einfluss genommen hätte. Hieraus ergeben sich keine Anhaltspunkte, die darauf schließen ließen, der Richter nehme den Angeklagten gegenüber eine innere Haltung ein, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen könnte.
Auch aus den übrigen dem Senat vorliegenden Unterlagen sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die die Besorgnis der Befangenheit begründen könnten. Die oben dargestellten von den Angeklagten vorgetragenen Behauptungen und Vermutungen, aus denen aus ihrer Sicht eine Besorgnis der Befangenheit des Richters am Bundesgerichtshof Dr. A. folgen soll, sind mit Tatsachen nicht belegt und vermögen das Ablehnungsgesuch daher nicht zu begründen. Insbesondere hat der Richter am Bundesgerichtshof Dr. A. , wie sich aus seiner dienstlichen Erklärung vom 28. Februar 2006 ergibt, während der Zeit seiner Abordnung in keiner Weise auf eine Verurteilung der Angeklagten hingewirkt oder Vorstellungen über das Maß einer gegebenenfalls zu beantragenden Strafe geäußert. Bereits die zeitlichen Umstände der Abordnung des Richters weisen darauf hin, dass eine von den Angeklagten befürchtete Mitwirkung an ihrer durch das Landgericht Mühlhausen erfolgten Verurteilung nicht stattgefunden hat. ..." (BGH, Beschluss vom 24.03.2006 - 2 StR 271/05)
***
Ein erkennender Richter ist nicht ?in der Sache' als Staatsanwalt tätig gewesen und deshalb von der Mitwirkung ausgeschlossen, weil er in seinem früheren Amt als Staatsanwalt im Rahmen von Todesermittlungen die Obduktion der Leiche eines vor der Hauptverhandlung verstorbenen Zeugen und Tatgeschädigten angeordnet hat. Das gilt auch dann, wenn vor der Obduktion für den Fall einer bei dieser feststellbaren Fremdverursachung hypothetische Erwägungen über eine etwaige Verantwortung des Angeklagten für den Tod des Zeugen angestellt worden sind, die Obduktion jedoch keinen Anhalt für ein Fremdverschulden erbracht und die Todesermittlungen ohne weiteres eingestellt worden sind (BGH, Urteil vom 02.12.2003 - 1 StR 102/03).
Ziffer 5
?... Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Kreditbetruges in zehn Fällen und wegen Betruges zu Gesamtfreiheitsstrafen von jeweils sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen. Zwar sind die Sachrügen unbegründet, da weder die Schuld- noch die (maßvollen) Rechtsfolgenaussprüche Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten aufweisen. Die Revisionen haben aber mit einer Verfahrensrüge Erfolg, mit der sie nach § 338 Nr. 2 StPO beanstanden, dass ein gemäß § 22 Nr. 5 StPO von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossener Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat.
1. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Bereits während des Ermittlungsverfahrens war von der Verteidigung des Angeklagten Dieter L. dessen Verhandlungsunfähigkeit behauptet worden. Unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung am 15. Januar 2004 wurde ein Schreiben von Prof. Dr. W. vom 13. Januar 2004 vorgelegt, in dem dieser dem Verteidiger mitteilte, der Angeklagte sei seit dem 9. Januar 2004 ?wegen einer depressivängstlichen Belastungsreaktion verbunden mit schweren kognitiven Ausfällen vom Ausmaß einer Demenz' in stationärer Behandlung und - nach Einschätzung des Arztes - nicht verhandlungsfähig; allerdings sei seine Anwesenheit bei der Verhandlung vor dem Landgericht Münster unter der Voraussetzung einer ständigen Begleitung durch einen erfahrenen Fachkrankenpfleger für Psychiatrie vertretbar. In der Hauptverhandlung vom 5. und 10. Februar 2004 wurde Prof. Dr. W. als sachverständiger Zeuge zum Gesundheitszustand des Angeklagten Dieter L. vernommen. Dabei äußerte er sich auch zu einer von ihm ausgestellten ärztlichen Bescheinigung zur Vorlage beim Gericht vom 25. September 2002, in der er dem Angeklagten ?schwere kognitive Störungen und Wesensänderungen auf dem Boden eines hirnorganischen Prozesses' und eine hieraus folgende dauerhafte Vernehmungs- und Verhandlungsunfähigkeit attestiert hatte. Er gab an, dieses Attest auf Veranlassung der Eheleute L. und der damaligen Verteidiger verfasst zu haben; erstere hätten ihn sinngemäß gefragt, ob er nicht helfen und Dieter L. das Strafverfahren ersparen könne. Am 13. Februar 2004 leitete die Staatsanwaltschaft gegen Prof. Dr. W. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse und der versuchten Strafvereitelung ein. In diesem Ermittlungsverfahren wurde der Berichterstatter des vorliegenden Verfahrens am 26. Juli 2004 von der Staatsanwaltschaft förmlich als Zeuge dazu vernommen, welche Angaben Prof. Dr. W. in der Hauptverhandlung gemacht habe. Dabei verglich er die ihm vorgelesenen Mitschriften der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft mit seinen eigenen; er bestätigte, dass diese nahezu identisch seien, und gab geringfügige Abweichungen an. Abschließend sagte er - nach einer Wertung befragt - aus, dass Prof. Dr. W. nicht alle als Anknüpfungstatsachen zu berücksichtigenden Verhaltensweisen angegeben habe. Auch nach dieser Vernehmung übte der Berichterstatter bis zur Urteilsverkündung am 16. April 2007 sein Richteramt in dieser Sache aus.
2. Die von beiden Revisionsführern zulässig erhobene Verfahrensrüge ist begründet. Der Berichterstatter war seit seiner zeugenschaftlichen Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft für das vorliegende Verfahren nach § 22 Nr. 5 StPO ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen, wenn er in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen worden ist. Durch diese Regelung soll mit Rücksicht auf das Ansehen der Strafrechtspflege bereits der Anschein eines Verdachts der Parteilichkeit vermieden werden. Davon ausgehend ist es ohne Bedeutung, dass die zeugenschaftliche Vernehmung des Richters in einem anderen Verfahren erfolgt ist, da auch in einem solchen Fall der Anschein einer Voreingenommenheit allgemein gegeben sein kann. Der Bundesgerichtshof hat daher bereits mehrfach entschieden, dass Sachgleichheit nicht Verfahrensidentität bedeutet und auch dann vorliegt, wenn ein Richter in einem anderen Verfahren als Zeuge zu demselben Geschehen vernommen worden ist, das er für die Beurteilung des ihm vorliegenden Falles in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bewerten muss (vgl. BGHSt 31, 358, 359; BGH NStZ 2006, 113, 114; StraFo 2007, 415).
Weiterhin ist der Berichterstatter durch die Staatsanwaltschaft förmlich als Zeuge vernommen worden. Hierin unterscheidet sich der Fall von anderen Sachverhalten, bei denen ein Richter lediglich eine dienstliche Erklärung über Vorgänge abgibt, die den Gegenstand des bei ihm anhängigen Verfahrens betreffen und die er im Zusammenhang mit seiner amtlichen Tätigkeit in dieser Sache wahrgenommen hat (vgl. hierzu BGHSt 44, 4, 9 f.; 45, 354 f.).
Schließlich ist der Berichterstatter auch zum Tatgeschehen vernommen worden. Darunter ist nicht nur die Wiedergabe eigener Wahrnehmungen zum Tatgeschehen zu verstehen, vielmehr wird jede Äußerung des Zeugen zu solchen Fragen erfasst, die im Hinblick auf die Schuld- und Straffrage richterlicher Würdigung bedürfen (vgl. BGHSt 31, 358, 359 f.; BGH NStZ 2006, 113, 114; StraFo 2007, 415). Vorliegend hat der Richter in dem Ermittlungsverfahren gegen Prof. Dr. W. Angaben dazu gemacht, was dieser als sachverständiger Zeuge in dem vorliegenden Verfahren zur Frage der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten Dieter L. , der Erteilung zweier ärztlicher Bescheinigungen und deren Zustandekommen ausgesagt hat. In diesem Zusammenhang hat der Richter, nach seiner Wertung befragt, angegeben, dass Prof. Dr. W. nicht sämtliche, als Anknüpfungspunkte bedeutsame Verhaltensweisen des Angeklagten mitgeteilt habe.
Der Inhalt der Aussage des sachverständigen Zeugen war vorliegend nicht nur für die Beurteilung der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten Dieter L. von Bedeutung ungeachtet dessen, dass das Landgericht dazu einen Sachverständigen hinzugezogen hatte. Die Frage, ob es sich bei den ärztlichen Bescheinigungen um falsche Gesundheitszeugnisse (?Gefälligkeitsatteste') handelte, war vielmehr auch für die Beweiswürdigung und die Strafzumessung bedeutsam. Das Landgericht hat die Glaubhaftigkeit der Angaben des die Angeklagten bezüglich ihrer Kreditbetrügereien belastenden Zeugen Wa. unter anderem damit begründet, dass dessen Bekundungen zu der von ihm geschilderten Verteidigungsstrategie (Vorschieben von Verhandlungsunfähigkeit), die ihm der Angeklagte Dieter L. für den Fall der Entdeckung seiner strafbaren Machenschaften angekündigt hatte, durch den Prozessverlauf bestätigt worden seien; der Angeklagte Dieter L. habe in der Tat ?durch eine Vielzahl von Anträgen und Vorlage von Gutachten versucht, eine vorgebliche Verhandlungsunfähigkeit zu belegen' (UA 856). Weiterhin hat das Landgericht hinsichtlich der Beschwerdeführer die strafmildernde Wirkung der langen Verhandlungsdauer unter anderem deswegen relativiert, weil diese Dauer - neben weiteren Verzögerungsstrategien - auf der Vorlage diverser Gutachten und darauf gestützter Anträge zur Frage des Gesundheitszustandes des Angeklagten Dieter L. beruhe (UA 968). Die Frage, ob es sich bei den ärztlichen Bescheinigungen um auf Veranlassung des Angeklagten Dieter L. erstellte unrichtige Gesundheitszeugnisse handelte, ist demnach von dem dazu als Zeugen vernommenen Richter in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bewertet worden. Dies bedingt gemäß § 22 Nr. 5 StPO seinen Ausschluss von der Ausübung des Richteramtes im vorliegenden Verfahren und hat die Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Folge.
3. Diese Rechtsfolge wird zu bedenken sein, wenn ein Gerichtspräsident über die Erteilung einer Aussagegenehmigung für einen während einer laufenden Hauptverhandlung als Zeugen benannten Richter zu befinden hat. Der Strafrechtspflege erwächst durch die Versagung der Aussagegenehmigung in derartigen Fällen kein Nachteil, da die Staatsanwaltschaft vorzugsweise andere Personen, die an der Verhandlung teilgenommen haben, als Zeugen zu den in Frage stehenden Tatsachen hören kann (vgl. BGHSt 31, 354, 361 f.; BGH StraFo 2007, 415). ..." (BGH, Beschluss vom 22.01.2008 - 4 StR 507/07)
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Ein Richter, der förmlich als Zeuge vernommen worden ist, ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen, wenn er über ein identisches Geschehen zu urteilen hätte. Dabei bedeutet Sachgleichheit nicht Verfahrensidentität, die auch dann gegeben ist, wenn ein Richter in einem anderen Verfahren als Zeuge zu demselben Tatgeschehen vernommen wurde, das er jetzt abzuurteilen hat:
?... Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen beruht die Verurteilung des Angeklagten wegen gemeinschaftlich begangenen Diebstahls (§§ 242, 25 Abs. 2 StGB) darauf, dass der Angeklagte die gesondert Verfolgten T. , R. und Ri. dazu bestimmt hat, zwei Warmluftgeräte von einer Baustelle zu entwenden und ihm in seine Werkstatt zu bringen. Grundlage der Verurteilung des die Tat bestreitenden Angeklagten war die Aussage des gesondert Verfolgten T. .
Während des Laufs der Hauptverhandlung wurde der Vorsitzende der Strafkammer in dem vor dem Amtsgericht Tiergarten in Berlin gegen den gesondert Verfolgten R. wegen derselben Straftat anhängigen Strafverfahren als Zeuge gehört. Er machte dabei Angaben über den Inhalt der Aussage des gesondert Verfolgten T. in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht.
Die zulässig erhobene Verfahrensrüge ist begründet. Der Vorsitzende der Strafkammer war seit seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht für das vorliegende Verfahren nach § 22 Nr. 5 StPO ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen, wenn er in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist.
Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass Sachgleichheit nicht Verfahrensidentität bedeutet und auch dann gegeben ist, wenn ein Richter in einem anderen Verfahren als Zeuge zu demselben Tatgeschehen vernommen worden ist, das er jetzt abzuurteilen hat (vgl. BGHSt 31, 358, 359; BGH NStZ 2006, 113, 114; Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 22 Rdn. 19).
Weiterhin ist der Vorsitzende vor dem Amtsgericht förmlich als Zeuge gehört worden. Hierin unterscheidet sich der Fall von anderen Sachverhalten, bei denen ein Richter lediglich eine dienstliche Erklärung über Vorgänge abgibt, die den Gegenstand des bei ihm anhängigen Verfahrens betreffen und die er im Zusammenhang mit seiner amtlichen Tätigkeit in dieser Sache wahrgenommen hat (vgl. hierzu BGHSt 7, 330, 331; 44, 4, 9 f.; 45, 354, 361 f.; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Prozessverschleppung 12).
Schließlich ist der Vorsitzende auch zum Tatgeschehen vernommen worden. Vernehmung ist insoweit nicht nur die Wiedergabe eigener Wahrnehmung zum Tatgeschehen. Vielmehr wird jede Zeugenaussage zu solchen Fragen erfasst, die im Hinblick auf die Schuld- und Straffrage später richterlich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bewertet werden müssen (vgl. BGHSt 31, 358, 359; BGH NStZ 2006, 113, 114).
Vorliegend hat der Vorsitzende als Zeuge im Verfahren gegen den gesondert Verfolgten R. Angaben gemacht über den Inhalt der Aussage des Belastungszeugen T. . Im vorliegenden Verfahren war derselbe Sachverhalt mit demselben Beweismittel zu würdigen. Der Vorsitzende hat sich - vor der abschließenden Urteilsberatung in seiner Strafkammer - durch seine Angaben darauf festgelegt, welchen Inhalt die Aussage des Zeugen T. hatte, so dass Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit für das vorliegende Verfahren denkbar sind.
Die Vorschrift des § 22 StPO erfordert nicht den Nachweis, dass der entscheidende Richter tatsächlich voreingenommen ist. Es soll bereits durch eine generelle Regelung der bloße Anschein einer sachfremden Beeinflussung vermieden werden (vgl. BGHSt 31, 358, 359). Sinn und Zweck der Vorschrift entspricht es, dass ein Richter, der förmlich als Zeuge vernommen worden ist, von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, wenn er über ein identisches Geschehen zu urteilen hätte (vgl. Schmid GA 1980, 285, 286; Otto StV 2006, 676, 679).
Diese Rechtsfolge wird zu bedenken sein, wenn in derartigen Fällen ein Gerichtspräsident über die Erteilung einer Aussagegenehmigung für einen als Zeugen benannten Richter zu befinden hat. Durch eine Versagung der Aussagegenehmigung werden weder die Verteidigungsinteressen des Angeklagten noch die Pflicht des Gerichts zur Wahrheitsermittlung von vornherein eingeschränkt. Es sind vorzugsweise andere Personen, die ebenfalls an der Verhandlung teilgenommen haben, als Zeugen zu den in Frage stehenden Tatsachen zu hören (vgl. dazu auch BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Prozessverschleppung 12 sowie BGHSt 45, 354, 361 f.). ..." (BGH, Beschluss vom 22.05.2007 - 5 StR 530/06)
***
Der Begriff der Sache i. S. d. § 22 Nr. 5 StPO ist weit auszulegen. Sachgleichheit setzt nicht Verfahrensidentität voraus. Sachgleichheit ist auch dann gegeben, wenn ein Richter in einem anderen Verfahren als Zeuge zu demselben Tatgeschehen vernommen worden ist, das er jetzt abzuurteilen hätte. Vernehmung zum Tatgeschehen ist dabei nicht nur die Wiedergabe eigener Wahrnehmung zum Tatgeschehen, sondern vielmehr jede Äußerung als Zeuge zu solchen Fragen, die im Hinblick auf Schuld- und Straffrage später als Richter in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bewertet werden müssen (BGH, Beschluss vom 27.09.2005 - 4 StR 413/05).
***
Weil § 22 Nr. 5 StPO jeden Anschein eines Verdachts von Parteilichkeit vermeiden will, liegt ein revisibler Verfahrensfehler auch dann vor, wenn der konkret betroffene Tatvorwurf nach § 154 II StPO eingestellt wird, die Zeugenaussage aber darüber hinaus bedeutsame Beweismittel betrifft:
? ... Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt: ?Die Revision hat mit der Rüge der Verletzung von § 22 Nr. 5 StPO Erfolg. Die Rüge ist zulässig erhoben i.S.d. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Revision teilt alle Tatsachen mit, die die konkrete Rüge begründen. Die Rüge hat in der Sache Erfolg, da ein erkennender Richter, der Richter am Landgericht Sch. , in der Sache als Zeuge vernommen wurde. Der Begriff der Sache ist weit auszulegen. Sachgleichheit setzt nicht Verfahrensidentität voraus (BGHSt 9, 193). Sachgleichheit ist auch dann gegeben, wenn ein Richter in einem anderen Verfahren als Zeuge zu demselben Tatgeschehen vernommen worden ist, das er jetzt abzuurteilen hätte (BGHSt 31, 358). Vernehmung zum Tatgeschehen ist dabei nicht nur die Wiedergabe eigener Wahrnehmung zum Tatgeschehen, sondern vielmehr jede Äußerung als Zeuge zu solchen Fragen, die im Hinblick auf Schuld- und Straffrage später als Richter in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bewertet werden müssen (vgl. BGHSt 31, 358, 359). Vorliegend wurde RiLG Sch. in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens gegen B. als Zeuge vernommen. Dem B. wurde vorgeworfen, von Bremen mindestens 300 g Heroingemisch am 27. August 2004 nach Bielefeld gebracht zu haben, um es gemeinsam mit dem Angeklagten und einer weiteren Person abzusetzen. Nach dem Revisionsvortrag und ausweislich der Anklageschrift ... wurde dem Angeklagten vorgeworfen, am 27. August 2004 eine größere Menge Heroin aus Bremen erhalten zu haben, die von B. überbracht wurde (SA Band 10, S. 2297). Mithin wurde Richter am Landgericht Sch. in der Sache, wegen desselben konkreten Tatgeschehens, als Zeuge vernommen. Die Tatsache, dass das vorliegende Verfahren gegen den Angeklagten in diesem Punkt auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO letztlich eingestellt wurde, führt zu keinem anderen Ergebnis, zumal diese Einstellung seiner Zeugenvernehmung zeitlich nachfolgte (SA PB S. 46). Sinn der Vorschrift des § 22 Nr. 5 StPO ist es nämlich, schon den Anschein eines Verdachtes der Parteilichkeit zu vermeiden (BGHSt 14, 219, 221). Vorliegend hat er als Zeuge im Verfahren gegen B. Angaben gemacht über die Richtigkeit der Übersetzung in den polizeilichen TKÜ-Protokollen, die im vorliegenden Verfahren mit Hilfe eines Dolmetschers stichprobenartig überprüft wurde. Dabei hat er als Zeuge auf Abweichungen der Protokolle von der TKÜ aufmerksam gemacht. Im vorliegenden Verfahren war derselbe Sachverhalt" [auch bezüglich der jetzt abgeurteilten Taten] "unter Zuhilfenahme desselben Beweismittels zu würdigen. Über die Verlässlichkeit der Übersetzung in den polizeilichen TKÜ-Protokollen hat er als Zeuge im Verfahren gegen B. Angaben gemacht. Dadurch war bei ihm eine 'Festlegung' auf den Inhalt der gemachten Zeugenaussage gegeben, die Zweifel an der Unvoreingenommenheit für das vorliegende Verfahren besorgen lassen könnte.' Dem tritt der Senat bei." (BGH, Beschluss des 4. Strafsenats vom 27.09.2005 - 4 StR 413/05).
***
Ist nach der eigenen Einschätzung eines Richters zu erwarten, daß er in einer Hauptverhandlung als Zeuge zur Frage der Aussagekonstanz der Aussage eines wesentlichen Belastungszeugen in einer früheren Hauptverhandlung vernommen werden muß, ist er von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen (LG Lüneburg, Beschluss vom 16.11.2004 - 25 Ns 47/03 H, StV 2005, 77 f).
Diejenigen dienstlichen Erklärungen eines Richters, die nicht dazu bestimmt sind, Gegenstand der Beweiswürdigung zu sein, sondern sich lediglich zu prozessual erheblichen Vorgängen und Zuständen verhalten, etwa wenn sie der freibeweislichen Aufklärung der Frage dienen, ob ein Richter überhaupt als Zeuge zu den im Rahmen eines Beweisantrags in sein Wissen gestellten Tatsachen in Betracht kommt, führen nicht zum Richterausschluß nach § 22 Nr. 5 StPO (BGH, Urteil vom 16.07. 2003 - 2 StR 68/03).
Die Voraussetzungen des § 22 Nr. 5 StPO liegen auch dann vor, wenn über die Anhörung des Richters kein förmliches Vernehmungsprotokoll gefertigt worden ist (BGH StV 1998, 57).
Ein Richter ist in der Regel nicht ausgeschlossen, wenn er in einem früheren Verfahren gegen denselben Angeklagten als Staatsanwalt tätig war und die in jenem Verfahren verhängte Strafe nunmehr in die zu bildende Gesamtstrafe einbezogen werden muß (BGH NJW 1979, 2160).
***
Ein in gerader Linie mit einem Prozessbevollmächtigten verschwägerter Richter ist nicht analog § 41 ZPO von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen. Schwägerschaft begründet in diesen Fällen die Besorgnis der Befangenheit nach § 42 II ZPO nur beim Hinzutreten weiterer Umstände (KG NJW-RR 2000, 1164 zu §§ 41, 42 II ZPO).
Siehe auch unter ?Ablehnung eines Sachverständigen" und ?Gründe für die Ablehnung eines Richters".
Ausschluss der Beschlagnahme § 97 StPO (n.F.)
(1) Der Beschlagnahme unterliegen nicht
1. schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und den Personen, die nach § 52 oder § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3b das Zeugnis verweigern dürfen;
2. Aufzeichnungen, welche die in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3b Genannten über die ihnen vom Beschuldigten anvertrauten Mitteilungen oder über andere Umstände gemacht haben, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt;
3. andere Gegenstände einschließlich der ärztlichen Untersuchungsbefunde, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht der in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3b Genannten erstreckt.
(2) Diese Beschränkungen gelten nur, wenn die Gegenstände im Gewahrsam der zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten sind, es sei denn, es handelt sich um eine elektronische Gesundheitskarte im Sinne des § 291a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch. Der Beschlagnahme unterliegen auch nicht Gegenstände, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht der Ärzte, Zahnärzte, Psychologischen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Apotheker und Hebammen erstreckt, wenn sie im Gewahrsam einer Krankenanstalt oder eines Dienstleisters, der für die Genannten personenbezogene Daten erhebt, verarbeitet oder nutzt, sind, sowie Gegenstände, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht der in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a und 3b genannten Personen erstreckt, wenn sie im Gewahrsam der in dieser Vorschrift bezeichneten Beratungsstelle sind. Die Beschränkungen der Beschlagnahme gelten nicht, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass die zeugnisverweigerungsberechtigte Person an der Tat oder an einer Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beteiligt ist, oder wenn es sich um Gegenstände handelt, die durch eine Straftat hervorgebracht oder zur Begehung einer Straftat gebraucht oder bestimmt sind oder die aus einer Straftat herrühren.
(3) Soweit das Zeugnisverweigerungsrecht der Mitglieder des Bundestages, eines Landtages oder einer zweiten Kammer reicht (§ 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4), ist die Beschlagnahme von Schriftstücken unzulässig.
(4) Die Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden, soweit die in § 53a Genannten das Zeugnis verweigern dürfen.
(5) Soweit das Zeugnisverweigerungsrecht der in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 genannten Personen reicht, ist die Beschlagnahme von Schriftstücken, Ton-, Bild- und Datenträgern, Abbildungen und anderen Darstellungen, die sich im Gewahrsam dieser Personen oder der Redaktion, des Verlages, der Druckerei oder der Rundfunkanstalt befinden, unzulässig. Absatz 2 Satz 3 und § 160a Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend; die Beschlagnahme ist jedoch auch in diesen Fällen nur zulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der Grundrechte aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht und die Erforschung des Sachverhaltes oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
Leitsätze/Entscheidungen:
Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn die §§ 97, 148 StPO dahin ausgelegt werden, dass sie in einem Strafverfahren gegen einen Strafverteidiger der Beschlagnahme und Verwertung von Schreiben des beschuldigten Verteidigers an seinen Mandanten nicht entgegenstehen. Die Auffassung des BGH (NJW 2009, NJW Jahr 2009 Seite 2690), dass ein Mandatsverhältnis keine Straffreiheit für persönliche Schmähungen Dritter, die ein Strafverteidiger gegenüber seinem Mandanten äußert, begründet, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das zwischen einem Strafverteidiger und seinem Mandanten bestehende Vertrauensverhältnis ist nicht von solcher Art, dass daraus aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes eine ?beleidigungsfreie Sphäre" für die ungehinderte Kundgabe ehrverletzender Äußerungen dem Mandanten gegenüber abzuleiten wäre (BVerfG, Beschluss vom 20.05.2010 - 2 BvR 1413/09, NJW 2010, 2937 ff).
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Die Durchsuchung auch beruflich genutzter Räume greift in schwerwiegender Weise in das Grundrecht aus Art. 13 GG ein. Auch wenn eine solche Durchsuchung nicht unmittelbar den Schutzbereich der Berufsfreiheit nach Art. 12 I GG berührt, haben die Strafverfolgungsbehörden das Ausmaß der - mittelbaren - Beeinträchtigung der beruflichen Tätigkeit des Betroffenen zu berücksichtigen. Die herausgehobene Bedeutung der Berufsausübung eines Rechtsanwalts für die Rechtspflege und für die Wahrung der Rechte seiner Mandanten gebietet die besonders sorgfältige Beachtung der Eingriffsvoraussetzungen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, auch wenn die Beschlagnahme und die auf sie gerichtete Durchsuchung bei einem als Strafverteidiger tätigen Rechtsanwalt durch § 97 StPO nicht generell ausgeschlossen ist, wenn dieser selbst Beschuldigter in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren ist (BVerfG, Beschluss vom 05.05.2008 - 2 BvR 1801/06, NJW 2008, 2422 ff).
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Durchsuchungen und Beschlagnahmen in einem Ermittlungsverfahren gegen Presseangehörige sind verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend dem Zweck dienen, die Person des Informanten zu ermitteln (Bestätigung vonBVerfGE 20, 162 (191 f., 217)). Die bloße Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses im Sinne des § 353 b StGB durch einen Journalisten reicht im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht aus, um einen den strafprozessualen Ermächtigungen zur Durchsuchung und Beschlagnahme genügenden Verdacht der Beihilfe des Journalisten zum Geheimnisverrat zu begründen. Zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gegenüber Beschlagnahmen redaktionellen Materials (BVerfG, 1 BvR 538/06 vom 27.2.2007, Absatz-Nr. (1 - 82), www.bverfg.de/entscheidungen/rs20070227_1bvr053806.html).
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Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, § 97 II StPO dahin gehend auszulegen, dass auch Vergehen Anlass für Durchsuchungen und Beschlagnahmen sein können. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, § 97 V 2 StPO nicht anzuwenden, wenn der Zeugnisverweigerungsberechtigte selbst Beschuldigter ist. Die gerichtliche Anordnung der Durchsuchung von Redaktionsräumen verletzt die Pressefreiheit (Art. 5 I 2 GG), wenn eine inhaltliche Abwägung zwischen der Schwere des Tatvorwurfs und der Beeinträchtigung der Pressefreiheit nicht vorgenommen wird:
Die Verfassungsbeschwerde (Vb) eines Zeitschriftenverlages war erfolgreich. Dieser hatte sich gegen die - im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Verdachts der Störung der Totenruhe - gerichtlich angeordnete Durchsuchung seiner Redaktionsräume gewandt. Die 1. Kammer des Ersten Senats hob die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts (LG) auf, da sie die Beschwerdeführerin (Bf) in ihrem Grundrecht der Pressefreiheit verletzen. Die Sache wurde an das LG zurückverwiesen.
Sachverhalt: Ein Journalist der Bf organisierte im Zusammenhang mit der Ausstellung "Körperwelten" ein nächtliches Fotoshooting, bei dem sechs plastinierte Leichen an verschiedenen Orten der Innenstadt in München nachts aufgestellt und fotografiert wurden. Die Bf veröffentlichte einen Artikel mit Darstellung der Fotos in ihrer Zeitschrift. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren wegen Störung der Totenruhe ein und beantragte neben Durchsuchungsbeschlüssen gegen Mitarbeiter der Bf auch die Durchsuchung der Redaktionsräume der Bf. Die Durchsuchung von Unterlagen und Datenträgern sollte Aufschluss darüber geben, wer die Entscheidung über die Anfertigung der Fotografien getroffen hatte bzw. in die Entscheidung eingebunden war.
Das Amtsgericht (AG) lehnte den Antrag ab. Das LG hob diese Entscheidung auf und erließ den Durchsuchungsbeschluss. Zur Begründung führte es u. a. aus, dass die Durchsuchungen verhältnismäßig seien, da sie nicht zum Tatvorwurf außer Verhältnis stünden. In dem von der Bf beantragten Verfahren der nachträglichen Anhörung bestätigte das LG den Durchsuchungsbeschluss. Die Vb gegen die Durchsuchungsanordnung hinsichtlich der Redaktionsräume hatte Erfolg.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Die Durchsuchung von Redaktionsräumen stellt wegen der damit verbundenen Störung der Redaktionstätigkeit und der Möglichkeit einer einschüchternden Wirkung eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit dar. Im Rahmen der durch die allgemeinen Gesetze gezogenen Grenzen, zu denen auch die Vorschriften der Strafprozessordnung gehören, ist eine Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse im konkreten Fall und der Pressefreiheit vorzunehmen.
Dem werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht. Denn sie enthalten keine Ausführungen zur Angemessenheit des Eingriffs in die Pressefreiheit. Insbesondere fehlt es an einer Abwägung, ob der die Mitarbeiter der Bf treffende Tatvorwurf von einem solchen Gewicht ist, dass er die Durchsuchung auch der Redaktionsräume rechtfertigt. Ferner wäre das Interesse am Auffinden von Beweismitteln gegen den Schutz der Pressefreiheit abzuwägen gewesen. Auf das besondere Problem einer Durchsuchung von Redaktionsräumen geht der Beschluss aber nicht ein. Darüber hinaus enthält der angegriffene Beschluss keine Begrenzung auf die von den beschuldigten Journalisten oder Fotografen benutzten Räume und erfasst damit sämtliche Redaktionsräume. Ausführungen dazu, warum diese räumliche Ausdehnung unter Berücksichtigung des Grundrechts der Pressefreiheit angemessen ist, fehlen (BVerfG, Beschluss vom 01.02.2005 - 1 BvR 2019/03 - Pressemitteilung Nr. 18/2005).
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Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass die Beziehung eines Nichtbeschuldigten zu einem Berufsgeheimnisträger nicht der Schutznorm des § 97 I StPO unterfällt. Gleiches gilt für die fachgerichtliche Annahme, dass sich das gem. § 97 StPO geschützte Vertrauensverhältnis zwischen Berufsgeheimnisträger und juristischer Person nicht auf deren Organe erstreckt. Beschlagnahmeverbote können sich unmittelbar aus dem Grundgesetz ergeben, wenn wegen der Eigenart des Beweisthemas in grundrechtlich geschützte Bereiche unter Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingegriffen wird. Jedoch bedarf es im Einzelfall besonderer Gründe dafür, warum ausnahmsweise über das geschriebene Strafprozessrecht hinaus unmittelbar von Verfassungs wegen ein Zeugnisverweigerungsrecht oder ein dieses Recht flankierendes Beschlagnahmeverbot bestehen soll. Abweichungen vom geschriebenen Strafprozessrecht wegen des verfassungsrechtlichen Postulats der Verfahrensfairness sind, wenn überhaupt, nur mit Behutsamkeit vorzunehmen (BVerfG, Beschluss vom 27.10.2003 - 2 BvR 2211/00).
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Die Durchsuchung und die Beschlagnahme sind getrennte Entscheidungsgegenstände, das Gesetz stellt kein grundsätzliches Beschlagnahmeverbot auf für fehlerhafte Durchsuchungen, die zur Sicherstellung von Beweisgegenständen führen (BVerfG, Beschluss vom 09.10.2003 - 2 BvR 1707/02).
Die Frage, ob und inwieweit eine Beschlagnahme von Datenbeständen bei Berufsgeheimnisträgern verfassungsrechtlich von Bedeutung ist, wenn dieser Eingriff sowohl Beschuldigte als auch Nichtbeschuldigte trifft und die erfassten Daten zum Teil wegen Tatverstrickung einem Beschlagnahmezugriff unterliegen, zum Teil aber auch rechtlich besonders geschützt sind, ist in der Rechtsprechung noch nicht geklärt. Daher hängt bei offenem Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens eine Entscheidung auf einstweilige Anordnung gem. § 32 I BVerfGG von einer Abwägung der Folgen ab, die bei Ablehnung der einstweiligen Anordnung eintreten würden. Bei Abwägung der jeweiligen Folgen wiegen die möglichen Nachteile für die Beschwerdeführer schwerer, soweit es sich um Daten der nicht beschuldigten Berufsgeheimnisträger oder solcher Mandanten handelt, die von dem Ermittlungsverfahren gegen den beschuldigten Sozius und gegen die Mitbeschuldigten nicht betroffen sind. Hier ist einstweiligen die Hinterlegung der sichergestellten Datenträger und der Datenträger mit behördlichen Kopien von Dateien beim AG anzuordnen. Hinsichtlich bestimmter Dateien, die schon durch ihre Bezeichnung einen Bezug zum Tatvorwurf erkennen lassen, ist die Abwägung zu Gunsten des staatlichen Interesses an der Strafverfolgung ausgegangen. Insoweit dürfen weitere Kopien angefertigt, zurückbehalten und verwendet werden (BVerfG, Beschluss vom 17.07.2002 - 2 BvR 1027/02).
Der aus Art. 2 I GG beanspruchte Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Rechtsanwalt und Mandant ist nicht darauf gerichtet, den Rechtsanwalt im Falle des Verdachts einer bei Gelegenheit seiner Berufsausübung begangenen Straftat vor staatlichen Strafverfolgungsmaßnahmen zu schützen (BVerfG, Beschluss vom 27.02.2002 - 2 BvR 1979/01).
*** (OLG)
Der Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Unternehmens kann einen Wirtschaftsprüfer wirksam von seiner Schweigepflicht entbinden, die gegenüber diesem Unternehmen besteht; eine (zusätzliche) Erklärung des früheren gesetzlichen Vertreters ist nicht erforderlich. Schriftliche Unterlagen des Wirtschaftsprüfers unterliegen dann nicht mehr dem Beschlagnahmeverbot. Die Verschwiegenheitspflicht des Wirtschaftsprüfers bezieht sich ausschließlich auf vertrauliche Informationen, die ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben von dem mit ihm in Vertragsbeziehung stehenden Unternehmen bekannt geworden sind (OLG Nürnberg, Beschluss vom 18.06.2009 - 1 Ws 289/09, NJW 2010, 690 f).
Aus dem rechtsstaatlichen Gebot, einem Beschuldigten jederzeit die Möglichkeit einer geordneten und effektiven Verteidigung zu geben, ergibt sich das Verbot der Beschlagnahme und der Verwertung gegen seinen Widerspruch von Unterlagen, die sich ein Beschuldigter erkennbar zu seiner Verteidigung in dem gegen ihn laufenden Strafverfahren angefertigt hat. Ein Beschlagnahme- und Verwertungsverbot können auch frühere Mitbeschuldigte geltend machen, wenn wegen desselben Lebenssachverhalts zunächst ein einheitliches Ermittlungsverfahren geführt wurde und erst nach Verfahrenstrennung bei dem ehemaligen Mitbeschuldigten unzulässigerweise Verteidigungsunterlagen beschlagnahmt wurden (OLG München, Beschluss vom 30.11.2004 - 3 Ws 720 - 722/04, StV 2005, 118 f).
Die Anordnung der Beschlagnahme von Unterlagen, die dem Verteidiger des Angeklagten von einer Zeugin überlassen worden sind, ist unzulässig. Selbst wenn man eine Einschränkung des Beschlagnahmeverbots des § 97 StPO zur Verhinderung mißbräuchlicher Verteidigung für zulässig hält, so kann eine solche Einschränkung nur für extreme Ausnahmefälle, nämlich nur dann anerkannt werden, wenn feststeht, daß mit dem Verteidigerprivileg ausschließlich ein von der Verfahrensordnung mißbilligtes Ziel verfolgt wird und keinerlei Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine verfahrensfremde Rechtsverwirklichung noch hinnehmbar erscheinen lassen, wobei im Zweifel eine Vermutung zugunsten der Zulässigkeit selbst mißbräuchlicher Ausnutzung von Verfahrensrechten besteht (OLG Frankfurt am Main StV 1982, 64 f).
Krankengeschichten und sonstige ärztliche Unterlagen über die Behandlung eines Patienten dürfen beschlagnahmt werden, wenn und soweit der Arzt von der Schweigepflicht entbunden ist. Das in § 97 StPO enthaltene Beschlagnahme verbot für derartige Gegenstände gilt nur, soweit das Zeugnisverweigerungsrecht reicht. In diesen Grenzen ist die Beschlagnahme unabhängig davon zulässig, ob der Patient den Inhalt der Behandlungsunterlagen kennt oder kennen kann. Geheimnisse Dritter stehen der Beschlagnahme entgegen, solange diese den Arzt nicht ebenfalls von der Schweigepflicht entbunden haben. Die allgemeinen Aufgaben des ärztlichen Berufs und das Eigentum des Arztes an seinen Unterlagen beseitigen die Zulässigkeit der Beschlagnahme nicht. Der mögliche Widerruf der bereits ausgesprochenen Entbindung von der Schweigepflicht begründet nicht die Unzulässigkeit der Beschlagnahme. Die Beschlagnahme ist unabhängig davon zulässig, ob der Arzt als Zeuge zur Verfügung steht (Hanseatisches OLG NJW 1962, 689 ff).
*** (LG)
Es besteht kein Beschlagnahmeverbot (§ 97 I STPO) für Ergebnisse unternehmensinterner Ermittlungen durch eine Anwaltskanzlei, die im Auftrag des Unternehmens tätig geworden ist; § 160 a StPO a. F. ändert daran nichts. Es besteht kein strafprozessuales Verwertungsverbot für Aussagen von Mitarbeitern im Rahmen von unternehmensinternen Ermittlungen trotz des Grundsatzes ?nemo tenetur se ipsum accusare"(LG Hamburg, Beschluss. vom 15.10.2010 - 608 Qs 18/10, NJW 2011, 942 ff).
***
Buchführungsunterlagen unterliegen nicht der Beschlagnahme gem. § 97 I Nr. 3 StPO, solange ein Steuerberater sie zur Erledigung noch nicht abgeschlossener Arbeiten, auf die sich sein Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt, in Gewahrsam hat (LG Dresden, Beschluss vom 22.01.2007 - 5 Qs 34/06 zu §§ 103, 97 I 3, 53 I Nr. 3 StPO, NJW 2007, 2709 ff).
Aus § 97 I 3 InsO lässt sich ein allgemeines Beschlagnahme- oder Durchsuchungsverbot nicht ableiten; der Vorschrift unterfallen nur die nach § 97 I 1 erzwingbaren Auskünfte, nicht hingegen bereits existierende Unterlagen oder Aufzeichnungen, die der Gemeinschuldner dem Insolvenzverwalter übergeben hat (LG Ulm, Beschluss vom 15.01.2007 - 2 Qs 2002/07 zu § 103 StPO; § 97 I InsO; NJW 2007, 2056 ff).
Unterlagen, die sich ein Beschuldigter zur Vorbereitung seiner Verteidigung angefertigt hat, dürfen auch dann nicht beschlagnahmt und zu Lasten des Beschuldigten verwendet werden, wenn es sich nicht um Mitteilungen an oder von dem Verteidiger handelt (LG Bonn StV 2004, 124 f).
Der Schriftwechsel zwischen einem Wirtschaftsprüfer und seinem Auftraggeber unterliegt unabhängig davon einem Beschlagnahmeverbot mit der Folge, dass ein entsprechender Durchsuchungsbeschluss rechtswidrig ist, ob der Wirtschaftsprüfer im Zusammenhang mit der Erstellung von Jahresabschlüssen oder im Zusammenhang mit anderer Beratungstätigkeit tätig geworden ist. In seiner ?Eigenschaft als Wirtschaftsprüfer' erlangt dieser nur von solchen Vorgängen keine Kenntnis, die er privat ohne Bezug auf ein Mandat oder die er bei einer Tätigkeit erlangt hat, die nicht dem Berufsbild des Wirtschaftsprüfers zuzuordnen ist (LG Bonn StV 2002, 68 f).
***
Unterliegen bei einem Verteidiger sicherzustellende Gegenstände einem Beschlagnahmeverbot, sind sowohl die Beschlagnahmeanordnung als auch die Durchsuchungsanordnung unzulässig, sofern der Verteidiger nicht von seiner Schweigepflicht entbunden worden ist. Gegenstände sind nach § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO nicht nur dann vor der Beschlagnahme geschützt, wenn sie innerhalb des bestehenden Vertrauensverhältnisses entstanden sind, sondern auch dann, wenn ihr Aussagegehalt das Vertrauensverhältnis betrifft. Deshalb umfaßt das Beschlagnahmeverbot auch den Inhalt von Unterlagen, die dem Verteidiger im Rahmen seines Beratungsvertrages anvertraut worden sind, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt diese Gegenstände entstanden sind. Eine Ausnahme von der Beschlagnahmefreiheit ergibt sich nur dann, wenn der Beschuldigte dem Verteidiger Unterlagen nicht zum Zwecke der Verteidigung, sondern zum bloßen Verstecken des Beweismaterials übergibt, um sie dem Zugriff der Strafverfolgungsorgane zu entziehen. Der Herausgabeanspruch eines Beschuldigten gegen über seinem Verteidiger hinsichtlich der diesem überlassenen Unterlagen begründet keinen Mitgewahrsam des Beschuldigten, der das Beschlagnahmeprivileg entfallen lassen könnte. Richtige Bank- und Kontounterlagen sind bei dem Vorwurf der Steuerhinterziehung keine Deliktsgegenstände, die zu der Tatausführung im weiteren Sinne Verwendung gefunden haben oder Verwendung finden sollten (LG Fulda, Beschluss vom 12.10.1999 - 2 Qs 51/99, StV 2000, 548 ff):
?... Gegen die Besch. wurde wegen Verdachts der Hinterziehung von Einkommenssteuer für die Jahre ab 1992 (Nichterklärung von Kapitaleinnahmen) am 26. 8. 1998 ein Steuerstraf- und Steuerermittlungsverfahren eingeleitet. Der Bf. zeigte mit Schriftsatz v. 11. 9. 1998 die Vertretung der Besch. im Steuerstrafverfahren an. Nachdem sich die Besch. zur Sache nicht eingelassen hatten, beantragte die Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes K. in jew. gesonderten Anträgen die Durchsuchung der Wohnung und der Person der Besch., deren Bankschließfächer und Verwahrstücke bei Kreditinstituten. Außerdem beantragte das Finanzamt die Durchsuchung der Anwaltskanzlei des Bf. sowie der Geschäftsräume mehrerer Kreditinstitute. Letztlich beantragte die Finanzbehörde die Beschlagnahme von in den Anträgen näher bezeichneten Beweismitteln.
Mit dem angefochtenen Beschl. hat das AG Fulda die Durchsuchung der Geschäftsräume des Bf. sowie die Beschlagnahme sämtlicher Unterlagen, die der Zusammenstellung der Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie des steuerlichen Vermögens dienen, insbes. Bank- und Kontounterlagen jeglicher Art (Kontoauszüge, Ein- und Auszahlungsbelege, Scheckunterlagen, Überweisungsbelege, Depotauszüge, Sparbücher, An- und Verkaufsbelege über Wertpapiere, Zinsgutschriftsbelege, Erträgnisaufstellungen, Belege über Kapitalstände, Kontoeröffnungsunterlagen etc.) sowie Schriftverkehr der Besch. mit Kreditinstituten angeordnet. Den weiteren Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanträgen wurde ebenfalls stattgegeben.
Zur Begründung des angefochtenen Beschl. führte das AG aus, der Bf. sei Verteidiger der Besch. Es sei naheliegend, daß die Besch. Beweisunterlagen ihrem Verteidiger übergeben hätten und dieser sie deshalb zumindest zeitweise in seinem Bereich aufbewahre.
Die Durchsuchung der Anwaltskanzlei des Bf. verlief ergebnislos.Hierbei wurden die die Besch. betreffende Handakte des Bf. durchblättert, worin sich jedoch die gesuchten Unterlagen nicht befanden. Gleichzeitig wurden die anderen Durchsuchungsanordnungen vollzogen. Dabei teilte der besch. Ehemann den eingesetzten Finanzbeamten mit, daß er bereits 1998 eine Aufstellung der Kapitalerträge und Zinsen für den Zeitraum 1992 bis 1997 seinem Verteidiger (Bf.) übergeben habe.
Mit Schreiben v. 6. 5. 1999 legte der Bf. gegen den ihn betreffenden Durchsuchungsbeschl. Beschwerde ein und beantragte, den Beschl. aufzuheben. Mit Schreiben v. 14. 6. 1999 änderte der Bf. den Antrag dahingehend ab, im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO analog die Rechtswidrigkeit des Durchsuchungsbeschl. festzustellen. Die anderen Durchsuchungsanordnungen sind in diesem steuerrechtlichen Ermittlungsverfahren nicht angefochten.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Statthaftes Rechtsmittel zur Feststellung der Rechtswidrigkeit einer durch Vollzug oder andere Weise erledigten richterlichen Anordnung ist die Beschwerde (zuletzt BGH StV 99, 72 m. Anm. Eisele StV 99, 298). Sie ist trotz prozessualer Überholung nach Art. 19 Abs. 4 GG zulässig in Fällen tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriffe. Ein solcher Eingriff wird von der neueren Rspr. des BVerfG für die aufgrund richterlicher Anordnung vorgenommene Durchsuchung von Wohnungen - dazu zählen auch die Geschäftsräume einer Anwaltskanzlei - bejaht (BVerfGE 96, 27). Die - nachträgliche - irrtümliche Bezeichnung des Rechtsmittels als Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 98 Abs. 2 S. 2 StPO) ist unschädlich (§ 300 StPO).
2. Die Beschwerde ist begründet. Der angefochtene Durchsuchungsbeschl. des AG Fulda ist rechtswidrig. Die Voraussetzungen einer Durchsuchung der Geschäftsräume des Bf. liegen nicht vor.
Zwar besteht Tatverdacht gegen die Besch. Anders als im Fall der Durchsuchung beim Verdächtigen (§ 102 StPO) muß jedoch bei der Durchsuchung bei anderen Personen aufgrund bestimmter bewiesener Tatsachen - und nicht nur aufgrund von Vermutungen - die Annahme gerechtfertigt sein, daß die Durchsuchung zur Auffindung des bestimmten Beweismittels führen wird, § 103 StPO. Darüber hinaus dürfen Durchsuchungen nicht zu dem Zweck vorgenommen werden, Gegenstände aufzuspüren, die nach § 97 StPO von der Beschlagnahme ausgenommen sind (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. A., § 103 Rdnr. 6 und 7).
Zwar sprachen in dem vorliegenden Fall dringende Gründe für das Auffinden von Beweismitteln, jedoch unterlagen die gesuchten Gegenstände nicht der Beschlagnahme.
a) Allein die Tatsache, daß der Bf. Verteidiger der Besch. ist, rechtfertigt zwar nicht den Schluß, daß sich die gesuchten Beweismittel in dessen Anwaltskanzlei befinden und daß deren Durchsuchung zur Auffindung dieser Gegenstände führen wird. Denn es gibt keinen allgemein gültigen Erfahrungssatz, wonach im Strafverfahren Verteidiger im Besitz von Mandanten gehörenden Beweismitteln sind. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Besch. die ihm zur Verfügung stehenden Beweismittel seinem Verteidiger übergibt, ist jedenfalls nicht höher einzustufen, als die ebenfalls vorhandene Möglichkeit, daß der Besch. die in seinem Gewahrsam befindlichen Beweismittel, insbes., soweit sie belastenden Charakter haben, seinem Verteidiger vorenthält oder diese Beweismittel bereits vernichtet hat.
Im vorliegenden Fall kommt jedoch der Umstand hinzu, daß der Besch. im Rahmen der bei ihm zeitgleich begonnenen Durchsuchung gegen über den Finanzbeamten angegeben hat, er habe eine Aufstellung der Kapitalerträge und Zinsen für den Zeitraum 1992 bis 1997 seinem Verteidiger (Bf.) bereits im Jahr 1998 übergeben.Aufgrund dieser Einlassung des besch. Ehemanns ist die Annahme vertretbar, daß die gesuchten Unterlagen der Aufstellung beigefügt waren und sich daher beim Bf. befinden.
Diese neue Tatsache - die Einlassung des Besch. erfolgte erst nach der richterlichen Durchsuchungsanordnung - ist von der Kammer bei ihrer Entscheidung mit zu berücksichtigen. Denn das Beschwerdegericht hat als Tatsachen- und Rechtsinstanz alle für die Entscheidung wesentlichen Tatsachen zu prüfen und ggf. aufzuklären, wobei es ergänzende Ermittlung anordnen oder selbst vornehmen kann, § 308 Abs. 2 StPO. Insbes. können im Beschwerdeverfahren neue Tatsachen vorgebracht und berücksichtigt werden (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., vor § 304 Rdnr. 3 und § 309 Rdnr. 3). Maß gebliche Beurteilungsgrundlage ist daher der Stand des Ermittlungsergebnisses zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung.
b) Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Durchsuchungsbeschl. ergibt sich aus dem unzulässigen Zweck der Maß nahme. Denn die Gegenstände, die bei dem Verteidiger sichergestellt werden sollten, unterliegen einem Beschlagnahmeverbot, im vorliegenden Fall dem an das Zeugnisverweigerungsrecht des Verteidigers nach § 53 Abs. 1 Nr. 2 StPO anknüpfenden Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO. Besteht ein solches Beschlagnahmeverbot, sind aber bereits sowohl die Beschlagnahmeanordnung als auch die Durchsuchungsanordnung unzulässig (Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 97 Rdnr. 1; LR Schäfer, 24. A., § 97 Rdnr. 102). Voraussetzung ist allerdings, daß der Verteidiger nicht von seiner Schweigepflicht entbunden worden ist, was vorliegend nicht der Fall ist.
Die im Durchsuchungsbeschl. genannten sicherzustellenden Bankunterlagen unterfallen als ?andere Gegenstände' grunds ätzlich der Vorschrift des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO. Gegenstände sind nach § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO vor der Beschlagnahme geschützt, wenn ihr Aussagegehalt das Vertrauensverhältnis betrifft (LR-Schäfer, a.a.O., Rdnr. 68; KK-Nack, StPO, 4. A., § 97 StPO Rdnr. 12 und 15). Die Reduzierung des Anwendungsbereiches von § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO nur auf solche Gegenstände, die innerhalb des bestehenden Vertrauensverhältnisses entstanden sind, läßt sich weder aus dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des Gesetzes entnehmen (ebenso:KK-Nack, a.a.O., Rdnr. 16; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 97 Rdnr. 30; LR-Schäfer, StPO, 24. A., § 97 Rdnr. 48, 49; Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 385 AO Rdnr. 197; LG Stuttgart DStR 1997 S. 1449; LG Berlin NJW 1990 S. 1058; SK-Rudolphi, StPO, § 97 Rdnr. 47; a. A. LG Braunschweig NJW 1978 S. 2108; LG Mainz NStZ 1986 S. 473; LG Aachen NJW 1985 S. 338; LG Darmstadt NStZ 1988 S. 286). Denn das Zeugnisverweigerungsrecht des § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO bezieht sich auf sämtliche Informationen, die dem dort genannten Personenkreis in seiner beruflichen Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden sind. Es umfaßt deshalb auch den Inhalt von Unterlagen, die dem Zeugnisverweigerungsberechtigten im Rahmen seines Beratungsvertrages anvertraut worden sind, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt diese Gegenstände entstanden sind. Entscheidend ist, ob die durch die Unterlagen zu beweisenden Tatsachen von dem Zeugnisverweigerungsrecht umfaßt werden. Im übrigen kann es auch keinen Unterschied machen, ob der Mandant dem Zeugnisverweigerungsberechtigten telefonisch Mitteilungen und Anmerkungen aus dem Inhalt von Unterlagen durchgibt und der Zeugnisverweigerungsberechtigte sich hier über gem. § 97 Abs. 1 Nr. 2 StPO geschützte Aufzeichnungen fertigt oder die Unterlagen unmittelbar dem Zeugnisverweigerungsberechtigten zur Prüfung überläßt (LR-Schäfer, a.a.O., Rdnr. 48). Schließlich spricht für diese Auffassung auch die im Gesetzgebungsverfahren erfolgte Begründung zum Regierungsentwurf, wonach die dem Anwalt übergebenen Dokumente ausdrücklich als schützenswerte Gegenstände i. S. v. § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO genannt sind, soweit sich das Zeugnisverweigerungsrecht auf diese Unterlagen erstreckt (BT-Drucks. I Nr. 3713 S. 49). Die dem Verteidiger übergebenen Bankunterlagen sind daher andere Gegenstände i. S. v. § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO.
c) aa) Eine Ausnahme von der Beschlagnahmefreiheit ergibt sich zunächst nicht aus dem Buchführungs- und/oder Steuerrecht, insbes. der zu Steuerunterlagen entwickelten Rspr. Insoweit wird zwar die Auffassung vertreten, daß Steuerunterlagen, zu deren Aufbewahrung der Besch. gesetzlich verpflichtet ist, nicht das Vertrauensverhältnis betreffen, weil der Gesetzgeber die Vertraulichkeit solcher Unterlagen nicht anerkennt.Davon erfaßt werden insbes. die entsprechenden Belege und Bilanzen, die für behördliche Überprüfungen zur Verfügung stehen müssen. Insoweit hätten zwar die Besch. im Rahmen des Steuerveranlagungsverfahrens gem. § 85, 88, 90, 92, 93 AO zur Begründung ihrer Angaben in den Steuererklärungen der Finanzbehörde im Rahmen ihrer gesetzlich normierten Überprüfungs- und Nachweispflicht die Bankunterlagen zumindest teilweise vorlegen müssen, was - ohne dies zu entscheiden - die Auffassung stützt, daß diese Beweismittel, sofern sie im Gewahrsam eines Steuerberaters sind - analog den Buchführungsunterlagen - beschlagnahmt werden können.Anders ist dies jedoch zu beurteilen, wenn der Steuerpflichtige im Steuerstrafverfahren seinem Verteidiger die Bankunterlagen zu Verteidigungszwecken überlassen hat. Denn dann wird das Beschlagnahmeprivileg des § 97 StPO mit seinen Einschränkungen durch das in § 148 StPO verbürgte unbeschränkte und unüberwachte Verkehrsrecht zwischen Mandant und Verteidiger überlagert.
Gewährleistet ist letzteres jedoch nur dann, wenn sowohl die Kommunikation zwischen Beschuldigtem und seinem Verteidiger als auch die Mittel und Ergebnisse dieser Kommunikation gegen den Zugriff durch die Strafverfolgungsorgane abgeschirmt sind (Kohlmann, a.a.O., Rdnr. 202; SK-Rudolphi, a.a.O., Rdnr. 49). Dies folgt aus der prozessualen Funktion des Verteidigers, der die ihm gesetzlich zugewiesene Aufgabe nur dann sinnvoll wahrnehmen kann, wenn er den Sachverhalt, um den es im Ermittlungsverfahren geht, kennt und hierbei ggf. auf die von ihm vom Mandanten überlassenen Unterlagen angewiesen ist. Dieser Grundsatz der freien Verteidigung wäre erheblich eingeschränkt, wenn der Besch. befürchten müßte, daß die seinem Verteidiger überlassenen Unterlagen jederzeit der Beschlagnahme durch die Ermittlungsbehörden unterlägen. Schließlich betreffen diese dem Verteidiger zu Verteidigungszwecken überlassenen Unterlagen nach ihrem Aussagegehalt auch das Vertrauensverhältnis zwischen den Besch. und dem Verteidiger. Anders als bei den im Gewahrsam des Steuerberaters aufgrund der Erfüllung gesetzlicher Aufbewahrungs- und Buchführungspflichten befindlichen Geschäftsunterlagen sind dem Verteidiger zu Verteidigungszwecken übergebene Geschäftsunterlagen nicht in Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen, sondern gerade aufgrund des zwischen ihm und dem Besch. bestehenden Vertrauensverhältnisses überlassen worden.
bb) Eine Ausnahme von der Beschlagnahmefreiheit ergäbe sich allenfalls dann, wenn die Unterlagen dem Verteidiger nicht für die Zwecke der Verteidigung übergeben worden sind. Dies ist bspw. der Fall, wenn der Besch. einem Anwalt die Unterlagen lediglich zur Aufbewahrung übergibt, ohne ihn gleichzeitig mit seiner Verteidigung zu beauftragen, oder wenn er seinem Verteidiger die Unterlagen zwar überläßt, diese zugleich aber seiner Kenntnisnahme entzogen werden (z. B. durch Verschluß in einer Kassette [ Haffke NJW 1975 S. 810; SK-Rudolphi, a.a.O., Rdnr. 47; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., Rdnr. 39]). Gleiches gilt, wenn der Besch. seinem Verteidiger das Beweismaterial zum bloßen Verstecken übergibt, um sie dem Zugriff der Strafverfolgungsorgane zu entziehen (KK-Nack, a.a.O., Rdnr. 20; SK-Rudolphi, a.a.O., Rdnr. 47, m. w. N.). Voraussetzung wäre jedoch, daß der Mandant allein mit dem Motiv des Versteckens gehandelt hat. Erst recht reicht der einfache Verdacht dahingehend, daß die Unterlagen nicht zu Verteidigungszwecken übergeben worden seien, nicht aus (KK-Nack, a.a.O., Rdnr. 20). Im vorliegenden Fall besteht aber allenfalls ein solcher einfacher Verdacht. Dabei mag dahingestellt bleiben, ob die Kammer Umstände, die erst im Rahmen der Durchsuchung bekannt werden, in diesem Zusammenhang überhaupt verwerten darf (zum Teilnahmeverdacht verneinend:LR-Schäfer, a.a.O., Rdnr. 26). Denn selbst wenn unterstellt wird, daß im Rahmen der Durchsuchung bekannt gewordene Umstände verwertet werden können, bleibt es dabei, daß allenfalls ein einfacher Verdacht besteht. Zwar ist auffällig, daß die vom Bf. im Rahmen von sog. Bankenverfahren angelegten 80 Handakten auch nach seiner eigenen Einlassung gegen über den Steuerprüfern immer gleich aussehen, also aus wenigen ungeordneten Schriftstücken bestehen, ohne Belege und ohne Aufstellung von Kapitalerträgen.Auch befindet sich die vom besch. Ehemann gefertigte Aufstellung, die nach Erklärungen des besch. Ehemanns dem Bf. übergeben worden ist, gerade nicht bei den Handakten. Diese Umstände erlauben jedoch nicht den Schluß darauf, daß von der Finanzbehörde gesuchte Unterlagen dem Bf. nicht zu Verteidigungszwecken übergeben worden sind. Auch die Bg. hält es aufgrund ihrer langjährigen fahndungsdienstlichen Erfahrungen für naheliegend, daß dem Verteidiger Buchführungsunterlagen oder Belegmaterial übergeben worden ist, um weitere verfahrensrechtliche Schritte zu erwägen und auszuführen.
Dies deutet dann aber darauf hin, daß die Übergabe zu Verteidigungszwecken erfolgte.
cc) Umstritten ist, ob eine Ausnahme von der Beschlagnahmefreiheit ebenfalls dann anerkannt werden kann, wenn der Verteidiger seine privilegierte Stellung offensichtlich mißbraucht, um Akten, Schriftstücke oder andere Gegenstände dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden zu entziehen (zustimmend Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., Rdnr. 39 m. w. N.; LR StPO, 23. A., § 97 Rdnr. 45; Bringewat NJW 1974, S. 1743; SK-Rudolphi, a.a.O., Rdnr. 47; LR-Schäfer, a.a.O., § 97 Rdnr. 61; kritisch und im Ergebnis offen gelassen: OLG Frankfurt/M.StV 1982, S. 64).
Ob eine solche Einschränkung des Beschlagnahmeverbots des § 97 StPO anzuerkennen ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, da derartige auf Mißbrauch deutende besondere Umstände vom Bg. weder vorgetragen noch im übrigen ersichtlich sind.
Soweit die Auffassung vertreten wird, ein offensichtlicher Mißbrauch läge schon dann vor, wenn der Verteidiger die Unterlagen ?ohne sachlichen Grund' nicht herausgebe, etwa, wenn er sie weiter aufbewahre, obwohl er nach Ablauf eines angemessenen Zeitraumes, in dem er genügend Gelegenheit hatte, das Material zu studieren und das Wesentliche ggf. zu fotokopieren, diese Unterlagen an den Besch. zurückgeben könnte, ist dem jedenfalls im allgemeinen nicht zuzustimmen (ebenso LR StPO, 23. A., a.a.O., Rdnr. 45; Bringewat, a.a.O.). Zum einen dürfte die Bestimmung der ?angemessenen Zeit' in der Praxis auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen, ist doch davon auszugehen, daß das die Durchsuchung anordnende Gericht in der Regel nicht über die für die Bestimmung der ?angemessenen Zeit' erforderlichen Kenntnisse - etwa den Umfang und die Komplexität der Unterlagen, Arbeitsbelastung des Verteidigers - verfügt und ggf. die Zweckmäßigkeit und Pflichtmäßigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nachzuprüfen hätte. Dies erscheint im Hinblick auf Art. 12 GG (BVerfG NJW 1967 S. 2051, wonach die § 1, 3 Abs. 1 BRAO wegen Art. 12 GG keinen Eingriffstatbestand für den Fall enthalten, daß ein Anwalt dem Leitbild der BRAO nicht entspricht) und mit Rücksicht auf das Bestimmtheitsgebot verfassungsrechtlich bedenklich.Zum anderen spricht dagegen der Wortlaut des § 97 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 StPO, der weder eine Rechtspflicht des Verteidigers zur Herausgabe der Unterlagen, noch die Beschlagnahmefähigkeit dieser Unterlagen bei Nichtherausgabe normiert (Haffke, a.a.O.; LR-Schäfer, a.a.O., Rdnr. 61).
dd) Mit-Gewahrsam der Besch., der gem. § 97 Abs. 2 S. 1 StPO die Beschlagnahmefreiheit entfallen ließe (BGHSt 19, 374), scheidet ebenfalls aus. Der Herausgabeanspruch des Besch. gegen über seinem Verteidiger hinsichtlich der diesem überlassenen Unterlagen begründet keinen Mitgewahrsam des Besch. (KK-Nack, a.a.O., Rdnr. 8, 17; LR-Schäfer, a.a.O., Rdnr. 20; Kohlmann, a.a.O., Rdnr. 196; LR-Schäfer, a.a.O., Rdnr. 19; a. A. LG Aachen MDR 1981, 603; NJW 1985, 338; Biermanns, MDR 1981, 102). Denn allein der Anspruch des Besch. auf Herausgabe der Unterlagen begründet noch keine faktische Verfügungsherrschaft über die Beweismittel, da es an einer unmittelbaren tatsächlichen Zugriffsmöglichkeit fehlt. Die gegenteilige Auffassung verkennt hierbei den Unterschied zwischen Gewahrsam und (mittelbaren) Besitz.
d) Ein Ausschluß der Beschlagnahmefreiheit nach § 97 Abs. 2 S. 3 StPO liegt ebenfalls nicht vor.
aa) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Aufhebung des Beschlagnahmeverbots bei Teilnahmeverdacht oder bei Verdacht der Begünstigung, Strafvereitelung, Hehlerei wegen der abschließenden Regelung der § 138 a ff., 148 StPO für den Verteidiger während einer bestehenden Verteidigung nicht gilt (LR-Schäfer, a.a.O., Rdnr. 58 ff.) oder im Hinblick auf § 148 StPO zumindest gewichtige Anhaltspunkte einer Tatbeteiligung erforderlich, aber auch ausreichend sind (BGH NJW 1973 S. 2035; NStZ 1983 S. 85; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., Rdnr. 38, KK-Nack, a.a.O., Rdnr. 33 mit Übersicht über den Streitstand), da vorliegend solche erheblichen Verdachtsmomente - wie bereits ausgeführt - nicht vorhanden sind.
bb) Bei den gesuchten Unterlagen handelt es sich auch nicht um Deliktsgegenstände, d. h. Tatwerkzeuge oder durch die Tat hervorgebrachte oder erlangte Gegenstände.
Entgegen der Auffassung von Kohlmann (vgl. Kohlmann, a.a.O., Rdnr. 202), wonach während eines bestehenden Verteidigungsmandates wegen § 148 StPO auch Unterlagen, die als Tatwerkzeuge gelten, von der Beschlagnahme ausgenommen sind, hindert der Grundsatz des freien ungehinderten Verkehrs zwischen Verteidiger und Besch. nicht die Beschlagnahme der oben genannten Gegenstände. Denn hierbei handelt es sich um die producta et instrumenta sceleris der § 73, 74 StGB, die als Verfalls- oder Einziehungsgegenstände ohnehin schon in das Strafverfahren verstrickt sind und für die es ein § 97 StPO entsprechendes Beschlagnahmeverbot nicht gibt (vgl. § 111 b ff. StPO). Daher müssen diese Gegenstände auch im Strafverfahren als Beweismittel zur Verfügung stehen (vgl.LR-Schäfer, a.a.O., Rdnr. 28; SK-Rudolphi, a.a.O., § 97 Rdnr. 52). Dies ergibt sich auch aus der amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf zu § 97 StPO (BT-Drucks. I Nr. 3713 S. 49), wonach producta und instrumenta sceleris wegen des Schutzes der Öffentlichkeit in jedem Fall beschlagnahmefähig sein sollen.
Eine derartige Ausdehnung des Beschlagnahmeverbots wird somit von dem Recht auf Anerkennung der Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit der Vertrauensbeziehung zwischen dem Besch. und seinem Verteidiger nicht mehr umfaßt.
Gebraucht oder bestimmt zur Begehung einer Straftat sind aber nur solche Gegenstände, die nach dem Täterplan in irgendeiner Phase - dies kann auch die Vorbereitungsphase sein - zu der Tatausführung im weiteren Sinne Verwendung gefunden haben oder Verwendung finden sollten (vgl. LR-Schäfer, a.a.O., Rdnr. 31; KK-Nack, a.a.O., Rdnr. 36).
Diese Voraussetzung liegt bei den im Durchsuchungsbeschl. genannten und aufzuspürenden Gegenständen nicht vor. Denn die gesuchten Bank- und Kontounterlagen sind bei der zur Last gelegten Steuerhinterziehung weder unmittelbar noch mittelbar benutzt worden. Die den Besch. vorgeworfene Tatausführung soll in der nicht korrekten Erklärung ihrer Kapitaleinnahmen gegen über dem Finanzamt Fulda bestehen. Die Abgabe unrichtiger Steuererklärungen führt zu einer Steuerverkürzung, wenn der Steuerpflichtige einzelne steuerbegründende oder -erhöhende Tatsachen weggelassen oder nicht berücksichtigt hat oder wenn der Steuerpflichtige steuerbefreiende oder -mindernde Tatsachen vorgetäuscht hat. Der Zeitfolge nach kann das Weglassen steuererhöhender Tatsachen oder das Vortäuschen steuermindernder Tatsachen - von der Abgabe der Steuererklärung rückwärts betrachtet - entweder erst durch fehlerhaftes Ausfüllen der Erklärungsvordrucke vollzogen werden oder schon durch fehlerhafte oder unterlassene Buchungen und/oder eine entsprechend unrichtige Gewinnermittlung vorbereitet oder noch früher bereits dadurch angebahnt worden seien, daß zum Zweck der Steuerminderung bestimmende Rechtsgeschäfte nur zum Schein vorgenommen waren oder durch Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten verwirklicht wurden (Franzen-Gast-Joecks, Steuerstrafrecht, 4. A., § 370 Rdnr. 133). Die Ermittlung der Fehlerquelle(n) einer unrichtigen Steuererklärung ist in diesem Zusammenhang bedeutsam für die Frage, ob Unterlagen, Belege, Schriftstücke etc. als Tatwerkzeuge in Betracht kommen. Dies ist dann der Fall, wenn die Unterlagen die Fehlerquelle der falschen Steuererklärung bilden (z. B. manipulierte Belege, fehlerhafte Buchführung, falsche Bilanzen etc.).
Hier liegt der Fehler jedoch erst und allein in der Steuererklärung selbst. Es ist weder ersichtlich noch durch die Finanzbehörde dargetan, daß die nicht buchführungspflichtigen Besch. hierbei die (echten) Belege tatsächlich benutzt haben sollen.Zur Abgabe der falschen Steuererklärung bedurfte es gerade nicht dieser Unterlagen. Voraussetzung zur Qualifizierung eines Gegenstandes als Tatwerkzeug ist jedoch der Umstand, ob er als Mittel zur Begehung der Tat - angefangen von deren Vorbereitung bis zu deren Beendigung - eingesetzt worden ist (Schönke/Schröder, StGB, 25. A., § 74 Rdnr. 10; Tröndle/Fischer, StGB, 49. A., § 74 Rdnr. 6 f.). Bei Anfertigung der inhaltlich falschen Steuererklärung durch Verschweigen von Kapitaleinnahmen sind die gesuchten Bank- und Kontounterlagen jedoch nicht tatsächlich benutzt und hierzu als Mittel eingesetzt worden. Die den Besch. vorgeworfene Steuerhinterziehung ist geradezu Folge der Nichtverwendung der Bank- und Kontounterlagen mit den sich daraus ergebenden Kapitaleinkünften (so auch im Ergebnis LG Stuttgart DStR 1997, S. 1449 - jedoch ohne ausdrückliche Erörterung des Begriffes eines ?Tatwerkzeugs'). Denn hätten die Besch. die gesuchten (echten) Unterlagen bei Erstellung der Steuererklärung tatsächlich berücksichtigt bzw. gebraucht, wäre es zu einer inhaltlich korrekten Steuererklärung und damit gerade nicht zu einer Steuerhinterziehung gekommen.
Soweit die Finanzbehörde - in Übereinstimmung mit Leise, Steuerverfehlungen, Anm. 93 zu § 399 AO; ebenso Schäfer in LR, a.a.O., Rdnr. 31; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., Rdnr. 22 - die Rechtsauffassung vertritt, bei der Steuerhinterziehung seien die Buchhaltungsunterlagen Tatwerkzeuge und damit beschlagnahmefähig, da sie erst die Unrichtigkeit der Angaben in der Steuererklärung ermöglichen, kann dem nicht ohne Einschränkung gefolgt werden. Die in den genannten Kommentierungen zitierten Entscheidungen des OLG Hamburg in MDR 1981 S. 603 und LG Aachen in NJW 1985, S. 339 und MDR 1981 S. 603, betreffen von den Angekl. bei der Steuerhinterziehung benutzte und dazu angefertigte inhaltlich falsche Buchhaltungsunterlagen. Im einzelnen handelt es sich zum einen um von den Besch. zum Zwecke der Steuerhinterziehung erstellte inhaltlich falsche Aufzeichnungen, die dann Grundlage der Buchungsvorgänge waren, auf denen wiederum die von den Besch. veranlaßten unrichtigen Steuererklärungen beruhten, zum anderen betraf es unterfakturierte Rechnungen, mit deren Hilfe Eingangsabgaben hinterzogen werden sollten.
Diese Fälle sind mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar, handelt es sich im vorliegenden Fall doch gerade nicht um zum Zwecke der Steuerhinterziehung von den Besch. angefertigte und benutzte falsche Unterlagen, während die oben genannten manipulierten Papiere die Fehlerquellen der unrichtigen Steuererklärungen bildeten.
Die Auffassung von Freund (in NJW 1976 S. 2002 [2004]), wonach für die Benutzung der fraglichen Gegenstände deren Kenntnisnahme ausreiche, wenn dadurch der Anstoß für den inkriminierenden Täterplan gegeben worden sei, ist nicht überzeugend. Denn das Gebrauchen einer Sache setzt deren tatsächliche Verwendung als Mittel zur Begehung der Tat voraus. Dies ist nicht der Fall, wenn der fragliche Gegenstand lediglich den Tatentschluß gefördert hat, bei der Tatausführung jedoch weder benutzt worden noch hierzu vorgesehen und bereitgestellt gewesen ist (vgl. Gehre, NJW 1977, 710; ähnlich LG Stuttgart NJW 1976, 2030; Schönke/Schröder, a.a.O., Rdnr. 12; KK-Nack, a.a.O., Rdnr. 36; LR-Schäfer, a.a.O., Rdnr. 31, wonach richtige Unterlagen, die zur Fälschung einer Bilanz im Rahmen eines Kreditbetruges benutzt worden sind, im Gegensatz zu der gefälschten Bilanz selbst keine Tatwerkzeuge darstellen sollen).
Die gesuchten Unterlagen, bei denen es sich sämtlich um richtige Belege und nicht um gefälschte Aufzeichnungen handelt, sind daher bloße Beweismittel, jedoch keine Tatwerkzeuge. Die den Besch. zur Last gelegte Tathandlung i. S. v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO besteht in der unrichtigen oder unvollständigen Angabe von Tatsachen. Hierzu können echte, d. h. inhaltlich richtige Belege schon von ihrer Natur her nicht als Tatmittel Verwendung finden, da ihr Erklärungsinhalt gerade nicht falsch ist. Als Tatmittel in Betracht kämen daher im vorliegenden Fall lediglich gefälschte Belege, d. h. solche Unterlagen, deren Erklärungsinhalt im Widerspruch zur Wirklichkeit stehen (Franzen-Gast-Joecks, a.a.O., § 399 Rdnr. 42). Ob eine Ausnahme dann anzunehmen ist, wenn die richtigen Belege als Vorlage zur Anfertigung gefälschter Unterlagen dienen, kann mangels entsprechender Anhaltspunkte im vorliegenden Fall dahinstehen.
Tatwerkzeug ist daher im vorliegenden Fall lediglich die abgegebene Steuererklärung.
cc) Die gesuchten Unterlagen sind desweiteren weder durch die zur Last gelegte Straftat hervorgebracht, noch rühren sie aus dieser her.
Hervorgebracht durch eine Straftat sind nur solche Gegenstände, die durch die Tat entstanden sind oder deren jetzige Beschaffenheit auf die Tat zurückzuführen ist. Aus einer Straftat herrühren nur solche Gegenstände, die dem Verfall nach § 73 StGB unterliegen, also Vorteile, die für die Tat oder aus der Tat erlangt sind (vgl. LR-Schäfer, a.a.O., Rdnr. 30, 32). Beide Alternativen treffen auf die gesuchten Unterlagen nicht zu.
e) Soweit sich der Bg. auf eine Entscheidung des OLG Hamm im Beschl. v. 23. 6. 1988 (NStE 89, Nr. 3 zu § 103 StPO) und die Kommentierung bei Laufhütte (in KK, 2. A., Anm. 15) stützt, vermag dies eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen.
Die Entscheidung des OLG Hamm betrifft die Überprüfung der Art und Weise einer Durchsuchung im Rahmen des Antrags auf gerichtliche Entscheidung gem. § 23 EGGVG. Gegenstand dieser Entscheidung ist daher nicht die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung, sondern lediglich die Überprüfung der ordnungsgemäßen Durchführung der angeordneten Durchsuchung.
Die weitere Auffassung, Beweismittel könnten nicht dadurch der Beschlagnahme entzogen werden, daß der Besch. sie zur Verteidigungsunterlage erklärt, etwa dadurch, daß er das Beweismittel einem Schreiben seinem Verteidiger beifügt (BGH StV 98, 246; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., Rdnr. 37), betrifft die Frage der Reichweite der verfassungskonformen Erweiterung von § 97 StPO, nämlich, ob im Hinblick auf § 148 StPO auch in der Hand des Besch. oder auf dem Postweg befindliche Beweismittel Verteidigungsunterlagen i. S. d. § 148 StPO darstellen können und damit gem. § 97 Abs. 1 StPO i. V. m. § 148 StPO beschlagnahmefrei wären. Hiervon unberührt bleibt die vorliegende Frage, wie es sich mit Beweismitteln verhält, die sich bereits in der Hand des Verteidigers befinden.
3) Die gesuchten Unterlagen unterfallen daher der Beschlagnahmefreiheit gem. § 97 StPO, weswegen die zum Auffinden dieser Beweismittel angeordnete richterliche Durchsuchung der Kanzleiräume rechtswidrig ist. ..."
***
Die Beschlagnahme des Schriftwechsels zwischen dem Verteidiger und seinem Mandanten und des sonstigen vom Beschuldigten erarbeiteten Verteidigungsmaterials ist auch dann rechtswidrig, wenn sich diese Unterlagen beim Beschuldigten befinden (LG Mainz NStZ 1986, 473).
Außenwirtschaftsgesetz - Straftaten § 34 AWG
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer ohne Genehmigung
1. in Teil I Abschnitt A oder
2. in Teil I Abschnitt C Kategorie 0, Kategorie 1 Nr. 1C350, 1C351, 1C352, 1C353, 1C354, Kategorie 2 Nr. 2B350, 2B351 oder 2B352
der Ausfuhrliste ( Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung ) genannte Güter ausführt oder verbringt. Ebenso wird bestraft, wer ohne Genehmigung in Satz 1 Nr. 2 genannte Güter aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausführt, wenn der Ausführer im Wirtschaftsgebiet niedergelassen ist.
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine in § 33 Abs. 1 oder 4 bezeichnete vorsätzliche Handlung begeht, die geeignet ist,
1. die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland,
2. das friedliche Zusammenleben der Völker oder
3. die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich
zu gefährden, wenn die Tat nicht in Absatz 1 oder 4 mit Strafe bedroht ist.
(3) Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 die Ausfuhr oder die Verbringung dadurch fördert, dass er die Güter zur Verfügung stellt.
(4) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer
1. einer Rechtsverordnung nach § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 5 oder § 7 Abs. 1 oder 3 Satz 1 zuwiderhandelt, die der Durchführung
a) einer vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen oder
b) einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist und die Tat nicht in Absatz 6 Nr. 3 mit Strafe bedroht ist, oder
2. einem im Bundesanzeiger veröffentlichten, unmittelbar geltenden Ausfuhr-, Verkaufs-, Liefer-, Bereitstellungs-, Weitergabe-, Dienstleistungs-, Investitions-, Unterstützungs- oder Umgehungsverbot eines Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaften zuwiderhandelt, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient.
(5) In den Fällen der Absätze 1, 2 und 4 ist der Versuch strafbar.
(6) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer
1. durch eine in Absatz 1 oder 2 bezeichnete Handlung
a) die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt,
b) das friedliche Zusammenleben der Völker stört oder
c) die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich stört,
2. eine in Absatz 1, 2 oder 4 bezeichnete Handlung gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Straftaten verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht,
3. eine in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht und dadurch einem im Bundesanzeiger veröffentlichten Ausfuhrverbot der dort genannten Güter zuwiderhandelt, das in
a) einer Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen oder
b) einem Rechtsakt der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
enthalten ist oder
4. eine in Absatz 4 bezeichnete Handlung begeht, die geeignet ist,
a) die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland,
b) das friedliche Zusammenleben der Völker oder
c) die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich
zu gefährden.
(7) Handelt der Täter in den Fällen der Absätze 1, 2 oder 4 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
(8) Ohne Genehmigung im Sinne des Absatzes 1 handelt auch, wer auf Grund einer durch Drohung, Bestechung oder durch Zusammenwirken eines Amtsträgers mit dem Antragsteller zur vorsätzlichen Umgehung der Genehmigungsvoraussetzung erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Genehmigung handelt. Satz 1 gilt in den Fällen der Absätze 2 und 4 entsprechend.
Ausschluss der Öffentlichkeit
Die Öffentlichkeit kann in folgenden Fällen ausgeschlossen werden:
Ausschluss der Öffentlichkeit in Unterbringungssachen § 171a GVG
Die Öffentlichkeit kann für die Hauptverhandlung oder für einen Teil davon ausgeschlossen werden, wenn das Verfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Erziehungsanstalt, allein oder neben einer Strafe, zum Gegenstand hat.
Siehe auch unter ?Absolute Revisionsgründe - Öffentlichkeit (Ziffer 6)".
***
Ausschluss der Öffentlichkeit bei Erörterung des persönlichen Lebensbereichs § 171b GVG
(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozeßbeteiligten, Zeugen oder durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 des Strafgesetzbuches) Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde, soweit nicht das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Dies gilt nicht, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, in der Hauptverhandlung dem Ausschluß der Öffentlichkeit widersprechen.
(2) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 vorliegen und der Ausschluß von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird.
(3) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 und 2 sind unanfechtbar.
Leitsätze/Entscheidungen:
Beschließt das Gericht, die Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung während der Vernehmung von zwei Zeugen auszuschließen, weil Dinge aus der Persönlichkeit der Zeugen zur Sprache kämen, ist der Grundsatz der Öffentlichkeit verletzt, wenn noch vor Wiederherstellung der Öffentlichkeit u. a. ein die Strafverfolgung beschränkender Beschluß verkündet und ein rechtlicher Hinweis erteilt wird, da dies nicht mehr zu dem Verfahrensabschnitt der Zeugenvernehmung gehört (BGH StV 1996, 641).
Siehe auch unter ?Absolute Revisionsgründe - Öffentlichkeit (Ziffer 6)".
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Ausschluss der Öffentlichkeit § 172 GVG
Das Gericht kann für die Verhandlung oder für einen Teil davon die Öffentlichkeit ausschließen, wenn
1. eine Gefährdung der Staatssicherheit, der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit zu besorgen ist,
1 a. eine Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit eines Zeugen oder einer anderen Person zu besorgen ist,
2. ein wichtiges Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs- oder Steuergeheimnis zur Sprache kommt, durch dessen öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzt würden,
3. ein privates Geheimnis erörtert wird, dessen unbefugte Offenbarung durch den Zeugen oder Sachverständigen mit Strafe bedroht ist,
4. eine Person unter sechzehn Jahren vernommen wird.
Leitsätze/Entscheidungen:
?...1. Die Rüge, die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens seien verletzt worden, weil die Vorsitzende in der Sitzungsverfügung Personen unter 16 Jahren den Zutritt versagt habe, ist unbegründet. Ist - wie hier - die Sicherheit im Gerichtsgebäude nicht ohne weiteres gewährleistet, dürfen im Rahmen einer Sicherheitsverfügung Maßnahmen, die den Zugang zu einer Gerichtsverhandlung regeln, getroffen werden, wenn für sie ein verständlicher Anlass besteht, wobei die Entscheidung hierüber im pflichtgemäßen Ermessen des die Sitzungspolizei ausübenden Vorsitzenden steht (BGHSt 27, 13 ff.).
Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass die Vorsitzende in Ziffer 2 dieser Verfügung Personen, die jünger als 16 Jahre sind, den Zugang generell versagt hat. Nach § 175 Abs. 1 GVG war sie befugt, unerwachsene Personen von der Teilnahme an der Hauptverhandlung auszuschließen. Dass sie diese Befugnis im Rahmen einer Sicherheitsverfügung pauschal in der Weise ausgeübt hat, dass damit junge Menschen, die mehr als zwei Jahre unter der Volljährigkeitsgrenze sind, allgemein erfasst wurden, zeigt keinen Rechtsfehler auf. In Anbetracht der erforderlichen umfangreichen und personalintensiven Eingangskontrollen, die Wachtmeistern und Polizeikräften übertragen werden mussten, kann jedenfalls für diese Altersgruppe, bei der eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Fehlen der Erwachsenenreife spricht, eine individuelle Prüfung dieser Reife durch das Gericht nicht gefordert werden. Die Entscheidung des Reichsgerichts in RGSt 47, 375 f. steht dem nicht entgegen, da ihr keine vergleichbare Situation, die eine Sicherheitsverfügung erforderlich machte, zugrunde lag. Im Übrigen betraf sie 17-jährige Zuschauer und hatte für diese das Erfordernis einer individuellen Prüfung mit spezifischen Argumenten für diese Altersgruppe begründet (Heiratsfähigkeit, Zulassung zum Militärdienst). ..." (BGH, Beschluss vom 20.04.2006 - 3 StR 284/05).
***
Der Ausschluß der Öffentlichkeit für die Dauer der Vernehmung kindlicher Zeugen nach § 172 Nr. 4 GVG umfaßt alle Verfahrensvorgänge, die mit der Vernehmung in enger Verbindung stehen oder sich aus ihnen entwickeln und daher zu diesem Verfahrensabschnitt gehören. Das gilt insbesondere auch für die Beschlußfassung nach § 247 StPO wie für die vorangegangenen Erörterungen hierüber und die Unterrichtung des Angeklagten nach Vernehmung des Zeugen (BGH NStZ 1994, 354).
Siehe auch unter ?Absolute Revisionsgründe - Öffentlichkeit (Ziffer 6)".
Ausschluss der Öffentlichkeit - Verhandlung über Ausschluss der Öffentlichkeit, Schweigepflicht § 174 GVG
(1) Über die Ausschließung der Öffentlichkeit ist in nicht öffentlicher Sitzung zu verhandeln, wenn ein Beteiligter es beantragt oder das Gericht es für angemessen erachtet. Der Beschluß, der die Öffentlichkeit ausschließt, muß öffentlich verkündet werden; er kann in nicht öffentlicher Sitzung verkündet werden, wenn zu befürchten ist, daß seine öffentliche Verkündung eine erhebliche Störung der Ordnung in der Sitzung zur Folge haben würde. Bei der Verkündung ist in den Fällen der §§ 171 b, 172 und 173 anzugeben, aus welchem Grund die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden ist.
(2) Soweit die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit ausgeschlossen wird, dürfen Presse, Rundfunk und Fernsehen keine Berichte über die Verhandlung und den Inhalt eines die Sache betreffenden amtlichen Schriftstücks veröffentlichen.
(3) Ist die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit oder aus den in §§ 171 b und 172 Nr. 2 und 3 bezeichneten Gründen ausgeschlossen, so kann das Gericht den anwesenden Personen die Geheimhaltung von Tatsachen, die durch die Verhandlung oder durch ein die Sache betreffendes amtliches Schriftstück zu ihrer Kenntnis gelangen, zur Pflicht machen. Der Beschluß ist in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen. Er ist anfechtbar. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.
Leitsätze/Entscheidungen:
Der Ausschluß der Öffentlichkeit ist rechtsfehlerhaft, wenn der zwingend vorgeschriebene Gerichtsbeschluß nicht ergangen oder jedenfalls nicht verkündet worden ist. Die Anordnung des Vorsitzenden kann den Beschluß nicht ersetzen (BGH StV 2000, 242 f).
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH muß das LG auch dann gem. § 174 I S. 3 GVG angeben, aus welchem Grund die Öffentlichkeit für die Verlesung eines Beweisantrags ausgeschlossen worden ist, wenn dieser auf Grund des Verlaufs der Hauptverhandlung offenkundig war. Der Senat neigt dazu, an dieser strengen Rechtsprechung in solchen Fällen nicht festzuhalten, in denen der Angeklagte selbst nach § 171b I S. 1 GVG den Ausschluß beantragt hatte, deshalb die Ausschließung nach § 171b II GVG für das Gericht zwingend gewesen und der Ausschließungsgrund für die übrigen Verfahrensbeteiligten und die Zuhörer im Gerichtssaal eindeutig erkennbar war (BGH NStZ 1999, 372).
Nach § 174 Abs. 1 Satz 3 GVG ist in den Fällen der §§ 171 b GVG, 172 GVG, 173 GVG bei Verkündung des die Öffentlichkeit ausschließenden Beschlusses anzugeben, aus welchem Grund die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden ist. Die Begründung muß den maßgebenden Grund eindeutig erkennen lassen. Die Angabe des Ausschließungsgrundes mit dem Gesetzeswortlaut oder der Gesetzesvorschrift ist nur dann ausreichend, wenn damit der Grund der Ausschließung eindeutig gekennzeichnet ist. Dem Begründungsgebot des § 174 Abs. 1 Satz 3 GVG wird auch dann Genüge getan, wenn der Beschluß lediglich auf eine Gesetzesbestimmung verweist, die nur einen einzigen Ausschließungsgrund enthält oder die in Bezug genommene Alternative zweifelsfrei erkennen läßt (BGH StV 1996, 134 f).
Der Senat neigt dazu, eine Bezugnahme auf einen in öffentlicher Hauptverhandlung hinreichend begründeten Antrag auf Ausschließung der Öffentlichkeit in dem die Öffentlichkeit ausschließenden Beschluß ausreichen zu lassen, weshalb die Rüge eines verfahrenswidrigen Öffentlichkeitsausschlusses den Inhalt des entsprechenden Antrages der Staatsanwaltschaft, auf den sich das Gericht bezieht, mitteilen müßte (BGH StV 1994, 641).
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Siehe auch unter ?Absolute Revisionsgründe - Öffentlichkeit (Ziffer 6)" und ?Öffentlichkeit der Verhandlung".
Ausschluss der Öffentlichkeit zum Schutz von Persönlichkeitsrechten § 171 b GVG
(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, Zeugen oder durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 des Strafgesetzbuches) Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde, soweit nicht das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Dies gilt nicht, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, in der Hauptverhandlung dem Ausschluss der Öffentlichkeit widersprechen.
(2) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 vorliegen und der Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird.
(3) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 und 2 sind unanfechtbar.
Leitsätze/Entscheidungen:
Nach § 171b GVG darf die Öffentlichkeit auch während der Verlesung des Anklagesatzes von der Verhandlung ausgeschlossen werden. Die Zustimmungserklärung der Staatsanwaltschaft zu dem Verständigungsvorschlag des Gerichts ist als gestaltende Prozesserklärung unanfechtbar und unwiderruflich. Das Entfallen der Bindungswirkung der Verständigung für das Gericht nach § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO tritt nicht kraft Gesetzes ein, sondern erfordert eine dahingehende gerichtliche Entscheidung (BGH, Urteil vom 21.06.2012 - 4 StR 623/11).
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?... Die auf § 338 Nr. 6 StPO gestützte Rüge, die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens seien verletzt, weil das LG die Öffentlichkeit bei der Vernehmung der Zeugin S mit unzureichender Begründung ausgeschlossen habe, hat keinen Erfolg. Ausweislich des Sitzungsprotokolls hatte der die Zeugin begleitende RA für die Beantwortung einer Frage beantragt, die Öffentlichkeit auszuschließen. Die StrK fasste daraufhin folgenden Beschluss: ?Die Öffentlichkeit wird gemäß § 171b I und II GVG ausgeschlossen'. Zwar ist der Revision zuzugeben, dass dieser Beschluss der Begründungspflicht nach § 174 I 3 GVG nicht genügt, da weder der konkrete Ausschließungsgrund, noch der Vernehmungskomplex, für den der Ausschluss erfolgen soll, hinreichend bezeichnet ist. Dies führt hier jedoch nicht zur Aufhebung, weil beides im Zusammenhang mit dem sich aus dem Protokoll ergebenden Antrag des Zeugenbevollmächtigten und der angegebenen Gesetzesvorschrift für alle Verfahrensbeteiligten sowie die im Gerichtssaal anwesenden Zuhörer auf der Hand lag, zumal der Ausschluss in den Fällen des § 171b II GVG nicht im Ermessen des Gerichts steht, sondern zwingend anzuordnen ist. Denn nicht jede formale Verletzung der Begründungsvorschriften stellt einen absoluten Revisionsgrund dar (vgl. BGHSt 45, 117 [120, 121] = NJW 1999, 3060 = NStZ 1999, 474 und den dort zit. Beschl. des Senats v. 12. 11. 1998 - 3 ARs 13/98; ferner BGH, Beschl. v. 26. 7. 2001 - 3 StR 239/01). ..." (BGH, Urteil vom 22.04.2004 - 3 StR 428/03)
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Im Regelfall ist der Verfahrensabschnitt, für den gemäß § 171b I 1 GVG die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden soll, von vornherein genau zu bezeichnen. Ist jedoch abzusehen, daß in der gesamten Beweisaufnahme Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich von Verfahrensbeteiligten oder Zeugen erörtert werden, ist es vertretbar, den Ausschluß der Öffentlichkeit nicht nur für einen bestimmten Teil der Beweisaufnahme vorzusehen, ihn vielmehr unbegrenzt für die Beweisaufnahme anzuordnen (BGH, Urteil vom 23.02.1989 - 4 StR 29/89).
Wird die Öffentlichkeit nach § 171b I 1 GVG ausgeschlossen, so ist der Öffentlichkeitsgrundsatz nicht verletzt, wenn der im Zusammenhang mit der Zeugenaussage stehende Verfahrensvorgang eine Augenscheinseinnahme notwendig macht (BGH, Urteil vom 17.12.1987 - 4 StR 614/87).
Ausschluss des Verteidigers § 138 a StPO
(1) Ein Verteidiger ist von der Mitwirkung in einem Verfahren auszuschließen, wenn er dringend oder in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grade verdächtig ist, daß er
1. an der Tat, die den Gegenstand der Untersuchung bildet, beteiligt ist,
2. den Verkehr mit dem nicht auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten dazu mißbraucht, Straftaten zu begehen oder die Sicherheit einer Vollzugsanstalt erheblich zu gefährden, oder
3. eine Handlung begangen hat, die für den Fall der Verurteilung des Beschuldigten Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei wäre.
(2) Von der Mitwirkung in einem Verfahren, das eine Straftat nach § 129 a, auch in Verbindung mit § 129 b Abs. 1, des Strafgesetzbuches zum Gegenstand hat, ist ein Verteidiger auch auszuschließen, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, daß er eine der in Absatz 1 Nr. 1 und 2 bezeichneten Handlungen begangen hat oder begeht.
(3) Die Ausschließung ist aufzuheben,
1. sobald ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, jedoch nicht allein deshalb, weil der Beschuldigte auf freien Fuß gesetzt worden ist,
2. wenn der Verteidiger in einem wegen des Sachverhalts, der zur Ausschließung geführt hat, eröffneten Hauptverfahren freigesprochen oder wenn in einem Urteil des Ehren- oder Berufsgerichts eine schuldhafte Verletzung der Berufspflichten im Hinblick auf diesen Sachverhalt nicht festgestellt wird,
3. wenn nicht spätestens ein Jahr nach der Ausschließung wegen des Sachverhalts, der zur Ausschließung geführt hat, das Hauptverfahren im Strafverfahren oder im ehren- oder berufsgerichtlichen Verfahren eröffnet oder ein Strafbefehl erlassen worden ist.
Eine Ausschließung, die nach Nummer 3 aufzuheben ist, kann befristet, längstens jedoch insgesamt für die Dauer eines weiteren Jahres, aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Sache oder ein anderer wichtiger Grund die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens noch nicht zuläßt.
(4) Solange ein Verteidiger ausgeschlossen ist, kann er den Beschuldigten auch in anderen gesetzlich geordneten Verfahren nicht verteidigen. In sonstigen Angelegenheiten darf er den Beschuldigten, der sich nicht auf freiem Fuß befindet, nicht aufsuchen.
(5) Andere Beschuldigte kann ein Verteidiger, solange er ausgeschlossen ist, in demselben Verfahren nicht verteidigen, in anderen Verfahren dann nicht, wenn diese eine Straftat nach § 129 a, auch in Verbindung mit § 129 b Abs. 1, des Strafgesetzbuches zum Gegenstand haben und die Ausschließung in einem Verfahren erfolgt ist, das ebenfalls eine solche Straftat zum Gegenstand hat. Absatz 4 gilt entsprechend.
Hinweise:
Amtl. Anm.: § 138 a Abs. 2 findet gemäß Artikel 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 14. April 1978 (BGBl. I S. 497) auch Anwendung, wenn Gegenstand der Untersuchung eine vor dem Inkrafttreten des § 129 a des Strafgesetzbuches begangene Straftat nach § 129 des Strafgesetzbuches ist, sofern der Zweck oder die Tätigkeit der kriminellen Vereinigung darauf gerichtet war,
1. Mord, Totschlag oder Völkermord (§§ 211, 212, 220 a),
2. Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239 oder des § 239 b oder
3. gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 308, des § 310 b Abs. 1, des § 311 Abs. 1, des § 311 a Abs. 1, der §§ 312, 316 c Abs. 1 oder des § 319 zu begehen.2Amtl. Anm.: § 138 a Abs. 5 findet gemäß Artikel 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 14. April 1978 (BGBl. I S. 497) auch Anwendung, wenn Gegenstand der Untersuchung eine vor dem Inkrafttreten des § 129 a des Strafgesetzbuches begangene Straftat nach § 129 des Strafgesetzbuches ist, sofern der Zweck oder die Tätigkeit der kriminellen Vereinigung darauf gerichtet war,
1. Mord, Totschlag oder Völkermord (§§ 211, 212, 220 a),
2. Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239 oder des § 239 b oder
3. gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 308, des § 310 b Abs. 1, des § 311 Abs. 1, des § 311 a Abs. 1, der §§ 312, 316 c Abs. 1 oder des § 319
zu begehen.
Leitsätze/Entscheidungen:
(1) Allgemeines
Die gesetzlichen Regelungen über den Ausschluß des Verteidigers in den Fällen des § 138 a I, II Nr. 1 StPO sind verfassungsgemäß. Es ist verfassungsgemäß, daß der Umfang der Beweisaufnahme im Ausschlußverfahren in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt ist (§ 138 d IV 2 StPO; BVerfG, Beschluss vom 04.07.1975 - 2 BvR 482/75, NJW 1975, 2341).
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Ein Verteidiger kann auch dann nach § 138a I Nr. 1 StPO ausgeschlossen werden, wenn das ihm zur Last gelegte Verhalten mangels Strafantrags nicht strafgerichtlich, sondern nur im berufsgerichtlichen Verfahren geahndet werden kann (BGH, Beschluss vom 20.03.2000 - 2 ARs 489/99, 2 AR 217/99, wistra 2000, 311).
Für den Ausschluss eines Verteidigers nach § 138a I Nr. 1 StPO wegen des die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Verdachts der Tatbeteiligung ist nicht zusätzlich die Einleitung oder der entsprechende Stand eines deshalb zu führenden Ermittlungsverfahrens erforderlich (BGH, Beschluss vom 29.03.1996 - 2 ARs 31/96, StV 1996, 470).
Die Regelungen über den Ausschluss des Verteidigers finden auch im Bußgeldverfahren Anwendung (BGH, Entscheidung vom 06.05.1992 - 2 ARs 3/92, wistra 1992, 228).
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Gegen den Verteidiger, der zugleich Mitbeschuldigter im selben Verfahren ist, kommt keine Auschließung nach § 138a StPO durch das Oberlandesgericht, sondern seine Zurückweisung entsprechend §§ 146, 146a StPO durch das für das Hauptverfahren zuständige Gericht in Betracht (Fortentwicklung zu BGHR StPO § 138a Anwendungsbereich 1; OLG Celle, Beschluss vom 04.07.2001 - 3 ARs 25/01, NJW 2001, 3564).
Nur ein Fehlverhalten von besonderem Gewicht, nicht aber schon jedes objektiv unzweckmäßige oder prozeßordnungswidrige Verhalten des Pflichtverteidigers, das den Fortgang des Verfahrens zeitweise hemmt, rechtfertigt dessen Abberufung (OLG Nürnberg, Entscheidung vom 09.05.1995 - Ws 461/95, StV 1995, 287):
?... Die Rspr. zur Rücknahme der Pflichtverteidigerbestellung aus wichtigem Grund (Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O., § 143 Rdnr 3-5; KMR, StPO, § 141 Rdnr. 20) ist auf Wahlverteidiger nicht anwendbar. Sie geht zurück auf die Entscheidung des BVerfG vom 8. 4. 1975 (BVerfGE 39, 238 = NJW 1975, 1015) und stützt sich auf die Überlegung, daß die Abberufung des Pflichtverteidigers dem Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsakts gleicht und deshalb - wie dieser - aus wichtigem Grund zulässig sein muß. Die Stellung des Wahlverteidigers ist dagegen - wie sich auch aus der zit. Entscheidung des BVerfG ergibt - nicht vergleichbar, weil sie sich von einer Bevollmächtigung durch den Angekl. ableitet.
Die Gründe, die eine Ausschließung des Wahlverteidigers zulassen, sind in den §§ 138 a und 138 b StPO abschließend normiert (Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O., § 138 a, Rdnr. 1, m.w.N.; LR-Lüderssen a.a.O., § 143 Rdnr. 7). Im vorliegenden Fall ist offenkundig keiner dieser Gründe gegeben. Andere Verfehlungen des Verteidigers, auch wenn sie grob standeswidrig oder sogar strafbar sind (Beleidigung, Bedrohung des Gerichts u. ä.) rechtfertigen nach geltendem Recht die Ausschließung nicht (Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O.; LR-Lüderssen a.a.O.). ..."
***
Im Verfahren nach §§ 138 a ff. StPO ist der Rechtsanwalt auch dann auszuschließen, wenn er der Beteiligung an einer Beleidigung dringend verdächtig ist, gegen ihn aber kein Strafantrag gestellt worden ist (OLG Hamburg, Entscheidung vom 04.05.1983 - 3 Ausschl. 1/83, NStZ 1983, 426).
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Die Vorschrift des § 138a I Nr. 1 StPO stellt ein gesetzliches Verbot i. S. des § 134 BGB dar, das zur Nichtigkeit der Beauftragung des Verteidigers führt, mit der Folge, dass die Rechtsanwaltsgebühren nach § 464a II Nr. 2 StPO nicht erstattungsfähig sind (LG Hamburg, Beschluss vom 18.12.2000 - 603 Qs Owi, NStZ 2001, 277).
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(2) Verteidiger
Die Vorschriften der §§ 138a ff. StPO über den Ausschluß des Verteidigers sind auch auf den Pflichtverteidiger anwendbar (BGH, Beschluss vom 20.03.1996 - 2 ARs 20/96, StV 1996, 470).
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Die §§ 138a ff. StPO gelten auch für Pflichtverteidiger. Diese Vorschriften enthalten in den von ihnen erfaßten Fällen gegenüber § 143 StPO die speziellere Regelung. Auch wegen eines nur "einfachen" Verdachtes eines Ausschließungsgrundes i. S. von § 138a StPO ist eine Rücknahme der Pflichtverteidigerbestellung nach § 143 StPO ausgeschlossen. Die §§ 138a ff. StPO gelten auch für Pflichtverteidiger. Diese Vorschriften enthalten in den von ihnen erfaßten Fällen gegenüber § 143 StPO die speziellere Regelung. Auch wegen eines nur "einfachen" Verdachts eines Ausschließungsgrundes i. S. von § 138a StPO ist eine Rücknahme der Pflichtverteidigerstellung nach § 143 StPO ausgeschlossen (OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 10.02.1988 - 3 Ws 72/88, StV 1988, 516).
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Die Neuregelung des Verteidigerausschlusses gemäß §§ 138 a ff. StPO gilt auch für einen in einem Steuerstrafverfahren zum Verteidiger bestellten Steuerbevollmächtigten. Die Befugnis, die Ausschließung des Steuerbevollmächtigten als Verteidiger zu beantragen, steht im Ermittlungsverfahren anstelle der Staatsanwaltschaft dem Finanzamt zu, wenn es das Ermittlungsverfahren selbständig führt. Der Antrag auf Ausschließung des Verteidigers muß seinem Inhalt nach bestimmten Mindestanforderungen genügen. Er muß neben den Beweismitteln mindestens die Tatsachen angeben, aus denen sich im Falle ihres Nachweises das den Ausschluß rechtfertigende Verhalten ergeben soll. Es gehört nicht zu den Aufgaben des Oberlandesgerichts im Ausschließungsverfahren, einen den Mindestanforderungen nicht genügenden Antrag durch weitere Erhebungen zu ergänzen. Ein in sich nicht schlüssiger Ausschließungsantrag, der als Grundlage für ein weiteres Verfahren nicht dienen kann, weil er den Mindestanforderungen für seine Zulässigkeit nicht genügt, kann ohne mündliche Verhandlung verworfen werden (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.03.1975 - 2 ARs 5/75, NJW 1975, 943 - 946).
(3) Ausschließungsgründe
Zu den formellen Voraussetzungen eines Antrags auf Ausschließung eines Verteidigers. Eine bloße Bezugnahme auf Beiakten ist zur Begründung eines gegen den Verteidiger erhobenen Beteiligungsvorwurfs nicht ausreichend. Wird dem Verteidiger die Teilnahme an einer Straftat seines Mandanten zur Last gelegt (hier: Beihilfe zur Steuerhinterziehung), ist in dem Ausschließungsantrag das Vorliegen einer rechtswidrigen Hauptat schlüssig darzulegen (KG, Beschluss vom 3. 6. 2005 - 2 AR 63/05 - 5 ARs 31/05, 2006, 352):
Das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen - Bußgeld- und Strafsachenstelle - ermittelt gegen die Beschuldigte wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Die Beschuldigte soll am 23. 10. 2003 bei einer Verhandlung mit Vertretern des Finanzamts L., in der es um ihre hohen Steuerrückstände ging, erklärt haben, sie erwarte aus ihrer früheren Tätigkeit als Handelsvertreterin eine Abfindung von 15 000 bis 20 000 EUR. Nach dem Eingang dieses Betrags werde sie hiervon 5 000 EUR auf ihre Steuerschuld leisten. Nach den Ermittlungen hatte sie die Abfindung jedoch bereits im März 2003 erhalten. Durch die unzutreffenden Angaben soll sie bewirkt haben, dass das Finanzamt Vollstreckungsmaßnahmen gegen sie zunächst nicht weiterführte. Die zugesagten 5 000 EUR zahlte sie erst im Januar 2005. Ein weiteres Ermittlungsverfahren in dieser Angelegenheit führt das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen gegen den Rechtsanwalt C, der für die Beschuldigte an der Verhandlung vom 23. 10. 2003 teilgenommen hat. Ihm legt das Finanzamt Beihilfe zur Steuerhinterziehung der Beschuldigte zur Last. In dem Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte hat sich Rechtsanwalt C als deren Verteidiger gemeldet. Daraufhin hat das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen beantragt, ihn nach § 138a I Nr. 1 StPO von der Mitwirkung in dem Verfahren auszuschließen. Der Antrag hatte keinen Erfolg. ...
Die GenStA hat zu dem Antrag wie folgt Stellung genommen: ?Dem Ausschließungsantrag kann nicht entsprochen werden. Nach den Anforderungen, die nach der obergerichtlichen Rechtsprechung an einen Antrag, den Verteidiger von der Mitwirkung in dem Verfahren auszuschließen, zu stellen sind, müssen mit der Vorlage diejenigen objektiven und subjektiven Tatsachen substanziiert dargelegt werden, die im Falle ihres Nachweises den gegen den Verteidiger erhobenen Verdacht einer nach § 138a I StPO zur Ausschließung führenden Handlung stützen (KG Beschl. v. 14. 7. 2003 - 4 ARs 50/03). Diesen inhaltlichen Mindestanforderungen genügt der Ausschließungsantrag nicht.
a) Zu beanstanden ist schon, dass der Antrag zur Begründung des gegen den Verteidiger erhobenen Vorwurfs auf die ihm beigefügten Beiakten Bezug nimmt. Dies ist zur ausreichenden Begründung eines Ausschließungsantrags nicht zulässig. Geht man nämlich davon aus, dass der Ausschließungsantrag hinsichtlich des den Verfahrensgegenstand des Ausschließungsverfahrens bildenden Sachverhalts - ebenso wie die Anklage im Strafverfahren - eine Umgrenzungsfunktion hat, dann müssen sich aus der Begründung des Antrags selbst und nicht erst aus ihm beigefügten Anlagen - mögen diese auch im Einzelnen bezeichnet sein - die Umstände ergeben, die die Ausschließung des Rechtsanwalts als Verteidiger begründen sollen (OLG Hamm NStZ-RR 1999, 50).
b) Zudem reicht der in der Antragsschrift mitgeteilte Sachverhalt selbst bei Unterstellung seiner Erweislichkeit nicht aus, um einen den Verteidigerausschluss rechtfertigenden hinreichenden oder gar dringenden Verdacht der Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu begründen. Es wird nicht behauptet, dass der durch die unwahre Angabe der Beschuldigten K über erwartete Leistungen aus einem vormaligen Arbeitsverhältnis erreichte Aufschub von Vollstreckungsmaßnahmen zu einer Steuerverkürzung geführt hat. Zwar ist eine vorsätzliche Verkürzung von Steuern noch so lange möglich, wie der geschuldete Betrag noch nicht in voller Höhe entrichtet worden ist; demzufolge kann Steuerhinterziehung grundsätzlich auch noch im Beitreibungsverfahren begangen werden (vgl. Kohlmann SteuerstrafR, Rn 149.2). Dies setzt im Fall des erschlichenen Vollstreckungsaufschubs jedoch stets voraus, dass während der so erwirkten Frist beim Steuerpflichtigen überhaupt vollstreckbare Gegenstände oder ein beitreibungsfähiges Vermögen vorhanden sind (vgl. Kohlmann § 370 AO, Rn 190.1). Hierzu enthält die Antragsschrift indes keinerlei Angaben. Ist aber bereits das Vorliegen einer rechtswidrigen Haupttat der Steuerhinterziehung nicht schlüssig dargelegt, wirkt sich dieser Mangel nach dem Grundsatz der Akzessorietät von Tat und Teilnahme zwingend auf den gleichfalls erhobenen Vorwurf der Beihilfe aus.
Es besteht kein Anlass, vor der Entscheidung den Antrag an das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen zur Nachbesserung zurückzugeben, da seine Zurückweisung als unzulässig die Wiederholung unter Beachtung der beschriebenen Darlegungspflicht nicht ausschließt.'
Diese Ausführungen treffen zu. Der Senat schließt sich ihnen an und verwirft daher den Ausschließungsantrag als unzulässig. ..."
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3.1 Tatbeteiligung (§ 138 a I Nr. 1)
Zur Ausschließung des Verteidigers von der Mitwirkung im ehrengerichtlichen Verfahren beim Verdacht der Tatbeteiligung (BGH, Beschluss vom 27.05.1991 - AnwSt (B) 2/91 (Bay. EGH)):
Der EGH hat den Verteidiger von der Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen. Nach den Gesamtumständen müsse davon ausgegangen werden, daß er von der Verwendung seines Namens auf den Briefbögen sowie dem Kanzlei- und dem Klingelschild gewußt habe und damit einverstanden gewesen sei. Gegen diesen Beschluß hat der Verteidiger in eigenem Namen sofortige Beschwerde eingelegt. Der GBA hat beantragt, der Beschwerde stattzugeben, weil die Ausschließung des Verteidigers wegen des Bagatellcharakters des möglichen Standesverstoßes der Angeschuldigten den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletze. Das Rechtsmittel hatte Erfolg. ...
a) Allerdings folgt der Senat nicht der Auffassung des GBA, daß der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wegen des ?Bagatellcharakters" des möglichen Standesverstoßes der Angeschuldigten der Ausschließung des Verteidigers entgegensteht. Nach § 138a I Nr. 1 StPO ist ein Verteidiger von der Mitwirkung in einem Verfahren auszuschließen, wenn er dringend oder in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grade verdächtig ist, an der Tat, die den Gegenstand der Untersuchung bildet, beteiligt zu sein. Diese Vorschrift räumt dem Ausschließungsrichter kein Ermessen ein. Der Gesetzgeber hat dem bei der Ausschließung des Verteidigers zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch Rechnung getragen, daß er die Voraussetzungen hierfür in mehreren unterschiedliche Anforderungen stellenden Tatbestandsvarianten typisiert hat (vgl. §§ 138a I Nr. 1-3, II, 138b StPO). ...
b) Der Senat hatte also zu prüfen, ob die hier allein in Betracht kommenden Voraussetzungen des § 138a I Nr. 1 StPO erfüllt sind. ...
aa) Der Verteidiger wäre der Beteiligung an der der Angeschuldigten zur Last gelegten Tat sowohl dringend wie auch in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grade verdächtig (vgl. hierzu BGHSt 36, 133), wenn die Angeschuldigte - wie ihr von der StA vorgeworfen - mit dem Verteidiger eine rechtlich unzulässige überörtliche Sozietät eingegangen wäre und dies im Geschäftsverkehr kundgetan hätte. Die in der Anschuldigungsschrift vertretene Rechtsauffassung, daß die Vereinbarung einer überörtlichen Sozietät notwendigerweise gegen die §§ 18, 27 und 28 BRAO verstoße, entspricht jedoch nicht der neueren Rechtsprechung des Senats. ...
bb) Ein die Ausschließung rechtfertigender Verdacht der Beteiligung des Verteidigers an der Tat der Angeschuldigten kommt demnach nur in Betracht, wenn die Berufspflichtverletzung der Angeschuldigten nicht schon in der Kundgabe einer überörtlichen Sozietät, sondern in der Art und Weise dieser Kundgabe gesehen wird (vgl. auch OLG Düsseldorf NJW 1991, 46 = AnwBl 1991, 46 mit Anm. Prütting). Der Angeschuldigten ist nach Auffassung des EGH zur Last zu legen, durch die Verwendung der in der Anschuldigungsschrift beschriebenen Briefbögen den unrichtigen Eindruck erweckt zu haben, als würden ihr Verteidiger und die anderen Sozien T, R und U ihre Kanzleien jedenfalls auch in München unterhalten, obwohl sie die Kanzlei in München allein unterhält (vgl. OLG München aaO, S. 30 ff.). Insoweit handelt es sich trotz des weitergehenden Tatvorwurfs der zugelassenen Anschuldigung (oben unter aa) noch um die Tat, die i. S. des § 138a I Nr. 1 StPO den Gegenstand der Untersuchung bildet. An der berufswidrigen Werbung durch irreführende Angaben über die Sozietät kann der Verteidiger beteiligt sein. Schon die Tatsache des zwischen ihm und der Angeschuldigten bestehenden Sozietätsverhältnisse begründet den Verdacht (Verdacht aufgrund bestimmter Tatsachen i. S. des § 138a II StPO). Der Verdacht erreicht jedoch nicht den nach § 138a I StPO erforderlichen Intensitätsgrad eines dringenden oder die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Verdachts. Der Senat hat als BeschwGer. die Annahme des EGH, dringender Beteiligungsverdacht liege vor, nicht nur auf Rechtsfehler zu überprüfen, sondern das Ermittlungsergebnis im Hinblick auf den aus ihm abzuleitenden Verdachtsgrad selbst zu würdigen. Dabei ist es nicht seine Aufgabe, den in der Ausschließungsvorlage des EhrenGer. bezeichneten und sich aus den Akten ergebenden Sachverhalt durch eigene Ermittlungen zu erweitern (vgl. Kleinknecht/Meyer 39. Aufl., § 138d Rn 6; Rieß NStZ 1981, 328, 332 - jew. mwN).
Aus den vorgelegten Akten ergibt sich nicht, daß der in Nürnberg residierende Verteidiger die Gestaltung der von der Angeschuldigten in München angebrachten Praxisschilder kannte. ..."
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Zu den Voraussetzungen des Verteidigerausschlusses nach § 138a I Nr. 1 StPO (BGH, Entscheidung vom 08.08.1985 - 2 ARs 223/85, NJW 1986, 143).
Ein Verteidiger kann auch dann ausgeschlossen werden, wenn das ihm zur Last gelegte Verhalten mangels Strafantrags nicht strafgerichtlich verfolgt, sondern nur im ehrengerichtlichen Verfahren geahndet werden kann (BGH, Entscheidung vom 25.08.1983 - 2 ARs 262/83, NJW 1984, 316).
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Im Verfahren nach §§ 138 a ff. StPO ist der Rechtsanwalt auch dann auszuschließen, wenn er der Beteiligung an einer Beleidigung dringend verdächtig ist, gegen ihn aber kein Strafantrag gestellt worden ist (OLG Hamburg, Entscheidung vom 04.05.1983 - 3 Ausschl. 1/83, NStZ 1983, 426).
3.1.1 Straftat - Strafbarkeit des Beschuldigten
3.1.2 Tatbeteiligung des Verteidigers - Mittäter - mittelbare Täterschaft - Teilnahme
Gegen den Verteidiger, der zugleich Mitbeschuldigter im selben Verfahren ist, kommt keine Auschließung nach § 138a StPO durch das Oberlandesgericht, sondern seine Zurückweisung entsprechend §§ 146, 146a StPO durch das für das Hauptverfahren zuständige Gericht in Betracht (Fortentwicklung zu BGHR StPO § 138a Anwendungsbereich 1; OLG Celle, Beschluss vom 04.07.2001 - 3 ARs 25/01, NJW 2001, 3564).
Erteilt ein Strafverteidiger nach vertretbarer Auffassung einen unrichtigen Rechtsrat, der dazu führt, daß der Beratene eine strafbare Handlung begeht, so ist der Verteidiger deshalb nicht Beteiligter an dieser Straftat (OLG Stuttgart, Entscheidung vom 18.12.1986 - 1 Ausschl. 3/86, NJW 1987, 2883).
3.1.3 Vorwerfbarkeit der Tatbeteiligung durch Verteidiger
BGH NStZ 86, 37
BGH NJW 84, 316
BGH MDR 77, 984
OLG Hamburg NStZ 83, 426
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3.2 Missbrauch und Sicherheitsgefährdung (§ 138 a I Nr. 2)
3.2.1 Beschuldigter nicht auf freiem Fuß
3.2.2 Missbrauch zur Begehung von Straftaten
3.2.3 Vorwerfbare Begehung einer Straftat als Täter oder Teilnehmer
3.2.4 Beginn der vorwerfbaren Begehung einer Straftat als Täter oder Teilnehmer
3.2.4 Gefährdung der Sicherheit einer Vollzugsanstalt
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3.3 Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei (§ 138 a I Nr. 3)
3.3.1 Haupttat
OLG Braunschweig StV 84, 500
OLG Bremen NJW 81, 2711
3.3.2 Begünstigung
3.3.3 Strafvereitelung - Versuch
Vor dem Landgericht Mannheim findet seit dem 9. Februar 2006 die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten Zündel wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung statt. Am 31. März 2006 hat das Oberlandesgericht Karlsruhe auf Vorlage des Landgerichts entschieden, dass die Verteidigern S. (eine von sechs Verteidigerin des Angeklagten) nach §§ 138 a Abs. 1 Nr. 3, 138 c Abs. 2 StPO von der weiteren Mitwirkung in dem Strafverfahren ausgeschlossen ist. Nach § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO ist ein Verteidiger auszuschließen, wenn er mindestens hinreichend verdächtig ist, eine Handlung begangen zu haben, die - wenn der Angeklagte verurteilt würde - eine Strafvereitelung nach § 258 StGB darstellt. Grund für den Ausschluss durch das Oberlandesgericht war u. a., dass die Verteidigerin an mehreren Verhandlungstagen sich trotz des Entzugs des Rederechts in einer Art "Parallelverhandlung" an die Zuhörer im Gerichtssaal gewandt hatte und Erklärungen mit teilweise strafbarem nationalsozialistischen Inhalt abgegeben und dadurch das Verfahren blockiert hatte. Auch habe sie den Schöffen die Verhängung der Todesstrafe wegen "Feindbegünstigung" in Aussicht gestellt. Dies alles gefährde einen zeitnahen Abschluss des Verfahrens.
Die gegen diesen Beschluss gerichteten sofortigen Beschwerden des Angeklagten und der ausgeschlossenen Verteidigerin hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs verworfen. In seiner Entscheidung betont er die hohe Bedeutung der rechtsstaatlich geforderten Gewährleistung einer effektiven Strafverteidigung, die einen Verteidigerausschluss, für den nicht jedes prozessordnungswidrige Verteidigerverhalten ausreichend ist, nur in extremen Ausnahmefällen gestattet. Das Verhalten der Verteidigerin geht darüber aber weit hinaus und dient - unter Verwendung prozessfremder Mittel - nur dem Zweck die Fortsetzung des Verfahrens zu verhindern oder doch wesentlich zu verzögern, also letztlich dem Ziel, eine Bestrafung des Angeklagten Zündel zu vereiteln (Beschluss vom 24.05.2006 - 2 ARs 199/06 - PM 83/2006):
?... Auch in der Sache selbst hat die Entscheidung Bestand. Die umfangreiche und sorgfältige Würdigung, auf welche das Oberlandesgericht nach Durchführung der mündlichen Verhandlung gemäß § 138 d StPO seine Überzeugung gestützt hat, es bestehe ein die Ausschließung gemäß § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO rechtfertigender Verdacht der versuchten Strafvereitelung gegen Rechtsanwältin S. , ist nicht zu beanstanden.
Insbesondere ist das Oberlandesgericht zutreffend davon ausgegangen, dass hinsichtlich des Nachweises sowohl des objektiven als auch des voluntativen Elements der Strafvereitelung bei der Beurteilung eines Verteidigerverhaltens erhöhte Anforderungen bestehen und dass diese hier erfüllt sind.
Die Stellung als Verteidiger in einem Strafprozess und das damit verbundene Spannungsverhältnis zwischen Organstellung und Beistandsfunktion macht eine besondere Abgrenzung zwischen erlaubtem und unerlaubtem Verhalten in Bezug auf den Straftatbestand der Strafvereitelung, § 258 StGB, erforderlich (vgl. BGHSt 38, 345, 347 ff.). Hierbei wird im Zweifel davon auszugehen sein, dass es sich um wirksame Verteidigung handelt (vgl. BGHSt 46, 36, 46). Die Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens ergeben sich dabei nicht unmittelbar aus § 258 StGB selbst, vielmehr verweist die Vorschrift auf die Regelungen des Prozessrechts. Danach darf der Verteidiger grundsätzlich alles tun, was in gesetzlich nicht zu beanstandender Weise seinem Mandanten nützt. Die Achtung der rechtsstaatlich notwendigen effektiven Strafverteidigung - auch im Blick auf Art. 12 GG - gebietet erhebliche Zurückhaltung bei gerichtlicher Inhaltskontrolle von Verteidigerverhalten; dies muss gerade auch für die Abgrenzung von erlaubtem und unerlaubtem Verteidigerverhalten gelten (vgl. BGHSt 47, 278, 282). Ein Fall effektiver Strafverteidigung liegt nicht vor, wenn die zu beurteilenden Handlungen eines Verteidigers sich als verteidigungsfremdes Verhalten erweisen, die sich nur den äußeren Anschein der Verteidigung geben, tatsächlich aber nach den Maßstäben des Strafverfahrensrechts und des materiellen Strafrechts nichts zu solcher beizutragen vermögen (vgl. BGHSt 46, 36, 45). Liegt - wie hier - zum Beispiel ein Leugnen des gesamten Holocaust vor, drängt sich die Annahme verteidigungsfremden Verhaltens bei Äußerungen auch im Rahmen von Beweisanträgen oder sonstigen Prozesserklärungen auf, da diese zur Sachaufklärung oder rechtlichen Beurteilung im konkreten Verfahren unter keinem denkbaren Gesichtspunkt etwas beizutragen vermögen (vgl. BGHSt 47, 278, 283).
Nach diesen Maßstäben ist hier der Ausschluss der Verteidigerin gerechtfertigt. Durch ihr Verhalten in der Hauptverhandlung ist sie zumindest hinreichend verdächtig, in strafbarer Weise unmittelbar dazu angesetzt zu haben, das Verfahren gegen den Angeklagten für geraume Zeit zu verzögern oder gar einen Abschluss endgültig zu vereiteln, wobei die Art und Weise ihrer Handlungen gerade auch die subjektive Seite belegen.
Zutreffend hat der Generalbundesanwalt in diesem Zusammenhang u. a. darauf hingewiesen, dass diese Absicht deutlich belegt wird durch die bereits am ersten Hauptverhandlungstag erfolgte ?Belehrung' der Laienrichter, die dahin ging, sie würden sich wegen der Ausübung ihres Richteramtes der ?Volksverleumdung gemäß den Gesetzen des fortbestehenden Deutschen Reiches' schuldig machen und könnten unter Umständen mit der Todesstrafe bestraft werden. In mehreren Hauptverhandlungsterminen ließ die Verteidigerin ein prozessordnungsgemäßes Verhandeln nicht zu, indem sie trotz Entzugs des Rederechts den Fortgang der Verhandlung durch ununterbrochenes - an das Publikum gewandtes Sprechen über ?Nürnberger Scheinprozesse', ?Inquisitionsgericht' und Ausführungen wie ?den Holocaust habe es nie gegeben', unmöglich machte.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht hat sie darüber hinaus erklärt, dass sie sich auch künftig den Anordnungen des Vorsitzenden der erkennenden Strafkammer zur Leitung der Verhandlung nicht beugen, sondern trotz Anordnung nach § 257 a StPO, Wortentzugs und Abschalten des Mikrofons ungebrochen auch zum anwesenden Publikum gewandt weiter reden werde, ?um die Wahrheit kund zu tun'. Dass es der Verteidigerin aber in Wirklichkeit nicht um die Ermittlung der Wahrheit geht, zeigt sich schon daran, dass sie eine prozessordnungsgemäße Verhandlung und Aufklärung gerade verhinderte und zukünftig verhindern will.
Auch im Rahmen der Begründung ihrer sofortigen Beschwerde trägt sie vor, dass im Fall Z. eine ?in der Strafprozessordnung nicht vorgesehene Strategie geboten' sei, da das Verhalten des erkennenden Gerichts einen übergesetzlichen Notstand bedinge. Hierin ist ein weiteres Indiz dafür zu sehen, dass die Verteidigerin entschlossen ist, sich außerhalb der geltenden Strafprozessordnung zu stellen, um eine Bestrafung ihres Mandanten zu vereiteln.
Der Senat hat nach umfassender Würdigung aller Umstände, die auch im Vorlagebeschluss des Landgerichts und im angefochtenen Beschluss des Oberlandesgerichts näher dargelegt sind, keinen Zweifel, dass die Verteidigerin zumindest hinreichend verdächtig ist, eine versuchte Strafvereitelung begangen zu haben. Ihr Gesamtverhalten zeigt, dass sie auch den entsprechenden Vorsatz hatte. Wenn sie sich im Hinblick auf ihr Handeln je in einem Irrtum befunden haben sollte, käme allenfalls ein - naheliegend vermeidbarer - Verbotsirrtum in Betracht.
Die Gegenerklärung vom 23. Mai 2006 lag dem Senat vor und war Gegenstand der Beratung. Sie gibt keinen Anlass, die Voraussetzungen des § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO zu verneinen. ..." (BGH, Beschluss vom 24.05.2006 - 2 ARs 199/06)
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(BGH NJW 2000, 2433, 2434)
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?... M's frühere Freundin F erstattete gegen diesen am 19. 7. 1982 Strafanzeige wegen Zuhälterei, Menschenhandel, gefährlicher Körperverletzung, Nötigung, Bedrohung und Freiheitsberaubung. Sie gab u.a. an, der Beschuldigte habe zwei Tage zuvor in seiner Wohnung mit der Faust gegen ihren Kopf geschlagen, dann seine damalige Freundin R ins Zimmer gerufen und sich von ihr eine Rasierklinge bringen lassen; diese habe er auf ihrer, der Anzeigenden, rechten Wange angesetzt; sie habe laut geschrien, trotzdem sei sie von ihm weiter mit Fäusten geschlagen und in die Rippen getreten worden. Wenige Tage später wurde der Beschuldigte verhaftet. Er bevollmächtigte Rechtsanwalt D als Verteidiger. Dieser beantragte im Haftprüfungstermin vom 5. 8. 1982, die Zeugin R u.a. darüber zu vernehmen, daß der Beschuldigte die Zeugin F zu keinem Zeitpunkt verprügelt oder mit einer Rasierklinge verletzt habe.
Mit an die StA gerichtetem Schriftsatz vom 29. 9. 1982 brachte er sein Befremden zum Ausdruck, daß die als Entlastungszeugin benannte Frau R bisher nicht vernommen worden sei.
Die Zeugin R wurde am 21. 10. 1982 polizeilich vernommen. Sie sagte aus, sie sei ca. 3 1/2 Monate mit dem Beschuldigten ?liiert" gewesen; nach dessen Verhaftung habe Rechtsanwalt D sie in seine Kanzlei bestellt; dort habe sie ?auf mehr oder weniger Drängen des Anwaltes" die (eidesstattliche) Erklärung unterschrieben, daß sie ?von den Handlungen des M", wo sie anwesend gewesen sei, ?nichts mitbekommen habe". In einer weiteren Vernehmung vom 30. 11. 1982 bekundete sie, sie habe von einem Nebenzimmer aus gehört, daß es im Wohnzimmer des Beschuldigten zwischen diesem und der Zeugin F zu einer lauten Auseinandersetzung gekommen sei; beim Eintreten in das Wohnzimmer habe sie gesehen, daß er aufbrausend vor der Zeugin gestanden habe; sie, die Zeugin R, sei von ihm rausgeschickt worden; dann sei das Schreien im Wohnzimmer zwischen M und der Zeugin F fortgesetzt worden; Verletzungen habe sie bei dieser nicht festgestellt, wohl aber, daß sie stark geweint und ziemlich verstört ausgesehen habe; dies habe sie Rechtsanwalt D wahrheitsgemäß erzählt; daraufhin habe er gemeint, sie solle doch eine eidesstattliche Erklärung unterschreiben, daß sie ?nichts mitbekommen habe", so könne man ?den Detlev entlasten"; der Rechtsanwalt habe sie mehr oder weniger mit Worten zum Unterschreiben genötigt.
Das OLG hat den Bf. gemäß § 138a I Nr. 3 StPO von der Mitwirkung in dem gegen seinen Mandanten M anhängigen Strafverfahren ausgeschlossen. Die von ihm eingelegte sofortige Beschwerde erwies sich als unbegründet. ...
Auf Grund dieses Sachverhalts ist Rechtsanwalt D dringend verdächtig, Handlungen begangen zu haben, die für den Fall der Verurteilung seines Mandanten M wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin F eine versuchte Strafvereitelung darstellen.
Er hat zwar bei seiner Stellungnahme zu dem von der StA gestellten Ausschließungsantrag die Vorwürfe der Zeugin R als unzutreffend bezeichnet und sich dahin eingelassen, er habe keine eidesstattliche Versicherung aufgenommen. Der Senat ist jedoch im Wege des Freibeweises zu dem Ergebnis gelangt, daß mehr für die Richtigkeit der Bekundungen der Zeugin spricht. Hätte sie Rechtsanwalt D zu Unrecht belasten wollen, so wäre schwerlich verständlich, daß sie lediglich angegeben hat, die lautstarke Auseinandersetzung gehört und später gesehen zu haben, wie die Zeugin F sehr geweint und recht verstört gewirkt habe.
Entgegen der Auffassung des Bf. kann den betreffenden Aussagen nicht jegliche Bedeutung für eine Überführung seines Mandanten abgesprochen werden. Ihnen kommt zumindest das Gewicht eines Indizes zu.
Das Rechtsanwalt D danach anzulastende Verhalten erschöpft sich nicht in straflosen Vorbereitungshandlungen. Aus BGHSt 31, 10 ff. (= NStZ 1982, 329 mit Anm. Beulke) läßt sich für den vorliegenden Fall nichts herleiten. Er unterscheidet sich von dem damals abgeurteilten wesentlich. Rechtsanwalt D hatte aus seiner Sicht durch die auf Vernehmung der Zeugin R gerichteten Anträge bereits alles Erforderliche getan, um die StA zu veranlassen, umgehend deren Vernehmung anzuordnen, und auf diese Weise eine seinen Mandanten entlastende Aussage zu erreichen. Damit war hier die Grenze zum Versuch überschritten.
Zu Unrecht vertritt der Bf. die Meinung, er habe sich im Rahmen zulässigen Verteidigerhandelns gehalten. Es ist dem Verteidiger nicht erlaubt, auf Zeugen mit dem Ziel einzuwirken, daß sie unzutreffende Aussagen machen, und sie nach einer solchen ?Vorbereitung" als Beweismittel zu benennen (vgl. BGHSt 29, 99 (107)). ..." (BGH, Beschluss vom 16.05.1983 - 2 ARs 129/83).
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BGH NJW 83, 2712
BGH NStZ 82, 329
BGH, Beschluss vom 04.05.1979 - 2 ARs 88/79
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Das Prozessverhalten eines Verteidigers ist nicht mehr als übliche, sachbezogene und prozessual zulässige Verteidigertätigkeit einstufbar, vielmehr als unerlaubtes Verteidigerhandeln zu werten, wenn es objektiv und subjektiv das Ziel erkennen lässt, das Hauptverfahren durch andauerndes Unterlaufen der verhandlungsleitenden Anordnungen des Vorsitzenden zu sabotieren. In einem solchen Fall liegen die Voraussetzungen für die Ausschließung des Verteidigers wegen dringenden Verdachts der versuchten Strafvereitelung zu Gunsten seines Mandanten vor, da er zielgerichtet den zeitnahen Abschluss des Erkenntnisverfahrens und ggf. die Bestrafung des Angeklagten gefährdet (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.03.2006 - 3 Ausschl 1/06, JZ 2006, 1129):
?... Das von der erkennenden Großen Strafkammer des Landgerichts M. mit in der Hauptverhandlung am 09.03.2006 verkündetem Vorlagebeschluss von diesem Tage nach §§ 138 a Abs. 1 Nr. 3, 138 c Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO eingeleitete Ausschließungsverfahren richtet sich gegen Rechtsanwältin A., die derzeit Wahlverteidigerin des Angeklagten E. ist.
Der Angeklagte E. befindet sich in vorliegender Sache seit dem 01.03.2005 in ununterbrochener Untersuchungshaft, zunächst auf Grund Haftbefehls des Amtsgerichts - Haftrichter - M. vom 17.02.2003 in der Gestalt des Haftfortdauerbeschlusses dieses Gerichts vom 02.03.2005 sowie der Beschwerdeentscheidung des Senats vom 20.04.2005 - 3 Ws 139/05 - und nun auf Grund des diesen ersetzenden, dem Verfahrensstand nach Anklageerhebung angepassten Haftbefehls der erkennenden Strafkammer vom 17.08.2005. Die Staatsanwaltschaft M. erhob gegen E. mit Schrift vom 27.06.2005 zum Landgericht - Große Strafkammer - M. Anklage unter dem Vorwurf der Volksverhetzung u. a.; wegen der Einzelheiten der Tatvorwürfe sei auf die Anklageschrift und deren Darstellung im ?Wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen' verwiesen. Mit Beschluss vom 26.07.2005 eröffnete die mit der Sache befasste Große Strafkammer des Landgerichts M. das Hauptverfahren und ließ die Anklage zur Hauptverhandlung zu, wobei sie tatsächliche und rechtliche Hinweise erteilte. Nach Absprache der Termine mit dem Wahlverteidiger Rechtsanwalt R., H., bestimmte der Vorsitzende der Strafkammer mit Verfügung vom 27.07.2005 Termin zur Hauptverhandlung auf den 08.11.2005 nebst vier Folgetagen. Auf das Anschreiben des Kammervorsitzenden an den Angeklagten, einen Rechtsanwalt zu benennen, der ihm als Pflichtverteidiger bestellt werden könne, meldete sich am 08.08.2005 unter Vollmachtsvorlage Rechtsanwältin A. als - weitere - Wahlverteidigerin. Diese wurde dem Angeklagten mit Verfügung des Kammervorsitzenden vom 09.09.2005 beigeordnet.
Mit Schriftsatz vom 18.10.2005 beantragte Rechtsanwältin A. die Einstellung des Verfahrens, die Vorlage der Sache an das Bundesverfassungsgericht zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Straftatbestandes der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 3 und 4 StGB) und die Aufhebung des gegen den Angeklagten E. vollzogenen Haftbefehls. Da sie zugleich die Offenkundigkeit des Holocaust als Täuschungsmaßnahme feindlicher Mächte bezeichnete, verfügte der Kammervorsitzende am 07.11.2005 wegen der Besorgnis, Rechtsanwältin A. werde verteidigungsfremdes Verhalten an den Tag legen, die Zurücknahme der Bestellung von Rechtsanwältin A. als Verteidigerin des Angeklagten. Die dagegen erhobene Beschwerde des Angeklagten verwarf der Senat mit Beschluss vom 14.12.2005 als unbegründet, da in Anbetracht letzterer Äußerung von Rechtsanwältin A. zum Holocaust davon auszugehen sei, dass der Zweck der Pflichtverteidigung, dem Angeklagten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährdet sei, indem Rechtsanwältin A. verteidigungsfremdes Verhalten an den Tag legen, sich nur den äußeren Anschein der Verteidigung geben, tatsächlich aber nach den Maßstäben des Strafverfahrensrechts und des materiellen Strafrechts nichts zu solcher beitragen werde (BGHSt 46, 36, 45).
Die am 08.11.2005 begonnene Hauptverhandlung, in der der Angeklagte E. Rechtsanwältin A. (erneut) als Wahlverteidigerin bevollmächtigte, setzte die Kammer im Fortsetzungstermin am 15.11.2005 zur Bestellung neuer Pflichtverteidiger aus, zugleich mit dem Zweck, den mit Verfügung des Kammervorsitzenden vom 18.11.2005 sodann als neue Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwälten B. und H. Gelegenheit zu geben, sich in den umfangreichen Verfahrensstoff - damals bereits 34 Aktenbände - einzuarbeiten. Die Beschwerde des Angeklagten gegen die Beiordnung der Rechtsanwälte B. und H. verwarf der Senat mit Beschluss vom 14.12.2005 als unbegründet; zugleich bestellte der Senat - auf die Beschwerde des Angeklagten hin - diesem als weiteren Verteidiger Rechtsanwalt L. Die Beschwerde des Angeklagten gegen die vom Kammervorsitzenden abgelehnte Bestellung des Wahlverteidigers Rechtsanwalt Dr. Sch. zum Pflichtverteidiger wies der Senat als unbegründet zurück.
Der Angeklagte hat mithin derzeit sechs Verteidiger, nämlich Rechtsanwalt R., Rechtsanwalt Dr. Sch., Rechtsanwältin A., Rechtsanwalt B., Rechtsanwalt L. und Rechtsanwalt H.
Der Senat hat mit im Zuge der gebotenen besonderen Haftprüfung getroffenen Entscheidungen vom 06.09.2005 und vom 14.12.2005 die Voraussetzungen nach §§ 121, 122 StPO, insbesondere den dringenden Tatverdacht i. S. d. maßgeblichen Haftgrundlage bejaht und jeweils die Fortdauer der Untersuchungshaft des Angeklagten angeordnet.
Mit der Hauptverhandlung wurde nach deren Aussetzung am 15.11.2005 erneut begonnen am 09.02.2006. Fortsetzungstermine fanden am 15.02.2006, 16.02.2006 und 09.03.2006 statt. In der Hauptverhandlung am 09.03.2006 erging und wurde verkündet Beschluss der Strafkammer über die Vorlage der Akten an den Senat zwecks Prüfung und Entscheidung, ob Rechtsanwältin A. als Verteidigerin des Angeklagten E. von der Mitwirkung an dem Strafverfahren gegen den Angeklagten auszuschließen sei, weil sie dringend oder in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grade verdächtig sei, eine Handlung begangen zu haben, die für den Fall der Verurteilung des Angeklagten Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei wäre (§ 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO); zugleich unterbrach die Strafkammer die Hauptverhandlung bis zur Entscheidung des Senats über die Vorlage bzw. die Frage der Ausschließung der Verteidigerin. Die Strafkammer hat den Vorlagebeschluss vom 09.03.2006 dem Angeklagten, Rechtsanwältin A. und den fünf weiteren Verteidigern des Angeklagten mitgeteilt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Schrift vom 15.03.2006 beantragt, Termin zur mündlichen Verhandlung nach § 138 d Abs. 1 StPO zu bestimmen und Rechtsanwältin A. von der weiteren Mitwirkung an dem Strafverfahren gegen den Angeklagten E. auszuschließen.
Die Akten kamen beim Senat am 16.03.2006 ein. Mit Beschluss von diesem Tage kürzte der Senat wegen der Eilbedürftigkeit des Verfahrens, da es sich um eine Haftsache handelt, die Ladungsfrist auf drei Tage ab (§ 138 d Abs. 2 Satz 2 StPO). Mit Verfügung vom selben Tag teilte der Senat diesen Beschluss, den Vorlagebeschluss des Landgerichts vom 09.03.2006 sowie den Antrag der Staatsanwaltschaft M. vom 10.03.2006 und den der Generalstaatsanwaltschaft vom 15.03.2006 der betroffenen Rechtsanwältin A., dem Angeklagten E. und dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer für den OLG-Bezirk M. mit; zugleich wurde Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 27.03.2006 bestimmt und Rechtsanwältin A. hierzu geladen; der Angeklagte E. wurde über den Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat und sein Recht auf Teilnahme unterrichtet.
Am 16.03.2006 kam beim Senat eine dienstliche Äußerung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft M. von diesem Tage zu den im Vorlagebeschluss der Strafkammer vom 09.03.2006 geschilderten Sachverhalten und zum Inhalt des Protokolls über die am 09.02.2006 begonnene Hauptverhandlung ein, die der Senat Rechtsanwältin A. mitgeteilt hat.
Der Angeklagte E. hat am 17.03.2006 auf die Benachrichtigung von dem auf den 27.03.2006 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hin mitteilen lassen, hieran nicht teilnehmen und von seinem Recht auf Anwesenheit nicht Gebrauch machen zu wollen.
Verteidiger Rechtsanwalt R. hat mit Schriftsatz vom 10.03.2006 beantragt, Rechtsanwältin A. nicht von der Mitwirkung an dem Strafverfahren gegen den Angeklagten E. auszuschließen.
Rechtsanwältin A. hat mit Schriftsätzen vom 20.03.2006 und 26.03.2006 beantragt, das Ersuchen der Großen Strafkammer des Landgerichts M. vom 09.03.2006, sie von der Mitwirkung an dem Strafverfahren gegen den Angeklagten E. gemäß § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO wegen des Verdachts der Begünstigung bzw. der Strafvereitelung auszuschließen, zurückzuweisen.
Die Staatsanwaltschaft M. hat gegen Rechtsanwältin A. wegen ihres Verhaltens in vorliegendem Strafverfahren ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Strafvereitelung, der Volksverhetzung, der versuchten Nötigung und des Verstoßes gegen § 145 c StGB (durch Beschäftigung eines einem vorläufigen Berufsverbot unterliegenden Rechtsanwalts) eingeleitet.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27.03.2006 beantragt, Rechtsanwältin A. von der weiteren Mitwirkung als Verteidigerin im Strafverfahren der Staatsanwaltschaft Mannheim auszuschließen (§ 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO). Die betroffene Rechtsanwältin A. und ihr Beistand Rechtsanwalt L. beantragen, den Antrag auf Ausschließung zurückzuweisen.
II. Die Vorlage der Strafkammer vom 09.03.2006 zur Entscheidung über die Ausschließung der Verteidigerin Rechtsanwältin A. ist zulässig; sie genügt den insoweit zu stellenden Anforderungen (vgl. hierzu nur Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. § 138 c Rdnrn. 8, 9, 10); die Vorlage ist nach dem Ergebnis der in der mündlichen Verhandlung am 27.03.2006 vor dem Senat freibeweislich durchgeführten Beweisaufnahme auch begründet.
Rechtsanwältin A. ist dringend verdächtig (vgl. zu diesem Erfordernis im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens BGH AnwBl. 1981, 115; BGH St 36, 133 lässt allerdings auch die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden hinreichenden Tatverdacht genügen), sich wegen einer der in § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO angeführten Straftat strafbar gemacht zu haben. Sie hat im bei der erkennenden Strafkammer anhängigen Hauptverfahren, insbesondere in den vier Terminen der am 09.02.2006 erneut begonnenen Hauptverhandlung Handlungen begangen, die - für den Fall der Verurteilung des Angeklagten E. - als versuchte Strafvereitelung (§ 258 Abs. 1 und 4 StGB) zu beurteilen wären. Ihr in den vier Terminen zur Hauptverhandlung intensiv an den Tag gelegtes Verhalten hat das Stadium strafloser Vorbereitungshandlungen überschritten und ist in das des strafbaren Versuchs der Strafvereitelung eingetreten (vgl. zur Abgrenzung von Versuch und Vorbereitungshandlung bei versuchter Strafvereitelung: BGH St 31, 10; St 34, 68).
Ob eine Verurteilung des Angeklagten E. wegen der ihm mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft M. vom 27.06.2005 zur Last gelegten Haupttaten wahrscheinlich ist, hat der Senat hierbei nicht zu prüfen. Der nach § 138 c Abs. 1 Satz 1 StPO berufene Senat hat vielmehr, zumal das Hauptverfahren seitens der erkennenden Strafkammer eröffnet und die Anklage zur Hauptverhandlung - unanfechtbar (§ 210 Abs. 1 StPO) - zugelassen ist, zu unterstellen, dass der Angeklagte E. alle Tatbestandsmerkmale der ihm vorgeworfenen Taten erfüllt hat und seiner Verurteilung keine Prozesshindernisse entgegenstehen. Der Senat hat daher (nur) zu beurteilen, ob der Verteidiger, hier Rechtsanwältin A., wenn diese Unterstellung zutrifft, einer Straftat nach §§ 257 ff. StGB dringend oder in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grade verdächtig ist (Meyer-Goßner a.a.O. § 138 a Rdnr. 10).
Geschütztes Rechtsgut der Vorschrift des § 258 StGB ist die staatliche Rechtspflege (BGH St 43, 82, 84; 45, 97, 101; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. 2001 § 258 Rdnr. 1). Die staatliche Rechtspflege soll ihre Aufgabe, um einer wirkungsvollen Vergehens- und Verbrechensbekämpfung willen den staatlichen Strafanspruch so bald wie möglich - sei es durch ein verurteilendes oder sei es durch ein freisprechendes Erkenntnis - zu verwirklichen, ungehindert in angemessener Frist erfüllen können (vgl. auch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 HS 2; Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK).
Versuchte Strafvereitelung nach § 258 Abs. 1 und 4 StGB liegt vor, wenn jemand nach seiner Vorstellung von der Tat unmittelbar dazu ansetzt, absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil zu vereiteln, dass ein anderer wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird.
Soweit es den Verteidiger eines Beschuldigten anlangt, ist dieser ein an Recht und Gesetz gebundenes Organ der Rechtspflege. Er hat den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen, dessen Ausführung nicht nur im Interesse des Beschuldigten, sondern auch im Interesse einer am Rechtsstaatsgedanken ausgerichteten Strafrechtspflege liegt. Er hat die Belange des Beschuldigten gegenüber Strafverfolgungsbehörden und Gericht zu wahren und dafür Sorge zu tragen, dass der Strafanspruch des Staates im prozessordnungsgemäßen, justizförmigen Wege verfolgt wird (vgl. BGH NJW 2000, 2433; OLG Nürnberg StV 1995; OLG Hamburg NJW 1998, 621). Dabei ist er nicht zu Unparteilichkeit verpflichtet; vielmehr darf er einseitig zu Gunsten des Beschuldigten handeln und ist berechtigt, dabei an anderen Verfahrensbeteiligten Kritik zu üben. Prozessual zulässiges Handeln des Verteidigers im Interesse sachgerechter Strafverteidigung lässt die Tatbestandsmäßigkeit des § 258 Abs. 1 StGB von vornherein entfallen (BGH NJW 2000, 2433, 2434; KG NStZ 1988, 178). Seine Stellung als Organ der Rechtspflege bedingt jedoch, dass er nur verfahrensrechtlich erlaubte Mittel einsetzen und sich der Wahrheitserforschung nicht mit unerlaubten Verhaltensweisen hindernd in den Weg stellen darf. So muss er sich jeder aktiven Verdunkelung oder Verzerrung der wahren Sach- und/oder Rechtslage und sachwidrigen Erschwerung der Aufklärung des verfahrensgegenständlichen Tatgeschehens und dessen Strafverfolgung enthalten (vgl. BGH St 2, 377; BGH NJW 2000, 2433; etwa auch OLG Düsseldorf StV 1994, 472; dass. StV 1998, 65; Stree a.a.O. § 258 Rdnr. 20 m.w.N.). Mit prozessadäquaten Mitteln darf der Verteidiger eine rechtskräftige Verurteilung verzögern (OLG Düsseldorf StV 1986, 288); macht er von einem zulässigen und von einem ihm zustehenden prozessualen Recht Gebrauch, so begründet dies nicht eine Strafbarkeit wegen (versuchter) Strafvereitelung (BGHSt 29, 99 = NJW 1980, 64 m. Anm. Kuckuk NJW 1980, 298; OLG Karlsruhe StV 1991, 519), auch dann nicht, wenn deswegen die Hauptverhandlung unterbrochen oder ausgesetzt werden muss. Mit inadäquaten Mitteln darf er den Prozess jedoch nicht verschleppen. Allerdings vermag nicht schon jedes standeswidrige Verteidigerverhalten die Ausschließung nach § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO zu begründen (BGH St 2, 375; St 10, 393; BGH bei Holtz MDR 1979, 989; BGH NJW 2000, 2433).
Freilich unterliegt vor diesem Hintergrund der Nachweis des voluntativen Elements der Strafvereitelung bei einem Verteidigerverhalten erhöhten Anforderungen (BGH NJW 2000, 2433, 2434).
Bei Anlegung dieses Maßstabes und Berücksichtigung dieser anerkannten Grundsätze ist der dringende Tatverdacht begründet, dass sich Rechtsanwältin A. unter Missbrauch ihrer Verteidigungsaufgabe und -stellung der versuchten Strafvereitelung schuldig gemacht hat. Rechtsanwältin A. hat - aus Sicht des Senats - den Tatplan gefasst, den Abschluss des Hauptverfahrens vor der Großen Strafkammer des Landgerichts M. in dieser besonders beschleunigt zu bearbeitenden Haftsache bedeutsam, d. h. für eine geraume Zeit zu verzögern (Stree a.a.O. § 258 Rdnr. 16), wenn nicht gar zu vereiteln, und hat durch ihr Verhalten in den vier Terminen zur Hauptverhandlung am 09.02.2006, 15.02.2006, 16.02.2006 und 09.03.2006 zur Verwirklichung dieses Tatplans unmittelbar angesetzt. In der Person von Rechtsanwältin A. ist insbesondere die subjektive Tatseite (zum Einen zumindest bedingter Vorsatz hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Vortaten des Angeklagten E., zum Anderen Strafvereitelungsabsicht) zweifellos erfüllt. Hierfür sprechen zahlreiche, von der Strafkammer in ihrem allein 26 Seiten umfassenden Vorlagebeschluss im Einzelnen mitgeteilte Verfahrenstatsachen und Beweisanzeichen, auf die zur Vermeidung bloßer Wiederholungen verwiesen sei. Hervorzuheben ist, dass der Senat bei seiner Entscheidung nicht auf Anträge der Verteidigerin etwa wegen geltend gemachter Befangenheit erkennender Richter abstellt. Gleiches gilt auch für das Auftreten von Rechtsanwältin A. in dieser Strafsache ?In Geschäftsführung ohne Auftrag für das Deutsche Reich', indem sie die verfassungsmäßige Grundlage der Bundesrepublik Deutschland vehement in Abrede stellt. Für den Senat sind vielmehr im Wesentlichen folgende Vorgänge entscheidend:
In der neu anberaumten Hauptverhandlung am 09.02.2006 begann Rechtsanwältin A. eine Antragsschrift zu verlesen, die mit der von ihr erstellten und bei der Strafkammer eingereichten Antragsschrift vom 18.10.2005 im Kern identisch, darüber hinaus noch erweitert ist. Diese Schrift vom 18.10.2005 hat, wie der Senat in seinem Beschluss vom 14.12.2005 dargetan hat, teilweise strafbaren Inhalt (BGHSt 46, 36; 46, 212; 47, 278; Senat a.a.O. m.w.N.). Außerdem verlas sie einen Antrag auf Belehrung der Schöffen der erkennenden Strafkammer dahin, dass diese ?durch Leistung des Schöffeneides auf das Grundgesetz und die Gesetze des Landes Baden-Württemberg nicht gebunden seien, weil die Bundesrepublik Deutschland als ein Organ der Fremdherrschaft nicht existiere, und sie sich andernfalls eines Verbrechens gegen das noch fortbestehende Deutsche Reich schuldig machen würden. Sie begründete dies damit, die Schöffen hätten sich durch die Leistung ihres Eides einer fremden Macht unterworfen, da das Deutsche Reich von fremden Mächten besetzt sei. Sie führte weiter aus, dass die Bundesrepublik Deutschland ein Organ der Fremdherrschaft und als originärer Staat nicht existent sei. Auf Grund dieses Umstandes hätten die Schöffen sich der Volksverleumdung und gemäß den Gesetzen des Deutschen Reiches, welches noch fortbestehe, des weiteren Straftatbestandes der Feindbegünstigung schuldig gemacht. Deswegen könnten sie zur Verantwortung gezogen werden. Sie verlas daraufhin mehrere Strafnormen des Deutschen Reichs mit Strafdrohungen, die auch die Todesstrafe vorsehen' (vgl. Niederschrift über den Termin zur Hauptverhandlung am 09.02.2006 S. 6/7). Trotz Entzuges des Rederechts seitens des Kammervorsitzenden und unbeeindruckt von Protokollierungen nach § 183 GVG hub Rechtsanwältin A. erneut mit der Verlesung des inkriminierten Antrags auf Einstellung des Verfahrens an.
Im Fortsetzungstermin vom 15.02.2006 fiel Rechtsanwältin A. dem Kammervorsitzenden mit Vorwürfen hinsichtlich dessen Verhandlungsführung wie ?Nürnberger Prozesse', ?Inquisitionsgericht', ?Scheinverfahren' ins Wort. Eigenmächtig rief sie - unter Missachtung der dem Vorsitzenden vorbehaltenen Verhandlungsleitung - einen Zuhörer, den Störer D. R., (vgl. hierzu die Beschwerdeentscheidung des Senats nach § 181 GVG - B. v. 16.03.2006 -) zwecks nochmaliger Anhörung durch die Strafkammer auf. Nach Anhörung des weiteren Zuhörers, des Störers K. M., bemängelte sie ?Es handelt sich nicht um ein deutsches Gericht, bei einem deutschen Gericht wäre das nicht passiert'. Ungeachtet des in der Hauptverhandlung am 09.02.2006 nach § 257 a StPO getroffenen Beschlusses der Kammer gab sie eine Gegenerklärung - ebenso ungeachtet der Aufforderung des Kammervorsitzenden, zunächst in kurzen Worten deren Inhalt darzulegen - durch Verlesen eines vorbereiteten Schriftsatzes ab. Trotz wiederholten Wortentzuges und der Aufforderung des Kammervorsitzenden, die Gegenerklärung schriftlich vorzulegen, setzte sie die Verlesung unter Verlassens ihres Platzes und Ansprache gegenüber den im Sitzungssaal anwesenden Zuhörern fort. Trotz Ordnungsrufs seitens des Vorsitzenden und nochmaliger Entziehung des Wortes und selbst während der Befragung des Angeklagten durch den Vorsitzenden nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO deklamierte sie gegenüber den Zuhörern, das vorliegende Strafverfahren sei kein Verfahren vor einem ordentlichen Gericht, sondern vor einem Organ der Fremdherrschaft, das einen Scheinprozess wie bei den ?Nürnberger Prozessen' führe. Eine nähere Befragung des Angeklagten, ob er sich zur Sache äußern wolle, war wegen des fortgeführten Vortrags von Rechtsanwältin Stolz sachgerecht nicht möglich. Nach seitens des Vorsitzenden erteilter Rüge der Ungebühr gegenüber der Strafkammer unterbrach sie dessen Ausführungen durch den Zuruf ?Wir sind hier nicht vor Gericht'. Nach wiederholtem Entzug des Wortes unterbrach sie den Vorsitzenden durch den Zuruf, dessen Verhandlungsführung sei mit der in den ?Nürnberger Prozessen' vergleichbar, er müsse schon wie bei den ?Nürnberger Scheinprozessen' Gewalt anwenden, um sie aus dem Saal zu entfernen, er stehe nicht auf dem Boden des Rechts. Während der erneuten Befragung des Angeklagten durch den Vorsitzenden führte sie ihren Vortrag fort. Während der Verlesung einer Verfügung des Vorsitzenden zum Selbstleseverfahren (§ 249 Abs. 2 StPO) redete sie - wie in einer Art ?Parallelverhandlung' - zu den Zuhörern gewandt ununterbrochen weiter, u. a. dahin, den Holocaust habe es nicht gegeben, der Angeklagte sei einer der vielen, die dies richtig stellen wollten. Die Aufforderung des Vorsitzenden, ihre Ausführungen zu beenden, hartnäckig missachtend, riss sie wiederum das Wort an sich und fuhr mit ihrem Vortrag fort. Auch das Abschalten des Mikrofons blieb erfolglos; die Rechtsanwältin redete vielmehr mit erhobener Stimme weiter. Verteidiger Rechtsanwalt L. rügte, er habe den Inhalt der verlesenen Verfügung wegen des Vortrags von Rechtsanwältin A. akustisch nicht richtig wahrnehmen können. Da Rechtsanwältin A. durch den Vorsitzenden nicht zum Einhalten zu bringen war, wurde die Sitzung wegen der von Rechtsanwältin A. fortgesetzten Störungen abgebrochen.
Im Fortsetzungstermin vom 16.02.2006 fiel Rechtsanwältin A. dem Vorsitzenden nach dessen dringender Ermahnung, sich prozessordnungsgemäß zu verhalten, erneut ins Wort, so dass dieser sich nicht mehr akustisch verständlich machen konnte. Die Missachtung der wiederholten Entziehung des Wortes durch den Vorsitzenden durch Fortführung ihrer Erklärungen machte den Abbruch der Sitzung erforderlich.
Im Fortsetzungstermin zur Hauptverhandlung am 09.03.2006 unternahm Rechtsanwältin A. erneut den Versuch, entgegen der nach § 257 a StPO getroffenen Anordnung einen Antrag zu verlesen. Auf den Hinweis des Vorsitzenden, dass sie ihre Anträge in der festgelegten Form einzureichen habe, bemerkte Rechtsanwältin A., dass nicht sie, sondern der Vorsitzende das Verfahren verzögere, da er ihr nicht die Möglichkeit gäbe, ihre Anträge vorzutragen. Die folgende Diskussion veranlasste den Vorsitzenden, die Hauptverhandlung wiederum zu unterbrechen. Sodann wurde der Vorlagebeschluss der Strafkammer nach § 138 a ff. StPO verkündet und die Hauptverhandlung schließlich unterbrochen.
Der Senat hat Rechtsanwältin A. in der mündlichen Verhandlung am 27.03.2006 insbesondere auch folgende Passage aus ihrem Schriftsatz vom 20.03.2006 (dort Bl. 2) vorgehalten:
?In dem außergewöhnlichen Fall aber, dass ein Gericht der OMF-BRD in aller Öffentlichkeit und für jeden redlich gesonnenen und verständigen Bürger des Deutschen Reiches erkennbar
- Willkür walten lässt
- das Völkerrecht missachtet und
- selbst die fundamentalen Regeln eines an Wahrheit und Gerechtigkeit orientierten Strafverfahrens verletzt,
ist, um diesen Sachverhalt der öffentlichen Aufmerksamkeit zugänglich und verständlich zu machen, ein Verteidigungsverhalten erforderlich, das den Rechtsbruch ?skandalisiert'.
Rechtsanwältin A. hat daraufhin auf ausdrückliche Nachfrage des Senats das von ihr verwendete Wort ?skandalisiert' dahin definiert, dass sie sich auch künftig den Anordnungen des Vorsitzenden der erkennenden Strafkammer zur Leitung der Verhandlung nicht beugen, trotz - etwa aufrechterhaltener - Anordnung nach § 257 a StPO, Wortentzugs, Abschaltens des Mikrophons ungebrochen auch zum anwesenden Publikum gewandt ?weiter reden' werde, um die Wahrheit kund zu tun.
III. Die vorstehend getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Inhalt der dem Senat vorliegenden Hauptakten Bde. 27-36 nebst drei Stehordnern (beinhaltend Anlage I und Anlage II zum Schriftsatz [Schutzschrift] von Rechtsanwältin A. vom 18.10.2005 sowie deren Schriftsatz vom 21.02.2006 nebst Anlagen), insbesondere auf dem Inhalt der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27.03.2006 verlesenen Niederschriften über die Termine zur Hauptverhandlung vor der Strafkammer am 09.02.2006, 15.02.2006, 16.02.2006 und 09.03.2006, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen sei. An der Richtigkeit der darin dargestellten Verfahrensabläufe zu zweifeln, hat der Senat - auch bei Beachtung der von Rechtsanwältin dagegen mit Schriftsatz vom 26.03.2006 punktuell erhobenen Einwendungen - keinen Anlass, insbesondere in Anbetracht der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27.03.2006 verlesenen dienstlichen Äußerung des an allen Sitzungstagen der Strafkammer anwesend gewesenen Vertreters der Staatsanwaltschaft Mannheim, Staatsanwalt G., vom 16.03.2006, der zufolge sich seine eigenen Wahrnehmungen mit den im Vorlagebeschluss der Strafkammer vom 09.03.2006 und im Protokoll der am 09.02.2006 erneut begonnenen Hauptverhandlung geschilderten Sachverhalten decken .
IV. Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalls bedarf es nach der - verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden (BVerfG NJW 1975, 2341; LR-Lüderssen StPO Stand: 01.10.2001 § 138 a Rdnr. 1 m.w.N.) - Bestimmung des § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO der prozessualen Maßnahme des Ausschlusses der Verteidigerin Rechtsanwältin A., um dem Angeklagten eine Verteidigung zu gewährleisten, wie sie die Stellung eines Rechtsanwalts/Verteidigers als Beistand des Angeklagten und Organ der Rechtspflege verlangt, und um den prozessordnungsgemäßen zeitnahen Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens gegen den Angeklagten E. sicherzustellen, zumal es sich um eine Haftsache handelt, die besonderer Beschleunigung bedarf (vgl. hierzu etwa jüngst erneut grundsätzlich BVerfG B. v. 16.03.2006 - 2 BvR 170/06 -).
Der Senat hat die Argumente von Rechtsanwältin A., die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eine ?Sabotageabsicht' hinsichtlich des Verfahrens gegen den Angeklagten E. in Abrede gestellt und als Ziel ihres Handelns die Verhinderung der ihrer Auffassung nach unrechtmäßigen Verurteilung des Angeklagten E. sowie die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Fremdherrschaft feindlicher Mächte in Deutschland angegeben hat (vgl. auch ihre Schriftsätze vom 20.03.2006 und vom 26.03.2006), zur Kenntnis genommen und eingehend beraten, vermochte diesen indes im Ergebnis nicht zu folgen.
Das aufgezeigte Prozessverhalten von Rechtsanwältin A. ist nicht mehr als übliche, sachbezogene und prozessual zulässige Verteidigertätigkeit einstufbar, vielmehr als unerlaubtes Verteidigerhandeln zu werten (BGH NJW 2000, 2433, 2434; BGHSt 38, 345; NJW 2000, 2217). Hier liegt kein der Erfüllung des objektiven Tatbestandes des § 258 StGB entgegenstehendes eigenverantwortliches Verteidigungsverhalten des Angeklagten E. vor (vgl. LR-Lüderssen a.a.O. § 138 a Rdnr. 36). Vielmehr erhellt aus Sicht des Senats aus dem aufgezeigten Verhalten von Rechtsanwältin A. zwanglos in objektiver und subjektiver Hinsicht deren ihr zuzurechnendes Ziel, das Hauptverfahren gegen den Angeklagten E. vor der Großen Strafkammer des Landgerichts M. zu sabotieren und publikumswirksam zur ?Farce' zu machen. Gewichtige Bedeutung kommt dabei auch dem ersichtlich auf Verunsicherung der Laienrichter zielenden Antrag von Rechtsanwältin A. vom 09.02.2006 auf Belehrung der Schöffenrichter zu. Sie gefährdet zielgerichtet konkret den zeitnahen Abschluss des Erkenntnisverfahrens und ggf. die Bestrafung des Angeklagten. Dies ist strafbar i. S. d. § 258 StGB. Indem sich Rechtsanwältin A. bewusst außerhalb des geltenden Rechts, insbesondere der Strafprozessordnung stellt, die Verhandlungsleitung durch den Vorsitzenden der Strafkammer (§ 238 Abs. 1 StPO) nicht anerkennt, dessen Anordnungen nach §§ 257 a, 249 Abs. 2 StPO unterläuft, so dass diese nicht ausgeführt werden können, und ihr das den Verfahrensgang in hohem Maße wissentlich blockierendes Unterfangen auch in Folgeterminen der - gegenwärtig noch unterbrochenen - Hauptverhandlung vor der Großen Strafkammer des Landgerichts M. fortzusetzen beabsichtigt, hat sie sich für ein weiteres Procedieren als Wahlverteidigerin des Angeklagten E. untragbar gemacht. Soweit sie sich zur Rechtfertigung ihres Verhaltens - ?in Geschäftsführung ohne Auftrag für das Deutsche Reich' - auf ein Nothilferecht beruft (vgl. hierzu etwa LR-Lüderssen a.a.O. § 138 a Rdnr. 75), ist dies nicht nachvollziehbar, ist der Rechtsanwältin doch schon von Berufs wegen bewusst, dass dem Angeklagten E. wie auch der Anklagebehörde - je nach dem derzeit noch völlig offenen Ausgang des Strafverfahrens - Rechtsmittel gegen das Erkenntnis der Strafkammer zur Verfügung stehen.
Einen Verbotsirrtum hinsichtlich ihres zu beanstandenden Prozessverhaltens vermag der Senat - auch auf Grund des von Rechtsanwältin A. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat persönlich gewonnenen Eindrucks - nicht zu erkennen, ebenso wenig eine Beeinträchtigung ihrer Schuldfähigkeit (vgl. hierzu LR-Lüderssen a.a.O. § 138 a Rdnr. 78).
Der Problematik des - auch in der Literatur diskutierten (vgl. Dahs ?Ausschließung und Überwachung des Strafverteidigers' NJW 1975, 1385; Ulsenheimer ?Zur Regelung des Verteidigerausschlusses in §§ 138 a-d, 146 n.F. StPO' GA 1975, 103; Malmendier ?Konfliktverteidigung - ein neues Prozesshindernis?' NJW 1997, 227; Kühne ?Rechtsmissbrauch des Strafverteidigers' NJW 1998, 3027; Jahn ?Kann Konfliktverteidigung Strafvereitelung [§ 258 StGB] sein?' ZRP 1998, 103; Senge ?Missbräuchliche Inanspruchnahme verfahrensrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten - wesentliches Merkmal der Konfliktverteidigung? Abwehr der Konfliktverteidigung' NStZ 2002, 225) - Ausschlusses eines Verteidigers wegen (versuchter) Strafvereitelung ist sich der Senat dabei durchaus bewusst.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Die Verhängung punktueller Ordnungsmaßnahmen nach § 177 ff. GVG seitens der Strafkammer gegen Rechtsanwältin A. kommt nicht in Betracht, da solche gegen einen, sei es die Hauptverhandlung und den Verfahrensablauf auch permanent vorsätzlich störenden und den vom Kammervorsitzenden und/oder Gericht getroffenen verfahrensleitenden Anordnungen sich vorsätzlich widersetzenden Strafverteidiger von Gesetzes wegen - jedenfalls nach derzeitiger Rechtslage - (vgl. Meyer-Goßner a.a.O. GVG § 177 Rdnr. 3) ausgeschlossen sind (vgl. aber auch zu § 176 GVG im Falle extrem außergewöhnlicher Situationen: BGH NJW 1977, 437 in einem obiter dictum). Mit einer von Fall zu Fall in laufender öffentlicher Hauptverhandlung zu treffenden - ohnedies tatsächlich und rechtlich ebenso problematischen - Verfahrensweise gegen Rechtsanwältin A. nach § 164 StPO (durch Festhalten als Störerin; vgl. hierzu etwa KK-Wache StPO 5. Aufl. § 164 Rdnr. 4) könnte die erkennende Strafkammer jedenfalls in der vor Ort gegebenen Prozesssituation der geordneten Durchführung der Hauptverhandlung und dem in vorliegender Haftsache besondere Geltung beanspruchenden Beschleunigungsgebot nicht nachhaltig Rechnung tragen. ..." (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.03.2006 - 3 Ausschl 1/06)
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Es muß einem Verteidiger unbenommen bleiben, in einer bevorstehenden Hauptverhandlung als Zeugen zu vernehmende Geheimnisträger auf die Strafbarkeit einer unbefugten Weitergabe geschützter Informationen im Rahmen der Hauptverhandlung hinzuweisen (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 11.01.2005 - 3 Ws 1003/04, StV 2005, 204 f):
?... Gegen den Angekl. wurde ein Strafverfahren wegen Betruges zum Nachteil seiner Kfz-Versicherung im Anschluss an einen Verkehrsunfall geführt. Im Rahmen einer ersten Hauptverhandlung wurden von der Versicherung in dem vorangegangenen Schadensregulierungsverfahrens beauftragte Ärzte als sachverständige Zeugen dazu vernommen, ob dem Angekl. behauptete Gesundheitsschäden vorgelegt hätten. Nachdem auf die Revision des Angekl. gegen das gegen ihn ergangene Urteil aufgehoben worden war, nahm der Verteidiger Kontakt mit den Zeugen auf und wies sie darauf hin, dass ohne eine Entbindung von der Schweigepflicht eine unbefugte Weitergabe anlässlich der Untersuchung des Angekl. gewonnener Informationen strafbar sei.
Der auf dieses Verhalten gestützte Antrag der StA, den Verteidiger in dem Strafverfahren auszuschließen, blieb erfolglos.
Aus den Gründen: Die StA hat in dem ? Strafverfahren gegen VH einen Antrag auf Ausschluss des Verteidigers Prof. Dr. S gestellt, welchen die 1. StrK des LG Kassel gem. § 138c II 2 StPO dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat. Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet.
Zur würdigen ist insoweit der Sachverhalt, wie er sich nach der Antragsbegründung ohne Bezugnahme auf Anlagen oder sonstige Schriftstücke darstellt (vgl. hierzu im einzelnen OLG Hamm, NStZ 1999, 50ff). Es ist nicht Aufgabe des Senats, von sich aus nach den Grundlagen für eine etwaige Ausschließung zu forschen (OLG Düsseldorf, StV 1997, 459 mwN; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 138c Rn 9).
Die Vorlage ist unschlüssig, weil die angeführten Tatsachen - auch bei Unterstellung ihrer Richtigkeit - die Ausschließung des Verteidigers nicht zu rechtfertigen vermögen. In einem derartigen Fall ist die Vorlage ohne mündliche Verhandlung als unbegründet zu verwerfen (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 1975, 943 [945]; OLG Braunschweig, StV 1984, 500 [502]; OLG Bremen, NJW 1981, 2711; LG Bamberg, AnwBl 1980, 33; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 1998, 336; Meyer-Goßner, § 138d, Rn 1).
Der in dem Vorlagebeschluss zu Grunde gelegte Sachverhalt füllt den Ausschließungsgrund des § 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO nicht aus, da sich aus der Antragsbegründung ein hinreichender Verdacht bezüglich einer Handlung des Verteidigers, die für den Fall der Verurteilung des Angekl. eine - zumindest versuchte - Strafvereitelung gem. § 258 StGB darstellte, nicht ergibt.
Der Verteidiger durfte die zum Termin geladenen früheren Sachverständigen schon deshalb auf die Folgen einer etwaigen Verletzung der Schweigepflicht hinweisen, weil nach dem mitgeteilten Sachverhalt keinesfalls feststeht, dass ein Verstoß gegen § 203 Nr. 1 StGB durch die als sachverständige Zeugen geladenen Personen von vornherein ausscheiden würde.
§ 203 I StGB stellt - in der hier allein in Betracht kommenden Variante der Nr. 1 - das unbefugte Offenbaren eines fremden Geheimnisses durch einen Arzt unter Strafe, das diesem im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit anvertraut oder sonst bekannt geworden ist. ?Geheimnis' i.S. der Vorschrift ist eine Tatsache, die nur einem einzelnen oder einem beschränkten Personenkreis bekannt ist, deren Kenntnis nach dem Willen des Betr. hierauf beschränkt ist und an deren Geheimhaltung der Betr. ein schutzwürdiges Interesse hat (vgl. z.B. Cierniak, in: MüKo-StGB § 203 Rn 11; Schünemann, in: LK-StGB, 10. Aufl., § 203 Rn 19; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 203 Rn 3).
Dies ist bei Informationen, die der Sachverständige z.B. zu Anamnese oder zu früheren oder aktuellen Unfallfolgen des Angekl. im Rahmen der von ihm durchgeführten Untersuchung erlangt hat, ohne weiteres der Fall. Aber auch Diagnosen unterfallen dem Schutzbereich der Norm (Cierniak, § 203 Rn 24; Schünemann, § 203 Rn 20).
Dass die insoweit von den Sachverständigen im Rahmen der jeweiligen Begutachtung festgestellten Tatsachen bereits offenkundig und damit nicht mehr geheimhaltungsbedürftig wären, ist nicht ersichtlich.
Dem Geheimnisschutz unterliegen allerdings solche Tatsachen nicht (mehr), die allgemein bekannt (offenkundig) sind oder die jedermann ohne weiteres zugänglich sind (BGHZ 40, 289 [292]; Cierniak, § 203 Rn 16). Insoweit können auch Tatsachen, die in öffentlicher Verhandlung vor Gericht erörtert worden oder bei der Urteilsverkündung öffentlich bekannt gemacht worden sind, ihren Geheimnischarakter verloren haben (Cierniak, § 203 Rn 16).
Hiervon ist jedoch nicht schon dann auszugehen, wenn - wie hier - die Zeugen bereits im Rahmen der ?ersten Hauptverhandlung' Angaben in öffentlicher Verhandlung gemacht haben. Inhalt und Umfang der früheren Aussagen der sachverständigen Zeugen sind nicht im einzelnen bekannt. Nach der Antragsbegründung wurden die sachverständigen Zeugen im Rahmen ihre Vernehmung vor Gericht von den Feststellungen des im Strafverfahren gegen H beauftragten Sachverständigen in Kenntnis gesetzt und insoweit um neue Bewertung ihrer Gutachten gebeten. Ob diese Neubewertung ihrer früheren Gutachten auch die Preisgabe einzelner persönlichkeitsrelevanter Tatsachen und Untersuchungsbefunde umfasst hat, welche damit ihre Eigenschaft als Geheimnis verloren haben könnten oder sich die Aussage der sachverständigen Zeugen in der Mitteilung des Ergebnisses der Neubewertung erschöpft hat, ist nicht ersichtlich.
Jedenfalls kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass die sachverständigen Zeugen im Rahmen ihrer früheren Befragung bereits zu sämtlichen möglicherweise in der erneuten Hauptverhandlung zur Sprache kommenden Tatsachen im Rahmen ihrer früheren Aussage umfassend Stellung genommen haben und deshalb im Rahmen ihrer neuerlichen Aussage keine Tatsachen im Zusammenhang mit der durchgeführten Untersuchung mehr denkbar wären, die dem Geheimnisbegriff des § 203 StGB unterfielen. Nur dann könnte eine erneute Aussage jedoch von vorneherein aus dem Anwendungsbereich des § 203 StGB herausfallen.
Auch der - zutreffende - Hinweis der StA, dass nur Tatsachen, nicht aber Werturteile dem Schutzbereich des § 203 StGB unterfallen, rechtfertigt keine andere Bewertung. Selbst wenn sich die Angaben der sachverständigen Zeugen im Rahmen der ?ersten Hauptverhandlung' auf die Mitteilung des Ergebnisses ihrer Neubewertung ohne jede Darlegung von Einzelbefunden beschränkt haben sollten und damit möglicherweise als Werturteil nicht dem Schutzbereich des § 203 StGB unterfallen wäre, besagt dies nichts über den Ablauf der erneuten Hauptverhandlung, in deren Rahmen die sachverständigen Zeugen durchaus zu Angaben aufgefordert werden könnten, welche als Tatsachen dem Schutzbereich des § 203 StGB unterfallen würden. Insoweit muss es dem Verteidiger unbenommen bleiben, auf die Strafbarkeit einer unbefugten Weitergabe geschützter Informationen im Rahmen der erneuten Hauptverhandlung hinzuweisen.
Ein Einverständnis des Angekl. mit der Weitergabe der Informationen durch die früheren Sachverständigen im Rahmen der erneuten Hauptverhandlung liegt nicht vor, so dass auch von einer unbefugten Weitergabe von Informationen bei Aussage der als sachverständige Zeugen geladenen Gutachter auszugehen wäre. Die Weitergabe dieser Informationen an Dritte ist ?unbefugt' und kann daher tatbestandsmäßig i.S. des § 203 I 1 StGB sein, soweit sie nicht von dem Einverständnis des Geheimnisträgers (hier des Angekl.) gedeckt ist oder dieser kraft Gesetzes oder gerichtlicher Anordnung zur Duldung der Untersuchung verpflichtet ist (ausführlich hierzu Cierniak, § 203 Rn 70ff; Schünemann, § 203 Rn 79). Einwilligungsfähig ist allein derjenige, auf den sich die geheimhaltungsbedürftige Information bezieht (Cierniak, § 203 Rn 55). Der Auftraggeber der Untersuchung ist oder in wessen Interesse die Untersuchung durchgeführt worden ist, spielt demgegenüber keine Rolle (vgl. z.B. OLG Karlsruhe, NJW 1960, 1392 mwN; Scholz, NJW 1981, 1987 [1989] für die entsprechende Problematik bei Berufspsychologen).
Lediglich im Umfang des Einverständnisses mit der Begutachtung ist der Sachverständige befugt, sein Gutachten zu erstatten und im erforderlichen Umfang ggfs. auch Informationen weiterzugeben (Cierniak, § 203 Rn 70). Grundsätzlich gilt das Einverständnis jedoch nur in dem Verfahren, in dem es erteilt worden ist (BGHSt 38, 369 [371]; Cierniak, § 203 Rn 63; Schünemann, § 203 Rn 79). Nach dem mitgeteilten Sachverhalt ist davon auszugehen, dass die Sachverständigen den Angekl. H im Auftrag der Versicherungsgesellschaft untersucht haben. Die Einwilligung des Angekl. in die Untersuchung und die Weitergabe von Informationen an die Versicherung im Rahmen der Abwicklung des Versicherungsfalles deckt damit nicht die Weitergabe der im Rahmen der Begutachtung gewonnenen personenbezogenen Informationen durch den Sachverständigen auch im Rahmen des Strafverfahrens gegen den Angekl.
Ob der Angekl. die Sachverständigen in der ?ersten Hauptverhandlung' von der Schweigepflicht befreit hatte, ist nicht bekannt. Es kommt darauf aber zunächst auch nicht an, denn die Entbindung ist widerrufbar (Cierniak, § 203 Rn 70; Schünemann, § 203 Rn 66) und der Angekl. hat sie jedenfalls im Vorfeld der ?zweiten Hauptverhandlung' widerrufen. Daraus folgt, dass die Schweigepflicht wieder auflebt (Cierniak, § 208 Rn 70) und die Sachverständigen nunmehr bezüglich ihrer dem Schutzbereich des § 203 StGB unterfallenden Erkenntnisse bei den Untersuchungen zum Schweigen verpflichtet sind.
Ebenso wenig greift die Erwägung der StA, die Sachverständigen seien durch den Angekl. getäuscht worden und damit Opfer einer Straftat, nämlich des Betruges zum Nachteil der Versicherung, was ihnen die Befugnis gebe, ihre Erkenntnisse zu offenbaren, wenn nur so eine Strafverfolgung des Täters möglich werde.
Das folgt schon daraus, dass die bisherigen Aussagen der Sachverständigen verwertbar bleiben, so dass die StrK nicht gehindert wäre, z.B. Beweis über den Inhalt der Aussagen zu erheben, den die Sachverständigen zu der Zeit und unter den Umständen gemacht haben, als sie von der Schweigepflicht entbunden waren. ..."
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Ist die Vorlage zur Entscheidung über die Ausschließung des Verteidigers gem. § 138c II 1 unschlüssig, weil die angeführten Tatsachen - auch bei Unterstellung ihrer Richtigkeit - die Ausschließung des Verteidigers nicht zu rechtfertigen vermögen, ist die Vorlage ohne mündliche Verhandlung als unbegründet zu verwerfen. Nach der gem. § 22 StGB gebotenen subjektiv-objektiven Betrachtung überschreitet derjenige die Schwelle zum Versuch, der nach seiner Vorstellung vom Tatablauf das geschützte Rechtsgut bereits in eine hinreichend konkrete nahe Gefahr bringt. Von daher beginnt die vorgestellte Gefährdung des Rechtsguts und damit in der Versuch der Strafvereitelung durch den Verteidiger im Falle der Herbeiführung einer unrichtigen Aussage eines Zeugen erst mit Beginn von dessen Aussage, es sei denn, dem Zeugen bleibt faktisch keine andere Wahl als falsch auszusagen (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 13.02.2003 - 3 Ws 190/03 zu StPO §§ 138aff.; StGB §§ 22, 258).
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?.. Die Vorlage ist jedoch unbegründet. Die sachlichen Voraussetzungen für eine Ausschließung von Rechtsanwalt B als Verteidiger des Angekl. gem. § 138a I Nr. 3 StPO i.V. mit §§ 258 I, IV, 22, 23 StGB sind nicht erfüllt. Sein mitgeteiltes Verhalten rechtfertigt weder den dringenden noch den hinreichenden Verdacht einer versuchten Strafvereitelung. Dieser Tatbestand ist nur gegeben, wenn jemand nach seiner Vorstellung von der Tat unmittelbar dazu ansetzt, absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil zu vereiteln, daß ein anderer wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird.
1. Der Rechtsanwalt ist als Verteidiger ein unabhängiges Organ der Rechtspflege (§§ 1, 31 BRAO). Er ist als solches zur Mitwirkung bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit und Wahrung der Gerechtigkeit berechtigt und verpflichtet. Andererseits ist er als Rechtsbeistand seines Mandanten dessen Vertrauensperson und hat seine Belange gegenüber den Strafverfolgungsbehörden und den Gerichten wahrzunehmen und vor allem dafür Sorge zu tragen, daß der Strafanspruch des Staates in prozeßordnungsgemäßem Wege verfolgt wird. Da Strafverteidigung ihrer Natur nach auf Schutz vor Inhaftierung, Anklage und Verurteilung ausgerichtet ist (vgl. BGH, NJW 1980, 64), ist der Verteidiger zur Objektivität nicht verpflichtet. Vielmehr darf und muß er einseitig die Interessen seines Mandanten vertreten (vgl. Senat, StV 1998, 66). Allerdings hat er sich hierbei prozessual zulässiger Mittel zu bedienen. In diesem Sinne ordnungsgemäßes und pflichtentsprechendes Verteidigerhandeln ist nicht tatbestandsmäßig i.S. des § 258 StGB (vgl. BGHSt 29, 102 = NJW 1980, 464 m.w. Nachw.; ferner Senat, NJW 1991, 996). Deshalb darf der Verteidiger allerdings ohne Anwendung ?unsauberer Mittel" (vgl. BGHSt 10, 393 = NJW 1957, 1808) etwa einem aussageverweigerungsberechtigten Zeugen die Aussageverweigerung nahelegen (vgl. Senat, NJW 1991, 996), die Zurücknahme eines Strafantrags veranlassen oder Auskünfte über die Rechtslage erteilen, mögen sie auch geeignet sein, einen Entschluß zur Strafvereitelung zu fördern (vgl. Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, 25. Aufl., § 258 Rdnr. 20). Hingegen muß sich der Verteidiger jeglicher Verdunkelung der wahren Sachlage und jeder die Wahrheitsfindung sachwidrig beeinträchtigenden Erschwerung der Strafverfolgung enthalten (vgl. Senat, StV 1994, 472). So darf er vor allem weder Zeugen zu Falschaussagen veranlassen noch mit diesem Ziel auf sie einwirken oder bereits zur Falschaussage entschlossene Zeugen in ihrem Willen hierzu bestärken (vgl. Tröndle, StGB, 48. Aufl., § 258 Rdnr. 7 m.w. Nachw.; ferner Stree, in: Schönke/Schröder, § 258 Rdnr. 20, m.w. Nachw.).
2. Unter Beachtung dieser Grundsätze stellt das in der Vorlage mitgeteilte Verhalten des Rechtsanwalts B zulässige Verteidigerhandlung, nicht aber eine die Ausschließung nach § 138a I Nr. 3 StPO rechtfertigende, versuchte Strafvereitelung i.S. der §§ 258 I, IV, 22, 23 StGB dar.
a) Nachdem die Zeugin K ohne seine Einflußnahme in Begleitung der Mutter und des Bruders des Angekl. bei Rechtsanwalt B erschienen war, durfte er ihr nach Schilderung des Geschehensablaufs entsprechend ihrer bisherigen, den Angekl. belastenden Version im Sinne des Anklagevorwurfs die Auskunft erteilen, eine Änderung ihrer Aussage zur Begründung der von ihr beabsichtigten Rücknahme der Strafanzeige liege nur dann vor, wenn sie angebe, der Angekl. habe keine Gewalt gegen sie angewandt. Darin liegt keine unzulässige prozessuale Einwirkung auf die Zeugin, insbesondere nicht der Versuch, sie zu einer Falschaussage zu veranlassen oder ihr eine solche nahezulegen. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch dann nicht, wenn Rechtsanwalt B hierbei wußte, daß die Geschädigte den Angekl. vor weiterer Inhaftierung, Bestrafung und eventueller Abschiebung bewahren wollte. Entscheidend ist, daß der Verteidiger nicht aktiv auf die Zeugin eingewirkt hat, um sie zu einer Falschaussage zu bestimmen oder sie in der Absicht, zugunsten des Angekl. falsch auszusagen, zu bestärken, und immerhin die Möglichkeit bestand, daß ihre ursprüngliche Geschehensschilderung unrichtig war.
b) Nichts anderes gilt, soweit Rechtsanwalt B die Zeugin darauf hingewiesen hat, wenn sie ihre Anzeige zurücknehmen wolle, könne sie es bei ihrer Schilderung des ?Küssens und Betatschens" durch den Angekl. ohne Gewaltanwendung belassen. Auch dadurch sind die Grenzen ordnungsgemäßen Verteidigerhandelns mangels prozessual unzulässiger Einflußnahme noch nicht überschritten worden.
c) Was die von Rechtsanwalt B möglicherweise vorgenommene Hilfeleistung bei der sprachlichen Formulierung ihrer geänderten Geschehensschilderung anbelangt - nach der Vorlage hat er diese mit der Zeugin vor dem Aufsuchen der Kriminalpolizei über eine Stunde ?durchgespielt" -, so fehlt es ebenfalls an genügenden konkreten Hinweisen dafür, daß er die Geschädigte hierbei unlauter beeinflußt hat. Die Zeugin ist nach den Ermittlungen Sonderschülerin und nicht altersgemäß gereift. Im übrigen liegt die Annahme nicht fern, daß der Verteidiger sich auf diese Weise selbst einen Eindruck von der Glaubhaftigkeit der geänderten Aussage und von der Glaubwürdigkeit der K verschaffen wollte.
d) Desweiteren durfte Rechtsanwalt B die Zeugin zur Erklärung der von ihr ohne sein Zutun gewollten Rücknahme der Strafanzeige gegen den Angekl. zur Kriminalpolizei begleiten und sich dort im Sinne ihrer geänderten Geschehensschilderung äußern. Ein Verteidiger, der sich so verhält, verdunkelt weder den Sachverhalt noch erschwert er sachwidrig die Wahrheitsfindung, es sei denn, er wirke dadurch auf die Auskunftsperson ein oder habe zuvor auf sie eingewirkt in der Absicht, sie zu einer Falschaussage zu bestimmen oder sie in ihrem Entschluß, falsch auszusagen, zu bestärken. Dafür fehlt es aber - wie aufgezeigt - an hinreichenden, konkreten Anhaltspunkten.
e) Letztlich ist besonders im Hinblick auf den von dem Verteidiger im Hauptverhandlungstermin vom 31. 3. 1998 vor dem JugendschöffenGer. zu den Akten gereichten Vermerk vom 26. 9. 1997 über das Gespräch mit der Zeugin seine Verurteilung wegen versuchter Strafvereitelung nicht mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Rechtsanwalt B hat hiernach die bereits ohne seine Veranlassung zur Rücknahme ihrer Strafanzeige bereite Geschädigte mehrfach darüber belehrt, daß sie verpflichtet sei, die Wahrheit zu sagen. Gleichwohl verblieb sie bei ihrer geänderten Schilderung des Tathergangs, wonach der Angekl. sie zwar mit ?Küssen und Betatschen" bedrängt, sie nicht aber mit Gewalt und unter Ausnutzung ihrer schutzlosen Lage gezwungen habe, sexuelle Handlungen an sich zu dulden und an ihm vorzunehmen. Selbst wenn Rechtsanwalt B bei dem Gespräch mit der Zeugin ihre insoweit abweichende ursprüngliche Aussage und die dafür sprechenden weiteren Beweisanzeichen kannte, so war er doch nicht nur berechtigt, sondern gegenüber seinem die Tat bestreitenden Mandanten auch verpflichtet, allen Umständen nachzugehen, die geeignet waren, vernünftige Zweifel an der Täterschaft des Angekl. zu begründen. Solche aber boten sich in der Persönlichkeit der Zeugin und in ihrer wechselnden Aussage. Nichts anderes als hierauf einzugehen hat Rechtsanwalt B in Erfüllung seiner Beistandsfunktion als Verteidiger innerhalb der Grenzen prozessualer Zulässigkeit getan. Bei dieser Sachlage kann entgegen der in dem Vorlagebeschluß geäußerten Auffassung nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, Rechtsanwalt B habe in dem Wissen gehandelt, daß die Zeugin entgegen ihrer ursprünglichen Schilderung des Geschehensablaufs nunmehr zugunsten des Angekl. falsch ausgesagt habe.
Nach alledem fehlt es mangels hinreichender Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung des Verteidigers wegen versuchter Strafvereitelung an dem zumindest erforderlichen hinreichenden Tatverdacht i.S. des § 138a I Nr. 3 StPO, ohne daß es noch auf den - hier im übrigen nicht unmittelbar anwendbaren - Zweifelssatz ankommt.
C. Da hiernach der dem Beschluß vom 15. 6. 1998 zugrunde liegende Sachverhalt die Ausschließung von Rechtsanwalt B als Verteidiger des Angekl. nicht rechtfertigt, ist die Vorlage als unbegründet zu verwerfen. Dies kann ohne die nach § 138d I StPO vorgesehene mündliche Verhandlung geschehen, weil eine Ausschließung des Verteidigers schon nach den Darlegungen des JugendschöffenGer. nicht in Betracht kommt und nach Lage der Dinge bei einer mündlichen Verhandlung kein anderes Ergebnis zu erwarten ist. In einem solchen Fall ist eine mündliche Verhandlung entbehrlich (vgl. Senat, NJW 1991, 996 m.w. Nachw.). ..." (OLG Düsseldorf, Beschluß vom 01.07.1998 - 1 Ws 378/98, NStZ-RR 1998, 336 f).
***
?... Dieser Verteidiger ist weder dringend noch in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grade verdächtig, sich wegen einer der in § 138 a Abs. 1 Nr. 1-3 StPO angeführten Straftaten strafbar gemacht zu haben. Insbesondere ist nicht erkennbar, daß er - was ihm hier vorgeworfen wird und allein in Betracht kommt - Handlungen begangen hat, die für den Fall der Verurteilung des Besch. - hier: des Angekl. J. - versuchte Strafvereitelung wären (§§ 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO, 258 Abs. 1 und 4 StGB).
a) Geschütztes Rechtsgut der Vorschrift des § 258 StGB ist die staatliche Rechtspflege. Sie soll ihre Aufgabe, den staatlichen Strafanspruch so bald wie möglich zu verwirklichen, ungehindert erfüllen können. Strafvereitelung nach Abs. 1 bzw. versuchte Strafvereitelung nach Abs. 1 und 4 liegt vor, wenn jemand absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß jemand wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird, bzw. dies versucht.
Soweit es den Verteidiger eines Besch. anlangt, ist dieser an Recht und Gesetz gebundenes Organ der Rechtspflege. Er hat einen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen, dessen Ausführung nicht nur im Interesse des Besch., sondern auch im Interesse einer am Rechtsstaatsgedanken ausgerichteten Strafrechtspflege liegt. Er hat die Belange des Besch. gegenüber Strafverfolgungsbehörden und Gericht zu wahren und dafür Sorge zu tragen, daß der Strafanspruch des Staates im prozeßordnungsgemäßen, justizförmigen Wege verfolgt wird. Dabei ist er nicht zu Unparteilichkeit verpflichtet; vielmehr darf er einseitig zu Gunsten des Besch. handeln und ist berechtigt, dabei an anderen Verfahrensbeteiligten Kritik zu üben. Prozessual zulässiges Handeln des Verteidigers im Interesse sachgerechter Strafverteidigung läßt die Tatbestandsmäßigkeit des § 258 Abs. 1 StGB von vornherein entfallen (KG NStZ 1988, 178; Senatsbeschl. in NStZ 1991, 299; Laufhütte a.a.O. Rdnr. 4 vor § 137). Seine Stellung als Organ der Rechtspflege bedingt jedoch, daß er nur rechtlich erlaubte Mittel einsetzen und sich der Wahrheitserforschung nicht hindernd in den Weg stellen darf. So muß er sich jeder Verdunkelung der wahren Rechtslage und sachwidrigen Erschwerung der Strafverfolgung enthalten. Weder darf er falsche Aussagen herbeiführen noch verfälschte verwenden. Insbesondere darf er nicht auf Zeugen mit dem Ziel einwirken, daß sie falsch aussagen und die Glaubwürdigkeit eines Zeugen mittels unwahrer Behauptungen von Tatsachen erschüttern oder auf sonstige Weise Beweisquellen trüben.
Bei Berücksichtigung dieser anerkannten Grundsätze (vgl. jeweils mit Rspr. Nw.: Laufhütte a.a.O. Rdnr. 4 ff. vor § 137; Dreher-Tröndle, StGB, 46. A., Rdnr. 7 zu § 258; Lackner, StGB, 20.A., Rdnr. 8ff. zu 258; Stree in Schönke-Schröder, StGB, 24. A., Rdnr. 20 zu § 258) vermag der Senat keinen begründet erscheinenden Verdacht zu erkennen, daß der Verteidiger sich unter Mißbrauch seiner Verteidigungsaufgabe der versuchten Strafvereitelung schuldig gemacht hat.
b) Soweit es den von der StA erhobenen und im Vorlagebeschl. geteilten Vorwurf anlangt, dieser Verteidiger habe im Zusammenwirken mit anderen D. zum - fälschlichen - Widerruf seiner den Angekl. belastenden Angaben verleitet, bieten das Verhalten des Verteidigers und die vorgelegten Beweismittel keinen Anhalt dafür, daß er berechtigt ist. Auszugehen ist insoweit lediglich davon, daß er schon vor dem Entweichen von D. aus der JVA Detmold Kenntnis von dessen Bereitschaft zum erneuten Widerruf hatte. Indes fehlen jede Anhaltspunkte dafür, daß er diese Bereitschaft durch eigenes Zutun unterstützt und den auf Videoband aufgezeichneten Widerruf vorbereitet, gesteuert oder sonstwie gefördert hat. Irgendwelche die Bereitschaft von D. beeinflussende Zuwendungen hat der Verteidiger diesem nicht zukommen lassen. Im Gegenteil hat er nach den Angaben des Journalisten B. diesem sogar abgeraten, D.'s Wünsche nach hafterleichternden Zuwendungen zu erfüllen. Persönliche Kontakte des Verteidigers zu D. haben weder vor noch nach dessen Flucht aus der JVA Detmold bestanden. Von dem auf Videoband aufgezeichneten Widerruf hat er nach seinen eigenen und überdies von RA H. bestätigten Angaben erst nachträglich Kenntnis erlangt. Selbst wenn, was offen bleiben kann, von dritter Seite auf D. in einer den Tatbestand der versuchten Strafvereitelung erfüllenden Weise unlauter mit dem Ziel des Widerrufs seiner den Angekl. J. belastenden Angaben eingewirkt worden sein sollte, kann dies dem Verteidiger nicht angelastet werden.
c) Ebensowenig rechtfertigt das Prozeßverhalten des Verteidigers den Verdacht der Verwirklichung einer versuchten Strafvereitelung.
Mit dem Gebot eines rechtstaatlichen Verfahrens ist es nicht vereinbar, daß ein StA als Sitzungsvertreter in einem Verfahren mitwirkt, in dem er z.B. selbst Verletzter oder mit dem Angekl. oder dem Verletzten verwandt oder verschwägert ist. Entsprechendes gilt, wenn der StA seine Pflicht zur Objektivität nachhaltig und schwer verletzt hat oder durch sonstiges Verhalten dem Besch. hinreichend Grund zu seiner Besorgnis der Befangenheit geboten hat (BVerfG JR 1979, 28; BGH NJW 1984, 1908). Der Besch. und sein Verteidiger sind berechtigt, auf die Ablösung eines aus ihrer Sicht ungeeignet erscheinenden StA als Sitzungsvertreter hinzuwirken und dies bei dem Dienstvorgesetzten dieses StA anzuregen bzw. anregen zu lassen (OLG Stuttgart NJW 1974, 1394).
Mit dem an die StrK gerichteten Antrag v. 2. 2. 1994 hat der Verteidiger von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Das erfüllt nicht den Tatbestand einer versuchten Strafvereitelung. ...
e) Da der dem Vorlagebeschl. zugrunde liegende Sachverhalt die Ausschließung von RAS. als Verteidiger nicht rechtfertigt, ist die Vorlage insoweit als unbegründet zu verwerfen. Das kann ohne die in § 138 b Abs. 1 StPO vorgeschriebene mündliche Verhandlung geschehen, weil aufgrund der Vorlage eine Ausschließung nicht in Betracht kommt und durch eine mündliche Verhandlung kein anderes Ergebnis zu erwarten ist. In einem solchen Fall ist die mündliche Verhandlung entbehrlich (OLG Karlsruhe NJW 1975, 943 ff.; OLG Bamberg AnwBl. 1980, 33; OLG Bremen NJW 1981, 2771 [= StV 1981, 139]; OLG Braunschweig StV 1984, 500 ff.; Senatsbeschl. in NStZ 1991, 299 = StV 1992, 57; BGH NStZ 1991, 557 [= StV 1991, 526]; Laufhütte a.a.O. Rdnr. 1 zu § 138 d; Kleinknecht/Meyer- Großner StPO, 41. A., Rdnr. 1 zu § 138 d). ..." (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.06.1994 - 1 Ws 365 - 366/94, StV 1994, 472 f)
***
Das Einwirken eines Verteidigers auf einen Zeugen mit dem Ziel, diesen zu einer Falschaussage zu veranlassen, stellt keinen seine Ausschließung rechtfertigenden strafbaren Versuch der Strafvereitelung dar, solange der Zeuge nicht falsch aussagt (OLG Frankfurt, Entscheidung vom 13.03.1992 - 3 Ws 136/92, StV 1992, 360).
Empfiehlt der Verteidiger seinem angeklagten Mandanten, zum Hauptverhandlungstermin, dessen Verlegung abgelehnt worden ist und der nicht ohne den Angeklagten durchgeführt werden kann, nicht zu erscheinen, verwirklicht er den objektiven Tatbestand der Strafvereitelung (OLG Koblenz, Entscheidung vom 28.10.1991 - 1 Ausschl. 1/91, NStZ 1992, 146).
Bedient der Verteidiger sich bei der Ausübung seines Mandats prozessual zulässiger Mittel, so kommt seine Ausschließung wegen des Verdachts der (versuchten) Strafvereitelung selbst dann nicht in Betracht, wenn er dadurch dazu beiträgt, daß der Hauptverhandlungstermin vertagt werden muß. Einer mündlichen Verhandlung i. S. des § 138d I StPO bedarf es nicht, wenn die Ausschließung des Verteidigers schon im Zeitpunkt der Antragstellung nicht in Betracht kommt und durch eine mündliche Verhandlung kein anderes Ergebnis zu erwarten ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.12.1990 - 1 Ws 1096/90 zu StPO §§ 138a, 138d I; StGB § 258, NStZ 1991, 299 f).
Stellt der Verteidiger einen Beweisantrag, so macht er von einem ihm zustehenden prozessualen Recht Gebrauch. Dies begründet auch dann nicht eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung, wenn deswegen die Hauptverhandlung unterbrochen oder ausgesetzt werden muß. Ein solches Verhalten des Verteidigers rechtfertigt seinen Ausschluß nach § 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO nicht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.02.1986 - 1 Ws 100/86, StV 1986, 288).
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Ein Verteidiger, der dem Beschuldigten eine gegen diesen bevorstehende, wegen Gefährdung des Untersuchungszwecks geheimgehaltene Maßnahme der Strafverfolgungsbehörde mitteilt, begeht eine versuchte Strafvereitelung, die seine Ausschließung von der Mitwirkung in dem Verfahren rechtfertigt (KG, Beschluss vom 05.07.1982 - 1 AR 460/82 - 4 ARs 46/82, NStZ 1983, 556 ff).
Ein Verteidiger, der eine Strafvereitelung unternimmt, kann nicht gemäß § 138 a I Nr. 3 StPO ausgeschlossen werden, wenn es noch nicht zum Versuch dieses Delikts gekommen ist. Die ablehnende Entscheidung über die Ausschließung eines Verteidigers hat entgegen § 138 d I StPO ohne mündliche Verhandlung zu ergehen, wenn eine Ausschließung von vornherein nicht in Betracht kommt. Wer es erfolglos unternimmt, einen Zeugen zu einer falschen Aussage zugunsten eines Beschuldigten zu beeinflussen, begeht noch keinen Versuch einer Strafvereitelung im Sinne des § 258 StGB (OLG Bremen, Entscheidung vom 04.12.1980 - BL 337/80, NJW 1981, 2711).
Durch Veranlassung von Kontenbewegungen bezüglich eines der Strafverfolgungsbehörde noch unbekannten Bankguthabens des Angeklagten kann sich der Verteidiger der versuchten Strafvereitelung schuldig machen, wenn dadurch eine vorhandene Beweisquelle getrübt worden ist. Zur Abgrenzung noch erlaubter Verteidigertätigkeit zur verbotenen Strafvereitelungshandlung (OLG Frankfurt, Entscheidung vom 10.10.1980 - (2) 3 Ws 800/80, NJW 1981, 882).
OLG Frankfurt StV 1992, 360
OLG Düsseldorf NJW 91, 996
OLG Düsseldorf JZ 86, 408
KG StV 84, 336
3.3.4 Hehlerei
3.3.5 Dringender Tatverdacht - hinreichender Tatverdacht
Die gesetzlichen Regelungen über den Ausschluß des Verteidigers in den Fällen des § 138 a I, II Nr. 1 StPO sind verfassungsgemäß. Es ist verfassungsgemäß, daß der Umfang der Beweisaufnahme im Ausschlußverfahren in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt ist (§ 138 d IV 2 StPO; BVerfG, Beschluss vom 04.07.1975 - 2 BvR 482/75, NJW 1975, 2341).
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Für den Ausschluss eines Verteidigers nach § 138a I Nr. 1 StPO wegen des die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Verdachts der Tatbeteiligung ist nicht zusätzlich die Einleitung oder der entsprechende Stand eines deshalb zu führenden Ermittlungsverfahrens erforderlich (BGH, Beschluss vom 29.03.1996 - 2 ARs 31/96, StV 1996, 470).
Die Ausschließung des Verteidigers wegen hinreichenden Verdachts der versuchten Strafvereitelung setzt nicht voraus, dass wegen dieses Vorwurfs gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und bis zur Anklagereife gediehen ist (Abkehr von BGH, AnwBl. 1981, 115 = bei: Holtz, MDR 1979, 989 und BGHR StPO § 138a I Nr. 3 Begünstigung 1 = NStE Nr. 3 zu § 138a StPO; BGH, Entscheidung vom 03.03.1989 - 2 ARs 54/89, BGH NStZ 90, 91 - StV 93, 227).
Die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung nach § 138 d StPO unterliegt den Regeln des Freibeweises (BGH, Beschluss vom 24.08.1978 - 2 ARs 245/78, NJW 1979, 115 - 116):
?... Die mündliche Verhandlung hat ergeben, daß die Voraussetzungen des § 138 a Abs. 2 StPO idF vom 14. April 1978 für die Ausschließung des Verteidigers vorliegen.
Ein Verteidiger ist u.a. von der Mitwirkung in einem Verfahren, das eine Straftat nach § 129 a StGB zum Gegenstand hat, auszuschließen, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, daß er sich an der terroristischen Vereinigung im Sinne des § 129 a StGB beteiligt hat oder beteiligt ( § 138 a Abs. 1 Nr. 1 StPO ). Die Voraussetzungen dieser Bestimmung für die Ausschließung des Verteidigers Rechtsanwalt R. liegen vor, wie die mündliche Verhandlung vor dem Senat ergeben hat.
III. Bei der Beweisaufnahme ist das Gericht nicht an die Vorschriften über die Hauptverhandlung, insbesondere die §§ 244 bis 256 StPO gebunden; vielmehr kann es nach den Regeln des Freibeweises, auch durch Verlesung von polizeilichen und anderen Protokollen, das Erforderliche feststellen (ebenso Kleinknecht, StPO 33. Aufl. § 138 d Rdn. 3, Ulsenheimer GA 1975, 103, 111). Eine andere Ansicht vertritt Dünnebier (in Löwe/Rosenberg, StPO 23. Aufl. § 138 d Rdn. 8). Er hält die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen für nötig und nicht durch Verlesung von deren Aussagen für ersetzbar, es sei denn, daß die Voraussetzungen der §§ 251 , 254 oder 256 StPO vorliegen. Für diese Ansicht ist dem Wortlaut des § 138 d StPO indessen nichts zu entnehmen. Er besagt insoweit nur, daß in der vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung, in welcher der Verteidiger nicht einmal zugegen zu sein braucht, die anwesenden Beteiligten zu hören sind und das Gericht den Umfang der Beweisaufnahme nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt ( § 138 d Abs. 4 StPO ). Abweichend von den Vorschriften der StPO über die Hauptverhandlung, die der abschließenden Entscheidung über den einem Angeklagten gemachten Schuldvorwurf dient und den Regeln des Strengbeweises nach den §§ 243 ff StPO unterliegt, handelt es sich hier schon dem Wortlaut nach nur um eine mündliche Verhandlung, bei der für die Beweisaufnahme nur die Anhörung der anwesenden Beteiligten vorgeschrieben ist und im übrigen der Grundsatz der Aufklärungspflicht im Umfang des pflichtgemäßen Ermessens gilt (vgl. Rieß JR 1976, 207/208).
Auch die Entstehungsgeschichte des § 138 d StPO spricht eher gegen als für die Ansicht Dünnebiers. Nach der Begründung zu dieser Vorschrift im Entwurf des Zweiten Strafverfahrensreformgesetzes vom 6. September 1974 (BT-Drucks. 7/2526 S. 23), der dann ohne wesentliche Änderungen Gesetz wurde (vgl. Gesetz vom 20. Dezember 1974 - BGBl I 3686), soll die mündliche Verhandlung insbesondere dem Verteidiger umfassend Gelegenheit zur Stellungnahme geben, aber zielstrebig, konzentriert und schnell durchgeführt werden. Da nicht darüber entschieden werde, ob der Verteidiger eine strafbare Handlung begangen habe, sei es gerechtfertigt, aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung und der Verfahrensvereinfachung von dem formalen Beweisantragsrecht, das für die Hauptverhandlung gilt, abzusehen.
Damit hebt die Begründung zu Recht auf die verschiedenen Zwecke einer Hauptverhandlung und der mündlichen Verhandlung im Sinne des § 138 d StPO ab. Hier handelt es sich nicht um das mit möglichst weitgehenden Rechtsgarantien ausgestattete Hauptverfahren gegen einen Angeklagten, sondern um ein summarisches Verfahren, das die Ausschließung eines der Beteiligung an der Tat verdächtigen Verteidigers betrifft. Das Ausschließungsverfahren nach § 138 d StPO ist deshalb dem Haftprüfungsverfahren nach § 118 a StPO nachgebildet (vgl. Amtl. Begründung - BT-Drucks. 7/2526 S. 23). Die in dieser Bestimmung vorgeschriebene mündliche Verhandlung soll klären, ob der Haftbefehl aufzuheben oder dessen Vollzug auszusetzen ist ( § 117 Abs. 1 StPO ). Auch für sie gelten, wie allgemein anerkannt ist, nicht die Regeln des Strengbeweises. Das ergibt sich nicht nur daraus, daß nach § 118 a Abs. 2 Satz 2 StPO das Gericht auch die Art der Beweisaufnahme bestimmt, sondern beruht auf dem Wesen und der Art des Verfahrens, das ebenfalls nur summarisch ist und keine umfangreiche Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung zuläßt. Das Ausschließungsverfahren darf und soll nicht die Hauptverhandlung ganz oder teilweise vorwegnehmen. Deshalb ist es ohne Bedeutung, daß in § 138 d Abs. 4 StPO nicht auch ausdrücklich die Art der Beweisaufnahme dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts überlassen wird. Es wäre nicht folgerichtig, wenn für die Feststellung eines dringenden Tatverdachts im Sinne des § 112 StPO der gesamte Akteninhalt verwertet werden darf, dagegen bei der Feststellung des einfachen Verdachts der Beteiligung an einer Straftat nach § 129 a StGB i.V.m. § 138 a Abs. 2 StPO im Verfahren nach § 138 d StPO keine Protokolle verlesen werden dürften, vielmehr die Zeugen und Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vernommen werden müßten. Letzteres würde außerdem zur Folge haben, daß das Hauptverfahren oft weit mehr als nötig hinausgezögert würde und eine Hauptverhandlung - unter Umständen sogar nach einer vorübergehenden Aussetzung - nicht mehr zu Ende geführt werden könnte.
Daß im übrigen rechtsstaatliche Verfahrensgarantien durch die Regelung des § 138 a Abs. 4 Satz 2 StPO nicht verletzt werden, hat das Bundesverfassungsgericht bereits anerkannt (NJW 1975, 2341).
Nach alledem durfte der Senat die polizeilichen Protokolle verlesen. Das ist geschehen. Aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung hat er es nicht für erforderlich gehalten, die Beschuldigten S. und C. persönlich zu vernehmen.
IV. Die Beweisaufnahme hat den Verdacht ergeben, daß S. und andere Beschuldigte Ende 1977 eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 129 a StGB gegründet haben und Rechtsanwalt R. diese mindestens unterstützt hat.
1. Wie insbesondere die Beschuldigten S. und W. ausgesagt haben, gingen die Ziele dieser Vereinigung dahin, die Wiederzulassung der NSDAP zu erreichen, Deutschland in den Grenzen von 1938 wiederherzustellen, die Demokratie abzuschaffen, eine Diktatur analog zum ehemaligen "Dritten Reich" zu errichten und die Parteien zu verbieten. Diese Ziele sollten mit Gewalt verfolgt werden. Es wurden zunächst eine Werwolfgruppe gebildet, Waffen und andere Ausrüstungsgegenstände beschafft; auch sollten Sprengstoffe besorgt werden. Zur Finanzierung haben mehrere Beschuldigte Raubüberfälle und Diebstähle begangen. Bei einer Besprechung wurde als Planung für 1978 erörtert, "Besatzungsoffiziere" und das durch seine Aktionen gegen ehemalige Nationalsozialisten bekannte Ehepaar K. zu ermorden, Anschläge auf einen englischen Soldatensender und auf die Mauer in Berlin zu unternehmen sowie "Besatzer" gefangen zu nehmen. Schon nach diesen Bekundungen besteht der Verdacht, daß eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 129 a StGB gebildet worden ist, an der "mindestens die Beschuldigten S., W. und Ro." beteiligt waren. Dieser Verdacht ist sogar so dringend, daß gegen mehrere Beschuldigte Haftbefehle gemäß § 112 StPO ergangen sind und der 3. Senat des Bundesgerichtshofs die Beschwerde des Mitbeschuldigten B. gegen einen Haftbefehl durch Beschluß vom 26. Juni 1978 verworfen hat.
2. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung besteht weiter der Verdacht, daß Rechtsanwalt R. diese Vereinigung mindestens durch zwei Handlungen unterstützt hat.
a) So hat der Beschuldigte S. am 19. April 1978 zu polizeilichem Protokoll erklärt, der Rechtsanwalt habe ihn in der Justizvollzugsanstalt aufgesucht und ihm erklärt, S. und W. sollten alle Schuld bei den Straftaten auf sich nehmen und Ro. wegen "der Sache" aus der ganzen Angelegenheit heraushalten (Bd. I Bl. 117 des Sonderhefts). Der ganze Zusammenhang spricht dafür, daß mit dem Ausdruck "Sache" die terroristische Vereinigung gemeint ist. Dies wird bestätigt durch eine weitere, von S. am 9. Mai 1978 unaufgefordert abgegebene Erklärung, daß für ihn bei diesem Gespräch das Bestreben R. klar ersichtlich gewesen sei, ihn, S., dahin zu beeinflussen, daß er den gesamten politischen Hintergrund und die Beteiligung Ro. vergessen müsse und sich als normaler Krimineller bekennen solle. Allerdings hat S. nunmehr durch Schriftsatz vom 30. Juli 1978 diese Aussagen bestritten. Damit ist jedoch der Verdacht, daß er sie gemacht hat, nicht beseitigt. S. hat das Protokoll vom 19. April 1978 (Bd. I Bl. 117) selbst gelesen und unterschrieben und seine Erklärungen vom 9. Mai 1978 sind durch drei Vernehmungsbeamte schriftlich bestätigt worden (Bl. 226/227 des Sonderhefts).
b) Die Vereinigung hatte bei dem Mitbeschuldigten, dem Landwirt Werner C. auf dessen Hof Waffen versteckt. Darunter befanden sich auch vier Maschinenpistolen der Marke Uzi, welche die Mitglieder der Gruppe S., W., Ro., P. und B. bei einem Überfall mittels Waffen auf dem Nato-Übungsplatz Bergen erbeutet hatten. Anläßlich einer Vernehmung des Beschuldigten Ro. am 1. und 2. März 1978 holte Rechtsanwalt R. mit der Hilfe von C. die vier Maschinenpistolen Uzi aus dem gemeinsamen Versteck und brachte sie zur Polizei, nachdem diese und Ro. vorher mit ihm darüber gesprochen hatten. In diesem Zusammenhang soll er nach den Aussagen des Mitbeschuldigten C. vom 11. April 1978 (Bl. 154 des Sonderheftes) und vom 21. April 1978 (Bl. 322 f des Sonderheftes) sowie den dienstlichen Äußerungen der Polizeibeamten L. vom 2. Juni 1978 (Bl. 240 f), Lo. vom 2. Juni 1978 (Bl. 242 ff), H. vom 3. Juni 1978 (Bl. 237) und D. vom 6. Juni 1978 (Bl. 239) die Vereinigung ebenfalls unterstützt haben. Danach hatte Kriminalhauptkommissar Lo. den Rechtsanwalt aufgefordert, neben den Uzis noch weitere namentlich bezeichnete Waffen herbeizuschaffen. Werner C. hat nach seiner wiederholten Bekundung Rechtsanwalt R. gefragt, was es mit den übrigen Waffen und Sachen auf sich habe, worauf ihm R. versichert habe, diese seien sauber und stammten nicht aus strafbaren Handlungen; er wolle sie nicht mitnehmen. Im gegenseitigen Einverständnis wurden dann die Uzis in Salzsäure getaucht, damit etwaige Fingerspuren verwischt wurden (Bl. 157 ff, 323 f des Sonderhefts). Obwohl R. von dem Kriminalhauptkommissar Lo. darüber unterrichtet worden war, daß noch bestimmte Waffen gesucht würden, erklärte er dem Polizeibeamten, er wisse von den anderen Waffen nichts, ihr Herbeischaffen sei ihm nicht möglich gewesen. Diese Gespräche mit dem Polizeibeamten hat der Rechtsanwalt in seinem Schriftsatz vom 9. August 1978 selbst zugegeben, aber die Kenntnis von dem Versteck der anderen Waffen bestritten. Angesichts der Aussage von Werner C. und des sonstigen Verhaltens des Rechtsanwalts besteht jedoch der Verdacht, daß er genaue Kenntnis hatte und die Waffen und das sonstige Material der terroristischen Vereinigung erhalten wollte.
V. Nach alledem besteht ein starker Verdacht, daß der Rechtsanwalt die terroristische Vereinigung unterstützt und damit sich selbst an dem Vergehen nach § 129 a StGB beteiligt hat. Deshalb ist er gemäß § 138 a Abs. 2 StPO n.F. von der Mitwirkung in diesem Verfahren auszuschließen. ..."
***
Der für einen Ausschluß des Verteidigers nach § 138 a Abs. 1 StPO zumindest erforderliche hinreichende Tatverdacht muß sich schlüssig allein aus der Begründung der Vorlage ergeben. Daher kann es erforderlich sein, Ausführungen zur Glaubwürdigkeit eines Zeugen und zur Glaubhaftigkeit seiner Angaben zu machen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.12.1997 - 1 Ws 988/97, StV 1999, 531):
?... Das AG Neuss hat gegen den Angekl.am 5. 8. 1997 einen Strafbefehl wegen Untreue über eine Geldstrafe von 70 TS zu je 30 DM erlassen. Dagegen hat er durch RA S. als seinen Verteidiger rechtzeitig Einspruch eingelegt. Nach Aufhebung des danach bestimmten Termins zur Hauptverhandlung hat das AG die Sache durch Vermittlung der StA dem OLG zur Entscheidung vorgelegt, ob RA S. von der Verteidigung des Angekl. gem. § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO auszuschließen sei. ...
I. Zur Begründung seiner Vorlage hat das AG u. a. ausgeführt: Die StA legt dem Angekl., dessen Verteidiger RA S. ist, Untreue gem. § 266 StGB zur Last. Sie behauptet, der Angekl. habe im September 1994 u. a. in Meerbusch von dem Zeugen S. 27 000 DM erhalten, um für ihn hiervon in Italien ein Motorrad zu kaufen. Von diesem Geld habe der Angekl. 25 000 DM abredewidrig für sich verwendet. Am 10. 9. 1997 hat der bereits im Ermittlungsverfahren vernommene Zeuge S. der Polizei mitgeteilt, daß er nach der amtsgerichtlichen Ladung in dieser Sache vom Verteidiger des Angekl. zu einer Besprechung aufgefordert worden sei. Bei dieser habe der Verteidiger ihm zu verstehen gegeben, sein - des Zeugen - Schreiben an den Angekl. könne als räuberische Erpressung aufgefaßt werden, worauf drei oder vier Jahre Gefängnis stünden. Im günstigsten Falle habe er - der Zeuge - eine hohe Geldstrafe zu erwarten.
Die Anzeige solle er gegenüber der Polizei zurücknehmen und als ?Dummen-Jungen-Streich' darstellen. Der Zeuge hat weiter erklärt, er habe bei der Anzeigeerstattung gegen den Angekl. die Wahrheit gesagt und wolle die Anzeige nun zurücknehmen, weil er Repressalien vom Verteidiger des Angekl. befürchte.
Das von dem Zeugen bekundete Verhalten des Verteidigers rechtfertigt nach Auffassung des AG den dringenden Tatverdacht der (versuchten) Strafvereitelung zugunsten des Angekl.
II. Der Vorlagebeschl. genügt den Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht. Bei einer Vorlage gem. § 138 c Abs. 2 StPO müssen die Tatsachen angegeben werden, die im Falle ihres Nachweises den gegen den Verteidiger erhobenen Verdacht einer zur Ausschließung führenden Handlung gem. § 138 a Abs. 1 StPO stützen. Die Vorlage hat zudem die Beweismittel aufzuführen, die den zumindest erforderlichen hinreichenden Tatverdacht (§§ 138 a Abs. 1, 203 StPO) begründen. Diese müssen sich schlüssig allein aus der Begründung der Vorlage ergeben (vgl. Senatsbeschl. v. 13. 3. 1997 in wistra 1997, 239 = BB 1997, 1228 = StV 1997, 459 und 23. 6. 1997 - 1 Ws 453/97; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO, 43. A., § 138 c Rdnr. 9; KK-Laufhütte StPO, 3. A., § 138 c Rdnr. 4). Wegen Strafvereitelung macht sich nach § 258 Abs. 1 StGB strafbar, wer absichtlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gem. wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird. Eine versuchte Strafvereitelung verwirklicht nach §§ 258 Abs. 1 und Abs. 4, 22 StGB, wer nach seiner Vorstellung von der Tat unmittelbar dazu ansetzt.
Im Vorlagebeschl. fehlen Ausführungen zur Glaubwürdigkeit des Zeugen S. und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage sowie zur inneren Tatseite. Der Verteidiger, der auf einen Belastungszeugen dahin einwirkt, die Anzeige zurückzunehmen und als ?Dummen-Jungen-Streich' darzustellen, ist wegen - ggf. versuchter - Strafvereitelung strafbar, wenn er weiß, daß die Anzeige zu Recht erstattet worden ist und er in der Absicht tätig wird, seinen Mandanten - wenn auch nur vorübergehend - der Bestrafung zu entziehen (vgl. Tröndle StGB, 48. A., § 258 Rdnr. 7; Schönke/Schröder/Stree StGB, 25. A., § 258 Rdnr. 20). Dabei reicht nicht aus, daß der Verteidiger die Richtigkeit der gegen seinen Mandanten erhobenen Anzeige lediglich für möglich hält.
Die bloße Mitteilung der Aussage des Zeugen S. v. 10. 9. 1997 im Vorlagebeschl. genügt danach für die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts der Strafvereitelung oder ihres Versuchs nicht. Das AG teilt nicht mit, warum der Aussage des Zeugen S. gefolgt werden kann und welche Vorstellung der Verteidiger hinsichtlich der gegen seinen Mandanten erhobenen Vorwürfe hatte und - falls er von der Richtigkeit der Vorwürfe ausging - welche Indiztatsachen und Beweismittel insoweit vorliegen. ..."
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Ergibt sich aus dem Akteninhalt kein dringender oder die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigender Tatverdacht gegen den vom Ausschließungsantrag betroffenen Verteidiger, so bedarf es weder einer mündlichen Verhandlung noch weiterer Sachaufklärung durch den Senat (OLG Celle, Beschluss vom 11.12.1996 - 2 ARs 54/96, NJW 1997, 1167).
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Die Ausschließung des Verteidigers setzt voraus, dass eine Verurteilung des Verteidigers wegen der in § 138a StPO genannten Taten im Sinne eines der Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Verdachts wahrscheinlich ist (OLG Frankfurt, Entscheidung vom 01.10.1987 - 3 Ws 490/87, StV 1988, 516):
?... RA A. wurden als Verteidiger des Angekl. im Oktober 1986 die Verfahrensakten für drei Tage zur Einsichtnahme ausgehändigt. Bis zum Februar 1987 hatte der RA die Akten nicht freiwillig dem Gericht zurückgegeben. Das AG; legte die Akten dem OLG zur Entscheidung über die Ausschließung des Verteidigers gem. § 138a Abs. 1 StPO vor. Das OLG lehnte die Ausschheßung des RA als Verteidiger ab. ...
In der mündlichen Verhandlung über die Ausschließung des Verteidigers hat der Senat die Akten der StA Frankfurt/M. beigezogen. In diesem gegen RA A. gerichteten Ermittlungsverfahren ist ihm zur Last gelegt worden, in einer Vielzahl von Fällen Gerichtsakten und Akten der Strafverfolgungsbehörden nicht zurückgegeben zu haben, darunter auch die Akten in dem Strafverfahren gegen X. Durch Verfügung der StA ist das Ermittlungsverfahren gegen RA A. gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden mit der Begründung, zu seinen Gunsten sei zu unterstellen, daß er strafrechtlich nicht verantwortlich ist.
Die Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen RA A. zwingt dazu, die gem. § 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO begehrte Ausschließung des RA als Verteidiger von der Mitwirkung in dem vorliegenden Strafverfahren abzulehnen. Die Ausschließung setzt voraus, daß eine Verurteilung des Verteidigers wegen Strafvereitelung im Sinne eines die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Verdacht wahrscheinlich ist. Eine solche Wahrscheinlichkeit ist jedoch zu verneinen, wenn die Strafverfolgungsbehörde - wie hier - das Verfahren selbst gem. § 170 Abs. 2 StPO aus subjektiven Gründen eingestellt hat.
Der Senat hatte auch nicht zu überprüfen, ob die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen RA A. zu Recht erfolgt ist. In einem solchen Falle ist eine selbständige Fortführung des Ausschließungsverfahrens unzulässig. Dies ergibt sich aus § 138a Abs. 3 Nr. 2 StPO. Danach ist die bereits erfolgte Ausschließung aufzuheben, wenn der Verteidiger in einem wegen des Sachverhalts, der zur Ausschließung geführt hat, eröffneten Hauptverfahren freigesprochen worden ist. Daraus folgt wiederum, daß eine Ausschließung erst gar nicht erfolgen darf, wenn schon vorher das Strafverfahren gegen den Verteidiger nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt oder die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn nach § 204 Abs. 1 StPO abgelehnt worden ist (vgl. dazu Kleinknecht/Meyer, StPO, 38. A., § 138a Rdnr. 18). ..."
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Der für eine Ausschließung des Verteidigers erforderliche Verdacht muß auch unter den Voraussetzungen der herabgesetzten "Verdachtsschwelle" mindestens "verfahrensträchtig" sein, d.h., er muß einen Grad erreichen, nach dem nicht nur die Einleitung, sondern auch die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Verteidiger wenigstens wahrscheinlich ist (KG, Beschluß vom 08.06.1978 - (2) 1 StE 2/77 , (2) 1 StE 46/78, NJW 1978, 1538 - 153).
OLG Hamburg NStZ 83, 426
OLG Bremen NJW 81, 2711
OLG Köln NJW 75, 459
3.4 Verfahren nach § 129 a StGB (§ 138 a II)
Die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung nach § 138 d StPO unterliegt den Regeln des Freibeweises (BGH, Beschluss vom 24.08.1978 - 2 ARs 245/78, NJW 1979, 115 - 116):
?... Die mündliche Verhandlung hat ergeben, daß die Voraussetzungen des § 138 a Abs. 2 StPO idF vom 14. April 1978 für die Ausschließung des Verteidigers vorliegen.
Ein Verteidiger ist u.a. von der Mitwirkung in einem Verfahren, das eine Straftat nach § 129 a StGB zum Gegenstand hat, auszuschließen, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, daß er sich an der terroristischen Vereinigung im Sinne des § 129 a StGB beteiligt hat oder beteiligt ( § 138 a Abs. 1 Nr. 1 StPO ). Die Voraussetzungen dieser Bestimmung für die Ausschließung des Verteidigers Rechtsanwalt R. liegen vor, wie die mündliche Verhandlung vor dem Senat ergeben hat.
III. Bei der Beweisaufnahme ist das Gericht nicht an die Vorschriften über die Hauptverhandlung, insbesondere die §§ 244 bis 256 StPO gebunden; vielmehr kann es nach den Regeln des Freibeweises, auch durch Verlesung von polizeilichen und anderen Protokollen, das Erforderliche feststellen (ebenso Kleinknecht, StPO 33. Aufl. § 138 d Rdn. 3, Ulsenheimer GA 1975, 103, 111). Eine andere Ansicht vertritt Dünnebier (in Löwe/Rosenberg, StPO 23. Aufl. § 138 d Rdn. 8). Er hält die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen für nötig und nicht durch Verlesung von deren Aussagen für ersetzbar, es sei denn, daß die Voraussetzungen der §§ 251 , 254 oder 256 StPO vorliegen. Für diese Ansicht ist dem Wortlaut des § 138 d StPO indessen nichts zu entnehmen. Er besagt insoweit nur, daß in der vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung, in welcher der Verteidiger nicht einmal zugegen zu sein braucht, die anwesenden Beteiligten zu hören sind und das Gericht den Umfang der Beweisaufnahme nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt ( § 138 d Abs. 4 StPO ). Abweichend von den Vorschriften der StPO über die Hauptverhandlung, die der abschließenden Entscheidung über den einem Angeklagten gemachten Schuldvorwurf dient und den Regeln des Strengbeweises nach den §§ 243 ff StPO unterliegt, handelt es sich hier schon dem Wortlaut nach nur um eine mündliche Verhandlung, bei der für die Beweisaufnahme nur die Anhörung der anwesenden Beteiligten vorgeschrieben ist und im übrigen der Grundsatz der Aufklärungspflicht im Umfang des pflichtgemäßen Ermessens gilt (vgl. Rieß JR 1976, 207/208).
Auch die Entstehungsgeschichte des § 138 d StPO spricht eher gegen als für die Ansicht Dünnebiers. Nach der Begründung zu dieser Vorschrift im Entwurf des Zweiten Strafverfahrensreformgesetzes vom 6. September 1974 (BT-Drucks. 7/2526 S. 23), der dann ohne wesentliche Änderungen Gesetz wurde (vgl. Gesetz vom 20. Dezember 1974 - BGBl I 3686), soll die mündliche Verhandlung insbesondere dem Verteidiger umfassend Gelegenheit zur Stellungnahme geben, aber zielstrebig, konzentriert und schnell durchgeführt werden. Da nicht darüber entschieden werde, ob der Verteidiger eine strafbare Handlung begangen habe, sei es gerechtfertigt, aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung und der Verfahrensvereinfachung von dem formalen Beweisantragsrecht, das für die Hauptverhandlung gilt, abzusehen.
Damit hebt die Begründung zu Recht auf die verschiedenen Zwecke einer Hauptverhandlung und der mündlichen Verhandlung im Sinne des § 138 d StPO ab. Hier handelt es sich nicht um das mit möglichst weitgehenden Rechtsgarantien ausgestattete Hauptverfahren gegen einen Angeklagten, sondern um ein summarisches Verfahren, das die Ausschließung eines der Beteiligung an der Tat verdächtigen Verteidigers betrifft. Das Ausschließungsverfahren nach § 138 d StPO ist deshalb dem Haftprüfungsverfahren nach § 118 a StPO nachgebildet (vgl. Amtl. Begründung - BT-Drucks. 7/2526 S. 23). Die in dieser Bestimmung vorgeschriebene mündliche Verhandlung soll klären, ob der Haftbefehl aufzuheben oder dessen Vollzug auszusetzen ist ( § 117 Abs. 1 StPO ). Auch für sie gelten, wie allgemein anerkannt ist, nicht die Regeln des Strengbeweises. Das ergibt sich nicht nur daraus, daß nach § 118 a Abs. 2 Satz 2 StPO das Gericht auch die Art der Beweisaufnahme bestimmt, sondern beruht auf dem Wesen und der Art des Verfahrens, das ebenfalls nur summarisch ist und keine umfangreiche Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung zuläßt. Das Ausschließungsverfahren darf und soll nicht die Hauptverhandlung ganz oder teilweise vorwegnehmen. Deshalb ist es ohne Bedeutung, daß in § 138 d Abs. 4 StPO nicht auch ausdrücklich die Art der Beweisaufnahme dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts überlassen wird. Es wäre nicht folgerichtig, wenn für die Feststellung eines dringenden Tatverdachts im Sinne des § 112 StPO der gesamte Akteninhalt verwertet werden darf, dagegen bei der Feststellung des einfachen Verdachts der Beteiligung an einer Straftat nach § 129 a StGB i.V.m. § 138 a Abs. 2 StPO im Verfahren nach § 138 d StPO keine Protokolle verlesen werden dürften, vielmehr die Zeugen und Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vernommen werden müßten. Letzteres würde außerdem zur Folge haben, daß das Hauptverfahren oft weit mehr als nötig hinausgezögert würde und eine Hauptverhandlung - unter Umständen sogar nach einer vorübergehenden Aussetzung - nicht mehr zu Ende geführt werden könnte.
Daß im übrigen rechtsstaatliche Verfahrensgarantien durch die Regelung des § 138 a Abs. 4 Satz 2 StPO nicht verletzt werden, hat das Bundesverfassungsgericht bereits anerkannt (NJW 1975, 2341).
Nach alledem durfte der Senat die polizeilichen Protokolle verlesen. Das ist geschehen. Aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung hat er es nicht für erforderlich gehalten, die Beschuldigten S. und C. persönlich zu vernehmen.
IV. Die Beweisaufnahme hat den Verdacht ergeben, daß S. und andere Beschuldigte Ende 1977 eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 129 a StGB gegründet haben und Rechtsanwalt R. diese mindestens unterstützt hat.
1. Wie insbesondere die Beschuldigten S. und W. ausgesagt haben, gingen die Ziele dieser Vereinigung dahin, die Wiederzulassung der NSDAP zu erreichen, Deutschland in den Grenzen von 1938 wiederherzustellen, die Demokratie abzuschaffen, eine Diktatur analog zum ehemaligen "Dritten Reich" zu errichten und die Parteien zu verbieten. Diese Ziele sollten mit Gewalt verfolgt werden. Es wurden zunächst eine Werwolfgruppe gebildet, Waffen und andere Ausrüstungsgegenstände beschafft; auch sollten Sprengstoffe besorgt werden. Zur Finanzierung haben mehrere Beschuldigte Raubüberfälle und Diebstähle begangen. Bei einer Besprechung wurde als Planung für 1978 erörtert, "Besatzungsoffiziere" und das durch seine Aktionen gegen ehemalige Nationalsozialisten bekannte Ehepaar K. zu ermorden, Anschläge auf einen englischen Soldatensender und auf die Mauer in Berlin zu unternehmen sowie "Besatzer" gefangen zu nehmen. Schon nach diesen Bekundungen besteht der Verdacht, daß eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 129 a StGB gebildet worden ist, an der "mindestens die Beschuldigten S., W. und Ro." beteiligt waren. Dieser Verdacht ist sogar so dringend, daß gegen mehrere Beschuldigte Haftbefehle gemäß § 112 StPO ergangen sind und der 3. Senat des Bundesgerichtshofs die Beschwerde des Mitbeschuldigten B. gegen einen Haftbefehl durch Beschluß vom 26. Juni 1978 verworfen hat.
2. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung besteht weiter der Verdacht, daß Rechtsanwalt R. diese Vereinigung mindestens durch zwei Handlungen unterstützt hat.
a) So hat der Beschuldigte S. am 19. April 1978 zu polizeilichem Protokoll erklärt, der Rechtsanwalt habe ihn in der Justizvollzugsanstalt aufgesucht und ihm erklärt, S. und W. sollten alle Schuld bei den Straftaten auf sich nehmen und Ro. wegen "der Sache" aus der ganzen Angelegenheit heraushalten (Bd. I Bl. 117 des Sonderhefts). Der ganze Zusammenhang spricht dafür, daß mit dem Ausdruck "Sache" die terroristische Vereinigung gemeint ist. Dies wird bestätigt durch eine weitere, von S. am 9. Mai 1978 unaufgefordert abgegebene Erklärung, daß für ihn bei diesem Gespräch das Bestreben R. klar ersichtlich gewesen sei, ihn, S., dahin zu beeinflussen, daß er den gesamten politischen Hintergrund und die Beteiligung Ro. vergessen müsse und sich als normaler Krimineller bekennen solle. Allerdings hat S. nunmehr durch Schriftsatz vom 30. Juli 1978 diese Aussagen bestritten. Damit ist jedoch der Verdacht, daß er sie gemacht hat, nicht beseitigt. S. hat das Protokoll vom 19. April 1978 (Bd. I Bl. 117) selbst gelesen und unterschrieben und seine Erklärungen vom 9. Mai 1978 sind durch drei Vernehmungsbeamte schriftlich bestätigt worden (Bl. 226/227 des Sonderhefts).
b) Die Vereinigung hatte bei dem Mitbeschuldigten, dem Landwirt Werner C. auf dessen Hof Waffen versteckt. Darunter befanden sich auch vier Maschinenpistolen der Marke Uzi, welche die Mitglieder der Gruppe S., W., Ro., P. und B. bei einem Überfall mittels Waffen auf dem Nato-Übungsplatz Bergen erbeutet hatten. Anläßlich einer Vernehmung des Beschuldigten Ro. am 1. und 2. März 1978 holte Rechtsanwalt R. mit der Hilfe von C. die vier Maschinenpistolen Uzi aus dem gemeinsamen Versteck und brachte sie zur Polizei, nachdem diese und Ro. vorher mit ihm darüber gesprochen hatten. In diesem Zusammenhang soll er nach den Aussagen des Mitbeschuldigten C. vom 11. April 1978 (Bl. 154 des Sonderheftes) und vom 21. April 1978 (Bl. 322 f des Sonderheftes) sowie den dienstlichen Äußerungen der Polizeibeamten L. vom 2. Juni 1978 (Bl. 240 f), Lo. vom 2. Juni 1978 (Bl. 242 ff), H. vom 3. Juni 1978 (Bl. 237) und D. vom 6. Juni 1978 (Bl. 239) die Vereinigung ebenfalls unterstützt haben. Danach hatte Kriminalhauptkommissar Lo. den Rechtsanwalt aufgefordert, neben den Uzis noch weitere namentlich bezeichnete Waffen herbeizuschaffen. Werner C. hat nach seiner wiederholten Bekundung Rechtsanwalt R. gefragt, was es mit den übrigen Waffen und Sachen auf sich habe, worauf ihm R. versichert habe, diese seien sauber und stammten nicht aus strafbaren Handlungen; er wolle sie nicht mitnehmen. Im gegenseitigen Einverständnis wurden dann die Uzis in Salzsäure getaucht, damit etwaige Fingerspuren verwischt wurden (Bl. 157 ff, 323 f des Sonderhefts). Obwohl R. von dem Kriminalhauptkommissar Lo. darüber unterrichtet worden war, daß noch bestimmte Waffen gesucht würden, erklärte er dem Polizeibeamten, er wisse von den anderen Waffen nichts, ihr Herbeischaffen sei ihm nicht möglich gewesen. Diese Gespräche mit dem Polizeibeamten hat der Rechtsanwalt in seinem Schriftsatz vom 9. August 1978 selbst zugegeben, aber die Kenntnis von dem Versteck der anderen Waffen bestritten. Angesichts der Aussage von Werner C. und des sonstigen Verhaltens des Rechtsanwalts besteht jedoch der Verdacht, daß er genaue Kenntnis hatte und die Waffen und das sonstige Material der terroristischen Vereinigung erhalten wollte.
V. Nach alledem besteht ein starker Verdacht, daß der Rechtsanwalt die terroristische Vereinigung unterstützt und damit sich selbst an dem Vergehen nach § 129 a StGB beteiligt hat. Deshalb ist er gemäß § 138 a Abs. 2 StPO n.F. von der Mitwirkung in diesem Verfahren auszuschließen. ..."
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(4) Aufhebung der Ausschließung
4.1 Wegfall der Ausschließungsvoraussetzungen § 138 a III 1 Nr. 1
4.2 Freispruch des Verteidigers § 138 a III 1 Nr. 2
4.3 Verzögerung des Verfahrens gegen den Verteidiger § 138 a III 1 Nr. 3
4.4 Verfahren - Beschluss
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(5) Wirkung der Ausschließung
Ein Angeklagter kann in demselben Strafverfahren nicht gleichzeitig als Verteidiger eines Mitangeklagten tätig werden. Für seinen Ausschluß bedarf es nicht eines Ausschließungsverfahrens nach §§ 138a ff. StPO (BGH, Beschluss vom 26.01.1996 - 2 ARs 441/95, StV 1996, 469).
Ist der Verteidiger eines von mehreren Angeklagten wegen Verdachts der Beteiligung an einer Tat, die allen Mitangeklagten zur Last gelegt wird, von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen worden, so kann er auch keinen der anderen Mitangeklagten verteidigen (BGH, Beschluss vom 22.10.1975 - 1 StE 1/74 , StB 18/75 , StB 60/75 , StB 61/75 , StB 62/75 , StB 63/75, NJW 1976, 58 - 59, NJW 1976, 116 - 119).
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Ausschluss des Verteidigers - mündliche Verhandlung - Rechtsmittel § 138 d StPO
(1) Über die Ausschließung des Verteidigers wird nach mündlicher Verhandlung entschieden.
(2) Der Verteidiger ist zu dem Termin der mündlichen Verhandlung zu laden. Die Ladungsfrist beträgt eine Woche; sie kann auf drei Tage verkürzt werden. Die Staatsanwaltschaft, der Beschuldigte und in den Fällen des § 138c Abs. 2 Satz 3 der Vorstand der Rechtsanwaltskammer sind von dem Termin zur mündlichen Verhandlung zu benachrichtigen.
(3) Die mündliche Verhandlung kann ohne den Verteidiger durchgeführt werden, wenn er ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann.
(4) In der mündlichen Verhandlung sind die anwesenden Beteiligten zu hören. Den Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Über die Verhandlung ist eine Niederschrift aufzunehmen; die §§ 271 bis 273 gelten entsprechend.
(5) Die Entscheidung ist am Schluss der mündlichen Verhandlung zu verkünden. Ist dies nicht möglich, so ist die Entscheidung spätestens binnen einer Woche zu erlassen.
(6) Gegen die Entscheidung, durch die ein Verteidiger aus den in § 138a genannten Gründen ausgeschlossen wird oder die einen Fall des § 138b betrifft, ist sofortige Beschwerde zulässig. Dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer steht ein Beschwerderecht nicht zu. 3Eine die Ausschließung des Verteidigers nach § 138a ablehnende Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die gesetzlichen Regelungen über den Ausschluß des Verteidigers in den Fällen des § 138 a I, II Nr. 1 StPO sind verfassungsgemäß. Es ist verfassungsgemäß, daß der Umfang der Beweisaufnahme im Ausschlußverfahren in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt ist (§ 138 d IV 2 StPO; BVerfG, Beschluss vom 04.07.1975 - 2 BvR 482/75, NJW 1975, 2341).
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Ein Verteidiger, der eine Strafvereitelung unternimmt, kann nicht gemäß § 138 a I Nr. 3 StPO ausgeschlossen werden, wenn es noch nicht zum Versuch dieses Delikts gekommen ist. Die ablehnende Entscheidung über die Ausschließung eines Verteidigers hat entgegen § 138 d I StPO ohne mündliche Verhandlung zu ergehen, wenn eine Ausschließung von vornherein nicht in Betracht kommt. Wer es erfolglos unternimmt, einen Zeugen zu einer falschen Aussage zugunsten eines Beschuldigten zu beeinflussen, begeht noch keinen Versuch einer Strafvereitelung im Sinne des § 258 StGB (OLG Bremen, Entscheidung vom 04.12.1980 - BL 337/80, NJW 1981, 2711).
Ausschluss des Verteidigers - Verfahren - Zuständigkeit § 138 c StPO
(1) Die Entscheidungen nach den §§ 138a und 138b trifft das Oberlandesgericht. Werden im vorbereitenden Verfahren die Ermittlungen vom Generalbundesanwalt geführt oder ist das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof anhängig, so entscheidet der Bundesgerichtshof. Ist das Verfahren vor einem Senat eines Oberlandesgerichtes oder des Bundesgerichtshofes anhängig, so entscheidet ein anderer Senat.
(2) Das nach Absatz 1 zuständige Gericht entscheidet nach Erhebung der öffentlichen Klage bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens auf Vorlage des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist, sonst auf Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Vorlage erfolgt auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft. Soll ein Verteidiger ausgeschlossen werden, der Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ist, so ist eine Abschrift des Antrages der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 oder die Vorlage des Gerichts dem Vorstand der zuständigen Rechtsanwaltskammer mitzuteilen. Dieser kann sich im Verfahren äußern.
(3) Das Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, kann anordnen, dass die Rechte des Verteidigers aus den §§ 147 und 148 bis zur Entscheidung des nach Absatz 1 zuständigen Gerichts über die Ausschließung ruhen; es kann das Ruhen dieser Rechte auch für die in § 138a Abs. 4 und 5 bezeichneten Fälle anordnen. Vor Erhebung der öffentlichen Klage und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens trifft die Anordnung nach Satz 1 das Gericht, das über die Ausschließung des Verteidigers zu entscheiden hat. Die Anordnung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Für die Dauer der Anordnung hat das Gericht zur Wahrnehmung der Rechte aus den §§ 147 und 148 einen anderen Verteidiger zu bestellen. § 142 gilt entsprechend.
(4) Legt das Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, gemäß Absatz 2 während der Hauptverhandlung vor, so hat es zugleich mit der Vorlage die Hauptverhandlung bis zur Entscheidung durch das nach Absatz 1 zuständige Gericht zu unterbrechen oder auszusetzen. Die Hauptverhandlung kann bis zu dreißig Tagen unterbrochen werden.
(5) Scheidet der Verteidiger aus eigenem Entschluss oder auf Veranlassung des Beschuldigten von der Mitwirkung in einem Verfahren aus, nachdem gemäß Absatz 2 der Antrag auf Ausschließung gegen ihn gestellt oder die Sache dem zur Entscheidung zuständigen Gericht vorgelegt worden ist, so kann dieses Gericht das Ausschließungsverfahren weiterführen mit dem Ziel der Feststellung, ob die Mitwirkung des ausgeschiedenen Verteidigers in dem Verfahren zulässig ist. Die Feststellung der Unzulässigkeit steht im Sinne der §§ 138a, 138b, 138d der Ausschließung gleich.
(6) Ist der Verteidiger von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen worden, so können ihm die durch die Aussetzung verursachten Kosten auferlegt werden. Die Entscheidung hierüber trifft das Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die gesetzlichen Regelungen über den Ausschluß des Verteidigers in den Fällen des § 138 a I, II Nr. 1 StPO sind verfassungsgemäß. Es ist verfassungsgemäß, daß der Umfang der Beweisaufnahme im Ausschlußverfahren in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt ist (§ 138 d IV 2 StPO; BVerfG, Beschluss vom 04.07.1975 - 2 BvR 482/75, NJW 1975, 2341).
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In Strafvollzugssachen ist der BGH nicht zuständig für Entscheidungen über die Ausschließung des Verteidigers (BGH, Beschluss vom 02.08.1991 - 3 ARs 19/91).
Die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung nach § 138 d StPO unterliegt den Regeln des Freibeweises (BGH, Beschluss vom 24.08.1978 - 2 ARs 245/78, NJW 1979, 115 - 116).
*** (OLG)
Entsprechend § 172 III 1 StPO müssen in der Vorlage zum Verteidigerausschluss dem OLG unter Angabe der Beweismittel die Tatsachen mitgeteilt werden, aus denen sich im Fall ihres Nachweises das die Ausschließung des Verteidigers rechtfertigende Verhalten ergeben soll. Weil Verteidigerhandeln typischerweise auf die Entlastung des Beschuldigten gerichtet ist, bestehen erhöhte Nachweisanforderungen an das voluntative Element der Strafvereitelung, weshalb die Vorlage die Tatbestandsmerkmale ?absichtlich oder wissentlich" des § 258 I StGB konkret darzulegen und die Beweismittel genauestens zu bezeichnen hat, aus denen der Rückschluss auf die Verwirklichung des subjektiven Tatbestands gezogen werden soll (OLG Jena, Beschluss vom 15. 1. 2009 - 1 Ws 21/09, NJW 2009, 1994 zu StPO §§ 138a, 138c II 2, 172 III 1; StGB § 258 I):
?... Am 5. 12. 2008 erhob die StA G. bei dem LG G. gegen den Angekl., vertreten durch seinen Verteidiger, Rechtsanwalt P in J., Anklage wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe hierzu in zwei Fällen. Im wesentlichem Ergebnis der Ermittlungen führte die StA unter anderem aus, auf Grund der Aussage der Zeugin B, dass sie im Auftrag des Anwalts des Angesch. einen grauen Ordner aus der Wohnung holen und diesem Rechtsanwalt P aushändigen sollte, sei gegen den Verteidiger mit Verfügung vom 25. 8. 2008 ein Verfahren wegen versuchter Strafvereitelung eingeleitet und zunächst unter dem Az. 203 Js 27521/08 geführt und an die StA G. übersandt worden. In dem Ordner befänden sich diverse Rechnungen und Lieferscheine für den Umbau an den Gebäuden, Einbau der Aufzuchtanlage und entsprechenden Geräten, ausgestellt auf den Angesch. Aus diesen Unterlagen ergebe sich nicht nur eindeutig, dass der Angesch. gewusst habe, wozu das Grundstück genutzt werde, sondern auch, dass er an den angeklagten Handlungen beteiligt gewesen sei. Seitens des dortigen Dezernenten sei das Verfahren der GenStA vorgelegt worden zwecks eventueller Übertragung an eine andere Staatsanwaltschaft. Das Verfahren werde nunmehr von der StA E. unter dem Az. 582 Js 27759/08 geführt.
In der vom 3. 12. 2008 datierenden Begleitverfügung zur Anklageschrift vom 5. 12. 2008 regt die StA an, ?Entscheidung gem. § 138a StPO einzuholen". Die zuständige StrK des LG G. hat diese Anregung als Antrag gem. § 138c II 2 Alt. 1 StPO auf Ausschließung des Verteidigers gem. § 138a StPO behandelt und dem Verteidiger Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. In seiner Stellungnahme vom 26. 12. 2008 hat der Verteidiger den Vorwurf der versuchten Strafvereitelung zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 29. 12. 2008 hat die zuständige StrK das Verfahren zur Entscheidung gem. § 138a StPO dem OLG vorgelegt. Im Hinblick auf den Inhalt der Stellungnahme des Verteidigers hat die Kammer von einer Anordnung gem. 138c III StPO abgesehen. Der Senat hat die Vorlage verworfen. ...
II. Der Antrag auf Ausschließung des Verteidigers ist unzulässig.
Weder der Beschluss des LG G. vom 29. 12. 2008 noch die ?Anregung" der StA G. aus der Begleitverfügung vom 3. 12. 2008 zur Anklageschrift vom 5. 12. 2008 genügen den an eine Vorlage gem. § 138c II 2 StPO zu stellenden inhaltlichen Mindestanforderungen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob es sich vorliegend um eine Vorlage von Amts wegen, § 138c II 2 Alt. 2 StPO, oder aber um eine Vorlage auf Antrag der StA § 138c II 2 Alt. 1 StPO, handelt (zu den jew. inhaltlichen Anforderungen vgl. die Anm. Frye zu Senat, NStZ 2005, 49 [50]).
Entsprechend § 172 III 1 StPO müssen in der Vorlage dem OLG die Tatsachen mitgeteilt werden, aus denen sich im Fall ihres Nachweises das die Ausschließung des Verteidigers rechtfertigende Verhalten ergeben soll; außerdem sind die Beweismittel anzugeben (Senat, NStZ 2005, 49 [49]; OLG Brandenburg, StV 2008, 66 [67] = BeckRS 2007, 14568; OLG Düsseldorf, wistra 1997, 239; OLG Hamm, NStZ-RR 1999, 50 m.w. Nachw.; OLG Karlsruhe, NJW 1975, 943 [944]). Fehlt es an einer solchen Darlegung, die durch Bezugnahme auf andere Schriftstücke nicht ersetzt werden kann (OLG Hamm, NStZ-RR 1999, 50 [51] m.w. Nachw.; Senat, NStZ 2005, 49) ist die Vorlage als unzulässig zu verwerfen. Denn es ist nicht Aufgabe des OLG, von sich aus nach den Grundlagen für eine etwaige Ausschließung zu forschen (OLG Düsseldorf, wistra 1997, 239; Senat, NStZ 2005, 49).
Dies folgt aus der Umgrenzungsfunktion der Antragsschrift, die ähnlich einer Anklageschrift im Strafverfahren klarstellen muss, welches Verhalten dem Verteidiger zur Last gelegt wird. Hierbei genügt es jedoch nicht, lediglich das äußere Handeln des Verteidigers zu bezeichnen, das den objektiven Tatbestand der versuchten Strafvereitelung erfüllen soll, weil Verteidigerhandeln typischerweise auf die Entlastung des Beschuldigten gerichtet ist. Bei Verteidigerhandeln bestehen deshalb erhöhte Nachweisanforderungen an das voluntative Element der Strafvereitelung (BGHSt 46, 53 [58f.] = NJW 2000, 2433 = NStZ 2001, 145), denn der Verteidiger macht sich nur dann nach § 258 I StGB strafbar, wenn er die Tat ?absichtlich oder wissentlich" begeht.
Diesen erhöhten Nachweisanforderungen muss auch die Antragsschrift im Verfahren auf Verteidigerausschluss nach § 138a StPO genügen, indem sie die für die Begründung eines hinreichenden Tatverdachts der versuchten Strafvereitelung durch den Verteidiger erforderlichen inneren Tatbestandsmerkmale darlegt und die Beweismittel genauestens bezeichnet, aus denen der Rückschluss auf die Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes gezogen werden soll (OLG Brandenburg, StV 2008, 66 [67] = BeckRS 2007, 14568).
Der Beschluss des LG G. vom 29. 12. 2008 genügt den genannten Anforderungen an eine zulässige Vorlage nicht. Ihm ist nicht zu entnehmen, dass gegen den Verteidiger der hinreichende oder dringende Verdacht einer versuchten Strafvereitelung besteht, denn der dem Verteidiger zu Last gelegte Sachverhalt wird schon nicht dargestellt. Insoweit enthält der Beschluss nur eine Bezugnahme auf die Aussage der Zeugin B.
Die in der Begleitverfügung vom 3. 12. 2008 zur Anklageschrift vom 5. 12. 2008 enthaltene staatsanwaltschaftliche ?Anregung" besteht nur aus einem Satzfragment, das weder den dem Verteidiger zu Last gelegten Sachverhalt darstellt, noch die für den Nachweis heranzuziehenden Beweismittel benennt.
Selbst wenn man die Ausführungen auf den S. 11 und 12 im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklageschrift vom 5. 12. 2008 als zur Begründung der Vorlage gehörend ansehen wollte, sind dadurch jedenfalls nicht die für die Begründung eines hinreichenden Tatverdachts der versuchten Strafvereitelung durch den Verteidiger erforderlichen inneren Tatbestandsmerkmale dargelegt und auch die Beweismittel nicht genau bezeichnet, aus denen der Rückschluss auf die Verwirklichung des subjektiven Tatbestands gezogen werden soll. ..."
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Ist die Vorlage zur Entscheidung über die Ausschließung des Verteidigers gem. § 138c II 1 unschlüssig, weil die angeführten Tatsachen - auch bei Unterstellung ihrer Richtigkeit - die Ausschließung des Verteidigers nicht zu rechtfertigen vermögen, ist die Vorlage ohne mündliche Verhandlung als unbegründet zu verwerfen. Nach der gem. § 22 StGB gebotenen subjektiv-objektiven Betrachtung überschreitet derjenige die Schwelle zum Versuch, der nach seiner Vorstellung vom Tatablauf das geschützte Rechtsgut bereits in eine hinreichend konkrete nahe Gefahr bringt. Von daher beginnt die vorgestellte Gefährdung des Rechtsguts und damit in der Versuch der Strafvereitelung durch den Verteidiger im Falle der Herbeiführung einer unrichtigen Aussage eines Zeugen erst mit Beginn von dessen Aussage, es sei denn, dem Zeugen bleibt faktisch keine andere Wahl als falsch auszusagen (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 13.02.2003 - 3 Ws 190/03 zu StPO §§ 138aff.; StGB §§ 22, 258).
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Wird die Ausschließung eines Strafverteidigers wegen hinreichenden Verdachts der Strafvereitelung i.S.v. § 138a I Nr. 3 StPO begehrt, muss der Vorlagebeschluss den Verdacht der (verursachten) Strafvereitelung schlüssig darlegen. Insoweit sind die strengen Voraussetzungen zur Zulässigkeit eines Klageerzwingungsantrags auf das Ausschließungsverfahren zu übertragen (OLG Jena, Beschluss vom 14.10.2002 - 1 Ws 351/02, NStZ 2005, 49):
?... Die Ausschließung eines Verteidigers von der Mitwirkung in einem Strafverfahren durch das OLG ist nur in den in § 138a I Nr. 1-3 und II StPO genannten Fällen möglich, wobei hier nach Sachlage nur § 138a I Nr. 3 StPO einschlägig ist. Danach ist ein Verteidiger von der Mitwirkung in einem Verfahren auszuschließen, wenn er dringend oder in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grad verdächtig ist, dass er eine Handlung begangen hat, die für den Fall der Verurteilung des Beschuldigten Strafvereitelung wäre. Dies bedeutet, dass derzeit Rechtsanwalt Dr. W mindestens hinreichender Tatverdacht bezüglich versuchter Strafvereitelung vorzuhalten sein müsste, um die Ausschließung als Verteidiger vorzunehmen zu können.
Voraussetzung für eine entsprechende Senatsentscheidung wäre aber eine zulässige Vorlage durch das LG gemäß § 138c II StPO. Daran fehlt es hier. Mit dem OLG Hamm (NStZ-RR 1999, 50ff.) ist der Senat der Ansicht, dass der Vorlagebeschluss schlüssig darlegen muss, dass das in Rede stehende Verhalten zum zumindest hinreichenden Tatverdacht der versuchten Strafvereitelung führt. Dabei ist angesichts der Bedeutung des Ausschlussverfahrens und der kurzen Zeit, die dem OLG allgemein zur Entscheidung zur Verfügung steht, der Senat mit dem OLG Hamm (aaO) der Ansicht, dass die von der Rechtsprechung aufgestellten strengen Voraussetzungen bezüglich der Zulässigkeit des Klageerzwingungsverfahrens nach § 172 StPO auch auf das Ausschließungsverfahren nach §§ 138aff. StPO übertragen werden können und müssen. Dies bedeutet, dass der Senat dem Vorlagebeschluss, soll er zulässig ein, entnehmen können muss, dass der hinreichende Tatverdacht der versuchten Strafvereitelung zu bejahen ist. Es ist nicht Aufgabe des Senats, die Akten durchzusehen und notwendige Ergänzungen zur Bejahung dieses Verdachts zu suchen. Gleichfalls darf der Senat nicht auf die Erklärungen anderer, etwa der StA verwiesen werden, um die ?Schlüssigkeit' nachzuholen. Unter diesen Gesichtspunkten ist der vorliegende Vorlagebeschluss unzureichend, da er nicht schlüssig dartut, dass Rechtsanwalt Dr. W der versuchten Strafvereitelung hinreichend verdächtig ist.
Der Vorlagebeschluss erschöpft sich in der Wiedergabe der Umstände, denen zu entnehmen ist, dass Rechtsanwalt Dr. W bewusst unwahre Tatsachen vorgetragen hat, um die StrK zur Abtrennung und Aussetzung des Verfahrens gemäß § 265 IV StPO zu bewegen. Damit ist aber noch nicht dargetan, dass der hinreichende Verdacht der versuchten Strafvereitelung nach § 258 I StGB besteht. Denn der Tatbestand dieser Vorschrift ist nur dann gegeben, wenn durch das Verhalten des Täters der Strafanspruch für geraume Zeit unverwirklicht bleibt.
Der Senat braucht sich nicht abschließend zu dieser Frage zu äußern, denn das LG verhält sich mit keinem Wort zu der Frage, ob der von Rechtsanwalt Dr. W gestellte Antrag auf Abtrennung und Aussetzung bei Richtigkeit der vorgebrachten Gründe mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit hätte Erfolg haben können. Eine solche Einschätzung wäre deshalb geboten gewesen, weil ein auf Aussetzung der Hauptverhandlung nach § 265 IV StPO gerichteter Antrag gerade nicht zwingend zu dieser Folge führt, sondern nur dann, wenn die begehrte Aussetzung dem Gericht zur genügenden Vorbereitung der Verteidigung angemessen erscheint. Der StrK standen nach Antragseinbringung 3 Möglichkeiten - je nach Einschätzung - zur Verfügung: der Antrag wird abgewiesen, weil die nach dem Antragsvorbringen tatsächlich vorhandene Zeitspanne von nahezu einer Woche ab Erlangung der maßgeblichen Kenntnis im Hinblick auf die Bedeutung der erfahrenen Umstände ausreichend ist, oder es erfolgt nur eine im Rahmen einer Entscheidung über einen Aussetzungsantrag nach § 265 IV StPO zulässige Unterbrechung der Hauptverhandlung für einige Tage oder es wird antragsgemäß auf Aussetzung der Hauptverhandlung erkannt. Nur im letzteren Falle könnte davon gesprochen werden, dass der staatliche Strafanspruch für geraume Zeit vereitelt worden wäre. Nach Aktenlage scheint dem Senat die letztgenannte Möglichkeit der Aussetzung auch bei Richtigkeit des Verteidigervorbringens über die späte Erlangung von der Kenntnis der genannten Umstände sehr fernliegend, während die anderen Möglichkeiten realistischer sind, die aber nicht zur angesprochenen Strafvereitelung führen könnten.
Das Schweigen zu diesen Fragen im Vorlagebeschluss führt dazu, dass der Senat ihm nicht den notwendigen schlüssigen Vortrag entnehmen kann, dass hinreichender Tatverdacht der versuchten Strafvereitelung besteht. Dies führt dazu, dass die angesprochene Vorlage als unzulässig abzulehnen ist. Die von Rechtsanwalt Dr. W im Hauptverhandlungstermin vom 26. 9. 2002 angekündigte schriftliche Äußerung liegt dem Senat bislang nicht vor. ..."
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Die Vorlage der Sache an das OLG gem. §§ 138a ff. StPO zum Zweck des Verteidigerausschlusses muß ihrem Inhalt nach bestimmten Mindestanforderungen genügen. Sie muß neben den Beweismitteln mindestens die objektiven und subjektiven Tatsachen ergeben, aus denen sich im Falle ihres Nachweises das den Ausschluß rechtfertigende Verhalten des Verteidigers ergeben soll. Zur Begründung der Vorlage darf nicht auf Anlagen Bezug genommen werden. Eine mündliche Verhandlung über den Ausschluß ist nicht erforderlich, wenn schon der Vorlagebeschluß unzulässig ist (OLG Hamm, Beschluss vom 19.10.1998 - 2 Ws 481-98, NStZ 1999, 50 f).
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?... Allerdings ist die neuerliche Vorlage zulässig. Die Senatsentscheidung vom 14. 5. 1998 steht nicht entgegen. Ist eine Vorlage unzulässig, weil der Beschluß des erkennenden Gerichts nicht die erforderlichen Tatsachen und Beweismittel mitteilt, so kann dieser Mangel durch Nachbesserung auch nach Erlaß der verwerfenden Entscheidung des OLG behoben werden. Rechtskraftwirkung - eingeschränkt gem. §§ 138a III, 138b S. 2 StPO - tritt nur ein, wenn in der Sache entschieden worden ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 138d Rdnr. 15; ferner Laufhütte, in: KK-StPO, 3. Aufl., § 138d Rdnr. 18). Das ist hier nicht der Fall. Der Beschluß des JugendschöffenGer. vom 15. 6. 1998 enthält - anders als die frühere Vorlage - hinreichend konkrete Tatsachen, aus denen sich im Falle ihres Nachweises das die Ausschließung des Rechtsanwalts B als Verteidiger des Angekl. rechtfertigende Verhalten ergeben soll. Auch werden die Beweismittel hierzu angegeben. ..." (OLG Düsseldorf, Beschluß vom 01.07.1998 - 1 Ws 378/98, NStZ-RR 1998, 336 f).
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Der für einen Ausschluß des Verteidigers nach § 138 a Abs. 1 StPO zumindest erforderliche hinreichende Tatverdacht muß sich schlüssig allein aus der Begründung der Vorlage ergeben. Daher kann es erforderlich sein, Ausführungen zur Glaubwürdigkeit eines Zeugen und zur Glaubhaftigkeit seiner Angaben zu machen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.12.1997 - 1 Ws 988/97, StV 1999, 531):
?... Das AG Neuss hat gegen den Angekl.am 5. 8. 1997 einen Strafbefehl wegen Untreue über eine Geldstrafe von 70 TS zu je 30 DM erlassen. Dagegen hat er durch RA S. als seinen Verteidiger rechtzeitig Einspruch eingelegt. Nach Aufhebung des danach bestimmten Termins zur Hauptverhandlung hat das AG die Sache durch Vermittlung der StA dem OLG zur Entscheidung vorgelegt, ob RA S. von der Verteidigung des Angekl. gem. § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO auszuschließen sei. ...
I. Zur Begründung seiner Vorlage hat das AG u. a. ausgeführt: Die StA legt dem Angekl., dessen Verteidiger RA S. ist, Untreue gem. § 266 StGB zur Last. Sie behauptet, der Angekl. habe im September 1994 u. a. in Meerbusch von dem Zeugen S. 27 000 DM erhalten, um für ihn hiervon in Italien ein Motorrad zu kaufen. Von diesem Geld habe der Angekl. 25 000 DM abredewidrig für sich verwendet. Am 10. 9. 1997 hat der bereits im Ermittlungsverfahren vernommene Zeuge S. der Polizei mitgeteilt, daß er nach der amtsgerichtlichen Ladung in dieser Sache vom Verteidiger des Angekl. zu einer Besprechung aufgefordert worden sei. Bei dieser habe der Verteidiger ihm zu verstehen gegeben, sein - des Zeugen - Schreiben an den Angekl. könne als räuberische Erpressung aufgefaßt werden, worauf drei oder vier Jahre Gefängnis stünden. Im günstigsten Falle habe er - der Zeuge - eine hohe Geldstrafe zu erwarten.
Die Anzeige solle er gegenüber der Polizei zurücknehmen und als ?Dummen-Jungen-Streich' darstellen. Der Zeuge hat weiter erklärt, er habe bei der Anzeigeerstattung gegen den Angekl. die Wahrheit gesagt und wolle die Anzeige nun zurücknehmen, weil er Repressalien vom Verteidiger des Angekl. befürchte.
Das von dem Zeugen bekundete Verhalten des Verteidigers rechtfertigt nach Auffassung des AG den dringenden Tatverdacht der (versuchten) Strafvereitelung zugunsten des Angekl.
II. Der Vorlagebeschl. genügt den Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht. Bei einer Vorlage gem. § 138 c Abs. 2 StPO müssen die Tatsachen angegeben werden, die im Falle ihres Nachweises den gegen den Verteidiger erhobenen Verdacht einer zur Ausschließung führenden Handlung gem. § 138 a Abs. 1 StPO stützen. Die Vorlage hat zudem die Beweismittel aufzuführen, die den zumindest erforderlichen hinreichenden Tatverdacht (§§ 138 a Abs. 1, 203 StPO) begründen. Diese müssen sich schlüssig allein aus der Begründung der Vorlage ergeben (vgl. Senatsbeschl. v. 13. 3. 1997 in wistra 1997, 239 = BB 1997, 1228 = StV 1997, 459 und 23. 6. 1997 - 1 Ws 453/97; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO, 43. A., § 138 c Rdnr. 9; KK-Laufhütte StPO, 3. A., § 138 c Rdnr. 4). Wegen Strafvereitelung macht sich nach § 258 Abs. 1 StGB strafbar, wer absichtlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gem. wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird. Eine versuchte Strafvereitelung verwirklicht nach §§ 258 Abs. 1 und Abs. 4, 22 StGB, wer nach seiner Vorstellung von der Tat unmittelbar dazu ansetzt.
Im Vorlagebeschl. fehlen Ausführungen zur Glaubwürdigkeit des Zeugen S. und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage sowie zur inneren Tatseite. Der Verteidiger, der auf einen Belastungszeugen dahin einwirkt, die Anzeige zurückzunehmen und als ?Dummen-Jungen-Streich' darzustellen, ist wegen - ggf. versuchter - Strafvereitelung strafbar, wenn er weiß, daß die Anzeige zu Recht erstattet worden ist und er in der Absicht tätig wird, seinen Mandanten - wenn auch nur vorübergehend - der Bestrafung zu entziehen (vgl. Tröndle StGB, 48. A., § 258 Rdnr. 7; Schönke/Schröder/Stree StGB, 25. A., § 258 Rdnr. 20). Dabei reicht nicht aus, daß der Verteidiger die Richtigkeit der gegen seinen Mandanten erhobenen Anzeige lediglich für möglich hält.
Die bloße Mitteilung der Aussage des Zeugen S. v. 10. 9. 1997 im Vorlagebeschl. genügt danach für die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts der Strafvereitelung oder ihres Versuchs nicht. Das AG teilt nicht mit, warum der Aussage des Zeugen S. gefolgt werden kann und welche Vorstellung der Verteidiger hinsichtlich der gegen seinen Mandanten erhobenen Vorwürfe hatte und - falls er von der Richtigkeit der Vorwürfe ausging - welche Indiztatsachen und Beweismittel insoweit vorliegen. ..."
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Die Vorlage der Sache an das OLG gemäß § 138a ff. StPO zum Zwecke des Verteidigerausschlusses ist unzulässig, wenn der für den Ausschluß erforderliche Tatverdacht gegen den Verteidiger nicht schlüssig in dem Vorlagebeschluß dargelegt ist. Es ist nicht Aufgabe des OLG im Ausschließungsverfahren, von sich aus nach Grundlagen für eine etwaige Ausschließung des Verteidigers zu forschen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.06.1997 - 1 Ws 453/97, StV 1998, 64 f):
?... Gegen den von RA S. verteidigten Angekl. hat die StA am 30. 5. 1997 bei dem LG - StrK - Anklage erhoben und zugleich beantragt, unter Vorlage der Akten an das OLG RA S. gem. §§ 138 a Abs. 1 Nr. 3, 138 c StPO auszuschließen. Daraufhin hat das LG einen entsprechenden Vorlagebeschluß gefaßt: Die Vorlage ist unzulässig.
I. Zur Begründung seiner Vorlage hat das LG ausgeführt:
RA S., der sich am 26. 1. 1997 zum Verteidiger des Angekl. M. bestellt hat, ist hinreichend verdächtig, eine versuchte Strafverteitelung gem. § 258 Abs. 1 StGB und 4 StGB begangen zu haben. Die StA Düsseldorf hat dieserhalb bereits ein Ermittlungsverfahren gegen RA S. eingeleitet.
Die anderweitig Verfolgte M. K. hat in ihrer polizeilichen Vernehmung am 18. 2. 1997 und in der richterlichen Vernehmung v. 15. 5. 1997 ausgesagt, RA S. habe sie aufgefordert, keine Aussage im hiesigen Verfahren zu machen. Sie solle sagen, sie sei mit dem Angekl. verlobt, dann brauche sie nicht auszusagen. Nach dem derzeitigen Ermittlungsergebnis besteht daher der Verdacht, daß RA S. vorsätzlich und wissentlich versucht hat, zumindest teilweise zu vereiteln, daß der Angekl. wegen schwerer räuberischer Erpressung bestraft wird. Der Ausschließungsgrund des § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO ist hiernach erfüllt.
II. Der Vorlagebeschluß entspricht nicht den Zulässigkeitsvoraussetzungen:
1. Bei einer Vorlage gem. § 138 c Abs. 2 S. 1, 2 StPO müssen die Tatsachen angegeben werden, die im Falle ihres Nachweises den gegen den Verteidiger erhobenen Verdacht einer zur Ausschließung führenden Handlung gem. § 138 a Abs. 1 StPO stützen. Die Vorlage hat überdies die Beweismittel aufzuführen, die den zumindest erforderlichen hinreichenden Verdacht (§§ 138 a Abs. 1, 203 StPO) begründen. Es ist nicht Aufgabe des OLG im Ausschließungsverfahren, von sich aus nach Grundlagen für eine etwaige Ausschließung des Verteidigers zu forschen. Diese müssen sich vielmehr allein aus der Begründung der Vorlage schlüssig ergeben (vgl. Senatsbeschl. v. 1. 12. 1982 in StV 1983, 117 = NStZ 1983, 185 = MDR 1983, 339 = JMBl.NW 1983, 101 = AnwBl. 1983, 217 = OLGSt § 138 a StPO Nr. 1, v. 13. 3. 1997 - 1 Ws 120/97; OLG Karlsruhe, NJW 1975, 943 = JR 1976, 205 m.Anm. Ries, ders. in NStZ 1981, 328, 332 m.w.N.; OLG Bamberg, AnwBl. 1980, 33; KK-Laufhütte, StPO, 3. A. 1993, Rdnr. 4 zu § 138 c; LR-Lüderssen, StPO, 24. A. 1989, Rdnr. 13 zu § 138 c; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. A. 1997, Rdnr. 9 zu § 138 c; a. A. KMR Müller, StPO, Stand 4. Erg.lief. 1988 Rdnr. 4 zu § 138 c).
Diesen Anforderungen wird der Vorlagebeschluß nicht gerecht.
a) Wegen Strafvereitelung macht sich gem. § 258 Abs. 1 StGB strafbar, wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil u. a. vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gem. wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird. Der Versuch ist strafbar (§ 258 Abs. 4 StGB). Zulässiges Verteidigerverhalten ist nicht tatbestandsmäßig (vgl. BGHSt 29, 99, 102; 38, 345 [= StV 1992, 575]; Senatsbeschl. v. 10. 12. 1990 in NJW 1991, 996; Tröndle, StGB, 48. A. 1997, Rdnr. 7 zu § 258, m.w.N.).
Der Verteidiger, der auf einen Zeugen dahin einwirkt, sich bei Gericht auf ein in Wahrheit nicht bestehendes Verlöbnis mit seinem Mandanten zur Begründung eines Zeugnisverweigerungsrechts gem. § 52 Abs. 1 Nr. 1 StPO zu berufen, ist wegen - ggf. versuchter - Strafvereitelung strafbar, wenn er weiß, daß das Verlöbnis nicht besteht, und er in der Absicht tätig wird, seinen Mandanten - wenn auch nur vorübergehend (BGH NJW 1984, 135) - der Bestrafung zu entziehen. Da die Strafbarkeit nach § 258 StGB direkten Vorsatz voraussetzt, genügt es nicht, daß der Verteidiger das Nichtbestehen des Verlöbnisses lediglich für möglich hält (vgl. BGHSt 38, 345, 348).
b) Die Begründung des Vorlagebeschlusses entbehrt schon der Darstellung, welche Straftat dem Angekl. zur Last gelegt wird und welcher Beweiswert der Aussage der Zeugin K. insoweit zukam.
Überdies hätte es im Vorlagebeschluß der Feststellung bedurft, welche Vorstellung der Verteidiger hinsichtlich des Bestehens eines Verlöbnisses hatte und - falls er nicht von einem solchen ausging - welche Indiztatsachen und Beweismittel insoweit vorliegen. Die Mitteilung der Bekundungen der Zeugin K. v. 18. 2. und 15. 5. 1997 im Vorlagebeschluß reicht hiernach zur Beurteilung eines hinreichenden Tatverdachts der Strafvereitelung nicht aus. ..."
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Ist der Verteidiger bereits ausgeschieden, bevor das Gericht die Vorlage der Akten an das OLG zum Zwecke der Ausschließung des Verteidigers nach § 138a StPO beschlossen hat, so ist für das auf Feststellung der Unzulässigkeit der Mitwirkung des ausgeschiedenen Verteidigers gerichtete Verfahren nach § 138c V 1 StPO kein Raum. In diesem Falle ist die Vorlage unzulässig (OLG Düsseldorf, Beschluß vom 14.06.1994 - 1 Ws 365-366/94, NStZ 1994, 450).
Der Antrag der StA auf Ausschließung des Verteidigers muß neben den Beweismitteln die Tatsachen im einzelnen substantiiert mitteilen, aus denen sich im Falle ihres Nachweises das den Ausschluß rechtfertigende Verhalten des Verteidigers ergeben soll. Andernfalls ist der Ausschließungsantrag als unzulässig zu verwerfen (OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 01.12.1982 - 1 Ws 953/82, NStZ 1983, 185):
?... a) Der Ausschließungsantrag der StA (und nach Erhebung der öffentlichen Klage der Vorlagebeschluß des mit der Sache befaßten Gerichts) muß bestimmten inhaltlichen Mindestanforderungen genügen. Damit das Ausschließungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt werden kann, muß der Antrag (oder der Vorlagebeschluß) mindestens die Tatsachen enthalten, aus denen sich im Falle ihres Nachweises das den Ausschluß des Verteidigers rechtfertigende Verhalten i.S. des § 138a StPO ergeben soll. Auch sind die Beweismittel anzugeben.
Der Senat folgt hierbei der von dem OLG Karlsruhe (NJW 1975, 943 ff. = AnwBl 1975, 169 ff.) vertretenen Auffassung. Es hat (aaO) überzeugend dargelegt und begründet, daß sich diese Mindestanforderungen zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, aber zwingend aus der besonderen Natur des in den §§ 138c und 138d StPO geregelten Verfahrens und der Funktion folgen, die dem Antrag (und dem Vorlagebeschluß) zukommt. ...
bb) Das Ausschließungsverfahren ist gegenüber dem Strafverfahren, in dem der Verteidiger tätig wird, verselbständigt. Es ist nur dann sinnvoll durchzuführen, wenn es auf einen bestimmten Verfahrensgegenstand begrenzt ist. Wie das OLG Karlsruhe (aaO) zutreffend hervorgehoben hat, kann es nicht Aufgabe des zur Entscheidung über die Ausschließung des Verteidigers nach § 138c I StPO berufenen OLG sein zu prüfen, ob der Verteidiger verdächtig ist, sich zu irgendeinem Zeitpunkt hinsichtlich der Taten, die Gegenstand des Strafverfahrens sind, einer Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei schuldig gemacht zu haben. ...
Es kommt hinzu, daß über die Ausschließung ein mit der Sache bisher nicht vertrautes Gericht zu entscheiden hat (§ 138c I StPO). Eine zügige Durchführung, auf die das Ausschließungsverfahren erkennbar angelegt ist (vgl. § 138d II 2, III und IV 2 StPO; vgl. auch Amtl. Begr. zu § 138d StPO, AnwBl 1974, 214, 219 unter B), ist aber - und das gilt besonders bei umfangreichen Verfahren - nur zu erreichen, wenn dem für die Entscheidung über die Ausschließung zuständigen Gericht der zu prüfende Sachverhalt in seinen entscheidungserheblichen Einzelheiten mit den entsprechenden Beweismitteln in der Antragsschrift oder dem gerichtlichen Vorlagebeschluß unterbreitet wird.
cc) Auch das Gebot, dem betroffenen Verteidiger rechtliches Gehör zu gewähren, macht es notwendig, daß in dem Ausschließungsantrag der konkrete Vorwurf im einzelnen substantiiert und mit Tatsachen belegt und unter Bezeichnung der Beweismittel dargelegt wird.
dd) Das OLG Karlsruhe (aaO) hat zu Recht auf einen weiteren Gesichtspunkt hingewiesen: Da bereits bei Beginn des Ausschließungsverfahrens die Tätigkeit des Verteidigers vorläufig beschränkt werden könne (§ 138c III StPO) und sich hieraus auch für den Beschuldigten Folgen ergeben, darf die der StA und dem mit der Sache befaßten Gericht - im Sinne einer gewissen ?Vorprüfungszuständigkeit" - eingeräumte Beurteilung, ob Anlaß für die Einleitung des Ausschließungsverfahrens besteht, nur aufgrund sorgfältiger Prüfung des in Betracht kommenden Sachverhalts und der damit in Zusammenhang stehenden Rechtsfragen vorgenommen werden. Es muß tunlichst vermieden werden, daß der Verteidiger ohne triftige Gründe i.S. des § 138a StPO mit einem Ausschließungsverfahren überzogen und das zur Entscheidung berufene Gericht mit offenbar unbegründeten Ausschließungsanträgen befaßt wird. ...
b) Den inhaltlichen Mindestanforderungen, die - wie dargelegt - an einen Ausschließungsantrag zu stellen sind, genügt hier die Antragsschrift der StA nicht. ...
c) Der Senat hält es für zulässig, den Ausschließungsantrag ohne mündliche Verhandlung als unzulässig zu verwerfen. Auch insoweit schließt er sich der von dem OLG Karlsruhe (aaO) vertretenen Auffassung an (ebenso OLG Bamberg, AnwBl 1980, 33; Laufhütte, in: KK, StPO, § 138d Rdnr. 1; Kleinknecht, StPO, 35. Aufl., § 138d Rdnr. 1; a.A. Dünnebier, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 23. Aufl., § 138c Rdnr. 3; Müller, in: KMR, StPO, 7. Aufl., § 138d Rdnr. 1). Die Gründe, die den Gesetzgeber veranlaßt haben, die mündliche Verhandlung in der gesetzlichen Verfahrensregelung (§ 138d I StPO) vorzusehen, verlangen ihre Durchführung im vorliegenden Fall nicht. Sie stehen ihr - wie in dem von dem OLG Karlsruhe (aaO) entschiedenen Fall - sogar entgegen.
Die mündliche Verhandlung wurde im Gesetzgebungsverfahren vornehmlich im Interesse des betroffenen Verteidigers für erforderlich gehalten, weil sie ihm eher als das schriftliche Verfahren Gelegenheit gebe, die ihn entlastenden Umstände darzulegen und die ihn belastenden Beweise zu entkräften. Als Vorteil der mündlichen Verhandlung wurde ferner angesehen, daß sie die Zielstrebigkeit, Konzentration und Schnelligkeit des Verfahrens fördere (so Amtl. Begr. zu § 138d StPO, aaO). In einem Fall wie hier, in dem der Ausschließungsantrag bereits unschlüssig ist und als Grundlage für ein weiteres Verfahren nicht geeignet ist, bedarf es jedoch zur Wahrung der Interessen des Verteidigers der Durchführung der mündlichen Verhandlung gerade nicht. Zutreffend weist das OLG Karlsruhe (aaO) darauf hin, daß insoweit das Gebot der Verhältnismäßigkeit der Mittel zu berücksichtigen ist (vgl. zum verfassungsmäßigen Rang des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes u.a. BVerfGE 35, 382 (400, 401) = NJW 1974, 227; BVerfGE 23, 127 (133) = NJW 1968, 979, 981; BVerfGE 20, 45 (49) = NJW 1966, 1259). ..."
***
In dem Ausschlußverfahren nach §§ 138 a ff. StPO kann sich der Verteidiger nicht von einem Verteidiger unterstützen lassen; er ist nur berechtigt, einen anderen Rechtsanwalt als Beistand mitzubringen. Die Erstattung von Gebühren aus der Staatskasse für diesen Beistand sieht das Gesetz nicht vor (KG, Entscheidung vom 01.09.1980 - 4 Ws 24/80, JR 1981, 121).
Die Neuregelung des Verteidigerausschlusses gemäß §§ 138 a ff. StPO gilt auch für einen in einem Steuerstrafverfahren zum Verteidiger bestellten Steuerbevollmächtigten. Die Befugnis, die Ausschließung des Steuerbevollmächtigten als Verteidiger zu beantragen, steht im Ermittlungsverfahren anstelle der Staatsanwaltschaft dem Finanzamt zu, wenn es das Ermittlungsverfahren selbständig führt. Der Antrag auf Ausschließung des Verteidigers muß seinem Inhalt nach bestimmten Mindestanforderungen genügen. Er muß neben den Beweismitteln mindestens die Tatsachen angeben, aus denen sich im Falle ihres Nachweises das den Ausschluß rechtfertigende Verhalten ergeben soll. Es gehört nicht zu den Aufgaben des Oberlandesgerichts im Ausschließungsverfahren, einen den Mindestanforderungen nicht genügenden Antrag durch weitere Erhebungen zu ergänzen. Ein in sich nicht schlüssiger Ausschließungsantrag, der als Grundlage für ein weiteres Verfahren nicht dienen kann, weil er den Mindestanforderungen für seine Zulässigkeit nicht genügt, kann ohne mündliche Verhandlung verworfen werden (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.03.1975 - 2 ARs 5/75, NJW 1975, 943 - 946).
Ausschluss von Zuhörern
Ein zulässiger Ausschluss von Zuhörern von der weiteren Teilnahme der Hauptverhandlung (GVG §§ 171 a ff.) hat stets zur Voraussetzung, dass das Gericht tatsächliche Anhaltspunkte dafür hat, dass jeder einzelne von der Maßnahme Betroffene sachdienliches zur Aufklärung beitragen kann und deshalb als potentieller Zeuge in Betracht kommt. Hierfür genügt es nicht, dass das Gericht seiner Entscheidung lediglich ein Gruppenmerkmal zugrunde legt (hier: Verweisung armenischer Zuhörer des Sitzungssaals), das auf weiter in Betracht kommende Zeugen zutrifft (BGH StV 2003, 659 f).
Aussage
Siehe unter "Einlassung".
Aussage gegen Aussage
?... Das Landgericht hat die Verurteilung des Angeklagten B. , der eine Beteiligung an den ihm zur Last gelegten Taten bestritten hat, allein auf die für glaubhaft erachtete geständige Einlassung des Angeklagten S. gestützt. Dies gilt auch für die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen B II 1, 2 und 4 der Urteilsgründe, denn durch die Bekundungen der zu diesen Taten vernommenen Zeugen ist die Einlassung des Mitangeklagten S. , soweit er den Angeklagten B. belastet, nicht bestätigt worden, sondern nur insoweit, als der Mitangeklagte S. seine eigene Tatbeteiligung eingeräumt hat.
In einem solchen Fall, in dem Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung allein davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Zudem ist in besonderem Maße eine Gesamtwürdigung aller Indizien geboten (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 146; StV 2000, 599, jew. m.w.N.). Dies gilt umso mehr, wenn ein Mitangeklagter - wie hier - nach seiner Aussage zur Sache erklärt, keine weiteren Fragen beantworten zu wollen (vgl. BGH NStZ 2004, 691; Beschluss vom 7. Februar 2001 - 3 StR 570/00). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Die Beweiserwägungen des Landgerichts lassen vielmehr besorgen, dass es nahe liegende, für die Glaubwürdigkeitsbeurteilung wesentliche Gesichtspunkte, deren Berücksichtigung unter Umständen zu einem dem Angeklagten günstigeren Ergebnis hätten führen können, außer Acht gelassen hat (vgl. BGH StV 1991, 451 m.N.).
1. Dies gilt insbesondere, soweit das Landgericht seine Überzeugung von der Glaubwürdigkeit des Mitangeklagten S. und der Glaubhaftigkeit seiner den Angeklagten B. belastenden Angaben u. a. darauf gestützt hat, dass diese in den Fällen B II 2 bis 4 der Urteilsgründe durch die Bekundungen der zu diesen Taten vernommenen Zeugen bestätigt worden seien.
a) In den Fällen II 3 und 4 der Urteilsgründe hat das Landgericht den Mitangeklagten S. jeweils wegen Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Der insoweit rechtskräftig jeweils wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilte Zeuge C. hat lediglich bestätigt, im Dezember 2004 von dem Mitangeklagten S. in der ?Taverne' zweimal Haschisch erworben zu haben. Nicht bestätigt wird dagegen durch die Bekundungen des Zeugen die Einlassung des Mitangeklagten S. , er habe das an C. gelieferte Haschisch von dem Angeklagten B. erworben. Soweit das Landgericht festgestellt hat, dass der Angeklagte B. , der im Fall II 3 der Urteilsgründe nicht verurteilt worden ist, weil diese Tat von den Anklagevorwürfen nicht umfasst gewesen ist, dem Mitangeklagten S. das Haschisch jeweils selbst übergeben hat (UA 11), sind die Urteilsausführungen zudem widersprüchlich. Bei seiner polizeilichen Vernehmung hatte der Mitangeklagte S. ausgesagt, er habe die Haschischplatten, die er an den Zeugen C. weitergegeben habe, von dem Zeugen Ismail Sa. erhalten (UA 30). Dieser Widerspruch zwischen der Einlassung des Mitangeklagten S. in der Hauptverhandlung und seiner früheren Einlassung, der Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit begründen könnte, hätte der Erörterung bedurft, zumal der Zeuge Sa. , der zur Tatzeit ebenso wie der Angeklagte B. in der K. straße in Dessau wohnte, bekundet hat, er habe dem Mitangeklagten S. auf dessen Aufforderung eine Tüte, deren Inhalt er nicht gekannt habe, in die ?Taverne' gebracht.
b) Im Fall B II 2 der Urteilsgründe hat das Landgericht die Verurteilung des Angeklagten B. darauf gestützt, dass in dem Haus, in dem der Angeklagte B. wohnte, ?in einem den jeweiligen Wohnungen zugeordneten Holzverschlag auf dem Dachboden' (UA 10) eine Tasche mit 2.345,5 g Haschisch sichergestellt wurde. Dazu, ob der Verschlag der Wohnung des Angeklagten zugeordnet werden konnte, verhält sich das Urteil jedoch nicht. Im Rahmen der Beweiswürdigung wird lediglich mitgeteilt, dass sich in dem nach oben offenen Verschlag nur die Tasche befunden habe (UA 28). Danach ist nicht ohne weiteres ausgeschlossen, dass nicht der Angeklagte, sondern ein anderer Bewohner des Hauses oder eine Person, die Zugang zu dem Haus hatte, die Tasche dort deponiert hatte. Mit dieser Möglichkeit hätte sich das Landgericht insbesondere auch im Hinblick darauf auseinandersetzen müssen, dass in dem Haus auch der Zeuge Sa. gewohnt hat. Zudem hätte die Entstehung der Aussage des Mitangeklagten S. näherer Erörterung bedurft, der Angeklagte habe ihn aufgefordert, auf dem Dachboden nach der Tasche zu sehen, und ihm, nachdem er dort keine Tasche gefunden habe, vorgeworfen, ?das Versteck der Drogen verraten zu haben.' Insoweit bleibt unklar, ob der Mitangeklagte S. , der sich erst nach dem Wechsel des Verteidigers zur Aussage entschlossen und ?viel von sich aus berichtet' hat, auch die Angaben zu der sichergestellten Tasche von sich aus oder erst auf Befragen durch den Vernehmungsbeamten gemacht hat. Dies liegt nach den bisherigen Feststellungen nicht fern, denn nach den Bekundungen des Vernehmungsbeamten, musste der Inhalt der Vernehmungen in Anbetracht des Umfangs der Angaben gelenkt werden.
2. Das Landgericht hat zwar nicht verkannt, dass hier ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Glaubwürdigkeitsbeurteilung ist, dass sich der Mitangeklagte S. im Hinblick auf § 31 BtMG entlasten wollte; denn bei dieser Sachlage besteht u. a. die nicht fern liegende Gefahr, dass der ?Aufklärungsgehilfe', der sich durch seine Aussage Vorteile verspricht, den Nichtgeständigen zu Unrecht belastet (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 245). Dass der Mitangeklagte S. sich mit seinen Angaben auch selbst belastet hat, steht dem nicht ohne weiteres entgegen. Vielmehr hätte das Landgericht in Betracht ziehen müssen, dass der Mitangeklagte S. seine eigene Tatbeteiligung heruntergespielt hat, um einen für ihn günstigeren Schuldspruch zu erreichen (vgl. BGH StV 1991, 451). ..." (BGH, Beschluss vom 15.01.2008 - 4 StR 533/07)
Außervollzugsetzung des Haftbefehls
Der Vollzug eines Haftbefehls kann ausgesetzt werden, wenn der Zweck der Untersuchungshaft auch durch weniger einschneidende Mittel erreicht werden kann. Dies können u. a. sein eine Meldepflicht, die Abgabe der Pässe oder insbesondere die Zahlung einer Kaution (§§ 116a, 124 StPO).
Folgt der Beschuldigte eine Auflage nicht, entzieht er sich der Untersuchung (z. B. Nichtantritt zur Hauptverhandlung) oder dem Strafantritt, fällt die Kaution der Staatskasse zu. Dabei ist unerheblich, ob der Beschuldigte sich später den Weisungen fügt oder sich stellt.
Siehe auch unter ?Aussetzung des Haftbefehls".
Aussetzung § 221 StGB
(1) Wer einen Menschen
1. in eine hilflose Lage versetzt oder
2. in einer hilflosen Lage im Stich läßt, obwohl er ihn in seiner Obhut hat oder ihm sonst beizustehen verpflichtet ist,
und ihn dadurch der Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
1. die Tat gegen sein Kind oder eine Person begeht, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist, oder
2. durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht.
(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 2 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Aussetzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und sie aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf des Mordes und der Misshandlung Schutzbefohlener freigesprochen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt und sich im Wesentlichen dagegen wendet, dass die Angeklagte nicht wegen Aussetzung mit Todesfolge und Misshandlung Schutzbefohlener verurteilt wurde. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Das Landgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen: Die Angeklagte lebte mit ihren Söhnen, dem zweijährigen R. und dem vierjährigen L. , zusammen. R. war ein gesundes, kräftiges und altersgerecht entwickeltes Kind. Nach dem 14. Dezember 2007 war er jedoch kränklich, blass und hatte keinen Appetit mehr. Die Angeklagte bemerkte, dass er innerhalb weniger Tage an Gewicht verlor. Am 19. und 20. Dezember 2007 versuchte er noch erfolglos, die ihm von der Angeklagten angebotene Trinkflasche zu halten. Am 21. Dezember 2007 versuchte er dies nicht mehr. Er aß an dem Tag auch nichts. Die Angeklagte plante, am 22. Dezember 2007 ihren weit entfernt wohnenden neuen Freund zu besuchen. Bemühungen, für R. eine Betreuung zu finden, scheiterten. So entschloss sie sich, R. allein in der Wohnung zu lassen, während sie L. mitnahm. Bevor sie gegen 4.15 Uhr am Abreisetag die Wohnung verließ, legte sie R. in sein Gitterbett, welches er nicht verlassen konnte. Die Angeklagte legte neben das Kind eine Babytrinkflasche mit 280 Milliliter Flüssigkeit und einige Butterkekse.
Die Angeklagte, die ursprünglich am 23. Dezember 2007 wieder nach Hause fahren wollte, entschloss sich dann jedoch, noch einen Tag länger bei ihrem Freund zu bleiben. Diesem spiegelte sie vor, dass die R. betreuende Freundin noch einen Tag länger auf ihn aufpassen würde. Sie kehrte erst am 24. Dezember 2007 gegen 23.00 Uhr in ihre Wohnung zurück. Dort bemerkte sie, dass die Kekse und die entleerte Trinkflasche, deren Inhalt möglicherweise verschüttet worden war, neben dem Bett lagen. Sie ?sah, dass es R. sehr schlecht ging' (UA S. 20). In den nächsten Stunden aß er nichts und trank kaum noch. Die Angeklagte holte keinen Arzt, da sie ?fürchtete, dass dieser das Jugendamt verständigt hätte. Sie dachte, sie könne R. allein gesund pflegen' (UA S. 21). Am Nachmittag des 26. Dezember 2007 starb R. infolge Nahrungs- und Flüssigkeitsmangels.
Das Kind R. wies zum Todeszeitpunkt ein deutliches Untergewicht auf. ?Am Abreisetag der Angeklagten, am 21.12.2007, hätte R. bei intensiv-medizinischer Behandlung noch gerettet werden können' (UA S. 46). Für den Zeitpunkt der Rückkehr der Angeklagten konnte dies nicht sicher festgestellt werden.
2. Das Landgericht hat den objektiven Tatbestand der Aussetzung gemäß § 221 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 StGB im Ergebnis zutreffend (vgl. BGHSt 21, 44) bejaht und einen ?Aussetzungsvorsatz' (UA S. 52) angenommen. Einen bedingten Tötungsvorsatz hat es hingegen abgelehnt, da die Angeklagte aufgrund ihrer Borderline-Persönlichkeitsstörung die mit dem Verlassen des Kindes verbundene Todesgefahr nicht habe erkennen können (UA S. 48). Aus diesem Grund scheide ein Misshandlungsvorsatz ebenso aus wie die Annahme, der Tod des Kindes sei durch die Angeklagte zumindest fahrlässig (§ 18 StGB) herbeigeführt worden und die Voraussetzungen des § 221 Abs. 3 StGB seien erfüllt.
3. Die rechtliche Würdigung hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Sie beruht mit den ihr zugrunde gelegten Feststellungen auf grundlegend widersprüchlichen Überlegungen.
Es ist nicht nachvollziehbar, wieso die Angeklagte einerseits hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale des § 221 Abs. 1 StGB vorsätzlich handelte, andererseits aber nicht in der Lage gewesen sein soll, die durch das Verlassen hervorgerufene Todesgefahr für das Kind im Sinne des § 221 Abs. 3 StGB zu erkennen. Denn der von der Strafkammer angenommene Vorsatz der Aussetzung setzt das Bewusstsein der Angeklagten voraus, ihr Verhalten werde zu einer bedrohlichen Verschlechterung der Lage des Hilfsbedürftigen führen (vgl. hierzu BGH NStZ 1985, 501; 2008, 395, 396). War die Angeklagte aber zu einer solchen Bewusstseinsbildung fähig, erschließt sich nicht, dass für sie der mögliche Tod des ohnehin deutlich geschwächten Kindes, welches nicht mehr ohne fremde Hilfe Flüssigkeit zu sich nehmen konnte, nicht erkennbar war. Dies gilt zumal, da das Landgericht selbst zu dem Schluss kommt, dass der Angeklagten ?grundsätzlich bewusst' war, dass ?nur ein paar Kekse und etwas zu trinken für R. zu wenig war' (UA S. 53). Ebenso wenig ist die Annahme nachzuvollziehen, die Voraussetzungen des § 225 Abs. 1 Nr. 1 dritte Variante, Abs. 3 Nr. 1 erste Alternative StGB lägen nicht vor. Sie liegen vielmehr neben § 221 Abs. 1 StGB hier ganz offensichtlich auf der Hand.
Die Ausführungen des Landgerichts, die Todesfolge sei für die Angeklagte aufgrund ihrer Borderline-Störung nicht vorhersehbar gewesen, da ihr eine ?rationale Entscheidung nicht mehr möglich' (UA S. 53) gewesen sei, wecken durchgreifende Bedenken, weil in rechtsfehlerhafter Weise Aspekte der Schuld, insbesondere der Steuerungsfähigkeit, mit solchen des subjektiven Tatbestands vermengt worden sein könnten. Sie stehen zudem in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis zu Einzelfeststellungen über Erkenntnisse und Verhaltensweisen der Angeklagten.
So hat die Angeklagte nach den Feststellungen den vor ihrer Abreise bereits eingetretenen Gewichtsverlust des Kindes genauso erkannt wie den Umstand, dass es die Flasche nicht mehr halten konnte. Zudem war sie nach ihrer Einlassung - wenn auch nicht ausschließbar erst zu einem Zeitpunkt, als der Tod des Kindes nicht mehr abzuwenden war - nicht nur in der Lage zu erkennen, dass es R. sehr schlecht gehe, sondern auch, dass er einen Arzt brauche. Vor dem Hintergrund der angenommenen verzerrten Wahrnehmung erklärt sich auch nicht, dass die Angeklagte eine tatsächlich nicht gewährleistete Betreuung ihres Kindes vorgespiegelt hat, um die Verlängerung ihres Fernbleibens vor Dritten zu rechtfertigen. Auch aus dem im Übrigen festgestellten Verhalten der Angeklagten sind keine Anhaltspunkte für eine nicht der Realität entsprechende Wahrnehmung erkennbar. So hat sie sich nach ihrer Einlassung dazu entschlossen, R. statt L. zu Hause zu lassen, da der Ältere sich bemerkbar gemacht hätte, während R. ruhiger gewesen sei. Dies scheint eine am Alter der Jungen orientierte realistische Einschätzung des Risikos zu offenbaren, dass das Verlassen des Jungen entdeckt werde. Dass all diese Umstände einer relevanten Verkennung der Tatsachengrundlage ebenso im Wege stehen können wie die angenommene erhaltene Einsichtsfähigkeit (vgl. hierzu BGH NStZ 2008, 510, 511 f.), hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht. Nachvollziehbar erscheint nach dem Zusammenhang der Feststellungen allein, dass die Angeklagte die von ihrem Verhalten ausgehende Gefahr für das Wohlergehen ihres Kindes aufgrund ihrer psychischen Störung immer wieder vorübergehend über längere Zeit verdrängen konnte. Dagegen dürfte eine durchgehende Verkennung dieser Gefahr fern liegen, was aber allein für eine Verneinung des Misshandlungsvorsatzes, einer auf den Tod des Kindes bezogenen Fahrlässigkeit oder sogar eines Tötungsvorsatzes (vgl. hierzu die Senatsbeschlüsse vom 31. März 2004 - 5 StR 351/03 sowie in NStZ 2007, 402) tragfähig sein könnte.
4. Das Urteil kann bereits aus diesen Gründen insgesamt keinen Bestand haben. Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird insbesondere Gelegenheit haben, die Fragen der Todeskausalität der Untätigkeit der Angeklagten, der Vorhersehbarkeit des Todeserfolges, des Vorsatzes hinsichtlich der Misshandlung von Schutzbefohlenen und eines Tötungsvorsatzes - unter Berücksichtigung aller maßgeblichen verschiedenen Zeitpunkte, insbesondere auch des vom Landgericht nicht näher bedachten Zeitpunkts, zu dem die Angeklagte sich entschloss, noch einen Tag länger bei ihrem Freund zu bleiben - erneut zu erörtern.
Der Senat hebt auch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen auf. Sie beruhen wesentlich auf den Angaben der Angeklagten zu ihren Wahrnehmungen. Insoweit darf dem neuen Tatgericht durch eine Teilaufrechterhaltung von Feststellungen nicht die Möglichkeit genommen werden, gerade auf der Grundlage dieser Erkenntnisquelle unter Berücksichtigung der weiteren zu gewinnenden Erkenntnisse über den Zustand des Kindes umfassend einheitliche widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen. ..." (BGH, Urteil vom 26.02.2009 - 5 StR 532/08)
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Die Tathandlungen des Versetzens in eine hilflose Lage und auch des im Stich Lassens in einer solchen Lage (§ 221 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB i.d.F. durch das 6. StrRG) setzen für die Tatbestandserfüllung keine Ortsveränderung des Opfers oder des Täters voraus (BGH, Urteil vom 05.03.2008 - 2 StR 626/07).
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?... 1. Die rechtliche Würdigung der getroffenen Feststellungen begegnet - entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit das Landgericht eine Aussetzung mit Todesfolge nach § 221 Abs. 1 und 3 StGB verneint hat.
a) Dies hat das Landgericht damit begründet, dass bereits Zweifel bestünden, ob die Angeklagten S. objektiv in eine hilflose Lage versetzt bzw. ihn in einer solchen im Stich gelassen haben. Auch wenn der Heranwachsende geistig beeinträchtigt gewesen sei, habe er sein Handy bei sich gehabt und sei jedenfalls teilweise in der Lage gewesen, damit ordnungsgemäß umzugehen. Er sei auch in der Lage gewesen, sich zu artikulieren und sich fortzubewegen.
Jedenfalls habe die Kammer nicht mit ausreichender Sicherheit feststellen können, dass die Angeklagten in Bezug auf eine hilflose Lage zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt hätten. Sie hätten das Ausmaß seiner Alkoholisierung nicht erkannt und die sonstigen Anzeichen für die Beeinträchtigung seines geistigen Zustandes nicht ausreichend gewürdigt.
b) Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den Urteilsfeststellungen befand sich S. jedenfalls nach dem Verlassen des Streifenwagens in einer hilflosen Lage im Sinne von § 221 Abs. 1 StGB. In einer solchen ist, wer der abstrakten Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsbeschädigung ohne die Möglichkeit eigener oder fremder Hilfe ausgesetzt ist (vgl. Hardtung in MünchKomm, § 221 Rdn. 7). Hilflosigkeit im Sinne des Tatbestandes definiert sich danach als das Fehlen hypothetisch rettungsgeeigneter sächlicher Faktoren oder hilfsfähiger (und generell auch hilfsbereiter) Personen (vgl. Horn/Wolters in SK-StGB 54. Lfg. § 221 Rdn. 3). Eine derartige Lage war hier mit Blick auf die Feststellungen zu den äußeren Umständen und dem Verhalten des Heranwachsenden nach dem Verlassen des Streifenwagens ganz offensichtlich gegeben. Der Umstand, dass der junge Mann ein funktionstüchtiges Handy bei sich trug, das er nach dem Aussteigen zumindest zeitweise auch bedienen konnte, ändert hier an der Annahme einer objektiv hilflosen Lage im Sinne des § 221 StGB schon deshalb nichts, weil es ihm nicht gelungen ist, jemanden anzurufen und er zudem gar nicht wusste, wo er sich befand.
c) Die fehlerhafte rechtliche Beurteilung des objektiven Tatbestandes hat zur Folge, dass auch der durch das Landgericht vorgenommenen Würdigung der subjektiven Tatseite die Grundlage entzogen ist. Im Übrigen steht die Begründung, mit der das Landgericht ein (zumindest bedingt) vorsätzliches Handeln der Angeklagten abgelehnt hat, nicht im Einklang mit den getroffenen Feststellungen. Danach haben die Angeklagten die Alkoholisierung des Heranwachsenden ebenso erkannt, wie den Umstand, dass er - aus welchen Gründen auch immer - nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war. Dass die Angeklagten die vorhandene starke Alkoholisierung nicht zutreffend, sondern geringer eingeschätzt haben, ist daher ohne Belang.
Aus welchen Gründen sich die Angeklagten dann aber der konkreten Gefährdung des Lebens und der Gesundheit des Heranwachsenden nicht bewusst gewesen sein sollten, ist nicht ersichtlich. Dass die Angeklagten die Durchführung des Verbringungsgewahrsams und dessen Ausgang entgegen der bestehenden Dienstanweisung der Einsatzleitstelle nicht bzw. nicht vollständig gemeldet haben, könnte vielmehr für das Bewusstsein der Angeklagten sprechen, dass ihr Verhalten zu einer bedrohlichen Verschlechterung der Lage des Hilfsbedürftigen führen werde oder zumindest führen könnte (vgl. BGH NStZ 1985, 501; Fischer, StGB 55. Aufl. § 221 Rdn. 12). ..." (BGH, Urteil vom 10.01.2008 - 3 StR 463/07)
Aussetzung der Hauptverhandlung wegen Ausbleibens des Verteidigers
Siehe unter ?Ausbleiben des Verteidigers".
Aussetzung der Verhandlung wegen Nichteinhaltung der Ladungsfrist
Siehe unter ?Ladungsfrist".
Aussetzung der Verhandlung wegen veränderter Sach- und/oder Rechtslage
Siehe unter ?Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts".
Aussetzung oder Unterbrechung einer Hauptverhandlung § 228 StPO
(1) Über die Aussetzung einer Hauptverhandlung oder deren Unterbrechung nach § 229 Abs. 2 entscheidet das Gericht. Kürzere Unterbrechungen ordnet der Vorsitzende an.
(2) Eine Verhinderung des Verteidigers gibt, unbeschadet der Vorschrift des § 145, dem Angeklagten kein Recht, die Aussetzung der Verhandlung zu verlangen.
(3) Ist die Frist des § 217 Abs. 1 nicht eingehalten worden, so soll der Vorsitzende den Angeklagten mit der Befugnis, Aussetzung der Verhandlung zu verlangen, bekanntmachen.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Ohne Rechtsfehler hat die Strafkammer die am Tag vor Beginn der Hauptverhandlung und nochmals am ersten Tag der Hauptverhandlung gestellten Anträge auf Aussetzung der Hauptverhandlung zurückgewiesen. Zwar hat die Verteidigung insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass bei Beginn der Hauptverhandlung die wesentliche Beweislage bekannt sein muss, damit der Angeklagte sein Verteidigungsverhalten entsprechend einrichten und auch entscheiden kann, ob und in welchem Umfang er sich zum Tatvorwurf einlässt. Vorliegend waren jedoch entscheidende Indizien für die Täterschaft des Angeklagten bereits bei der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens am 4. September 2006, somit mehr als zwei Monate vor Beginn der Hauptverhandlung, bekannt. Diese Beweislage verstärkte sich zwar durch die nach und nach eintreffenden Gutachten, was aber keine ersichtliche Änderung der Verteidigungsstrategie mit sich bringen musste. Insoweit hat die Revision auch nichts Entsprechendes vorgetragen. Vielmehr war das Landgericht gehalten, dem Grundsatz der Prozessbeschleunigung gerade in Haftsachen Rechnung zu tragen und nicht mit dem Beginn der Hauptverhandlung zuzuwarten, bis auch die letzte Untersuchung und Ermittlungshandlung abgeschlossen war. Wenn sich insoweit während der Hauptverhandlung eine überraschende Entwicklung oder eine wesentliche Änderung der Beweislage ergeben hätte, wäre es der Verteidigung jederzeit möglich gewesen, eine Unterbrechung zu beantragen, um das weitere Vorgehen im Prozess zu beraten. Schließlich stand es dem Angeklagten offen, jederzeit bis zu seinem letzten Wort sich zu dem Tatvorwurf einzulassen oder sich entsprechend zu verteidigen.
Soweit die Revision rügt, der Tatrichter habe nicht in ausreichender Weise die Möglichkeit ausgeschlossen, dass die Tötung der Ehefrau die Folge einer Kurzschlusshandlung des Angeklagten gewesen sein könnte, weshalb die Verurteilung wegen aus Habgier begangenen Mordes rechtlich fehlerhaft sei, bleibt ihr der Erfolg versagt. Die Schwurgerichtskammer hat sich ausführlich mit der Frage befasst, ob es in der Tatnacht erstmals zu einem heftigen Streit der Eheleute über die mögliche Trennung gekommen sei und die getötete Ehefrau den Angeklagten erstmals mit konkreten Auszugsabsichten konfrontiert hätte; hierfür konnte das Gericht aber keine Hinweise feststellen. Vielmehr hatte die Ehefrau gerade nach dem für alle anstrengenden Tag gegenüber der Zeugin P. angekündigt, bald ins Bett gehen zu wollen, sodass eine Konfliktbereitschaft bei ihr in diesem Zeitpunkt eher fehlte. Hinzu kommt, dass nach den Feststellungen der Kammer die im Haus befindlichen Kinder einen Streit der Eheleute wohl bemerkt hätten, was aber nicht der Fall war. ..." (BGH, Beschluss vom 12.09.2007 - 1 StR 274/07)
***
Sind in einer Hauptverhandlung noch keine Erträge erzielt worden, die bei einer Unterbrechung fortwirkten, bei einer Aussetzung aber erneut gewonnen werden müssten, ist das Gericht in der Entscheidung, ob es die Hauptverhandlung unterbricht oder sie aussetzt, grundsätzlich frei. Eine solche Unterbrechungs- oder Aussetzungsentscheidung verstößt nicht gegen Art. 101 Abs. 1 GG, es sei denn, sie wäre willkürlich getroffen (BGH, Urteil 09.08.2007 - 3 StR 96/07 zu StPO § 228 Abs. 1, § 338 Nr. 1, GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2).
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?... Der Angeklagte hat das Recht auf wirksame Verteidigung (Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK). Er kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen (§ 137 Abs. 1 Satz 1 StPO). Wenn die Hauptverhandlung vor dem Landgericht stattfindet, ist die Mitwirkung eines Verteidigers zwingend (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO). Im Grundsatz soll dies der vom Angeklagten gewählte Verteidiger (§ 138 StPO), der Anwalt seines Vertrauens sein (BGH StV 1992, 53). Deshalb muss das Gericht - der Vorsitzende - bei der Terminsbestimmung ernsthaft versuchen, diesem Recht des Angeklagten, sich in einem Strafverfahren von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen, soweit wie möglich Geltung zu verschaffen (BGH NStZ 1999, 527; StV 1992, 53).
Nicht jede Verhinderung eines Verteidigers kann zur Folge haben, dass eine Hauptverhandlung nicht durch- oder fortgeführt werden kann, sondern ausgesetzt werden muss (§ 228 Abs. 2 StPO; vgl. BGH NStZ 1999, 527; NStZ 1998, 311, 312). Allerdings ist der Vorsitzende gehalten, über Anträge auf Verlegung eines Termins nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung, der Gesamtbelastung des Spruchkörpers, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und den berechtigten Interessen der Prozessbeteiligten zu entscheiden (BGH NStZ-RR 2006, 271, 272; NStZ 1998, 311, 312; GA 1981, 37, 38). Bei der danach gebotenen Abwägung kommen dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) und aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK folgenden Gebot, über eine strafrechtliche Anklage in angemessener Zeit zu verhandeln, und dem in Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 GG (vgl. auch § 121 Abs. 1 StPO; Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 MRK) zu beachtenden besonderen Beschleunigungsgebot in Haftsachen hohes Gewicht zu (vgl. BVerfG - Kammer - StV 2006, 251; NJW 2006, 1336; NJW 2006, 672; NStZ 2006, 47; NStZ 2000, 153).
Der Fortsetzung des Verfahrens innerhalb der Unterbrechungsfrist des § 229 Abs. 1 StPO, nämlich an dem dazu einzig für eine Verhandlung bei der Strafkammer noch freien 12. Mai 2006, stand die Absicht des Wahlverteidigers des Angeklagten K. entgegen, an diesem Tag - und dem folgenden - das XI. Frühjahrssymposium der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des Deutschen Anwaltvereins in Karlsruhe zu besuchen, wie das von ihm schon lange geplant war. Die Revision trägt dazu zutreffend vor, dass ein Rechtsanwalt zur Fortbildung verpflichtet ist (§ 43a Abs. 6 BRAO) und als Fachanwalt für Strafrecht gehalten ist, jährlich mindestens 10 Stunden an Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen (§ 15 Fachanwaltsordnung).
Gleichwohl ist die Entscheidung der Strafkammer, das Verfahren am 12. Mai zu Ende zu führen, frei von Rechtsfehlern, auch wenn an diesem Tag die Schlussvorträge, denen im Verfahrensablauf besondere Bedeutung zukommt, gehalten werden sollten und gehalten wurden. Als Alternative stand nicht die Verschiebung eines einzelnen Verhandlungstags um wenige Tage zur Verfügung. Vielmehr hätte die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten - nach Abtrennung vom Verfahren gegen den Mitangeklagten, das am 12. Mai auf jeden Fall hätte zu Ende geführt werden können - ausgesetzt werden müssen mit Neubeginn in mehreren Wochen oder Monaten. Dem konnte auch nicht durch Aufhebung einer bereits erfolgten Bestimmung der Hauptverhandlungstermine in einem anderen (Schwur-)Gerichtsverfahren abgeholfen werden, da dies naturgemäß in diesem anderen Verfahren zu unakzeptabler, dem Beschleunigungsgebot widerstreitender Verzögerung hätte führen müssen. Auf diese Möglichkeit hebt auch der Beschwerdeführer nicht ab.
In Verhältnis zur Aussetzung der Hauptverhandlung und der Verschiebung der Haftsache um Wochen, ja Monate, hatte im vorliegenden Fall das Fortbildungsinteresse des Wahlverteidigers geringeres Gewicht. Jedenfalls war es frei von Ermessensfehlern, wenn dies die Strafkammer so bewertete. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Besuch des XI. Frühjahrssymposiums an dessen zweitem Tag, am Samstag, dem 13. Mai 2006, nichts im Wege stand. Da das Symposium sich auch aus thematisch selbständigen Blöcken zusammensetzt, wie der Senat weiß, ist die Teilnahme an Teilen der Veranstaltung insoweit ohne Einbuße an Weiterbildung möglich. Die zu den Themenblöcken gehaltenen Vorträge werden zudem in aller Regel anschließend veröffentlicht. Nicht aufgenommen werden kann allein die Diskussion. Wegen dieses damit vergleichsweise geringen Verlustes an Fortbildung, das - auch um die gemäß § 15 Fachanwaltsordnung erforderliche Stundenzahl zu erreichen - sicherlich auf andere Weise hätte ausgeglichen werden können, musste, ja durfte die Hauptverhandlung nicht ausgesetzt werden.
Zudem war eine ordnungsgemäße Verteidigung des Angeklagten durch den Pflichtverteidiger, Rechtsanwalt G. , auch hinsichtlich des Schlussvortrags, gewährleistet. Anderes wird auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Weder werden mangelndes Vertrauen des Angeklagten in seinen Pflichtverteidiger noch gar ein Zerwürfnis, das eine Kommunikation und eine sinnvolle Verteidigung unmöglich gemacht hätte, vorgetragen. Allein aus dem Aussetzungsantrag des Angeklagten mit der Begründung, er wolle - auch - von seinem Wahlverteidiger vertreten sein, kann dies nicht geschlossen werden. Dass auch der Wahlverteidiger von einer wirksamen Verteidigung allein durch den Pflichtverteidiger ausging - wenn es im Zweifelsfall auch auf die Sicht des Angeklagten angekommen wäre -, kann aus dem Verhalten von Rechtsanwalt M. nach der definitiven Ablehnung seines Antrags auf Terminsverlegung vom 4. Mai 2006, womit er auch mit der Ablehnung des späteren Aussetzungsantrags jedenfalls rechnen musste, geschlossen werden. Der Wahlverteidiger stand nun selbst vor der Entscheidung, ob er der Verteidigung seines Mandanten oder der Teilnahme am ersten Tag des XI. Frühjahrssymposiums der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des Deutschen Anwaltvereins in Karlsruhe den Vorrang geben sollte (sofern nicht sein Fernbleiben von der Hauptverhandlung von seinem Mandanten trotz dessen grundsätzlichen Wunsches - entsprechend der Begründung des Aussetzungsantrags -, auch am 12. Mai 2006 über den Beistand von Rechtsanwalt M. verfügen zu können, für den Fall der Ablehnung gebilligt worden war). Denn hätte der Wahlverteidiger damit rechnen müssen, dass eine sachgerechte Verteidigung des Angeklagten nicht auch ohne ihn gewährleistet ist, hätte seine Entscheidung für die Teilnahme auch am 1. Tag des Symposiums sehr wohl mit seiner Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung (§ 1 BRAO) kollidieren können. Zu entscheiden hat dies der Senat nicht. Er kann sich aber nicht vorstellen, dass Rechtsanwalt M. ein derart gravierendes standeswidriges Verhalten auch nur in Kauf genommen hat. ..." (BGH, Beschluss vom 09.11.2006 - 1 StR 474/06)
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?... Die von dem Angeklagten S. erhobene Rüge, das Landgericht habe den Aussetzungsantrag der Verteidigung rechtsfehlerhaft zurückgewiesen, ist jedenfalls unbegründet. Aus dem - von dem Beschwerdeführer seinem wesentlichen Inhalt nach wiedergegebenen - ablehnenden Beschluss der Strafkammer ergibt sich, dass diese bei der Entscheidung über den Aussetzungsantrag die wesentlichen Gesichtspunkte - Wahrheitsermittlung einerseits, Verfahrensbeschleunigung andererseits - erkannt und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles, insbesondere der Beweisbedeutung des Informanten und der voraussichtlichen Dauer des von dem Angeklagten vorgesehenen Verwaltungsstreitverfahrens, gegeneinander abgewogen hat. Das Ergebnis dieser Abwägung kann nicht beanstandet werden, und zwar umso weniger, als die Strafkammer die Sperrerklärung des Innenministeriums zutreffend für ermessensfehlerfrei hielt, einer verwaltungsgerichtlichen Anfechtung also keine ernsthaften Erfolgschancen beizumessen brauchte (vgl. BGH NStZ 1985, 466, 467 f.). Die Polizeibehörde muss die Anonymität eines als Zeugen in Anspruch zu nehmenden V-Mannes wahren können, wenn zu besorgen ist, dass er durch die Offenbarung seiner Identität in Leibes- oder Lebensgefahr gerät; dies gilt grundsätzlich auch für die Gefährdung seiner weiteren Verwendung (vgl. BTDrucks. 12/989 S. 42; Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 96 Rdn. 64). Beide Voraussetzungen hat das Innenministerium bejaht, ohne dass seiner Beurteilung - angesichts der dafür angeführten Umstände - ein offenbarer Rechtsfehler, sei es auch nur in der Form des Ermessensfehlgebrauchs, anhaftete. ..." (BGH, Beschluss vom 24.10.2006 - 1 StR 442/06)
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?... Die Rüge, das Kammergericht habe Aussetzungsanträge bis zur Her-ausgabe der vollständigen Gesprächsprotokolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit dem Zeugen M. zu Unrecht abgelehnt, ist unbegründet. Das Tatgericht war weder unter dem Gesichtspunkt der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO), der Rücksichtnahme auf die Belange der Verteidigung (§ 338 Nr. 8 StPO), noch des fairen Verfahrens (Art. 6 MRK) verpflichtet, den Aussetzungsanträgen zu entsprechen; eine veränderte Sachlage im Sinne des § 265 Abs. 4 StPO war - entgegen der Auffassung der Revision - ohnehin nicht gegeben. Das Kammergericht hat in seinen Beschlüssen unter Orientierung an den von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsätzen die wesentlichen Belange - Wahrheitsermittlung einerseits, Verfahrensbeschleunigung andererseits - erkannt und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles gegeneinander abgewogen (BGH NStZ 1985, 466 ff.). Es hat dabei berücksichtigt, dass zwar bereits eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung auf Aufhebung der Sperrerklärung in erster Instanz vorgelegen hat, diese aber nicht rechtskräftig war und dass ihr im Übrigen nicht die Verpflichtung zur Herausgabe der ungeschwärzten Protokolle entnommen werden konnte. Angesichts einer Sachlage, die wesentlich dadurch gekennzeichnet ist, dass es nicht um die völlige Sperrung eines Zeugen als Beweisperson - wie sonst häufig im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 96 StPO - geht, sondern dass hier der Zeuge M. persönlich für eine außergewöhnlich lange Befragung im Ermittlungsverfahren und ebenso im späteren Hauptverfahren zur Verfügung gestanden hat, durfte das Kammergericht den geschwärzten Passagen eine allenfalls geringe potentielle Beweisbedeutung beimessen. Denn die Befragung des Zeugen durch den Verfassungsschutz hat erst nach Abschluss eines wesentlichen Teils der Vernehmungen im Ermittlungsverfahren stattgefunden. Damit konnten aber die Aussageentwicklung zwischen Ermittlungsverfahren und der Hauptverhandlung nachverfolgt und etwaige Abweichungen - wie geschehen - näher beleuchtet werden. Unter diesen Umständen lag kein Sachverhalt vor, aufgrund dessen sich das Gericht zur weiteren Aufklärung gedrängt sehen musste. Damit war eine Aussetzung nicht nur nicht geboten, sie hätte vielmehr dem Gebot der rechtsstaatlich geforderten Beschleunigung des Strafverfahrens widersprochen (BVerfGE 63, 45, 68 f.). ..." (BGH, Beschluss vom 20.04.2006 - 3 StR 284/05).
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? ... Das Rechtsmittel hat schon mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Der Bf. beanstandet zu Recht, daß das LG ihn durch die Ingewahrsamnahme am 21. 1. 2003 und die Ablehnung seines Antrags auf Verlegung bzw. Unterbrechung des Termins v. 23. 1. 2003 in einem wesentlichen Punkt in seiner Verteidigung beschränkt hat (§ 338 Nr. 8 StPO). Der Rüge liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Hauptverhandlung umfaßte fünf Sitzungstage: (14., 15., 16., 21. und 23. 1. 2003). Der Angekl. war zunächst nur von RA H. verteidigt, der für ihn als Pflichtverteidiger bestellt worden war. Am 20. 1. 2003, nach dem dritten Hauptverhandlungstag, zeigte RA G. an, daß er nunmehr vom Angekl. bevollmächtigt sei und diesen als Wahlverteidiger vertrete. Er beantragte, die Bestellung des Pflichtverteidigers zurückzunehmen, da das Vertrauensverhältnis zwischen diesem und dem Angekl. ernsthaft gestört sei. Gleichzeitig beantragte RA G., ihm Akteneinsicht zu gewähren und die Hauptverhandlung auszusetzen, hilfsweise diese zu unterbrechen. Diese Anträge lehnte die StrK in der Sitzung v. 21. 1. 2003, an der auch RA G. als Wahlverteidiger teilnahm, ab. RA G. beantragte daraufhin, ?wenigstens' den anstehenden Termin v. 23. 1. 2003 von 9.00 Uhr auf 13.00 Uhr zu verlegen, weil er erst am Ende der Sitzung v. 21. 1. 2003 die Strafakten erhalten werde. Da er am nächsten Tag in München verteidige, sei es ihm nur bei einer zeitlichen Verschiebung des Termins möglich, ausreichend Akteneinsicht zu nehmen und die Sache mit dem Angekl. zu besprechen. Am Ende der Sitzung wurden RA G. die Akten ausgehändigt. Der Vors. der StrK ordnete außerdem an: ?Gem. § 231 Abs. 1 S. 2 StPO wird die Inverwahrnahme des Angekl. S. bis zur Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, 23. 1. 2003 um 9.00 Uhr angeordnet'. Sofort gestellte Anträge des Verteidigers auf Aufhebung oder Außervollzugsetzung der Inverwahrnahme, denen die StA ausdrücklich nicht entgegentrat, lehnte der Vors. ab und teilte des weiteren mit, der Termin v. 23. 1. 2003 finde um 9.00 Uhr statt, ?ggf. könne eine Pause gemacht werden'. Die Maßnahmen des Vors. wurden im Rahmen von § 238 Abs. 2 StPO von der StrK bestätigt. Der Angekl. wurde am 21. 1. 2003 in die JVA verbracht und zum Termin v. 23. 1. 2003 vorgeführt. In diesem Termin hat der Verteidiger des Angekl. erneut die Aussetzung bzw. Unterbrechung beantragt und darauf hingewiesen, daß ihm auf Grund der Verhaftung des Angekl. eine Besprechung der Sache mit diesem nicht möglich gewesen sei. Das LG hat eine Unterbrechung erneut abgelehnt und an diesem Tag das Urteil verkündet. Den Beschl. über die Inverwahrnahme des Angekl. hat das OLG Frankfurt/M. auf Beschwerde des Angekl. am 12. 5. 2003 für rechtswidrig erklärt.
Die Revision beanstandet zu Recht die Ablehnung der Unterbrechung der Hauptverhandlung am 23. 1. 2003 zur Besprechung der Sache nach Akteneinsicht unter gleichzeitiger Ingewahrsamnahme des Angekl. nach § 231 Abs. 2 S. 2 StPO. Die Vorgehensweise der StrK verletzt nachhaltig das Recht des Angekl. auf eine sachgerechte Verteidigung.
Gegenstand des Strafverfahrens waren schwerwiegende Vorwürfe mit einer erheblichen Straferwartung, wie die verhängte Freiheitsstrafe von 6 J. 6 M. zeigt, gegen den die Tat bestreitenden Angekl. Dieser war in jeder Lage des Verfahrens berechtigt, neben oder anstelle des Pflichtverteidigers einen Verteidiger seiner Wahl mit seiner Verteidigung zu betrauen. Es kann offen bleiben, ob dabei dem Antrag auf Entpflichtung des Pflichtverteidigers stattgegeben werden mußte oder inwieweit aus der Bestellung eines Wahlverteidigers Rechte des Angekl. auf Aussetzung oder Unterbrechung des Verfahrens abgeleitet werden konnten. Eine Beeinträchtigung der Verteidigung i. S. d. § 338 Nr. 8 StPO bedeutet es auf jeden Fall, wenn die Verteidigungsmöglichkeiten des neu gewählten Verteidigers und damit des Angekl. ohne sachlichen Grund in erheblichem Umfang eingeschränkt werden. Dies ist hier durch die, wie das OLG zu Recht ausgeführt hat, völlig grundlose und damit rechtswidrige Inverwahrnahme des Angekl. und die anschließende Ablehnung der zeitlichen Verlegung oder Unterbrechung der Hauptverhandlung v. 23. 1. 2003 geschehen. Der Wahlverteidiger des Angekl. war, wie er glaubhaft dargetan hat, durch dessen Aufnahme in die Haftanstalt gehindert, nach der Akteneinsicht die Sache mit dem Angekl. zu besprechen. Diese Möglichkeit bestand erst wieder am Morgen des Sitzungstages v. 23. 1. 2003. Da aber das LG eine Verlegung des Termins von 9.00 Uhr auf 13.00 Uhr abgelehnt hatte, war ihm auch diese Möglichkeit genommen. Durchgreifende Gründe für eine Ablehnung der Verlegung des Termins von 9.00 Uhr auf 13.00 Uhr sind nicht ersichtlich. Die erstmals im Beschl. v. 23. 1. 2003 auf den erneuten Unterbrechungsantrag genannten Gründe rechtfertigen die getroffenen Maßnahmen nicht, da dadurch die Behauptung des Verteidigers, er habe wegen der Inverwahrnahme des Angekl. angesichts der Besuchszeiten der JVA die Sache nicht mit diesem besprechen können, nicht widerlegt ist. Die Ablehnung der Verlegung des Termins v. 23. 1. 2003 von 9.00 Uhr auf 13.00 Uhr und die Ablehnung des in der Sitzung v. 23. 1. 2003 erneut gestellten Antrags auf Unterbrechung durch die Gerichtsbeschl. v. 21. und 23. 1. 2003 im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Ingewahrsamnahme stellen eine Verletzung des Rechts des Angekl. auf sachgerechte Verteidigung dar. Diese unzulässige Beschränkung der Verteidigung betrifft auch einen für die Entscheidung wesentlichen Punkt i. S. d. § 338 Nr. 8 StPO. Ein durchgreifender Verstoß ist zwar nur dann gegeben, wenn die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem Verfahrensverstoß und dem Urteil konkret besteht (vgl. BGH NStZ 2000, 212 m. Anm. Hammerstein S. 326 = StV 2000, 402 m. Anm. Stern S. 404). Dies ist hier aber der Fall, zumal das angegriffene Urteil noch am 23. 1. 2003 verkündet wurde. Dem Angekl. wurde durch die Beschl. das Recht auf Verteidigung durch einen RA seines Vertrauens (vgl. dazu u. a. BVerfG StV 2002, 521) genommen. Der Verteidiger kann im Strafprozeß entsprechend § 140 Abs. 1 StPO nur dann sinnvoll ?mitwirken' und die Interessen des Angekl. wirksam wahrnehmen, wenn er den Sachverhalt ausreichend kennt, genügend über die Einlassung des Angekl. zur Anklage unterrichtet ist und ein klares Bild von den Möglichkeiten gewonnen hat, die für eine sachgemäße Verteidigung bestehen. Zwar hatte RA G. (ersichtlich ohne Akteneinsicht) in der Hauptverhandlung v. 21. 1. 2003 mehrere Beweisanträge gestellt, die aber alle, wie die Revision in anderem Zusammenhang aufzeigt, von der StrK abgelehnt worden sind. Gerade auch deshalb besteht die Möglichkeit, daß der Wahlverteidiger nach Akteneinsicht und weiterer Information durch den Angekl. auch noch gegen Ende der Beweisaufnahme sachgerechte Maßnahmen hätte veranlassen oder weitere für den Angekl. sprechende Gesichtspunkte im Plädoyer hätte aufzeigen können, zumal das LG seine Überzeugung von der Täterschaft des Angekl. mit bedenklicher Begründung auch auf die Persönlichkeit des Angekl. und seinen Eindruck von ihm in der Hauptverhandlung stützt. Auf Grund der Gesamtumstände mußte dem Verteidiger nach der Akteneinsicht die Möglichkeit einer Besprechung mit dem Angekl. gewährt werden. Eine solche Besprechung wurde durch die rechtswidrige Ingewahrsamnahme des Angekl. am 21. 1. 2003 i. V. m. der Verweigerung einer geringfügigen Verschiebung des Hauptverhandlungstermins v. 23. 1. 2003 unmöglich gemacht. Damit wurde der Angekl. schwerwiegend in seinem Recht auf angemessene Verteidigung beeinträchtigt. ...2 (BGH, Beschluss vom 14.01.2004 - 2 StR 315/03).
Der während einer Hauptverhandlung neu bestellte Verteidiger hat es als unabhängiges Organ der Rechtspflege, das die Verteidigung selbständig führt, in erster Linie selbst und in eigener Verantwortung zu beurteilen, ob er für die Erfüllung seiner Aufgabe hinreichend informiert und vorbereitet ist. Es ist grundsätzlich nicht Sache des Gerichts, dies zu überprüfen. § 338 Nr. 5 StPO liegt nur bei körperlicher Abwesenheit oder erkennbarer Verhandlungsunfähigkeit des Verteidigers im Falle einer notwendigen Verteidigung vor. Für die Annahme, die Verteidigung sei in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt worden (§ 338 Nr. 8 StPO), genügt es nicht, wenn die Beschränkung der Verteidigung generell (abstrakt) geeignet ist, die gerichtliche Entscheidung zu beeinflussen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist § 338 Nr. 8 StPO vielmehr nur dann gegeben, wenn die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem Verfahrensverstoß und dem Urteil konkret besteht (BGH NStZ 2000, 212).
Beanstandet der Angeklagte einen die Aussetzung der Hauptverhandlung nach § 228 I StPO ablehnenden Gerichtsbeschluß als rechtsfehlerhaft, so kann er die Revision hierauf nur stützen, wenn er geltend macht, durch die Nichtaussetzung in einem für die Verteidigung wesentlichen Punkt unzulässig beschränkt worden zu sein (BGH StV 1996, 527).
Die Verhinderung des Pflichtverteidigers, der das Vertrauen des Angeklagten genießt, zwingt grundsätzlich nicht zur Aussetzung der Hauptverhandlung. Das Gericht ist jedoch gehalten, sich um einen mit dem Pflichtverteidiger abgestimmten Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung ernsthaft zu bemühen (BGH NJW 1992, 849).
*** (OLG)
Das Interesse des Angeklagten an seiner Verteidigung durch einen Rechtsanwalt einerseits und das Interesse der Justiz an einer möglichst reibungslosen Durchführung des Verfahrens andererseits sind gegeneinander abzuwägen, wobei dem Verteidigungsinteresse im Zweifel Vorrang gebührt. Das gilt insbesondere dann, wenn der Verteidiger wegen einer plötzlichen Erkrankung an der Hauptverhandlung nicht teilnehmen kann (OLG Koblenz, Beschluss vom 10.09.2009 - 2 SsRs 54/09 zu StPO §§ 228, 265, 137).
***
Der Angeklagte und nicht das Gericht bestimmt die Person des Wahlverteidigers. Diesem Umstand ist bei der Entscheidung über einen Terminsverlegungsantrag wegen anderweitiger Verhinderung Rechnung zu tragen (OLG Koblenz, Beschluss vom 27.07.2009 - 1 Ss 102/09 zu StPO §§ 228 Abs. 2, 329, 412):
?... I. Die Revision des Angekl. richtet sich gegen das Urteil des LG Koblenz v. 27. 11. 2008, mit dem seine Berufung gegen das gem. § 412 StPO ergangene Verwerfungsurteil des AG Mayen v. 09. 04. 2008 als unbegründet verworfen wurde. ...
Mit Strafbefehl des AG v. 22. 02. 2008 wird dem Angekl. zur Last gelegt, am 29. 10. 2007 durch die fahrlässige Verursachung eines Verkehrsunfalls drei Menschen teils schwer verletzt zu haben. ...
Bereits am 07. 11. 2007 hatte der Angekl. RA Dr. F. mit seiner Verteidigung beauftragt. Der Verteidiger gehört zwar einer Kanzlei mit zahlreichen Rechtsanwälten an; die Vollmacht ist jedoch auf ihn allein beschränkt. Mit Schriftsatz v. 08. 01. 2008 an die StA hatte er die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO beantragt.
Nachdem der Angekl. gegen den Strafbefehl form- und fristgerecht Einspruch eingelegt hatte, bestimmte das AG - ohne vorherige Kontaktaufnahme mit dem Verteidiger - Hauptverhandlungstermin auf den 09. 04. 2008, 11:30 Uhr.
Die dem Angekl. ordnungsgemäß zugestellte Ladung ging dem Verteidiger an 18. 03. 2008 zu. Dieser teilte mit Faxschreiben v. 19. 03. 2008 mit, er habe am 09. 04. 2008 einen schon seit längerem anberaumten Gerichtstermin bei dem AG H. wahrzunehmen; der Gerichtstermin ?ist daher aufzuheben'. Diese Eingabe blieb beim AG mehr als zwei Wochen unbearbeitet liegen.
Die zuständige Richterin reagierte erst mit Schreiben v. 07. 04. 2008 an den Verteidiger
?... bleibt der Hauptverhandlungstermin vorläufig bestehen.
a) Sie sind eine Anwaltskanzlei mit 23 Anwälten, sodaß ich davon ausgehe, daß einer der Kollegen sicherlich den Termin wahrnehmen kann, insbes. da es sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt handelt.
b) Es muß festgestellt werden, daß bisher in jedem Verfahren, das beim AG - Strafrichter/Jugendrichter - in Mayen anhängig war, von Ihnen ein Antrag auf Aufhebung des anberaumten Termins gestellt wurde.'
Mit Schreiben v. 08. 04. 2008 wies RA F. darauf hin, daß er alleiniger Verteidiger sei und sich nicht teilen könne; die Behauptung, bisher seien in jedem Verfahren Verlegungsanträge gestellt worden, sei unrichtig; tatsächlich gestellte Anträge seien immer sachlich begründet gewesen. Zugleich lehnte er namens seines Mandanten die Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
Obwohl beim AG Mayen bekannt sein mußte, daß RA Dr. F. entweder beim AG H. bzw. auf dem Weg dorthin oder auf dem Weg nach Mayen ist, wurde die dienstliche Erklärung der abgelehnten Richterin am 09. 04. 2008 um 10:27 Uhr mit einer Frist zur Stellungnahme bis 11:15 Uhr per Fax in die Kanzlei des - dort nicht anwesenden - Verteidigers übermittelt. Nach Fristablauf wurde das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen.
Zu Beginn der Hauptverhandlung um 11:32 Uhr waren weder der Angekl. noch sein Verteidiger anwesend. Daraufhin wurde der Einspruch gem. § 412 StPO verworfen.
Gegen die Verwerfung legte der Angekl. ?Rechtsmittel' ein und beantragte außerdem Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er trug u.a. vor, sein Verteidiger habe bereits vor Zugang der Ladung durch das AG Mayen mit einem Richter vom AG H. mehrere Hauptverhandlungstermine für den 09. 04. 2008 von 10:00 Uhr bis 11:30 Uhr abgesprochen gehabt und diese auch wahrgenommen. Er - der Angekl. - sei von seinem Verteidiger dahingehend informiert worden, daß er zum Termin vor dem AG Mayen nicht erscheinen müsse.
Obwohl überhaupt noch keine Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ergangen war - die Entscheidung des AG erging am 02. 02. 2009, die ebenfalls für den Angekl. negative Beschwerdeentscheidung am 16. 04. 2009 -, bestimmte die Vors. der BerufungsK entgegen § 315 Abs. 2 S. 2 StPO Hauptverhandlungstermin auf den 27. 11. 2008. Mit Urteil v. selben Tage wurde die Berufung als unbegründet verworfen. In den schriftlichen Urteilsgründen heißt es:
Der Angekl. ist der Auffassung, sein Fernbleiben in der Hauptverhandlung I. Instanz sei entschuldigt. Sein Verteidiger habe ihm - was dieser im übrigen bestätigt hat - seinerzeit erklärt, er brauche der gerichtlichen Ladung keine Folge leisten, weil das AG verpflichtet sei, den Termin zu verlegen. Auf diese Auskunft habe er vertraut und auch vertrauen dürfen, wenngleich ihm durchaus bekannt gewesen sei, daß der Verlegungsantrag abgelehnt worden sei.
Zu Recht hat das AG den Einspruch gem. § 412 S. 1 StPO verworfen, weil der Angekl. ohne Entschuldigung der Hauptverhandlung ferngeblieben ist. Dem Angekl. ist der Vorwurf der schuldhaften Pflichtverletzung zu machen.
Er durfte nämlich nicht der - fehlerhaften - Auskunft seines Verteidigers vertrauen, sondern wäre vielmehr gehalten gewesen, der gerichtlichen Ladung Folge zu leisten bzw. sich bei dem Gericht danach zu erkundigen, ob die Hauptverhandlung stattfindet und er erscheinen muß. Dies gilt umso mehr, als er wußte, daß das Gericht den Verlegungsantrag abgelehnt und er auch keine Abladung erhalten hatte (vgl. Meyer-Goßner, Kommentar zur StPO, 51. Aufl., § 315 Rn. 29 m.w.N.).'
II. Die hiergegen gerichtete Revision des Angekl. hat Erfolg und die Aufhebung beider bisher ergangener Urteile zur Folge.
1. Der Begriff ?genügende Entschuldigung' darf nicht eng ausgelegt werden. § 329 Abs. 1 S. 1 StPO, der im Strafbefehlsverfahren entsprechend anzuwenden ist (§ 412 S. 1 StPO) enthält eine Ausnahme von der Regelung, daß ohne den Angekl. nicht verhandelt werden darf, und birgt die Gefahr eines sachlich unrichtigen Urteils in sich. Deshalb ist bei der Prüfung der vorgebrachten oder vorliegenden Entschuldigungsgründe eine weite Auslegung zugunsten des Angekl. angebracht. Eine Entschuldigung ist dann genügend, wenn die im Einzelfall abzuwägenden Belange des Angekl. einerseits und seine öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung andererseits den Entschuldigungsgrund als triftig erscheinen lassen, d.h. wenn dem Angekl. unter den gegebenen Umständen ein Erscheinen billigerweise nicht zumutbar war und ihm infolgedessen wegen seines Fernbleibens auch nicht der Vorwurf schuldhafter Pflichtverletzung gemacht werden kann.
Ebenso wie die Berufungsverwerfung nach § 329 Abs. 1 S. 1 StPO dient die Einspruchsverwerfung nach § 412 StPO der Beschleunigung des Verfahrens. Es soll verhindert werden, daß ein Angekl. allein durch sein Ausbleiben die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts hinauszögern kann (KK-Ruß, StPO, 6. Aufl., § 329 Rn. 1 m.w.N.). Das Gesetz nimmt im Interesse der erstrebten Beschleunigung des Verfahrens die Möglichkeit in Kauf, daß ein sachlich unrichtiges Urteil bzw. ein sachlich unrichtiger Strafbefehl nur wegen des nicht genügend entschuldigten Ausbleibens des Angekl. rechtskräftig wird. Die beiden sich widerstreitenden Grundsätze, einerseits das Bedürfnis nach Verfahrensbeschleunigung, andererseits aber das Streben nach einer möglichst gerechten Entscheidung, sind bei der Auslegung im Einzelfall zu beachten und zueinander ins rechte Verhältnis zu setzen.
2. Im konkreten Fall ist, was das Berufungsgericht übersehen hat, zu beachten, daß die Hauptverhandlung vor dem AG überhaupt nicht hätte stattfinden dürfen, weil die Ablehnung des Terminsverlegungsantrags willkürlich gewesen war. Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls war dem Angekl. ein Erscheinen im Termin ohne Verteidiger auch in Kenntnis der Ablehnung des Terminsverlegungsantrags unzumutbar.
a) Vorab ist auf die Selbstverständlichkeit hinzuweisen, daß sich das Verfahren gegen den Angekl. und nicht gegen seinen Verteidiger richtet. Ob sich RA Dr. F. in der Vergangenheit - zu Recht oder zu Unrecht - durch Terminsverlegungsanträge, forsche Formulierungen in Schriftsätzen (?ist daher aufzuheben') oder durch was auch immer den Unmut des Gerichts zugezogen hat, ist somit völlig unerheblich und muß von einem Gericht bei seiner Entscheidung gänzlich ausgeblendet werden. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, daß dann, wenn es in der Vergangenheit tatsächlich zu einer Häufung von Terminsverlegungsanträgen gekommen sein sollte, dem durch Terminsabsprachen entgegengewirkt hätte werden können.
b) Nach § 137 Abs. 1 S. 2 StPO kann sich der Besch. (Angekl.) in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers seiner Wahl bedienen, und zwar unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 140 StPO vorliegen (BayObLG StV 1995, 10; OLG Frankfurt StV 1998, 13). Dieses aus der Verfassung abgeleitete Recht sichert seinen Anspruch auf ein faires Verfahren (BVerfG NJW 1984, 2403 m.w.N.). Zwar bestimmt § 228 Abs. 2 StPO für den Fall der nicht notwendigen Verteidigung, daß die Verhinderung des Verteidigers dem Angekl. keinen Anspruch auf Aussetzung der Hauptverhandlung gibt. Rechtsstaatliche Prinzipien setzen der Anwendbarkeit dieser Vorschrift jedoch Grenzen (BVerfG a.a.O.).
c) Dieses Recht des Angekl. hat das AG bei seiner Entscheidung über den Terminsverlegungsantrag willkürlich mißachtet; sachliche Gründe für eine Ablehnung enthält das Schreiben v. 07. 04. 2008 nicht.
(1) Der Angekl. und nicht das Gericht bestimmt die Person des Wahlverteidigers. Es ist deshalb völlig unerheblich, wie viele Rechtsanwälte in derselben Kanzlei tätig sind wie der Verteidiger. RA Dr. F. war und ist ausweislich der in den Akten befindlichen Vollmacht der einzige Verteidiger des Angekl. und hatte ihn von Anfang an vertreten.
(2) Im konkreten Fall kommt noch hinzu, daß das AG sich mehr als zwei Wochen Zeit gelassen hatte, um dann erst unmittelbar vor dem Termin auf einen rechtzeitig gestellten Terminsverlegungsantrag zu reagieren. Bei einer Ablehnung in der 8. Kalenderwoche wäre es RA Dr. F. eventuell noch möglich gewesen, beim AG H. unter Hinweis auf die Unnachgiebigkeit der Richterin in Mayen um eine Terminsverlegung zu bitten. Am 07. oder 08. 04. 2008 war er dazu nicht mehr gehalten. Auf der anderen Seite war es dem Angekl. nicht zuzumuten, unmittelbar vor der Hauptverhandlung einen anderen, mit der Sache nicht vertrauten RA mit seiner Verteidigung zu beauftragen.
(3) Ein einfach gelagerter Sachverhalt lag bereits deshalb nicht vor, weil es bisher keinerlei Ermittlungen zur Unfallursache gegeben hat. Die Behauptung im Strafbefehl, der Unfall sei für den Angekl. ?vorhersehbar und bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt vermeidbar' gewesen, ist durch keine einzige Tatsache untermauert.
d) Ob dem Angekl. auch vor dem Hintergrund der Richterablehnung, auch wenn er von dem übereilt und prozessual zumindest fragwürdig abgewickelten Zwischenverfahren keine Kenntnis haben konnte, ein Erscheinen vor Gericht ohne Anwalt des Vertrauen unzumutbar war (s. dazu OLG Hamm, StV 1996, 11), kann hier dahinstehen. ..."
***
? ... Nach § 228 Abs. 1 StPO ist die Aussetzung der Hauptverhandlung grundsätzlich zulässig, wenn Beschleunigungs- und die Konzentrationsmaxime nicht entgegenstehen. Diese gebieten grundsätzlich, daß eine einmal begonnene Hauptverhandlung zügig und unter Vermeidung unnötiger Verzögerungen zu Ende geführt wird (Gollwitzer in LR, StPO, 25. A., § 228 Rdnr. 8 f., Kleinknecht/Meyer-Goßner, a. a. O., jew. m. w. N.). Die gesetzlich vorgesehenen (Ausnahme)Fälle der Aussetzung der Hauptverhandlung stellen zwar keine abschließende Regelung dar. Eine Aussetzung kommt jedoch - über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus - nur in Betracht, wenn dies zur Förderung des Verfahrens, insbes. zur besseren Sachaufklärung, oder zur Wahrung von Verfahrensrechten der Beteiligten geboten erscheint. Insoweit ist eine Abwägung vorzunehmen. ... " (OLG Hamm 2002, 404).
Bevor der Tatrichter sich zur Aussetzung der Hauptverhandlung entschließt, muß er prüfen, ob der Verfahrenszweck nicht bereits durch eine Unterbrechung der Hauptverhandlung erreicht werden kann. Die Weiterverhandlung ohne den Angeklagten ist solange zulässig, wie der Tatrichter bei pflichtgemäßer Prüfung von der Fortdauer der Umstände ausgehen darf, die ihn zur Anwendung des § 231 Abs. 2 StPO veranlaßt haben. Es stellt eine Verhandlung zur Sache dar, wenn in dem Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung nach deren Unterbrechung über die Frage der Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten und/oder darüber verhandelt wird, ob die Voraussetzungen über die Zulässigkeit der Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten noch gegeben sind. Die Hemmung des Laufs der Unterbrechungsfrist nach § 229 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 StPO tritt auch dann ein, wenn der Verlauf der vom Angeklagten schuldhaft verursachten Erkrankung, die zu seiner bereits länger andauernden Verhandlungsunfähigkeit und zur Weiterführung der Hauptverhandlung in dessen Abwesenheit geführt hat, die Unterbrechung der Hauptverhandlung notwendig macht, um zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten weiterhin vorliegen (OLG Düsseldorf StV 1997, 282 f).
Über einen Aussetzungsantrag gem. § 228 Abs. 1 S. 1 StPO hat das Gericht grundsätzlich noch vor der Urteilsverkündung zu befinden, damit die Beteiligten Gelegenheit haben, andere Anträge zu stellen. Das gilt insbesondere vor Verwerfung der Berufung des ausgebliebenen Angeklagten in einem durch Strafbefehl eingeleiteten Verfahren, wenn der anwesende Verteidiger Vertretungsvollmacht hat (OLG Köln StV 1992, 567).
Die Aussetzung der Hauptverhandlung ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, wenn sie ausschließlich dazu bestimmt ist, der weiteren Sachaufklärung oder der besseren Vorbereitung der Verfahrensbeteiligten zu dienen (OLG Köln StV 1991, 551 f).
Soll in der Hauptverhandlung zur Identifizierung des Betroffenen eine Gegenüberstellung durchgeführt werden, so ist bei Nichterscheinen des Verteidigers stets zumindest die übliche Wartezeit von 15 Minuten einzuhalten (OLG Köln, Beschluss vom 18.11.1983 - 3 Ss 658/83, StV 1984, 147).
Siehe auch unter ? Unterbrechung der Hauptverhandlung" und ?Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts".
Aussetzung des Haftbefehls § 116 StPO
(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich
1. die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
2. die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3. die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
4. die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.
(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.
(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112 a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.
(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn
1. der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
2. der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
3. neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... 1. a) In die materielle Freiheitsgarantie des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG darf nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen eingegriffen werden (Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG). Die formellen Gewährleistungen des Art. 104 GG stehen mit der materiellen Freiheitsgarantie des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in einem unlösbaren Zusammenhang (vgl.BVerfGE 10, 302 (322); 58, 208 (220); 105, 239 (247) ). Art. 104 Abs. 1 GG nimmt den schon in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG enthaltenen Gesetzesvorbehalt auf und verstärkt ihn für alle Freiheitsbeschränkungen, indem er neben der Forderung nach einem förmlichen Gesetz die Pflicht, die sich aus diesem Gesetz ergebenden Formvorschriften zu beachten, zum Verfassungsgebot erhebt (vgl.BVerfGE 10, 302 (323); 29, 183 (195); 58, 208 (220); 105, 239 (247) ). Verstöße gegen die durch Art. 104 GG gewährleisteten Voraussetzungen und Formen freiheitsbeschränkender Gesetze stellen daher stets auch eine Verletzung der Freiheit der Person dar (BVerfGE 10, 302 (323); 58, 208 (220); 65, 317 (321 f.)). Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze sind deshalb von den Gerichten so auszulegen und anzuwenden, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung entfalten (vgl.BVerfGE 65, 317 (322 f.); 96, 68 (97); 105, 239 (247)).
b) Das in § 116 Abs. 4 StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Mai 1993 - 1 Ws 456/93 -, StV 1993, S. 480 (481); OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207; KG, Beschluss vom 14. Oktober 1996 - 4 Ws 168/96 -, StraFo 1997, S. 27; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., 2005, § 116 Rn. 22; Boujong, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., 2003, § 116 Rn. 27; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116 Rn. 44), gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-)Garantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, StV 2006, S. 26 (27), 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (140) und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 15).
Ist ein Haftbefehl einmal unangefochten außer Vollzug gesetzt worden, so ist jede neue haftrechtliche Entscheidung, die den Wegfall der Haftverschonung zur Folge hat, nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 StPO möglich (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207). Der erneute Vollzug des Haftbefehls durch den Richter kommt nach Nr. 3 jener Vorschrift nur dann in Betracht, wenn neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 (280)). Dagegen kann eine lediglich andere Beurteilung des unverändert gebliebenen Sachverhalts einen Widerruf nicht rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, StV 2006, S. 26 (27), 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (140) und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 16; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 116 Rn. 44; Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1093).
2. "Neu" im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO sind nachträglich eingetretene oder nach Erlass des Aussetzungsbeschlusses bekannt gewordene Umstände nur dann, wenn sie die Gründe des Haftverschonungsbeschlusses in einem so wesentlichen Punkt erschüttern, dass keine Aussetzung bewilligt worden wäre, wenn sie bei der Entscheidung bereits bekannt gewesen wären (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207). Das maßgebliche Kriterium für den Widerruf besteht mit anderen Worten in einem Wegfall der Vertrauensgrundlage der Aussetzungsentscheidung (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ). Ob dies der Fall ist, erfordert vor dem Hintergrund der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) eine Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (vgl. hierzu auch OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513)).
Dabei sind die Grenzen, innerhalb derer eine Haftverschonung wegen neu hervorgetretener Umstände widerrufen werden kann, nach der einschlägigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte eng gesteckt (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493). Denn das Gericht ist an die Beurteilung der Umstände, auf denen die Aussetzung beruht, grundsätzlich gebunden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144 (145)). Lediglich eine nachträglich andere Beurteilung bei gleichbleibender Sachlage rechtfertigt den Widerruf nicht (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493). Vielmehr ist angesichts der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) die Schwelle für eine Widerrufsentscheidung grundsätzlich sehr hoch anzusetzen (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493). Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493) und das in ihn gesetzte Vertrauen (vgl. hierzu § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO), namentlich durch strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen, zu rechtfertigen (vgl. hierzu bereits Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (140 f.) und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 18).
3. Ein nach der Haftverschonung ergangenes (nicht rechtskräftiges) Urteil oder ein hoher Strafantrag der Staatsanwaltschaft können zwar geeignet sein, den Widerruf einer Haftverschonung und die Invollzugsetzung eines Haftbefehls zu rechtfertigen. Dies setzt jedoch voraus, dass von der Prognose des Haftrichters bezüglich der Straferwartung der Rechtsfolgenausspruch des Tatrichters oder die von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafe erheblich zum Nachteil des Angeklagten abweicht und sich die Fluchtgefahr dadurch ganz wesentlich erhöht (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, m.w.N.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207). Ob dies der Fall ist, ist durch Abwägung und Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513)). Die insoweit heranzuziehenden Umstände müssen sich jeweils auf die Haftgründe beziehen (vgl. näher Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116 Rn. 50). In Betracht kommen vor allem Fälle, in denen ein weiterer Haftgrund zu dem im Haftbefehl aufgeführten hinzutritt oder sich der dem Haftbefehl zugrunde liegende Haftgrund verschärft (vgl. Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1095).
Neu hervorgetretene Umstände können sich dagegen nicht auf den (dringenden) Tatverdacht beziehen (vgl. Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116 Rn. 50 m.w.N.). Dieser ist bereits Grundvoraussetzung für Erlass und Aufrechterhaltung jeden Haftbefehls (vgl. § 112 Abs. 1 StPO). Demgemäß ist ohne Bedeutung, dass sich der dem Haftbefehl oder der Anklage zugrunde gelegte dringende Tatverdacht aufgrund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung bestätigt hat und damit noch "dringender" geworden ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 27. Juli 1977 - 1 Ws 852/77 -, NJW 1978, S. 771 (772); OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144).
Der erneute Vollzug des Haftbefehls aufgrund von § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO kommt auch in Betracht, wenn ein Beschuldigter unerwartet streng verurteilt wird oder wenn sonstige (auch zeitlich vor dem Aussetzungsbeschluss entstandene) schwerwiegende Tatsachen nachträglich bekannt werden, die das Gericht, hätte es sie im Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung gekannt, zur Ablehnung der Haftverschonung veranlasst hätten (vgl. Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116 Rn. 50). War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, liegt kein Fall des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vor (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207: Sogar für den Fall einer lebenslangen Freiheitsstrafe; Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. November 1997 - 1 Ws 161/97 -, StV 1998, S. 31; Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; Beschluss vom 21. November 2001 - 1 AR 1438/01 - 3 Ws 609/01 -, ; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513); erst jüngst auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 (280)).
Vor dem Hintergrund, dass Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze so auszulegen und anzuwenden sind, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit angemessene Wirkung entfalten (vgl.BVerfGE 65, 317 (322 f.); 96, 68 (97); 105, 239 (247) ), fordert die Anwendung jener Norm nachvollziehbare Feststellungen dazu, von welcher Straferwartung der Beschuldigte im Zeitpunkt der Außervollzugsetzung des Haftbefehls ausging (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 30. Juni 1999 - 2 Ws 392/99 und 399/99 -, StraFo 1999, S. 322 f.). Bloße Mutmaßungen können insoweit nicht genügen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211 (212)). Selbst der Umstand, dass der um ein günstigeres Ergebnis bemühte Angeklagte infolge des Schlussantrages der Staatsanwaltschaft oder gar durch das Urteil selbst die Vergeblichkeit seiner Hoffnungen erkennen muss, kann einen Widerruf der Haftverschonung nicht rechtfertigen, sofern ihm die Möglichkeit eines für ihn ungünstigen Ausgangs während der Außervollzugsetzung des Haftbefehls stets vor Augen stand und er gleichwohl allen Auflagen beanstandungsfrei nachkam (vgl. Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1095; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513)). Insoweit setzt sich der vom Angeklagten auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand (vgl. § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO) als Ausprägung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung durch (vgl. bereits Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (141) und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 22).
4. Selbst wenn die Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vorliegen, bleibt infolge des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stets zu prüfen, ob statt einer Rücknahme der Haftverschonung nicht mildere Mittel der Verfahrenssicherung - namentlich eine Verschärfung der Auflagen - in Betracht kommen (vgl. Boujong, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., 2003, § 116 Rn. 32 a.E.).
II. Diesen sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ergebenden Anforderungen werden die angefochtenen Entscheidungen nicht gerecht. Weder das Landgericht noch das Oberlandesgericht haben in die von ihnen vorzunehmende Abwägung alle relevanten Gesichtspunkte mit dem ihnen von Verfassungs wegen zukommenden Gewicht einbezogen, die nach Lage der Dinge hätten einbezogen werden müssen. Vor allem haben sie nicht dargelegt, weshalb der Rechtsfolgenausspruch des Tatrichters vom 11. Mai 2007 von der Prognose des Haftrichters und dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft vom 9. Mai 2007 signifikant zum Nachteil des Beschwerdeführers abweicht und sich dadurch die Fluchtgefahr ganz wesentlich erhöht hat.
1. a) Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht haben den Widerruf der Außervollzugsetzung des Haftbefehls mit Beschluss vom 11. Mai 2007 in ihren Entscheidungen vom 30. Mai 2007 und 15. Juni 2007 im Wesentlichen damit begründet, dass mit der Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer (noch nicht rechtskräftigen) Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten ein neuer Umstand (§ 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO) eingetreten sei, der die Aufhebung der Außervollzugsetzung des Haftbefehls erforderlich mache, weil nunmehr die Gefahr, dass der Beschwerdeführer sich dem Verfahren entziehe, deutlich erhöht sei.
b) Damit haben beide Gerichte den oben beschriebenen verfassungsrechtlichen Rahmen des Widerrufs einer Haftverschonungsentscheidung (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG i.V.m. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG) verkannt. Sie haben einseitig auf die Höhe der ausgeurteilten Strafe abgestellt und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer durch das Befolgen der ihm erteilten Auflagen einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat und hierin grundsätzlich schutzwürdig ist, zu Unrecht nicht die ihm von Verfassungs wegen gebührende Bedeutung beigemessen. So haben sie im Ergebnis unberücksichtigt gelassen, dass der Beschwerdeführer nach der Haftverschonungsentscheidung über einen Zeitraum von acht Monaten hinweg Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren und das in ihn gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen und - wie sein gesamtes Verhalten während dieses Zeitraums zeigt - auch tatsächlich gerechtfertigt hat, obwohl er aufgrund der Schwere der ihm zur Last gelegten Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von vornherein mit einer mehrjährigen, einer Aussetzung zur Bewährung nicht mehr zugänglichen Freiheitsstrafe rechnen musste.
c) Auch der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in seinem Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 (280) ausdrücklich festgestellt, dass die mögliche Verurteilung als solche oder auch die Höhe einer zu erwartenden Strafe nicht als neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung des Angeklagten rechtfertigen, wenn schon bei der Aussetzungsentscheidung von der Möglichkeit der Verurteilung ausgegangen und für den Fall des Schuldnachweises mit einer erheblichen Freiheitsstrafe gerechnet worden war.
Nicht anders verhält es sich hier. Der Beschwerdeführer musste spätestens mit dem Erlass des Haftbefehls des Landgerichts am 2. Juni 2006 für den Fall eines Schuldnachweises - in den Worten des Landgerichts - "mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe" rechnen, "die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann". Mit Erhebung der Anklage zur Großen Strafkammer des Landgerichts am 27. November 2006 und nicht lediglich zum Schöffengericht, hatte sich die Wahrscheinlichkeit der Verurteilung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe nochmals deutlich erhöht. Erst recht gilt dies für den Zeitraum ab Erlass des Eröffnungsbeschlusses. Gleichwohl hat sich der Beschwerdeführer dem Verfahren weiter zur Verfügung gehalten und an allen Hauptverhandlungsterminen am 24. und 25. April sowie 4., 8., 9. und 11. Mai 2007 teilgenommen.
d) Besondere Bedeutung kommt insoweit dem Umstand zu, dass sich der Beschwerdeführer der Hauptverhandlung und Urteilsverkündung am 11. Mai 2007 gestellt hat, obwohl zuvor am 9. Mai 2007 die Staatsanwaltschaft in ihrem Schlussvortrag die Verhängung einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Vergewaltigung beantragt hatte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Risiko einer Bestrafung, das im Übrigen während des gesamten Verfahrens im Raum gestanden hatte, so sehr verdichtet, dass der Beschwerdeführer auf einen ihm günstigen Ausgang des Verfahrens nicht mehr vertrauen durfte. Mit der Teilnahme an der Urteilsverkündung hat der Beschwerdeführer daher für jedermann sichtbar dokumentiert, dass er sich dem Verfahren und einer gegebenenfalls drohenden Strafvollstreckung im Falle des Scheiterns der Revision unter allen Umständen zur Verfügung halten will (vgl. insoweit OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513) zu einer vergleichbaren Konstellation; siehe im Übrigen auch Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (142); Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 31). Weder das Landgericht noch das Oberlandesgericht haben dem die von Verfassungs wegen gebotene Bedeutung beigemessen. Im Gegenteil, ihre Ausführungen sind einzig und allein darauf gerichtet, den vom Beschwerdeführer auf der Grundlage von § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO gesetzten Vertrauenstatbestand zu negieren.
e) Allein der Umstand, dass der um ein günstigeres Ergebnis bemühte Angeklagte infolge des Schlussantrages der Staatsanwaltschaft oder gar durch das Urteil selbst die Vergeblichkeit seiner Hoffnungen erkennen muss, kann einen Widerruf der Haftverschonung nicht rechtfertigen, wenn ihm
- wie hier - die Möglichkeit eines für ihn ungünstigen Ausgangs während der Außervollzugsetzung des Haftbefehls stets vor Augen stand und er gleichwohl allen Auflagen beanstandungsfrei nachkam (vgl. Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1095; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513)). Insoweit setzt sich der vom Beschwerdeführer auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand (vgl. § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO) als Ausprägung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) durch (vgl. bereits Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (141) und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 32).
f) Der Beschwerdeführer ist weder unerwartet streng bestraft worden noch sind sonstige schwerwiegende Tatsachen nachträglich bekannt geworden. Er wurde am 11. Mai 2007 ausschließlich wegen derjenigen Taten verurteilt, die ihm bereits in den Haftbefehlen vom 19. Mai und 2. Juni 2006 sowie in der Anklageschrift vom 27. November 2006 zur Last gelegt wurden. Die Außervollzugsetzung des Haftbefehls ist auf Antrag der Staatsanwaltschaft in Kenntnis der Massivität der gegen den Beschwerdeführer bestehenden Vorwürfe erfolgt, obwohl die starken familiären Beziehungen des Beschwerdeführers in die Türkei und das dortige Vorhandensein einer mutmaßlich dem Sohn des Beschwerdeführers gehörenden Eigentumswohnung bekannt waren und von einem gesicherten wirtschaftlichen Einkommen des Beschwerdeführers auch in der Türkei bereits damals ausgegangen werden musste. Diese Umstände können dem Beschwerdeführer, sofern sich - wie hier - der Tatvorwurf nach der Außervollzugsetzung des Haftbefehls in keinem Punkt verändert hat und er allen Auflagen beanstandungsfrei nachgekommen ist, nicht als neu hervorgetretene Tatsachen im Sinne von § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO entgegengehalten werden.
g) Die angefochtenen Entscheidungen sind deshalb mit Bedeutung und Tragweite des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) nicht zu vereinbaren. Ob mildere Mittel der Verfahrenssicherung - namentliche eine Verschärfung der Auflagen - in Betracht kommen, haben weder das Landgericht noch das Oberlandesgericht geprüft. Auch dies verletzt das Grundrecht der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG).
2. Ohne jede Relevanz ist demgegenüber der Umstand, dass im Zeitpunkt der Außervollzugsetzung des Haftbefehls am 11. September 2006 die abschließende gutachterliche Stellungnahme zur Glaubwürdigkeit zur Aussage der Geschädigten noch nicht vorgelegen hat, sondern erst am 29. September 2006 erstellt wurde. Neu hervorgetretene Umstände können sich nicht auf den (dringenden) Tatverdacht beziehen (vgl. Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116 Rn. 50 m.w.N.). Dieser ist bereits Grundvoraussetzung für den Erlass und die Aufrechterhaltung jeden Haftbefehls (vgl. § 112 Abs. 1 StPO). Demgemäß ist ohne Bedeutung, dass sich der dem Haftbefehl oder der Anklage zugrunde gelegte dringende Tatverdacht aufgrund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung bestätigt hat und damit noch "dringender" geworden ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 27. Juli 1977 - 1 Ws 852/77 -, NJW 1978, S. 771 (772); OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144). Ungeachtet dessen drängt sich - jedenfalls vom Standpunkt des Landgerichts aus gesehen - die Frage auf, weshalb dieser Umstand dem Gericht nicht schon nach Eingang des Gutachtens im September 2006, sondern erst im Mai 2007 und damit über sieben Monate später Anlass zum Widerruf der Außervollzugsetzung des Haftbefehls gegeben hat.
3. Ohne jede Grundlage ist des Weiteren auch die Annahme des Oberlandesgerichts, der Beschwerdeführer habe ab der Außervollzugsetzung des Haftbefehls und seit Beginn der Hauptverhandlung nicht in gesteigertem Maße mit einer Verurteilung rechnen müssen oder doch zumindest auf eine Bewährungsstrafe vertrauen dürfen. Sowohl der Inhalt des Haftbefehls vom 2. Juni 2006 als auch der der Anklageschrift vom 27. November 2006, spätestens jedoch der Verlauf der Hauptverhandlung und der Antrag der Staatsanwaltschaft auf eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten stehen dem entgegen.
4. Untersuchungshaft ist keine antizipierte Strafhaft. Sie steht dieser weder in ihren Wirkungen noch in ihren Voraussetzungen gleich. Der Begünstigte einer Haftverschonungsentscheidung hat grundsätzlich Anspruch, die Rechtskraft des Urteils in Freiheit zu erwarten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 25). Diese verfassungsrechtliche Vorgabe ist auch für die Fachgerichte bindend; sie kann nicht unter Berufung auf eine wie auch immer geartete "richterliche Überzeugung" außer Kraft gesetzt werden.
III. 1. Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG durch den Widerruf der Außervollzugsetzung des Haftbefehls mit Beschluss des Landgerichts vom 11. Mai 2007, den Nichtabhilfebeschluss vom 30. Mai 2007 und die Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts vom 15. Juni 2007 festzustellen.
2. Der Beschluss des Oberlandesgerichts ist unter Zurückverweisung der Sache aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Das Oberlandesgericht hat unter Berücksichtigung der angeführten Gesichtspunkte, vor allem aber unter Beachtung des bereits im Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (140 f.) entwickelten und im Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 - Abs.-Nr. 14 ff. nochmals dargelegten Maßstabes erneut zu entscheiden. Liegen die Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO für einen Widerruf der Haftverschonung nicht vor, müssen die Beschlüsse des Landgerichts vom 11. Mai und 30. Mai 2007 aufgehoben und muss der Haftbefehl vom 2. Juni 2006 erneut außer Vollzug gesetzt werden. Der Beschwerdeführer ist in diesem Fall unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Allenfalls kann eine Verschärfung der Meldeauflagen in Betracht gezogen werden.
3. Angesichts der festgestellten Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG bedarf es keiner ausdrücklichen Entscheidung mehr, ob die angefochtenen Beschlüsse auch gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen. ..." (BVerfG, 2 BvR 1485/07 vom 15.8.2007, Absatz-Nr. (1 - 42), www.bverfg.de/entscheidungen/rk20070815_2bvr148507.html)
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?... Die Verfassungsbeschwerde betrifft den mittelbaren Widerruf eines Haftverschonungsbeschlusses durch Erlass eines neuen Haftbefehls wegen neu hervorgetretener Umstände im Sinne von § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO.
1. Dem Beschwerdeführer liegt zur Last, Einkommensteuern und Solidaritätszuschläge sowie Gewerbesteuern für die Veranlagungsjahre 1997 bis 2000 in Höhe von über 1,6 Mio. DM verkürzt zu haben. Gegen ihn wurde deshalb unter dem 1. Juli 2002 vom Amtsgericht Heidenheim ein auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützter Haftbefehl erlassen. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, der Beschwerdeführer sei spätestens im Sommer 1999 zusammen mit seiner Ehefrau nach Florida/USA übersiedelt. Gegenüber Zeugen habe er erklärt, dort seinen Altersruhesitz nehmen zu wollen. Nach seinen eigenen Angaben halte er sich spätestens seit Mitte 1999 in den Vereinigten Staaten auf. Das frühere Wohnhaus in S. habe er im Frühjahr 2000 veräußert. Bei seinen Aufenthalten in Deutschland nutze er eine angemietete Zwei-Zimmer-Wohnung.
2. Mit Beschluss vom 8. Juli 2002, geändert und ergänzt durch Beschluss vom 12. Juli 2002, setzte das Amtsgericht Heidenheim den Haftbefehl gegen Meldeauflagen, die Abgabe des Passes und die Hinterlegung einer Barkaution von 100.000 Euro und Erbringung einer Bankbürgschaft in Höhe von 250.000 Euro außer Vollzug. Über die Berechtigung der Steuerforderung ist ein Rechtsstreit beim Finanzgericht anhängig. Eine Entscheidung in der Hauptsache steht noch aus.
3. Nach Zustellung der Anklage im Juli 2004 erhob der Beschwerdeführer durch seinen Verteidiger Einwendungen. Am 18. März 2005 kam es zwischen den berufsmäßigen Mitgliedern der Strafkammer des Landgerichts, der Vertreterin der Staatsanwaltschaft, dem Verteidiger und dem Steuerberater des Beschwerdeführers zu einem Gespräch über eine absprachegemäße Erledigung der Strafsache. Dem Beschwerdeführer wurde eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt, wenn er eine Zahlung in Höhe von 1.000.000 DM (511.291,88 Euro) erbringe. Hiervon sollten 411.291,88 Euro auf die Steuerschuld und 100.000 Euro als Bewährungsauflage geleistet werden. Für den Fall, dass eine Verständigung nicht erzielt werden könne, stellte die Strafkammer gemäß der anwaltlichen Versicherung des Verteidigers ein Strafmaß in Höhe von dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe in Aussicht. Nach Rücksprache mit dem Beschwerdeführer stimmte der Verteidiger dieser Vereinbarung grundsätzlich zu. Im weiteren Verlauf stellte sich jedoch heraus, dass die Staatsanwaltschaft davon ausgegangen war, dass die 1.000.000 DM vom Beschwerdeführer zusätzlich - unabhängig von den bereits durch die Finanzbehörden beschlagnahmten Vermögenswerten - zu leisten seien. Hierzu war der Beschwerdeführer nicht imstande. Zugleich bestritt er die Behauptung der Finanzbehörden, noch über weiteres Vermögen in den USA zu verfügen. Eine Einigung kam nicht zustande.
4. Stattdessen fand nach Ergänzung der Anklage um den Veranlagungszeitraum 2000 - 2001 in der Zeit vom 20. September 2005 bis zum 18. Oktober 2006 das Hauptverfahren gegen den Beschwerdeführer statt, das sich auf insgesamt 32 Verhandlungstage erstreckte. Mit Beschluss vom 16. März 2006 hob das Landgericht die Meldeauflagen auf. Am 5. Oktober 2006 beantragte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft die Verhängung einer Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen Steuerhinterziehung. Der Verteidiger beantragte Freispruch.
5. Am 18. Oktober 2006 wurde der Beschwerdeführer vom Landgericht wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Anschließend begab er sich wieder in seine Wohnung nach N. zurück. Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt.
6. Unter dem 19. Oktober 2006 erließ das Landgericht einen neuen, auf den Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) gestützten Haftbefehl, der noch am gleichen Tage in der Wohnung des Beschwerdeführers vollstreckt wurde. Zur Begründung führte das Landgericht aus, der Beschwerdeführer habe bis zum Ende der Hauptverhandlung daran geglaubt, dass der Nachweis der vorsätzlichen Steuerhinterziehung nicht erbracht werden könne. Nunmehr sehe er sich einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren gegenüber. Er müsse befürchten, dass das Urteil rechtskräftig werde und er die Haftstrafe auch werde verbüßen müssen. Unabhängig hiervon habe er damit zu rechnen, dass er in den streitigen finanzgerichtlichen Verfahren, in denen es ebenfalls um die den Gegenstand des Steuerstrafverfahrens bildenden Forderungen gehe, unterliege und die Finanzbehörden auf seine verbliebenen, bereits in Beschlag genommenen inländischen Vermögenswerte endgültig Zugriff nähmen. Schon daraus ergebe sich ein sehr hoher Fluchtanreiz. Außerdem habe der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz auf Dauer nach Florida verlegt, um dort seinen Lebensabend zu verbringen. Seine Ehefrau lebe bereits dort. Die hiesige Geschäftstätigkeit habe er eingestellt und die Geschäfte auf seine Kinder übertragen. Diese könnten ihn und seine Frau jederzeit in Amerika besuchen. Nicht zuletzt befinde sich das ihm verbliebene oder an seine Ehefrau abgetretene Vermögen bereits in den Vereinigten Staaten. Angesichts dieser Umstände liege nichts näher als die Annahme, dass es der Beschwerdeführer im Zweifel vorziehen werde, sich in seine neue Heimat abzusetzen, um sich so seiner strafrechtlichen und sonstigen Inanspruchnahme zu entziehen. Um dies zu verhindern, bedürfe es der Anordnung und des Vollzuges der Untersuchungshaft. Mildere Maßnahmen reichten zur Sicherung der Verfahrensdurchführung nicht aus. Der hiergegen gerichteten Haftbeschwerde half das Landgericht mit Beschluss vom 26. Oktober 2006 nicht ab.
7. Mit Beschluss vom 3. November 2006 verwarf das Oberlandesgericht die auch bereits mit einer Verletzung von Grundrechten begründete Haftbeschwerde als unbegründet. Durch die Verkündung des Urteils habe sich für den Beschwerdeführer die Gefahr der Strafverbüßung wesentlich erhöht. Bis dahin habe er darauf hoffen können, dass die Strafkammer zu einem für ihn günstigen Beweisergebnis gelange. Dass der Beschwerdeführer dies auch tatsächlich erhofft habe, ergebe sich aus dem auf Freispruch lautenden Antrag im Plädoyer seines Verteidigers, dem er sich in seinem letzten Wort angeschlossen habe. Die Verurteilung stelle einen neu hervorgetretenen Umstand dar, der die (nach Außervollzugsetzung des früheren Haftbefehls des Amtsgerichts Heidenheim vom 1. Juli 2002 nunmehr erneute) Verhaftung des Beschwerdeführers erforderlich mache (§ 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO). Auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich in den Stunden nach der Urteilsverkündung in seine Wohnung in N. begeben habe und nicht sofort geflohen sei, stehe der Annahme von Fluchtgefahr nicht entgegen. Nachdem er anlässlich der Urteilsverkündung nicht verhaftet worden sei, habe er damit rechnen können, für eine zu planende Flucht noch mehrere Wochen Zeit zu haben. Zudem habe der Beschwerdeführer bereits im Februar 2000 sein Wohnhaus in S. verkauft, seinen Hausrat nach Florida verschiffen lassen und zuvor im Oktober 1999 seine Mitgliedschaft im "Bund der Steuerzahler" und im "Europaverband für Selbstständige" gekündigt, um seinen Ruhestand in den USA zu verbringen. Für den Aufenthalt in Deutschland stehe ihm und seiner Frau lediglich eine angemietete Wohnung in N. zur Verfügung. Mildere Maßnahmen als der Vollzug von Untersuchungshaft seien nicht geeignet, der Fluchtgefahr in ausreichendem Maße entgegenzuwirken. ...
1. a) In die materielle Freiheitsgarantie des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG darf nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen eingegriffen werden (Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG). Die formellen Gewährleistungen des Art. 104 GG stehen mit der materiellen Freiheitsgarantie des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in einem unlösbaren Zusammenhang (vgl.BVerfGE 10, 302 (322); 58, 208 (220); 105, 239 (247) ). Art. 104 Abs. 1 GG nimmt den schon in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG enthaltenen Gesetzesvorbehalt auf und verstärkt ihn für alle Freiheitsbeschränkungen, indem er neben der Forderung nach einem förmlichen Gesetz die Pflicht, die sich aus diesem Gesetz ergebenden Formvorschriften zu beachten, zum Verfassungsgebot erhebt (vgl.BVerfGE 10, 302 (323); 29, 183 (195); 58, 208 (220); 105, 239 (247) ). Verstöße gegen die durch Art. 104 GG gewährleisteten Voraussetzungen und Formen freiheitsbeschränkender Gesetze stellen daher stets auch eine Verletzung der Freiheit der Person dar (BVerfGE 10, 302 (323); 58, 208 (220); 65, 317 (321 f.)). Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze sind deshalb von den Gerichten so auszulegen und anzuwenden, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung entfalten (vgl.BVerfGE 65, 317 (322 f.); 96, 68 (97); 105, 239 (247)).
b) Das in § 116 Abs. 4 StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Mai 1993 - 1 Ws 456/93 -, StV 1993, S. 480 (481); OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207; KG, Beschluss vom 14. Oktober 1996 - 4 Ws 168/96 -, StraFo 1997, S. 27; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., 2005, § 116 Rn. 22; Boujong, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., 2003, § 116 Rn. 27; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116 Rn. 44), gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-)Garantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, StV 2006, S. 26 (27) und vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (140)).
Ist ein Haftbefehl einmal unangefochten außer Vollzug gesetzt worden, so ist jede neue haftrechtliche Entscheidung, die den Wegfall der Haftverschonung zur Folge hat, nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 StPO möglich (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207). Der erneute Vollzug des Haftbefehls durch den Richter kommt nach Nr. 3 jener Vorschrift nur dann in Betracht, wenn neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 (280)). Dagegen kann eine lediglich andere Beurteilung des unverändert gebliebenen Sachverhalts einen Widerruf nicht rechtfertigen (vgl. Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, StV 2006, S. 26 (27) und vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (140); OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 116 Rn. 44; Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1093).
2. "Neu" im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO sind nachträglich eingetretene oder nach Erlass des Aussetzungsbeschlusses bekannt gewordene Umstände nur dann, wenn sie die Gründe des Haftverschonungsbeschlusses in einem so wesentlichen Punkt erschüttern, dass keine Aussetzung bewilligt worden wäre, wenn sie bei der Entscheidung bereits bekannt gewesen wären (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000- 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207). Das maßgebliche Kriterium für den Widerruf besteht mit anderen Worten in einem Wegfall der Vertrauensgrundlage der Aussetzungsentscheidung (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ). Ob dies der Fall ist, erfordert vor dem Hintergrund der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) eine Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (vgl. hierzu auch OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513)).
Dabei sind die Grenzen, innerhalb derer eine Haftverschonung wegen neu hervorgetretener Umstände widerrufen werden kann, nach der einschlägigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte eng gesteckt (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493). Denn das Gericht ist an seine Beurteilung der Umstände, auf denen die Aussetzung beruht, grundsätzlich gebunden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144 (145)). Lediglich eine nachträglich andere Beurteilung bei gleichbleibender Sachlage rechtfertigt den Widerruf nicht (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493). Vielmehr ist angesichts der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) die Schwelle für eine Widerrufsentscheidung grundsätzlich sehr hoch anzusetzen (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493). Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493) und das in ihn gesetzte Vertrauen (vgl. hierzu § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO), namentlich durch strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen, zu rechtfertigen (vgl. hierzu bereits Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (140 f.)).
3. Ein nach der Haftverschonung ergangenes (nicht rechtskräftiges) Urteil oder ein hoher Strafantrag der Staatsanwaltschaft können zwar durchaus geeignet sein, den Widerruf einer Haftverschonung und die Invollzugsetzung eines Haftbefehls zu rechtfertigen. Dies setzt jedoch voraus, dass von der Prognose des Haftrichters bezüglich der Straferwartung der Rechtsfolgenausspruch des Tatrichters oder die von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafe erheblich zum Nachteil des Angeklagten abweicht und sich die Fluchtgefahr dadurch ganz wesentlich erhöht (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - m.w.N. ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207). Ob dies der Fall ist, ist durch Abwägung und Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513)). Die insoweit heranzuziehenden Umstände müssen sich jeweils auf die Haftgründe beziehen (vgl. näher Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116 Rn. 50). In Betracht kommen vor allem Fälle, in denen ein weiterer Haftgrund zu dem im Haftbefehl aufgeführten hinzutritt oder sich der dem Haftbefehl zugrunde liegende Haftgrund verschärft (vgl. Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1095).
Neu hervorgetretene Umstände können sich dagegen nicht auf den (dringenden) Tatverdacht beziehen (vgl. Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116 Rn. 50 m.w.N.). Dieser ist bereits Grundvoraussetzung für Erlass und Aufrechterhaltung jeden Haftbefehls (vgl. § 112 Abs. 1 StPO). Demgemäß ist ohne Bedeutung, dass sich der dem Haftbefehl oder der Anklage zugrunde gelegte dringende Tatverdacht auf Grund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung bestätigt hat und damit noch "dringender" geworden ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 27. Juli 1977 - 1 Ws 852/77 -, NJW 1978, S. 771 (772); OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144).
Der erneute Vollzug des Haftbefehls auf Grund von § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO kommt auch in Betracht, wenn ein Beschuldigter unerwartet streng verurteilt wird oder wenn sonstige (auch zeitlich vor dem Aussetzungsbeschluss entstandene) schwerwiegende Tatsachen nachträglich bekannt werden, die das Gericht, hätte es sie im Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung gekannt, zur Ablehnung der Haftverschonung veranlasst hätten (vgl. Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116 Rn. 50). War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, so liegt kein Fall des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vor (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207: sogar für den Fall einer lebenslangen Freiheitsstrafe; Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. November 1997 - 1 Ws 161/97 -, StV 1998, S. 31; Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; Beschluss vom 21. November 2001 - 1 AR 1438/01 - 3 Ws 609/01 - ; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513); erst jüngst auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 (280)).
Vor dem Hintergrund, dass Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze so auszulegen und anzuwenden sind, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit angemessene Wirkung entfalten (vgl.BVerfGE 65, 317 (322 f.); 96, 68 (97); 105, 239 (247) ), fordert die Anwendung jener Norm nachvollziehbare Feststellungen dazu, von welcher Straferwartung der Beschuldigte im Zeitpunkt der Außervollzugsetzung des Haftbefehls ausging (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 30. Juni 1999 - 2 Ws 392/99 und 399/99 -, StraFo 1999, S. 322 f.). Bloße Mutmaßungen können insoweit nicht genügen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211 (212)). Selbst der Umstand, dass der um ein günstigeres Ergebnis bemühte Angeklagte infolge des Schlussantrags der Staatsanwaltschaft oder gar durch das Urteil selbst die Vergeblichkeit seiner Hoffnungen erkennen muss, kann einen Widerruf der Haftverschonung nicht rechtfertigen, sofern ihm die Möglichkeit eines für ihn ungünstigen Ausgangs während der Außervollzugsetzung des Haftbefehls stets vor Augen stand und er gleichwohl allen Auflagen beanstandungsfrei nachkam (vgl. Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1095; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513)). Insoweit setzt sich der vom Angeklagten auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand (vgl. § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO) als Ausprägung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung durch (vgl. bereits Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (141)).
4. Selbst wenn die Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vorliegen, bleibt infolge des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stets zu prüfen, ob statt einer Rücknahme der Haftverschonung nicht mildere Mittel der Verfahrenssicherung - namentlich eine Verschärfung der Auflagen - in Betracht kommen (vgl. Boujong, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., 2003, § 116 Rn. 32 a.E.).
II. Diesen sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ergebenden Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht. Weder das Landgericht noch das Oberlandesgericht haben dargelegt, dass der Rechtsfolgenausspruch des Tatrichters vom 18. Oktober 2006 von der Prognose des Haftrichters oder dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft vom 5. Oktober 2006 zum Nachteil des Beschwerdeführers abweicht und sich dadurch die Fluchtgefahr ganz wesentlich erhöht hat.
1. Das Landgericht hat sich mit den Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO erst gar nicht befasst. Die Widerrufsvoraussetzungen einer Haftverschonungsentscheidung können jedoch nicht dadurch umgangen werden, dass kurzerhand ein neuer Haftbefehl erlassen wird, ohne den oben beschriebenen verfassungsrechtlichen Rahmen zu beachten. Ein solches Vorgehen verletzt das Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) des Beschwerdeführers. Untersuchungshaft ist keine antizipierte Strafhaft. Sie steht dieser weder in ihren Wirkungen noch in ihren Voraussetzungen gleich. Der Begünstigte einer Haftverschonungsentscheidung hat grundsätzlich Anspruch, die Rechtskraft des Urteils in Freiheit zu erwarten.
2. a) Das Oberlandesgericht hat die erneute Anordnung von Untersuchungshaft in seinem Beschluss vom 3. November 2006 allein damit begründet, dass mit der Verurteilung zu einer (noch nicht rechtskräftigen) Freiheitsstrafe von drei Jahren ein neuer Umstand (§ 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO) eingetreten sei, der die - erneute - Verhaftung des Beschwerdeführers erforderlich mache, weil nunmehr die Gefahr, dass er sich dem Verfahren entziehe, deutlich erhöht sei.
b) Damit ist das Oberlandesgericht dem oben beschriebenen verfassungsrechtlichen Rahmen des Widerrufs einer Haftverschonungsentscheidung nicht gerecht geworden. Es hat einseitig auf die Höhe der ausgeurteilten Strafe abgestellt und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer durch das Befolgen der ihm erteilten Auflagen einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat und hierin grundsätzlich schutzwürdig ist, zu Unrecht keine Bedeutung beigemessen. So hat es unberücksichtigt gelassen, dass der Beschwerdeführer nach der Haftverschonungsentscheidung des Amtsgerichts vom 12. Juli 2002 über vier Jahre hinweg Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren und das in ihn gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen und - wie sein gesamtes Verhalten während dieses Zeitraums zeigt - auch tatsächlich gerechtfertigt hat.
Auch der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in seinem Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 (280) ausdrücklich festgestellt, dass die mögliche Verurteilung als solche oder auch die Höhe einer zu erwartenden Strafe nicht als neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung des Angeklagten rechtfertigen, wenn schon bei der Aussetzungsentscheidung von der Möglichkeit der Verurteilung ausgegangen und für den Fall des Schuldnachweises mit einer erheblichen Freiheitsstrafe gerechnet worden war.
Der Beschwerdeführer musste spätestens nach dem Scheitern einer absprachegemäßen Erledigung der Strafsache im März 2005 von der Verhängung einer mehrjährigen - nach der anwaltlichen Versicherung seines Verteidigers dreieinhalbjährigen - Freiheitsstrafe ausgehen. Gleichwohl hat er sich dem Verfahren weiter zur Verfügung gehalten und an allen 32 Hauptverhandlungstagen teilgenommen. Nicht zuletzt auf Grund dieses Verhaltens hat das Landgericht mit Beschluss vom 16. März 2006 sämtliche Meldeauflagen aufgehoben. Auch mit der dadurch eingetretenen Verdichtung des vom Beschwerdeführer gesetzten Vertrauenstatbestandes hat sich das Oberlandesgericht nicht auseinander gesetzt.
Von Bedeutung ist des Weiteren, dass der Beschwerdeführer an der Hauptverhandlung und Urteilsverkündung vom 18. Oktober 2006 weiter teilgenommen hat, obwohl zuvor am 5. Oktober 2006 die Staatsanwaltschaft in ihrem Schlussvortrag die Verhängung einer Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen Steuerhinterziehung beantragt hatte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Risiko einer Bestrafung für den die Vorwürfe bestreitenden, aus seiner Sicht also einen Freispruch erwartenden, Beschwerdeführer deutlich erhöht. Auch hierauf ist das Oberlandesgericht nicht eingegangen.
Mit seiner Teilnahme an der Urteilsverkündung hat der Beschwerdeführer für jedermann sichtbar dokumentiert, dass er sich dem Verfahren und einer gegebenenfalls drohenden Strafvollstreckung im Falle des Scheiterns der Revision zur Verfügung halten will (vgl. insoweit OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513) zu einer vergleichbaren Konstellation; siehe im Übrigen auch Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (142)).
Allein der Umstand, dass der um ein günstigeres Ergebnis bemühte Angeklagte infolge des Schlussantrages der Staatsanwaltschaft oder gar durch das Urteil selbst die Vergeblichkeit seiner Hoffnungen erkennen muss, kann einen Widerruf der Haftverschonung nicht rechtfertigen, wenn ihm - wie hier - die Möglichkeit eines für ihn ungünstigen Ausgangs während der Außervollzugsetzung des Haftbefehls stets vor Augen stand und er gleichwohl allen Auflagen beanstandungsfrei nachkam (vgl. Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1095; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513)). Insoweit setzt sich der vom Beschwerdeführer auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand (vgl. § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO) als Ausprägung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) durch (vgl. bereits Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (141)). Der Beschwerdeführer ist weder unerwartet streng bestraft worden noch sind sonstige schwerwiegende Tatsachen nachträglich bekannt geworden.
c) Auch soweit das Oberlandesgericht eine Erhöhung des Fluchtanreizes damit zu begründen versucht, dass der Beschwerdeführer im Oktober 1999 seine Mitgliedschaft beim "Bund der Steuerzahler" wie auch im "Europaverband für Selbstständige" gekündigt und am 25. Februar 2000 sein Wohnhaus in S. verkauft und seinen Hausrat in die Vereinigten Staaten verbracht habe, um dort seinen Altersruhesitz zu begründen, und ihm für seinen Aufenthalt in Deutschland lediglich eine angemietete Wohnung zur Verfügung stehe, kann ihm nicht gefolgt werden. Diese Umstände rühren aus einem Zeitraum deutlich vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens im Frühjahr 2002 her. Die Außervollzugsetzung des Haftbefehls des Amtsgerichts vom 1. Juli 2002 ist in Kenntnis dieser Umstände erfolgt.
III. Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG durch den Haftbefehl des Landgerichts vom 19. Oktober 2006, den Nichtabhilfebeschluss vom 26. Oktober 2006 und die Haftfortdauerentscheidung des Oberlandesgerichts vom 3. November 2006 festzustellen.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts ist unter Zurückverweisung der Sache aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Das Oberlandesgericht hat unter Berücksichtigung der angeführten Gesichtspunkte, vor allem aber unter Beachtung des bereits im Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (140 f.) entwickelten und hier nochmals dargelegten Maßstabes (vgl. oben unter B. I. 1. bis 4.) erneut zu entscheiden. Liegen die Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO für einen Widerruf der Haftverschonung nicht vor, wovon nach gegenwärtigem Erkenntnisstand auszugehen ist, muss der Haftbefehl des Landgerichts vom 19. Oktober 2006 aufgehoben und der Beschwerdeführer unverzüglich aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Allenfalls kann eine Wiederherstellung der mit Beschluss des Landgerichts vom 16. März 2006 ausgesetzten Meldeauflagen in Betracht kommen.
Angesichts der festgestellten Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG bedarf keiner Entscheidung mehr, ob die angegriffenen Beschlüsse auch gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen. ..." (BVerfG, 2 BvR 2342/06 vom 29.11.2006, Absatz-Nr. (1 - 38), www.BVerfG.de/entscheidungen/rk20061129_2bvr234206.html)
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?... Das in § 116 Abs. 4 StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzugs eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben, gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-)Garantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht. ?Neu' im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO sind nachträglich eingetretene oder nach Erlass des Aussetzungsbeschlusses bekannt gewordene Umstände nur dann, wenn sie die Gründe des Haftverschonungsbeschlusses in einem so wesentlichen Punkt erschüttern, dass keine Aussetzung bewilligt worden wäre, wenn sie bei der Entscheidung bereits bekannt gewesen wären. Angesichts der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) ist die Schwelle für eine Widerrufsentscheidung grundsätzlich sehr hoch anzusetzen. Ein nach der Haftverschonung ergangenes (nicht rechtskräftiges) Urteil oder ein hoher Strafantrag der Staatsanwaltschaft können zwar durchaus geeignet sein, den Widerruf einer Haftverschonung und die Invollzugsetzung eines Haftbefehls zu rechtfertigen. Dies setzt jedoch voraus, dass von der Prognose des Haftrichters bezüglich der Straferwartung der Rechtsfolgenausspruch des Tatrichters oder die von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafe erheblich zum Nachteil des Angeklagten abweicht und sich die Fluchtgefahr dadurch ganz wesentlich erhöht. ..." (BVerfG im Fall El Motassadeq).
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Das in § 116 IV StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzugs eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben, gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-)Garantien, deren Beachtung Art. 104 I 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht. Ist ein Haftbefehl einmal unangefochten außer Vollzug gesetzt worden, so ist jede neue haftrechtliche Entscheidung, die den Wegfall der Haftverschonung zur Folge hat, nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 116 IV StPO möglich. Der erneute Vollzug des Haftbefehls durch den Richter kommt nach Nr. 3 jener Vorschrift nur dann in Betracht, wenn neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen. Dagegen kann eine lediglich andere Beurteilung des unverändert gebliebenen Sachverhalts einen Widerruf nicht rechtfertigen. ?Neu" i.S. des § 116 IV Nr. 3 StPO sind nachträglich eingetretene oder nach Erlass des Aussetzungsbeschlusses bekannt gewordene Umstände nur dann, wenn sie die Gründe des Haftverschonungsbeschlusses in einem so wesentlichen Punkt erschüttern, dass keine Aussetzung bewilligt worden wäre, wenn sie bei der Entscheidung bereits bekannt gewesen wären. Das maßgebliche Kriterium für den Widerruf besteht mit anderen Worten in einem Wegfall der Vertrauensgrundlage der Aussetzungsentscheidung. Ob dies der Fall ist, erfordert vor dem Hintergrund der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 II 2 GG) eine Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Die Grenzen, innerhalb derer eine Haftverschonung wegen neu hervorgetretener Umstände widerrufen werden kann, sind nach der einschlägigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte eng gesteckt. Denn das Gericht ist an seine Beurteilung der Umstände, auf denen die Aussetzung beruht, grundsätzlich gebunden. Lediglich eine nachträglich andere Beurteilung bei gleichbleibender Sachlage rechtfertigt den Widerruf nicht. Vielmehr ist angesichts der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 II 2 GG) die Schwelle für eine Widerrufsentscheidung grundsätzlich sehr hoch anzusetzen. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren und das in ihn gesetzte Vertrauen (vgl. hierzu § 116 IV Nr. 2 StPO), namentlich durch strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen, zu rechtfertigen. Ein nach der Haftverschonung ergangenes (nicht rechtskräftiges) Urteil oder ein hoher Strafantrag der Staatsanwaltschaft können zwar durchaus geeignet sein, den Widerruf einer Haftverschonung und die Invollzugsetzung eines Haftbefehls zu rechtfertigen. Dies setzt jedoch voraus, dass von der Prognose des Haftrichters bezüglich der Straferwartung der Rechtsfolgenausspruch des Tatrichters oder die von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafe erheblich zum Nachteil des Angeklagten abweicht und sich die Fluchtgefahr dadurch ganz wesentlich erhöht. Ob dies der Fall ist, ist durch Abwägung und Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Die insoweit heranzuziehenden Umstände müssen sich jeweils auf die Haftgründe beziehen. In Betracht kommen vor allem Fälle, in denen ein weiterer Haftgrund zu dem im Haftbefehl aufgeführten hinzutritt oder sich der dem Haftbefehl zugrundeliegende Haftgrund verschärft. Der erneute Vollzug des Haftbefehls auf Grund von § 116 IV Nr. 3 StPO kommt auch in Betracht, wenn ein Beschuldigter unerwartet streng verurteilt wird oder wenn sonstige (auch zeitlich vor dem Aussetzungsbeschluss entstandene) schwerwiegende Tatsachen nachträglich bekannt werden, die das Gericht, hätte es sie im Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung gekannt, zur Ablehnung der Haftverschonung veranlasst hätten. War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, so liegt kein Fall des § 116 IV Nr. 3 StPO vor. Selbst wenn die Voraussetzungen des § 116 IV Nr. 3 StPO vorliegen, bleibt infolge des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stets zu prüfen, ob statt einer Rücknahme der Haftverschonung nicht mildere Mittel der Verfahrenssicherung - namentlich eine Verschärfung der Auflagen - in Betracht kommen (BVerfG, Beschluss vom 01.02.2006 - 2 BvR 2056/05).
Die aus Art. 2 II 2 GG (Freiheit der Person) ableitbaren verfassungsrechtlichen Vorgaben gelten nicht nur für den vollstreckten Haftbefehl. Sie sind darüber hinaus auch für einen außer Vollzug gesetzten Haftbefehl (§ 116 StPO) von Bedeutung. Beschränkungen, denen der Beschuldigte durch Auflagen und Weisungen nach § 116 StPO ausgesetzt ist, dürfen nicht länger dauern, als es nach den Umständen erforderlich ist. Denn auch dann, wenn U-Haft nicht vollzogen wird, kann allein schon die Existenz eines Haftbefehls für den Beschuldigten eine erhebliche Belastung darstellen, weil sich mit ihm regelmäßig die Furcht vor einem (erneuten) Vollzug verbindet. Unabhängig von der Höhe einer zu erwartenden Strafe ist auch ein außer Vollzug gesetzter Haftbefehl aufzuheben, wenn in Folge einer vom Beschuldigten nicht zu vertretenden Verletzung des Beschleunigungsgebots das Verfahren bereits längere Zeit nicht gefördert wurde und darüber hinaus ungewiss ist, wann das Hauptsacheverfahren (neu) eröffnet und Termin zur Hauptverhandlung anberaumt werden kann. Bevorstehende, aber schon jetzt absehbare Verfahrensverzögerungen von völlig ungewisser Dauer sind wegen der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 II 2 GG) nicht anders zu behandeln als bereits eingetretene. Bei der Entscheidung über die Aufrechterhaltung eines außer Vollzug gesetzten Untersuchungshaftbefehls bei ungewissem Verfahrensfortgang sind etwa die Dauer einer vorher vollzogenen U-Haft (hier: 1 Jahr), die Anzahl der bereits (weitgehend nutzlos) durchgeführten Hauptverhandlungstage (hier: 44) und die für den Fall eines Tat- und Schuldnachweises im Raum stehende Straferwartung in die Abwägung einzubeziehen. Der inhaftierte Beschuldigte hat es nicht zu vertreten, wenn seine Strafsache nicht binnen angemessener Frist zum Abschluss gebracht werden kann, weil familiär bedingte personelle Veränderungen auf der Richterbank (hier: Schwangerschaft einer Beisitzerin) mit einer ordnungsgemäßen Bewältigung des Geschäftsanfalls in Haftsachen kollidieren. Bei der Entscheidung über die Aufrechterhaltung eines Haftbefehls ist deshalb in diesem Zusammenhang aufzuklären, warum der Einsatz eines Ergänzungsrichters nicht in Betracht kam und ob der Abbruch der Hauptverhandlung durch einen überobligationsmäßigen Einsatz der Richterbank, etwa durch zusätzliche Verhandlungstermine in den Abendstunden oder gegebenenfalls auch am Wochenende (samstags), hätte vermieden werden können. Wird die Entscheidung, einen außer Vollzug gesetzten Haftbefehl nicht aufzuheben, damit begründet, der Beschuldigte habe es in Folge seines extensiven Prozessverhaltens selbst zu vertreten, dass sein Verfahren nicht in angemessener Zeit habe abgeschlossen werden können, so muss das Gericht darlegen, dass die Verteidiger des Beschuldigten die Möglichkeiten der StPO in einer Weise genutzt haben, die mit der Wahrnehmung ihrer Aufgabe, den Beschuldigten vor einem materiellen Fehlurteil oder (auch nur) einem prozessordnungswidrigen Verhalten zu schützen, nicht mehr zu erklären ist. Sind Beginn, Dauer und Beendigung eines Verfahrens gegenwärtig in keiner Weise konkret absehbar, so ist dies bei der gebotenen Abwägung zwischen dem Interesse der Rechtspflege an der Aufrechterhaltung des Haftbefehls und den nach § 116 StPO erteilten Weisungen mit dem Freiheitsrecht des Beschuldigten nicht mehr hinnehmbar und muss zur Aufhebung des Haftbefehls und des Aussetzungsbeschlusses führen. Die Überlastung eines Gerichts fällt - anders als unvorhersehbare Zufälle und schicksalhafte Ereignisse - in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft. Der Staat kann sich dem Beschuldigten gegenüber nicht darauf berufen, dass er seine Gerichte nicht so ausstattet, wie es erforderlich ist, um die anstehenden Verfahren ohne vermeidbare Verzögerung abzuschließen. Hilft der Staat der Überlastung der Gerichte nicht ab, so muss er es hinnehmen und gegebenenfalls auch seinen Bürgerinnen und Bürgern erklären, dass mutmaßliche Straftäter auf freien Fuß kommen, sich der Strafverfolgung und Aburteilung entziehen oder erneut Straftaten von erheblichem Gewicht begehen (BVerfG, Beschluß vom 29.11.2005 - 2 BvR 1737/05)
*** (OLG)
In der Anordnung zusätzlicher Auflagen bei einem außer Vollzug gesetzten Haftbefehl liegt sachlich eine Entscheidung nach § 116 Abs. 4 StPO, die nur unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig ist, wenn sie faktisch eine Invollzugsetzung des Haftbefehls bedeutet (hier: nachträgliche Anordnung einer zusätzlichen Sicherheitsleistung in Höhe von 250 000 ?; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 24.03.2010 - 1 Ws 38/10).
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Ist ein Haftbefehl einmal unangefochten außer Vollzug gesetzt worden, so ist jede neue haftrechtliche Entscheidung, die den Wegfall der Haftverschonung zur Folge hat, nur unter den einschränkenden Voraussetzungen von § 116 Abs. 4 StPO möglich. Dies gilt anerkanntermaßen auch für den Fall, daß ein außer Vollzug gesetzter Haftbefehl aufgehoben und durch einen neuen ersetzt wird. Die Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls bzw. der Neuerlaß kommt daher nur dann in Betracht, wenn der Angeklagte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwider gehandelt oder Anstalten zur Flucht getroffen hat, wenn er auf ordnungsgemäße Ladungen ohne Entschuldigung ausbleibt oder wenn andere Umstände ergeben, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder wenn schließlich neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen (OLG Dresden, Beschluss vom 24.08.2009 - 3 Ss 214/09 zu StPO §§ 112 Abs. 2 Nr. 2, 116 Abs. 4).
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Eine ?Ausgangssperre' und das Verbot des Führens von Kfz können nach den Umständen des Einzelfalles zur Ausräumung von Wiederholungsgefahr (hier: Körperverletzungsdelikte) geeignet sein und als Haftverschonungsauflage erteilt werden (OLG Köln, Beschluss vom 04.08.2009 - 41 HEs 18/09 - 68 zu StPO §§ 112 Abs. 2 Nr. 2, 112a, 116 Abs. 1 u. 3).
***
Das Recht der Untersuchungshaft enthält keine eigenständige Regelung zum Begriff und zu den Folgen einer Haftunfähigkeit. In entsprechender Anwendung der in § 455 Abs. 4 StPO aufgestellten Grundsätze ist der Vollzug der Untersuchungshaft nicht zulässig, wenn er wahrscheinlich zu einer konkreten Lebensgefährdung oder zu erheblichen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen bei dem Untersuchungsgefangenen führen kann. Soweit sich eine medizinische Betreuung als notwendig erweist, kann diese in der Haft erfolgen. Es bedarf im Einzelfall einer Abwägung zwischen den Belangen des Beschuldigten sowie den staatlichen Interessen, wie sie in den jeweiligen Haftgründen ihren Ausdruck finden (OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.12.2005 - 1 Ws 1348/05, StV 2006, 314 f).
Hebt das Gericht einen außer Vollzug gesetzten Haftbefehl auf und erläßt es zugleich einen neuen zu vollziehenden Haftbefehl, so bedeutet dies der Sache nach den Widerruf der Haftverschonung, was nur unter den in § 116 Abs. 4 Nr. 1 - 3 StPO genannten Voraussetzungen zulässig ist. Ein neu hervorgetretener Umstand, der die Verhaftung erforderlich macht, liegt vor, wenn er die Gründe des Haftverschonungsbeschlusses. in einem wesentlichen Punkt erschüttert und den Richter bewogen hätte, keine Aussetzung zu bewilligen, wenn er ihn bei seiner Entscheidung schon gekannt hätte. Hat sich der bei Haftverschonung schon bestehende Verdacht einer weiteren Tat, die mit dem Vorwurf im Haftbefehl in engem Zusammenhang steht, später bis zur Schwelle des dringenden Tatverdachts verdichtet, so rechtfertigt dies zwar die Erweiterung der Haftgrundlage, nicht aber die Rücknahme der Haftverschonung. Beim Haftgrund der Fluchtgefahr ist nicht der Grad des Tatverdachts für die Höhe der (zu erwartenden) Strafe bestimmend, sondern die Tat- und Schuldschwere. Ferner wird der subjektive Fluchtanreiz für den Beschuldigten auch durch das Stadium des Verfahrens beeinflußt (hier: noch am Anfang stehende Ermittlungen; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.04.2005 - 3 Ws 114/05, StV 2005, 445).
Aus einem umfassenden Geständnis des Beschuldigten kann auf dessen Bemühen geschlossen werden, ?reinen Tisch' zu machen und sich dem Strafverfahren zu stellen, selbst wenn er nicht mehr mit der Verhängung einer bewährungsfähigen Freiheitsstrafe rechnet, aber seine Hoffnung auf die Ermöglichung eines künftigen offenen Vollzuges setzt (OLG Koblenz StV 2003, 171f).
Die zweimalige Verspätung eines Angeklagten um 55 bzw. 45 Minuten rechtfertigt beim Haftgrund der Fluchtgefahr nicht die Aufhebung der Haftverschonung. Bloße Nachlässigkeiten oder Versehen reichen als Widerrufsgrund nicht aus. Maßgeblich ist, ob der Angeklagte durch sein Verhalten den vorhandenen Haftgrund wieder verstärkt (KG StV 2002, 607 f).
Eine im Falle der Verurteilung zu erwartende Freiheitsstrafe ist angesichts der Anhängigkeit des Verfahrens beim Schöffengericht überschaubar. Die mögliche Anwendung des § 57 I StGB im Vollstreckungsverfahren für den Fall einer nicht mehr zur Bewährung auszusetzenden Freiheitsstrafe mindert den Fluchtanreiz (OLG Köln StV 2002, 553 f).
Ist der Haftbefehl einmal außer Vollzug gesetzt worden, so ist jede nachfolgende haftrechtliche Entscheidung, die den Wegfall der Haftverschonung zur Folge hat, nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 StPO möglich. Neu i. S. d. § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO sind Umstände, die die Gründe des Haftverschonungsbeschlusses in einem wesentlichen Punkt erschüttern und den Haftrichter bewogen hätten, keine Aussetzung zu bewilligen, wenn er sie bei seiner Entscheidung schon gekannt hätte. Ein nach der Haftverschonung ergangenes Urteil kann geeignet sein, den Widerruf der Haftverschonung und die Invollzugsetzung des Haftbefehls zu rechtfertigen, wenn die Prognose des Haftrichters bezüglich der Straferwartung von dem Rechtsfolgenausspruch des Tatrichters zum Nachteil des Angeklagten erheblich abweicht. Von einem neuen Umstand i. S. d. Abs. 4 Nr. 3 StPO kann jedoch nicht ausgegangen werden, wenn der Haftrichter bei seiner Aussetzungsentscheidung bereits von einer hohen Straferwartung ausging und sonstige für einen Widerruf sprechende Umstände fehlen (OLG Düsseldorf StV 2002, 207 f).
Auch bei einer erheblichen Straferwartung infolge einer noch nicht rechtskräftigen Verurteilung kann insbesondere eine längere Untersuchungshaftdauer und die Möglichkeit einer bedingten Strafaussetzung einen Fluchtanreiz so mindern, daß ein Haftbefehl auch dann außer Vollzug gesetzt werden kann, wenn der Angeklagte zwar Einwanderer ist, seine Rückkehr in sein Heimatland die Zukunftschancen seiner Kinder und den Bestand der Familie nachhaltig beeinträchtigen würde (OLG Frankfurt, Beschluss vom 31.03.2000 - 1 Ws 44/00, StV 2000, 372).
Auch bei dringendem Verdacht einer schweren Straftat (hier: schwerer Raub) kann der Haftbefehl wegen Fluchtgefahr bei Übernahme eines gewissen Risikos außer Vollzug gesetzt werden, wenn der betäubungsmittelabhängige Beschuldigte therapiebereit und gewährleistet ist, daß er unmittelbar nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft eine stationäre Drogentherapie antreten kann (OLG Hamm, Beschluss vom 08.06.1999 - 5 Ws 145/99, StV 1999, 606).
Die Aussetzung des Haftvollzuges darf nur unter den Voraussetzungen des § 116 IV StPO widerrufen werden. Die Anklageerhebung als solche stellt keinen neuen Umstand i.S.d. § 116 IV StPO dar. Der Umstand, daß der Angeschuldigte unter seiner Wohnanschrift für die fahndenden Behörden nicht mehr antreffbar ist, kann dahin gedeutet werden, daß er sich nicht dem Verfahren, sondern nur der - seines Erachtens ungerechtfertigten - erneuten Inhaftierung entziehen will (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.05.1999 - 3 Ws 95/99, StV 1999, 607).
*** (LG)
Realisiert sich durch eine Verurteilung diejenige Straferwartung, von der der Angeklagte u. a. infolge entsprechender Information durch seinen Verteidiger ausgegangen ist, liegen die Voraussetzungen für die Anordnung des Vollzugs eines auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützten Haftbefehls nicht vor (LG Hamburg, Beschluss vom 10.05.2006 - 603 Qs 255/06).
***
Kann ein vorgesehener Haftprüfungstermin nicht durchgeführt werden, weil eine Vorführung des Beschuldigten aus justizorganisatorischen Gründen nicht erfolgen kann, ist der Haftbefehl aufgrund rechtsstaatlicher Erwägungen außer Vollzug zu setzen (AG Hamburg-Harburg, Beschluss vom 22.02.2005 - 619 Ds 3200 Js 457/04 (48/05), StV 2005, 395).
Siehe auch unter ?Sicherheitsleistung".
Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe § 57 StGB
(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn
1. zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2. dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3. die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.
(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn
1. die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2. die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.
(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. 2Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.
(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.
(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die dem Verfall unterliegen oder nur deshalb nicht unterliegen, weil der verletzten Person aus der Tat ein Anspruch der in § 73 Abs. 1 Satz 2 bezeichneten Art erwachsen ist.
(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.
Leitsätze/Entscheidungen:
Eine Grundrechtswidrigkeit liegt nicht vor, wenn die Anwendung einfachen Rechts durch den hier zuständigen Richter zu einem Ergebnis geführt hat, über dessen ?Richtigkeit" sich streiten lässt. Dieser Maßstab gilt auch für die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung. Die Annahme der Fachgerichte, die Prognoseentscheidungen nach § 66 I Nr. 3 und § 57 I 1 Nr. 2 StGB seien verschieden, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die Auffassung, es bestehe deshalb keine innerprozessuale Bindungswirkung der Entscheidung über die Ablehnung der Anordnung der Sicherungsverwahrung im Urteil der späteren Beschlussfassung über die Aussetzung der der Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe nach § 57 I StGB (BVerfG, Beschluss vom 13.05.2003 - 2 BvR 517/03).
Eine Grundrechtswidrigkeit liegt nicht vor, wenn die Anwendung einfachen Rechts durch den hier zuständigen Richter zu einem Ergebnis geführt hat, über dessen ?Richtigkeit" sich streiten lässt. Dieser Maßstab gilt auch für die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung. Die Annahme der Fachgerichte, die Prognoseentscheidungen nach § 66 I Nr. 3 und § 57 I 1 Nr. 2 StGB seien verschieden, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die Auffassung, es bestehe deshalb keine innerprozessuale Bindungswirkung der Entscheidung über die Ablehnung der Anordnung der Sicherungsverwahrung im Urteil der späteren Beschlussfassung über die Aussetzung der der Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe nach § 57 I StGB (BVerfG, Beschluss vom 13.05. 2003 - 2 BvR 517/03 - Anm. der KD-Redaktion: Über was lässt sich nicht streiten?).
Der Strafvollstreckungsrichter darf im Verfahren nach §§ 454, 462 StPO seine Entscheidung gemäß § 57 Abs. 1 StGB nicht alleine darauf stützen, dass die Vollzugsbehörde - etwa auf der Grundlage bloßer pauschaler Wertungen oder mit dem Hinweis auf eine abstrakte Flucht- oder Missbrauchsgefahr - die Gewährung von Vollzugslockerungen zur Vorbereitung der Strafaussetzung versagt hat. Er hat vielmehr eigenständig zu prüfen, ob die Strafrestaussetzung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Vollzugslockerungen sind von Rechts wegen nicht notwendigerweise Voraussetzung für eine bedingte Entlassung. Ein anhängiges Ausweisungsverfahren vermag die Versagung von Lockerungen wegen Flucht- oder Missbrauchsgefahr nicht pauschal zu rechtfertigen. Bei einer derartigen Entscheidungspraxis ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass die Strafhaft in rechtsstaatlich unzulässiger Weise zur Abschiebehaft umfunktioniert und der Strafvollzug für ausländische Verurteilte zum bloßen ?Verwahrvollzug' wird (BVerfG, BVerfG, Beschluss vom 11.06.2002 - 2 BvR 461/02, StV 2003, 677 ff).
Mit zunehmender Dauer des Freiheitsentzugs gewinnt der Anspruch des Verurteilten auf Achtung seiner Menschenwürde und seiner freien Persönlichkeit zunehmendes Gewicht auch für die Anforderungen, die an die für eine Prognoseentscheidung im Rahmen des § 57 I StGB notwendige Sachverhaltsaufklärung zu stellen sind. Zur Frage, wann es verfassungsrechtlich geboten ist, die Bewährung in Vollzugslockerungen bei der Sozialprognose zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 17.06.1999 - 2 BvR 867/99, StV 1999, 548).
*** (BGH)
?... Das Oberlandesgericht hatte gegen den Verurteilten am 15. Juli 2008 wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit dem Versuch der Beteiligung an einem Mord eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verhängt. Durch den angefochtenen Beschluss hat es das Oberlandesgericht erneut - wie schon zuvor am 12. Mai 2010 - abgelehnt, den Rest dieser Freiheitsstrafe nach Verbüßung von mehr als zwei Dritteln zur Bewährung auszusetzen. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde des Verurteilten führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht; denn dieses durfte dem Verurteilten die Reststrafenbewährung nicht versagen, ohne sich zuvor gemäß § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO wiederum sachverständig beraten zu lassen.
1. Nach der genannten Vorschrift holt das Gericht das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten ein, wenn es erwägt, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB bezeichneten Art (hier: § 129b Abs. 1, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB sowie §§ 211, 30 StGB) zur Bewährung auszusetzen und nicht auszuschließen ist, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen. Die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung hatte das Oberlandesgericht vor seiner Entscheidung vom 12. Mai 2010 für gegeben erachtet, denn es hatte ein entsprechendes Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L. eingeholt und in seine Erwägungen einbezogen. Vor diesem Hintergrund hätte es die Aussetzung der Verbüßung des Strafrestes zur Bewährung nur dann ohne erneute Anhörung eines Sachverständigen ablehnen dürfen, wenn das damals erstattete Gutachten wegen der Kürze der seither verstrichenen Zeit noch eine verlässliche Entscheidungsgrundlage geboten hätte und insbesondere keine neuen Umstände hervorgetreten wären, die grundsätzlich geeignet sein könnten, die Legalprognose für den Verurteilten positiv zu beeinflussen (so gerade auch die vom Oberlandesgericht herangezogenen Beschlüsse des OLG Rostock vom 20. August 2002 - 1 Ws 336/02, NJW 2003, 1334, 1335 und des Thüring. OLG vom 3. Dezember 1999 - 1 Ws 366/99, NStZ 2000, 224).
Beides war hier nicht der Fall. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung vom 9. August 2011 waren seit dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen vom 8. Februar 2010 ein Jahr und sechs Monate und seit dessen mündlicher Anhörung vom 11. Mai 2010 nahezu ein Jahr und drei Monate vergangen, in denen durch den weiteren Strafvollzug resozialisierend auf den Verurteilten eingewirkt worden war. In dieser Zeit hatte der Verurteilte außerdem an einem Gruppentraining zur Förderung der sozialen Kompetenzen teilgenommen, das er nach der Bewertung der Kursleiterinnen positiv und mit sehr gutem Erfolg absolviert hatte. Außerdem steht er nunmehr in regelmäßigem Kontakt zu einem ehrenamtlichen Betreuer der Straffälligenhilfe, der ihm Unterstützung nach seiner Haftentlassung zugesagt hat. Bei dieser Sachlage hat das Oberlandesgericht den ihm durch § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO eingeräumten Beurteilungsspielraum (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2000 - StB 1/00, BGHR StPO § 454 Gutachten 3) überschritten, indem es die erneute Ablehnung der Reststrafenbewährung maßgeblich wieder auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L. vom 8. Februar 2010 stützte (BA S. 5), ohne zuvor diesen oder einen anderen Sachverständigen zu den neuen prognoserelevanten Umständen zu hören. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 8. Juni 2000 - 2 Ws 281-282/00, NStZ-RR 2000, 317, 318; OLG Stuttgart, Beschluss vom 12. Juni 2003 - 2 Ws 99/03, Justiz 2004, 123, 124).
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Das Oberlandesgericht führt in dem angefochtenen Beschluss unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 12. Mai 2010 zwar zutreffend aus, dass die Anforderungen an eine positive Legalprognose im Sinne des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 StGB umso höher angesetzt werden müssen, je gewichtiger die Rechtsgüter sind, die bei einem möglichen Rückfall des entlassenen Verurteilten verletzt oder gefährdet würden (BGH, Beschluss vom 25. April 2003 - StB 4/03, BGHR StGB § 57 Abs. 1 Erprobung 2). Diese dürfen indes auch nicht so hoch geschraubt werden, dass dem wegen eines Kapitalverbrechens oder eines Organisationsdelikts im Sinne der §§ 129a, 129b StGB Verurteilten letztlich kaum eine Chance auf eine vorzeitige Haftentlassung bleibt. Insbesondere darf die Ablehnung der Reststrafenbewährung nicht auf Umstände gestützt werden, auf die der Verurteilte keinen Einfluss hat. Daher wird das Oberlandesgericht nunmehr zu beachten haben, dass einer Arbeitsaufnahme des Verurteilten nach Haftentlassung gerade sein Eintrag im Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 entgegensteht. Sollten sonstige prognoserelevante Umstände der Aussetzung des Vollzugs der Reststrafe zur Bewährung nicht entgegenstehen, wird sie dem Verurteilten daher nicht mit Hinweis darauf versagt werden können, wegen der fehlenden Möglichkeit einer Arbeitsaufnahme bestehe die Gefahr seiner Rückkehr in sein früheres Umfeld "im Umkreis muslimischer Moscheen" und der dortigen Aufnahme in eine islamistisch-terroristische Gruppe. ..." ( BGH, Beschluss vom 04.10.2011 - StB 14/11)
*** (OLG)
?... Die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Strafrestes bereits nach Verbüßung der Hälfte der Strafe gem. § 57 Abs.2 Nr.2 StGB liegen nicht vor.
Besondere Umstände im Sinne der Vorschrift sind nur solche, die im Vergleich zu gewöhnlichen Milderungsgründen von besonderem Gewicht sind und eine Strafaussetzung trotz des erheblichen Unrechts - und Schuldgehalts der Tat, wie sich dieser in der Höhe der Strafe widerspiegelt, als nicht unangebracht und den strafrechtlichen geschützten Interessen nicht zuwiderlaufend erscheinen lassen.
(vgl. BGH NStZ 87, 21; Senat 08.06.2001 - 2 Ws 242/01 - ;13.06.2001 - 2 Ws 236/01 - ; 24.07.2001 - 2 Ws 332/01 -; 30.03.2004 - 2 Ws 140/04 -; 01.08.2006 -2 Ws 343/06 -; 20.07.2009 - 2 Ws 315/09 -; 30.11.2010 - 2 Ws 785/10-; Stree in Schönke-Schröder, StGB, 27. Aufl., § 57 Rdn. 23 b i. V. m. § 56 Rdn. 27 ff.).
Anders als bei einer Aussetzung des Strafrestes nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe (§ 57 Abs.1 Satz 1 StGB) fließen in die Bewertung auch Gesichtspunkte der Schuldschwere (vgl. Gribbohm in: LK, 11.Aufl., § 57 Rdn.54; Lackner, StGB, 22.Aufl., § 57 Rdn.20), der Generalprävention (BGHR StGB § 57 Abs.2 ?Versagung" 1; Tröndle/Fischer, StGB, 53.A., § 57, Rdn.29 a ) und der Verteidigung der Rechtsordnung (vgl. OLG München NStZ 1987,74) ein.
Gemessen an diesen Grundsätzen kann die Vollstreckung der Halbstrafe hier nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Die nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB gebotene Gesamtwürdigung rechtfertigt nicht eine Entlassung schon nach der Verbüßung der Hälfte der Strafe.
Die von der Strafvollstreckungskammer dem Verurteilten gestellte, vom Senat geteilte günstige Sozialprognose geht über die für eine Strafaussetzung ohnehin erforderliche günstige Prognose nicht in einem Maße hinaus, dass eine Halbstrafenaussetzung gerechtfertigt wäre. Den von der Strafvollstreckungskammer für maßgeblich gehaltenen Gesichtspunkten :
- das in vollem Umfang eingeräumte Tatgeschehen habe den Verurteilten aus der Bahn geworfen, er habe stets in heilender Absicht gehandelt und umstrittene Behandlungsmethoden nicht aus wirtschaftlichen Gründen angewendet, er habe aus der von ihm akzeptierten Verurteilung für sein Leben tiefgreifende Konsequenzen gezogen und werde sich nicht mehr als Arzt beruflich betätigen, sondern sehe seine Zukunft in seiner Tätigkeit als Ingenieur im familieneigenen Betrieb
- die günstige Stellungnahme der Leiterin der Justizvollzugsanstalt Euskirchen
ist in Übereinstimmung mit dem Beschwerdevorbringen im wesentlichen folgendes entgegenzuhalten:
Die beanstandungsfreie Führung im offenen Vollzug ist angesichts des sozialen Status, der Herkunft und des Bildungsstandes des Beschwerdeführers erwartbar und fällt im Rahmen der Gesamtwürdigung nicht maßgeblich ins Gewicht. Zu der Stellungnahme der Leiterin der Justizvollzugsanstalt Euskirchen vom 06.10.2011 ist überdies kritisch anzumerken, dass sie Gesichtspunkte aus dem Urteil aufgreift (nämlich die in allen Fällen gegebene heilende Absicht), die über die gebotenen Ausführungen zum Vollzugsverhalten sowie zum sozialen Empfangsraum hinausgehen.
Was die im Urteil zugunsten des Beschwerdeführers angenommene ?heilende Absicht" angeht, reicht dieser Umstand nicht ansatzweise an Rechtfertigungs- oder Schuldmilderungsgründe heran, die bei der Abwägung eine Rolle spielen können. Der Beschwerdeführer hat in einer Mischung aus Selbstüberschätzung, Überforderung und Blindheit gegenüber den Belangen seiner Patienten gehandelt. Die auch im Strafmaß zum Ausdruck kommende Schwere der Schuld kann mit ?heilender Absicht" nicht relativiert werden.
Das hat das Landgericht an anderer Stelle im Urteil auch mit aller Deutlichkeit damit ausgedrückt, dass der Angeklagte bei allen Taten unter grober Verletzung seiner ärztlichen Berufspflichten gehandelt habe. Soweit die Verteidigung im Schriftsatz vom 23.03.2012 meint, darauf hinzuweisen zu müssen, dass ?in der Mehrheit eine Verurteilung zu Körperverletzungsdelikten" erfolgt sei, stimmt diese Sichtweise angesichts der strafrechtlichen Verantwortung des Beschwerdeführers für den Tod von vier Menschen bedenklich.
Soweit die Verteidigung auf Entschädigungsleistungen verweist, liegt darin ein besonderer Umstand schon deswegen nicht, weil nach den vorgelegten Unterlagen bisher lediglich ein einziger Fall durch die Haftpflichtversicherung reguliert worden ist und wegen Ansprüche weiterer Geschädigter noch Regulierungsverhandlungen laufen sollen. Ein berücksichtigungswürdiger persönlicher Beitrag des Beschwerdeführers ist dem nicht zu entnehmen.
Die Entscheidung des Beschwerdeführers, auch nach Ablauf des Berufsverbots in den Arztberuf nicht zurückzukehren, vermag der Senat nicht ausschließlich als persönliche Läuterung zu werten. Bei realistischer Einschätzung ist dem Beschwerdeführer schon aufgrund seiner Verurteilung und der mit dem Verfahren verbundenen Berichterstattung in den Medien die Rückkehr in den Arztberuf faktisch verwehrt.
Der Senat erkennt an, dass der Beschwerdeführer sich als Ingenieur im familieneigenen Betrieb mit Erfindungsreichtum und Tatkraft eine neue Lebensgrundlage schafft, worin auch die Verantwortung gegenüber seiner Familie zum Ausdruck kommt. Die neue Aufgabe hat er allerdings bereits aus dem offenen Vollzug heraus angehen können, wobei er die damit verbundenen Erschwernisse als Folge seiner Straftaten tragen muß. Für eine Halbstrafenaussetzung bietet der berufliche Neuanfang - auch in Verbindung mit den übrigen für ihn sprechenden Umständen - aber keine ausreichende Rechtfertigung.
Die von der Verteidigung angeführte überlange Verfahrensdauer ist durch den Vollstreckungsabschlag von elf Monaten angemessen kompensiert worden, womit es sein Bewenden haben muß. Ähnliches gilt für die auf die Strafe anzurechnende Untersuchungshaft, auch wenn diese nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf nicht gerechtfertigt war. Soweit der Beschwerdeführer die Haftbedingungen während der Untersuchungshaft kritisiert, ist nicht ersichtlich, dass er insoweit Abhilfe verlangt hat.
Die mit dem Strafverfahren verbundene negative Berichterstattung in den Medien, die sicherlich auch die Familie des Beschwerdeführers beeinträchtigt hat, ist im Urteil - neben der verbüßten 6-monatigen Untersuchungshaft - als strafmildernd berücksichtigt worden. Ein besonderer Grund im Sinne von § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB liegt darin nicht. Der Beschwerdeführer hat sich das Medieninteresse mit allen nachteiligen Auswirkungen als Folge seines Fehlverhaltens letztlich auch selbst zuzuschreiben.
Der Halbstrafenaussetzung stehen aus Sicht des Senats entscheidend die Gesichtspunkte der Generalprävention und der Verteidigung der Rechtsordnung entgegen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf hat mit Recht darauf hingewiesen, dass Gegenstand des Strafverfahrens nicht lediglich ein einmaliges Versagen eines ansonsten zuverlässigen und untadeligen Arztes war, sondern es sich um eine Vielzahl innerhalb weniger Monate begangener Taten gehandelt hat, durch die in vier Fällen der Tod von Patienten verursacht worden ist, die sich dem Beschwerdeführer - einem Chefarzt in herausgehobener Position - anvertraut hatten. Dieser hat seine ärztlichen Berufspflichten in vielfacher Hinsicht grob verletzt. Sein Verhalten ist geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität des Arztberufes ernstlich zu beschädigen.
Von der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Haft bereits nach der Hälfte der Strafverbüßung würde für die Allgemeinheit ein unverständliches Signal ausgehen. Die Vollstreckungsgerichte haben deutlich zu machen, dass grobe Verletzungen der ärztlichen Berufspflichten, durch die Leib und Leben von Patienten aufs Spiel gesetzt werden, von der Rechtsordnung mißbilligt werden.
Der Senat hält daher eine Halbstrafenaussetzung nicht für vertretbar. ..." (OLG Köln, Beschluss vom 27.03.2012 - 2 Ws 223/12)
***
Der Antrag eines ausgewiesenen Verurteilten auf Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB ist bei Vorliegen der formellen Voraussetzungen auch dann zulässig, wenn die Staatsanwaltschaft nach § 456a StPO von der weiteren Vollstreckung der Freiheitsstrafe abgesehen hat und sich der Verurteilte nicht (mehr) im Inland aufhält (Anschluss an OLG Köln StV 2009, 261 f. = StraFo 2009, 218 f. = OLGSt StGB § 57 Nr. 48). Die nach § 454 Abs. 1 S. 3 StPO gebotene mündliche Anhörung darf auch dann ausnahmsweise unterbleiben, wenn sie dem Verurteilten deshalb unzumutbar ist, weil er infolge seiner Ausweisung nicht zu seiner Anhörung einreisen kann, ohne die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe (§ 456a Abs. 2 S. 1 StPO) und möglicherweise eine Strafverfolgung wegen Verstoßes gegen ausländerrechtliche Strafbewehrungen befürchten zu müssen (Anschluss an OLG Köln a.a.O., OLG Karlsruhe StV 2005, 677 f. = StraFo 2005, 258 f. = NStZ-RR 2005, 223 f. = Justiz 2005, 360 f. und OLG Düsseldorf NStZ 2000, 333 = StV 2000, 382 f.; a.A.: OLG Hamm, Beschluss v. 23.02.2010 - 3 Ws 39/10 = StRR 2010, 317 f.). Will der Verurteilte das Risiko einer Verhaftung und Aufnahme in den Strafvollzug für den Fall seiner Einreise nicht in Kauf nehmen, ist es seine Sache, bei der Vollstreckungsbehörde die Aussetzung des Vollstreckungshaftbefehls für die Dauer der Durchführung des Verfahrens nach § 454 Abs. 1 und Abs. 2 StPO, § 57 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zu erwirken (Anschluss an OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Bamberg, Beschluss vom 12.10.2010 - 1 Ws 561/10).
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Die Bereitschaft eines wegen Drogenschmuggels verurteilten Ausländers zur Begehung weiterer einschlägiger Straftaten läßt sich nicht tragfähig daraus schließen, dass er den verwaltungsgerichtlichen Rechtsmittelweg gegen eine Ausweisungsverfügung ausgeschöpft hat. Weigert sich ein Verurteilter, zu Taten seiner Mittäter Angaben zu machen, so kann ihm allein deshalb eine bedingte Strafrestaussetzung nach § 57 StGB nicht versagt werden, sofern sich hieraus nicht ergibt, dass künftige Straftaten zu besorgen sind (OLG Oldenburg, Beschluss vom 04.08.2010 - 1 Ws 380/10).
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Bei der Entscheidung über die Unterbrechung einer Freiheitsstrafe zum Halbstrafenzeitpunkt bei einem Erstverbüßer kommt es auch in Fällen der Anschlußvollstreckung allein darauf an, ob die einzelne Freiheitsstrafe die 2-Jahresgrenze überschreitet oder nicht. Ob auch die Summe der zur Verbüßung anstehenden Freiheitsstrafen 2 Jahre überschreitet, ist unerheblich (Aufgabe der bisherigen Rechtsauffassung; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.02.2006 - 1 Ws 15/06, StV 2006, 255 f).
Besondere Umstände, welche eine Aussetzung der Reststrafe zum Halbstrafenzeitpunkt rechtfertigen, können sich trotz der Schwere der verübten Straftat daraus ableiten, daß beim Verurteilten während des Strafvollzuges eine nachhaltige Entwicklung seiner Persönlichkeit eingetreten ist. Werden einem Verurteilten während seiner Inhaftierung Lockerungen, insbesondere die Zulassung zu einem freien Beschäftigungsverhältnis, gewährt und absolviert er diese über einen längeren Zeitraum hinweg beanstandungsfrei und zuverlässig, so kann eine solche Entwicklung zusammen mit anderen günstigen Umständen ein derartiges Gewicht erlangen, daß sie die Gesamtwürdigung wesentlich beeinflußt und insgesamt zur Annahme besonderer Umstände i. S. d. § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB führt (OLG Karlsruhe, Beschluß vom 22.11.2004 - 1 Ws 383/04, StV 2005, 276 f).
Geht die Entwicklung eines Verurteilten im Strafvollzug noch erheblich über das Maß hinaus, das zur Erstellung einer günstigen Prognose erforderlich ist, stellt dies einen besonderen Umstand i. S. d. § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB dar. Zu den Anforderungen an die Voraussetzungen einer Strafrestaussetzung nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 07.10.2004 - 3 Ws 1062/04, StV 2005, 277 f).
Auch bei einer Verurteilung wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in zwei Fällen kann die Reststrafe nach Verbüßung der Hälfte der erkannten Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn besondere Umstände in der Tat und der Person des Verurteilten vorliegen (OLG Bremen StV 2002, 321 f).
Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, von der weiteren Vollstreckung der Strafe nach § 456 a StPO abzusehen und die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung nach § 57 Abs. 1 StPO stehen nebeneinander und über letztere ist auch dann noch zu entscheiden, wenn die Entschließung der Staatsanwaltschaft tatsächlich vollzogen wurde. Bei der vorzunehmenden Prognoseentscheidung ist zu beachten, daß mit zunehmender Dauer des Freiheitsentzuges der Anspruch des Verurteilten auf Achtung seiner Menschenwürde und seiner freien Persönlichkeit zunehmendes Gewicht erhält, weshalb für die vorausschauende Beurteilung dem derzeitigen Vollzugsverhalten besondere Bedeutung beikommt, insbesondere gilt dies für die Erfahrungen der Vollzugsanstalt, aber auch des Verurteilten selbst die bei gewährten Vollzugslockerungen gewonnen werden konnten. Dementsprechend verlieren bei lang andauernder Inhaftierung die Umstände der eigentlichen Tat bei der Gesamtwürdigung an Gewicht (OLG Karlsruhe StV 2002, 322 f).
***
Besondere Umstände, die eine Aussetzung einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten wegen Raubes schon nach Verbüßung der Hälfte dieser Strafe ermöglichen, können darin liegen, daß der Verurteilte Verantwortung für das damalige Geschehen übernommen hat, es bereut und er trotz Untersuchungshaftbedingungen wegen Überhaft in anderer Sache alle vorhandenen Möglichkeiten, am Vollzugsziel mitzuwirken (Kontakt zur Vollzugshelferin, Einzel- und Gruppengespräche) wahrgenommen hat. Die Strafaussetzung im Halbstrafentermin kann in einem solchen Fall selbst dann verantwortet werden, wenn der Verurteilte bisher noch nicht zu Lockerungen zugelassen wurde, dies aber darauf beruhte, daß die Strafe wegen Überhaft in anderer Sache zu Untersuchungshaftbedingungen vollzogen werden mußte und dieses andere Verfahren (hier: wegen Verdacht des Mordes) zwischenzeitlich durch rechtskräftigen Freispruch abgeschlossen ist, der Verurteilte sich von der Situation der Überhaft nicht hat frustrieren lassen, Hilfsangebote angenommen, für angemessenen Wohnraum gesorgt, mit seiner künftigen Bewährungshelferin Kontakt aufgenommen hat und nach dem Gutachten des kriminologischen Sachverständigen keine aktuelle Gefährlichkeit beim Verurteilten mehr besteht (LG Berlin, Beschluss vom 01.03.2005 - 544 StVK 910/04, StV 2005, 679 f).
Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes § 454 StPO
(1) Die Entscheidung, ob die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll (§§ 57 bis 58 des Strafgesetzbuches) sowie die Entscheidung, dass vor Ablauf einer bestimmten Frist ein solcher Antrag des Verurteilten unzulässig ist, trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. Die Staatsanwaltschaft, der Verurteilte und die Vollzugsanstalt sind zu hören. Der Verurteilte ist mündlich zu hören. Von der mündlichen Anhörung des Verurteilten kann abgesehen werden, wenn
1. die Staatsanwaltschaft und die Vollzugsanstalt die Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe befürworten und das Gericht die Aussetzung beabsichtigt,
2. der Verurteilte die Aussetzung beantragt hat, zurzeit der Antragstellung
a) bei zeitiger Freiheitsstrafe noch nicht die Hälfte oder weniger als zwei Monate,
b) bei lebenslanger Freiheitsstrafe weniger als dreizehn Jahreder Strafe verbüßt hat und das Gericht den Antrag wegen verfrühter Antragstellung ablehnt oder
3. der Antrag des Verurteilten unzulässig ist (§ 57 Abs. 6 , § 57a Abs. 4 des Strafgesetzbuches ).
Das Gericht entscheidet zugleich, ob eine Anrechnung nach § 43 Abs. 10 Nr. 3 des Strafvollzugsgesetzes ausgeschlossen wird.
(2) Das Gericht holt das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten ein, wenn es erwägt, die Vollstreckung des Restes
1. der lebenslangen Freiheitsstrafe auszusetzen oder
2. einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art auszusetzen und nicht auszuschließen ist, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen.
Das Gutachten hat sich namentlich zu der Frage zu äußern, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, dass dessen durch die Tat zu Tage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. Der Sachverständige ist mündlich zu hören, wobei der Staatsanwaltschaft, dem Verurteilten, seinem Verteidiger und der Vollzugsanstalt Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben ist. Das Gericht kann von der mündlichen Anhörung des Sachverständigen absehen, wenn der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft darauf verzichten.
(3) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist sofortige Beschwerde zulässig. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung.
(4) Im Übrigen gelten die Vorschriften der §§ 453 , 453a Abs. 1 und 3 sowie der §§ 453b , 453c und 268a Abs. 3 entsprechend. Die Belehrung über die Aussetzung des Strafrestes wird mündlich erteilt; die Belehrung kann auch der Vollzugsanstalt übertragen werden. Die Belehrung soll unmittelbar vor der Entlassung erteilt werden.
Leitsätze/Entscheidungen:
Nicht bei jeder Überprüfung der Unterbringung ist von Verfassungs wegen ein Sachverständigengutachten einzuholen. Soweit keine zwingenden gesetzlichen Vorschriften bestehen, hängt es vielmehr von dem sich nach den Umständen des einzelnen Falles bestimmenden pflichtgemäßen Ermessen des Richters ab, in welcher Weise er die so genannte Aussetzungsreife prüft. Die Auffassung, zur Vorbereitung von Entscheidungen nach § 67c I StGB sowie über die Aussetzung einer freiheitsentziehenden Maßregel (§ 67d II StGB) sei ein Sachverständiger zwingend nur hinzuzuziehen, wenn das Gericht die Aussetzung der Unterbringung in der Maßregel in Betracht ziehe, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschluss vom 03.02.2003 - 2 BvR 1512/02).
Die gesetzliche Regelung des § 454 II 1 Nr. 2 StPO ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein allgemeiner Anspruch der Verurteilten, dass bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung stets ein Sachverständiger eingeschaltet wird, besteht von Verfassungs wegen nicht. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass nicht jedem Verurteilten im Verfahren über die Strafaussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ein Verteidiger zu bestellen ist (BVerfG, Beschluss vom 02.05.2002 - 2 BvR 613/02).
*** (OLG)
Nimmt ein im Rahmen des Verfahrens zwecks Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung beauftragter gerichtlicher Sachverständiger Bezug auf Gefangenenpersonalakten, verletzt die Nichtbeachtung des Akteneinsichtsantrags des Verteidigers in diese Akte das Recht des Verurteilten auf ein faires Verfahren (OLG Nürnberg, Beschluss vom 27.10.2011 - 2 Ws 456/11).
***
Der Antrag eines ausgewiesenen Verurteilten auf Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB ist bei Vorliegen der formellen Voraussetzungen auch dann zulässig, wenn die Staatsanwaltschaft nach § 456a StPO von der weiteren Vollstreckung der Freiheitsstrafe abgesehen hat und sich der Verurteilte nicht (mehr) im Inland aufhält (Anschluss an OLG Köln StV 2009, 261 f. = StraFo 2009, 218 f. = OLGSt StGB § 57 Nr. 48). Die nach § 454 Abs. 1 S. 3 StPO gebotene mündliche Anhörung darf auch dann ausnahmsweise unterbleiben, wenn sie dem Verurteilten deshalb unzumutbar ist, weil er infolge seiner Ausweisung nicht zu seiner Anhörung einreisen kann, ohne die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe (§ 456a Abs. 2 S. 1 StPO) und möglicherweise eine Strafverfolgung wegen Verstoßes gegen ausländerrechtliche Strafbewehrungen befürchten zu müssen (Anschluss an OLG Köln a.a.O., OLG Karlsruhe StV 2005, 677 f. = StraFo 2005, 258 f. = NStZ-RR 2005, 223 f. = Justiz 2005, 360 f. und OLG Düsseldorf NStZ 2000, 333 = StV 2000, 382 f.; a.A.: OLG Hamm, Beschluss v. 23.02.2010 - 3 Ws 39/10 = StRR 2010, 317 f.). Will der Verurteilte das Risiko einer Verhaftung und Aufnahme in den Strafvollzug für den Fall seiner Einreise nicht in Kauf nehmen, ist es seine Sache, bei der Vollstreckungsbehörde die Aussetzung des Vollstreckungshaftbefehls für die Dauer der Durchführung des Verfahrens nach § 454 Abs. 1 und Abs. 2 StPO, § 57 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zu erwirken (Anschluss an OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Bamberg, Beschluss vom 12.10.2010 - 1 Ws 561/10).
***
Der Inhalt der mündlichen Anhörung des Verurteilten nach § 454 Abs. 1 S. 3 StPO und der Anhörung des Sachverständigen nach § 454 Abs. 2 StPO müssen in einem Vermerk oder im Beschluß der Strafvollstreckungskammer festgehalten werden. Anderenfalls kann das Beschwerdegericht nicht beurteilen, ob die angefochtene Entscheidung sachgerecht war, mit der Folge, daß der Beschluß aufzuheben und die Sache ausnahmsweise zu neuer Anhörung und Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen ist (KG, Beschluss vom 14.10.2005 - 5 Ws 498/05).
Die Anhörung des Untergebrachten im Verfahren nach § 67 e StGB dient neben der Gewährung rechtlichen Gehörs auch der Vermittlung eines unmittelbaren Kantaktes von Verurteilten und Gericht und damit der Gewinnung eines persönlichen Eindrucks als Grundlage der anstehenden Entscheidung. Sie muss dem Verurteilten daher die Möglichkeit bieten, sich inhaltlich zu seiner Situation im Maßregelvollzug zu äußern. Die bloße Anwesenheit in einem Termin, der sich auf die Anbringung und Erledigung eines Befangenheitsantrages und die Erörterung der hieran knüpfenden weiteren Vorgehensweise beschränkt, reicht insoweit nicht aus. Der Anhörungsmangel ist in der Beschwerdeinstanz nicht zu beheben. Der in der nicht rechtzeitigen Überprüfungsentscheidung gem. § 67 e II Nr. 2 StGB liegende Verfahrensmangel rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit des Gerichts regelmäßig nicht. Allerdings kommt § 67 e II Nr. 2 StGB grundrechtsschützende Wirkung zu. Dessen Missachtung stellt nicht in jedem Fall, aber doch dann eine Grundrechtsverletzung dar, wenn sie Ausdruck einer nicht mehr vertretbaren Fehlhaltung gegenüber dem grundrechtsrelevanten Verfahrensrecht und damit letztlich einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Freiheitsrechts ist. Grundsätzlich ist das Gericht nicht verpflichtet, im Rahmen des Überprüfungsverfahrens nach § 67 e StGB selbst Vorkehrungen für eine rechtzeitige Aktenvorlage durch die Staatsanwaltschaft zu treffen. Ausnahmsweise kann etwas anderes gelten, wenn die Staatsanwaltschaft die Akten in der Vergangenheit stets zu spät vorgelegt hatte. Zur Zulässigkeit eines Antrages auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einzelner Verfahrenshandlungen. Zur Zulässigkeit der Untätigkeitsbeschwerde (OLG Jena, Beschluss vom 06.04.2006 - 1 Ws 103/06; NJW 2006, 3794 ff. zu GG Art. 2 I; StGB §§ 67 d II, 67 e; StPO §§ 454 I 3, 463 III 1).
Die Kosten für das nach § 454 Abs. 2 StPO gesetzlich vorgeschriebene Sachverständigengutachten im Vollstreckungsverfahren sind dort entstehende Gerichtskosten. Sie fallen damit unter die Verfahrenskosten i. S. d. § 464 a Abs. 1 S. 2 StPO, für die der Verurteilte nach der Kostengrundentscheidung aufkommen muß (OLG Köln, Beschluss vom 10.12.2004 - 2 Ws 466/04, StV 2005, 279).
Es liegt in der Dispositionsfreiheit eines Verurteilten, an der Aufklärung fraglicher Vorgänge in seinem Vollzugsverhalten, aus denen Zweifel an einer günstigen Sozial- und Kriminalprognose, insbesondere an einem Wandel seiner Persönlichkeit erwachsen sind, mitzuwirken und so dem Gericht und auch dem Sachverständigen die erforderlichen Anknüpfungstatsachen für eine kriminalprognostische Beurteilung zu vermitteln (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.02.2004 - 3 Ws 252/03, Die Justiz 2004, 522).
Die StVK ist aus dem Grundsatz des rechtstaatlichen und fairen Verfahrens gehalten, auch außerhalb der Fälle notwendiger Verteidigung über Anträge auf Verlegung eines anberaumten Termins zur Anhörung gem. § 454 Abs. 1 S. 3 StPO wegen Verhinderung des Wahlverteidigers nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminsplanung, der Gesamtbelastung des Spruchkörpers, des Gebotes der Verfahrensbeschleunigung aber auch und gerade mit Rücksicht auf das Interesse des Verurteilten auf eine effektive Verteidigung durch einen Rechtsanwalt seines Vertrauens zu entscheiden. Ist dem Verurteilten die Durchführung der mündlichen Anhörung wegen der Bedeutung der Sache oder auf Grund ihrer tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeit ohne seinen Verteidiger nicht zumutbar, wurde das Verlegungsgesuch rechtzeitig gestellt sowie auf gewichtige Gründe gestützt und sind gegenläufige öffentliche Interessen an der Effizienz des Verfahrens nicht erkennbar, stellt sich die Ablehnung der vom Verteidiger wegen anderweitiger Terminsverpflichtung beantragten Terminsverlegung als ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens dar (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.01.2004 - 3 Ws 111 - 112/04, StV 2005, 276).
Im vollstreckungsrechtlichen Verfahren nach § 57 StGB, § 454 StPO kann das Gericht nicht nachprüfen, ob dem Verurteilten zu Unrecht Vollzugslockerungen verweigert wurden, selbst wenn die längerfristige Bewährung in solchen Lockerungen als Beurteilungsgrundlage für die Frage seiner bedingten Entlassung unabdingbar sind. Erst Recht darf von dem Vollstreckungsgericht in diesem Verfahren - schon wegen des Verbots, in das Beurteilungsermessen der Vollzugsbehörden einzugreifen - kein Gutachten zur Frage des Bestehens von Missbrauchs- oder Fluchtgefahr eingeholt werden (OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.11.2003 - 3 Ws 1141/03, NStZ-RR 2004, 62).
Bestehen Zweifel an der Tragfähigkeit des erstatteten Prognosegutachtens und werden deshalb ein Zusatzgutachten eines weiteren Sachverständigen und sodann ein dessen Erkenntnisse einbeziehendes abschließendes Gutachten des mit der Prognoseerstellung beauftragten Gutachters eingeholt, so ist eine erneute mündliche Anhörung des(r) Sachverständigen gem. § 454 I 3 StPO geboten, sofern die Beteiligten auf sie nicht gem. § 454 II 7 StPO verzichtet haben (OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.04.2003 - 3 Ws 410/03, NStZ-RR 2003, 315).
Nach der Neufassung des § 454 II StPO ist bei einer Unterbringung gem. § 63 StGB ein Sachverständigengutachten auch dann einzuholen und der Sachverständige vor der Entscheidung mündlich anzuhören, wenn die Strafvollstreckungskammer auf der Grundlage eines Berichts der Unterbringungsanstalt nicht erwägt, die Vollstreckung der rechtlichen Maßregel zur Bewährung auszusetzen (OLG Koblenz, Beschluss vom 08.07.1999 - 1 Ws 422/99, StV 1999, 496).
Im Gegensatz zu Begutachtungen der zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten nach § 454 II Nr. 1 StPO, bei welchen auch nach dem gesetzgeberischen Willen grundsätzlich ein Arzt als Sachverständiger heranzuziehen ist, kommt bei § 454 II S. 1 Nr. 2 StPO auch die Beauftragung eines Psychologen in Betracht. Da die Einschaltung eines externen Gutachters zumeist nicht erforderlich sein wird, ist es in der Regel ausreichend, den Anstaltspsychologen als Sachverständigen im Sinne des § 454 II StPO hinzuzuziehen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.06.1999 - 3 Ws 123/99, StV 1999, 495).
Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe § 57 a StGB
(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn
1. fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,
2. nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und
3. die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.
§ 57 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 gilt entsprechend.
(2) Als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat.
(3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 56 a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 56 b bis 56 g und 57 Abs. 3 Satz 2 gelten entsprechend.
(4) Das Gericht kann Fristen von höchstens zwei Jahren festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.
Leisätze/Entscheidungen:
Zur Aussetzung lebenslanger Freiheitsstrafe mit besonderer Schuldschwere ohne vorherige Vollzugslockerungen (BVerfG, Beschluss vom 30.04.2009 - 2 BvR 2009/08):
?... A. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Ablehnung der Aussetzung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe nach Verbüßung der Mindestdauer von 15 J. Sie betrifft den Umgang der Gerichte im Aussetzungsverfahren mit der bisherigen Versagung von Vollzugslockerungen.
I. 1. Das LG Augsburg hatte den heute 59 J. alten Bf. 1994 wegen Mordes in Tateinheit mit Urkundenfälschung in drei Fällen sowie versuchten Betruges in drei Fällen zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Eine besondere Schwere der Schuld war nicht festgestellt worden. Der - hinsichtlich der Betrugsdelikte einschlägig vorbestrafte - Bf. hatte mit seiner Ehefrau einen Bauernhof bewirtschaftet. Nach den Feststellungen des Gerichts hatte er auf deren Namen Lebensversicherungen abgeschlossen und sie dann, wie geplant, getötet, um die bei einem Unfalltod der Frau vereinbarten Versicherungssummen zu erlangen. Er hatte die Tötung als Unfall im Viehstall inszeniert und den Versicherungen - letztlich erfolglos - einen Unfalltod seiner Ehefrau gemeldet. Im Vorfeld der Tat hatte sich der Bf. bei Heiratsvermittlern um eine Partnerin bemüht, die nach der Tötung der Ehefrau deren Stelle bei Bewirtschaftung des Hofes einnehmen sollte. Im Strafverfahren war er nicht geständig. Er leugnet die Taten - ebenso wie die der Vorstrafe zugrunde liegenden Taten - bis heute.
Die Mindestdauer der gegen ihn verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe von 15 J. hatte der Bf. am 15. 06. 2008 verbüßt. Nach seiner Einwilligung hatte das LG 1 J. zuvor die Prüfung der Aussetzung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe eingeleitet. Mit hier angegriffenem Beschl. v. 19. 06. 2008 hat die StVK die Aussetzung unter Hinweis auf die fehlende Erprobung des Bf. in Lockerungen abgelehnt.
2. Dem Bf. waren vor der Entscheidung des LG keinerlei Vollzugslockerungen gewährt worden. Er hatte sich seit Januar 2006 erfolglos um Lockerungen bemüht.
Am 02. 01. 2006 hatte er einen Antrag auf Ausgang gestellt und sich dabei auf das psychiatrische Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. von November 2005 gestützt. Dieser hatte ihn im Auftrag der JVA auf eine Eignung für Vollzugslockerungen untersucht. Er war zum Ergebnis gekommen, daß der Bf. für Lockerungen grundsätzlich geeignet sei: Unter Berücksichtigung der Faktoren Persönlichkeit, Tat, Verhalten im Vollzug und Zukunftsplanung ließen sich ebenso wie bei Analyse der Kategorien Basis-, Individual- und Interventionsprognose aus psychiatrischer Sicht - mit Ausnahme des Tatleugnens - keine Risikofaktoren benennen, die gegen Lockerungen sprächen; aus dem Leugnen alleine lasse sich aus psychiatrischer Sicht nicht auf die Ungeeignetheit für Lockerungen schließen, wobei diese Einschätzung letztlich der juristischen Wertung und Würdigung obliege; falls man den Bf. nach Gewährung und beanstandungsfreier Absolvierung von Vollzugslockerungen auf Bewährung zu entlassen beabsichtige, sei eine Nachuntersuchung zu empfehlen.
Die JVA lehnte den Antrag auf Ausgang mit Bescheid v. 28. 04. 2006 wegen Fluchtgefahr und drohenden Mißbrauchs der Lockerung ab. Dagegen stellte der Bf. am 12. 05. 2006 Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Mit Beschl. v. 05. 12. 2006 verwarf das LG den Antrag wegen angenommener Verfristung als unzulässig. Auf Rechtsbeschwerde des Bf. hob das OLG diesen Beschl. am 09. 01. 2007 auf und verwies die Sache zu neuer Entscheidung an das LG zurück. Mehr als eineinhalb Jahre nach Zurückverweisung wies das LG den Antrag auf gerichtliche Entscheidung - mit Beschl. v. 15. 07. 2008 - erneut zurück, nachdem - wie erwähnt - knapp einen Monat zuvor die hier angegriffene Entscheidung des LG im Aussetzungsverfahren ergangen war, in der das LG eine bedingte Entlassung des Bf. unter Hinweis auf seine fehlende Erprobung abgelehnt hatte. Die erneute Zurückweisung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung ist seit 19. 08. 2008 rechtskräftig; der Bf. hatte von einer Rechtsbeschwerde abgesehen.
3. a) Im Aussetzungsverfahren hatten sich JVA und StA gegen eine bedingte Entlassung des Bf. ausgesprochen.
b) Daraufhin hatte das LG beim Sachverständigen Prof. Dr. F. - der schon das Gutachten zur Eignung des Bf. für Vollzugslockerungen erstellt hatte - ein Prognosegutachten nach § 454 Abs. 2 S. 1 StPO in Auftrag gegeben. Es sollte klären, ob bei dem Bf. keine Gefahr mehr bestehe, daß die durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbestehe, ob beziehungsweise welche Maßnahmen zur Ermöglichung oder Vorbereitung einer bedingten Entlassung notwendig seien und welcher Zeitraum für die ggf. noch erforderliche Entlassungsvorbereitung bei komplikationslosem Verlauf voraussichtlich notwendig sein werde.
Im psychiatrischen Gutachten von März 2008, das die Ergebnisse eines testpsychologischen Zusatzgutachtens von Februar 2008 einschloß, empfahl der Sachverständige die Planung von Vollzugslockerungen, falls das Gericht eine bedingte Entlassung des Bf. prinzipiell in Erwägung ziehe, und stellte zusammenfassend fest, daß sich die gleiche Beurteilung wie in seinem Lockerungsgutachten von November 2005 ergebe. Konkrete Risikofaktoren für das Begehen neuer Gewalttaten ließen sich aus psychiatrischer Sicht nicht belegen.
Zu der empfohlenen Erprobung des Bf. in Lockerungen führte der Sachverständige aus, daß sich ein gestuftes Vorgehen mit zunehmender Übertragung von Eigenverantwortung prinzipiell bewährt habe, wobei eine detaillierte Vorplanung und Nachbereitung der einzelnen Schritte und eine intensive Kontrolle erforderlich seien. Da ihm unklar sei, inwieweit die Vollzugsbehörde solche Maßnahmen zu planen in der Lage sei, könne er keinen konkret erforderlichen Erprobungszeitraum angeben; angesichts der Erfahrungen mit vergleichbaren Fällen gehe er von einem mittelfristigen Verlauf von 2 J. aus. Sollte nach komplikationslosem Ablauf von Vollzugslockerungen eine Entlassung auf Bewährung erörtert werden, empfehle er eine Nachuntersuchung. ...
4. Mit genanntem Beschl. v. 19. 06. 2008 lehnte das LG die Aussetzung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe ab und ordnete für einen erneuten Aussetzungsantrag eine Sperrfrist von 2 J. an. ...
5. Das OLG verwarf mit hier angegriffenem Beschl. v. 26. 08. 2008 die sofortige Beschwerde als unbegründet. ...
1. Der Bf. rügt die Verletzung seiner Rechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG. ...
2. Er hat seine einstweilige Entlassung aus der Haft bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde beantragt. ...
B. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Bf. angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchst. b BVerfGG), und gibt ihr statt. Zu dieser Entscheidung ist sie berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das BVerfG bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet ist (§ 93b S. 1 i.V.m. § 93c Abs. 1 S. 1 BVerfGG).
I. Die angegriffenen Beschl. verletzen den Bf. in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG.
1. a) Die Regelung des § 57a StGB über die Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe konkretisiert eine Forderung der Menschenwürde in der Strafvollstreckung (vgl. BVerfGE 45, 187, 245; 64, 261, 272). Sie schafft einen Ausgleich zwischen dem Resozialisierungsanspruch und dem Freiheitsgrundrecht des zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten einerseits und dem Sicherungsinteresse der Allgemeinheit andererseits (vgl. BVerfGE 117, 71, 112; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 22. 03. 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, 2202, 2203 [= StV 1998, 428]).
Ob die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe auszusetzen ist, ist eine Frage der Auslegung und Anwendung einfachen Rechts. Die im Aussetzungsverfahren nach § 57a Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB zu treffende Prognoseentscheidung obliegt daher in erster Linie den Strafvollstreckungsgerichten und ist einer Nachprüfung durch das BVerfG grundsätzlich entzogen. Dieses kann aber auf Verfassungsbeschwerde hin eingreifen, wenn Grundrechte des Gefangenen in ihrer Bedeutung und Tragweite grundsätzlich verkannt worden sind oder die Entscheidung der Strafvollstreckungsgerichte objektiv willkürlich ist (vgl. BVerfGE 18, 85, 92 f.; 29, 312, 317; 72, 105, 114 f.; 74, 102, 127; st.Rspr.). Ob dies der Fall ist, läßt sich - vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die zu treffende Prognoseentscheidung - nur auf der Grundlage aller Umstände des Einzelfalls beurteilen.
Für den besonders intensiven Eingriff eines möglicherweise lebenslangen Freiheitsentzuges ergeben sich verfassungsrechtliche Grenzen insbes. aus dem Übermaßverbot. Dieses verlangt, daß das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Verurteilten und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor unter Umständen zu erwartenden erheblichen Rechtsgutverletzungen zu einem gerechten und vertretbaren Ausgleich gebracht wird (vgl. BVerfGE 117, 71, 97).
Das Übermaßverbot stellt zunächst materielle Anforderungen an die Prognoseentscheidung. Je länger der Freiheitsentzug dauert, umso strenger sind die Voraussetzungen für dessen Verhältnismäßigkeit. Der nachhaltige Einfluß des gewichtiger werdenden Freiheitsanspruchs stößt jedoch dort an Grenzen, wo es im Blick auf die Art der von dem Betroffenen drohenden Gefahren, deren Bedeutung und Wahrscheinlichkeit vor dem staatlichen Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit unvertretbar erscheint, den Betroffenen in die Freiheit zu entlassen (vgl. BVerfGE 117, 71, 97 f.). Die im Rahmen der Aussetzungsentscheidung zu treffende Prognose betrifft die Verantwortbarkeit der Aussetzung mit Rücksicht auf unter Umständen zu erwartende Rückfalltaten. Je höherwertige Rechtsgüter in Gefahr sind, desto geringer muß das Rückfallrisiko sein. Bei Straftaten, die wie der Mord (§ 211 StGB) mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, ist das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit besonders hoch zu veranschlagen. Wegen der Art der im Versagensfall zu befürchtenden Taten kommt eine bedingte Entlassung aus der lebenslangen Freiheitsstrafe nur unter strengen Voraussetzungen in Betracht (vgl. BVerfGE 117, 71, 99). Die besonders hohe Wertschätzung des Lebens rechtfertigt die weitere Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe nicht nur in den Fällen, in denen eine fortbestehende Gefährlichkeit des Verurteilten positiv festgestellt werden kann, sondern auch dann, wenn nach Erfüllung des verfassungsrechtlichen Gebots ausreichender richterlicher Sachaufklärung eine günstige Gefährlichkeitsprognose nicht gestellt werden kann, weil verbleibende Zweifel an einer hinreichend günstigen Prognose zu Lasten des Verurteilten gehen (vgl. BVerfGE 117, 71, 100 f.).
Darüber hinaus begründet das Übermaßverbot verfahrensrechtliche Anforderungen. Sie betreffen vor allem das Verfahren zur Wahrheitserforschung und damit insbes. die Feststellung der der Aussetzungsentscheidung zugrunde liegenden Prognosebasis. Denn es ist unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, daß Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf ausreichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben (vgl. BVerfGE 117, 71, 102, 105). Die verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung haben sowohl dem Sicherheitsaspekt als auch dem hohen Wert der Freiheit des Verurteilten Rechnung zu tragen. Sie steigen mit zunehmender Dauer des Freiheitsentzuges, mit der auch die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte zunimmt. Vor allem wenn die bisherige Dauer der Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe die Mindestverbüßungszeit übersteigt und eine besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung nicht mehr oder - wie hier - von vornherein nicht gebietet, gewinnt der Anspruch des Verurteilten auf Achtung seiner Menschenwürde und seiner Persönlichkeit zunehmendes Gewicht für die Anforderungen, die an die für eine zutreffende Prognoseentscheidung erforderliche Sachverhaltsaufklärung zu stellen sind. Das Vollstreckungsgericht hat sich daher auch von Verfassungs wegen um eine möglichst breite Tatsachenbasis für seine Prognoseentscheidung zu bemühen und alle prognoserelevanten Umstände besonders sorgfältig zu klären (vgl. BVerfGE 117, 71, 107; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 23. 09. 1991 - 2 BvR 1327/89 -, NJW 1992, 2344, 2345 [= StV 1992, 25]; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 22. 03. 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, 2202, 2203 [= StV 1998, 428]; vgl. auch BVerfGE 109, 133, 165 [= StV 2004, 267]).
b) Vollzugslockerungen haben für die im Aussetzungsverfahren zu treffende Prognoseentscheidung besondere Bedeutung.
Die - gerichtlich überprüfbare (§ 109 Abs. 1, § 116 Abs. 1 StVollzG) - Entscheidung über Lockerungen ist der Leitung der Anstalt als Vollzugsbehörde zugewiesen (§ 11, § 15 Abs. 1, § 156 Abs. 2 S. 2 StVollzG). Sie betrifft zunächst den Vollzugsalltag des Gefangenen und regelt - grundsätzlich außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG (vgl. BVerfGE 64, 261, 280) - die Form des Freiheitsentzuges. Darin erschöpft sich ihre Bedeutung allerdings nicht. Die Entscheidung der Vollzugsbehörde wirkt sich vielmehr auch auf die - den Anforderungen des Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG unterliegende - Prognoseentscheidung der Gerichte im Aussetzungsverfahren aus.
Für den Richter im Aussetzungsverfahren erweitert und stabilisiert sich die Basis der prognostischen Beurteilung, wenn dem Gefangenen zuvor Vollzugslockerungen gewährt worden sind. Gerade das Verhalten eines Gefangenen anläßlich solcher Belastungserprobungen stellt einen geeigneten Indikator für die künftige Legalbewährung dar (vgl. BVerfGE 109, 133, 165 f.; 117, 71, 119 [= StV 2004, 267]). Er erhält Gelegenheit, sich innerhalb des vorgegebenen Rahmens der Vollzugslockerungen zu bewähren; sein hierbei an den Tag gelegtes Verhalten ist ?Verhalten im Vollzug', das der Richter bei der Prognoseentscheidung zu berücksichtigen hat (vgl. § 57a Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 57 Abs. 1 S. 2 StGB). Darüber hinaus machen es Vollzugslockerungen dem Gefangenen - insbes. nach langem Freiheitsentzug - möglich, wenigstens ansatzweise Orientierung für ein normales Leben zu suchen und zu finden. Je nach dem Erfolg dieser Orientierungssuche stellen sich seine Lebensverhältnisse und die von einer Aussetzung der Strafvollstreckung zu erwartenden Wirkungen günstiger oder ungünstiger dar. Folglich werden die Chancen, daß das Gericht, das über die Aussetzung zu entscheiden hat, zu einer zutreffenden Prognoseentscheidung gelangt, durch vorherige Gewährung von Vollzugslockerungen verbessert und umgekehrt durch deren Versagung verschlechtert (vgl. BVerfGE 117, 71, 91, 92, 108; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 22. 03. 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, 2202, 2203 [= StV 1998, 428]; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 17. 06. 1999 - 2 BvR 867/99 -, NJW 2000, 501, 502; vgl. auch BVerfGK 8, 319, 323).
c) Dieser Umstand begründet besondere Prüfungspflichten der Gerichte im Aussetzungsverfahren.
Will das Gericht die Ablehnung der Aussetzung (auch) auf die fehlende Erprobung des Gefangenen in Lockerungen stützen, darf es sich nicht mit dem Umstand einer - von der Vollzugsbehörde verantworteten - begrenzten Tatsachengrundlage abfinden. Es hat von Verfassungs wegen selbstständig zu klären, ob die Begrenzung der Prognosebasis zu rechtfertigen ist, weil die Versagung von Lockerungen auf hinreichendem Grund beruht(e). Nach Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG ist alleine der zuständige Richter zur Entscheidung über die Fortdauer der Freiheitsentziehung berufen; er muß die vollständige Verantwortung für die Rechtfertigung der Freiheitsentziehung übernehmen können (vgl. BVerfGE 22, 311, 318 f.; 86, 288, 328). Dies ist nur dann gewährleistet, wenn dieser Richter die (Prognose)Basis seiner Entscheidung eigenständig klärt und diese Aufgabe nicht Dritten überläßt. Vor allem verbietet es sich, daß die Exekutive über eine - ungeprüfte, möglicherweise rechtswidrige - Einflußnahme auf die Tatsachengrundlage der richterlichen Entscheidung über den Freiheitsentzug deren Inhalt und Ergebnis faktisch vorwegnimmt (vgl. BVerfGE 10, 302, 310; 83, 24, 33; 86, 288, 328; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 13. 12. 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, 1133, 1134 [= StV 1998, 432]; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 10. 12. 2007 - 2 BvR 1033/06 -, NVwZ 2008, 304, 305; zur Problematik für die Gutachtertätigkeit vgl. Nedopil, NStZ 2002, 344, 349; zur selbstständigen Prüfungspflicht der (Straf)Gerichte in anderem Kontext - Abhängigkeit der Strafbarkeit von möglicherweise rechtswidrigem Verwaltungshandeln - vgl. BVerfGK 1, 72, 80).
Das zur Entscheidung über die Aussetzung berufene Gericht muß daher die Rechtmäßigkeit der bisherigen Versagung von Lockerungen eigenständig prüfen. Maßstab der Prüfung ist, ob die Vollzugsbehörde bei der Versagung von Lockerungen die unbestimmten Rechtsbegriffe der Befürchtung von Flucht oder Mißbrauch der Lockerungen zu Straftaten (§ 11 Abs. 2 StVollzG) richtig ausgelegt und angewandt, alle relevanten Tatsachen zutreffend angenommen und den Sachverhalt vollständig ermittelt hat. Bei seiner Prüfung hat das Gericht im Aussetzungsverfahren zu beachten, daß der Versagungsgrund der Flucht- oder Mißbrauchsgefahr zwar geeignet ist, einen - verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden - prognostischen Beurteilungsspielraum zu eröffnen, in dessen Rahmen die Vollzugsbehörde mehrere Entscheidungen treffen kann, die gleichermaßen rechtlich vertretbar sind, daß allerdings das Freiheitsgrundrecht des Gefangenen diesem Beurteilungsspielraum auch Grenzen zieht: Die Vollzugsbehörde muß bei einem Gefangenen, dessen Entlassung nur noch von einer positiven Kriminalprognose des Richters abhängt, beachten, daß sie dem Gefangenen, soweit vertretbar, eine Bewährung zu ermöglichen und ihn auf eine Entlassung vorzubereiten hat, damit dessen grundrechtlich garantierter Freiheitsanspruch durch den Richterentscheid (Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG) zeitgerecht realisiert werden kann (vgl. BVerfGE 117, 71, 108; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 13. 12. 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, 1133, 1134 [= StV 1998, 432]; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 22. 03. 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, 2202, 2204 [= StV 1998, 428]; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 24. 10. 1999 - 2 BvR 1538/99 -, NJW 2000, 502, 504 [= StV 2000, 265]; vgl. auch BVerfGE 109, 133, 166 [= StV 2004, 267]).
Die Rechtmäßigkeit der Versagung von Lockerungen haben die Gerichte im Aussetzungsverfahren auch dann zu prüfen, wenn die Frage Gegenstand gerichtlicher Überprüfung im Verfahren nach dem StVollzG war. Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG vertraut die zur Entscheidung über die Freiheitsentziehung erforderliche Aufklärung des Sachverhalts dem im konkreten Verfahren zur Entscheidung über die Freiheitsentziehung berufenen Richter an. Im Verfahren über die Aussetzung der Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe ist dies gem. § 78a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GVG die StVK in der aus § 78b Abs. 1 Nr. 1 GVG ersichtlichen Besetzung. Daher hat das BVerfG die eigenständige Prüfungspflicht der Gerichte im Aussetzungsverfahren unabhängig davon betont, ob beziehungsweise inwieweit sich die Gerichte im Lockerungsverfahren mit der Frage der Rechtmäßigkeit der Versagung schon beschäftigt hatten (vgl. BVerfGE 117, 71, 108; vgl. auch BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 22. 03. 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, 2202, 2204 [= StV 1998, 428]; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 24. 10. 1999 - 2 BvR 1538/99 -, NJW 2000, 502, 504 [= StV 2000, 265]). Das Erfordernis eigenverantwortlicher Prüfung schließt aber nicht aus, daß sich das Gericht im Aussetzungsverfahren - im Wege einer nachvollziehenden Prüfung - die Gründe rechtskräftiger Entscheidungen im Lockerungsverfahren zueigen macht, soweit die Versagung von Lockerungen dort inhaltlich hinreichend überprüft worden ist.
Denn auch dann ist sichergestellt, daß das zur Entscheidung über die Aussetzung berufene Gericht volle Verantwortung für die Rechtfertigung der Fortdauer des Freiheitsentzugs übernehmen kann (vgl. BVerfGE 22, 311, 318 f.; 86, 288, 328).
Kommt das Gericht dieser Prüfungspflicht nicht oder nicht hinreichend nach, entspricht die auf fehlende Erprobung gestützte Ablehnung der bedingten Entlassung nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die Entscheidung beruht dann auf unzureichender Sachaufklärung. Nur wenn sich herausstellt, daß die Nichtgewährung von Lockerungen auf hinreichendem Grund beruht(e), darf die fehlende Erprobung des Betroffenen bei der Prognose ohne Einschränkungen zu seinem Nachteil verwertet werden (vgl. BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 22. 03. 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, 2202, 2204 [= StV 1998, 428]; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 02. 07. 1998 - 2 BvR 910/98 -, unveröffentlicht - Umdruck anliegend; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 24. 10. 1999 - 2 BvR 1538/99 -, NJW 2000, 502, 504 [= StV 2000, 265]; BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 11. 06. 2002 - 2 BvR 461/02 -, juris, Abs.-Nr. 11; BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 05. 10. 2004 - 2 BvR 558/04 -, juris, Abs.-Nr. 7 f.).
d) Die unberechtigte Versagung von Lockerungen begründet ein von der Exekutive zu verantwortendes Prognosedefizit. Sie darf nicht unbesehen zum Nachteil des Gefangenen gehen. Die Konsequenzen dieser Prognoseunsicherheit für die Aussetzungsentscheidung haben die Gerichte auf Grundlage einer wertenden Betrachtung aller Umstände des Einzelfalles und vor dem Hintergrund des Spannungsverhältnisses zwischen dem Freiheitsanspruch des Gefangenen und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit, das auch hier nach einem vertretbaren und gerechten Ausgleich verlangt, zu finden. Dabei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
aa) Das Freiheitsgrundrecht des Gefangenen verbietet eine generelle Folgenlosigkeit einer verfassungswidrigen Lockerungspraxis im Aussetzungsverfahren. Es wäre mit dem besonderen Gewicht der materiellen Freiheitsgarantie unter den grundgesetzlich geschützten Rechten, die auch in der verstärkten prozeduralen Sicherung durch den Richtervorbehalt in Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG zum Ausdruck kommt (vgl. BVerfGE 10, 302, 323; 105, 239, 248; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 10. 12. 2007 - 2 BvR 1033/06 -, NVwZ 2008, 304, 305), nicht zu vereinbaren, würde die Vollzugsbehörde die richterliche Entscheidung im Aussetzungsverfahren über eine Schmälerung der Entscheidungsgrundlage gleichsam zwangsläufig präjudizieren. Zwar muß sich eine rechtswidrige Versagung von Lockerungen über einen prognoserelevanten Zeitraum hinweg (vgl. dazu BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 17. 06. 1999 - 2 BvR 867/99 -, NJW 2000, 501, 502) nicht in jedem Einzelfall unmittelbar auf die Prognoseentscheidung - im Sinne eines Verwertungsverbots - auswirken. Die von der Exekutive zu verantwortende Prognoseunsicherheit muß sich aber auf die im Aussetzungsverfahren zu treffende Entscheidung unmittelbar auswirken können. Daß der Gesetzgeber die Entscheidung über Lockerungen der Exekutive zugewiesen und zur gerichtlichen Kontrolle der Lockerungsentscheidung einen eigenen Rechtszug eingerichtet hat, vermag die Folgenlosigkeit einer rechtswidrigen Lockerungspraxis für die Aussetzungsentscheidung nicht zu begründen (so aber: OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 24. 01. 2000 - 3 Ws 1123-1124/99 -, NStZ-RR 2001, 311, 312 ff. im Anschluß an Wolf, NStZ 1998, 590 f.; dem folgend: KG Berlin, Beschl. v. 29. 11. 2001 - 1 AR 1196/01 -, juris, Abs.-Nr. 33; OLG Hamm, Beschl. v. 26. 10. 2004 - 1 Ws 10/04 -, NStZ 2006, 64 (LS); ThürOLG, Beschl. v. 03. 03. 2006 - 1 Ws 50/06 -, juris, Abs.-Nr. 41-47). Andernfalls bestünde die Gefahr, daß der Richtervorbehalt in Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG in der Praxis weitgehend leerläuft. Er steht aber nicht zur Disposition des Gesetzgebers, sondern verpflichtet alle staatlichen Organe, dafür Sorge zu tragen, daß er als Freiheitssicherung praktisch wirksam wird (vgl. BVerfGE 105, 239, 248).
Neben der - grundsätzlichen - Verantwortung der Vollzugsbehörde für das Prognosedefizit steht die Eigenverantwortung des Gefangenen für die Durchsetzung seines Freiheitsgrundrechts und seines Resozialisierungsanspruchs (vgl. BVerfGE 117, 71, 92 f., 104). Der Gefangene hat die Möglichkeit, sich Lockerungen - über Anträge und die Beschreitung des dafür vorgesehenen Rechtswegs - zu erstreiten und so mittelbar einer von der Vollzugsbehörde verantworteten Prognoseunsicherheit im Aussetzungsverfahren vorzubeugen. Wann der Gefangene darauf in einer Weise verzichtet hat, die einen Vorrang seiner Verantwortlichkeit begründet und die Verantwortlichkeit der Vollzugsbehörde zurücktreten läßt, braucht hier nicht allg. entschieden zu werden. Die unterlassene Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die Versagung von Lockerungen kann jedenfalls dann nicht zu einem Zurücktreten der Verantwortlichkeit der Vollzugsbehörde für das Prognosedefizit führen, wenn selbst bei Erfolg des Rechtsbehelfs eine Erprobung über einen prognoserelevanten Zeitraum vor der anstehenden Aussetzungsentscheidung nicht mehr möglich gewesen wäre.
bb) Dem von Verfassungs wegen ohnehin hoch zu veranschlagenden Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit kommt vor dem Hintergrund des mangels Erprobung bestehenden Prognosedefizits gesteigerte Bedeutung zu. Die Verwertbarkeit des Umstandes fehlender Erprobung bei der Entscheidung über die Aussetzung generell auszuschließen, würde ein Risiko auf die Allgemeinheit verlagern, das im Einzelfall erheblich sein kann. Dem hat das BVerfG Rechnung getragen und seine Aussage, daß Vollzugslockerungen von Rechts wegen nicht notwendigerweise Voraussetzung für eine bedingte Entlassung sind (BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 11. 06. 2002 - 2 BvR 461/02 -, juris, Abs.-Nr. 11) im Kontext der lebenslangen Freiheitsstrafe um die Feststellung ergänzt, daß eine Erprobung in Lockerungen der (Entscheidung über die) Aussetzung des Strafrests in der Regel vorausgeht (vgl. BVerfGE 117, 71, 108). Bei langen Haftzeiten zeigt sich typischerweise in besonderem Maße die Notwendigkeit, in sorgfältig gestuftem Vorgehen durch Lockerungen die Resozialisierungsfähigkeit des Gefangenen zu testen und ihn schrittweise auf die Freiheit vorzubereiten (vgl. BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 22. 03. 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, 2202, 2204 [= StV 1998, 428]; vgl. auch BVerfGE 117, 71, 108). Den in Freiheit nicht erprobten Gefangenen nach langen Jahren des Vollzugs unvorbereitet in die Freiheit zu entlassen, begründete für sich genommen einen erheblichen Risikofaktor für einen Rückfall.
cc) Vor dem Hintergrund dieses Spannungsverhältnisses hat das Gericht im Aussetzungsverfahren zunächst die Pflicht, auf die Vollzugsbehörde einzuwirken. Ist diese bei der Entscheidung über Lockerungen dem grundrechtlich garantierten Freiheitsanspruch des Gefangenen nicht oder nicht hinreichend gerecht geworden, muß ihr das Gericht im Aussetzungsverfahren - unter Ausschöpfung seiner prozessualen Möglichkeiten - von Verfassungs wegen deutlich machen, daß Vollzugslockerungen geboten sind (vgl. BVerfGE 117, 71, 108 f.; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 22. 03. 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, 2202, 2204 [= StV 1998, 428]).
(1) Hierzu verlegen sich die Strafvollstreckungsgerichte im Aussetzungsverfahren nicht selten auf die Erteilung von Hinweisen an die Vollzugsbehörde. Dabei lehnen sie die bedingte Entlassung mangels Erprobung ab, weisen aber in den Gründen der Aussetzungsentscheidung darauf hin, daß Vollzugslockerungen nunmehr geboten sind (vgl. etwa OLG Nürnberg, Beschl. v. 27. 05. 1999 - Ws 179/99 -, unveröffentlicht - Umdruck anliegend; wiedergegeben in BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 06. 06. 2001 - 2 BvR 828/01 -, juris, Abs.-Nr. 4, insoweit nicht wiedergegeben in NJW 2001, 2707; OLG Köln, Beschl. v. 15. 12. 2004 - 2 Ws 521/04 -, juris, Abs.- Nr. 9 und 19; OLG Köln, Beschl. v. 26. 08. 2005 - 2 Ws 202/05 -, juris, Abs.-Nr. 12 und 22; unter Hinweis an Vollzugsbehörde auf Erforderlichkeit eines Sachverständigengutachtens zur Lockerungseignung: OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 10.11. 2003 - 3 Ws 1141/03 -, NStZ-RR 2004, 62, 63; zur Praxis: LK-Hubrach, StGB, 12. Aufl. 2007, § 57 Rn. 17; LK-Schöch, StGB, 12. Aufl. 2007, Vor § 61 Rn. 152; LK-Rissing-van Saan/Peglau, StGB, 12. Aufl. 2007, § 67d Rn. 99). Dieses Vorgehen ist für sich genommen nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 11. 06. 2002 - 2 BvR 461/02 -, juris, Abs.-Nr. 11). Solche Hinweise bergen aber die Gefahr geringer praktischer Wirksamkeit in sich (vgl. BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 06. 06. 2001 - 2 BvR 828/01 -, juris, Abs.-Nr. 4 und 15, insoweit nur teilweise wiedergegeben in NJW 2001, 2707 f.; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 22. 03. 1998 - 2 BvR 77/97 -, juris, Abs.-Nr. 13 und 55, insoweit nur teilweise wiedergegeben in NJW 1998, 2202, 2204 [= StV 1998, 428]). Der Gefangene bleibt darauf angewiesen, daß die Hinweise bei der Vollzugsbehörde fruchten und von dieser zeitnah - nach Möglichkeit vor der nächsten Aussetzungsentscheidung - umgesetzt werden. Bleibt die Umsetzung der Hinweise aus, kann der Gefangene zwar den Rechtsweg nach § 109 Abs. 1, § 116 Abs. 1 StVollzG beschreiten. Eine solche Vorgehensweise kann sich aber als langwierig erweisen und führt daher selbst bei einem Obsiegen nicht zwangsläufig dazu, daß die Prognoseunsicherheit im kommenden Aussetzungsverfahren beseitigt ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18. 09. 2003 - 1 Ws 105/03 -, NStZ-RR 2004, 61, 62). Auch kann im gerichtlichen Verfahren nach dem StVollzG ein anderer Spruchkörper zuständig sein als der, der über die Aussetzung entschieden und den Hinweis erteilt hat. Zwar können in der gerichtlichen Praxis Geschäftsverteilungspläne im Einzelfall für eine (teilweise) personelle Identität der richterlichen Spruchkörper sorgen und so eine praktische Umsetzung der Hinweise sicherstellen. Es mag auch sein, daß in der gelebten Praxis der StVKn vielerorts ohnehin eine informelle Verständigung zwischen den in Vollzugssachen und den im Aussetzungsverfahren entscheidenden Richtern stattfindet. Der Gefangene hat hierauf aber keinen Einfluß und muß nach erteiltem Hinweis ganz wesentlich auf ein kooperatives Zusammenwirken zwischen Gericht im Aussetzungsverfahren und Vollzugsbehörde vertrauen.
Daß ein solches kooperatives Zusammenwirken nicht stets gewährleistet ist, belegen wiederum Entscheidungen aus der strafvollstreckungsgerichtlichen Praxis, in denen Gerichte im Aussetzungsverfahren nach zuvor vergeblich erteilten Hinweisen erneut die Erprobung des Gefangenen in Lockerungen anmahnen, wobei sie teilweise die Intensität der Hinweise erhöhen. Dies geschieht etwa dadurch, daß sie in der die Aussetzung ablehnenden Entscheidung näher präzisieren, welche Art von Lockerungen geboten sei, oder die Vollzugsbehörde beziehungsweise die in einem potentiellen Verfahren nach § 109 Abs. 1 StVollzG mit der Sache befaßten StVKn darauf hinweisen, daß ?nunmehr' hinsichtlich der Gewährung von Lockerungen von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen sei (vgl. OLG Nürnberg, Beschl. v. 27. 05. 1999 - Ws 179/99 -, unveröffentlicht; KG Berlin, Beschl. v. 29. 11. 2001 - 1 AR 1196/01 -, juris, Abs.-Nr. 31 und 34; OLG Köln, Beschl. v. 26. 08. 2005 - 2 Ws 202/05 -, juris, Abs.-Nr. 12, 22, 23 und 43; vgl. auch OLG Celle, Beschl. v. 25. 03. 1994 - 2 Ws 8/94 -, StV 1995, 90). Nicht anders als die Befolgung der früheren, allg. gehaltenen Hinweise liegt die Umsetzung dieser Vorgaben faktisch in der Hand der Vollzugsbehörde. Damit laufen auch diese Mechanismen - die ihrerseits schon Reaktion auf das Leerlaufen zuvor erteilter Hinweise sind - Gefahr, gerade mit Blick auf die gebotene zeitnahe Beseitigung der Prognoseunsicherheit praktisch unwirksam zu bleiben.
Die Einwirkung der Vollstreckungsgerichte auf die Vollzugsbehörde muß aber wegen der besonderen Bedeutung der Vollzugslockerungen für die Prognosebasis der richterlichen Entscheidung effektiv sein. Dies haben die Gerichte bei ihrer Entscheidung, wie sie der Vollzugsbehörde das Gebotensein von Lockerungen deutlich machen, zu berücksichtigen. Hinweise an die Vollzugsbehörde sind deshalb nicht von vornherein ungeeignet. Die Gerichte haben aber stets zu prüfen, ob nicht im konkreten Fall Maßnahmen notwendig sind, die sich unmittelbarer auf die Aussetzungsentscheidung niederschlagen. Einen Gefangenen, dessen bedingte Entlassung nur noch von einer günstigen Prognose des Richters abhängt, - unter Umständen gar wiederkehrend - ohne greifbare Konsequenzen auf künftige Aussetzungsverfahren zu verweisen, in denen sich eine unverändert fortbestehende Prognoseunsicherheit stets aufs Neue zum Nachteil des Gefangenen auswirkt, wäre von Verfassungs wegen nicht hinnehmbar.
(2) Im Sinne der von Verfassungs wegen gebotenen effektiven Durchsetzung des Freiheitsgrundrechts des Gefangenen hat das BVerfG betont, daß die Vollstreckungsgerichte im Aussetzungsverfahren ihre prozessualen Möglichkeiten auszuschöpfen haben, wenn es darum geht, der Vollzugsbehörde das Gebotensein von Lockerungen deutlich zu machen (vgl. BVerfGE 117, 71, 108). Das BVerfG hat dabei ausdrücklich festgestellt, daß zu diesen - im Einzelfall zu prüfenden - Möglichkeiten auch ein Vorgehen auf der Grundlage von § 454a Abs. 1 StPO gehört (vgl. BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 22. 03. 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, 2202, 2204 [= StV 1998, 428]; NStZ-RR 2004, 61; darauf verweisend BVerfGE 117, 71, 108).
§ 454a Abs. 1 StPO ermöglicht es den Vollstreckungsgerichten, dem Freiheitsgrundrecht des Betroffenen über eine effektive Begrenzung der nachteiligen Folgen des Prognosedefizits praktische Wirksamkeit zu verleihen, ohne damit unverantwortbare Risiken auf die Allgemeinheit zu verlagern. Das Gericht kann nach dieser Vorschrift die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung anordnen, ohne daß dies zur sofortigen Freilassung des Betroffenen führt. Die Norm gestattet dem Gericht, den zukünftigen Entlassungszeitpunkt so festlegen, daß der Vollzugsbehörde eine angemessene Erprobung des Verurteilten in Lockerungen möglich bleibt (vgl. BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 22. 03. 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, 2202, 2204 [= StV 1998, 428]).
Ein Vorgehen nach § 454a Abs. 1 StPO stärkt das Freiheitsgrundrecht des Verurteilten. Anders als die Gewährung von Lockerungen ist der Entlassungszeitpunkt kraft Gesetzes der Disposition der Vollzugsbehörde entzogen (vgl. § 16 StVollzG), so daß sich bei weiterer grundloser Versagung von Lockerungen das Freiheitsgrundrecht des Gefangenen zum - vom Gericht im Aussetzungsverfahren festgelegten - Entlassungszeitpunkt sicher realisiert. Zwar verhindert das bisherige - von den Vollzugsbehörden zu verantwortende - Prognosedefizit vorerst eine Entlassung. Die nachteiligen Folgen des Prognosedefizits für das Freiheitsgrundrecht des Gefangenen werden aber wirksam beschränkt. Anders als bei bloßen Hinweisen der Gerichte im Aussetzungsverfahren ist sichergestellt, daß der Freiheitsentzug allenfalls bis zum Entlassungszeitpunkt auf einer - rechtswidrigen - Schmälerung der Prognosebasis seitens der Exekutive beruht (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 26. 08. 2005 - 2 Ws 202/05 -, juris, Abs.-Nr. 41-49).
Eine unverantwortbare Risikoverlagerung zu Lasten der Allgemeinheit ist damit nicht verbunden. Das Vollstreckungsgericht kann den Entlassungszeitpunkt so wählen, daß der Vollzugsbehörde ein angemessener Zeitraum für eine aussagekräftige Erprobung zur Verfügung steht. Dieser Zeitraum ist von Gesetzes wegen nicht beschränkt (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11. 09. 1991 - 1 Ws 297/91 -, NStZ 1992, 148 [= StV 1992, 26]). Hat ein Sachverständiger - wie hier - für eine Entlassungsvorbereitung einen bestimmten Zeitraum für erforderlich gehalten, kann sich das Gericht bei Festlegung des Entlassungszeitpunkts hieran orientieren.
Daß damit eine unter Umständen weit in die Zukunft gerichtete Entlassungsentscheidung getroffen wird, kann im Einzelfall verantwortbar sein. Denn in der gesamten Zeit bis zur Entlassung des Gefangenen ist eine Korrektur der Aussetzungsentscheidung unter erleichterten Voraussetzungen möglich. Nach § 454a Abs. 2 S. 1 Halbsatz 1 StPO kann das Vollstreckungsgericht - ungeachtet der Widerrufsmöglichkeit nach § 56f Abs. 1 StGB - die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes bis zur Entlassung des Betroffenen wieder aufheben, wenn die Strafaussetzung aufgrund neu eingetretener oder bekannt gewordener Tatsachen unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht mehr verantwortet werden kann (vgl. BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 21. 04. 1993 - 2 BvR 1706/92 -, NJW 1994, 377 f.; BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 20. 02. 2001 - 2 BvR 1261/00 -, NJW 2001, 2247 [= StV 2001, 467]). Im vorliegenden Zusammenhang kommt - außer bei generell neuen prognoserelevanten Umständen, die sich auch auf die Gewährung von Lockerungen auswirken können - eine Aufhebung der Strafaussetzung primär bei gefährlichkeitsindizierender Nichtbewährung des Gefangenen in den dann erforderlichen Lockerungen in Betracht. Zudem kann der Verurteilte in der - sofort zu treffenden - Aussetzungsentscheidung einem engmaschigen Netz von Auflagen und Weisungen unterworfen und sogleich einem Bewährungshelfer unterstellt werden, der bereits in der Zeit bis zur Entlassung Kontakt zu dem Gefangenen aufnehmen und ihn im Erprobungszeitraum zusätzlich unterstützen kann. § 454a Abs. 1 StPO berücksichtigt die Regelung des § 56a Abs. 2 StGB, nach der die Bewährungszeit nicht erst mit dem tatsächlichen Entlassungszeitpunkt, sondern mit der Rechtskraft der Aussetzungsentscheidung beginnt. Der Gesetzgeber hat diesen Beginn nicht nur deshalb für sinnvoll gehalten, weil auch Taten, die der Gefangene in der entlassungsvorbereitenden Phase begeht, den Widerruf der Strafaussetzung auslösen können, sondern weil es im Einzelfall gerade angebracht sein kann, den Gefangenen schon in dieser Phase durch einen Bewährungshelfer betreuen zu lassen (vgl. BT-Drucks. 10/2720, 15; vgl. dazu OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24. 01. 2005 - 1 Ws 318/04 -, BeckRS 2005 01745; vgl. weiter LG Regensburg, Beschl. v. 28. 12. 1998 - StVK 41/93 -, unveröffentlicht - Umdruck anliegend). Schließlich wird das durch eine frühzeitige Aussetzungsentscheidung begründete Risiko durch die Verlängerung der - mit Rechtskraft der Aussetzungsentscheidung beginnenden - Bewährungszeit kompensiert: Liegen zwischen Aussetzungsentscheidung und festgelegtem Entlassungszeitpunkt mindestens 3 M., verlängert sich die Bewährungszeit um den dazwischen liegenden Zeitraum (§ 454a Abs. 1 StPO; vgl. dazu OLG Koblenz, Beschl. v. 06. 01. 1994 - 2 Ws 761/93 -, RPfl. 1994, 381 f.).
(3) All dies schließt nicht aus, daß die sofortige Freilassung des Gefangenen geboten sein kann. So ist denkbar, daß ein - unter Umständen enges - Netz von Auflagen und Weisungen und die Betreuung durch einen Bewährungshelfer im Rahmen der bedingten Entlassung das von der Vollzugsanstalt zu verantwortende Prognosedefizit in einer Weise zu kompensieren verspricht, die dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit gerecht wird und das schwer einschätzbare Risiko einer Rückfalltat effektiv begrenzt (zur Pflicht zur Berücksichtigung der möglichen Wirkung von Weisungen und Bewährungshelfer nach langjähriger Bewährung in Vollzugslockerungen vgl. BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 23. 09. 1991 - 2 BvR 1327/89 -, NJW 1992, 2344, 2345 f. [= StV 1992, 25]). Bei langen Haftzeiten wird solch eine unvorbereitete Entlassung freilich selten in Betracht kommen, da das - hier erhöhte - Risiko eines Rückfalls, anders als bei einer Anwendung von § 454a Abs. 1 StPO, nicht über erweiterte Möglichkeiten einer Korrektur der Aussetzung zum Schutze der Allgemeinheit aufgefangen wird. Die mögliche Korrektur beschränkt sich auf die Widerrufsgründe des § 56f Abs. 1 StGB, während gefährlichkeitsindizierendes Verhalten des Betroffenen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle und außerhalb des Anwendungsbereichs erteilter Auflagen und Weisungen zu einer Korrektur der Entlassungsentscheidung nicht ermächtigt. In Betracht kommen kann eine sofortige bedingte Entlassung aber auch dann, wenn im konkreten Fall dem Freiheitsgrundrecht des Gefangenen nur noch durch seine sofortige bedingte Entlassung angemessen Geltung verschafft werden kann. Dies kann etwa bei kurzen bis mittleren Haftzeiten der Fall sein, wenn die Erprobung über einen längeren Zeitraum rechtswidrig unterblieben ist und angesichts der zeitlichen Nähe des Endstrafentermins zur Aussetzungsentscheidung weder die Erteilung eines Hinweises an die Vollzugsbehörde noch ein Vorgehen nach § 454a Abs. 1 StPO dem Freiheitsrecht angemessen Geltung verschaffen könnte (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 04. 12. 2007 - 2 Ws 321/07 -, juris, Abs.-Nr. 7-12).
2. Die angegriffenen Entscheidungen halten diesem Maßstab nicht stand. Sie beruhen auf unzureichender Sachaufklärung. Die Gerichte haben die bedingte Entlassung des Bf. auch unter Hinweis auf seine fehlende Erprobung in Lockerungen abgelehnt, ohne zuvor die Rechtmäßigkeit der Lockerungsversagung hinreichend zu klären.
a) Der von der möglicherweise rechtswidrigen Versagung von Lockerungen betroffene Zeitraum hat Prognoserelevanz. Zwischen dem Antrag des Bf. auf Ausgang und der Entscheidung im Aussetzungsverfahren liegen knapp zweieinhalb Jahre. Dieser Zeitraum ist erheblich. Eine Erprobung des Bf. über diese lange Zeit hätte ohne jeden Zweifel aussagekräftige Erkenntnisse für die Prognoseentscheidung erbracht und die bestehende Prognoseunsicherheit deutlich reduziert. Mit knapp zweieinhalb Jahren übersteigt die Dauer der möglicherweise rechtswidrigen Versagung sogar den vom Sachverständigen im Prognosegutachten in vergleichbaren Fällen für erforderlich gehaltenen entlassungsvorbereitenden Erprobungszeitraum von 2 J. In jedem Fall hätte der Bf. bei zeitnaher Einleitung der Erprobung auf seinen Antrag auf Ausgang vom Januar 2006 hin die greifbare Chance gehabt, im Aussetzungsverfahren einen langen Zeitraum erfolgreicher Erprobung vorzuweisen. Dieser Umstand hätte in das Prognosegutachten des Sachverständigen einfließen können.
b) Die Gerichte haben die Rechtmäßigkeit der Lockerungsversagung nicht hinreichend geprüft.
aa) Das LG beließ es bei dem unzureichenden Hinweis, daß es Sache des Bf. sei, Lockerungsmaßnahmen gerichtlich durchzusetzen, und daß das von ihm insoweit betriebene Verfahren noch nicht abgeschlossen sei. Wollte die Kammer die Ablehnungsentscheidung auf die fehlende Erprobung des Bf. stützen, war sie dagegen - ungeachtet des Stands des Verfahrens über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 Abs. 1 StVollzG - von Verfassungs wegen verpflichtet, die Tragfähigkeit der (bisherigen) Verweigerung von Lockerungen in eigener Verantwortung zu prüfen.
Dies gilt auch deshalb, weil ohne eine solche Prüfung Verzögerungen im Lockerungsverfahren, die vom Gefangenen nicht zu vertreten sind, ohne sachlichen Grund zu seinem Nachteil auf das Aussetzungsverfahren durchschlagen könnten. Der vorliegende Fall belegt dies anschaulich. Das Lockerungsverfahren war im Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung des LG ausschließlich aus in der Sphäre von JVA und Gericht liegenden Gründen noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Gestützt auf das Lockerungsgutachten des Sachverständigen von November 2005 hatte der Bf. am 02. 01. 2006 Antrag auf Ausgang gestellt. Diesen hat die JVA erst (vgl. die Wertung in § 113 Abs. 1 StVollzG) nahezu 4 M. später - mit Bescheid v. 28. 04. 2006 - abgelehnt. Dabei lag der Anstalt das Lockerungsgutachten seit 15. 11. 2005 als Grundlage für eine Meinungsbildung vor. Den Antrag des Bf. v. 12. 05. 2006 auf gerichtliche Entscheidung verwarf das LG erst mit Beschl. v. 05. 12. 2006 - zu Unrecht - als unzulässig. Zwischen Aufhebung dieses Beschl. durch das OLG und erneuter Entscheidung des LG vergingen mehr als eineinhalb Jahre. Damit nahm das gesamte Verfahren zum Erstreiten der Lockerung mehr als zweieinhalb Jahre in Anspruch. Es ist bereits fraglich, ob eine solche Sachbehandlung mit dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot noch vereinbar ist (vgl. BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 06. 06. 2001 - 2 BvR 828/01 -, NJW 2001, 2707 f.). Jedenfalls aber verbietet es - zumindest nach rechtzeitiger Beantragung von Lockerungen - die freiheitssichernde Funktion des Richtervorbehalts in Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG, daß die Prüfungspflicht der Gerichte im Aussetzungsverfahren vom Stand der gerichtlichen Überprüfung der Lockerungsversagung im Verfahren nach § 109 Abs. 1, § 116 Abs. 1 StVollzG abhängt.
bb) Auch das OLG verkennt die Erforderlichkeit einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Tragfähigkeit der (bisherigen) Ablehnung von Lockerungen. Mit dem Hinweis, daß von einer unberechtigten Verweigerung von Lockerungen deshalb keine Rede sein könne, weil der Bf. gegen die ablehnende Entscheidung der StVK v. 15. 07. 2008 nicht in Rechtsbeschwerde gegangen sei, schließt der Senat die Tragfähigkeit der bisherigen Verweigerung von Lockerungen unzureichend aus der formellen Rechtskraft der Entscheidung im Lockerungsverfahren. Dagegen war von Verfassungs wegen zu prüfen, ob die Verweigerung materiell auf einer tragfähigen Grundlage beruhte. Die danach gebotene inhaltliche Auseinandersetzung mit der Lockerungen ablehnenden Entscheidung der JVA v. 28. 04. 2006 unterbleibt. Anlaß zu solcher Auseinandersetzung bestand umso mehr, als der Sachverständige bereits in seinem von der JVA in Auftrag gegebenen - mit dem Prognosegutachten weitgehend identischen - Gutachten aus dem Jahr 2005 Lockerungsmaßnahmen befürwortet hat und er seine Einschätzung, daß der Bf. bereits zum damaligen Zeitpunkt für Lockerungsmaßnahmen geeignet gewesen sei, im Aussetzungsverfahren ausdrücklich bekräftigt hat.
c) Der Verzicht auf die Rechtsbeschwerde vermag eine maßgebliche Verantwortung des Bf. für das Prognosedefizit nicht zu begründen. Nach den bereits eingetretenen massiven Verzögerungen bei Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Lockerungsversagung hätte selbst eine erfolgreiche Rechtsbeschwerde das Prognosedefizit im Aussetzungsverfahren nicht mehr beseitigen können. Über die Rechtsbeschwerde hätte das OLG erst nach der Aussetzungsentscheidung des LG entscheiden können, so daß eine Beeinflussung der Aussetzungsentscheidung durch das Ergebnis eines Rechtsbeschwerdeverfahrens ausschied.
d) Die Entscheidungen sind auch nicht deshalb verfassungsrechtlich haltbar, weil sich die Rechtmäßigkeit der Lockerungsversagung im Verfassungsbeschwerdeverfahren sicher feststellen ließe. Die Fachgerichte haben keinerlei Feststellungen zu den näheren Gründen der Versagung getroffen (zu den Darlegungsanforderungen vgl. BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 24. 10. 1999 - 2 BvR 1538/99 -, NJW 2000, 502, 504 [= StV 2000, 265]; BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 16. 10. 2002 - 2 BvR 1293/02 -, BeckRS 2002 30288099; BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 05. 10. 2004 - 2 BvR 558/04 -, juris, Abs.-Nr. 8). Konkrete Tatsachen, die - unbeschadet dessen - eine Fluchtgefahr oder die Gefahr des Mißbrauchs von Lockerungen in offensichtlicher Weise begründeten (vgl. BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 11. 06. 2002 - 2 BvR 461/02 -, juris, Abs.-Nr. 14), sind nicht ersichtlich. Nach den - von den Gerichten im Aussetzungsverfahren nicht in Zweifel gezogenen - Ausführungen des Sachverständigen war der Bf. seit November 2005 für Lockerungen geeignet.
I. 1. Die Entscheidung über die Aufhebung und Zurückverweisung beruht auf § 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG.
2. Der bisherige Verfahrensablauf gibt Anlaß, die StVK für die nunmehr erneut zu treffende Entscheidung über die Aussetzung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe auf folgendes hinzuweisen:
a) Will die Kammer die Ablehnung der sofortigen Entlassung des Bf. auf die fehlende Erprobung stützen, hat sie zuvor die materielle Rechtmäßigkeit der Lockerungsversagung im Wege eigenständiger Prüfung festzustellen. Dabei darf sich die Kammer auf die Gründe des - rechtskräftigen - Beschl., mit dem das LG den Antrag des Bf. auf gerichtliche Entscheidung im Lockerungsverfahren zurückgewiesen hat, nur beziehen, wenn eine nachvollziehende Prüfung dieser Gründe ergibt, daß die Entscheidung der Vollzugsbehörde dort inhaltlich hinreichend auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft wurde.
b) Kommt die StVK zu dem Ergebnis, daß Lockerungen - seit Anfang Januar 2006 - ohne hinreichende Begründung unterblieben sind, hat sie im Wege der von Verfassung gebotenen Einwirkung auf die Vollzugsbehörde ein Vorgehen nach § 454a Abs. 1 StPO zu erwägen. Der Versagungszeitraum ist erheblich und hätte - auf Basis der Ausführungen des Sachverständigen - das vollständige Durchlaufen einer entlassungsvorbereitenden Erprobung vor Ablauf der Mindestverbüßungsdauer ermöglicht. Der Bf., dessen bedingte Entlassung nur noch von einer hinreichend günstigen Prognose abhängt, nähert sich dem 16. Jahr des Freiheitsentzugs ohne Lockerungen. Ein bloßer Hinweis in einer die bedingte Entlassung erneut ablehnenden Entscheidung auf das - dringende - Gebotensein von Lockerungen könnte sich als nicht hinreichend effektiv erweisen. Setzt die Vollzugsbehörde die Hinweise nicht um, vergehen - je nach festgesetzter Sperrfrist - unter Umständen weitere 2 J. bis zu einer erneuten Aussetzungsentscheidung. Wäre die Prognoseunsicherheit dann noch immer nicht beseitigt, befände sich der Bf. mehr als 18 J. ohne Lockerungen im Vollzug. Damit reichte seine Vollzugsdauer - ohne greifbare Entlassungschance - an die durchschnittliche Verbüßungsdauer bei lebenslanger Freiheitsstrafe von 20 J. (BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 06. 06. 2001 - 2 BvR 828/01 -, NJW 2001, 2707, 2708) heran, obwohl der von der Kammer in der angegriffenen Entscheidung als erfahren und fachlich verläßlich beschriebene Gutachter bereits nach Ablauf des dreizehnten Vollstreckungsjahres die Erprobungseignung des Bf. bejahte.
In diesem Zusammenhang gibt die Bemerkung der Gerichte in den - hier aufgehobenen - Entscheidungen, daß der Bf. ?gerade erst' die gesetzliche Mindestverbüßungsdauer von 15 J. erreicht habe, Anlaß zu dem Hinweis, daß es einem zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Gefangenen von Verfassungs wegen möglich sein muß, seine Freiheit schon mit Ablauf der gesetzlichen Mindestverbüßungsdauer wieder zu erlangen. Dies kommt auch im Gesetz klar zum Ausdruck: Aus § 454 Abs. 1 S. 4 Nr. 2b StPO folgt, daß der Aussetzungsantrag nur dann verfrüht ist, wenn er vor Ablauf von 13 J. gestellt wird, daß also ein zweijähriger Zeitraum für das Verfahren zur Verfügung gestellt wird, damit im günstigen Fall die Entlassung nach 15 J. pünktlich erfolgen kann (vgl. BVerfGE 86, 288, 327). Dies setzt eine Vollzugspraxis voraus, die dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten - bei Vorliegen der Lockerungsvoraussetzungen - die Chance gibt, eine erfolgreiche Erprobung in Lockerungen schon zum Ablauf der Mindestverbüßungsdauer vorzuweisen. ..."
*** (BGH)
?... Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen erkannte der unter anderem bereits zweimal wegen Totschlags zu langjährigen Haftstrafen verurteilte Angeklagte im Jahr 2006, dass er den Lebensstandard, den er insbesondere seiner Lebensgefährtin bieten wollte, mit seinem Einkommen nicht halten konnte. Zur Aufbesserung seiner desolaten finanziellen Situation beging er in der Zeit von August bis November 2006 zehn Einbruchsdiebstähle in Filialen der Firma D. , wobei es in einem Fall beim Versuch blieb. Mit Hilfe von Nachschlüsseln verschaffte er sich Zutritt zu den Filialen und erbeutete in acht Fällen unter Aufhebeln der Tresore die Tageseinnahmen von insgesamt etwa 16.000 Euro; in einem Fall entwendete er ein technisches Gerät.
Wegen der wiederholten Diebstahlstaten änderte die geschädigte Firma die Anweisungen über die Aufbewahrung der Tageseinnahmen, so dass der Angeklagte zweimal keinen Zugriff auf das Geld hatte. Deswegen nahm er vor der nächsten, für die Nacht vom 9. zum 10. Dezember 2006 geplanten Tat vor Ladenschluss Kontakt zu der letzten Mitarbeiterin in der Essener Filiale auf, um den Ablageort der Tageseinnahmen auszukundschaften. Bei dem Gespräch mit S. M. , die ihn als "Hausmeister" des Unternehmens kannte und daher kein Misstrauen hegte, erfuhr er, dass sie entsprechend der ihr erteilten Weisung das Geld mit nach Hause nehmen wollte, um es am nächsten Tag bei der Bank einzuzahlen. Da der Angeklagte die Tageseinnahmen um jeden Preis an sich bringen wollte, strangulierte er S. M. mit einem Drosselwerkzeug bis der Tod eintrat. Nachdem er den Leichnam in den Keller gebracht und Spuren verwischt hatte, entfernte er sich mit den Tageseinnahmen von rund 3.040 Euro.
Hinsichtlich der Tat zum Nachteil von S. M. hat das Landgericht einen Mord aus Habgier und tateinheitlich einen Raub mit Todesfolge bejaht, das Mordmerkmal der Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht hat es dagegen nicht angenommen. Bei neun der Diebstahlstaten hat es festgestellt, dass der Angeklagte die Taten jeweils unter den in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 StGB genannten Voraussetzungen begangen hat, wobei es in einem Fall beim Versuch geblieben ist; in einem weiteren Fall hat es nur die Voraussetzungen des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB angenommen. ...
III. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die, auch wenn die Bejahung eines weiteren Mordmerkmals in Betracht kommt, zulässig auf die Frage der Schuldschwere beschränkt ist (vgl. BGHSt 41, 57, 61; BGH, Urteil vom 12. Februar 1998 - 4 StR 617/97 = NStZ 1998, 352 f.), hat dagegen Erfolg. Die Ablehnung der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld im Sinne des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
Die Entscheidung der Frage, ob die besondere Schwere der Schuld zu bejahen ist, hat der Tatrichter unter Abwägung der im Einzelfall für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu treffen (vgl. BGHSt 40, 360, 370; 41, 57, 62; 42, 226, 227). Dem Revisionsgericht ist bei der Nachprüfung der tatrichterlichen Wertung eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt; insbesondere ist es gehindert, seine Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. Es hat jedoch zu prüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat (vgl. BGHSt 40, 360, 370). Dieser Prüfung hält die von der Revisionsführerin beanstandete tatrichterliche Entscheidung nicht stand.
Bei der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe sind nach § 57 b StGB Anknüpfungspunkt für die Prüfung der besonderen Schuldschwere regelmäßig sämtliche der Gesamtstrafe zu Grunde liegenden Taten (vgl. BGH NStZ 1997, 277 mit Anm. Stree; NStZ 1998, 352 f.; BGH, Urteil vom 8. August 2001 - 3 StR 162/01). Diesen rechtlichen Ansatz hat das Landgericht verkannt, indem es bei der Entscheidung über die Schuldschwere allein eine zusammenfassende Würdigung der Tat zum Nachteil von S. M. , nicht aber eine Gesamtwürdigung im Hinblick auf alle der Gesamtstrafe zugrunde liegenden Straftaten vorgenommen hat. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass sich die unterbliebene Gesamtwürdigung auf die Beurteilung der Schuldschwere durch das Landgericht ausgewirkt hat. Dies wäre beispielsweise dann auszuschließen, wenn es sich bei den weiteren Straftaten um solche handeln würde, die der leichten Kriminalität zuzurechnen wären; solche Taten sind regelmäßig für die Entscheidung über die besondere Schwere der Schuld ohne Bedeutung (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 137 zu einem Verstoß gegen das Ausländergesetz). Um derartige Taten handelt es sich hier aber nicht, denn es wurden immerhin Einzelstrafen von viermal einem Jahr, einmal zehn Monaten und fünfmal acht Monaten verhängt. Sie stehen zudem mit dem ausgeurteilten Mord in einem inneren Zusammenhang. Ein weiterer Rechtsfehler liegt darin, dass das Landgericht den Umstand, dass der Angeklagte zur Tatzeit unter Bewährung stand, nicht erkennbar in seine Gesamtwürdigung einbezogen hat.
Entgegen der Ansicht der Revisionsführerin ist dagegen rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich das Landgericht auf den Standpunkt gestellt hat, auch das Vorliegen eines weiteren Mordmerkmals - Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht - würde im vorliegenden Fall nicht zur Annahme der besonderen Schwere der Schuld führen. Das Zusammentreffen zweier Mordmerkmale führt nicht schematisch zur Bejahung der besonderen Schuldschwere, sondern nur dann, wenn das weitere Merkmal im konkreten Fall schulderhöhende Umstände aufzeigt. Bei einem Raubmord kann die regelmäßig gleichzeitige Verwirklichung der Mordmerkmale der Habgier und des Ermöglichen einer Straftat der Tat nicht ohne weiteres ein besonders schulderhöhendes Gewicht geben (vgl. BGHR StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 16, 18).
Dass das Landgericht nicht ausdrücklich auf den tateinheitlich begangenen Raub mit Todesfolge eingegangen ist, stellt ebenfalls keinen Rechtsfehler dar, denn beim Zusammentreffen von Raub mit Todesfolge und Mord aus Habgier ist das Unrecht, das in der Herbeiführung des Todes liegt, bereits Gegenstand des Schuldspruchs nach § 211 StGB (vgl. BGHR StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 10; insoweit nicht in BGHSt 39, 208 f. abgedruckt).
Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Verneinung der besonderen Schwere der Schuld auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht. Die Sache bedarf daher insoweit erneuter Entscheidung. Eine Aufhebung der Feststellungen war nicht erforderlich, weil diese von den Rechtsfehlern nicht betroffen sind. Ergänzende Feststellungen bleiben zulässig. ..." (BGH, Urteil vom 09.10.2008 - 4 StR 354/08)
***
?... Die Entscheidung, ob die besondere Schwere der Schuld zu bejahen ist, obliegt dem Tatrichter. Er hat unter Würdigung aller hierzu erheblichen Umstände die Schuld des Angeklagten i.S.d. § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB abzuwägen; dem Revisionsgericht ist insoweit eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt. Es hat die tatrichterliche Entscheidung grundsätzlich hinzunehmen und nur zu prüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat (vgl. BGHSt 40, 360, 370; 41, 57, 62; 42, 226, 227; BGH, NStZ 2005, 88; 2006, 505, 506).
Nach diesem Maßstab weist die Entscheidung des Landgerichts keinen Rechtsfehler auf. Zutreffend hat die Kammer im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung des Tatgeschehens und der Täterpersönlichkeit (st. Rspr.; vgl. nur Fischer, StGB 55. Aufl., § 57 a Rdn. 9 m.w.N.) herausgestellt, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist und es sich um ein spontanes Delikt handelte. Maßgebliches Gewicht hat sie dem Umstand beigemessen, dass die Tat mehr als 21 Jahre zurückliegt und der Angeklagte in dieser Zeit ein sozialadäquates Leben geführt hat. Selbst die Annahme eines zweiten Mordmerkmals hätte deshalb nicht notwendigerweise zu einer Feststellung der besonderen Schuldschwere geführt. ..." (BGH, Urteil vom 02.04.2008 - 2 StR 621/07)
***
?... Zwar ist die Formulierung, dass aus der Tat ein ?unbedingter, menschen-verachtender Vernichtsungswille' spreche, rechtlich bedenklich. Aus dem nachfolgenden Satz, dass der Angeklagte in der Tatsituation mit beinahe beispielsloser Brutalität und Gefühlskälte gegen sein Opfer vorgegangen sei, und dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich jedoch, dass das Landgericht nicht das Merkmal des Tötungsvorsatzes zu Lasten des Angeklagten doppelt verwertet hat (§ 46 Abs. 3 StGB), sondern dessen besonders hohe kriminelle Energie, die sich darin gezeigt hat, dass er insgesamt dreimal mit unterschiedlichen Tatmitteln zur Tötung des Opfers angesetzt hat, zuletzt nach einer Pause, in der er angefangen hatte, die Wohnung des Opfers zu durchsuchen. ..." (BGH, Beschluss vom 01.12.2006 - 2 StR 484/06).
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Die Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe über den durch die besondere Schwere der Schuld bedingten Zeitpunkt hinaus aus Gründen der Gefährlichkeit des Straftäters verletzt weder die Garantie der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) noch das Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Die konkrete und grundsätzlich auch realisierbare Chance des Verurteilten auf Wiedererlangung der Freiheit ist durch strikte Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Entscheidung über die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe sicherzustellen (BVerfG, 2 BvR 578/02 vom 8.11.2006, Absatz-Nr. (1 - 167), www.BVerfG.de/entscheidungen/rs20061108_2bvr057802.html).
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?... Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Das mit der Sachrüge begründete Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen den Schuldspruch und die lebenslange Freiheitsstrafe richtet.
Die gebotene Prüfung des angefochtenen Urteils führt aber zur Nachholung der Festsetzung des Anrechnungsmaßstabs für die in der Tschechischen Republik im Auslieferungsverfahren erlittene Freiheitsentziehung. Solches ist entsprechend § 51 Abs. 3, Abs. 4 Satz 2 StGB auch bei der hier verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe geboten, weil die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung auch auf die durch § 57a Abs. 1 Nr. 1 StGB festgesetzte Mindestverbüßungszeit anzurechnen ist (BGHR StGB § 51 Abs. 4 Anrechnung 4).
Der Senat hat den Anrechnungsmaßstab entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst im Verhältnis 1:1 bestimmt (vgl. BGHR aaO). Dafür war ausschlaggebend, dass der Angeklagte seit Mai 1997 bis zu seiner Festnahme am 4. April 2005 in der Tschechischen Republik gelebt hat und dass Anhaltspunkte für eine andere Anrechnung weder ersichtlich noch vorgetragen sind (vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. August 2001 - 1 StR 322/01). ..." (BGH, Beschluss vom 06.04.2006 - 5 StR 99/06)
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?... Die - vom Generalbundesanwalt vertretene - zulässig (vgl. BGHSt 41, 57) auf die Ablehnung der Schuldschwerefeststellung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet. Die Verneinung der besonderen Schuldschwere ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Die Entscheidung der Frage, ob die besondere Schwere der Schuld zu bejahen ist, obliegt dem Tatrichter. Er hat unter Würdigung aller hierfür erheblichen Umstände die Schuld des Angeklagten im Sinne des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB abzuwägen; dem Revisionsgericht ist insoweit eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt. Es hat die tatrichterliche Entscheidung grundsätzlich hinzunehmen und nur zu prüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat (vgl. BGHSt 40, 360, 370; 41, 57, 62; 42, 226, 227; BGH NStZ 2005, 88; BGH, Urteile vom 26. Mai 2004 - 2 StR 386/03 - und vom 8. September 2005 - 1 StR 159/05).
Unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs weist die tatrichterliche Entscheidung keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat die wesentlichen erschwerenden und mildernden Umstände der Tat, die der Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe zugrunde liegen, in seine Gesamtwürdigung einbezogen, wenn auch - was der Revision zuzugeben ist - einzelne Formulierungen im Urteil die Besorgnis begründen könnten, dass es seiner Entscheidung nicht den richtigen Maßstab zugrunde gelegt hat; davon bliebe aber - selbst wenn dies der Fall wäre - das Ergebnis der Abwägung unberührt (vgl. BGHSt 41, 57, 63): Die schuldrelevanten Umstände des abgeurteilten Geschehens sind einerseits dadurch geprägt, dass die dem Verdeckungsmord zugrunde liegende Anlasstat (sexueller Übergriff auf offener Straße auf eine zufällig vorbeikommende junge Frau) schwerwiegend war, dass andererseits aber seit der Tat mehr als 17 Jahre vergangen sind. Beide Gesichtspunkte hat das Landgericht gesehen und - mit weiteren Umständen - erörtert und gegeneinander abgewogen. Hinzu kommt - mildernd -, was das Landgericht nicht ausdrücklich erwähnt hat, dass der Angeklagte nach seiner Festnahme sofort geständig war und sich die Beweiswürdigung maßgeblich auf die Geständnisse stützt, auch wenn der Angeklagte sie später widerrufen hat. ..." (BGH, Beschluss vom 30.03.2006 - 4 StR 567/05)
***
Mord wird im Regelfall ?nur' mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndet; die besondere Schwere der Schuld ist darüber hinaus ausnahmsweise dann zu bejahen, wenn bei der erforderlichen Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit hierfür sprechende Umstände von Gewicht festgestellt werden (BGH, Beschluss vom 8.12.2004 - 2 StR 472/04).
Einem zu einer lebenslänglichen oder langjährigen Freiheitsstrafe verurteilten gefährlichen Gewalttäter kann eine indizierte einzeltherapeutische Behandlung nicht deshalb versagt werden, weil er zuvor die Durchführung einer Gruppentherapie abgelehnt hat. Findet sich kein freier Träger zur Kostenübernahme und kann der Gefangene für diese auch nicht aus seinen Einkünften aufkommen, so fallen die Kosten einer solchen Behandlung der Staatskasse zur Last (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.05.2004 - 1 Ws 258/03, NStZ-RR 2004, 287).
Ausspähen von Daten § 202 a StGB
(1) Wer unbefugt sich oder einem anderen Zugang zu Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Daten im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche, die elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert sind oder übermittelt werden.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in Tateinheit mit ge-werbs- und bandenmäßigen Computerbetrug und mit Ausspähen von Daten in drei Fällen, wegen versuchter gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in fünf Fällen, davon in einem Fall auch bandenmäßig handelnd, und wegen gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Computerbetrug zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensbeanstandung und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen zu den Fällen II. 1 bis 3 der Urteilsgründe schlossen sich der Angeklagte und die gesondert Verfolgten V. , N. , C. und P. Anfang Februar 2007 als Bande zusammen, um gewerbsmäßig zur Täuschung im Rechtsverkehr in einer Vielzahl von Fällen falsche Zahlungskarten mit Garantiefunktion herzustellen und mit diesen Karten im Ausland an Geldautomaten Geld abzuheben. Um sich die zum Nachmachen echter Zahlungskarten mit Garantiefunktion benötigten Daten zu verschaffen, die auf den Magnetstreifen solcher Karten gespeichert sind, setzten der Angeklagte und seine Mittäter ein mit einem Speichermedium versehenes Kartelesegerät ein, das unauffällig vor den in die Geldautomaten eines bestimmten Typs eingebauten Einzugslesegeräten angebracht werden konnte. Die bei der Benutzung des Geldautomaten vom Inhaber der Zahlungskarte eingegebene persönliche Geheimzahl (PIN) erlangten sie mittels eines über der Tastatur des Geldautomaten angebrachten, ebenfalls mit einem Speichermedium versehenen Tastaturaufsatzes. Auf diese Weise verschafften sich der Angeklagte und seine Mittäter am 17. Februar 2007 durch Anbringen solcher Geräte an einem Geldautomaten in einer Bank in Münster 21 Datensätze von Zahlungskarten und die jeweils zugehörige PIN, am 24. Februar 2007 durch Anbringen der Geräte an einem Geldautomaten in einer Bank in Dinslaken 21 Datensätze und am 7. Juli 2007 in Osnabrück weitere 35 Datensätze von Zahlungskarten. Nach dem Entfernen der Aufsatzgeräte von dem Geldautomaten las der Angeklagte allein oder mit Hilfe eines Mittäters jeweils die Speichermedien der Geräte aus. Die Datensätze der echten Zahlungskarten wurden anschließend in Amsterdam auf die Magnetstreifen von Payback-Karten übertragen, welche Bandenmitglieder zuvor beschafft hatten. In der Folgezeit hoben Mitglieder der Bande unter Verwendung der nachgemachten Karten und der zu diesen Datensätzen jeweils gehörenden PIN an Geldautomaten im Ausland Bargeld ab.
2. Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen Ausspähens von Daten hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Das bloße Auslesen der auf dem Magnetstreifen einer Zahlungskarte mit Garantiefunktion gespeicherten Daten, um mit diesen Daten Kartendubletten herzustellen, erfüllt nicht den Tatbestand des § 202 a Abs. 1 StGB.
a) Die Strafvorschrift des § 202 a Abs. 1 StGB sowohl in ihrer zur Tatzeit geltenden, als auch in der durch das 41. Strafrechtsänderungsgesetz zur Bekämpfung der Computerkriminalität vom 7. August 2007 (BGBl. I 1786) neu gestalteten Fassung setzt voraus, dass die Angriffshandlung des Täters sich auf solche Daten im Sinne des § 202 a Abs. 2 StGB bezieht, die nicht für den Täter bestimmt und gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind. Bereits nach der alten Fassung der Norm war darüber hinaus erforderlich, dass bei dem damals tatbestandsmäßigen Verschaffen der Daten die besondere Zugangssicherung überwunden wird (vgl. MünchKomm StGB/Graf § 202 a Rdn. 48; Hoyer in SK-StGB 7. Aufl. § 202 a Rdn. 12; Lenckner in Schön-ke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 202 a Rdn. 10). Hieran anknüpfend (vgl. BTDrucks. 16/3656 S. 10) verlangt § 202 a Abs. 1 StGB n.F. nunmehr ausdrücklich, dass der Täter sich oder einem anderen den Zugang zu Daten unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft.
Diese Strafbarkeitsvoraussetzungen werden beim Auslesen der auf dem Magnetstreifen einer Zahlungskarte gespeicherten Daten mittels eines am Einzugslesegerät eines Geldautomaten angebrachten weiteren Lesegeräts (sog. Skimming), um mit den erlangten Daten in der ursprünglichen Form den Magnetstreifen einer Kartendublette zu beschreiben, nicht erfüllt (Senatsbeschluss vom 14. Januar 2010 - 4 StR 93/09; NStZ 2010, 275). Bei den unverschlüsselt auf dem Magnetstreifen gespeicherten Daten fehlt es bereits an einer besonderen Sicherung gegen unberechtigten Zugang, sodass diese Taten als taugliches Tatobjekt im Sinne des § 202 a Abs. 1 StGB ausscheiden. Soweit beim Auslesen die zur Berechnung der PIN verschlüsselt gespeicherten Daten in verschlüsselter Form erlangt werden, wird die in der Verschlüsselung liegende Zugangssicherung nicht überwunden.
aa) Dass Daten magnetisch und damit nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert sind, stellt keine besondere Sicherung gegen unberechtigten Zugang dar. Vielmehr handelt es sich gemäß § 202 a Abs. 2 StGB nur bei Daten, die elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert oder übermittelt werden, um Daten im Sinne des ersten Absatzes dieser Vorschrift. Demgemäß schützt § 202 a Abs. 1 StGB nur diejenigen nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeicherten Daten im Sinne des § 202 a Abs. 2 StGB, die darüber hinaus besonders gesichert sind. Das sind nur solche Daten, bei denen der Verfügungsberechtigte durch seine Sicherung sein Interesse an der Geheimhaltung der Daten dokumentiert hat (vgl. BTDrucks. 10/5058, S. 29 zu § 202 a StGB a.F.; BTDrucks. 16/3656, S. 10). Erforderlich ist, dass der Verfügungsberechtigte - hier das Unternehmen, das die Zahlungskarte mit Garantiefunktion ausgegeben hat (vgl. BGH, Urt. vom 10. Mai 2005 - 3 StR 425/04, NStZ 2005, 566) - Vorkehrungen getroffen hat, um den Zugriff auf die auf dem Magnetstreifen der Zahlungskarte gespeicherten Daten auszuschließen oder wenigstens nicht unerheblich zu erschweren (vgl. BTDrucks. 16/3656 aaO; Fischer StGB 57. Aufl. § 202 a Rdn. 8 jeweils m.w.N.). Eine Schutzvorkehrung ist jedoch nur dann eine Zugangssicherung im Sinne des § 202 a Abs. 1 StGB, wenn sie jeden Täter zu einer Zugangsart zwingt, die der Verfügungsberechtigte erkennbar verhindern wollte (BTDrucks. 16/3656 aaO; Fischer aaO Rdn. 9). Der Überwindung einer solchen Zugangssicherung bedarf es jedoch nicht, wenn die auf dem Magnetstreifen einer Zahlungskarte gespeicherten Daten lediglich ausgelesen werden. Dies ist ohne Weiteres mittels eines handelsüblichen Lesegeräts und der ebenfalls im Handel erhältlichen Software möglich.
bb) Der Umstand, dass sich der Angeklagte und seine Mittäter mittels des an den jeweiligen Geldautomaten angebrachten Lesegeräts den Zugriff auch auf jene Daten verschafften, die in Verbindung mit der über eine Tastatur gesondert einzugebenden PIN vor der unbefugten Verwendung einer Zahlungskarte schützen sollen, führt entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts zu keinem anderen Ergebnis. Die Autorisierung bei der Verwendung einer Zahlungskarte mit Garantiefunktion erfolgt ausschließlich über die Eingabe der PIN (vgl. Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski Bankrechts-Handbuch § 54 Rdn. 14 b). Diese wird nicht durch Lesen der Daten aus dem Magnetstreifen ermittelt, sondern mit dem Triple-DES-Algorithmus, einem 128-Bit-Schlüssel, aus der auf dem Magnetstreifen gespeicherten Kontonummer, der Kartenfolge-nummer und der jeweiligen Bankleitzahl des Karten ausgebenden Instituts -nunmehr ausschließlich online (vgl. Gößmann aaO) - errechnet und mit der vom Benutzer des Geldautomaten eingegebenen PIN verglichen (vgl. BGH, Urt. vom 5. Oktober 2004 - XI ZR 210/03, BGHZ 160, 308, 311; Gößmann aaO; Koch/Vogel in Langenbucher/Gößmann/Werner Zahlungsverkehr § 5 Rdn. 10). Die für die Berechnung der PIN erforderlichen Daten sichern die auf dem Magnetstreifen einer Zahlungskarte gespeicherten Daten aber lediglich vor unbefugter Verwendung der Daten beim Benutzen der Karte, nicht jedoch vor dem unberechtigten Zugang zu den Daten durch Auslesen mit einem Lesegerät.
cc) Die Sicherung der der Berechnung der PIN zugrunde liegenden Daten durch Verschlüsselung mittels kryptografischer Schlüssel (Koch/Vogel aaO) stellt zwar nach wohl herrschender Meinung (vgl. Fischer aaO Rdn. 9 a) eine besondere Zugangssicherung dar, die aber ausschließlich vor der Erfassung des Bedeutungsgehalts der Daten schützt (MünchKomm StGB/Graf aaO Rdn. 40). Beim bloßen Auslesen und Abspeichern der verschlüsselten Daten auf einen Datenträger des Täters bleibt die Verschlüsselung indes unangetastet, sodass mangels Überwindung der Zugangssicherung der Tatbestand des § 202 a Abs. 1 StGB nicht erfüllt ist (vgl. MünchKomm StGB/Graf aaO Rdn. 46; Bosch in Satzger/Schmitt/Widmaier StGB § 202 a Rdn. 6; Gröseling/Höfinger MMR 2007, 549, 551). Gleiches gilt für sonstige möglicherweise in verschlüsselter Form auf dem Magnetstreifen einer Zahlungskarte gespeicherte Daten.
b) Auf Anfragebeschluss des Senats hat der 3. Strafsenat seine entgegenstehende, dem Urteil vom 10. Mai 2005 - 3 StR 425/04 (NStZ 2005, 566) zu Grunde liegende Rechtsprechung aufgegeben. Der 2. Strafsenat ist der hier vertretenen Rechtsansicht beigetreten, der 1. und 5. Strafsenat haben mitgeteilt, an möglicherweise entgegenstehender Rechtsprechung nicht festzuhalten.
3. Der Wegfall der tateinheitlichen Verurteilungen wegen Ausspähens von Daten in den Fällen II. 1 bis 3 der Urteilsgründe lässt den Strafausspruch unberührt. Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter auf der Grundlage einer zutreffenden rechtlichen Bewertung auf mildere Einzelstrafen erkannt hätte. Die Strafkammer, die die Einzelstrafen jeweils dem - Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahre vorsehenden - Regelstrafrahmen des § 152 b Abs. 2 StGB entnommen hat, hat die jeweiligen Verurteilungen wegen Ausspähens von Daten - anders als die tateinheitliche Verwirklichung des Verbrechenstatbestandes des § 263 a Abs. 2 StGB i.V.m. § 263 Abs. 5 StGB - weder bei der Prüfung des Vorliegens eines minder schweren Falles nach § 152 b Abs. 3 StGB im Zuge der Strafrahmenwahl, noch bei der Strafzumessung im engeren Sinne zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt. ..." (BGH, Beschluss vom 06.07.2010 - 4 StR 555/09)
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Das bloße Auslesen von auf dem Magnetstreifen einer Zahlungskarte gespeicherten Daten, um mit diesen Daten Kartendubletten herzustellen, erfüllt nicht den Tatbestand des Ausspähens von Daten (Hinweis; BGH, Beschluss vom 14.01.2010 - 4 StR 93/09).
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Die ausstellende Bank, nicht aber der Inhaber der EC-Karte, ist Berechtigte der auf einer EC-Karte gespeicherten Programmdaten. Daher kann nur die Bank einen Strafantrag nach § 205 I StGB stellen. Werden Daten der von einer Sparkasse ausgegebenen EC-Karten ausgespäht, so ist nicht der Inhaber der EC-Karte, sondern das Bankinstitut zur Stellung des Strafantrages berechtigt (§ 205 I StGB). Das Herstellen zahlreicher EC-Doubletten stellt nur eine Tat i.S. d. § 152a I StGB a.F. dar, wenn es jeweils in einem durchgehenden Arbeitsgang in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang erfolgt (BGH, Urteil vom 10.05.2005 - 3 StR 425/04 zu StGB §§ 202a, 205 I, 152a I):
?... Die Angeklagten forschten an den Wochenenden 28./29. 4., 7./8. 7. und 28./29. 7. 2001 sowie am 14. 7. 2001 an Geldautomaten der Stadtsparkasse A. durch den Einsatz technischer Geräte die Datensätze von an diesen Tagen benutzten EC-Karten sowie die dazugehörenden Identifizierungsnummern (PIN) aus. Zu einer weiteren - angeklagten - Tat am 15. 7. 2001 kam es nicht. Anschließend übertrug der Angekl. N die Daten in Excel-Tabellen in seinen PC.
Später beschlossen die Angeklagten, die erlangten Daten zu verwerten. Nach dem Erwerb von Kartenrohlingen übertrugen sie im Laufe eines Nachmittags innerhalb von etwa 3 Stunden die gespeicherten Daten auf die Magnetstreifen von rund 200 Rohlingen und notierten jeweils die dazu gehörige PIN. Zwischen dem 28. 9. und 1. 10. 2001 hoben die Angeklagten unter Einsatz der Kartendoubletten an verschiedenen Geldautomaten 324 Mal insgesamt Bargeld im Wert von über 261000 EUR ab.
Ohne Beteiligung des Angekl. H zeichnete der Angekl. N mit inzwischen technisch verbesserten Geräten am 2. 3. 2002 weitere Datensätze auf und übertrug sie auf Blanko-Karten. In der Zeit vom 6. bis 11. 6. 2002 hob er in 223 Einzelfällen insgesamt 109000 EUR ab.
Beide Angeklagte ermittelten am 10. und 11. 5. 2002 die Daten von mindestens weiteren 186 Kunden bei einem Geldautomaten der Stadtsparkasse D. und übertrugen sie auf Kartenrohlinge (Fall II. 5. der Urteilsgründe). In der Zeit vom 19. bis 21. 6. 2002 hoben sie damit gemeinsam 92000 EUR ab.
Das LG hat den Angekl. N wegen ?Ausspähens von Daten in 6 Fällen und wegen gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten in 3 Fälle' zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten, den Angekl. H wegen ?Ausspähens von Daten in 5 Fällen und wegen gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten in 2 Fällen' zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt. Im Übrigen hat es die Angeklagten freigesprochen.
Mit ihrem Rechtsmittel erstrebte die StA die Verurteilung der Angeklagten auch in allen Fällen, in denen Freispruch erfolgt ist.
Die Angeklagten rügten die Verletzung materiellen Rechts und wandten sich insbesondere gegen die Annahme gewerbsmäßigen Handelns.
Die Rechtsmittel hatten lediglich in geringfügigem Umfang Erfolg. ...
II. Auf die Revisionen der StA und der Angeklagten war das Verfahren im Fall II. 5. der Urteilsgründe mangels Strafantrags des Berechtigten (§ 205 I StGB) einzustellen. Antragsberechtigt war die Stadtsparkasse D. Denn diese war als Verfügungsberechtigte über die Daten, die auf von ihr ausgegebenen EC-Karten gespeichert waren, durch die Vorschrift des § 202a StGB geschützt. Dass mehrere Inhaber von EC-Karten einen Strafantrag gestellt haben, ist ohne Belang. Der Inhaber einer EC-Karte ist nicht Berechtigter an den in dem Magnetstreifen gespeicherten Programmdaten (MünchKommStGB-Graf § 202a Rn 22; Tröndle/Fischer 52. Aufl., § 202 Rn 7). ...
III. Das Rechtsmittel der StA hat nur in geringem Umfang Erfolg.
1. Soweit die StA beanstandet, dass die Angeklagten nicht auch wegen 730 bzw. 508 Fällen der gewerbsmäßigen Fälschung von Zahlungskarten in Tateinheit mit Computerbetrug verurteilt worden sind, ist die Revision unbegründet. Zutreffend hat das LG angenommen, dass das Herstellen zahlreicher EC-Doubletten nur eine Tat i.S. d. § 152a I StGB a.F. darstellt, wenn es jeweils in einem durchgehenden Arbeitsgang in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang erfolgt (vgl. MünchKommStGB-Erb § 152a Rn 17). Da die EC-Doubletten in der Absicht hergestellt wurden, sie später zu gebrauchen, werden das Nachmachen (als Vorbereitungsakt) und das Gebrauchmachen (als Ausführungshandlung) zu einer deliktischen Einheit verbunden (vgl. BGH NStZ-RR 2001, 240; BGHSt 46, 48, 52; 146, 152). Zu dieser Tat steht der Computerbetrug in Tateinheit.
Allerdings hätte in diesen Fällen kein Freispruch erfolgen dürfen. Denn ein Teilfreispruch kommt nicht in Betracht, wenn ein erwiesener Sachverhalt nur eine andere konkurrenzrechtliche Bewertung als in der Anklage angenommen erfährt. In einem solchen Fall wird der gesamte Verfahrensgegenstand durch die Verurteilung erschöpfend erledigt (Senat BGHR StPO § 260 I Teilfreispruch 14; NStZ 2004, 109 mwN).
2. Auch soweit es das Ausspähen von Daten anbelangt, hat das LG die sich über ein Wochenende erstreckenden Aufzeichnungsvorgänge - abweichend von der Anklage - zu Recht jeweils lediglich als eine Tat gewertet und den Angekl. N wegen 6, den Angekl. H wegen 5 Taten schuldig gesprochen. Die von der Anklage abweichende konkurrenzrechtliche Bewertung führt auch hier zu keinem Teilfreispruch.
Anders liegt es bei dem als 2 Taten angeklagten Ausspähen am 14. und 15. 7. 2001. Da die Angeklagten das Aufnehmen der Daten am 14. 7. abbrechen mussten, als ihr Aufzeichnungsgerät nicht mehr funktionierte, liegt ein Ausspähen am 15. 7. 2001 nicht mehr vor, so dass in diesem Fall das LG die Angeklagten zu Recht freigesprochen hat. Insofern ist ohne Bedeutung, dass die Angeklagten auch an diesem Wochenende nur eine Ausspähungshandlung vornehmen wollten und im Erfolgsfall bei zutreffender rechtlicher Würdigung nur wegen einer Tat hätten verurteilt werden dürfen, ohne dass ein Teilfreispruch in Betracht gekommen wäre (vgl. Meyer-Goßner 47. Aufl., § 260 Rn 13). ..."
*** (OLG)
Bei den nach § 33 StVG gespeicherten Halterdaten im Sinn des § 39 StVG handelt es sich um "offenkundige" Daten, die deswegen weder dem Schutzzweck des § 202 a StGB noch dem der Datenschutzgesetze unterfallen (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 29.07.1999 - 5 St RR 75/99).
Hat ein Schuldner auf eine private Schufa-Auskunft hin, in der eine Anfrage einer Bank verzeichnet war, die Bank um "Austragung und Veranlassung bei der Schufa" gebeten und haben Mitarbeiter der Bank unter Verwendung der von dem Schuldner genannten Kontoverbindung im Online-Verfahren (erneut) den Datenbestand der Schufa abgefragt, ist diese Anfrage nicht "unbefugt" im Sinne des BDSG § 43 und StGB § 202a gewesen, denn die Bankmitarbeiter durften davon ausgehen, daß der Schuldner mit der Anfrage einverstanden war (KG Berlin, Beschluss vom 17.11.1997 - Zs 1419/97 - 3 Ws 620/97, Zs 1419/97, 3 Ws 620/97).
Das Verschaffen von Daten i. S. des § 202a StGB muß unter Überwindung der Zugangssicherung erfolgen. Bei einem Geldspielautomaten sind "Daten' nur das auf dem Microchip gespeicherte Spielprogramm, nicht eine Liste mit Zahlenkolonnen, die es ermöglichen festzustellen, wann die Risikotaste zum "Leerspielen' zu betätigen ist. Eine Liste mit Zahlenkolonnen, mit deren Hilfe der Beschuldigte feststellen will, wann die Risikotaste zum "Leerspielen" zu betätigen ist, ist kein taugliches Objekt des Ausspähens im Sinne von StGB § 202a. Daten sind nur das auf dem Microchip gespeicherte Spielprogramm. Darüberhinaus muß das Verschaffen von Daten unter Überwindung der Zugangssicherung erfolgen (OLG Celle, Entscheidung vom 11.05.1989 - 2 Ws 38/89).
***
Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes in § 100g Abs. 1 S. 1 StPO können Auskünfte über Telekommunikationsverbindungsdaten von Telekommunikationsdiensten nur gerichtlich angeordnet werden, wenn es um Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere um solche der in § 100a S. 1 StPO aufgeführten Taten geht. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da es in einem Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Ausspähung von Daten gemäß § 202a StGB darum geht, dass ein unbekannter Täter von dem am Arbeitsplatz des Geschädigten befindlichen PC mit Internetzugang unter missbräuchlicher Verwendung seiner Personaldaten und unter Verwendung eines passwortgeschützten e-mail-Kontos eine Kontaktanzeige aufgegeben haben soll (LG Dortmund, Beschluss vom 18.03.2002 - 14 (III) Qs 6/02).
Ein Computerhacker, der in das Datex-P-Netz der Deutschen Telekom eindringt und dort Anschlußnummern von Anschlußinhabern kopiert, um mit der Anschlußnummer und dem dazugehörigen Paßwort auf die Rechner der Anschlußinhaber zuzugreifen, erfüllt die Tatbestände des Computerbetruges (StGB § 263a), des Ausspähens von Daten (StGB § 202a) und des Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (UWG § 17 Abs 2 Nr 1 Buchst a; LG München I, Urteil vom 23.03.1998 - 6 KLs 315 Js 18225/94).
Nicht jede Verwendung von Daten, die dem wirtschaftlichen Interesse eines Automatenaufstellers oder Automatenherstellers widerspricht, kann im strafrechtlichen Sinne als unbefugt angesehen werden. Die Verarbeitung von an Spielautomaten angezeigten daten in einer eigenen mitgeführten Computeranlage mit dem Ziel, Informationen für eine gewinnsichere Tastenbetätigung zu erlangen, verstößt weder gegen StGB § 202a noch gegen StGB § 263a (LG Göttingen, Urteil vom 02.08.1988 - Ns 10 Ls 41 Js 19525/87).
Siehe auch unter ?Abfangen von Daten".
Ausspähen und Abfangen von Daten - Vorbereitung § 202 c StGB
(1) Wer eine Straftat nach § 202a oder § 202b vorbereitet, indem er
1. Passwörter oder sonstige Sicherungscodes, die den Zugang zu Daten (§ 202a Abs. 2) ermöglichen, oder
2. Computerprogramme, deren Zweck die Begehung einer solchen Tat ist,
herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verkauft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) § 149 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.
Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse § 278 StGB
Ärzte und andere approbierte Medizinalpersonen, welche ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft wider besseres Wissen ausstellen, werden mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse in 360 Fällen und des Betrugs in 391 Fällen (§§ 278, 263, 25 Abs. 2 StGB) freigesprochen. Die Anklage der Staatsanwaltschaft Frankfurt hatte dem Angeklagten vorgeworfen, für 38 nicht existente Personen insgesamt 360 unrichtige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt zu haben, mit denen der gesondert Verfolgte G. entsprechend einem gemeinsamen Tatplan 391 Ausgleichszahlungen nach § 10 des Lohnfortzahlungsgesetzes erlangt haben soll. Gegen den Freispruch richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
I. Das Landgericht hat folgendes festgestellt: Der Angeklagte betrieb eine Praxis für Allgemeinmedizin in O. . Bei seinen Patienten handelte es sich ganz überwiegend um Arbeitnehmer aus dem früheren Jugoslawien. Die Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen handhabte der Angeklagte großzügig. Üblicherweise unterschrieb er Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen blanko im Behandlungsraum und verwies den Patienten damit an die Rezeption, wo eine seiner Arzthelferinnen das Formular mit den Daten, die der Angeklagte in der Patientendatei vermerkt hatte, ausfüllte. Die verfahrensgegenständlichen 360 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen tragen Ausstellungsdaten zwischen dem 1. November 2001 und dem 2. Dezember 2003 und lauten auf die Namen von 38 verschiedenen Personen. Eine dieser Personen existiert nach Überzeugung des Landgerichts tatsächlich und ist vom Angeklagten untersucht worden. Die Daten aller Krankschreibungen wurden von dem gesondert Verfolgten G. vorgegeben, der die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei verschiedenen Allgemeinen Ortskrankenkassen zur Erstattung nach dem Lohnfortzahlungsgesetz einreichte. Der Angeklagte hatte im Ermittlungsverfahren eingeräumt, dass die Unterschriften von ihm stammen; weitere Angaben zu den Umständen, unter denen er diese Krankschreibungen unterzeichnet hat, hat er weder im Ermittlungsverfahren noch in der Hauptverhandlung gemacht. Das Landgericht hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte aufgrund eines gemeinsamen Tatplans mit G. gehandelt hat. Es sei vielmehr nicht auszuschließen, dass die beiden Arzthelferinnen M. und K. den Angeklagten unter Vorwänden veranlasst haben könnten, vermeintlich berechtigte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen blanko zu unterschreiben, so dass ihm deren Unrichtigkeit bzw. der betrügerische Verwendungszweck nicht bewusst gewesen sei.
II. Die den Freispruch tragenden Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Nach § 278 StGB macht sich ein Arzt strafbar, der ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft wider besseren Wissens ausstellt. Die Vorschrift soll die Beweiskraft ärztlicher Zeugnisse für Behörden und Versicherungsgesellschaften sichern. Ein Zeugnis, das ein Arzt ohne Untersuchung ausstellt, ist als Beweismittel ebenso wertlos wie ein Zeugnis, das nach Untersuchung den hierbei festgestellten Gesundheitszustand unrichtig darstellt (BGHSt 6, 90, 92; RGSt 74, 229, 231). Ob dies auch dann gilt, wenn der Arzt eine Folgebescheinigung ausstellt, nachdem er den Patienten vor der Ausstellung der ersten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung untersucht hat, kann hier dahinstehen, weil es im vorliegenden Verfahren nicht um diese Fälle geht, sondern um Fälle, in denen nie eine Untersuchung stattgefunden haben soll.
Das Landgericht ist rechtlich zutreffend davon ausgegangen, dass das Ausstellen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ohne ärztliche Untersuchung den Tatbestand des § 278 StGB in objektiver und subjektiver Hinsicht verwirklicht (UA S. 27). Es hat seine Überzeugung geäußert, dass der Angeklagte auch ohne persönliche Vorsprache des Patienten auf telefonische Anforderung und damit wissentlich unrichtige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt hat (UA S. 26). Es hat den Angeklagten dennoch aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse in den angeklagten Fällen freigesprochen, weil in keinem dieser angeklagten 360 Einzelfälle mehr festzustellen sei, unter welchem konkreten Vorwand die Arzthelferinnen die Blankounterschrift des Angeklagten erlangt hätten. Es komme neben dem Vorwand, dass ein Patient telefonisch eine Krankschreibung erbeten habe, eine Vielzahl von Begründungen in Betracht, aufgrund derer der Angeklagte geglaubt haben könne, dass die Ausstellung sachlich berechtigt sei, etwa wenn ihm gesagt worden sei, dass ein Patient seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verloren habe oder wegen eines Eingabefehlers oder der Beschädigung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eine neue Bescheinigung ausgestellt werden müsse.
a) Dem kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil das Landgericht selbst zur Begründung seiner Entschädigungsentscheidung, mit der eine Entschädigung des Angeklagten nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen abgelehnt worden ist, dargelegt hat, dass der Angeklagte in nicht unerheblichem Umfang wissentlich unrichtige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erstellt hat, indem er Blankounterschriften für angeblich telefonisch erforderte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen geleistet hat. Da dies für die Arzthelferinnen der bequemste Weg gewesen sei, sei hiervon reichlich Gebrauch gemacht worden (UA S. 28). Damit ist die Annahme des Landgerichts, es käme eine Vielzahl von Möglichkeiten in Betracht, aufgrund derer der Angeklagte geglaubt haben konnte, dass die Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sachlich gerechtfertigt sei, nicht ohne weiteres zu vereinbaren.
b) Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils ist jedoch auch deshalb nicht frei von rechtlichen Bedenken, weil die Urteilsgründe schon nicht erkennen lassen, ob die 38 Personen, für die die verfahrensgegenständlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt wurden, tatsächlich existieren oder nicht. Das Landgericht hat nur hinsichtlich des N. G. festgestellt, dass es diesen Patienten tatsächlich gebe. Die Urteilsgründe teilen ferner nicht mit, welche Erklärung der Zeuge Dr. R. , der Praxisvertreter des Angeklagten, der ebenfalls für einige dieser 38 Personen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen unterzeichnet hat, hierfür gegeben hat, ob er die Patienten untersucht hat oder ob er lediglich Blankounterschriften auf Anforderung der Arzthelferinnen geleistet hat. Von Bedeutung wäre insoweit, ob Dr. R. tatsächlich mit Begründungen, die das Landgericht als möglich für vermeintlich berechtigte BlankoArbeitsunfähigkeitsbescheinigungen angesehen hat (UA S. 16/17), zum Unterschreiben von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aufgefordert worden ist. Das Argument des Landgerichts, dass die abgerechneten ärztlichen Leistungen angesichts der geringen Höhe der Vergütung kein hinreichendes Motiv des Angeklagten für ein strafbares Verhalten ergäben, steht im Widerspruch zu seiner Feststellung, dass der Angeklagte generell bereit war, auf telefonische Anforderung Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auszustellen, wofür das Motiv auch die ärztliche Vergütung gewesen sein dürfte. Schließlich trifft auch die Erwägung des Landgerichts nicht zu, dass umgerechnet auf den angeklagten Tatzeitraum die Arzthelferinnen nicht einmal eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung pro Arbeitstag vom Angeklagten hätten erschleichen müssen. Wie der Vertreter der Bundesanwaltschaft zutreffend ausgeführt hat, sind von den verfahrensgegenständlichen 360 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen allein 302 in dem nur etwas mehr als zehn Monate währenden Zeitraum vom 27. Januar bis zum 2. Dezember 2003 ausgestellt worden.
c) Das Landgericht verkennt zudem die Anforderungen, welche die Rechtsprechung an die Feststellung des Schuldumfangs bei Serienstraftaten stellt. Steht ein strafbares Verhalten des Täters fest, kann es lediglich nicht bestimmten Einzelakten zugeordnet werden, kann die Bestimmung des Schuldumfanges, dass heißt die Bestimmung der Zahl der Einzelakte strafbaren Verhaltens, im Wege der Schätzung erfolgen (BGHR StGB vor § 1/Serienstraftaten Betrug 1; Steuerhinterziehung 2). Bei der Feststellung der Zahl der Einzelakte ist der Grundsatz in dubio pro reo zu beachten. Ein solches Verfahren ist stets zulässig, wenn sich Feststellungen auf andere Weise nicht treffen lassen. Jede andere Betrachtung, die von einer eingeengten, jeden Einzelfall isoliert beurteilenden Sichtweise ausgeht, würde zum Ausschluss der Strafbarkeit bei zweifellos strafbarem Gesamtverhalten führen, wie der vorliegende Fall zeigt. Dass sich für eine Schätzung keine ausreichend sicheren Grundlagen gewinnen ließen, ist dem Urteil nicht zu entnehmen.
2. Der vorstehend aufgezeigte Rechtsfehler führt auch zur Aufhebung des Freispruchs vom Vorwurf des gemeinschaftlichen Betruges. Selbst wenn der Angeklagte nicht aufgrund einer Absprache mit dem gesondert Verfolgten G. zusammengewirkt haben sollte, hätte sich das Landgericht mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob er bei der wissentlichen Ausstellung falscher Gesundheitszeugnisse mit bedingtem Vorsatz hinsichtlich einer möglichen betrügerischen Verwendung derselben gehandelt hat. ..." (BGH, Urteil vom 08.11.2006 - 2 StR 384/06)
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Zwar liegt ein unrichtiges Gesundheitszeugnis in der Regel auch dann vor, wenn es über einen Befund ausgestellt wird, ohne daß eine Untersuchung stattgefunden hat. Bei Krankheitsfällen, in denen es sich entweder nach der Art der Erkrankung oder der seelischen Verfassung des Patienten für den gewissenhaften Arzt verbietet, eine körperliche Untersuchung oder eine persönliche Befragung des Patienten vorzunehmen, genügt der Arzt der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht aber dann, wenn er vor der Ausstellung des Gesundheitszeugnisses sich auf andere Weise zuverlässig über den Gesundheitszustand des Patienten unterrichtet. Nicht jede unrichtige Angabe in einem Gesundheitszeugnis begründet ein strafbares Verhalten. Hinzu kommen muß vielmehr, daß die tatsächliche Grundlage des Gutachtens einen erheblichen Fehler aufweist (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 11.01.2006 - 2 Ss 24/05, StV 2006, 471 ff).
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Auswahl des Sachverständigen § 73 StPO
(1) Die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen und die Bestimmung ihrer Anzahl erfolgt durch den Richter. Er soll mit diesen eine Absprache treffen, innerhalb welcher Frist die Gutachten erstattet werden können.
(2) Sind für gewisse Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich bestellt, so sollen andere Personen nur dann gewählt werden, wenn besondere Umstände es fordern.
Leitsätze/Entscheidungen:
Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger hat die Pflicht zur persönlichen Gutachtenerstattung. Es besteht daher ein Delegationsverbot, soweit durch Heranziehung anderer Personen die Verantwortung des Sachverständigen für das Gutachten in Frage gestellt wird. Das Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen muss eine Exploration des Probanden durch den Sachverständigen einschließen. Dabei handelt es sich um die zentrale Untersuchungsmethode. Deren Ergebnisse kann der gerichtliche Sachverständige nur dann eigenverantwortlich bewerten, wenn er sie selbst durchgeführt oder zumindest insgesamt daran teilgenommen hat (BGH, Beschluss vom 25.05.2011 - 2 StR 585/10 zu StPO §§ 73, 75).
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Auswahl des Verteidigers durch den Vorsitzenden § 142 StPO n.F.
(1) Vor der Bestellung eines Verteidigers soll dem Beschuldigten Gelegenheit gegeben werden, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger seiner Wahl zu bezeichnen. Der Vorsitzende bestellt diesen, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht.
(2) In den Fällen des § 140 Abs. 1 Nr. 2 und 5 sowie des § 140 Abs. 2 können auch Rechtskundige, welche die vorgeschriebene erste Prüfung für den Justizdienst bestanden haben und darin seit mindestens einem Jahr und drei Monaten beschäftigt sind, für den ersten Rechtszug als Verteidiger bestellt werden, jedoch nicht bei dem Gericht, dessen Richter sie zur Ausbildung überwiesen sind.
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Auswahl des Verteidigers durch den Vorsitzenden § 142 StPO a.F.
(1) Der zu bestellende Verteidiger wird durch den Vorsitzenden des Gerichts möglichst aus der Zahl der bei einem Gericht des Gerichtsbezirks zugelassenen Rechtsanwälte ausgewählt. Dem Beschuldigten soll Gelegenheit gegeben werden, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Rechtsanwalt zu bezeichnen. Der Vorsitzende bestellt den vom Beschuldigten bezeichneten Verteidiger, wenn nicht wichtige Gründe entgegenstehen.
(2) In den Fällen des § 140 Abs. 1 Nr. 2 und 5 sowie des § 140 Abs. 2 können auch Rechtskundige, welche die vorgeschriebene erste Prüfung für den Justizdienst bestanden haben und darin seit mindestens einem Jahr und drei Monaten beschäftigt sind, für den ersten Rechtszug als Verteidiger bestellt werden, jedoch nicht bei dem Gericht, dessen Richter sie zur Ausbildung überwiesen sind.
Leitsätze/Entscheidungen:
Es erscheint nicht unbedenklich, dass ein vom Angeklagten gewünschter RA diesem nicht als Pflichtverteidiger im Hinblick auf dessen Belastung mit Terminswahrnehmungen aus anderweitig übernommenen Mandatsverpflichtungen beigeordnet wird, ohne zuvor die Verfügbarkeit für die im vorliegenden Verfahren in Aussicht genommenen Hauptverhandlungstermine mit ihm geklärt zu haben (BGH, Beschluss vom 18.08.2009 - 4 StR 280/09 zu StPO §§ 142 Abs. 1, 338 Nr. 8, 213; MRK Art. 6 Abs. 1, Abs. 3c).
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?... Mit den Verfahrensrügen wird unter mehreren Aspekten geltend gemacht, der Angeklagte sei nicht ordnungsgemäß verteidigt gewesen.
1. Bei Eröffnung des Haftbefehls am 15. August 2006 erklärte der Angeklagte (damals Beschuldigter) auf entsprechende richterliche Fragen: "Ich brauche keinen Anwalt. Ich kenne keinen Rechtsanwalt. Ich überlasse die Auswahl des Rechtsanwalts dem zuständigen Gericht".
Am nächsten Tag beantragte die Staatsanwaltschaft beim Vorsitzenden der Strafkammer, Rechtsanwalt T. , der sich telefonisch zur Übernahme der Verteidigung bereit erklärt hatte, zum Verteidiger zu bestellen. Am 18. August 2006 bestellte der Vorsitzende ihn zum Verteidiger.
Die Revision meint, hier habe die Staatsanwaltschaft, nicht der Vorsitzende den Verteidiger ausgewählt. Dies sei unfair, die Staatsanwaltschaft sei Gegner des Angeklagten. Sein Einverständnis mit der Auswahl des Verteidigers durch das Gericht habe dieses Vorgehen nicht umfasst. Jedenfalls wäre er dann nochmals anzuhören gewesen.
a) Wieso eine Entscheidung des Gerichts nach Antrag der Staatsanwaltschaft deren Entscheidung wäre, erschließt sich nicht.
b) Die Annahme, die Staatsanwaltschaft habe kein Interesse an einer sachgemäßen Verteidigung, geht im Ansatz fehl. Die Staatsanwaltschaft ist im Strafprozess nicht Partei (BGHSt 15, 155, 159; Pfeiffer in KK 5. Aufl. Einl. Rdn. 63; Bergmann in Anwaltskommentar, StPO § 141 GVG Rdn. 1 jew. m. w. N.), sondern ein der rechtsprechenden Gewalt zugeordnetes Organ (BGHSt 24, 170, 171; Pfeiffer aaO Rdn. 61), das, wie sich etwa aus § 160 Abs. 2 StPO ohne weiteres ergibt, der Objektivität verpflichtet ist (vgl. Pfeiffer aaO Rdn. 63 m. w. N.). Wenn sie nach ausdrücklichem Verzicht des Beschuldigten, selbst einen Verteidiger zu benennen, ihrerseits mit ihrem Antrag gemäß § 141 Abs. 3 Satz 2 StPO einen Rechtsanwalt namhaft macht (vgl. auch § 33 Abs. 2 StPO), so spricht allein dies nicht gegen dessen Bestellung.
c) Nach der Erklärung des Angeklagten, er überlasse die Auswahl dem Gericht, war seine (erneute) Anhörung vor der Bestellung an sich nicht mehr erforderlich. Anderes behauptet auch die Revision nicht. Aus den dargelegten Gründen (vgl. oben 1 b) ergibt sich zugleich, dass eine erneute Anhörung auch nicht vor der Bestellung des von der Staatsanwaltschaft vorgeschlagenen Rechtsanwalts erforderlich war.
2. Rechtsanwalt T. ist nicht Fachanwalt für Strafrecht. Die Revision meint, es spräche vieles dafür, in einem Fall wie hier einen Fachanwalt für Strafrecht zu bestellen. Sie fährt fort: "Nach der Rechtsprechung (ergibt sich) in jedem Fall die ausreichende Qualifikation als Verteidiger aus der Zulassung zur Anwaltschaft. Dies würde für sich genommen einen Revisionsgrund darstellen." Es mag dahinstehen, ob damit die Bestellung von Rechtsanwalt T. auch deshalb als rechtsfehlerhaft gerügt sein soll, weil er nicht Fachanwalt für Strafrecht ist. Es gibt keinen Rechtssatz, wonach - grundsätzlich oder zumindest bei einer Fallgestaltung wie hier - nur ein Fachanwalt für Strafrecht als Verteidiger bestellt werden könnte. Im Übrigen besteht auch keine forensische Erfahrung, wonach deshalb, weil ein Rechtsanwalt kein Fachanwalt für Strafrecht ist, regelmäßig zu erwarten sei, dass eine von ihm geführte Verteidigung weniger sachgerecht wäre.
Benennt der Beschuldigte (Angeklagte) selbst keinen Verteidiger (§ 142 Abs. 1 Sätze 2 und 3 StPO), so bestimmt der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen, welchen Rechtsanwalt er zum Verteidiger bestellt. Von dem hier unproblematischen Grundsatz abgesehen, dass dieser möglichst im Bezirk des betreffenden Gerichts niedergelassen sein sollte (§ 142 Abs. 1 Satz 1 StPO), enthält das Gesetz keine ausdrücklichen Regeln, die dieses Ermessen begrenzten. Es wäre jedoch mit der allgemeinen Fürsorgepflicht des Vorsitzenden unvereinbar, bestellte er einen Rechtsanwalt, der keine Gewähr für eine sachgerechte und ordnungsgemäße Verteidigung des Angeklagten bietet oder bei dem zu befürchten ist, dass er verfahrensfremde Zwecke verfolgen wird (vgl. zusammenfassend Thielmann StraFo 2006, 358, 359 m. w. N.). Anhaltspunkte dafür, dass die Auswahl von Rechtsanwalt T. mit solchen Mängeln behaftet sei, gibt es nicht. Ausweislich der Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft, der die Revision nicht entgegengetreten ist, ist Rechtsanwalt T. "seit Jahren schwerpunktmäßig als Strafverteidiger tätig; unter anderem verteidigte er in zahlreichen Schwurgerichtsverfahren". Die Revision legt vielmehr selbst eine "Anwaltsauskunft des DAV" über Rechtsanwalt T. vor, in der unter der Rubrik "Rechtsgebiete" auch "Straf- und Strafverfahrensrecht" genannt sind. Die Bedeutung des Hinweises der Revision, dort seien "vor dem Strafrecht zunächst Ehe- und Familienrecht sowie Erbrecht" angegeben, erschließt sich nicht. Die dort aufgeführten Rechtsgebiete sind - von "Eherecht" bis "Verkehrsrecht" - alphabetisch geordnet.
3. Im Übrigen macht die Revision im Zusammenhang mit der Verteidigung durch Rechtsanwalt T. folgendes geltend:
Am 28. August 2006 richtete die mit Rechtsanwalt T. in derselben Kanzlei tätige Rechtsanwältin P. "in Vertretung des derzeit urlaubsbedingt abwesenden Kollegen" ein Schreiben an die Staatsanwaltschaft. Hierin ersucht sie um Akteneinsicht und fragt an, "ob für die Besprechungen mit Herrn Tr. ein Dolmetscher hinzugezogen werden muss." Für diesen Fall ("wenn ja") wird um Genehmigung der Zuziehung eines Dolmetschers auf Kosten der Staatskasse gebeten. Neben Ausführungen dazu, wer mit der psychiatrischen Begutachtung betraut werden soll (vgl. Nr. 70 RiStBV) ist dann noch abschließend mitgeteilt, dass Rechtsanwalt T. voraussichtlich spätestens am 18. September 2006 aus dem Urlaub zurück sein werde.
Die Staatsanwaltschaft erteilte alsbald Akteneinsicht. Zur Notwendigkeit eines Dolmetschers äußerte sie sich nicht. Im weiteren Verlauf, so trägt die Revision vor, habe Rechtsanwalt T. an von ihr näher bezeichneten Tagen den Beschuldigten (Angeklagten) nur zweimal aufgesucht, jeweils ohne Dolmetscher. Außerdem habe er noch an einer (mit Dolmetscher durchgeführten) polizeilichen Vernehmung teilgenommen.
Die Revision meint, Rechtsanwalt T. hätte schon wegen seines bevorstehenden Urlaubs nicht zum Verteidiger bestellt werden dürfen. Er habe den Beschuldigten (Angeklagten) nicht oft genug aufgesucht. Außerdem hätte er einen Dolmetscher hinzuziehen müssen, wie dies auch sonst im Verfahren (z. B. bei polizeilichen Vernehmungen, der Haftbefehlseröffnung, dem überwiegenden Teil der Anhörung durch den Sachverständigen und der Hauptverhandlung) der Fall gewesen sei. Hierfür hätte unter den gegebenen Umständen die Justiz (zunächst die Staatsanwaltschaft, nach Anklageerhebung das Gericht) sorgen müssen.
Mit alledem ist schon im Ansatz verkannt, dass das Gericht (vor allem im Ermittlungsverfahren auch die Staatsanwaltschaft) grundsätzlich nicht zu überwachen hat, ob ein - sei es gewählter, sei es bestellter - Verteidiger seine Pflichten ordnungsgemäß erfüllt (st. Rspr., vgl. schon BGH, Urt. vom 2. Juni 1967 - 4 StR 154/67; ferner BGH b. Holtz MDR 1996, 120; NStZ 1998, 311, 312; Beschl. vom 27. Juli 2006 - 1 StR 147/06). Gleichwohl kann die Fürsorgepflicht gebieten, den bestellten Verteidiger abzulösen, wenn klar erkennbar ist, dass er nicht fähig ist, den Angeklagten sachgerecht zu verteidigen (BGH b. Holtz aaO).
Hierfür ist hier nichts ersichtlich:
a) Die Revision meint, dem Gericht oder jedenfalls der Staatsanwaltschaft sei bei der Bestellung von Rechtsanwalt T. dessen Urlaub bekannt gewesen. Dies erscheint schon in tatsächlicher Hinsicht zweifelhaft, der Brief von Rechtsanwältin P. könnte eher dagegen sprechen. Näher nachzugehen braucht der Senat dem aber nicht:
Zum Zeitpunkt der Bestellung von Rechtsanwalt T. am 18. August 2006 stand das Verfahren ganz am Anfang. Es war ohne weiteres absehbar, dass es noch einige Zeit in Anspruch nehmen würde, tatsächlich wurde dann am 19. Dezember 2006 Anklage erhoben. Bei diesem Verfahrensstand, bei dem insbesondere noch keine konkreten Termine (z. B. Hauptverhandlungstermin) feststehen, die in einen Urlaub fallen könnten, steht ein (in der Ferienzeit stets nahe liegender) Urlaub des Rechtsanwalts einer Bestellung zum Verteidiger nicht entgegen. Dementsprechend ist er auch nicht nach seinen Urlaubsplänen zu befragen. Es ist vielmehr allein Sache des Rechtsanwalts zu beurteilen, ob trotz seines Urlaubs eine sachgerechte Verteidigung möglich ist. Hat er hieran keine Zweifel, braucht er seine Urlaubspläne auch nicht ungefragt zu offenbaren.
Bei alledem ist nämlich zu berücksichtigen, dass ein Rechtsanwalt für seine Vertretung sorgen muss, wenn er, wie hier, länger als eine Woche abwesend ist (§ 53 Abs. 1 BRAO). Der mit "i. V. für RA T. " unterschriebene Brief von Rechtsanwältin P. deutet darauf hin - anderes behauptet auch die Revision nicht - dass sie zur Vertreterin bestellt war (§ 53 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BRAO). Einem Vertreter stehen die anwaltlichen Befugnisse des Vertretenen zu (§ 53 Abs. 7 BRAO), die Bestellung des vertretenen Rechtsanwalts zum Verteidiger gilt auch für den vertretenden Rechtsanwalt (vgl. BGH NStZ 1992, 248; OLG Frankfurt StV 1988, 195; Laufhütte in KK 5. Aufl. § 142 Rdn. 10 m. w. N.). Anwaltliche Vertretung war daher auch während der Urlaubsabwesenheit von Rechtsanwalt T. gewährleistet.
b) Im Übrigen hatte allein Rechtsanwalt T. , während seines Urlaubs Rechtsanwältin P. , zu entscheiden, wann erstmals Akteneinsicht beantragt wird und wann und wie oft der Beschuldigte aufgesucht wird. Die Überlegung der Revision, wegen der Gestaltung der Verteidigung sei der unwiederbringliche Verlust der Erinnerung des Beschuldigten an für ihn "positive Umstände" nicht auszuschließen, kann nicht verdeutlichen, dass hier ein Widerruf der Bestellung von Rechtsanwalt T. in Betracht gekommen wäre.
c) An alledem ändert auch der Vortrag der Revision zur Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Dolmetschers nichts, auch nicht unter Berücksichtigung der Behandlung der Anfrage von Rechtsanwältin P. durch die Staatsanwaltschaft.
(1) Die Staatsanwaltschaft hat die Frage nach der Notwendigkeit der Heranziehung eines Dolmetschers allerdings nicht ausdrücklich beantwortet. Sie hat jedoch der Verteidigung mit der Überlassung der Akten sämtliche Unterlagen zur Verfügung gestellt, die es zur - vorläufigen - Beurteilung der Beherrschung der deutschen Sprache durch den Angeklagten gab. Diese ergaben, wie auch die Revision im Übrigen selbst vorträgt, dass der - seit 1992 in Deutschland lebende - Angeklagte bei der Polizei erklärt hatte, er sei "der deutschen Sprache relativ gut mächtig". Erkennbar auf dieser Grundlage hat die Staatsanwaltschaft offenbar aus ihrer Sicht die Heranziehung eines Dolmetschers nicht für zwingend gehalten. Ausdrückliche Ausführungen hierzu waren nicht unerlässlich, nachdem um eine Kostenübernahmeerklärung nur für den Fall gebeten worden war, dass nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die Heranziehung eines Dolmetschers erforderlich sei ("wenn ja").
(2) Es spricht auch nichts dafür, dass Rechtsanwalt T. der Auffassung gewesen sein könnte, im Hinblick auf die unterbliebene Stellungnahme der Staatsanwaltschaft sei er unwiderruflich aus zwingenden rechtlichen Gründen gehindert gewesen, einen Dolmetscher auf Staatskosten hinzuziehen, selbst wenn eine solche Hinzuziehung aus seiner Sicht für eine sachgerechte Verteidigung geboten gewesen sei. Weder sind objektive Anhaltspunkte für eine solche gravierende und schon daher nicht nahe liegende offensichtliche Fehleinschätzung der Rechtslage durch Rechtsanwalt T. zu erkennen, noch hat er je eine Erklärung abgegeben, wonach er gehindert gewesen sei, die Verteidigung so zu führen, wie er dies für erforderlich gehalten habe (zur Bedeutung einer solchen Erklärung vgl. BGHSt 13, 337 ff.; BGH NStZ 1998, 311, 312).
(3) Im Übrigen entscheidet dann, wenn ein Angeklagter in gewissem Umfang der deutschen Sprache mächtig ist, der Verteidiger nach seinem - einer Überprüfung nur begrenzt zugänglichen - pflichtgemäßen Ermessen, ob für Verteidigungsgespräche ein Dolmetscher notwendig ist oder nicht. Insoweit gilt vergleichbares wie für den Richter, der in derartigen Fällen ebenfalls nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Dolmetscher für gerichtliche Verhandlungen erforderlich ist (vgl. BGH NStZ 1984, 328; NStZ 2002, 275; Kissel/Mayer, GVG 4. Aufl. § 185 Rdn. 6). Es liegt nicht nahe, dass ein Verteidiger nicht sachgerecht beurteilen könnte, ob er mit seinem Mandanten kommunizieren kann oder nicht (vgl. BGH, Beschl. vom 27. Juli 2006 - 1 StR 147/06). Allein der Umstand, dass das Gericht und sonstige für eine Vernehmung oder Anhörung des Beschuldigten Verantwortliche (Polizei, Sachverständiger) hier ihr Ermessen letztlich anders ausgeübt haben, belegt unter den gegebenen Umständen keinen offensichtlichen Ermessensfehlgebrauch des Verteidigers. Es besteht daher hier kein Anlass, wegen besonderer Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise von dem Grundsatz abzuweichen, dass das Gericht die Gestaltung der Verteidigung auch im Hinblick auf etwaige Sprachschwierigkeiten des Angeklagten (Beschuldigten) nicht zu überwachen hat (vgl. BGH b. Holtz MDR 1996, 120). ..." (BGH, Beschluss vom 15.08.2007 - 1 StR 341/07)
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?... Die Rüge ist unbegründet. Das Landgericht hat den Antrag auf Aussetzung oder Unterbrechung der Hauptverhandlung rechtsfehlerfrei abgelehnt.
Grundsätzlich hat ein Angeklagter das Recht, sich in einem Strafverfahren von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen (BGH StV 1992, 53; BGH NStZ 1998, 311, 312). Daraus folgt aber nicht, dass bei jeder Verhinderung des gewählten Verteidigers eine Hauptverhandlung gegen den Angeklagten nicht durchgeführt werden könnte. Die Terminierung ist grundsätzlich Sache des Vorsitzenden; allerdings ist er gehalten, über Anträge auf Verlegung des Termins nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminsplanung, der Gesamtbelastung des Spruchkörpers, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen der Prozessbeteiligten zu entscheiden (BGH NStZ 1998, 311, 312). Für die Beurteilung eines Antrags, die Hauptverhandlung wegen Verhinderung des Verteidigers auszusetzen oder zu unterbrechen, gilt nichts anderes.
Hier war für das Landgericht zur Klärung der Frage, ob wegen des nicht vorbereiteten und am 7. April 2005 verhinderten neuen Wahlverteidigers die Hauptverhandlung unterbrochen oder gar ausgesetzt werden sollte, schon im Ausgangspunkt nicht ersichtlich, dass der zum Pflichtverteidiger bestellte bisherige Wahlverteidiger nicht zu einer ordnungsgemäßen Verteidigung des Angeklagten in der Lage gewesen wäre. Der Angeklagte hat die Störung des Vertrauensverhältnisses zu Rechtsanwalt Dr. S. ohne jeden inhaltlichen Beleg lediglich behauptet und auch auf Nachfrage keine Gründe hierfür genannt. Schon von daher war das Landgericht nicht ohne weiteres gezwungen, von einer von dem Angeklagten nicht zu vertretenden Veränderung der Sachlage im Sinne des § 265 Abs. 4 StPO auszugehen. Dabei musste das Landgericht auch noch in Rechnung stellen, dass die nach § 229 Abs. 1 StPO höchstmögliche Unterbrechungsdauer bereits am folgenden Tag, dem 8. April 2005, endete.
Es kommt hier folgendes hinzu: Wenn der Angeklagte von seinem Recht Gebrauch machte, seinem bisherigen Wahlverteidiger das Mandat zu entziehen und einen neuen Verteidiger zu beauftragen, so war ihm in der vorliegenden konkreten Prozesssituation zuzumuten, dies so rechtzeitig vor dem nächsten Verhandlungstag zu veranlassen, dass der neue Verteidiger sich hinreichend auf die weitere Verhandlung vorbereiten konnte. Er erteilte Rechtsanwalt Dr. D. jedoch erst 19 Tage nach der Unterbrechung der Hauptverhandlung und nur einen Tag vor dem nächsten Hauptverhandlungstermin das Mandat. Ferner hatte der Angeklagte ausreichend Gelegenheit, einen Verteidiger zu wählen, der auch in der Lage war, den bevorstehenden Termin wahrzunehmen. Die weitere Durchführung des Hauptverhandlungstermins vom 7. April 2005 in Abwesenheit eines neuen Verteidigers beruhte daher auf Umständen, auf die der Angeklagte sich rechtzeitig hätte einstellen können. Das Landgericht konnte daher auch eine kurzfristige Unterbrechung der Hauptverhandlung ermessensfehlerfrei ablehnen.
Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von dem dem Beschluss des 2. Strafsenats vom 14. Januar 2004 (NStZ 2004, 637) zugrunde liegenden Fall, auf den die Revision hingewiesen hat. Dort war das Recht auf eine sachgerechte Verteidigung aufgrund von Umständen, die der Angeklagte nicht zu vertreten hatte - nämlich die rechtswidrige Inverwahrnahme des Angeklagten -, beeinträchtigt. ..." (BGH, Beschluss vom 19.01.2006 - 1 StR 409/05).
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Hat der Rechtsanwalt einen Mandanten vertreten, der im Hinblick auf die Vergünstigung des § 31 BtMG Angaben zu anderen Tatbeteiligten gemacht hat, so steht seiner Beiordnung in einem späteren Strafverfahren gegen einen von dem früheren Mandanten belasteten Angeklagten ein wichtiger Grund i. S. d. § 142 Abs. 1 S. 3 StPO entgegen (BGH, Beschluss vom 15.11.2005 - 3 StR 327/05):
?... Die Revision beanstandet zu Recht, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung ausschließlich durch den zum Pflichtverteidiger bestellten, vorher als Wahlverteidiger tätigen Rechtsanwalt M. verteidigt worden ist. Dessen Bestellung stand ein wichtiger Grund im Sinne des § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO entgegen. Rechtsanwalt M. hatte vor Beginn des Strafverfahrens gegen den Angeklagten die Zeugin E. in einer Strafsache verteidigt. Die rechtskräftig verurteilte Zeugin hatte in ihrem Verfahren - nach Beratung durch Rechtsanwalt M. - im Hinblick auf die Vergünstigung des § 31 BtMG Angaben zu anderen Tatbeteiligten gemacht und unter anderem auch den Angeklagten erheblich belastet. In vier der dem Angeklagten zur Last liegenden fünf Straftaten war sie im Wesentlichen das einzige Beweismittel, sodass ihre Aussage für die Überführung des bestreitenden Angeklagten von ausschlaggebender Bedeutung war. Bei diesem Sachverhalt durfte die Vorsitzende der Strafkammer, der diese Umstände bekannt waren, weil sie auch in der Verhandlung gegen die Zeugin E. den Vorsitz innehatte, Rechtsanwalt M. wegen der konkreten Gefahr einer Interessenkollision nicht zum Verteidiger des Angeklagten bestellen (vgl. BGHSt 48, 170). Ob dem Angeklagten die mögliche Interessenkollision erst später bekannt geworden ist oder er sie schon gekannt hatte, als er den Wunsch auf Bestellung von Rechtsanwalt M. als Pflichtverteidiger äußerte, kann dahingestellt bleiben, weil die Vorsitzende die hier gebotene Anhörung von Verteidiger und Angeklagten (vgl. BGHSt aaO, S. 174) nicht durchgeführt hat. Dieser Anhörung bedarf es, weil in dem Spannungsfeld zwischen dem Erfordernis einer effektiven Verteidigung einerseits und dem grundsätzlich bestehenden Recht des Angeklagten auf Bestellung des Verteidigers seines Vertrauens zum Pflichtverteidiger andererseits, eine sachgerechte Entscheidung erst möglich ist, wenn das Ausmaß der drohenden Interessenkollision festgestellt und wenn geklärt ist, ob sich der Angeklagte ihrer Tragweite bewusst ist und in diesem Bewusstsein an seinem Wunsch festhält, von diesem Rechtsanwalt verteidigt zu werden. ..."
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Gebotene Ablehnung der Bestellung eines vom Beschuldigten bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger bei konkreter Gefahr einer Interessenkollision in einem Fall sukzessiver Mehrfachverteidigung (BGH StV 2003, 210 ff).
Einem zeitgerecht vorgetragenen Wunsch des Beschuldigten auf Beiordnung eines von ihm benannten Rechtsanwalts ist grundsätzlich auch dann zu entsprechen, wenn zuvor nach Unterlassen der gebotenen Anhörung ein anderer Pflichtverteidiger bestellt worden war (BGH, Beschluss vom 25.10.2000 - 5 StR 408/00).
Der Anspruch des Angeklagten auf ein faires Verfahren verlangt, daß dem Beschuldigten, wenn nicht gewichtige Gründe entgegenstehen, ein Verteidiger seines Vertrauens bestellt werden muß, weil das Vertrauensverhältnis zwischen Angeklagten und Verteidiger eine wesentliche Voraussetzung für eine sachdienliche Verteidigung ist. Der berechtigte Vortrag des Verteidigers, er habe sich u.a. wegen Fehlens wichtiger Aktenteile nicht auf die Verteidigung vorbereiten können, rechtfertigt nicht die Beiordnung eines anderen Verteidigers. Erklärt der kurzfristig (gegen den Willen des Angeklagten) beigeordnete Verteidiger, er benötige zur Vorbereitung noch etwas Zeit zur Erörterung mit dem Angeklagten, darf das Gericht mit der Verhandlung nicht fortfahren und den Angeklagten zur Sache vernehmen. Vielmehr ist auf Antrag des Angeklagten die Hauptverhandlung auszusetzen (BGH StV 1998, 414).
*** (OLG)
Wurde dem Angeklagten unter Verstoß gegen § 142 I 1 StPO keine Gelegenheit gegeben, einen Verteidiger seiner Wahl zu benennen, ist der beigeordnete Rechtsanwalt auch dann auf Antrag des Angeklagten zu entpflichten und ein von ihm gewählter Verteidiger beizuordnen, wenn ernstzunehmende Anhaltspunkte für eine Störung des Vertrauensverhältnisses zu dem bisherigen Pflichtverteidiger nicht bestehen (OLG Thüringen, Beschluss vom 23.08.2011 - 1 Ws 381/11).
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Die Verteidigung mehrerer Mitbeschuldigter wegen derselben Tat durch mehrere Mitglieder einer Rechtsanwaltssozietät kann einen der Bestellung entgegenstehenden wichtigen Grund i.S.d. § 142 Abs. 1 S. 2 StPO darstellen. Gegeben ist der Ablehnungsgrund aber nur dann, wenn bei dem beizuordnenden Verteidiger ein konkreter Anlass zu der Besorgnis besteht, er würde die Verteidigung nicht mit vollem Einsatz führen. Die bloße abstrakte Möglichkeit eines Interessenkonflikts genügt nicht (OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.05.2011 - 2 Ws 97 u. 98/11 zu StPO § 142 Abs. 1 S. 2).
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Verzichtet der Beschuldigte, dem ein Pflichtverteidiger nach § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO beizuordnen ist, im Rahmen seiner Anhörung durch den Ermittlungsrichter auf sein Recht zur Benennung eines Verteidigers seiner Wahl, so ist ihm gleichwohl eine angemessene Überlegungs- und Erklärungsfrist nach § 142 Abs. 1 Satz 1 StPO zu gewähren, wenn zweifelhaft erscheint, dass er sich der Tragweite und Bindungswirkung seiner Erklärung bewusst ist. Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers nach § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO entfällt - sofern nicht die Voraussetzungen des § 140 Abs. 3 Satz 2 Hs. 1 StPO vor liegen - mit der Entlassung des Beschuldigten aus der Untersuchungshaft. Hat sich nach Haftentlassung ein Wahlverteidiger bestellt, so ist bei erneu- tem Vollzug von Untersuchungshaft nunmehr dieser auf einen entsprechen- den Antrag des Beschuldigten nach § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO beizuordnen; eine rechtsmissbräuchliche Verdrängung des bisherigen Pflichtverteidigers liegt dann nicht vor. (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.03.2011 - III-4 Ws 127/11)
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Vor Auswahl des Pflichtverteidigers ist der Beschuldigte auch dann gem. § 142 Abs. 1 S. 1 StPO anzuhören, wenn sich die Notwendigkeit der Verteidigung aus § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO ergibt. Dabei ist der besonderen Situation des oftmals überraschend und gerade eben in Untersuchungshaft genommenen Beschuldigten Rechnung zu tragen. Verzichtet er bei Verkündung des Haftbefehls auf die Ausübung seines Wahlrechts kann es fraglich sein, ob er sich bei Abgabe seiner Erklärung deren Bedeutung, Bindungswirkung und Tragweite tatsächlich bewusst war. Fehlt es an der gebotenen Mitwirkungsmöglichkeit eines Beschuldigten bei der Auswahl des Verteidigers, darf er nicht an der Bestellung des Pflichtverteidigers, der ihm zeitgleich mit der Verkündung des Haftbefehls beigeordnet wurde, festgehalten werden. Dieser ist auch dann zu entpflichten und ein vom Beschuldigten gewählter Verteidiger beizuordnen, wenn ernstzunehmende Anhaltspunkte für eine Störung des Vertrauensverhältnisses zu dem früheren Verteidiger nicht bestehen (OLG Koblenz, Beschluss vom 02.02.2011 - 2 Ws 50/11 zu StPO §§ 140 Abs. 1 Nr. 4, 141 Abs. 3 S. 4, 142 Abs. 1).
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Einem kostenneutralen einverständlichen Auswechseln des Pflichtverteidigers steht nicht entgegen, dass der bisher bestellte Verteidiger nicht wirksam auf Gebühren verzichten könne. Auch nach der seit dem 01. 10. 2009 geltenden Neufassung von § 142 Abs. 1 StPO ist die räumliche Entfernung der Niederlassung des Rechtsanwalts vom Gerichtsort eines der bei der Auswahlentscheidung des Vorsitzenden zu berücksichtigenden Kriterien (OLG Oldenburg, Beschluss vom 21.04.2010 - 1 Ws 194/10 zu StPO §§ 142, 143).
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Hat der Beschuldigte anläßlich der Haftbefehlseröffnung den Wunsch nach Verteidigung durch einen bestimmten Rechtsanwalt geäußert und wird ihm dieser ohne nochmalige Anhörung nach § 142 Abs. 1 StPO bestellt, ist die Beiordnung aufzuheben, wenn sich vor der Beiordnung ein Wahlverteidiger gemeldet hat. Auf die Kenntnis des Vorsitzenden von der Meldung kommt es nicht an (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.01.2010 - 3 Ws 13/10).
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Eine verfahrensfehlerhaft ohne vorherige Anhörung des Beschuldigten erfolgte Beiordnung eines Pflichtverteidigers wird geheilt, wenn sie widerspruchslos bleibt und der Beschuldigte mit dem Pflichtverteidiger über einen längeren Zeitraum vertrauensvoll zusammenarbeitet. Die Abberufung des Pflichtverteidigers kann dann nicht mehr unter Berufung auf dessen verfahrensfehlerhafte Bestellung verlangt werden. Sie kommt unter diesen Umständen vielmehr - wie im Regelfall auch - nur dann in Betracht, wenn substanziiert Umstände vorgetragen werden, die auf eine endgültige und nachhaltige Erschütterung des erforderlichen Vertrauensverhältnisses schließen lassen (OLG München, Beschluss vom 17.12.2009 - 2 Ws 1101/09).
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Zeigt ein Beschuldigter dem Gericht an, dass er durch einen Wahlverteidiger vertreten wird, sind auch bei einem Antrag der Staatsanwaltschaft nach § 141 III 2 StPO die Voraussetzung für eine Bestellung zunächst entfallen. Ortsferne des Kanzleisitzes steht nur dann der Bestellung des gewünschten Rechtsanwalts entgegen, wenn dadurch eine sachdienliche Verteidigung des Beschuldigten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gefährdet würden. Im Bestellungsverfahren tritt der Gesichtspunkt der Ortsnähe im Rahmen der gebotenen Interessensabwägung grundsätzlich gegenüber dem besonderen Vertrauensverhältnis zurück. Anders als im Fall der Beendigung der Pflichtverteidigung aus wichtigem Grund bedarf es im Bestellungsverfahren keiner weiteren Darlegungen zum Vertrauensverhältnis. In die Gesamtabwägung nach § 142 I StPO sind die Nähe des Gerichtbezirks eines ortsfremden Verteidigers und die Schwere des Schuldvorwurfs einzubeziehen (OLG Jena, Beschluss vom 26.11.2008 - 1 Ws 497/08, NJW 2009, 1430 f).
Wird ein Angeklagter zur Auswahl des ihm beizuordnenden Pflichtverteidigers nicht gehört, ist die gleichwohl erfolgte Pflichtverteidigerbestellung auf seine Beschwerde hin aufzuheben (OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.01.2007 - 2 Ws 12/2007).
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?... ... 2. § 142 Abs. 1 S. 3 StPO läßt es - ausnahmsweise - zu, daß der Vors. nicht den vom Angekl. benannten Verteidiger zum Pflichtverteidiger bestellt, wenn wichtige Gründe entgegenstehen. Als solche Gründe kommen nur Umstände in Betracht, die besorgen lassen, daß der Zweck der Bestellung zum Pflichtverteidiger, nämlich die Gewährleistung einer sachgerechten und ordnungsgemäßen Verteidigung des Angekl., durch Bestellung dieses Verteidigers nicht erreicht werden kann. Diese Voraussetzungen sind ohne weiteres gegeben, wenn nicht gewährleistet ist, daß der Verteidiger überhaupt an der Hauptverhandlung teilnehmen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2. 3. 2006 - 2 BvQ 10/06 [= StV 2006, 451], Beschl. des Senats v. 17. 8. 2005 - 2 Ws 317/05). Auch fehlende Kenntnisse können der Bestellung zum Pflichtverteidiger entgegenstehen (Meyer-Goßner, StPO, 48. A. 2005, § 142 Rdnr. 3 m. w. N.). Dasselbe gilt, wenn bekannt ist, daß der Verteidiger nicht bereit ist, ohne zusätzliche Zahlungen des Angekl. in dem gebotenen Umfang tätig zu werden oder wenn die Gefahr einer sachwidrigen Verteidigung aufgrund von Interessenkollisionen besteht (OLG Hamm NStZ 2004, 641).
Ein wichtiger Grund dafür, den vom Angekl. gewünschten Verteidiger nicht zum Pflichtverteidiger zu bestellen, liegt auch darin, daß konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß dieser seine Stellung als Verteidiger zu verfahrensfremden Zwecken mißbrauchen wird. Wer gem. § 138 a StPO als Verteidiger ausgeschlossen werden könnte, braucht nicht zum Pflichtverteidiger bestellt zu werden. Insoweit kommt auch ein (drohender) Mißbrauch von Verfahrensrechten in der Hauptverhandlung gem. § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO als Ausschlußgrund in Betracht (vgl. Meyer-Goßner, a. a. O., § 138 a Rdnr. 11 m. w. N.). Dem steht es gleich, wenn der Verteidiger in der Vergangenheit ein Verhalten gezeigt hat, das seine Abberufung als Pflichtverteidiger aus wichtigem Grund rechtfertigen würde und konkreter Anlaß besteht, mit einer Wiederholung dieses Verhaltens zu rechnen (vgl. OLG Köln NStZ 1991, 248, 249; KG StV 1993, 236). Einen solchen Fall hat der Senat - gerade auch in bezug auf RA R. - grundsätzlich angenommen, als Pflichtverteidiger durch ihren Auszug aus der Hauptverhandlung deren Fortsetzung verhindert haben (OLG Köln NJW 2005, 3588).
Der Senat hält die vorstehend dargestellten Ausnahmefälle, die im Interesse der Freiheit der Verteidigung von staatlicher Beaufsichtigung und Bevormundung streng zu handhaben sind (vgl. OLG Köln NStZ 1991, 248, 249; KG StV 1993, 236), bereits auf der Grundlage des vom Kammervors. zugrunde gelegten Sachverhalts, dessen Richtigkeit der Bf. zumindest teilweise bestreitet, nicht für gegeben. Der Senat schließt es allerdings ausdrücklich nicht aus, daß die Nichtbestellung zum Pflichtverteidiger darüber hinaus im Interesse des Angekl. auch gerechtfertigt sein kann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Verteidiger durch Störung der Verhandlungsabläufe, z. B. durch verspätetes Erscheinen, Unterbrechung anderer Verfahrensbeteiligter oder völlig unangemessenen Sprachgebrauch, eine nachhaltige Beeinträchtigung der Verhandlungsatmosphäre erstrebt, die in nicht hinnehmbarer, von den prozessualen Rechten des Besch. nicht gedeckter Weise die Wahrheitsfindung erschwert. Hier kann bei einer Gesamtwürdigung der dem Verteidiger angelasteten Vorfälle ein wichtiger Grund i. S. d. § 142 Abs. 1 S. 3 StPO nicht angenommen werden, wie die GStA in ihrer Stellungnahme zutreffend ausführt:
?Mit seinen die ablehnende Entscheidung begründenden Ausführungen, der Verteidiger habe in einer Reihe von früheren Strafverfahren eine Neigung zu unredlichem Verhalten gezeigt und nach dem Prinzip der sachwidrigen Konfliktverteidigung agiert, beabsichtigt das LG offensichtlich, eine nicht konfrontationsfreie Verteidigungsstrategie zu kennzeichnen, welche die Möglichkeiten der StPO in nicht mehr hinnehmbarer Weise ausnutzt. Die hierfür gewählte, als Vorwurf ausgestaltete Bezeichnung der 'Konfliktverteidigung' ist als Ablehnungsgrund angesichts des verfassungsrechtlichen Grundsatzes des fairen Verfahrens und des Anspruchs des Angekl. auf angemessene Verteidigung nicht tragfähig. Der Verteidiger, so auch der Pflichtverteidiger, ist im Strafverfahren Organ der Rechtspflege. Gleichwohl muß der Verteidiger seinem Mandanten die aus dessen Sicht und nach eigener Beurteilung bestmögliche Verteidigung bieten. Die Angemessenheit und Notwendigkeit von Verteidigungshandeln kann daher nicht allein aus der Sicht des Gerichts beurteilt werden, sondern muß vorrangig an den Belangen des noch als unschuldig geltenden Mandanten gemessen werden. Ein nicht tolerierbares Verhalten dürfte daher nur dann anzunehmen sein, wenn die Verteidigung sich auf bloße Verfahrensobstruktionen beschränkt. Der Würdigung solchen Verteidigerverhaltens sind enge Grenzen gesetzt. Eine für das Gericht nicht oder nur schwer nachvollziehbare Verteidigungshandlung kann aus Sicht des Angekl. noch sinnvoll und notwendig erscheinen, um eine entgegenstehende Beweisführung anzuzweifeln. Eine formal korrekt geführte Verteidigung ist, auch wenn sie alle prozessualen Möglichkeiten exzessiv ausnutzt, solange hinzunehmen, wie sie sich der Wahrheitsfindung in einem prozeßordnungsgemäßen Verfahren noch verpflichtet fühlt (BGH NStZ 2005, 341). Die vom LG angeführten Verhaltensweisen des Verteidigers überschreiten auch in der Vielzahl ihrer Auflistung die hierdurch gezogenen Grenzen nicht.
Die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Gründe rechtfertigen es daher nicht, die Beiordnung des Wahlverteidigers unter Zurückstellung der Interessen des Angekl. abzulehnen.'
Die RA R. angelasteten Verhaltensweisen mögen störend, teilweise nicht sachdienlich und aus Sicht des Gerichts auch ärgerlich gewesen sein. Sie waren jedoch in keinem Fall von einem solchen Gewicht, daß dadurch die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens ernsthaft gefährdet worden wäre, nicht einmal eine schwerwiegende Verfahrensverzögerung ist zu erkennen.
3. Der Senat kann jedoch nur die Entscheidung des Kammervors. insgesamt aufheben. Eine Bestellung von RA R. durch den Senat kommt nicht in Betracht. Für den Senat ist nicht klar, ob RA R. an den vorgesehenen Hauptverhandlungstagen zur Verfügung steht. Insbes. muß der Kammervors. aber entscheiden, ob es bei der Bestellung von RA X. zum Pflichtverteidiger bleiben soll, so daß der Angekl. dann ggf. zwei Pflichtverteidiger haben würde. ..." (OLG Köln, Beschluss vom 12.05.2006 - 2 Ws 188/06).
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Die Pflicht, einem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Rechtsanwalt zu bezeichnen und einen von dem Beschuldigten bezeichneten Verteidiger zu bestellen, wenn nicht wichtige Gründe entgegenstehen, gilt auch bei der Bestellung eines weiteren (zweiten) Verteidigers (KG, Beschluss vom 29.08.2005 - 3 Ws 371/05, StV 2006, 6).
Ist die Beiordnung eines Pflichtverteidigers erfolgt, ohne daß dem Angeklagten zuvor Gelegenheit gegeben wurde, innerhalb einer gesetzten Frist einen Rechtsanwalt zu bezeichnen und bestand kein begründeter Anlaß, ausnahmsweise von dieser Anfrage abzusehen, ist die Bestellung auf Beschwerde des Angeklagten aufzuheben und der nunmehr von ihm bezeichnete Verteidiger beizuordnen, wenn keine wichtigen Gründe entgegenstehen, weil anderenfalls das grundgesetzlich geschützte Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren verletzt wäre (OLG Naumburg, Beschluß vom 18.11.2004 - 1 Ws 550/04, StV 2005, 120).
Dem Wunsch des Angeklagten auf Wechsel des Pflichtverteidigers ist dann zu entsprechen, wenn der bisherige Pflichtverteidiger damit einverstanden ist und durch die Beiordnung des neuen Verteidigers weder eine Verfahrensverzögerung, noch Mehrkosten für die Staatskasse verursacht werden (hier: Auswechslung des Pflichtverteidigers für das Revisionsverfahren; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 27.10.2004 - 3 Ws 1094/04; StV 2005, 76 f).
Beantragt der Angeklagte die Beiordnung seines "auswärtigen" Wahlverteidigers als Pflichtverteidiger, ist in der Regel das Auswahlermessen des Vorsitzenden auf dessen Beiordnung beschränkt, wenn der Vorgeschlagene die an ihn zu stellenden Voraussetzungen der Gewährung rechtlichen Beistands und der Sicherung eines ordnungsgmeäßen Verfahrensablaufes erfüllt. Der Angeklagte ist, auch wenn die Beiordnung bereits mit der Anzeige des Mandats beantragt wird, nicht verpflichtet, das Bestehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses im Einzelnen darzulegen. Ein solches ist bereits auf Grund der Beauftragung als Wahlverteidiger zu vermuten und kann nur bei konkreten Anhaltspunkten widerlegt werden. Das Recht des Angeklagten auf Beiordnung eines Anwalts seines Vertrauens hat grundsätzlich Vorrang. Beschwerdeentscheidungen im Rahmen einer Pflichtverteidigerbestellung sind mit einer Kosten- und erforderlichenfalls Auslagenentscheidung zu versehen (BayObLG, Entscheidung vom 23.09.2004 - 6St ObWs 3/04, StV 2006, 6).
Ein wichtiger Grund i. S. d. § 142 Abs. 1 S. 3 StPO, der es rechtfertigt, nicht den von dem Beschuldigten bezeichneten Verteidiger zu bestellen, kann nur dann angenommen werden, wenn konkret hervorgetretene Umstände ergeben, daß ein Interessenkonflikt besteht, der es dem Verteidiger nicht erlaubt, die Verteidigung mit vollem Einsatz zu führen (OLG Hamm, Beschluss vom 01.06.2004 - 2 Ws 156/04 - StV 2004, 641 f).
Allein der Umstand, dass die unterschiedliche Mandanten verteidigenden Rechtsanwälte gemeinsam in einer Kanzlei tätig sind, begründet keinen Interessenkonflikt, der als wichtiger Grund zur Nichtbestellung als Pflichtverteidiger führen kann. Aus gegenläufigen Interessen der Mandanten und einer entsprechenden Verteidigungsstrategie kann nicht ohne weiteres der Schluß gezogen werden, es sei zu erwarten, dass einer der Verteidiger seinen Mandanten nicht mehr mit dem erforderlichen vollen Einsatz verteidigen werde. Ein möglicher Verstoß des Verteidigers gegen § 3 Abs. 2 S. 2 BORA ist für die Frage, ob ein wichtiger Grund i. S. d. § 142 Abs. 2 S. 3 StPO vorliegt, ohne Bedeutung. Die Einhaltung berufsrechtlicher Vorschriften ist allein Aufgabe des Anwalts (OLG Rostock StV 2003, 373 ff).
Die aus § 142 Abs. 1 S. 2 und 3 StPO resultierende Fürsorgepflicht des Gerichts gebietet es, dem Wunsch des Angeklagten auf Wechsel des Pflichtverteidigers auch ohne Vorliegen von Widerrufsgründen jedenfalls dann zu entsprechen, wenn der bisherige Verteidiger damit einverstanden und durch die Beiordnung des neuen Verteidigers weder eine Verfahrensverzögerung noch Mehrkosten für die Staatskasse verursacht werden. In einem solchen Fall hat der Angeklagte - ohne daß dieser die Gründe für den Verlust des Vertrauens zu dem bisherigen Verteidiger im einzelnen darlegen muß - einen Anspruch auf den Wechsel des Pflichtverteidigers (Brandenburgisches OLG StV 2001, 442).
Ein die Beiordnung eines auswärtigen Verteidigers rechtfertigendes besonderes Vertrauensverhältnis ist regelmäßig schon dann zu vermuten, wenn der in dem anhängigen Verfahren bislang tätige Wahlverteidiger um seine Bestellung als Pflichtverteidiger bittet. Eine Entfernung zwischen dem Kanzleisitz und dem Gerichtsort von 238 Kilometern ist noch nicht so erheblich, dass damit nicht mehr hinnehmbare Kosten für die Staatskasse verbunden wären (OLG Zweibrücken StV 2002, 238).
*** (LG)
Ein Beschuldigter, der auf der Grundlage eines gegen ihn bestehenden Haftbefehls inhaftiert worden ist, muß anlässlich seiner Anhörung im Zuge der Haftbefehlsverkündung unmissverständlich nicht nur darüber belehrt werden, dass er Anspruch auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers hat, sondern auch darüber, daß er innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Anwalt seines Vertrauens benennen kann. Wird einem inhaftierten Beschuldigten ein Pflichtverteidiger beigeordnet, ohne daß er zu der Person des beizuordnenden Verteidigers vorher angehört wurde, und stand dieser Anhörung auch nicht eine erhebliche Verfahrensverzögerung entgegen, ist die Beiordnung auf seine Beschwerde hin aufzuheben und der von ihm benannte Verteidiger beizuordnen, wenn der Bestellung keine wichtigen Gründe entgegenstehen (LG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 26.02.2010 - 21 Qs 18/10 zu StPO §§ 140 Abs. 1 Nr. 4, 141 Abs. 3 S. 4, 142 Abs. 1).
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Die Beiordnung des vom Beschuldigten beauftragten Wahlverteidigers ist auch dann zurückzunehmen und der vom Beschuldigten neu benannte Verteidiger beizuordnen, wenn sich dieser vor der ersten Beiordnungsentscheidung bei der Staatsanwaltschaft als Verteidiger gemeldet, das andere Mandat im Auftrag des Beschuldigten gekündigt und seine Beiordnung beantragt hatte. Verzögerungen in der Übermittlung zwischen Staatsanwaltschaft und dem für die Beiordnung zuständigen Ermittlungsrichter können nicht zu Lasten des Beschuldigten gehen. Für die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung kommt es nicht auf die tatsächliche Kenntnis des Gerichts, sondern die objektive Rechtslage an (LG Bonn, Beschluss vom 28.01.2010 - 21 Qs 7/10 zu StPO §§ 140 Abs. 1 Ziff. 4, 142).
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Der Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehör vor der Verteidigerbeiordnung ist unzumutbar beschnitten, wenn die Frist so kurz bemessen ist, daß eine fristgerechte Rückäußerung kaum möglich ist. In diesem Fall beginnt die unangemessene Frist nicht zu laufen (LG Halle, Beschluss vom 20.11.2009 - 2 b Qs 252/09).
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Selbst wenn der Angeschuldigte nicht innerhalb der ihm gem. § 142 Abs. 1 Nr. 2 StPO gesetzten Frist einen Verteidiger seiner Wahl benennt, dies jedoch noch tut, bevor der Beschluß des Vorsitzenden Außenwirkung erlangen konnte, muß die Sache dem Vorsitzenden noch einmal vorgelegt werden, damit dieser den Wunsch des Angeschuldigten bei seiner Auswahlentscheidung berücksichtigen kann (LG Braunschweig, Beschluss vom 21.09.2009 - 7 Qs 280/09).
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?... Mit Beschluss vom 11. April 2006 ordnete das Amtsgericht Marburg die Entpflichtung des Pflichtverteidigers RA S aus Marburg in dem Verfahren 5 Js 16892/04 - 55 Ds an und bestellte dem Angeklagten zugleich RA D als Pflichtverteidiger. Mit Fax vom 11. April 2006 hatte RA D zuvor seine Wahlverteidigerbestellung unter Vorlage ordnungsgemäßer Bevollmächtigung angezeigt und zugleich seine Beiordnung zum Pflichtverteidiger beantragt.
Das Verfahren 5 Js 16982/04 - 55 Ds wurde zwischenzeitlich mit dem Verfahren 4 Js 9687101 - 55 Ds verbunden, wobei das zuletzt genannte Verfahren führt.
Mit Schreiben vom 23. April 2006 hat der Angeklagte gegen den Beschluss des Amtsgerichts Marburg ein als sofortige Beschwerde bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt und die Aufhebung des Beschlusses beantragt. Mit Schreiben vom 29. April 2006 hat er den Antrag weiter begründet. Er hat im wesentlichen ausgeführt, dass er vom Gericht nicht zur Bestellung des RA D als Pflichtverteidiger gehört worden sei. Er habe entgegen dem Beschluss keinen Antrag auf Bestellung des RA D als Pflichtverteidiger gestellt. Zwar habe er mit dem Pflichtverteidiger telefoniert und ihn in die JVA gebeten, bereits bei dem Besuch durch RA D sei es aber zu schwerwiegenden Zerwürfnissen mit diesem gekommen. Der Beschluss sei zudem nichtig, da er nicht vom Richter ausgefertigt worden sei. Dieser sei am 11. April 2006 vielmehr zu Hause gewesen. Da die Ausfertigung jedoch vom 11. April 2006 stamme, könne der Beschluss nicht vom Richter erlassen worden sein.
Mit Schreiben vom 25. April 2006 hat der Angeklagte Rechtsmittel gegen einen weiteren Beschluss des Amtsgerichts Marburg vom 11. April 2006 eingelegt.
1. Die Beschwerde vom 23. April 2006 ist gemäß § 304 StPO zulässig, aber unbegründet. Die falsche Bezeichnung als sofortige Beschwerde schadet insoweit nicht (§ 300 StPO).
Soweit der Angeklagte anführt, nicht vor der Bestellung von RA D als Pflichtverteidiger angehört worden zu sein, so war die Anhörung ausnahmsweise entbehrlich. Gemäß § 142 Abs.1 S.2 StPO soll dem Beschuldigten vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers Gelegenheit gegeben werden, innerhalb einer bestimmten Frist einen Rechtsanwalt zu benennen. Die Aufforderung nach Abs.1 S.2 ist jedoch entbehrlich, wenn der Beschuldigte schon früher den Wunsch nach Beiordnung eines bestimmten Verteidigers geäußert hat (Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 142 RN. 10). Einen solchen Wunsch, der eine vorhergehende Aufforderung entbehrlich macht, hat der Beschuldigte vorliegend geäußert. Denn mit Fax vom 11. April 2006 hat RA D unter Anzeige eines vom Angeklagten erteilten Wahlmandats beantragt, ihn als Pflichtverteidiger beizuordnen. Zugleich hat er die vom Angeklagten unterzeichnete Vollmachtsurkunde in Kopie eingereicht. Durch die Bestellung von RA D hat der Angeklagte zum Ausdruck gebracht, dass er von diesem verteidigt werden will. Hierin liegt zumindest auch die konkludente Einverständniserklärung mit der Bestellung des gewählten Verteidigers zum Pflichtverteidiger.
Soweit der Angeklagte behauptet, die Ausfertigung sei nicht durch den zuständigen Richter erfolgt, so ist dies unerheblich. Maßgeblich ist die Unterzeichnung des Originalbeschlusses durch den zuständigen Richter. Ausweislich des in der Akte auf BI. 208 Bd. XXVI d.A. befindlichen Beschlusses ist der Beschluss vom zuständigen Richter unterzeichnet worden.
Soweit der Angeklagte schließlich anführt, es sei zu schweren Zerwürfnissen mit RA D gekommen, so kann es zu diesen Zerwürfnissen erst am 12. April 2006 gekommen sein. Denn der Besuch des Angeklagten in der JVA durch RA D, in dessen Rahmen es zu den Zerwürfnissen gekommen ist, ist nach seinen Angaben am 12. April 2006 erfolgt. Im Rahmen des Besuchs soll ihm RA D nämlich mitgeteilt haben, dass bereits am nächsten Tag Termin zur Hauptverhandlung anberaumt sei. Da die Verhandlung am 13. April 2006 stattgefunden hat, muss es sich daher um den 12. April 2006 gehandelt haben. In dem - mit Schreiben vom 27. April 2006 erstmals - vom Angeklagten vorgetragenen Streit mit RA D lag daher allenfalls ein Grund zur Entpflichtung des Rechtsanwaltes als Pflichtverteidiger. Keinesfalls führt dieses zeitlich dem Bestellungsbeschluss nachfolgende Ereignis zur Rechtswidrigkeit des Beschlusses vom 11. April 2006.
2. Das unbestimmte Rechtsmittel vom 25. April 2006 gegen den weiteren Beschluss des Amtsgerichts Marburg vom 11. April 2006 bezieht sich offensichtlich auf den gleichen Beschluss, gegen den der Angeklagte mit Schreiben vom 23. April 2006 Beschwerde eingelegt hat, denn ein anderer Beschluss als der, durch den die Entpflichtung von RA S unter gleichzeitiger Bestellung von RA D als Pflichtverteidiger angeordnet wurde, kann den Akten nicht entnommen werden. Zudem ist dieser Beschluss von dem Angeklagten auch dem Schreiben vom 25. April 2006 als Anlage beigefügt worden. Eine Entscheidung über das unbestimmte Rechtsmittel vom 25. April 2006 ist daher entbehrlich. ..." (LG Marburg, Beschluss vom 13.07.2006 - 4 Qs 56/06 + 58/06)
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zu erkennen, es dem Angeklagten grundsätzlich zu ermöglichen, sich von einem Pflichtverteidiger seines Vertrauens verteidigen zu lassen, wenn keine wichtigen Gründe entgegenstehen. Diese Vorschrift bezieht sich zwar ausdrücklich nur auf die Auswahl eines Pflichtverteidigers und nicht auf spätere Anträge auf Auswechslung eines bereits bestellten Pflichtverteidigers. Es soll grundsätzlich mit dieser Regelung jedoch der pflichtverteidigte Angeklagte demjenigen gleichgestellt werden, der sich auf eigene Kosten seinen Verteidiger gewählt hat (LG Köln StV 2001, 442 f).
Der Zweck der Regelung des § 142 I 1 StPO, wonach ein zu bestellender Pflichtverteidiger möglichst aus der Zahl der örtlichen Rechtsanwälte ausgewählt werden soll, besteht darin, daß die Gerichtsnähe eine sachdienliche Verteidigung sowohl für den Beschuldigten als auch für den Verfahrensablauf ermöglichen soll. Wohnt der Beschuldigte aber am Sitz des beizuordnenden Rechtsanwalts seines Vertrauens, wird durch die Bestellung dieses Verteidigers die bezweckte sachdienliche Verteidigung gerade gefördert; die Bestellung eines im Gerichtsbezirk des erkennenden Gerichts zugelassenen Rechtsanwalts wäre demgegenüber kontraproduktiv (LG Hamburg StV 2002, 648 f).
*** (AG)
Erfolgt die Bestellung eines Verteidigers vor Ablauf der dem Beschuldigten gem. § 142 Abs. 1 S. 1 StPO gesetzten Frist, ist diese Beiordnung aufzuheben, wenn der Beschuldigte innerhalb der Frist einen anderen Verteidiger bezeichnet. Soweit durch die Bestellung des ersten Verteidigers Rechtsanwaltskosten angefallen sind, fallen diese der Staatskasse zur Last (AG München, Beschluss vom 17.06.2011 - 821 Ds 242 Js 136493/11 zu StPO §§ 141, 142; GKG § 21).
***
Ist dem Beschuldigten nach Haftbefehlsverkündung und Anordnung der Haft ohne Gewährung einer Frist zur Benennung eines Verteidigers und ohne sein Verlangen nach einer sofortigen Beiordnung eines Verteidigers oder Verzicht auf die Anhörungsfrist ein Pflichtverteidiger bestellt worden, so ist auf Antrag des Beschuldigten die Bestellung zurückzunehmen und der von ihm bezeichnete Verteidiger beizuordnen (AG Stuttgart, Beschluss vom 04.08.2010 - 27 Gs 1527/10 zu StPO §§ 140 Abs. 1 Ziff. 4, 141 Abs. 3 Ziff. 4, 142 Abs. 1 S. 1).
Auswärtiger Verteidiger
Siehe unter ?Auswahl des Verteidigers durch den Vorsitzenden".
Ausweisung
Siehe unter ?Ausbleiben des Angeklagten in der Berufungsverhandlung".
Ä
Ärztlicher Heileingriff
Siehe unter ?Einwilligung" und ?Körperverletzung mit Todesfolge".
Äußere Unrechtsmerkmale
Zu den äußeren Unrechtsmerkmalen zählen besondere Tätermerkmale, die Tatsituation, die Tathandlung, das Tatobjekt und der Eintritt des tatbestandlichen Erfolges bei Erfolgsdelikten.
Bei einzelnen gesetzlichen Straftatbeständen ist die Rechtswidrigkeit Bestandteil des Tatbestandes.
Zu Erwägen ist das Vorliegen eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses des Verletzten.
Äußerst gefährliche Gewalthandlungen
Siehe unter ?Bewusste Fahrlässigkeit", ?Eventualvorsatz" und ?Totschlag".
B
BAföG-Betrug
Siehe unter ?Betrug".
Bande
?... Die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen drängten zur Erörterung des Vorliegens einer Bande. Eine Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich - durch ausdrückliche oder stillschweigende Abrede - mit dem ernsthaften Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten zu begehen. Ein Tätigwerden in einem "übergeordneten Bandeninteresse" oder eine Bandenstruktur sind nicht erforderlich; der Annahme einer Bande steht auch nicht entgegen, wenn ihre Mitglieder eigene Interessen verfolgen (BGHSt 46, 321, 329 f.; vgl. auch Franke/Wienroeder BtMG 3. Aufl. § 30 Rdn. 7 ff. m.w.N.). Mitglied einer Bande kann auch sein, wem nach der Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeit darstellen (BGHSt 47, 214). Für das Bestehen einer entsprechenden Bandenabrede liegen hier hinreichende Anhaltspunkte vor. K. und R. waren sich einig, dass Drogenkurierfahrten, also mehrere, durchgeführt werden sollten. N. sollte dauerhaft die Miete bezahlt werden, was ebenfalls auf eine Mehrzahl von Taten hindeutet. Aus den tatsächlich erfolgten Taten kann auch ein Rückschluss auf die innere Tatseite gezogen werden. Die bisherigen Feststellungen, auch zur Art und Weise der einzelnen Tatausführungen, drängten die Prüfung einer Bande auf. ..." (BGH, Urteil vom 11.02.2009 - 2 StR 528/08).
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?... Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstypus zu begehen. Ein ?gefestigter Bandenwille" oder ein ?Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse" ist nicht erforderlich (BGHSt - GS - 46, 321). Die Bandenabrede muss nicht ausdrücklich getroffen werden; vielmehr genügt jede Form auch stillschweigender Vereinbarung, die aus dem konkret feststellbaren wiederholten deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden kann (BGH NStZ 2002, 318 [319]). Es genügt hingegen nicht, wenn sich die Täter von vornherein nur zu einer einzigen Tat verbunden haben und in der Folgezeit jeweils aus neuem Entschluss wiederum derartige Taten begehen (BGH StV 1996, 99; NStZ 1996, 442; BGHR StGB § 244 Abs. 1 Nr. 3 Bande 3). ..." (BGH, Urteil vom 21.12.2007 - 2 StR 372/07)
Bandendiebstahl
Siehe unter ?Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchdiebstahl".
Bandenhehlerei
Siehe unter ?Hehlerei - Gewerbsmäßige Hehlerei, Bandenhehlerei".
Bankrott § 283 StGB
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit
1. Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft oder verheimlicht oder in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht,
2. in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise Verlust- oder Spekulationsgeschäfte oder Differenzgeschäfte mit Waren oder Wertpapieren eingeht oder durch unwirtschaftliche Ausgaben, Spiel oder Wette übermäßige Beträge verbraucht oder schuldig wird,
3. Waren oder Wertpapiere auf Kredit beschafft und sie oder die aus diesen Waren hergestellten Sachen erheblich unter ihrem Wert in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst abgibt,
4. Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte anerkennt,
5. Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterläßt oder so führt oder verändert, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird,
6. Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung ein Kaufmann nach Handelsrecht verpflichtet ist, vor Ablauf der für Buchführungspflichtige bestehenden Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert,
7. entgegen dem Handelsrecht
a) Bilanzen so aufstellt, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder
b) es unterläßt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen, oder
8. in einer anderen, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden Weise seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert.
(2) Ebenso wird bestraft, wer durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Handlungen seine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit herbeiführt.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Wer in den Fällen
1. des Absatzes 1 die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit fahrlässig nicht kennt oder
2. des Absatzes 2 die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(5) Wer in den Fällen
1. des Absatzes 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit wenigstens fahrlässig nicht kennt oder
2. des Absatzes 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit wenigstens leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(6) Die Tat ist nur dann strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Strafbarkeit des Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung wegen Bankrotts setzt nicht voraus, dass die Tathandlung im Interesse der Gesellschaft liegt (Aufgabe der "Interessentheorie"; BGH, Beschluss vom 15.05.2012 - 3 StR 118/11):
?...1. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich der frühere Mitangeklagte als Geschäftsführer der S. GmbH wegen Bankrotts unabhängig davon strafbar machte, dass er eigennützig und zum Schaden der Gesellschaft handelte, und die Angeklagten dazu Beihilfe leisteten.
a) Der Bundesgerichtshof ist bislang - die Rechtsprechung des Reichsgerichts (Urteil vom 29. März 1909 - III 877/08, RGSt 42, 278, 282; aA indes RG, Urteil vom 22. Dezember 1938 - 2 D 581/38, RGSt 73, 68, 70) fortführend - in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass der Geschäftsführer einer GmbH sich wegen Bankrotts nach § 283 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB nur strafbar machen könne, wenn er die Tathandlung für die GmbH und (zumindest auch) in deren Interesse vorgenommen hat (vgl. etwa BGH, Urteile vom 20. Mai 1981 - 3 StR 94/81, BGHSt 30, 127, 128; vom 5. Oktober 1954 - 2 StR 447/53, BGHSt 6, 314, 316 f.; vom 6. November 1986 - 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221, 223; Beschluss vom 14. Dezember 1999 - 5 StR 520/99, NStZ 2000, 206, 207, jeweils mwN; s. auch LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 79 ff.; Arloth, NStZ 1990, 570 ff.). Dieser als ?Interessentheorie' bezeichneten Ansicht liegt die Auffassung zugrunde, dass das Gesellschaftsorgan nicht in dieser Eigenschaft handele, wenn ein Bezug zum - durch den Interessenkreis bestimmten - Geschäftsbetrieb fehle (RG, Urteil vom 29. März 1909 - III 877/08, RGSt 42, 278, 282). Daher hat die bisherige Rechtsprechung eine Strafbarkeit wegen Bankrotts abgelehnt, wenn der Vertreter ausschließlich im eigenen Interesse handelt.
b) An der Interessentheorie hält der Senat nicht weiter fest, da sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch nach dem Gesetzeszweck eine solche auf das Interesse des Vertretenen abstellende Einschränkung ergibt und sie berechtigte Kritik erfahren hat.
aa) Der Gesetzeswortlaut stellt für die Zurechnung nicht auf das Interesse des Vertretenen ab: Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB kommt die Strafbarkeit des Geschäftsführers einer GmbH bei Bankrotttaten in Betracht, wenn er ?als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person' gehandelt hat. Dies setzt neben der Organstellung als solcher voraus, dass der Vertretungsberechtigte in seiner Eigenschaft als Organ gehandelt hat (vgl. BT-Drucks. 5/1319 S. 63; BT-Drucks. 14/8998 S. 8: ? 'in Ausübung' seiner Funktion'). Eine nähere Konkretisierung, wann ein Vertretungsberechtigter gerade in dieser Eigenschaft handelt, enthält der Gesetzeswortlaut nicht.
bb) Der vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 14 StGB verfolgte Zweck besteht - ebenso wie bei dem zuvor geltenden § 50a StGB - darin, den Anwendungsbereich von Straftatbeständen allgemein auf Personen zu erweitern, die in einem bestimmten Vertretungs- oder Auftragsverhältnis für den Normadressaten handeln, und die kriminalpolitisch nicht erträgliche Lücke zu schließen, die sich daraus ergibt, dass der Normadressat mangels Handlung und der Handelnde deshalb nicht zur Verantwortung gezogen werden kann, weil er nicht Normadressat ist (BT-Drucks. 5/1319 S. 62). Dieser Regelungszweck spricht nicht für eine einschränkende Normauslegung.
cc) Mit der dargelegten Intention des § 14 StGB lässt sich insbesondere nicht vereinbaren, dass die Interessentheorie im Ergebnis bei einer Vielzahl von Taten einer Strafbarkeit nach § 283 StGB entgegensteht, weil der Vermögensträger als juristische Person und die handelnde natürliche Person auseinanderfallen.
So lässt die Interessentheorie für die Insolvenzdelikte nur einen geringen Anwendungsbereich, wenn Schuldner im Sinne des § 283 StGB eine Handelsgesellschaft ist (LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 80; SK-StGB/Hoyer, § 283 Rn. 103 [Stand: März 2002]; MünchKommStGB/Radtke, 1. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 55; Labsch, wistra 1985, 1, 6 ff.; jeweils mwN); denn die in § 283 StGB aufgezählten Bankrotthandlungen widersprechen ganz überwiegend dem wirtschaftlichen Interesse der Gesellschaft. Damit läuft bei Anwendung der Interessentheorie der vom Gesetzgeber intendierte Gläubigerschutz in der wirtschaftlichen Krise insbesondere von Kapitalgesellschaften bei Anwendung der Interessentheorie weitgehend leer (vgl. Winkler, jurisPR-StrafR 16/2009 Anm. 1). Besonders augenfällig wird dies in Fällen der Ein-Mann-GmbH, in denen der Gesellschafter/Geschäftsführer der Gesellschaft angesichts der drohenden Insolvenz zur Benachteiligung der Gläubiger Vermögen entzieht und auf seine privaten Konten umleitet, nach wirtschaftlicher Betrachtung also aus eigennützigen Motiven handelt. Nach der Interessentheorie ist er nicht des Bankrotts schuldig, obwohl er die Insolvenz gezielt herbeigeführt hat (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 1981 - 3 StR 94/81, BGHSt 30, 127, 128 f.; kritisch dazu LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 80, 85).
Während Einzelkaufleute in vergleichbaren Fällen regelmäßig wegen Bankrotts strafbar sind, entstehen so Strafbarkeitslücken für Vertreter oder Organe von Kapitalgesellschaften. Dies lässt sich nicht mit der Intention des Gesetzgebers vereinbaren, durch die Regelung des § 14 StGB Strafbarkeitslücken zu schließen. Zudem wird angesichts der besonderen Insolvenzanfälligkeit von in der Rechtsform der GmbH betriebenen Unternehmen der Schutzzweck der Insolvenzdelikte konterkariert (vgl. BGH, Beschluss vom 1. September 2009 - 1 StR 301/09, BGHR StGB § 283 Abs. 1 Geschäftsführer 4; SK-StGB/Hoyer, § 283 Rn. 103 [Stand: März 2002]; MünchKommStGB/Radtke, 1. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 55). Das gilt insbesondere, wenn man die Interessenformel konsequent auch auf die Bankrotthandlungen anwendet, die die Verletzung von Buchführungs- oder Bilanzierungspflichten sanktionieren (§ 283 Abs. 1 Nr. 5-7 StGB): Entfällt wegen des fehlenden Interesses der Gesellschaft die Bankrottstrafbarkeit, scheitert eine Verurteilung wegen Untreue regelmäßig am nicht festzustellenden oder nicht nachzuweisenden Vermögensschaden der Gesellschaft (vgl. Arloth, NStZ 1990, 570, 572; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 84).
Über die nicht gerechtfertigte Privilegierung von GmbH-Geschäftsführern gegenüber Einzelkaufleuten hinaus wird der Zweck der § 283 Abs. 1 Nr. 5-8, § 283b StGB unterlaufen, der Verstöße gegen Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften wegen der besonderen Gefahr von Fehleinschätzungen mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen als eigenständiges Unrecht erfassen will (vgl. Arloth, NStZ 1990, 570, 572). Angesichts der dort genannten objektiven Anforderungen wäre kaum verständlich, dass daneben noch auf ein - zudem oft schwerlich zu ermittelndes - subjektives Interesse abzustellen sein soll (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 - 5 StR 122/11, StV 2012, 216; S/S-Perron, StGB, 28. Aufl., § 14 Rn. 26 mwN). Es besteht auch kein Anlass, bei der Auslegung des § 14 StGB im Hinblick auf § 283 Abs. 1 Nr. 5-7, § 283b StGB andere Anforderungen zu stellen als etwa im Rahmen des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB, da § 14 StGB eine der Rechtsvereinheitlichung dienende allgemeine Vorschrift darstellt (BT-Drucks. 5/1319 S. 62).
Überdies erscheint es problematisch, bei Fahrlässigkeits- und Unterlassungstaten die Zurechnung davon abhängig zu machen, in wessen Interesse der Vertreter handelte oder untätig blieb (vgl. S/S-Perron, StGB, 28. Aufl., § 14 Rn. 26). Ähnliches gilt bei nicht eigennützigem Verhalten, etwa bei der Zerstörung von Vermögensbestandteilen (§ 283 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 StGB), da ein solches bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 1981 - 3 StR 94/81, BGHSt 30, 127, 128 mwN) weder im Interesse des Vertreters noch des Vertretenen liegt (vgl. Brand, NStZ 2010, 9, 11).
dd) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Interessentheorie bei Vertretern von Personengesellschaften für die praktisch relevanten Fälle, dass die Gesellschafter der Bankrotthandlung zustimmen (vgl. dazu Labsch, wistra 1985, 1, 7), zudem nicht durchgehalten worden; ein Handeln, das aus wirtschaftlicher Sicht im vollständigen Widerstreit zu den Interessen der vertretenen Gesellschaft steht, soll etwa bei der Kommanditgesellschaft gleichwohl von dem durch das Einverständnis erweiterten Auftrag des Schuldners - also der Gesellschaft - gedeckt sein, wenn der Komplementär zustimmt (BGH, Urteil vom 6. November 1986 - 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221, 223 f. = BGH StV 1988, 14, 15 m. Anm. Weber). Die Einschränkung der Interessentheorie sei insbesondere aus Gründen des Gläubigerschutzes geboten (BGH, Urteil vom 6. November 1986 - 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221, 224). Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof in der Folge auch auf Fälle der GmbH & Co. KG erstreckt, in denen der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH die Bankrotthandlungen mit Zustimmung der Gesellschafter dieser Kapitalgesellschaft und damit der Komplementärin vorgenommen hatte (BGH, Urteil vom 12. Mai 1989 - 3 StR 55/89, wistra 1989, 264, 267; aA BGH, Urteil vom 29. November 1983 - 5 StR 616/83, wistra 1984, 71; BGH, Urteil vom 17. März 1987 - 5 StR 272/86, JR 1988, 254, 255 f. m. abl. Anm. Gössel; offen gelassen von BGH, Urteil vom 3. Mai 1991 - 2 StR 613/90, NJW 1992, 250, 252). Der Gläubigerschutz hat aber bei den in der Rechtsform der GmbH betriebenen Gesellschaften kein geringeres Gewicht als bei Personengesellschaften oder insbesondere der Mischform der GmbH & Co. KG, so dass mit dieser Argumentation nicht nachvollziehbar erscheint, warum die Zustimmung der Gesellschafter einer Komplementär-GmbH den Auftrag des Geschäftsführers erweitern kann, das Einverständnis der Gesellschafter bei einer reinen Kapitalgesellschaft für die Frage, ob der Geschäftsführer als Organ oder im Auftrag der Gesellschaft handelt, hingegen bedeutungslos sein soll.
Auch in Bezug auf die Buchführungs- und Bilanzdelikte hat der Bundesgerichtshof nicht einheitlich an der Interessentheorie festgehalten, sondern diese - teils ausdrücklich, teils stillschweigend - in Frage gestellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Dezember 2011 - 5 StR 122/11, StV 2012, 216; vom 24. Mai 2009 - 5 StR 353/08, NStZ 2009, 635, 636; vom 18. Januar 1995 - 2 StR 693/94, wistra 1995, 146 f.; anders etwa BGH, Beschluss vom 14. Dezember 1999 - 5 StR 520/99, NStZ 2000, 206, 207).
c) Kommt es für ein Handeln als Vertretungsberechtigter im Sinne des § 14 Abs. 1 StGB nicht (mehr) darauf an, ob dieses im Interesse des Geschäftsherrn liegt, ist auf andere taugliche Abgrenzungskriterien Bedacht zu nehmen (dazu bereits BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2009 - 3 StR 372/08, NJW 2009, 2225, 2228; vom 15. September 2011 - 3 StR 118/11, NStZ 2012, 89, 91). Entscheidend bleibt, dass der Handelnde gerade in seiner Eigenschaft als vertretungsberechtigtes Organ, also im Geschäftskreis des Vertretenen (BGH aaO), und nicht bloß ?bei Gelegenheit' tätig wird (vgl. BT-Drucks. 14/8998 S. 8; 5/1319 S. 63). Dabei kann zwischen rechtsgeschäftlichem und sonstigem Handeln zu differenzieren sein (vgl. MünchKommStGB/Radtke, 2. Aufl., § 14 Rn. 65 ff.; S/S-Perron, StGB, 28. Aufl., § 14 Rn. 26; ausdrücklich anders noch BGH, Urteil vom 20. Mai 1981 - 3 StR 94/81, BGHSt 30, 127, 129).
Handelt ein Organwalter rechtsgeschäftlich, ist ein organschaftliches Tätigwerden jedenfalls dann naheliegend gegeben, wenn er im Namen der juristischen Person auftritt oder für diese aufgrund der bestehenden Vertretungsmacht bindende Rechtsfolgen zumindest im Außenverhältnis herbeiführt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2009 - 3 StR 372/08, NJW 2009, 2225, 2228; vom 15. September 2011 - 3 StR 118/11, NStZ 2012, 89, 91 m. Anm. Radtke/Hoffmann). Das Handeln des Vertretungsberechtigten als Organ wird etwa dadurch deutlich, dass er lediglich aufgrund seiner besonderen Organstellung überhaupt in der Lage ist, die vertretene juristische Person rechtlich zu binden. Diese Wirkung könnte er nicht herbeiführen, wenn er nicht als vertretungsberechtigtes Organ, sondern - gleichsam wie ein Außenstehender - als natürliche (Privat-) Person agierte (vgl. Arloth, NStZ 1990, 570, 574).
Eine Zurechnung der Schuldnereigenschaft ist auch in den Fällen möglich, in denen der Vertretungsberechtigte aufgrund seiner Stellung außerstrafrechtliche, aber gleichwohl strafbewehrte Pflichten des Vertretenen zu erfüllen hat (s. LK/Tiedemann, 12. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 84; NK-StGB-Kindhäuser, 3. Aufl., Vor §§ 283 bis 283d Rn. 54).
Dagegen erscheint die Abgrenzung bei einem bloß faktischen Handeln problematischer. Ein solches kann jedenfalls dann Grundlage für eine Zurechnung sein, wenn eine Zustimmung des Vertretenen vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2011 - 3 StR 118/11, NStZ 2012, 89, 91; weitergehend BGH, Beschluss vom 10. Januar 2012 - 4 ARs 17/11, wistra 2012, 191; s. auch MünchKommStGB/Radtke, 2. Aufl., § 14 Rn. 67 f.; Valerius, NZWiSt 2012, 65, 66).
Es bedarf hier keiner abschließenden Klärung, unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen bei rein tatsächlichen Verhaltensweisen eine Zurechnung nach § 14 StGB in Betracht kommt; denn ein solches liegt nicht vor. Der Geschäftsführer K. ist rechtsgeschäftlich tätig geworden. Er verschaffte sich die Beträge im Wesentlichen durch Überweisungen, die er als Geschäftsführer der GmbH mit Wirkung für diese vornahm.
d) Der Senat ist durch die bislang ergangenen Entscheidungen nicht daran gehindert, eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Beihilfe zum Bankrott anzunehmen, obschon der Geschäftsführer der S. GmbH Gesellschaftsvermögen nicht im Interesse der GmbH, sondern in eigenem Interesse beiseite schaffte. Auf Anfrage (§ 132 Abs. 3 Satz 1 GVG) haben sämtliche anderen Strafsenate erklärt, an ihrer insoweit entgegenstehenden früheren Rechtsauffassung nicht festzuhalten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. November 2011 - 1 ARs 19/11, wistra 2012, 113; vom 22. Dezember 2011 - 2 ARs 403/11; vom 10. Januar 2012 - 4 ARs 17/11, wistra 2012, 191; vom 7. Februar 2012 - 5 ARs 64/11). Auch der Senat selbst gibt seine entgegenstehende Rechtsansicht auf. ..."
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?... 4. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen tragen allerdings den Schuldspruch wegen (vorsätzlicher) Verletzung der Buchführungspflicht in drei Fällen gem. § 283b Abs. 1 Nr. 1 und 3 lit. b StGB. Danach unterließen es die Bf. E. (als faktischer Geschäftsführer) und C. (als bestellter Geschäftsführer) ?willentlich', die Handelsbücher der C. GmbH zu führen sowie die Eröffnungsbilanz aufzustellen und einen Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2003 zu erstellen. Mit Blick auf die ebenfalls festgestellte und ausgeurteilte zweckwidrige Verwendung gewährter Subventionsmittel sowie die von beiden Bf. begangenen Untreuehandlungen zum Nachteil von C. GmbH verstand es sich hier allerdings nicht von selbst, dass die Angekl. nicht ausschließlich aus eigennützigen Motiven heraus handelten.
a) Eine Strafbarkeit könnte angesichts dessen namentlich bei Anwendung der von der Rspr. entwickelten Interessentheorie zweifelhaft sein (vgl. hierzu nur BGH, Urt. v. 20.05.1981 - 3 StR 94/81, BGHSt 30, 127, 128 f., v. 06.11.1986 - 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221, 223). Nach den Grundsätzen dieser - vom 3. Strafsenat im Rahmen eines Anfrageverfahrens jüngst in Frage gestellten (vgl. BGH, Beschl. v. 15.09.2011 - 3 StR 118/11; vgl. ferner BGH, Beschl. v. 01.09.2009 - 1 StR 301/09, BGHR StGB § 283 Abs. 1 Geschäftsführer 4 [= StV 2010, 25]) - Rspr. ist für die Strafbarkeit des Vertreters einer juristischen Person nach § 283 StGB erforderlich, dass er zumindest auch im Interesse des Geschäftsherrn handelt (vgl. § 14 StGB); liegen hingegen beim Vertreter ausschließlich eigennützige Motive vor, so scheidet eine Bestrafung wegen Bankrotts neben einer möglichen Strafbarkeit wegen Untreue aus (vgl. nur Fischer, StGB, 58. Aufl., § 283 Rn. 4d m.w.N.).
Die Rspr. vermittelt zur Frage der Anwendung der Interessentheorie auf Buchführungs- und Bilanzdelikte nach § 283 Abs. 1 Nr. 5 bis 8, § 283b StGB kein einheitliches Bild. Teilweise wird die Frage auch bei diesen Delikten bejaht (vgl. BGH, Urt. v. 24.03.1982 - 3 StR 68/82, wistra 1982, 148, 149, Beschl. v. 14.12.1999 - 5 StR 520/99, NStZ 2000, 206, 207 [= StV 2000, 490]; vgl. ferner BGH, Urt. v. 11.10.1960 - 5 StR 155/60), teilweise wird sie hingegen ausdrücklich (vgl. BGH, Beschl. v. 24.03.2009 - 5 StR 353/08, NStZ 2009, 635, 636 [= StV 2010, 25]) oder stillschweigend (vgl. BGH, Beschl. v. 18.01.1995 - 2 StR 693/94, wistra 1995, 146, 147 [= StV 1996, 267]) verneint.
Unabhängig von den im Anfrageverfahren vom 3. Strafsenat angestellten grundsätzlichen Erwägungen (a.a.O.) neigt der Senat dazu, die von der Rspr. namentlich für Vermögensverschiebungen in der unternehmerischen Krise entwickelte Interessentheorie jedenfalls auf Buchführungs- und Bilanzdelikte (§ 283 Abs. 1 Nr. 5 bis 8, § 283b StGB) nicht anzuwenden. Gegen eine Übernahme spricht - worauf auch der GBA in seiner Antragsschrift zutreffend hinweist - der in diesen Konstellationen objektiv eindeutige Bezug zum übertragenen Aufgabenbereich. Diese gesetzlich vermittelte Pflichtenstellung kann letztlich nicht unter dem Vorbehalt einer inneren Tendenz des Organs stehen. Für die Erfüllung von handelsrechtlichen Pflichten der juristischen Person durch ihre Organe erscheint es deshalb bedeutungslos, ob ein Handeln im Interesse des Vertretenen vorliegt (SS/Perron, StGB, 28. Aufl., § 14 Rn. 26; Tiedemann in LK, 12. Aufl., Vor § 283 Rn. 84). Zudem schützen diese Strafvorschriften neben den Gläubigerinteressen die Sicherheit des Geschäftsverkehrs als solchen (vgl. BGH, Urt. v. 22.02.2001 - 4 StR 421/00, NStZ 2001, 485, 486 [= StV 2002, 22]; Tiedemann a.a.O., § 283 Rn. 7; Fischer a.a.O., Vor § 283 Rn. 3; Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 283 Rn. 1).
b) Einer Entscheidung dieser Rechtsfrage bedarf es allerdings nicht. Denn das Fehlen ausdrücklicher Feststellungen zur Motivlage oder deren Erörterung in den Urteilsgründen stellt hier noch keinen durchgreifenden Rechtsmangel dar. Der Senat entnimmt nämlich dem Zusammenhang der Urteilsgründe, dass die Angekl. mit ihrem vorsätzlichen Verstoß gegen die ihnen obliegenden Buchführungs- und Bilanzierungspflichten zumindest nicht - ausschließlich - erstrebten, die zweckwidrigen und vermögensschädigenden Mittelverwendungen zu verschleiern. Ersichtlich lag dem allein ein besonderes Maß an Gleichgültigkeit gegenüber den kaufmännischen Pflichten zugrunde. ..." (BGH, Beschluss vom 15.12.2011 - 5 StR 122/11)
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Ein Beiseiteschaffen im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt nur dann vor, wenn der Zugriff auf den weggegebenen Vermögensbestandteil für einen Insolvenzverwalter im Rahmen der Gesamtvollstreckung (Insolvenz) wesentlich erschwert wird (BGH, Urteil vom 29.04.2010 - 3 StR 314/09 - 27 Seiten starke Entscheidung).
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? ... Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in drei Fällen, wegen (vorsätzlichen) Verstoßes gegen die Insolvenzantragspflicht (richtig: Konkursantragspflicht) und wegen Bankrotts in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt und die Vollstreckung dieser Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Dabei waren die der Verurteilung wegen Betrugs zugrunde liegenden Fälle bereits Gegenstand des Senatsbeschlusses vom 7. Juli 2004 - 5 StR 412/03 (wistra 2004, 429) gewesen. Die Vorwürfe der Steuerhinterziehung, die ebenfalls Gegenstand des vorgenannten Senatsbeschlusses gewesen waren, sind im neuen Rechtsgang nach § 154 Abs. 2 StPO aus dem Verfahren ausgeschieden worden. Nach weiterer Teileinstellung im Revisionsverfahren ist auf die mit Verfahrensrügen und der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten die Gesamtfreiheitsstrafe auf neun Monate herabzusetzen. Das weitergehende Rechtsmittel ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Zur Verfahrenseinstellung haben folgende Erwägungen Anlass gegeben:
a) Bezüglich der Verurteilung nach § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB teilt der Senat die Bedenken des Generalbundesanwalts, der insoweit ursprünglich Freispruch beantragt hat, zwar nicht. Um jedoch eine hier in Betracht zu ziehende Zurückverweisung zu vermeiden, ist dieser Fall einzustellen.
aa) Es ist durchaus erwägenswert, die Veräußerung der Geschäftsanteile an der A. I. K. G. (AIG), die Umfirmierung, die Sitzverlegung und das Abberufen des Angeklagten vom Amt als Geschäftsführer am 22. Dezember 1998 unter die Vorschrift des § 283 Abs. 1 Nr. 8 zweite Alternative, gegebenenfalls vorrangig unter § 283 Abs. 1 Nr. 4 StGB zu subsumieren. Der Begriff der ?geschäftlichen Verhältnisse' ist bislang vom Bundesgerichtshof nicht ausgelegt worden. Vor allem soll dieses Tatbestandsmerkmal Umstände erfassen, die für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit (Bonität) des in der Krise befindlichen Schuldners erheblich sind (Hoyer in SK-StGB 7. Aufl. [März 2002] § 283 Rdn. 94; Tiedemann in LK 11. Aufl. § 283 Rdn. 172; Radtke in MünchKomm-StGB § 283 Rdn. 67). Der Auffangtatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB ist jedenfalls mit Blick auf die Gläubigerinteressen auszulegen: Bei der Tathandlung des Verheimlichens muss der Täter die Gläubiger oder den Insolvenzverwalter über Zugriffsmöglichkeiten auf das Schuldnervermögen in Unkenntnis setzen oder halten; bei der Tathandlung des Verschleierns geht es um die unrichtige Darstellung insbesondere der Vermögensverhältnisse.
Hier hat sich der Angeklagte eine Option auf Rückkauf der Gesellschaftsanteile an der AIG einräumen lassen; darüber hinaus war er aufgrund einer Vollmacht zur umfassenden Vertretung der umbenannten GmbH weiterhin befugt. Dies könnte dafür sprechen, dass es sich bei der Abtretung der Anteile und dem Wechsel in der Geschäftsführung um Scheingeschäfte (§ 117 BGB) handelte; solches würde zumindest die Annahme einer Treuhänderschaft sowie einer faktischen Geschäftsführung nahe legen. Sofern der Angeklagte damit tatsächlich weiterhin bestimmenden Einfluss auf die in I. GmbH umfirmierte AIG nahm, könnte er die Fremdgläubiger über die tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse und die faktisch ausgeübte Geschäftsführung einschließlich des Firmensitzes getäuscht haben. Dies hätte zwar keine verbesserte Darstellung der Bonität der AIG zur Folge. Gleichwohl wird durch diese ?Firmenbestattung' die Position der Gläubiger verschlechtert (vgl. Raik Kilper, ?Firmenbestattung', Hamburg, 2009). Diese könnten durch die verschleiernden Maßnahmen davon abgehalten worden sein, in Vermögensgegenstände der AIG zu vollstrecken oder gar den Angeklagten wegen der Konkursverschleppung etwa nach § 826 BGB in Regress zu nehmen. Die sogenannte Interessentheorie dürfte auf § 283 Abs. 1 Nr. 8 zweite Alternative StGB keine Anwendung finden (vgl. allerdings BGH wistra 2000, 136 für § 283 Abs. 1 Nr. 8 erste Alternative StGB; vgl. auch Ogiermann, wistra 2000, 250, 251).
Von § 283 Abs. 1 Nr. 8 zweite Alternative StGB könnten sogar auch solche im Rahmen der ?Firmenbestattung' vorgenommenen Rechtsgeschäfte erfasst sein, bei denen die Rechtsfolgen von den Beteiligten tatsächlich gewollt sind. Die Übertragung der Anteile und das Abberufen vom Amt des Geschäftsführers wären dann zwar nicht als Scheingeschäfte (§ 117 BGB) zu werten. Gleichwohl könnten die Rechtsgeschäfte wegen der beabsichtigten Gläubigerbenachteiligung und der Umgehung der insolvenzrechtlichen Pflicht zur Antragstellung zivilrechtlich unwirksam sein (BGHR StGB § 266a Abs. 1 Vorsatz 2, insoweit in BGHSt 48, 307 nicht abgedruckt; vgl. auch § 15a Abs. 3 InsO n.F.). Dann hätte der bisherige Geschäftsführer sein Amt behalten und die Fremdgläubiger wären über die tatsächlichen geschäftlichen Verhältnisse der Gesellschaft getäuscht worden.
bb) Einer Verurteilung könnte indes entgegenstehen, dass - ungeachtet noch pfändbarer (allerdings geringer) Bankguthaben - nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe für Dezember 1998 von Zahlungseinstellung (§ 283 Abs. 6 StGB) auszugehen sein könnte. Jedenfalls für die Verletzung der Pflicht zur Aufstellung des Jahresabschlusses ist entschieden, dass der Tatbestand des Bankrotts nicht mehr verwirklicht werden kann, wenn - was dann näherer Auklärung bedürfte - die objektive Bedingung der Strafbarkeit bereits eingetreten ist (BGHR StGB § 283 Abs. 1 Nr. 7b Zeit 1 m.w.N.). Entsprechendes könnte für § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB gelten. Diese wie auch die vorgenannten Fragen bedürfen wegen der Verfahrenseinstellung nicht der Vertiefung.
b) Bei den drei übrigen Bankrottdelikten stehen die Schuldsprüche in Frage, weil das Landgericht etwaige Auswirkungen einer Durchsuchung und Beschlagnahme von Geschäftsunterlagen im Juni 1997 auch mit Blick auf die damals anhängigen Ermittlungsverfahren nicht weiter aufgeklärt hat. Zudem fehlt es ebenso wie bei zwei Betrugsfällen an der nach § 47 Abs. 1 StGB gebotenen Begründung für die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen. Mit Blick auf die lange Verfahrensdauer erscheint die Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO als angemessene Verfahrenserledigung. Dies ermöglicht, das Verfahren nunmehr rechtskräftig abzuschließen.
2. Das Urteil hält in dem nach Teileinstellung verbleibenden Umfang der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Soweit der Angeklagte wegen Betrugs verurteilt worden ist, werden die Feststellungen des Landgerichts den Vorgaben aus dem Senatsbeschluss vom 7. Juli 2004 (vgl. auch BGHSt 1, 262, 264; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 39; BGH wistra 1986, 170) gerecht. Dem Urteil ist hinreichend deutlich zu entnehmen, dass der geschädigten Arbeitnehmerin R. im Dezember 1998 die Vollstreckung in ein Bankguthaben in Höhe von rund 11.600 DM noch möglich gewesen wäre und sie sich - wie auch die übrigen Arbeitnehmer - nur deswegen von der Beitreibung der Forderung hat abhalten lassen, weil sie auf die Erfüllung der Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung vertraute, zumal der Angeklagte persönlich mit der Bürgschaft einzustehen versprach. Eines weiteren Eingehens auf die subjektive Tatseite bedurfte es bei dieser Sachlage nicht.
b) Im Rahmen der Konkursverschleppung (§ 84 Abs. 1 Nr. 2, 64 Abs. 1 GmbHG a.F.; jetzt, insoweit ohne inhaltliche Änderungen, § 15a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 InsO n.F., § 2 Abs. 2, Abs. 3 StGB), die nicht verjährt ist (vgl. dazu insbesondere BGH wistra 2009, 117, 119, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt), belegen die Feststellungen sowohl die Überschuldung als auch die Zahlungsunfähigkeit der AIG. Insoweit bemerkt der Senat ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts zur Aufklärungsrüge des Beschwerdeführers, die den etwaigen, angeblich vom Sachverständigen nicht berücksichtigten Rangrücktritt des Angeklagten zum Gegenstand hat (S. 25 bis 41 aus der Revisionsbegründung vom 12. Februar 2008):
Die - auch in der Sache insbesondere hinsichtlich des Konkursgrundes der Zahlungsunfähigkeit ersichtlich aussichtslose - Aufklärungsrüge ist bereits deswegen unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil sie keine konkret bestimmten aufklärungsbedürftigen Tatsachen bezeichnet. Es wird nur in den Raum gestellt, dass der Angeklagte in Höhe seiner Gesellschafterforderung von rund 11,6 Mio. DM einen Rangrücktritt erklärt habe, ohne dies nach Ort, Zeit und den weiteren Umständen zu konkretisieren. Einer solchen Präzisierung hätte es insbesondere auch deswegen bedurft, weil die AIG Zinszahlungen auf das Gesellschafterdarlehen leistete, was eindeutig gegen einen Rangrücktritt spricht.
c) Der Senat schließt aus, dass die für die Konkursverschleppung verhängte Einzelfreiheitsstrafe von acht Monaten und die für den Betrugsfall zu Lasten der Arbeitnehmerin R. verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten durch die Straffindung in den übrigen Fällen beeinflusst worden sein könnten. Auch führt der Umstand, dass das Landgericht Art und Ausmaß der von ihm festgestellten rechtsstaatswidrigen Verzögerung rechtsfehlerhaft nicht bestimmt hat, hier zu keinem durchgreifenden Strafzumessungsfehler. Noch mildere Einzelfreiheitsstrafen hätte das Landgericht angesichts des Umstandes, dass der Angeklagte im Dezember 1998 die eine ?Firmenbestattung' betrieb und die Geschädigte R. als langjährige vertraute Angestellte über Jahre hinweg von dem Einfordern ihrer Lohnforderungen abhielt, ersichtlich nicht verhängt. Dass es die Einzelstrafen nach der so genannten mittlerweile überholten (BGHSt [GS] 52, 124) Strafabschlagslösung gemindert hat, beschwert den Angeklagten nicht (vgl. BGH wistra 2008, 348, 349).
3. Der Senat hat - entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts - die erneut erforderliche Gesamtstrafenbildung selbst vorgenommen, indem er die Einsatzstrafe um einen Monat erhöht hat. Eine noch geringere Erhöhung nach Wochen kam ersichtlich nicht in Betracht. Die so gebildete Gesamtfreiheitsstrafe berücksichtigt unter Beachtung der einer Verfahrensrüge zu entnehmenden für die Verfahrensverzögerung maßgeblichen Anknüpfungstatsachen und angesichts der bereits vom Landgericht gewährten Strafabschläge sowie der Verfahrenseinstellungen in weit ausreichendem Maße die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung. Ein ?echter' Härteausgleich mit Blick auf die Erledigung der Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 17. September 1998 war bereits deswegen nicht zu gewähren, weil insoweit für die verbliebenen abgeurteilten Taten zu keinem Zeitpunkt, insbesondere nicht im hierfür maßgeblichen ersten Urteil vom 23. Dezember 2002, eine Gesamtstrafenkonstellation (§ 55 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB) vorlag. Die Konkursverschleppung war jedenfalls nicht vor dem 22. Dezember 1998 beendet (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Begehung 1; BGH NJW 1997, 750, 751, insoweit in BGHSt 42, 268 nicht abgedruckt; BGH wistra 1996, 144, 145); der Betrug zu Lasten der Arbeitnehmerin R. begann sogar erst Ende Oktober 1998.
Das Tatgericht wird über den gegenstandslos gewordenen Bewährungszeit- und Pflichtenbeschluss (§ 268a StPO) neu zu befinden haben. ..." (BGH, Beschluss vom 24.03.2009 - 5 StR 353/08)
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Zur Strafbarkeit des Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung wegen Bankrotts durch Beiseiteschaffen von Gesellschaftsvermögen sowie zum Verhältnis von Bankrott und den Vermögens- bzw. Eigentumsdelikten in diesen Fällen (nur Hinweis; BGH, Beschluss vom 10.02.2009 - 3 StR 372/08 zu StGB §§14, 246, 266, 283 ff.):
?... II. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hält der Schuldspruch wegen Beihilfe zum Bankrott der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der frühere Mitangeklagte K. durch die Vereinnahmung der Rechnungsbeträge jedenfalls in Höhe von ca. 1,7 Mio. ? im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB Vermögen der S. GmbH beiseite schaffte. Die Bezahlung der Rechnungen erfolgte unter Verstoß gegen die Grundsätze eines ordnungsgemäßen Wirtschaftens (vgl. dazu BGHSt 34, 309, 310; Stree/Heine in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 283 Rdn. 4 m. w. N.), weil provisionspflichtige Hauptgeschäfte in diesem Umfang nicht getätigt worden waren, deshalb ein Anspruch auf eine erfolgsabhängige Vergütung in dieser Höhe nicht bestand und eine weitere, erfolgsunabhängige Vergütung angesichts der angespannten Liquiditätslage nicht rückwirkend vereinbart werden durfte.
2. Die Vorschrift des § 283 StGB stellt indes ein Sonderdelikt dar, dessen Täter nur der Schuldner sein kann (Radtke in MünchKomm StGB § 283 Rdn. 4; Tiedemann in LK 11. Aufl. § 283 Rdn. 225), also die (natürliche oder juristische) Person, die für die Erfüllung einer Verbindlichkeit haftet (Radtke aaO vor § 283 Rdn. 36). Ist der Schuldner - wie hier - eine juristische Person, die nur durch ihre Organe/Vertreter handeln kann, so gilt § 14 StGB. Diese Vorschrift setzt für die strafrechtliche Zurechnung voraus, dass die handelnde Person ?als' Organ oder Vertreter (Abs. 1) bzw. ?auf Grund dieses Auftrags' (Abs. 2) agiert. Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der wohl herrschenden Auffassung in der Literatur ist es danach für eine Strafbarkeit des Vertreters nach § 283 StGB erforderlich, dass er zumindest auch im Interesse des Geschäftsherrn handelt. Liegen ausschließlich eigennützige Motive vor, so kann eine Strafbarkeit wegen Untreue nach § 266 StGB in Betracht kommen; eine Verurteilung wegen Bankrotts scheidet hingegen aus (sog. Interessentheorie, BGHSt 30, 127, 128 f.; 34, 221, 223; BGHR StGB § 283 Abs. 1 Konkurrenzen 3; BGH NStZ 2000, 206, 207; zustimmend Schünemann in LK 12. Aufl. § 14 Rdn. 50; Fischer, StGB 56. Aufl. § 283 Rdn. 4 b; im Ergebnis auch Kindhäuser in NK-StGB 2. Aufl. vor § 283 Rdn. 56; aA Tiedemann aaO vor § 283 Rdn. 80; Hoyer in SK-StGB 116. Lfg. § 283 Rdn. 103 f.; Lenckner/Perron in Schönke/Schröder aaO § 14 Rdn. 26; jew. m. w. N.; differenzierend Radtke aaO vor § 283 Rdn. 55).
Das Landgericht hat das Vorliegen eines solchen Interesses rechtsfehlerhaft bejaht. Ob eine Handlung wenigstens auch im Interesse des Vertretenen vorgenommen worden ist, bestimmt sich nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise (BGHSt 30, 127, 128 f.). Dass - wie die Strafkammer ausgeführt hat - der frühere Mitangeklagte sein weiteres Tätigwerden für die Gesellschaften der Angeklagten von der Bezahlung der Rechnungen abhängig gemacht hat, begründet ein wirtschaftliches Interesse der vertretenen S. GmbH nicht; es widerspricht einem solchen vielmehr, weiter mit einem Geschäftsführer zusammenzuarbeiten, der im großen Umfang eine ihm nicht zustehende Vergütung verlangt. Nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten kann in der Überweisung der ca. 1,7 Mio. ? durch den früheren Mitangeklagten K. zur Bezahlung der materiell unberechtigten Rechnungen daher nur ein Handeln aufgrund eigennütziger Motive gesehen werden, das der Gesellschaft schadete. Das Einverständnis der Angeklagten mit der Rechnungsstellung und ihrer Begleichung war nicht ausreichend (vgl. BGHSt 30, 127, 128 f.; BGH bei Holtz MDR 1979, 806; BGH NStZ 1984, 118, 119; JR 1988, 254, 255 f.; vgl. die Nachweise bei Labsch wistra 1985, 1, 7); die Zustimmung der Gesellschafter einer juristischen Person löst - anders als bei einer Kommanditgesellschaft (vgl. BGHSt 34, 221, 223 f.) - den Interessenwiderstreit zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft nicht auf.
3. Darüber hinaus tragen die Feststellungen des Landgerichts die Annahme einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der S. GmbH nicht, so dass sich auch bei Nichtanwendung der Interessentheorie (dazu unten IV.) die Verurteilung wegen Beihilfe zum Bankrott als rechtsfehlerhaft erwiese.
Die Strafkammer hat in der Beweiswürdigung des Urteils unter summarischer Gegenüberstellung der liquiden Mittel und der fälligen Forderungen ausgeführt, Anfang April 2004 habe bei der S. GmbH eine Unterdeckung von ca. 4 Mio. ? bestanden; infolge der Kreditkündigungen seien Verbindlichkeiten in Höhe von fast 23 Mio. ? hinzu gekommen. Dies ist bereits widersprüchlich, weil an anderer Stelle des Urteils mitgeteilt wird, dass diese Summe der Kreditaufnahme aller Unternehmen der Angeklagten entsprach; auf die S. GmbH entfiel nur ein Teil davon. In der Darstellung des Landgerichts ist zudem ein von Rechtsanwalt F. für die S. GmbH geführtes Anderkonto nicht berücksichtigt, von dem der frühere Mitangeklagte K. am 5. April 2004 das letztlich von ihm vereinnahmte Geld an die Se. GmbH überwies.
Abgesehen von diesen Widersprüchen und Unvollständigkeiten begegnet die Darstellung der Liquiditätslage der S. GmbH zu den ausgewählten Stichtagen durchgreifenden Bedenken, weil sich das Landgericht auf die Mitteilung der Summen aus dem Liquiditätsstatus und hinsichtlich der liquiden Mittel auf Guthaben auf Girokonten beschränkt. Damit ist dem Senat die Überprüfung verwehrt, ob der vom Landgericht zugrunde gelegte Liquiditätsstatus nicht nur alle relevanten kurzfristig fälligen Verbindlichkeiten, sondern auch die zu ihrer Tilgung vorhandenen oder herbeizuschaffenden Mittel (also die flüssigen Mittel und kurzfristig einziehbaren Forderungen sowie gegebenenfalls die kurzfristig liquidierbaren Vermögensgegenstände) enthält (vgl. § 17 Abs. 2 InsO und BGH wistra 2001, 306, 307; 2007, 312). Selbst wenn dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch zu entnehmen wäre, dass die S. GmbH durch Forderungseinzug oder Veräußerung von Vermögensgegenständen weitere liquide Mittel jedenfalls nicht kurzfristig realisieren konnte, war das Abstellen allein auf die angegebenen Kontenguthaben nicht ausreichend; denn in der rechtlichen Würdigung teilt die Strafkammer mit, dass die Gesellschaften der Angeklagten untereinander ein cashmanagement betrieben, demzufolge Zahlungen jeweils von dem Konto der Gesellschaft vorgenommen wurden, auf dem Guthaben vorhanden war. Dann hätte es zur nachvollziehbaren Annahme der drohenden Zahlungsunfähigkeit der S. GmbH aber auch Feststellungen zu den Vermögensverhältnissen aller anderen Gesellschaften der Angeklagten bedurft. Dies gilt insbesondere deswegen, weil sich dem Urteil nur entnehmen lässt, dass über das Vermögen von zwei der Produktionsgesellschaften das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Über das Schicksal der beiden anderen ergibt sich nichts.
III. Eine Schuldspruchänderung kommt nicht in Betracht. Zwar kann ein eigennütziges Beiseiteschaffen von Vermögen durch den Geschäftsführer einer Gesellschaft den Tatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB erfüllen (BGHSt 28, 371; BGHR StGB § 283 Abs. 1 Konkurrenzen 3). Die Angeklagten hatten der Rechnungsstellung und -begleichung indes zugestimmt.
Das Einverständnis des Geschäftsherrn schließt regelmäßig den Tatbestand der Untreue aus (Fischer aaO § 266 Rdn. 49 m. w. N.). Das gilt grundsätzlich auch für vermögensnachteilige Dispositionen des Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft, wenn sie im Einverständnis der Gesellschafter getroffen werden. Ein Einverständnis der Gesellschafter ist allerdings unwirksam und die Vermögensverfügung des Geschäftsführers deshalb missbräuchlich, wenn unter Verstoß gegen Gesellschaftsrecht die wirtschaftliche Existenz der Gesellschaft gefährdet wird, etwa durch Beeinträchtigung des Stammkapitals entgegen § 30 GmbHG, durch Herbeiführung oder Vertiefung einer Überschuldung oder durch Gefährdung der Liquidität (BGHSt 35, 333; 49, 147, 158; BGH wistra 2003, 457, 460; 2006, 265; vgl. auch Schünemann aaO § 266 Rdn. 25; Kindhäuser aaO § 266 Rdn. 68 ff.; Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 266 Rdn. 20).
Eine solche Existenzgefährdung der Gesellschaft - etwa durch Gefährdung ihrer Liquidität - ist aus den oben unter II. 3. genannten Gründen aber ebenfalls nicht belegt.
IV. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Die von der Rechtsprechung entwickelte Interessentheorie ist in der Literatur auf Ablehnung gestoßen, weil sie für die Insolvenzdelikte nur einen geringen Anwendungsbereich lässt, wenn Schuldner im Sinne des § 283 StGB eine Handelsgesellschaft ist (Tiedemann aaO vor § 283 Rdn. 80; Hoyer aaO § 283 Rdn. 103; Radtke aaO vor § 283 Rdn. 55; Labsch wistra 1985, 1, 6 ff.; jew. m. w. N.). Dieser Kritik ist zuzugeben, dass die in § 283 StGB aufgezählten Bankrotthandlungen ganz überwiegend dem wirtschaftlichen Interesse der Gesellschaft widersprechen und der vom Gesetzgeber intendierte Gläubigerschutz in der wirtschaftlichen Krise insbesondere von Kapitalgesellschaften bei Anwendung der Interessentheorie weitgehend leerläuft. Besonders augenfällig wird dies in Fällen der Ein-Mann-GmbH, in denen der Gesellschafter/Geschäftsführer der Gesellschaft angesichts der drohenden Insolvenz zur Benachteiligung der Gläubiger Vermögen entzieht und auf seine privaten Konten umleitet, nach wirtschaftlicher Betrachtung also aus eigennützigen Motiven handelt. Nach der Interessentheorie ist er nicht des Bankrotts schuldig, obwohl er die Insolvenz gezielt herbeigeführt hat (vgl. BGHSt 30, 127, 128 f.; kritisch dazu Tiedemann aaO vor § 283 Rdn. 80, 85).
Während Einzelkaufleute in vergleichbaren Fällen regelmäßig wegen Bankrotts strafbar sind, entstehen so Strafbarkeitslücken für Vertreter oder Organe von Kapitalgesellschaften. Angesichts der besonderen Insolvenzanfälligkeit von in der Rechtsform der GmbH betriebenen Unternehmen wird der Schutzzweck der Insolvenzdelikte dadurch konterkariert (vgl. Hoyer aaO; Radtke aaO). Dies gilt insbesondere, wenn man die Interessenformel konsequent auch auf die Bankrotthandlungen anwendet, die die Verletzung von Buchführungs- oder Bilanzierungspflichten sanktionieren (§ 283 Abs. 1 Nr. 5-7 StGB): Entfällt wegen des fehlenden Interesses der Gesellschaft die Bankrottstrafbarkeit, scheitert eine Verurteilung wegen Untreue regelmäßig am nicht festzustellenden oder nicht nachzuweisenden Vermögensschaden der Gesellschaft (vgl. Arloth NStZ 1990, 570, 572; Tiedemann aaO vor § 283 Rdn. 84). Über diese nicht gerechtfertigte Privilegierung von GmbH-Geschäftsführern gegenüber Einzelkaufleuten hinaus wird der Zweck der § 283 Abs. 1 Nr. 5-7, § 283 b StGB unterlaufen, der Verstöße gegen Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften wegen der besonderen Gefahr von Fehleinschätzungen mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen als eigenständiges Unrecht erfassen will (vgl. Arloth NStZ 1990, 570, 572).
2. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Interessentheorie bei Vertretern von Personengesellschaften für die praktisch relevanten Fälle, dass die Gesellschafter der Bankrotthandlung zustimmen (vgl. dazu Labsch wistra 1985, 1, 7), zudem nicht durchgehalten worden; ein Handeln, das aus wirtschaftlicher Sicht im vollständigen Widerstreit zu den Interessen der vertretenen Gesellschaft steht, soll etwa bei der Kommanditgesellschaft gleichwohl von dem durch das Einverständnis erweiterten Auftrag des Schuldners - also der Gesellschaft - gedeckt sein, wenn der Komplementär zustimmt (BGHSt 34, 221, 223 f. = BGH StV 1988, 14, 15 m. Anm. Weber). Die Einschränkung der Interessentheorie sei insbesondere aus Gründen des Gläubigerschutzes geboten (BGHSt 34, 221, 224). Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof in der Folge auch auf Fälle der GmbH & Co. KG erstreckt, in denen der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH die Bankrotthandlungen mit Zustimmung der Gesellschafter dieser Kapitalgesellschaft und damit der Komplementärin vorgenommen hatte (BGH wistra 1989, 264, 267; aA BGH wistra 1984, 71; JR 1988, 254, 255 f. m. abl. Anm. Gössel; offen gelassen von BGH NJW 1992, 250, 252). Der Gläubigerschutz hat aber bei den in der Rechtsform der GmbH betriebenen Gesellschaften kein geringeres Gewicht als bei Personengesellschaften oder insbesondere der Mischform der GmbH & Co. KG, so dass mit dieser Argumentation nicht nachvollziehbar erscheint, warum die Zustimmung der Gesellschafter einer Komplementär-GmbH den Auftrag des Geschäftsführers erweitern kann, das Einverständnis der Gesellschafter bei einer reinen Kapitalgesellschaft für die Frage, ob der Geschäftsführer als Organ oder im Auftrag der Gesellschaft handelt, hingegen bedeutungslos sein soll.
3. Der Senat neigt deshalb dazu, von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Strafbarkeit eines Vertreters wegen Bankrotts abzuweichen und die Abgrenzung zwischen den Insolvenzdelikten der §§ 283 ff. StGB und insbesondere der Untreue nach § 266 StGB, aber auch den Eigentumsdelikten gemäß §§ 242, 246 StGB nicht mehr nach der Interessenformel vorzunehmen, zumal das Abstellen auf das Interesse des Vertretenen und damit auf ein subjektives Element vom Wortlaut des § 14 StGB nicht gefordert wird (Arloth NStZ 1990, 570, 574; Tiedemann aaO vor § 283 Rdn. 84).
Es erscheint vielmehr geboten, für die Zurechnung der Schuldnereigenschaft im Sinne der §§ 283 ff. StGB maßgeblich daran anzuknüpfen, ob der Vertreter im Sinne des § 14 StGB im Geschäftskreis des Vertretenen tätig geworden ist. Dies wird bei rechtgeschäftlichem Handeln zu bejahen sein, wenn der Vertreter entweder im Namen des Vertretenen auftritt oder letzteren wegen der bestehenden Vertretungsmacht jedenfalls im Außenverhältnis die Rechtswirkungen des Geschäfts unmittelbar treffen (vgl. Radtke aaO vor § 283 Rdn. 58; Lenckner/Perron aaO § 14 Rdn. 26; Labsch wistra 1985, 59, 60). Gleiches gilt, wenn sich der Vertretene zur Erfüllung seiner außerstrafrechtlichen, aber gleichwohl strafbewehrten Pflichten (vgl. § 283 Abs. 1 Nr. 57 StGB) eines Vertreters bedient (Tiedemann aaO vor § 284 Rdn. 84, Lenckner/Perron aaO; Radtke aaO; Arloth NStZ 1990, 570, 572; Winkelbauer JR 1988, 33, 34). Bei faktischem Handeln muss die Zustimmung des Vertretenen - unabhängig von der Rechtsform, in der dieser agiert - ebenfalls dazu führen, dass der Vertreter in seinem Auftrag handelt und ihm die Schuldnerstellung zugerechnet wird (Radtke aaO; Hoyer aaO § 283 Rdn. 106).
Bei Beachtung dieser Grundsätze kann die trotz gleichartiger Verhaltensweisen mit der Interessentheorie verbundene Ungleichbehandlung zwischen Einzelkaufleuten und GmbH-Geschäftsführern ebenso vermieden werden (vgl. Radtke aaO), wie Strafbarkeitslücken bei Verstoß gegen Buchführungs- und Bilanzierungspflichten, wodurch der Gläubigerschutz verbessert wird. Soweit der Vertreter eigennützig handelt, wird häufiger als bisher eine Verurteilung wegen Bankrotts in Tateinheit mit Untreue oder einem Eigentumsdelikt in Betracht kommen, insbesondere wenn die Zustimmung der Gesellschafter (oder des alleinigen Gesellschafters/Geschäftsführers) einer GmbH wegen des damit verbundenen existenzgefährdenden Eingriffs in das Gesellschaftsvermögen kein tatbestandsausschließendes Einverständnis mit der nachteiligen Vermögensverfügung darstellt (vgl. BGHSt 35, 333; 49, 147, 158; BGH wistra 2003, 457, 460; 2006, 265). Dieses Ergebnis ist jedoch gerechtfertigt, weil in diesen Fällen durch dieselbe Handlung unterschiedliche Rechtsgüter - der Schutz der Gläubiger einerseits und das Vermögen bzw. das Eigentum der Gesellschaft andererseits - beeinträchtigt werden. ..." (StGB §§14, 246, 266, 283 ff.)
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?... 2. Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht. Dabei kann dahinstehen, ob einer Verurteilung des Angeklagten nach § 331 Nr. 1 und 4 HGB tatsächlich der Grundsatz der Spezialität entgegenstünde; denn das Landgericht hat schon eine mögliche Strafbarkeit des Angeklagten gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a StGB rechtsfehlerhaft verneint. Da das Landgericht zur Sache lediglich die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der H und damit den Eintritt der objektiven Bedingung der Strafbarkeit nach § 283 Abs. 6 StGB aF feststellt, sich mit den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a StGB dagegen nicht befasst, ist für die revisionsrechtliche Prüfung vom Anklagevorwurf auszugehen, dass die Aktivierung der stillen Beteiligung der H an der I bzw. der T im Jahresabschluss per 31. März 1997 mit 99.966.485,49 DM inhaltlich unrichtig und geeignet war, die Übersicht über den Vermögensstand der H zu erschweren, sowie im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Bilanz durch den Angeklagten am 30. Juni 1997 die Zahlungsunfähigkeit der H drohte und dem Angeklagten all dies bewusst war. Auf dieser Grundlage ist eine Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlichen Bankrotts entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht ausgeschlossen.
Nicht zu beanstanden ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts, dass eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a StGB nicht in Betracht kommt, wenn seine Bankrotthandlung in keiner Beziehung zur Eröffnung des Anschlusskonkursverfahrens über das Vermögen der H stand (vgl. BGHSt 1, 186, 191 zu § 240 Abs. 1 Nr. 3 KO aF ; BGH JZ 1979, 75, 76; NJW 2001, 1874, 1876; zu § 283 b StGB: BGHSt 28, 231, 233). Jedoch hat das Landgericht die Möglichkeit eines solchen Zusammenhangs rechtsfehlerhaft verneint. Es hat zwar nicht verkannt, dass - wie schon aus § 283 Abs. 2 StGB folgt - eine kausale Herbeiführung des Konkurses durch die Bankrotthandlung nicht erforderlich war (vgl. BGHSt 1, 186, 191). Es hat jedoch nicht hinreichend bedacht, dass es sich bei § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a StGB um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt, das die Gesamtheit der Gläubiger vor einer potentiellen Schmälerung ihrer Befriedigungsmöglichkeiten schützen soll (BGHSt 28, 371, 373; Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 283 Rdn. 1; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. vor § 283 Rdn. 3). Es war daher nicht notwendig, dass die Befriedigungsinteressen auch nur eines Gläubigers durch die Bankrotthandlung einer konkreten Gefahr ausgesetzt wurden. Vielmehr genügte ein rein äußerlicher Zusammenhang zwischen der Falschbilanzierung und der Konkurseröffnung. Hierfür kann dahinstehen, ob ein solcher immer schon dann besteht, wenn - wie hier - die Krise, in der die Bankrotthandlung vorgenommen wurde, vor dem Eintritt der objektiven Bedingung der Strafbarkeit nach § 283 Abs. 6 StGB nicht mehr überwunden wird; hierfür könnte § 283 b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StGB sprechen (Bittmann, Insolvenzstrafrecht § 13 Rdn. 7), auch für den Anwendungsbereich des § 283 StGB. Denn jedenfalls reichte es aus, wenn zumindest ein Teil der Gläubiger sowohl von der Bankrotthandlung als auch von der Konkurseröffnung betroffen waren (BGHSt 1, 186, 191). Dies wäre etwa dann der Fall gewesen, wenn Gläubigerforderungen, die schon zur Zeit der Bankrotthandlung bestanden, bei Konkurseröffnung noch nicht getilgt gewesen sein sollten (BGHSt 1, 186, 191; BGH bei Herlan GA 1953, 73; 1971, 38; BGH NJW 2001, 1874, 1876) oder Mängel der Buchführung bis zur Konkurseröffnung noch fortgewirkt hätten (BGH, Urt. vom 5. Juli 1955 - 5 StR 236/55; Urt. vom 4. April 1979 - 3 StR 488/78, insoweit in BGHSt 28, 371 nicht abgedruckt; s. auch RGSt 39, 165, 167 m. w. N.); denn die durch die Bankrotthandlung begründete abstrakte Gefahr hätte dann bis zum Eintritt der objektiven Strafbarkeitsbedingung fortbestanden, wäre durch diese verstärkt und einem Übergang in eine konkrete Gefährdung oder gar in einen Schaden näher gebracht worden. Dies war nach dem nicht aufgeklärten Tatvorwurf naheliegend der Fall. Die Sache bedarf da-her neuer Verhandlung. ..." (BGH, Beschluss vom 30.08.2007 - 3 StR 170/07)
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Zur Feststellung einer Überschuldung bedarf es eines Überschuldungsstatus in Form einer Vermögensbilanz, die über die tatsächlichen Werte des Gesellschaftsvermögens Auskunft gibt. Ohne Bedeutung sind die steuerlichen Abschreibungswerte. Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten sowie der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder herbeizuschaffenden Mittel erforderlich. Die Strafbarkeit der verspäteten Bilanzierung gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b StGB setzt voraus, daß zu dem Zeitpunkt, in dem die Bilanz spätestens zu erstellen war, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit oder zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit vorlag. § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b StGB ist ein echtes Unterlassungsdelikt; eine Strafbarkeit entfällt daher, wenn der Täter aus fachlichen oder finanziellen Gründen zur Erstellung einer Bilanz nicht in der Lage war (BGH, Beschluss vom 30.01.2003 - 3 StR 437/02).
Eine Verurteilung gem. § 283 Abs. 1 Nr. 7 b StGB kommt nicht in Betracht, wenn sich der Täter zur Erstellung einer Bilanz oder zu ihrer Vorbereitung der Hilfe eines Steuerberaters bedienen muß, jedoch die hierfür erforderlichen Kosten nicht aufbringen kann (BGH StV 2002, 199 f).
Täter von Bankrottstraftaten kann nicht nur sein, wer sich selbständig wirtschaftlich betätigt, sondern jeder Schuldner, der einem anderen zu einer vermögenswerten Leistung oder zur Duldung einer Zwangsvollstreckung verpflichtet ist. Damit werden auch Privatkonkurse erfasst. Der Bankrottatbestand ist auch auf solche Fälle anwendbar, in denen nur ein einziger Gläubiger vorhanden ist. Daß der einzelne Gläubiger auch durch § 288 StGB geschützt wird, macht die Vorschrift des § 283 StGB nicht unanwendbar. Zahlungsunfähigkeit ist i. d. R. durch eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder herbeizuschaffenden Mittel festzustellen (BGH StV 2002, 22 ff).
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§ 283 I Nr. 7 lit. b StGB ist ein echtes Unterlassungsdelikt; eine Strafbarkeit entfällt daher, wenn der Täter aus fachlichen oder finanziellen Gründen zur Erstellung einer Bilanz nicht in der Lage war (KG, Beschluss vom 18.07.2007 - (4) 1 Ss 261/06 (147/07) zu § 283 StGB, NJW 2007, 3449, 3450).
Basistatsachen
Siehe unter ?Anknüpfungstatsachen".
Bedeutungslos - Beweisantrag
Siehe unter ?Beweisanträge in der Hauptverhandlung".
Bedingter Beweisantrag
? ... Die Revision des Angekl .... hat mit der in zulässiger Weise erhobenen Rüge der verfahrenswidrigen Behandlung eines Beweisantrages Erfolg. Der Angekl. hat in der Hauptverhandlung sinngemäß beantragt, dem Zeugen A. eine Niederschrift über dessen Vernehmung in einem früheren Strafverfahren gegen ihn als Beschuldigten vorzuhalten; dieser Vorhalt sollte den Nachweis erbringen, daß A. damals bekundet habe, der Zeuge B. habe ihm gegenüber geäußert, er werde einen Dritten mit der Brandlegung beauftragen. Für den Fall, daß sich der Zeuge A. trotz des Vorhaltes an eine solche Aussage nicht erinnern sollte, hat der Angekl. des weiteren die Vernehmung dreier Protokollzeugen für die Beweistatsache beantragt, daß A. bei jener Vernehmung tatsächlich bekundet habe, ?B. hat mir erklärt, er würde das nicht selber machen, sondern habe dafür jemanden'.
Bei diesem kombinierten Beweisbegehren handelt es sich um die Anregung eines Vorhaltes im Rahmen einer Zeugenbefragung, von deren tatsächlichem Ergebnis die Erhebung weiterer Beweise abhängig gemacht worden ist: Falls der Zeuge A. eine bestimmte frühere Aussage nicht inhaltlich bestätigen sollte, ist zum Beweis dieser Aussage die Zeugenvernehmung beantragt worden. Ein solcher bedingter Beweisantrag, der an eine zum Zeitpunkt der Antragstellung noch ungewisse Sachlage anknüpft, ist verfahrensrechtlich zulässig und vom Gericht grundsätzlich nach § 244 ff. StPO zu behandeln (vgl. BGH NStZ 1984, 372; NStZ 1989, 191; Schlothauer StV 1988, 542 f.; Scheffler NStZ 1989, 158).
Die StrK hat in der Hauptverhandlung über den bedingten Beweisantrag nicht entschieden, sondern ihn erst im Urteil mit folgenden Erwägungen abgelehnt:
Auf Vorhalt seiner richterlichen Vernehmung vom 3. 11. 1989, wonach er gesagt hat, daß B. ihm erklärt habe, er würde das nicht selbst machen, sondern hätte einen anderen, räumte der unvereidigt gebliebene Zeuge A. ein, daß er sich nicht mehr daran erinnern könne, da er, aus der Sicht der Kammer verständlich, vieles aus dieser Zeit vergessen oder auch verdrängt habe; er meine jedoch, so etwas nicht gesagt zu haben. Der von dem Angekl .... gestellte Beweisantrag auf Vernehmung der Verhörspersonen war daher abzulehnen, da der Zeuge A. nicht bestritten hat, diese Aussage gemacht zu haben, sondern lediglich erklärt hat, sich nicht mehr daran zu erinnern.
Diese Vorgehensweise wird mit der Revision zu Recht beanstandet. Da die Kammer über den bedingt gestellten Beweisantrag entschieden hat, ist sie davon ausgegangen, daß die Bedingung eingetreten ist. Diese Annahme ist auch zutreffend, da sich der Zeuge A. in der Hauptverhandlung nicht daran erinnern konnte, die unter Beweis gestellte frühere Aussage gemacht zu haben. Somit war nunmehr über den Antrag auf Vernehmung der Verhörszeugen nach den Regeln des § 244 Abs. 3 StPO zu befinden. Daran hat sich die Kammer nicht gehalten, sondern die Ablehnung damit begründet, der Zeuge habe die Beweistatsache ?nicht bestritten'. Einen solchen Ablehnungsgrund stellt § 244 StPO nicht zur Verfügung. Diese Rechtfertigung kann auch nicht in dem Sinne ausgelegt werden, daß die unter Beweis gestellte Tatsache durch die Aussage des Zeugen A. bereits bewiesen sei. Wenn der Zeuge sich nicht erinnern konnte, die fragliche Aussage gemacht zu haben, er dies zwar nicht bestreitet, andererseits jedoch ?meint, so etwas nicht gesagt zu haben', so bleibt der Inhalt der früheren Aussage völlig unaufgeklärt und hätte des Beweises bedurft. Schließlich kann ausgeschlossen werden, daß die Kammer die Beweisbehauptung (die frühere Aussage A's, B. habe die Brandlegung durch einen Dritten in Aussicht gestellt) als wahr behandelt hat; den Entscheidungsgründen sind hierfür keinerlei Anhaltspunkte zu entnehmen.
Die Ablehnung des Beweisantrages im Urteil verstößt zudem gegen § 244 Abs. 6 StPO. Der Grundsatz, daß über einen Beweisantrag durch Gerichtsbeschluß in der Hauptverhandlung zu befinden ist, darf das Gericht nur dann durchbrechen, wenn das Beweisbegehren an einen verhandlungsabschließenden Hauptantrag (z.B. auf Freispruch oder eine bestimmte Sanktion gerichtet) gekoppelt wird oder der ASt. auf andere Weise zum Ausdruck bringt, daß er auf eine Entscheidung vor Urteilsverkündung verzichtet (sog. Hilfsbeweisantrag; vgl. BGH NStZ 1984, 372 m. Anm. Schlüchter; Scheffler a.a.O., m.w.N.). Die Bedingung für den Beweisantrag auf Vernehmung der genannten Verhörspersonen war indessen das Ergebnis einer weiteren Beweiserhebung (der Vernehmung des Zeugen A.), das zwar zum Zeitpunkt der Antragstellung noch ungewiß war, jedoch noch in der Beweisaufnahme vorgelegen hat. Aus dieser Konstellation ist das Interesse des ASt. offensichtlich, die Aufklärung der Beweisfrage unter allen Umständen in der Hauptverhandlung zu betreiben bzw. auf eine ablehnende Entscheidung des Gerichts reagieren zu können. Es handelt sich um einen sog. Eventualbeweisantrag, über den (bei Eintritt der Bedingung) das Gericht gemäß § 244 Abs. 6 StPO zu beschließen hat (vgl. Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß, 5.A., S. 57; LR-Gollwitzer, StPO 24. A., § 244 Rdn. 164; Schlothauer a.a.O.; einschränkend KK-Herdegen, StPO 3. A., § 244 Rdn. 50 a). Die Entscheidung darf in solchen Fällen nicht dem Urteil vorbehalten werden. Auch dies hat die Kammer nicht beachtet.
Der revisionsrechtlichen Beanstandung der verfahrenswidrigen Ablehnung des bedingten Beweisantrages steht nicht entgegen, daß der Angekl .... sein Beweisbegehren weder bei Eintritt der Bedingung wiederholt noch bei Schluß der Beweisaufnahme in Erinnerung gebracht hat. Selbst ein Protokollvermerk, daß auf ausdrückliches Befragen keine Anträge mehr gestellt worden sind und die Beweisaufnahme ?in allseitigem Einverständnis' geschlossen worden ist, weist keinen Verzicht auf zuvor gestellte Beweisanträge aus (vgl. BGH StV 1987, 189).
Auf den gerügten Verfahrensmängeln kann die Verurteilung des Revisionsführers ... beruhen. Die Entscheidung hat deshalb - soweit sie diesen Angekl. betrifft - keinen Bestand. ..." (OLG Zweibrücken StV 1995, 347 f).
Siehe unter auch ?Beweisanträge in der Hauptverhandlung".
Bedingter Vorsatz
Siehe unter ?Eventualvorsatz".
Bedrohung § 241 StGB
(1) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahe stehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen einem Menschen vortäuscht, dass die Verwirklichung eines gegen ihn oder eine ihm nahe stehende Person gerichteten Verbrechens bevorstehe.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Der Senat ändert den Schuldspruch dahin ab, dass die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Bedrohung entfällt, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Bedrohung (§ 241 StGB) hinter der damit zugleich begangenen versuchten Nötigung zurücktritt (vgl. nur BGHR StGB § 240 Abs. 3, Konkurrenzen 2; BGH, Beschluss vom 8. November 2005 - 1 StR 455/05; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 240 Rdn. 63 m.w.N.). ..." (BGH, Beschluss vom 08.08.2006 - 4 StR 215/06).
***
?... Der Schuldspruch wurde im Fall II. 3. der Urteilsgründe auf Antrag des Generalbundesanwalts geändert und die insoweit verhängte Einzelgeldstrafe aufrechterhalten. Dieser hat hierzu in seiner Antragsschrift vom 29. Juni 2006 ausgeführt:
?Das Urteil trägt den Schuldspruch wegen Bedrohung nicht. Den Urteilsgründen lässt sich nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, dass der Angeklagte mit der Begehung eines Verbrechens gedroht hat. Nach den Feststellungen hob der Angeklagte eine leere Wodkaflasche hoch und drohte den Geschädigten, er werde ihnen mit der Flasche auf den Kopf schlagen, falls sie nicht stehen blieben (UA S. 7). Hierbei habe er jedenfalls billigend in Kauf genommen, dass eine schwere Folge im Sinne des § 226 Abs. 1 StGB eintrete, wenn er seine Drohung in die Tat umsetze (UA S. 15). Aus dem Urteil ergibt sich indes nicht, zu welcher Folge im Sinne des § 226 Abs. 1 StGB der von dem Angeklagten angekündigte Schlag mit der leeren Wodkaflasche geführt hätte. Die Verwirklichung einer solchen Folge erscheint auch nicht in einem solchen Maße nahe liegend, dass eine ausdrückliche Erörterung entbehrlich gewesen wäre. Im Übrigen würde die Bedrohung hinter der versuchten Nötigung zurück treten (vgl. BGH Beschl. v. 8.11.2005 - 1 StR 455/05). Die oben erwähnten Feststellungen des Urteils rechtfertigen jedoch eine Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter Nötigung gemäß §§ 240 Abs. 1, Abs. 3, 22, 23 StGB. In entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO ist der Schuldspruch entsprechend zu ändern. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs gefährdet den Bestand des Strafausspruchs nicht. Angesichts des Umstandes, dass der Strafrahmen der Nötigung selbst nach fakultativer Strafmilderung gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB den Strafrahmen des § 241 Abs. 1 StGB übersteigt, ist auszuschließen, dass das Landgericht auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.' ..." (BGH, Beschluss vom 01.08.2006 - 3 StR 249/06).
Beendeter Versuch
Siehe unter ?Rücktritt vom Versuch".
Befangenheit
Siehe unter ?Ablehnung eines Sachverständigen" und ?Gründe für die Ablehnung eines Richters".
Befangenheit - Ablehnungsbeschluss § 28 StPO
(1) Der Beschluß, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, ist nicht anfechtbar.
(2) Gegen den Beschluß, durch den die Ablehnung als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen wird, ist sofortige Beschwerde zulässig. Betrifft die Entscheidung einen erkennenden Richter, so kann sie nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Auslegung des § 28 II 2 StPO, das die Richterablehnung betreffende Rechtsmittel sei seiner Natur nach eine Beschwerde, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. § 304 IV StPO bewirkt die Unzulässigkeit einer Beschwerde gegen eine Entscheidung des im ersten Rechtszug zuständigen Oberlandesgerichts, mit der es die Ablehnung eines Richters als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen hat (§ 28 II StPO). Diese Regelung ist mit dem Grundgesetz vereinbar.c) Die Verwerfung einer Revision gegen ein erstinstanzliches Urteil eines Oberlandesgerichts mit der Begründung, eine solche Revision könne grundsätzlich nicht darauf gestützt werden, daß das Gericht ein Ablehnungsgesuch gegen einen erkennenden Richter (§ 28 II 2) zu Unrecht verworfen habe, steht mit der Verfassung im Einklang (BVerfG, Beschluss vom 21.06.1977 - 2 BvR 308/77, NJW 1977, 1815 - 1816).
***
?... Der Senat hält an seiner mit Beschluss vom 5. Januar 1977 (BGHSt 27, 96) begründeten Rechtsprechung fest, wonach die Revision gegen ein erstinstanzliches Urteil des Oberlandesgerichts grundsätzlich nicht darauf gestützt werden kann, das Gericht habe ein Ablehnungsgesuch gegen einen erkennenden Richter zu Unrecht verworfen. Der Auffassung des Senats hat sich auch das Schrifttum ganz überwiegend angeschlossen (Rudolphi in SK-StPO § 28 Rdn. 2; Pfeiffer in KK 5. Aufl. § 28 Rdn. 8; Siolek in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 28 Rdn. 28; Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 28 Rdn. 8; aA Schmidt-Leichner NJW 1977, 1804). Entgegen der Auffassung der Revision gebietet auch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK keine Änderung. Dem Recht eines Angeklagten auf ein unparteiisches Gericht wird durch seine Möglichkeit, erkennende Richter nach Maßgabe der §§ 24 ff. StPO abzulehnen und hierüber gemäß § 27 Abs. 1 StPO die Entscheidung des Gerichts ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters herbeiführen zu können, ausreichend Rechnung getragen. Der Gewährung eines Rechtsmittelzuges bedarf es hierzu nicht (BVerfGE 45, 363, 375).
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass in der Entscheidung des Senats vom 5. Januar 1977 ausdrücklich offen gelassen wurde, ob eine Rüge auch dann unstatthaft ist, wenn das Ablehnungsgesuch aus willkürlichen Erwägungen zurückgewiesen worden war. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Zurückweisung der Gesuche, insbesondere auch soweit sie die Vorbefassung der Richter mit dem vorab abgeurteilten Mittäter Ab. betrafen, ist nicht nur nicht willkürlich, sondern sachgerecht. ..." (BGH, Beschluss vom 16.01.2007 - 3 StR 251/06)
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Die Entscheidung des im ersten Rechtszug zuständigen OLG, mit der es die Ablehnung eines Richters als unzulässig verwirft oder als unbegründet zurückweist (§ 28 II 1 StPO), kann nicht mit der sofortigen Beschwerde zum BGH angefochten werden. Aus diesem Grunde kann auch eine Revision gegen ein erstinstanzliches Urteil des OLG grundsätzlich nicht darauf gestützt werden, das Gericht habe ein Ablehnungsgesuch gegen einen erkennenden Richter (§ 28 II 2 StPO) zu Unrecht verworfen (BGH, Beschluss vom 05.01.1977 - 3 StR 433/76, NJW 1977, 1829 - 1830).
Auch der Beschluß, durch den das Ablehnungsgesuch gegen einen erkennenden Richter für unzulässig erklärt wird, kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (BGH, Urteil vom 22.10.1953 - 1 Str 66/53, NJW 1954, 284).
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Wird die Berufung des Angeklagten gem. § 329 I 1 StPO verworfen, bleiben die Mitglieder der Strafkammer bis zum Ablauf der Frist für das Gesuch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. bis zur rechtskräftigen Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs erkennende Richter i.S. des § 28 II 2 StPO (OLG Hamm, Beschluss vom 17.03.2005 - 1 Ws 120/05, NStZ-RR 2005, 267 f).
Wird die Berufung des Angeklagten gem. § 329 I 1 StPO verworfen, bleiben die Mitglieder der Strafkammer bis zum Ablauf der Frist für das Gesuch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. bis zur rechtskräftigen Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs erkennende Richter i.S. des § 28 II 2 StPO (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.04.2003 - III - 3 WS 127-129/03, NStZ-RR 2004, 47).
Die isolierte Anfechtung des ein Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschlusses ist auch dann gemäß § 28 II 2 StPO ausgeschlossen, wenn der abgelehnte Richter erst nach Erlass dieses Beschlusses zum erkennenden Richter geworden ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.11.2002 - 3 Ws 407/02, NStZ 2003, 448).
§ 28 II 2 StPO führt zur Unzulässigkeit einer sofortigen Beschwerde gegen einen ein Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschluß nur dann, wenn der abgelehnte Richter im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung noch erkennender Richter ist (OLG Hamburg, Beschluss vom 24.09.1998 - 1 Ws 189/98, NStZ 1999, 50).
Legt der Beschuldigte gegen den vorläufigen Entzug seiner Fahrerlaubnis Beschwerde ein und lehnt er gleichzeitig die Richter der Beschwerdekammer wegen Besorgnis der Befangenheit ab, darf diese nicht sofort nach Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs über die Beschwerde entscheiden, es sei denn, die Beschwerdeentscheidung gestattet keinen Aufschub. Die Beschwerdekammer, deren Mitglieder abgelehnt worden sind, hat nach Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs den Ablauf der Beschwerdefrist des § 28 II StPO und, falls die sofortige Beschwerde eingelegt wurde, deren rechtskräftige Erledigung abzuwarten, ehe sie in der Hauptsache entscheidet. Kommt die Beschwerdekammer der Pflicht, den Ablauf der Beschwerdefrist nach § 28 II StPO abzuwarten, nicht nach, so fehlt der sofortigen Beschwerde gegen die Verwerfung des gegen ihre Mitglieder gerichteten Ablehnungsgesuchs nicht das Rechtsschutzbedürfnis wegen Gegenstandslosigkeit (OLG Stuttgart, Entscheidung vom 08.11.1993 - 4 Ws 216/93, MDR 1994, 499).
Das Berufungsgericht ist von dem Zeitpunkt an erkennendes Gericht, an dem Termin zur Hauptverhandlung bestimmt oder eine sonstige die Entscheidung vorbereitende Maßnahme getroffen worden ist. Die Eigenschaft als erkennender Richter i. S. des § 28 II 2 StPO, gegen dessen erfolglose Ablehnung die Beschwerde ausgeschlossen ist, beginnt mit dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit bzw. im Rechtsmittelverfahren mit der Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung oder einer sonstigen, die Entscheidung vorbereitenden Maßnahme (OLG Bremen, Entscheidung vom 03.09.1990 - Ws 108/90, StV 1991, 57).
Im Ablehnungsverfahren gegen einen nicht erkennbaren Richter können mit der sofortigen Beschwerde Ablehnungsgründe und Beweismittel zur Glaubhaftmachung nachgeschoben werden (OLG Schleswig, Entscheidung vom 10.08.1981 - 1 Ws 213/81, NStZ 1981, 489).
Befragung des Angeklagten
Der Verteidiger darf bei der Befragung des Angeklagten in der Verhandlung nicht vom Vorsitzenden unterbrochen werden, da eine Unterbrechung geeignet ist, den Verteidigungsplan erheblich zu stören. Eine Unterbrechung ist nach § 238 II StPO zu beanstanden.
Die Unterbrechung der Vernehmung des Angeklagten kann allenfalls dann mit der Revision als unzulässig beanstandet werden, wenn gegen die Anordnung des Vorsitzenden das Gericht angerufen worden ist (BGH NStZ 1997, 1998).
Befriedigung des Geschlechtstriebes
Siehe unter ?Mord".
Befugnisse des Ersten Staatsanwalts § 145 GVG
(1) Die ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Oberlandesgerichten und den Landgerichten sind befugt, bei allen Gerichten ihres Bezirks die Amtsverrichtungen der Staatsanwaltschaft selbst zu übernehmen oder mit ihrer Wahrnehmung einen anderen als den zunächst zuständigen Beamten zu beauftragen.
(2) Amtsanwälte können das Amt der Staatsanwaltschaft nur bei den Amtsgerichten versehen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Soll der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung wegen Befangenheit abgelehnt werden, müssen die Ablehnungsgründe schriftlich dem Dienstvorgesetzten des betreffenden Staatsanwaltes mitgeteilt werden. Zugleich muß beantragt werden, ihn im Wege der Dienstaufsicht als befangen abzulösen.
Begründung der Revision § 344 StPO
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muss hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
Leitsätze und Entscheidungen:
Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn für die Verfahrensrüge der unzureichenden Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung eine Darstellung des gesamten Verfahrensganges gefordert wird, auch wenn die Verzögerung erst zwischen Urteilsverkündung und Zustellung des Urteils eingetreten ist. Zu den verfassungsrechtlich gebotenen Folgen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung (BVerfG, Beschluss vom 10.03.2009 - 2 BvR 49/09 zu GG Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 20 Abs. 3, 101 Abs. 1, 103; StPO § 344 Abs. 2 S. 2; StGB § 51; MRK Art. 6 Abs. 3):
?... 2. Der Beschl. des BGH v. 18. 11. 2008 - 1 StR 568/08 (= StV 2009, 118) verletzt den Bf. nicht in seinem Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, soweit darin über die Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zu entscheiden war.
a) Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes fordert die angemessene Beschleunigung des Strafverfahrens. Eine funktionstüchtige Strafrechtspflege erfordert nicht nur die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs überhaupt, sondern auch eine Durchsetzung innerhalb so kurzer Zeit, daß die Rechtsgemeinschaft die Strafe noch als Reaktion auf geschehenes Unrecht wahrnehmen kann (vgl. BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 15. 01. 2009 - 2 BvR 2044/07 -, juris, Rn. 73). Unnötige Verfahrensverzögerungen stellen nicht nur die Zwecke der Kriminalstrafe in Frage; sie beeinträchtigen auch das verfassungsrechtlich abgesicherte öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafprozeß, weil die Beweisgrundlage durch Zeitablauf verfälscht werden kann (vgl. BVerfGE 57, 250 [280]). Eine von den Strafverfolgungsorganen zu verantwortende erhebliche Verzögerung verletzt den Besch. in seinem Recht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren, was bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs von den Strafverfolgungsbehörden zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfGK 2, 239 [246 f.]). Es verletzt den Bf. hier jedoch nicht in seinem Recht auf ein faires Verfahren, daß ihm für die gerügte weitere Verfahrensverzögerung von 7 M. bei der Zustellung des Urteils keine zusätzliche Kompensation durch die Revisionsentscheidung gewährt wurde.
b) Der Bf. hat bezüglich dieser Rüge den Rechtsweg vor Erhebung seiner Verfassungsbeschwerde nicht ordnungsgemäß erschöpft, da die entsprechende Verfahrensrüge in der Revision als unzulässig verworfen wurde. Auf die Frage, wann eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung schon aufgrund der Sachrüge zu prüfen ist und wann eine Verfahrensrüge erforderlich ist, kommt es hier nicht an, da der Bf. eine weitere Verzögerung nach Verkündung des angefochtenen Urteils rügt. Die hier vom BGH angewendeten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge für die Feststellung rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen verletzen den Bf. auch nicht in seinem aus dem Rechtsstaatsprinzip i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz. Der BGH hat die bereits oben unter 1.b) genannten Anforderungen an die Begründung einer Verfahrensrüge nicht willkürlich überspannt.
Im Rahmen der Erhebung einer Verfahrensrüge bei einer überlangen Verfahrensdauer sind an Umfang und Genauigkeit der Ausführungen hohe Anforderungen zu stellen, da dem Revisionsgericht ein detailliertes und wirklichkeitsgetreues Bild des Verfahrensablaufs zu bieten ist. Nur dann ist es in der Lage, allein anhand der Revisionsrechtfertigung zu prüfen, ob eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt und welche Folgen diese hat. Ob eine mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht in Einklang stehende Verfahrensverzögerung vorliegt, richtet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls, die in einer umfassenden Gesamtwürdigung gegeneinander abgewogen werden müssen. Faktoren, die regelmäßig von Bedeutung sind, sind dabei insbes. der durch die Verzögerungen der Justizorgane verursachte Zeitraum der Verfahrensverlängerung, die Gesamtdauer des Verfahrens, die Schwere des Tatvorwurfs, der Umfang und die Schwierigkeit des Verfahrensgegenstands sowie das Ausmaß der mit dem Andauern des schwebenden Verfahrens für den Betroffenen verbundenen besonderen Belastungen. Als rechtsstaatswidrig können nur solche Verfahrensverzögerungen angesehen werden, die ihre Ursache im Bereich der Strafverfolgungsbehörden haben und nicht dem Besch. - unter Beachtung seiner Verfahrensrechte - zuzurechnen sind. Keine Berücksichtigung finden hingegen Verfahrensverzögerungen, die der Besch. selbst, sei es auch durch zulässiges Prozeßverhalten, verursacht hat (vgl. BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 15. 01. 2009 - 2 BvR 2044/07 -, juris, Rn. 90). Die als Voraussetzung einer solchen Gesamtwürdigung zu stellenden Anforderungen an die Darlegung im Rahmen der Verfahrensrüge dürfen hiernach zwar nicht überspannt werden, so daß es insbes. bei einem jahrelang währenden Verfahren nicht erforderlich ist, jeden Ermittlungsschritt anzuführen. Jedoch muß ein realistischer Überblick gewährt werden. Der BGH stellt dabei zutreffend darauf ab, daß es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts ist, das Aktenwerk selbst auf Verzögerungen durchzusehen oder auch nur in Teilabschnitten zu sichten, um die allg. unter Hinweis auf zeitliche Eckdaten aufgestellte Behauptung einer Verzögerung zu prüfen (vgl. BGH, Beschl. v. 17. 12. 2003 - 1 StR 445/03 -, NStZ 2004, 504 [= StV 2004, 308]).
Daher ist es nicht zu beanstanden, wenn der BGH die Revisionsbegründung, die sich auf die Darstellung des Verfahrens zwischen Urteilsverkündung und Zustellung des Urteils beschränkt, nicht als ausreichend ansah. Die Mitteilung in der Revisionsbegründung, das schriftliche Urteil sei am 15. 10. 2007 zu den Akten gelangt, seine Zustellung jedoch erst am 06. 05. 2008 verfügt und am 27. 05. 2008 ausgeführt worden, genügt daher nicht für die Prüfung, ob dadurch eine weitere rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung eingetreten ist.
c) Zudem ist in der Antragsschrift des GBA, der sich der BGH inhaltlich anschloß, auch dargelegt, daß die Rüge des Bf. in der Sache keinen Erfolg hätte. Auch wenn man hier von einer weiteren Verzögerung von 7 M. ausginge, erforderte dies demnach keine zusätzliche Kompensation im Strafausspruch, weil das LG bereits für die vor Urteilsverkündung eingetretene Verfahrensverzögerung einen unangemessen hohen Strafabschlag gewährt hat. Das LG hatte demnach zum einen den Zeitraum der Verzögerung zu weit bemessen, da es die gesamte Zeit zwischen Anklageerhebung und Urteilsverkündung als Verfahrensverzögerung einordnete, obwohl in dieser Zeit gesetzlich vorgeschriebene Verfahrenshandlungen vorgenommen und Mindestfristen eingehalten werden mußten. Außerdem hatte das LG dem Bf. rechtsfehlerhaft bereits eine doppelte Strafmilderung gewährt, indem es einen Abschlag von 20 ? auf die an sich verwirkten Einzelstrafen und nochmals bei der Gesamtstrafe vornahm, und ihn nicht wegen eines besonders schweren Falles des Betruges verurteilt, obwohl das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StGB - Vermögensverlust großen Ausmaßes - hier erfüllt war.
Daher geht auch die weitere Rüge des Bf. in seiner Verfassungsbeschwerde ins Leere, der vom LG vorgenommene Strafabschlag sei zu gering und benachteilige ihn im Vergleich mit der bisherigen Rspr., insbes. der des LG Mannheim. Der in einer früheren Entscheidung des LG Mannheim vorgenommene Strafabschlag von 50 ? bei einer Verfahrensverzögerung von 2 J., auf den der Bf. zum Vergleich hinweist, wurde bereits vom BGH als unangemessen hoch gerügt und hatte nur deswegen Bestand, weil allein der Angekl. Revision eingelegt hatte (BGH, Beschl. v. 20. 03. 2008 - 1 StR 488/07 -, NJW 2008, 2451 [2454] [= StV 2008, 414]).
d) Es verletzt den Bf. nicht in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG, daß die Verfahrensverzögerung durch eine Strafmilderung und nicht durch einen Abschlag bei der Vollstreckung der Strafe kompensiert wurde. Die verfassungsrechtlich gebotenen Folgen aus einer Verfahrensverzögerung ziehen Gerichte und Anklagebehörden in Anwendung des Straf- und Strafverfahrensrechts unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Die in der Rspr. jahrzehntelang praktizierte Berücksichtigung von Verfahrensverzögerungen bei der Strafzumessung ist eine verfassungsgemäße Form der Kompensation (vgl. BVerfGK 1, 269 [280]; 2, 239 [247]). Der Gr. Senat für Strafsachen des BGH hat zwar entschieden, solche Verfahrensverzögerungen künftig nicht bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, sondern dadurch zu kompensieren, daß ein Teil der Strafe im Urteil für bereits vollstreckt erklärt wird (BGH, Beschl. v. 17. 01. 2008 - GSSt 1/07 -, NJW 2008, 860 [= StV 2008, 133]). Für den Gr. Senat war dabei maßgeblich, daß die Strafzumessungslösung an ihre Grenzen stößt, wenn gesetzliche Mindeststrafen unterschritten werden müssen, um eine angemessene Kompensation für Verfahrensverzögerungen zu gewähren. Im übrigen hielt der Gr. Senat eine Trennung der Strafzumessung, die allein durch Unrecht und Schuld bestimmt werden soll, von der Kompensation des erlittenen Verfahrensunrechts für sachgerechter (a.a.O., S. 863 f.). Diese Entscheidung ändert jedoch nichts an der verfassungsrechtlichen Bewertung der bisherigen Lösung. Für Übergangsfälle wie den hier vorliegenden, in dem das erstinstanzliche Urteil noch vor der Entscheidung des Gr. Senats unter Anwendung der Strafzumessungslösung erging, ist es daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn ein Urteil, das im übrigen keine den Angekl. beschwerenden Rechtsfehler enthält, nicht deshalb aufgehoben wird, um den Strafausspruch von der Strafzumessungs- auf die Vollstreckungslösung umzustellen.
3. Es liegt kein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG wegen einer unterlassenen Vorlage an den Gr. Senat für Strafsachen vor.
Ein Verfahrensbeteiligter kann seinem gesetzlichen Richter zwar dadurch entzogen werden, daß der Senat eines obersten Bundesgerichts die Verpflichtung zur Vorlage an den Gr. Senat willkürlich außer Acht läßt (vgl. BVerfGE 3, 359 [363]; 9, 213 [215 f.]; 13, 132 [143]; 19, 38 [43]; st.Rspr.). Ein willkürliches Unterlassen der Vorlage nach § 132 Abs. 2 GVG durch den 1. Strafsenat des BGH ist hier jedoch nicht erkennbar. Nach dieser Vorschrift entscheidet der Gr. Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Strafsenats abweichen will. Eine Abweichung im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn ein Strafsenat dieselbe Rechtsfrage anders als ein anderer beantworten möchte und die divergierenden Rechtsauffassungen entscheidungserheblich sind. Dieselbe Rechtsfrage liegt immer dann vor, wenn wegen der Gleichheit des Rechtsproblems die Entscheidung ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit der Fälle oder der anwendbaren Vorschriften nur einheitlich ergehen kann.
Der 3. Strafsenat des BGH hat zwar in einem Übergangsfall, in dem ein Urteil noch vor der Entscheidung des Gr. Senats unter Anwendung der Strafzumessungslösung ergangen war, den Strafausspruch aufgehoben, damit stattdessen die Vollstreckungslösung angewendet wird (BGH, Beschl. v. 13. 02. 2008 - 3 StR 563/07 -, NStZ-RR 2008, 168; nicht vergleichbar dagegen BGH, Urt. v. 06. 03. 2008 - 3 StR 514/07 -, NStZ 2008, 478 [= StV 2008, 404], da das Urteil dort auch aufgrund der zuungunsten des Angekl. eingelegten Revision der StA aufgehoben wurde). Die vorliegende Entscheidung des 1. Strafsenats, die das angefochtene Urteil aufrechterhält, beruht aber nicht auf einer davon abweichenden tragenden Rechtsansicht. Die Strafsenate prüfen vielmehr bei der Frage, wie in solchen Übergangsfällen zu entscheiden ist, im Einzelfall, ob der Angekl. durch das ergangene Urteil beschwert ist und ob andererseits das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO einer Abänderung des Strafausspruchs i.S.d. Vollstreckungslösung im konkreten Fall entgegensteht. Im Fall des 3. Strafsenats war entscheidend, daß der Nachteil einer höheren Strafe durch die Möglichkeit einer früheren Entlassung auf Bewährung ausgeglichen wurde. Im hier vorliegenden Fall des 1. Strafsenats lag dagegen insoweit eine besondere Konstellation vor, als das LG fehlerhaft eine zu hohe Strafmilderung vorgenommen hatte. Es hatte den gesamten Zeitraum zwischen Anklageerhebung und Beginn der Hauptverhandlung als der Justiz anzulastende Verfahrensverzögerung gewertet und außerdem einen doppelten Strafabschlag bei Einzelstrafen und Gesamtstrafe vorgenommen. Der 1. Strafsenat ging daher davon aus, daß bei einer Aufhebung des Strafausspruchs eine erheblich höhere Strafe ausgeurteilt werden müßte. Auch wenn diese maximal in Höhe der alten Gesamtstrafe hätte vollstreckt werden dürfen, hätten doch der Nachteil durch das mit einer deutlich höheren Strafe verbundene erhöhte Unrechtsurteil sowie weitere, für die Zukunft noch nicht vollständig absehbare Nachteile im Ergebnis zu einer Verschlechterung für den Bf. geführt. Soweit andere Vorschriften an die Höhe der verhängten Strafe anknüpfen, wie zum Beispiel § 66 StGB für die Sicherungsverwahrung, kann die Verhängung einer höheren Strafe mit erheblichen Nachteilen verbunden sein. ..."
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?... Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung der Kammer sind gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu dem aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Anspruch auf effektiven Rechtsschutz hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. zuletzt Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Januar 2005 - 2 BvR 656/99, 657/99, 683/99 -, NJW 2005, S. 1999 ff.). Danach ist die zulässige Verfassungsbeschwerde in einem die Entscheidungskompetenz der Kammer begründenden Sinne offensichtlich begründet.
1. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs verletzt den Beschwerdeführer in seinem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Sie erschwert durch ihre Auslegung und Anwendung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO den Zugang zum Revisionsgericht in einer Weise, die aus Sachgründen nicht zu rechtfertigen ist.
a) Die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie gewährleistet nicht nur, dass überhaupt ein Rechtsweg zu den Gerichten offen steht. Ebenso wie Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, dessen Anwendungsbereich auf die vollziehende öffentliche Gewalt beschränkt ist (vgl. Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Januar 2005 - 2 BvR 656/99, 657/99, 683/99 -, NJW 2005, S. 1999 ff.;BVerfGE 15, 275 (280); 49, 329 (340); 65, 76 (90); 107, 395 (403 ff.)), garantiert sie vielmehr auch die Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 88, 118 (123); 94, 166 (226) ; stRspr). Die Rechtsschutzgarantie umfasst das Recht auf Zugang zu den Gerichten, eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands sowie eine verbindliche Entscheidung durch den Richter (vgl.BVerfGE 54, 277 (291); 85, 337 (345); 107, 395 (401)). Die Effektivität des Rechtsschutzes wird in erster Linie von den Prozessordnungen gesichert (vgl. BVerfGE 94, 166 (213)).
Die Rechtsschutzgarantie gilt nicht nur für den ersten Zugang zum Gericht, sondern für die Ausgestaltung des gesamten Verfahrens (vgl.BVerfGE 40, 272 (275); 88, 118 (125)). Zwar gewährleistet sie keinen Anspruch auf einen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 92, 365 (410) ; stRspr). Wird ein Instanzenzug aber von den Prozessordnungen eröffnet, dann gebietet die Rechtsschutzgarantie in allen von der Prozessordnung zur Verfügung gestellten Instanzen seine Effektivität; der Einzelne muss seine Rechte tatsächlich wirksam durchsetzen können (vgl.BVerfGE 104, 220 (232) m.w.N.; stRspr).
Die Garantie effektiven Rechtsschutzes richtet sich auch an den die Verfahrensordnung anwendenden Richter (vgl. BVerfGE 97, 298 (315)). Das Gericht darf ein von der Verfahrensordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer "leer laufen" lassen (vgl.BVerfGE 78, 88 (99); 96, 27 (39) ). Das Rechtsstaatsgebot verbietet es dem Gericht, bei der Auslegung und Anwendung der verfahrensrechtlichen Vorschriften den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen von Voraussetzungen abhängig zu machen, die unerfüllbar oder unzumutbar sind oder den Zugang in einer Weise erschweren, die aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigen ist (vgl. ausdrücklich zu § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO,BVerfGE 63, 45 (70 f.); s. auch BVerfGE 74, 228 (234); 77, 275 (284); 78, 88 (99)).
b) Die angegriffene Entscheidung gibt zu verfassungsrechtlicher Beanstandung keinen Anlass, soweit sie sich in den Grenzen der allgemeinen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO bewegt.
Nach dieser Rechtsprechung muss der Revisionsführer, der eine Verletzung des Verfahrensrechts geltend machen will, die den Mangel enthaltenden Tatsachen im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO so vollständig und so genau angeben, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. stRspr seit BGHSt 3, 213 (214)). Grundlage einer zulässigen Verfahrensrüge ist die präzise Bezeichnung der Handlung oder Unterlassung des Gerichts, gegen die der Vorwurf der fehlerhaften Verfahrensweise erhoben wird (vgl. BGHSt 2, 168). Unklarheiten der Begründung können durch Auslegung behoben werden. Hierbei ist der Grundgedanke des § 300 StPO zu berücksichtigen, wonach der mit dem Rechtsmittel erstrebte Erfolg nach Möglichkeit erreicht werden soll (vgl. BGH, StV 1993, S. 459).
Eine Auslegung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO in diesem Sinne ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 63, 45 (70 f.); BVerfG , Beschluss vom 12. November 1984 - 2 BvR 1350/84 -, NJW 1985, S. 125 (126)) und wird vom Beschwerdeführer auch nicht beanstandet.
c) Aus Sachgründen nicht gerechtfertigt ist jedoch die Anwendung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO im konkreten Fall. Der Bundesgerichtshof hat die Anforderungen an das Rügevorbringen hinsichtlich einer Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens im Zusammenhang mit einer Verfahrensabsprache überspannt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Bundesgerichtshof - wie der Beschwerdeführer meint - einen als einheitlichen Komplex dargestellten Sachverhalt und die darauf gestützte Verfahrensrüge in zwei Problemkreise aufgeteilt hat. Der Beschwerdeführer hat nämlich bereits im Hinblick auf das Verhalten des Gerichts einen Verfahrensmangel so vollständig und so genau angegeben, dass der Bundesgerichtshof allein aufgrund der Revisionsrechtfertigungsschrift hätte prüfen können, ob ein Verfahrensfehler vorgelegen hätte, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen worden wären.
aa) Je nach der Eigenart des gerügten Verfahrensverstoßes ergeben sich auf der Grundlage der vorhandenen Dogmatik im Bereich des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO spezielle Anforderungen an die Begründung der Revisionsrüge (vgl. Kuckein, in: Karlsruher Kommentar, 5. Aufl. 2003, § 344 StPO Rn. 43). Die dem Beschluss des Bundesgerichtshofs zu Grunde liegende spezifische Konstellation ist - soweit ersichtlich - zum ersten Mal Gegenstand einer revisionsrechtlichen Überprüfung gewesen. Wegen der Weite und relativen Unbestimmtheit des aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatzes des fairen Verfahrens einerseits (vgl.BVerfGE 38, 105 (111); 57, 250 (276); 66, 313 (318) ) sowie der fehlenden gesetzlichen Regelung der Absprachenpraxis andererseits sind die Anforderungen an den Revisionsvortrag, ein Gericht habe sich den auf die Erzielung einer Absprache gerichteten Druck des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft zu eigen gemacht, nicht leicht zu bestimmen. Anregungen der Rechtsprechung zu einer gesetzlichen Regelung der Absprachenpraxis hat der Gesetzgeber bislang nicht aufgegriffen (vgl. zuletzt Beschluss des Großen Senats des Bundesgerichtshofs für Strafsachen vom 3. März 2005 - GSSt 1/04 -, NJW 2005, S. 1440 (1446 f.)). Jedenfalls darf eine gewollte oder geduldete Informalisierung des Verfahrens durch Absprachen im Strafverfahren nicht durch eine Überspannung der Anforderungen an den Vortrag zur Verfahrensrüge zum Ausschluss der rechtlichen Kontrolle dieser Verfahrensart praeter legem führen. Wenn sowohl das zu Grunde liegende "Verfahrensrecht" als auch der angelegte Prüfungsmaßstab noch nicht derart verfestigt sind, wie dies im Hinblick auf die Verfahrensvorschriften und -prinzipien der StPO der Fall ist, gebietet die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes in besonderem Maße, Unklarheiten der Begründung einer Verfahrensrüge durch Auslegung zu beheben.
bb) Wenn der Bundesgerichtshof zu dem gerügten Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens durch das Gericht ausführt, dem Revisionsvorbringen lasse sich nicht entnehmen, dass der Strafkammer ausdrücklich die vom Staatsanwalt angekündigten Strafanträge mitgeteilt worden seien, lässt er diesen Grundsatz außer Acht.
Das Revisionsvorbringen teilt mit, der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft habe in der Mittagspause erklärt, er werde bei einem Geständnis eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten beantragen, während die Strafe ohne Geständnis sechs bis sieben Jahre betragen könne. Wenn die Revisionsbegründung nur wenige Sätze später ausführt, die Mitglieder der Kammer seien vom Inhalt der Gespräche in der Mittagspause "unterrichtet worden", und ergänzt, die Kammer habe sich die Einschätzung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft zu eigen gemacht, "dass im Falle einer Verurteilung ohne Geständnis eine Freiheitsstrafe von 6 bis 7 Jahren zu erwarten sei", ist dem Revisionsvorbringen eindeutig zu entnehmen, dass die Kammer Kenntnis von den in der Mittagspause geäußerten, eine Druckausübung darstellenden Strafmaßerwartungen des Staatsanwalts erlangt hat.
cc) Auch im Hinblick auf den vom Bundesgerichtshof vermissten Vortrag, in welcher Weise sich die Strafkammer die Straferwartung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft "zu eigen gemacht" hat, liegt eine Überspannung der Anforderungen an das Revisionsvorbringen im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO vor.
(1) Die Revision führt aus, die Kammer habe dadurch gegen die Garantie eines fairen Verfahrens verstoßen, dass sie sich die Einschätzung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft zu eigen gemacht habe, im Falle einer Verurteilung ohne Geständnis sei eine Freiheitsstrafe von sechs bis sieben Jahren zu erwarten.
Bereits mit der Verwendung des Begriffs "zu eigen machen" beschreibt die Revisionsbegründung ein Verhalten der Strafkammer so konkret, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen konnte, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären. "Zu eigen machen" bedeutet nach dem gebräuchlichen Wortsinn "aneignen" (Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Eintrag "Eigen"), "etwas übernehmen" (Duden, Das große Wörterbuch der Deutschen Sprache, Bd. 2, S. 930 f., Eintrag "Eigen"). "Übernehmen" wiederum bedeutet etwas von jemand anderem verwenden, etwa Gedanken, Ideen, Methoden von jemandem übernehmen (a.a.O., Bd. 9, S. 4027, Eintrag "übernehmen"). Mit dem Begriff "zu eigen machen" ist somit im Revisionsvorbringen als Tatsachenkern beschrieben, dass die Strafkammer die Straferwartungen des Staatsanwalts - konkludent - für sich übernommen und zur Grundlage der weiteren Verhandlung gemacht hat.
Ob in der Übernahme der eine "Sanktionsschere" öffnenden, vom Staatsanwalt unter Verstoß gegen § 136 a StPO geäußerten Straferwartungen (vgl. BGHSt 43, 195 (204, 208 ff.) sowie den vom 5. Strafsenat vorgelegten Beschluss vom 9. Juni 2004 - 5 StR 579/03 -, StV 2004, S. 470 (471)) tatsächlich ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens lag, ist demgegenüber eine Frage der Begründetheit der Verfahrensrüge.
(2) Auf den weiteren Gesichtspunkt der für die Unzulässigkeit angeführten Begründung, es bleibe unklar, in welcher Weise sich die Kammer das Vorbringen zu eigen gemacht habe, kommt es vor diesem Hintergrund nicht an. Der Bundesgerichtshof hat im Hinblick auf einen im Zusammenhang mit einer Absprache stehenden Rechtsmittelverzicht des Angeklagten dann eine Willensbeeinträchtigung angenommen, wenn ein Gericht nach Ausübung sachwidrigen Drucks durch die Staatsanwaltschaft versäumt, dieser Haltung entgegenzutreten, und sich diese so zu eigen macht (vgl. Beschluss vom 20. April 2004 - 5 StR 11/04 -, NJW 2004, S. 1885). Genau dies - dass die Kammer der vom Staatsanwalt geäußerten Straferwartung nicht entgegengetreten sei - hat der Beschwerdeführer in seiner Revisionsbegründung zur näheren Bestimmung des Begriffs "zu eigen gemacht" wörtlich vorgetragen.
dd) Nach alledem hat der Bundesgerichtshof die Anforderungen an die Angabe der den Mangel enthaltenden Tatsachen im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO überspannt. Er hat Unklarheiten in der Revisionsbegründung nicht durch eine nahe liegende, vom Wortlaut und Sinn des Vorbringens gedeckte Auslegung beseitigt und konnte nur deshalb zu dem Ergebnis gelangen, der Rüge liege kein Tatsachenvortrag zu Grunde, der die Prüfung ermögliche, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären. Der Bundesgerichtshof hat auf diese Weise das Rechtsmittel der Revision - gerade für den mangels gesetzlicher Regelung auf revisionsrichterliche Kontrolle verstärkt angewiesenen Bereich der Absprachen im Strafverfahren - ineffektiv gemacht und für den Beschwerdeführer leer laufen lassen.
ee) Die Revisionsentscheidung beruht auf diesem Grundrechtsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass der Bundesgerichtshof bei einer verfassungskonformen Auslegung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO die Rüge für zulässig und begründet erachtet hätte.
2. Ob in der Behandlung der Verfahrensrüge durch den Bundesgerichtshof auch eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot liegt, kann ebenso dahin stehen wie die Beantwortung der Frage, ob der Bundesgerichtshof den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat, weil der Beschluss vom 12. Januar 2005 bereits wegen der Verletzung des aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aufzuheben ist. Mit der Rüge der Verletzung des Willkürverbots und der Gehörsrüge hat der Beschwerdeführer kein weiter gehendes Anfechtungsziel verfolgt.
3. Die Rüge, das Urteil des Landgerichts und der Beschluss des Bundesgerichtshofs verletzten ihn in seiner Menschenwürde und in seinem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip), ist unbegründet. Der zu Grunde liegende Verfassungsverstoß ist nicht erwiesen. Die gegen das landgerichtliche Urteil gerichtete Verfassungsbeschwerde ist daher nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.
Bei der erneuten Behandlung der Sache durch den Bundesgerichtshof wird Gelegenheit bestehen, im Freibeweisverfahren unter Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Beweismittel aufzuklären, ob sich das Verfahrensgeschehen tatsächlich so, wie es der Beschwerdeführer vorträgt, abgespielt hat. ..." (BVerfG, 2 BvR 449/05 vom 8.12.2005, Absatz-Nr. (1 - 46), www.BVerfG.de/entscheidungen/rk20051208_2bvr044905.html)
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Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn das Revisionsgericht für eine den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügende Rüge der Verwertung des Inhalts einer in der Hauptverhandlung nicht verlesenen Urkunde (§ 261 StPO) regelmäßig den Vortrag fordert, daß der Urkundeninhalt auch nicht in sonstiger prozeßordnungsgemäßer Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Hingegen überspannt das Revisionsgericht die Zulässigkeitsanforderungen, wenn es die Mitteilung von Tatsachen fordert, denen kein über den Revisionsvortrag hinausgehender Bedeutungsgehalt zukommt, weil sie etwa mit dem Vorgang der Beweisgewinnung in der Hauptverhandlung in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Zu den Anforderungen an die Revisionsrüge der Verwertung einer nicht in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunde liegt folgende Pressemitteilung des BVerfG vor:
Für eine den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechende Revisionsrüge, mit der geltend gemacht wird, das Tatgericht habe im Urteil den Inhalt einer in der Hauptverhandlung nicht verlesenen Urkunde verwertet (§ 261 StPO), verlangt das Revisionsgericht regelmäßig den Vortrag, dass der Inhalt der Urkunde auch nicht in sonstiger prozessordnungsgemäßer Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Diese Auslegung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts.
Sachverhalt: Das Landgericht verurteilte die drei Beschwerdeführer (Bf) wegen gemeinschaftlichen Mordes jeweils zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Mit der gegen das Urteil eingelegten Revision rügten die Bf unter anderem, dass das Gericht im Urteil Listen mit Verbindungsdaten zahlreicher zwischen ihnen geführter Telefonate verwendet habe, die weder durch Verlesung noch in sonstiger Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden seien. Insbesondere seien sie auch nicht im Wege der Vernehmung des sachverständigen Zeugen S. von der Mobilfunk-GmbH zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden. Denn der Zeuge sei lediglich zu technischen Details befragt worden. Damit habe das Gericht § 261 StPO verletzt. Der BGH verwarf die Revisionen der Bf. Zur Begründung führte er unter anderem aus, dass die Rüge einer Verletzung des § 261 StPO unzulässig sei, da sie den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genüge. Die Bf hätten die Verfahrenstatsache verschwiegen, dass der sachverständige Zeuge S. vom Kammervorsitzenden geladen worden sei und zwar mit dem Zusatz: ?Ihr Zeichen: PSDA - 364/96, Auskunft vom 28. Mai 1996. Sie sollen als sachverständiger Zeuge zu den Einzelheiten der o.g. Auskunft vernommen werden". Danach liege es nahe, dass der Zeuge zu einzelnen Daten aus den Telefonlisten befragt worden ist.
Die gegen die Entscheidung des BGH erhobenen Verfassungsbeschwerden hatten Erfolg. Der Zweite Senat hob den Beschluss auf, da er die Bf in ihrem Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz verletzte. Die Sache wurde an den BGH zurückverwiesen. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
1. Die angegriffene Entscheidung gibt zu verfassungsrechtlicher Rüge keinen Anlass, soweit sie sich in den Grenzen der bisherigen Rechtsprechung des BGH zur Auslegung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO bewegt. Danach ist für die Rüge der Verwertung des Inhalts einer nicht in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunde regelmäßig der Vortrag erforderlich, dass der Inhalt der Urkunde auch nicht in sonstiger prozessordnungsgemäßer Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Diese Auslegung ist vom Wortsinn des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO umfasst. Unter "die den Mangel enthaltenden Tatsachen" sind die Umstände zu verstehen, die den Gesetzesverstoß unmittelbar begründen. Grundsätzlich begründet erst der Vortrag, dass das Tatgericht keine der nahe liegenden Möglichkeiten zur prozessordungsgemäßen Einführung des Inhalts einer Urkunde genutzt hat, einen Verfahrensverstoß nach § 261 StPO. Denn die Tatsache ?fehlende Einführung in die Hauptverhandlung" setzt voraus, dass von mehreren möglichen Prozessereignissen keines stattgefunden hat. Die Auffassung des BGH steht auch im Einklang mit dem Sinn und Zweck des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Vorschrift verfolgt unter anderem das Ziel, das Revisionsgericht in die Lage zu versetzen, allein anhand der Revisionsbegründung über die Schlüssigkeit einer Verfahrensrüge zu befinden. Dadurch wird einer Überlastung der Revisionsgerichte entgegengewirkt, die ihrerseits wieder den effektiven Rechtsschutz insgesamt beeinträchtigen würde. Der vom BGH geforderte Tatsachenvortrag macht das Rechtsmittel der Revision auch nicht ineffektiv. Denn die Möglichkeiten der Einführung des Inhalts einer Urkunde sind gesetzlichbegrenzt und unschwer am Gesetzestext erkennbar.
2. Hingegen hat der BGH die Zulässigkeitsanforderungen im Einzelfall überspannt, wenn er die Mitteilung von Tatsachen fordert, die mit dem Vorgang der Beweisgewinnung in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Dies betrifft die vom BGH vermisste Mitteilung der Ladung des sachverständigen Zeugen S. und des dabei angegebenen Ladungszusatzes. Aus der Ladung folgt nicht, ob der Zeuge auch vernommen worden ist. Der Ladungszusatz gibt für die Frage, ob und in welchem Umfang der Inhalt der Telefonlisten über den geladenen Zeugen in die Hauptverhandlung tatsächlich eingeführt worden ist, keinen Aufschluss. Bei dieser Sachlage war es für die Bf nicht vorhersehbar, dass es dem BGH für die Zulässigkeit der Rüge auf die Ladungsverfügung ankommen werde. Der BGH hat damit den Zugang zum Revisionsgericht in unzumutbarer Weise beschränkt (BVerfG, Beschluss vom 25.01.2005 - 2 BvR 656/99, 2 BvR 657/99 und 2 BvR 683/99 - Pressemitteilung vom 25.05.2005).
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?... 1. Die Rüge einer zu extensiven Auslegung von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO geht fehl; die Verfahrensweise des Bundesgerichtshofs lässt weder einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG noch gegen Art. 103 Abs. 1 GG erkennen.
a) Art. 19 Abs. 4 GG enthält das Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl.BVerfGE 67, 43 (58) ; stRspr). Die in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes wird in erster Linie von den Prozessordnungen gesichert. Sie treffen Vorkehrungen dafür, dass der Einzelne seine Rechte auch tatsächlich wirksam durchsetzen kann und die Folgen staatlicher Eingriffe im Regelfall nicht ohne fachgerichtliche Prüfung zu tragen hat (vgl.BVerfGE 94, 166 (213)). Dabei fordert Art. 19 Abs. 4 GG zwar keinen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 87, 48 (61); 92, 365 (410) ; stRspr). Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger in diesem Rahmen die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl.BVerfGE 40, 272 (274 f.); 54, 94 (96 f.) ). Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer ?leer laufen' lassen (vgl.BVerfGE 78, 88 (99)).
Diesem Maßstab wird die angegriffene Entscheidung gerecht. Um einen Verstoß gegen § 136 a StPO wirksam zu rügen, muss der Revisionsführer die den Verstoß enthaltenden Tatsachen und die Tatsachen vortragen, aus denen sich die Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs mit der Aussage ergibt (vgl. Sarstedt/Hamm, Die Revision in Strafsachen, S. 445). Da es hier um die tatrichterliche Verwertung einer im Ermittlungsverfahren unter Verstoß gegen § 136 a StPO gewonnenen Aussage geht, ist dieser Tatsachenvortrag in doppelter Hinsicht, also nicht nur für die Entstehung der Aussage, sondern auch für ihre rechtsfehlerhafte Verwendung (Erhebung und Verwertung) in der Hauptverhandlung erforderlich. Der Revisionsführer hat mithin nicht nur die Vernehmungssituation im Ermittlungsverfahren, ihre Bedeutung für die Entschließungsfreiheit des Beschuldigten zu schildern (vgl. Sarstedt/Hamm a.a.O.) und den Inhalt der so entstandenen Aussage wiederzugeben (vgl. BGH Urteil vom 9. März 1995 - 4 StR 77/95 - JURIS; BGH NStZ 1995, S. 353; 1996, S. 290 (291); StV 1993, S. 289), sondern auch die Vernehmungssituation und die daraus hervorgegangenen Aussageinhalte in der Hauptverhandlung darzulegen. Dies gilt insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden, in denen das Urteil zu einer eventuellen Verwertung schweigt, mithin beide Möglichkeiten - Verstoß gegen § 136 a StPO und Nichtverwertung der polizeilichen Vernehmung - denkbar sind: Der Umstand, dass der Kriminalbeamte in der Hauptverhandlung vernommen worden ist, besagt nichts darüber, wozu er ausgesagt hat, da er auch zu anderen Ermittlungsergebnissen oder Vernehmungen als der des Beschwerdeführers vernommen worden sein kann. Im Urteil wird seine Zeugenaussage weder genannt noch verwertet. Auch der Umstand, dass möglicherweise ein Vorhalt aus der umstrittenen polizeilichen Vernehmung an den Beschwerdeführer erfolgt ist, bedeutet noch keinen Verstoß gegen § 136 a Abs. 3 Satz 2 StPO, solange die Zielrichtung des Vorhalts (der auch der Aufklärung eines Verstoßes gegen § 136 a StPO gedient haben könnte) und die Reaktion des Beschwerdeführers hierauf (er kann auf den Vorhalt auch geschwiegen haben) nicht vorgetragen sind. Dass schließlich Teile des schriftlichen Urteils dem Wortlaut nach mit der polizeilichen Vernehmung übereinstimmen, kann ebenfalls verschiedene Ursachen haben: Der Beschwerdeführer kann sich in der Hauptverhandlung in derselben Weise eingelassen oder die Zeugen den Sachverhalt in derselben Weise geschildert haben, ohne dass es auf die Vernehmungen im Ermittlungsverfahren angekommen wäre.
Um das Revisionsgericht in die Lage zu versetzen, die erforderliche Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen, kann daher die bloße Behauptung der Einführung nicht ausreichen, sondern muss substantiiert vorgetragen werden, welche der genannten Möglichkeiten vorlag. Das grundsätzlich Geltung beanspruchende Rekonstruktionsverbot (vgl. hierzu ausführlich Sarstedt/Hamm, a.a.O., Rn. 254 ff.) steht der Aufstellung derartiger Darlegungspflichten nicht entgegen. Das Revisionsgericht auf das tatrichterliche Urteil zu verweisen und den Freibeweis über den Gegenstand der Vorhalte oder der Vernehmung des Kriminalbeamten nicht zuzulassen, bedeutete im konkreten Fall vielmehr, dass der Rüge von vornherein der Erfolg versagt bliebe, weil im Urteil gerade nicht dargelegt wird, dass die polizeiliche Vernehmung in irgendeiner Weise Gegenstand der Hauptverhandlung und der Urteilsfindung war. Diese mögliche Lücke in den schriftlichen Urteilsgründen kann vielmehr nur mit Hilfe einer (gegebenenfalls teilweisen) Wiedergabe der Aussageinhalte geschlossen werden (vgl. zu einem vergleichbaren, vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall , Sarstedt/Hamm, a.a.O. Rn. 283 f.).
Diesen Darlegungserfordernissen hat der Beschwerdeführer in der Revisionsbegründung nicht genügt, da er es bei der Behauptung hat bewenden lassen, die unter Verstoß gegen § 136 a StPO entstandene polizeiliche Vernehmung sei durch Vorhalt an den Beschwerdeführer und Vernehmung des Kriminalbeamten in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Da die Verfahrensrüge durch die genannten Anforderungen an den Tatsachenvortrag gerade nicht ?ins Leere läuft', ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn der Strafsenat die Rüge als unsubstantiiert behandelt und dementsprechend als unzulässig zurückgewiesen hat.
b) Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt nicht vor, da der Beschwerdeführer bzw. der für ihn die Revision begründende Verteidiger bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt hätte erkennen können, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankam (vgl.BVerfGE 84, 188 (190) ). Denn verlangt worden ist allein die Substantiierung der Behauptung, in der Hauptverhandlung sei in unzulässiger Weise Beweis erhoben worden durch Einführen der unter Verstoß gegen § 136 a StPO zu Stande gekommenen Vernehmung des Beschwerdeführers. ..." (BVerfG, 2 BvR 1225/01 vom 21.1.2002, Absatz-Nr. (1 - 13), www.BVerfG.de/entscheidungen/rk20020121_2bvr122501.html)
*** (BGH)
?...1. Die durch den Verteidiger Rechtsanwalt H. erhobene Verfahrensrüge der Ablehnung eines aus dem Schriftsatz vom 17. August 2011 gestellten Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Sitzposition des Zeugen K. im Computerzimmer der Wohnung des Angeklagten ist bereits unzulässig. Der Vortrag der Revision genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
Rügt der Revisionsführer die Verletzung des Beweisantragsrechts, muss er - neben dem abgelehnten Beweisantrag und dem Ablehnungsbeschluss - auch für die Prüfung der Rüge etwaig notwendige, weitere Verfahrenstatsachen vollständig vortragen (BGHSt 37, 168, 174; Kuckein in Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl., § 344 Rn. 38, 43 mwN). Der Revisionsführer hat jedoch nicht mitgeteilt, dass der abgelehnte Beweisantrag - bei identischem Inhalt und nur minimal abweichendem Wortlaut - unter Ziffer 6 eines Schriftsatzes vom 3. September 2011 erneut gestellt und im Hauptverhandlungstermin vom 5. September 2011 neu beschieden worden ist. Dieser Vortrag wäre jedoch notwendig gewesen; die neue Bescheidung eines wiederholt gestellten Beweisantrages kann etwaige Fehler der ersten Ablehnung heilen, weil - anders als beim Nachschieben von Ablehnungsgründen in den schriftlichen Urteilsgründen (dazu BGHSt 19, 24, 26; BGH NStZ 2000, 437, 438) - der Angeklagte seine Verteidigung auf die neue Beurteilung einstellen kann.
Unbeachtlich bleibt, dass der geschilderte Verfahrensablauf in der bezeichneten Revisionsrechtfertigungsschrift den Gegenstand einer weiteren - ihrerseits unzulässigen - Rüge bildet; auch ein Rückgriff auf das Revisionsvorbringen des weiteren Verteidigers, Rechtsanwalt G. , scheidet aus. Es ist nicht die Aufgabe des Revisionsgerichts, den Revisionsvortrag innerhalb eines umfangreichen Revisionsvorbringens oder aus anderen Unterlagen zusammenzufügen oder zu ergänzen (BGH, Beschluss vom 25. September 1986 - 4 StR 496/86, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Formerfordernis 1; Urteil vom 30. April 1999 - 3 StR 215/98; Beschluss vom 7. April 2005 - 5 StR 532/04, NStZ 2005, 463).
2. Soweit der Verteidiger Rechtsanwalt H. die Nichteinhaltung einer von der Kammer konstatierten Wahrunterstellung rügt, ist auch diese Rüge unzulässig erhoben. Auch hier genügt der Vortrag nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil zwar der Ablehnungsbeschluss der Jugendschutzkammer vom 5. September 2011 mitgeteilt wird, vom zugrunde liegenden Beweisantrag aus dem Schriftsatz vom 3. September 2011 jedoch nur Beweisbehauptung und Beweismittel, nicht aber die zum Verständnis des Antrags bedeutsame Antragsbegründung. Zwar kann der Umfang des notwendigen Vortrages - insbesondere zum Beweisantrag - beim Vorwurf der Nichteinhaltung einer Wahrunterstellung je nach Angriffsrichtung der Rüge divergieren; bei der Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts ist die (vollständige) Mitteilung des Beweisantrages jedoch erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1983 - 2 StR 222/83, BGHSt 32, 44, 46). Bei der hier vorliegenden Fallgestaltung hätte der Revisionsführer auch die Begründung des Beweisantrages bereits deshalb vortragen müssen, weil sich allein aus der angegebenen Beweistatsache keine sichere Zuordnung des Beweisbegehrens zu einem der verschiedenen, gleichartigen Tatgeschehen - wiederholter Oralverkehr des Angeklagten an einem Jugendlichen - treffen lässt. Auf dieser Basis kann das Revisionsgericht nicht überprüfen, ob der behauptete Widerspruch der Wahrunterstellung zu den späteren Urteilsfeststellungen tatsächlich besteht, zumal hinsichtlich der unter Beweis gestellten Tatsache bei den einzelnen Fällen unterschiedliche Feststellungen getroffen worden sind.
3. Die von beiden Verteidigern erhobenen Rügen betreffend die Ablehnung mehrerer, auf eine psychologische Begutachtung der Zeugen P. , S. und K. sowie auf eine psychiatrische Begutachtung des Zeugen K. gerichteter Beweisanträge ist bereits deshalb unzulässig, weil nicht mitgeteilt wird, ob die Zeugen oder gegebenenfalls deren gesetzliche Vertreter (vgl. dazu Senge in Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl., § 81c Rn. 8) sich mit einer solchen Untersuchung einverstanden erklärt haben. Ohne Einverständniserklärung wären die beantragten Untersuchungen bereits wegen Unzulässigkeit der Beweiserhebung abzulehnen gewesen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. September 1990 - 5 StR 184/90, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Unzulässigkeit 5; Beschluss vom 25. September 1990 - 5 StR 401/90, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Unzulässigkeit 6).
4. Im Übrigen verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 5. Januar 2012. Vor dem Hintergrund mehrfach unrichtigen Vortrags in der Revisionsrechtfertigungsschrift des Verteidigers Rechtsanwalt H. haben die mustergültige Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft (vgl. dazu Drescher, NStZ 2003, 296) und die dienstliche Stellungnahme des Kammervorsitzenden zu den erhobenen Verfahrensrügen mit Leseabschriften handschriftlicher Beschlüsse und dem Hinweis auf unrichtig wiedergegebene Beschlüsse die revisionsgerichtliche Prüfung deutlich erleichtert. ..." (BGH, Beschluss vom 22.02.2012 - 1 StR 647/11)
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?... Die Rüge, mit welcher eine Verletzung des § 52 Abs. 2 und 3 StPO geltend gemacht wird, ist nicht zulässig erhoben. Nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO müssen Verfahrensrügen in bestimmter Form erhoben und durch Angabe der den vorgeblichen Mangel enthaltenden Tatsachen begründet werden. Dem Revisionsvorbringen lässt sich hier nicht die bestimmte Behauptung entnehmen, dass ein Verfahrensfehler tatsächlich vorliegt, sondern nur, dass er sich aus dem Protokoll ergebe.
In der Revisionsbegründungsschrift ist unter ?Verfahrenstatsachen' auszugsweise der Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls v. 01.12.2010 wiedergegeben. Weiter heißt es dann: ?Verlesen wurde im Hinblick auf das Zeugnisverweigerungsrecht der Zeugin M. F. also lediglich die Erklärung der Rechtsanwältin H. v. 27.01.2010 vor der polizeilichen Vernehmung, wonach diese für M. von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht keinen Gebrauch mache. Die Zeugin selbst machte also gem. des Protokolls keine Angaben zu ihrer Aussagebereitschaft gegen den eigenen Vater. Die Rechtsanwältin H. überprüfte ihre Einstellung als Vertreterin im Hinblick auf das Zeugnisverweigerungsrecht kein weiteres Mal im Rahmen der Hauptverhandlung. Gem. dem Protokoll fand eine entsprechende Belehrung der M. F. nicht statt, dass die Zustimmung ihrer eigenen Vertreterin sie nicht zur Aussage gegen den eigenen Vater verpflichtet' (Hervorhebungen durch den Senat). In einem weiteren Abschnitt ?rechtliche Würdigung' heißt es entsprechend: ?Aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergibt sich gerade nicht, dass die Zeugin M. F. aussagen will ... Im Protokoll befindet sich lediglich die recht allg. Ausführung ?Die Zeugin wurde dem Alter entsprechend belehrt?. Ihre Reaktion darauf ist nicht protokolliert.'
Zwar kann eine Formulierung wie beispielsweise ?ausweislich des Protokolls' im Revisionsvorbringen auch nur als ein Hinweis auf das geeignete Beweismittel zu verstehen sein, ohne dass dadurch die Ernsthaftigkeit der Tatsachenbehauptung selbst in Frage gestellt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 17.09.1981 - 4 StR 496/81, StV 1982, 4, 5). Hier leitet die Revision die Fehlerhaftigkeit des Verfahrens jedoch mehrfach ausdrücklich nur aus dem Protokoll ab, zum tatsächlichen Geschehen (Inhalt der Belehrung, Reaktion der Zeugin F. ) werden keine Angaben gemacht. So wird auch der Umstand, dass die gesetzliche Vertreterin der minderjährigen Zeugin F., Rechtsanwältin H., in der Hauptverhandlung v. 01.12.2010 abwesend war, von der Revision nicht vorgetragen. ..." (BGH, Beschluss vom 13.07.2011 - 4 StR 181/11)
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Der Senat lässt offen, ob er der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung folgen könnte, wonach allein schon bei übereinstimmender Interessenlage einem die Beweiserhebung nicht selbst beantragenden Mitangeklagten gleichwohl eine umfassende Rügeberechtigung zugebilligt wird. Es liegt näher, ihn in diesem Fall auf die Möglichkeit der Aufklärungsrüge zu verweisen, die je nach Fallgestaltung weitergehenden Vortrags i.S.v. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO bedarf und nicht notwendig aufgrund einer Verletzung der Regeln aus § 244 Abs. 3 bis 6 StPO zum Erfolg führt (BGH, Beschluss vom 04.05.2011 - 5 StR 124/11 zu StPO §§ 244 Abs. 2, 3, 6, 344 Abs. 2).
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Da zur Glaubhaftmachung einer geltend gemachten Verfahrensrüge Beweismittel, wie etwa Aktenstellen, überhaupt nicht angegeben werden müssen, führt auch die Angabe einer falschen Aktenstelle als Beleg für einen tatsächlich geschehenen, aus einer anderen Stelle der Akten ersichtlichen Vorgang nicht dazu, dass die entsprechende Rüge nicht zulässig erhoben wäre. Feststellungen, die nach Abschluss der Durchführung des Selbstleseverfahrens hierüber zu treffen sind (hier: Kenntnisnahme der Schöffen), sind nicht Teil der Durchführung dieses Verfahrens. Eine auf die Feststellungen gestützte Rüge setzt daher nicht die vorherige Anrufung des Gerichts voraus. Sowenig ein Revisionsführer in der Regel zum Beruhen des Urteils auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler vortragen muss, so wenig ist eine Rüge deshalb nicht zulässig erhoben, weil Tatsachen, die gegen ein Beruhen sprechen könnten, nicht vorgetragen sind (BGH, Beschluss vom 15.03.2011 - 1 StR 33/11 zu StPO §§ 344 Abs. 2 S. 2, 249 Abs. 2, 238 Abs. 2).
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?... Die Rüge, das LG habe den Antrag auf Vernehmung des Zeugen M. rechtsfehlerhaft abgelehnt, weil es zu Unrecht von der Unerreichbarkeit des Zeugen ausgegangen sei, bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rüge einer Verletzung des Beweisantragsrechts scheitert daran, dass nicht vorgetragen wird, ob der außerhalb der Hauptverhandlung schriftlich gestellte Beweisantrag auch in der Hauptverhandlung vorgebracht worden ist; denn nur dann wäre er auch als solcher zu behandeln mit der Folge einer Überprüfung seiner Ablehnung an den Vorgaben von § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO. In Ermangelung eines entsprechenden Vortrags ist die Beweisantragsrüge unzulässig.
Soweit der GBA die Rüge auch deshalb für unzulässig hält, weil der Bf. die Bemühungen der Polizei, den Zeugen zu erreichen, nicht mitgeteilt hat, gilt Folgendes: Diese Umstände, die ggf. den von der Revision behaupteten Rechtsfehler widerlegen könnten, muss der Bf. im Rahmen der Rüge einer Verletzung des Beweisantragsrechts nicht vortragen (noch offen gelassen in BGH, Urt. v. 04.08.1992 - 1 StR 246/92, NStZ 1993, 50). Grundlage der revisionsgerichtlichen Überprüfung ist der die Beweiserhebung ablehnende Beschluss, in dem die Voraussetzungen der Unerreichbarkeit des Zeugen darzulegen sind (vgl. BGH a.a.O.; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 244 Rn. 43b). ..." (BGH, Beschluss vom 21.12.2010 - 3 StR 462/10)
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Der Zulässigkeit einer Verfahrensrüge steht es nicht entgegen, wenn ein zur Begründung der Rüge (hier Rüge des Verstoßes gegen §§ 136, 136a StPO) mitzuteilendes polizeiliches Vernehmungsprotokoll nicht in Zusammenhang mit dieser Rüge, sondern bei der zuvor erhobenen Verfahrensrüge vollständig vorgetragen wurde (BGH, Beschluss vom 18.02.2010 - 3 StR 486/09):
?... Ergänzend bemerkt der Senat: Entgegen der Auffassung des GBA steht der Zulässigkeit der Rüge, bei der polizeilichen Vernehmung v. 29.10.2008 sei gegen §§ 136, 136a StPO verstoßen worden, nicht entgegen, dass der Bf. das 28 seitige Protokoll der entsprechenden Vernehmung nicht auch bei dieser Rüge, sondern nur zu der zuvor erhobenen Rüge einer Verletzung des § 261 StPO vorgetragen hat. ..."
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Zwar kann grundsätzlich auch bei einem der Verständigung entsprechenden Urteil gerügt werden, der Angeklagte sei mit unzulässigem Druck dazu veranlaßt worden, der Verständigung zuzustimmen und ein Geständnis abzulegen. Doch ist es jedenfalls dem verteidigten Angeklagten im Regelfall zuzumuten, Inhalten der Verständigung, die er für unzulässig hält, sogleich zu widersprechen und ggf. - schon im Interesse späterer Überprüfbarkeit - auf ihre Protokollierung hinzuwirken oder solche Umstände zum Gegenstand eines Ablehnungsgesuchs zu machen. Zu den Anforderungen an den Vortrag einer Rüge des Verstoßes gegen § 136a StPO wegen unzulässiger Einwirkung auf den Angeklagten bei Verständigung (BGH, Beschluss vom 02.02.2010 - 4 StR 620/09 zu StPO §§ 24, 136a, 202, 212, 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a, 344 Abs. 2 S. 2).
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?... In diesem Zusammenhang bemerkt der Senat: Von hier nicht einschlägigen Besonderheiten abgesehen, braucht eine Revisionsbegründung den ursächlichen Zusammenhang zwischen (behauptetem) Rechtsfehler und dem angefochtenen Urt. nicht ausdrücklich darzulegen. Es ist vielmehr grundsätzlich Sache des Revisionsgerichts, die Beruhensfrage von sich aus zu prüfen. Dies sollte jedoch gerade in Fällen, in denen die Möglichkeit eines Beruhens nicht leicht zu erkennen ist, den Bf. nicht davon abhalten, konkret darzulegen, warum aus seiner Sicht hier ein Beruhen möglich erscheinen kann (vgl. zusammenfassend Kuckein in KK 6. Aufl. § 344 Rn. 65 m.w.N.). Andernfalls ist nicht auszuschließen, dass das Revisionsgericht trotz seiner umfassenden Überprüfung der Beruhensfrage eine in diesem Zusammenhang (doch) in Betracht zu ziehende Möglichkeit nicht erkennt und daher auch nicht in seine Erwägungen einbezieht (BGH, Beschl. v. 14.01.2010 - 1 StR 620/09). Dementsprechend hat der BGH gerade auch im Zusammenhang mit Rügen der Verletzung von § 265 StPO wiederholt darauf hingewiesen, dass auch dem Revisionsvorbringen nichts zu entnehmen ist, was das (negative) Ergebnis seiner Beruhensprüfung in Frage stellen könne (vgl. z.B. BGHR StPO § 265 Abs. 1 Hinweispflicht 9, 12; BGH, Beschl. v. 19.10.1994 - 2 StR 336/94; Beschl. v. 13.06.2007 - 2 StR 127/07). ..." (BGH, Beschluss vom 14.01.2010 - 1 StR 587/09)
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?... Ergänzend zu den Antragsschriften des Generalbundesanwalts betreffend die Revision der Angeklagten A. und d. Ag. weist der Senat darauf hin, dass die erhobenen Verfahrensrügen schon deshalb unzulässig sind, weil sich aus den Revisionsbegründungen nicht ergibt, im Rahmen welcher konkreten Überwachungsmaßnahmen die verwerteten Telefongespräche aufgezeichnet wurden. Ferner genügt es nicht den sich aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ergebenden Anforderungen, wenn mit der Rüge, die Beschlüsse über die Verlängerung von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen seien unzureichend begründet, lediglich diese Entscheidungen, nicht aber die jeweils vorangegangenen Beschlüsse des Ermittlungsrichters mitgeteilt werden.
Im Übrigen wären die Verfahrensrügen aus den vom Generalbundesanwalt ausgeführten Gründen auch in der Sache ohne Erfolg (zu den Folgen einer unzureichenden Begründung des Beschlusses über die Anordnung einer Telekommunikationsmaßnahme zuletzt BGH, Urteil vom 27. November 2008 - 3 StR 342/08). Mit der Frage, ob ?die Überwachung der Telekommunikation ... auch zu den Zeitpunkten ihrer jeweiligen Verlängerung durch das Amtsgericht vertretbar war', hat sich die Strafkammer ausdrücklich befasst (UA 26; Verdachtslage im Mai 2007 ferner UA 27/28). ..." (BGH, Beschluss vom 24.02.2009 - 4 StR 476/08)
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?... 1. a) Soweit der Angeklagte eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) geltend macht, weil die schriftlichen Urteilsgründe am 15. Oktober 2007 ?zur Geschäftsstelle" gelangt seien, die Zustellung des Urteils aber erst am 6. Mai 2008 verfügt worden sei, ist diese Rüge schon nicht in zulässiger Weise erhoben. Denn er trägt entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht alle Tatsachen, die den behaupteten Verfahrensverstoß belegen, in der Revisionsbegründung vor, so dass dem Senat eine entsprechende Nachprüfung nicht möglich ist.
Zwar dürfen die Anforderungen an den Umfang der Darstellung der den Mangel enthaltenden Tatsachen bei der Beanstandung einer konventionswidrigen Verzögerung während eines wie hier mehrere Jahre währenden Verfahrens nicht überzogen werden. Von einem Beschwerdeführer ist aber zu erwarten, dass er einen realistischen Überblick über den tatsächlichen Ablauf des Strafverfahrens gibt (BGH NJW 2008, 2451, 2452). Dieser Darstellung bedarf es deswegen, weil für die Frage der Konventionswidrigkeit das Verfahren insgesamt zu beurteilen ist, regelmäßig beginnend mit dem Zeitpunkt, in dem der Beschuldigte von der Einleitung des gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens Kenntnis erlangt. Im vorliegenden Fall beschränkt sich der Angeklagte bei seiner Darstellung des Verfahrensablaufs auf den Zeitraum zwischen der Verkündung und der Zustellung des Urteils. Über den Verfahrensgang vor dieser Zeit gibt er dagegen keinen Überblick.
Da auch die Sachrüge erhoben ist, kann der Senat zwar insoweit die Urteilsgründe ergänzend heranziehen. Dort hat die Kammer eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung von drei Jahren und zwei Monaten strafmildernd gewertet, als zugrunde liegende Tatsachen aber lediglich festgestellt, dass die polizeilichen Ermittlungen von Dezember 2002 bis Dezember 2003 geruht hätten und von der Anklageerhebung im Mai 2005 bis zum Beginn der Hauptverhandlung im Juli 2007 weitere zwei Jahre und zwei Monate verstrichen seien. Dass der gesamte Zeitraum zwischen Anklageerhebung und Hauptverhandlungsbeginn als konventionswidrig angesehen worden ist, lässt besorgen, dass dem Angeklagten jedenfalls auch prozessual vorgesehene Handlungen und Fristen - z. B. Mitteilung der Anklageschrift mit Erklärungsfrist, § 201 StPO, Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens, § 203 StPO, die der eingehenden Vorbereitung bedarf (BGH NJW 2008, 2451, 2453), Terminierung in Abstimmung möglichst mit der Verteidigung unter Einhaltung der Ladungsfrist, §§ 217, 218 StPO - zu Unrecht zugute gehalten worden sind. Dies beschwert ihn aber nicht. Jedenfalls lässt sich das Ausmaß der von dem Angeklagten gerügten Verfahrensverzögerung somit auch nicht unter Heranziehung der schriftlichen Urteilsgründe bestimmen.
b) Entgegen der Auffassung des Angeklagten hatte der Senat auch nicht von Amts wegen zu überprüfen, ob eine konventionswidrige Verfahrensverzögerung gegeben ist, da der geltend gemachte Verfahrensverstoß vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist entstanden ist und der Angeklagte diesen daher ohne weiteres mit der Verfahrensrüge hätte vortragen können (vgl. BGH NStZ 2001, 52).
2. Die Nichtanwendung der Vollstreckungslösung (BGH - GS - NJW 2008, 860) führt ebenfalls nicht zu einer Aufhebung des Strafausspruchs. Die Kammer hat nämlich zur Kompensation der von ihr angenommenen konventionswidrigen Verfahrensverzögerung sowohl bei der Höhe der jeweiligen Einzelstrafen als auch bei der Höhe der Gesamtstrafe einen Abschlag von 20 ? vorgenommen. Dieser ?doppelte Rabatt" war rechtsfehlerhaft (Fischer, StGB 55. Aufl. § 46 Rdn. 62), indes belastet er den Angeklagten nicht. Denn wenn die Kammer ihrem Urteil die Vollstreckungslösung zugrunde gelegt hätte, wäre eine Anrechnung lediglich auf die Gesamtstrafe, aber nicht auf die Einzelstrafen vorzunehmen gewesen (BGH - GS - NJW 2008, 860, 866). Der Senat schließt im vorliegenden Fall daher aus, dass der Angeklagte angesichts des von der Kammer - zu Unrecht - gewährten Umfangs der Kompensation durch die Nichtanwendung der Vollstreckungslösung beschwert sein könnte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass bei nicht reduzierten Einzelstrafen von der Kammer eine höhere Gesamtstrafe als schuldangemessen angesehen worden wäre. Denn insbesondere die Einsatzstrafe hätte nicht zwei Jahre und vier Monate, sondern drei Jahre betragen.
3. Soweit der Angeklagte weiterhin rügt, dass er in den Fällen II. B 2) und 3) der Urteilsgründe wegen Bankrotts nach § 283 Abs. 1 Nr. 5 StGB verurteilt worden sei, obwohl ihm in der Anklage insoweit jeweils eine Verletzung der Buchführungspflicht nach § 283b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 StGB zur Last gelegt worden sei und ihn die Kammer zuvor auch nicht auf den veränderten rechtlichen Gesichtspunkt gemäß § 265 Abs. 2 StPO hingewiesen habe, ist die Revision ebenfalls unbegründet. Das Urteil beruht nicht auf diesem Verstoß. Es ist im Hinblick auf die Ähnlichkeit der beiden Straftatbestände auszuschließen, dass sich der geständige Angeklagte bei einem rechtzeitig gegebenen Hinweis anders und erfolgreicher hätte verteidigen können. ..." (BGH, Beschluss vom 18.11.2008 - 1 StR 568/08)
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?... Zwar ist das Verfahren in einer der Justiz anzulastenden Weise verzögert worden. Entgegen der Ansicht der Revision rechtfertigt dies jedoch, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift mit zutreffender Begründung ausgeführt hat, nicht die Einstellung des Verfahrens aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfG, NJW 2003, 2225, 2226 f.; 2897, 2899; BGH, NStZ-RR 2004, 230, 231 m.w.N.).
Die vom Landgericht im Rahmen der Strafzumessung vorgenommene Kompensation der Verfahrensverzögerung hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand. Zwar hat das Landgericht weder, wie es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geboten gewesen wäre, das Ausmaß einer Art. 6 Abs. 1 MRK verletzenden Verfahrensverzögerung ausdrücklich festgestellt, noch hat es das Maß der von ihm vorgenommenen Kompensation durch einen Vergleich der an sich verwirkten mit der tatsächlich verhängten Strafe ausdrücklich und konkret bestimmt (vgl. BVerfG, NStZ 1997, 591; BGH, NJW 1999, 1198, 1199 = NStZ 1999, 181 f.; NStZ 2001, 52; Fischer StGB § 46 Rdn. 62 m.w.N.).
Eine Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 MRK durch rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat der Beschwerdeführer jedoch nicht ausdrücklich erhoben. Hierzu wäre die Erhebung einer Verfahrensrüge unter genauer Angabe des beanstandeten Verfahrensverstoßes erforderlich gewesen (Kuckein in KK, 5. Auflage, § 344 Rdn. 34 m.w.N.). Dass eine solche Rüge in dem Revisionsvorbringen enthalten ist, aufgrund einer der Justiz anzulastenden Verzögerung des Verfahrens sei ein Verfahrenshindernis wegen Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegeben, ist jedenfalls zweifelhaft.
Im Übrigen fehlt es aber an einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Bezeichnung der Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensfehler ergeben soll. Die Revision stellt den Verlauf des gegen den Angeklagten geführten Strafverfahrens nicht so umfassend dar, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in der Lage wäre, das Vorliegen eines Verfahrensverstoßes zu überprüfen. So fehlen insbesondere Angaben zum Ermittlungsverfahren sowie zum gerichtlichen Verfahren bis zur ersten Revisionsentscheidung des Senats, so dass eine Gesamtbeurteilung einer Art. 6 Abs. 1 MRK verletzenden Verfahrensverzögerung sowie die Bestimmung des Maßes einer hierfür gebotenen Kompensation nicht möglich ist.
Die Verfahrensrüge, ihre zulässige Erhebung unterstellt, wäre auch im Ergebnis nicht begründet. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Beruhen eines Urteils auf dem Fehlen einer ausdrücklichen Quantifizierung der Kompensation nur in Ausnahmefällen ausgeschlossen werden (vgl. BGH StraFo 2007, 35; Fischer aaO § 46 Rdn. 62 a). Ein solcher Fall liegt hier aber vor. Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil die in der ersten Hauptverhandlung verhängte Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten auf nunmehr ein Jahr und sechs Monate mit Strafaussetzung zur Bewährung reduziert und dies allein auf die Verzögerung des Verfahrens gestützt (vgl. UA S. 41). Der Senat kann sicher ausschließen, dass das Landgericht bei einer zutreffenden Darstellung der Kompensation zu einer noch niedrigeren Strafe gekommen wäre.
Dadurch, dass das Landgericht bei der Kompensation im Grundsatz der bis zur Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07 - anzuwendenden sogenannten Strafzumessungslösung gefolgt ist, ist der Angeklagte hier nicht beschwert. ..." (BGH, Beschluss vom 13.02.2008 - 2 StR 356/07)
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?... Die Rüge eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht ist bereits unzulässig, da der Inhalt der verwerteten Aussage nicht vollständig mitgeteilt wird (vgl. BGH NJW 1993, 2125, 2127). Zudem legt die Revisionsbegründung keine Umstände dar, aus denen sich ein Verbot der beanstandeten Verwertung hinsichtlich der Angaben der Angeklagten gegenüber der Ver-nehmungsbeamtin N. ergeben könnte. Soweit die Revision gel-tend macht, die Vernehmungsbeamtin habe nicht nur über die Rechte nach § 136 StPO belehren, sondern auch darauf hinweisen müssen, dass ihre frü-heren Angaben gegenüber dem Polizeibeamten C. nicht verwertbar sei-en, ist der Rüge bereits dadurch der Boden entzogen, dass die Angeklagte gegenüber diesem Beamten keine Angaben gemacht hat. ..." (BGH, Beschluss vom 07.02.2008 - 5 StR 609/07)
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?... Folgendes wird vorgetragen: Zu Beginn der Hauptverhandlung habe der Staatsanwalt seine je nach dem Inhalt der künftigen Angaben des Angeklagten (z. B. ?Geständnis mit Angaben i. S. v. § 31 BtMG'; ?ledigliches Abnicken der Anklage') differenzierten Strafvorstellungen offen gelegt. Bei Nachweis der Anklagevorwürfe ohne Geständnis werde er eine Strafe von insgesamt zwölf Jahren und sechs Monaten beantragen. Diese Straferwartung habe das Gericht in einer freilich nicht protokollierten Erklärung als realistisch bezeichnet. Nach mehrmonatiger Hauptverhandlung habe das Gericht im Rahmen dann gescheiterter Bemühungen um eine verfahrensbeendende Absprache für den Fall eines der Anklage entsprechenden Geständnisses eine Strafe von neun Jahren und sechs Monaten und für den Fall einer anklagegemäßen Verurteilung ohne Geständnis eine Strafe von zwölf Jahren angekündigt. Daher hätte, zumal ohne entsprechenden vorangegangenen Hinweis, keine Strafe von 13 Jahren und sechs Monaten verhängt werden dürfen. Zwar habe der Vorsitzende nach dem Scheitern der Verständigungsbemühungen erklärt, das Gericht fühle sich durch ohnehin nicht von ihm in Aussicht gestellte Strafobergrenzen nicht gebunden; dies sei jedoch, wie die Revision näher ausführt, in sich unverständlich.
b) Sowohl der Staatsanwalt als auch die berufsrichterlichen Mitglieder der Strafkammer sind in dienstlichen Erklärungen den zentralen Behauptungen der Revision entgegengetreten. Der Staatsanwalt hat erklärt, er habe zwar für den Fall eines Geständnisses die von der Revision genannten differenzierten Strafanträge angekündigt, eine Strafobergrenze für den Fall einer streitigen Verhandlung sei nicht genannt worden. Die Richter haben erklärt, das Revisionsvorbringen entspreche nicht der Wahrheit. Zu keiner Zeit sei angekündigt worden, ?ohne Geständnis' sei mit einer Strafe von (bis zu) zwölf Jahren zu rechnen. Es sei auch bei den Bemühungen um eine verfahrensbeendende Absprache vom Gericht keine Strafobergrenze für den Fall eines Geständnisses genannt worden, weil wegen des Inhalts der für den Angeklagten angekündigten Erklärung eine verfahrensbeendende Absprache offensichtlich nicht in Betracht gekommen wäre.
c) Auf diese dienstlichen Äußerungen gestützt hat der Generalbundesanwalt ausgeführt, die Rüge scheitere schon daran, dass das Revisionsvorbringen nicht erwiesen sei. Hierauf hat die Revision erwidert (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO), ihr Vortrag sei schlüssig und widerspruchsfrei. Gründe, warum er weniger glaubhaft sei als die entgegenstehenden dienstlichen Erklärungen der Richter und des Staatsanwalts habe der Generalbundesanwalt nicht genannt; daher sei ihr Vortrag ?nicht nicht bewiesen'.
d) Die Rüge versagt. Der Hinweis der Revision auf Schlüssigkeit und Widerspruchsfreiheit ihres Tatsachenvortrags kann die zutreffenden Darlegungen des Generalbundesanwalts nicht entkräften. Wäre der einer Verfahrensrüge zu Grunde gelegte Tatsachenvortrag unschlüssig oder widersprüchlich, ginge diese Rüge schon im Ansatz fehl. Unschlüssiger oder widersprüchlicher Tatsachenvortrag kann nicht Grundlage einer erfolgreichen Verfahrensrüge sein (BGH b. Sander/Cirener NStZ-RR 2008, 1). Ist der Tatsachenvortrag der Revision dagegen schlüssig und widerspruchsfrei, hat das Revisionsgericht zu prüfen, ob die behaupteten Tatsachen erwiesen sind (vgl. Kuckein in KK 5. Aufl. § 352 Rdn. 13 m.w.N.). Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Beweiskraft des Sitzungsprotokolls (§ 274 StPO) eingreift oder wenn in hiervon nicht umfassten Fällen das Vorbringen von sonstigem Akteninhalt bestätigt wird. In Fällen, in denen der Tatsachenvortrag vom Akteninhalt weder bestätigt noch widerlegt wird, wird häufig ins Gewicht fallen, ob dieser Vortrag unwidersprochen geblieben ist (vgl. BGH StV 2000, 652, 653). Derartige oder damit vergleichbare Umstände sind hier jedoch nicht gegeben. Hier liegen vielmehr Erklärungen der Verteidigung einerseits und jedenfalls nicht weniger schlüssige und widerspruchsfreie Erklärungen von Staatsanwaltschaft und Gericht andererseits vor, die inhaltlich miteinander unvereinbar sind. Bei einer solchen Fallgestaltung fehlt regelmäßig eine ausreichend sichere Grundlage für eine erfolgreiche Verfahrensrüge (vgl. BGH, Beschl. vom 22. Januar 2008 - 1 StR 607/07 in dieser Sache ergangener gesonderter Beschluss gegen den Mitangeklagten A. Z. > ; BGH NStZ 1994, 196); Gründe des Einzelfalls, die hier ausnahmsweise eine andere Beurteilung nahe legten, sind nicht ersichtlich. Die tatsächliche Richtigkeit von Behauptungen, aus denen sich ein verfahrensrechtlicher Verstoß ergeben soll, muss erwiesen sein und kann nicht lediglich nach dem Grundsatz ?im Zweifel für den Angeklagten' unterstellt werden (vgl. BGHSt 16, 164, 167; BGH NStZ 1994, 196; Kuckein in KK 5. Aufl. § 352 Rdn. 13 m.w.N.). ..." (BGH, Beschluss vom 22.01.2008 - 1 StR 607/07)
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?... Die Beweisantragsrügen der Angeklagten sind unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). a) Der Angeklagte Z. hat es unterlassen, zur Antragsbegründung eingereichte und verlesene ärztliche Atteste und eine Bescheinigung einer Diplompsychologin, den Gesundheitszustand der Freundin dieses Angeklagten betreffend, vorzulegen. Solches wäre zum Verständnis der Ablehnungsentscheidung des Landgerichts aber wesentlich gewesen. Die Strafkammer hat nämlich den von der Verteidigung vorgetragenen Umstand, der Angeklagte habe sich aus einer Art persönlicher Abhängigkeit um seine damalige Freundin gekümmert, als ungeeignet dafür angesehen, dass der Angeklagte die Straftaten unter Ausschluss oder Einschränkung von Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgeführt hat. b) Der Angeklagte E. hat es unterlassen, mit seiner Rüge, der Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens sei zu Unrecht abgelehnt worden, ein zur Begründung des Antrags eingereichtes Persönlichkeitsprofil des Angeklagten vorzulegen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). ..." (BGH, Urteil vom 15.08.2007 - 5 StR 216/07)
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?... Das Revisionsvorbringen genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Zwar werden die der Rüge zugrunde liegenden Verfahrensvorgänge nicht vollständig mitgeteilt. So fehlt - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - die Mitteilung des Inhalts der Vernehmung. Insoweit kann jedoch nach zulässig erhobener Sachrüge ergänzend auf die Urteilsgründe zurückgegriffen werden (vgl. BGHSt 36, 384, 385; 45, 203, 204 f.; 46, 189, 190 f.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 344 Rdn. 20; Kuckein in KK-StPO 5. Aufl. § 344 Rdn. 39), die den Kern der Aussage wiedergeben, soweit sie - am Rande - für die Beweiswürdigung mit herangezogen wurde. Danach kann auch ausgeschlossen werden, dass es sich bei der ?Vernehmung' um eine unaufgeforderte, spontane und damit von den Beschränkungen des § 252 StPO ausgenommene (vgl. BGHSt 36, 384, 389; BGH NStZ 1992, 247; 1998, 629; StV 2007, 401 f.) Äußerung des Angeklagten gehandelt hat. Ausdrücklicher Revisionsvortrag zu diesem Gesichtspunkt war daher nicht erforderlich. ..." (BGH, Beschluss vom 18.07.2007 - 1 StR 296/07)
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Auch eine nach Erlaß des erstinstanzlichen Urteils eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung ist nur auf Verfahrensrüge hin zu prüfen, wenn das Urteil erneut zugestellt werden mußte und der Revisionsführer dadurch die Möglichkeit hatte, die ihm bekannte Verzögerung innerhalb der neu in Gang gesetzten Frist des § 345 Abs. 1 StPO geltend zu machen (BGH, Beschluss vom 20.06.2007 - 2 StR 493/06 zu StPO §§ 344 Abs. 2, 345 Abs. 1; MRK Art. 6 Abs. 1 S. 1).
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?... Die gegen die Verfahrenseinstellung durch Urteil gerichteten Revisionen der Staatsanwaltschaft sind als unzulässig zu verwerfen, weil die allein erhobene Verfahrensrüge nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt.
1. Zur Begründung der Verfahrensrüge ist der Beschwerdeführer verpflichtet, ?die den Mangel enthaltenden Tatsachen' anzugeben. Diese Angaben haben mit Bestimmtheit und so genau und vollständig zu geschehen, dass das Revisionsgericht allein auf Grund der Revisionsrechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BVerfG NJW 2005, 1999, 2001; BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 7). Daran fehlt es hier.
a) Die Staatsanwaltschaft beanstandet allein, das Landgericht habe einen Beweisantrag auf Vernehmung von drei Polizeibeamten als Zeugen mit Unrecht als aus rechtlichen Gründen ohne Bedeutung (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO) abgelehnt. Sie ist der Auffassung, die Strafkammer hätte die beantragte Beweiserhebung vornehmen müssen, da sich hieraus ergeben hätte, dass das vom Landgericht angenommene Prozesshindernis nicht bestanden habe.
b) Der Senat kann hier nicht allein aufgrund der Revisionsrechtfertigungsschrift prüfen, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen wahr wären. Denn die Staatsanwaltschaft hat an mehreren Stellen zur Darlegung des von ihr geltend gemachten Verfahrensfehlers auf bei den Akten befindliche Schriftstücke Bezug genommen, ohne diese in ihrem Wortlaut oder ihrem wesentlichen Inhalt nach in der Revisionsrechtfertigungsschrift mitzuteilen (vgl. BGHSt 40, 3, 5; BGH NStZ-RR 2006, 48, 49; BGH, Beschluss vom 30. September 2003 - 4 StR 315/03 - und vom 1. Juni 2006 - 4 StR 75/06, insoweit in NStZ-RR 2007, 107 nicht abgedruckt). Der Umstand, dass die Bezugnahme unter Benennung der Blattzahlen in den Strafakten erfolgt ist, ändert hieran nichts (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 48, 49).
Zwar steht eine Bezugnahme auf Aktenteile der Zulässigkeit einer Verfahrensrüge dann nicht entgegen, wenn die Bezugnahme ohne Bedeutung für den geltend gemachten Verfahrensverstoß ist (vgl. BGHSt 40, 3, 5). So verhält es sich hier indes nicht. Vielmehr hat die Staatsanwaltschaft erkennbar deswegen mehrfach auf die in den Strafakten befindliche, in der Revisionsrechtfertigungsschrift aber nicht mitgeteilte schriftliche Einlassung des Angeklagten N. Bezug genommen, um die nach ihrer Ansicht bestehende tatsächliche oder rechtliche Bedeutsamkeit bestimmter Umstände für die Frage zu untermauern, ob - entgegen der Annahme des Landgerichts bei Ablehnung des Beweisantrags - die Voraussetzungen für ein Verfahrenshindernis durch die begehrte Beweisaufnahme zu widerlegen sind. Insgesamt will die Staatsanwaltschaft mit ihren Bezugnahmen die Richtigkeit ihrer Auffassung belegen, ?dass der Zusammenhang zwischen den in Rede stehenden Straftaten und den internen Regelungen über die Arbeit mit Quellen fehl(e)" (Revisionsbegründungsschrift S. 30). Dafür war die vollständige Mitteilung der in Bezug genommenen Aktenstellen unverzichtbar.
2. Die Sachrüge ist nicht erhoben worden. Zwar genügt es, wenn sich aus den Einzelausführungen die den Inhalt der Sachrüge ausmachende schlüssige Behauptung ergibt, dass auf den im Urteil festgestellten Sachverhalt materielles Recht falsch angewendet worden sei (BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 1 Revisionsbegründung 2). Dies ist hier indes nicht der Fall. Vielmehr rügt die Staatsanwaltschaft ausdrücklich nur die Verletzung formellen Rechts und macht lediglich geltend, das Landgericht wäre auf der Grundlage des von ihr gestellten Beweisantrags zu anderen Feststellungen gelangt, die die Annahme eines Verfahrenshindernisses nicht gerechtfertigt hätten. Hätte die Staatsanwaltschaft neben ihrer Verfahrensbeanstandung auch die Sachrüge erheben wollen, hätte sie diese Angriffsrichtung eindeutig zum Ausdruck bringen müssen (vgl. BGH NStE Nr. 9 zu § 344 StPO; vgl. auch zu unklarem Anfechtungsziel BGH NJW 2003, 839 und BGH, Beschluss vom 21. Mai 2003 - 5 StR 69/03).
3. Die Unzulässigkeit der Verfahrensrüge führt bei Fehlen der Sachrüge zur Unzulässigkeit der Revision insgesamt (BGH NJW 1995, 2047; BGH, Beschluss vom 22. November 2005 - 1 StR 432/05 - und vom 17. Oktober 2000 - 1 StR 413/00). Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind daher gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen. Der Senat ist somit an der Prüfung gehindert, ob die Strafkammer zu Recht von einem Verfahrenshindernis ausgegangen ist. ..." (BGH, Beschluss vom 05.06.2007 - 5 StR 383/06).
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?... a) Die Rüge, das Landgericht habe zu Unrecht Erkenntnisse aus rechtswidrig angeordneten Telekommunikationsüberwachungen als Beweismittel verwertet, hat keinen Erfolg.
aa) Der Angeklagte Y. C. macht geltend, das Landgericht habe gegen seinen ausdrücklichen Widerspruch die Erkenntnisse aus Telefonüberwachungsmaßnahmen im Urteil verwertet, obwohl bei deren Anordnung der Verdacht einer Katalogtat des § 100a StPO nicht vorgelegen habe, insbesondere nicht der vom Ermittlungsrichter angenommene Tatverdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB).
bb) Die Verfahrensbeanstandung entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und ist deshalb bereits unzulässig.
Zur Begründung einer Verfahrensrüge ist der Beschwerdeführer verpflichtet, ?die den Mangel enthaltenden Tatsachen' anzugeben. Diese Angaben haben mit Bestimmtheit und so genau und vollständig zu geschehen, dass das Revisionsgericht allein auf Grund der Revisionsrechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BVerfG NJW 2005, 1999, 2001; BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 7). Daran fehlt es hier, denn der Beschwerdeführer hat den Inhalt des Zwischenberichts des Zollfahndungsamts München vom 22. Juli 2004 nicht mitgeteilt. Diese Mitteilung wäre schon deswegen erforderlich gewesen, weil die regelmäßig schwierige Abgrenzung zwischen einer (bloß) bandenmäßigen Begehung (§ 373 Abs. 2 Nr. 3 AO) und dem Tätigwerden einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) nur anhand der Besonderheiten des Einzelfalls getroffen werden kann (vgl. dazu BGH wistra 2006, 462). Angesichts des Umfangs und der Vielzahl sowie der professionellen Durchführung der verfahrensgegenständlichen Schmuggeltransporte hätte es insbesondere auch der Mitteilung der in diesem Fahndungsbericht enthaltenen Erkenntnisse zwingend bedurft. Ohne sie kann der Senat nicht prüfen, ob der Tatrichter bei der Wertung, bei Anordnung der Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung habe der Verdacht des Tätigwerdens einer kriminellen Vereinigung bestanden, den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum verlassen hat; nur dann käme ein Beweisverwertungsverbot in Betracht (vgl. BGHSt 41, 30, 32 ff.; 47, 362, 365 ff.). Da die der Telefonüberwachung zugrunde liegenden Beschlüsse des Amtsgerichts Landshut im vorliegenden Verfahren erlassen wurden und ihre Grundlagen daher aktenkundig sind, war der Beschwerdeführer von der Verpflichtung zu entsprechendem Sachvortrag nicht entbunden (vgl. BGH NStZ 2007, 117). ..." (BGH, Urteil vom 14.03.2007 - 5 StR 461/06)
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?... 2. Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen einer Verfahrensrüge die Verwertung der Aussagen des Zeugen D. mit der Begründung beanstandet, dem Zeugen seien bei seiner konsularischen Vernehmung im Strafverfahren unverwertbare Auskünfte der US-amerikanischen Steuerbehörden vorgehalten worden, entspricht das Vorbringen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und ist deshalb bereits unzulässig. Dasselbe gilt, soweit die Revision rügt, das Landgericht habe die Angaben des als Zeugen vernommenen Steueramtmanns W. , der in der Hauptverhandlung über diese Auskünfte berichtet hat, zu Unrecht der Beweiswürdigung zugrundegelegt.
Zur Begründung der Verfahrensrüge ist der Beschwerdeführer verpflichtet, ?die den Mangel enthaltenden Tatsachen' anzugeben. Diese Angaben haben mit Bestimmtheit und so genau und vollständig zu geschehen, dass das Revisionsgericht allein auf Grund der Revisionsrechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BVerfG NJW 2005, 1999, 2001; BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 7). Daran fehlt es hier. Denn der Beschwerdeführer, der sich darauf beruft, dass die Auskünfte der amerikanischen Steuerbehörden aufgrund amerikanischer Vorschriften im deutschen Strafverfahren nicht verwendbar seien, teilt das nach Art. 26 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. August 1989 (BGBl II 1991, 354) an die amerikanischen Steuerbehörden gerichtete Auskunftsersuchen des Bundesamtes für Finanzen nicht mit. Dessen hätte es indes bedurft, da das von der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes Schwäbisch Gmünd vorbereitete Auskunftsersuchen vom 17. Januar 2003 (insbesondere unter Ziffer 4) den klaren Hinweis auf die beabsichtigte Verwendung in einem Steuerstrafverfahren enthält. Eine ?Täuschung" der amerikanischen Finanzbehörden über die beabsichtigte Verwendung der Auskünfte im Steuerstrafverfahren liegt damit von vornherein fern.
Die Verfahrensrüge entspricht auch deshalb nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil die Revision den Inhalt der vom Zeugen D. am 16. November 2005 abgegebenen schriftlichen Erklärung über die bei seiner konsularischen Vernehmung noch nicht beantworteten Fragen nicht mitteilt. Der Inhalt dieser Erklärung ist für die Begründetheit der Verfahrensrüge von zentraler Bedeutung, denn in dieser Erklärung beantwortet der Zeuge D. die von dem Beschwerdeführer als unzulässig beanstandeten Fragen Nr. 51d, 55, 56, 57, 58, 59 und 60. Zudem nimmt der vom Beschwerdeführer angeführte Beschluss des Landgerichts vom 9. Dezember 2005 ausdrücklich auf die Erklärung des Zeugen D. Bezug (ProtBd. Bl. 62).
Im Übrigen liegt der gerügte Verfahrensverstoß in der Sache fern. Die Revisionsrechtfertigungsschrift enthält kein Vorbringen, welches die Ansicht des Beschwerdeführers nachvollziehbar erscheinen ließe, Art. 26 des Doppelbesteuerungsabkommens stünde einer Verwertung der von den Steuerbehörden der Vereinigten Staaten von Amerika erteilten Auskünfte in einem deutschen Strafverfahren gegen den Angeklagten entgegen (vgl. Absatz 26 des Protokolls zum genannten Doppelbesteuerungsabkommen vom 29. August 1989 sowie Art. 26 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 des Doppelbesteuerungsabkommens i. V. m. § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO). ..." (BGH, Beschluss vom 15.03.2007 - 5 StR 53/07)
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Es liegt ein sachlich rechtlich zu beanstandender Erörterungsmangel vor, wenn sich bei der auf die Sachrüge veranlaßten Prüfung, namentlich anhand der Urteilsgründe, ausreichende Anhaltspunkte ergeben, die das Tatgericht zur Prüfung einer Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK verletzenden Verfahrensverzögerung drängen mußten (BGH, Beschluss vom 13.12.2006 - 5 StR 315/06).
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"... Grundsätzlich genügt es für die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge, dass die den Mangel begründenden Tatsachen vollständig vorgetragen werden. Dagegen ist ihre Glaubhaftmachung, etwa durch die Angabe von Beweismitteln und Aktenstellen, aus denen sich diese Tatsachen ergeben, nicht erforderlich (BGH NStZ-RR 2003, 334 ; in vergleichbarem Sinne BGH bei Pfeiffer NStZ 1982, 191; vgl. auch Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 41). Der Vortrag, eine Urkunde sei nicht verlesen worden, ist vollständig. Zur Prüfung seiner Schlüssigkeit - nicht: seiner Richtigkeit - bedarf es des Rückgriffs auf das Protokoll nicht. Besondere Umstände, die in diesem Zusammenhang gleichwohl weitergehende Ausführungen unerlässlich machen könnten, sind nicht erkennbar. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderte daher nicht die Beifügung (von Ablichtungen) des Protokolls, das sich hier, ohne seine zahlreichen Anlagen, über beinahe 40 Seiten erstreckt. ..." (BGH, Beschluss vom 22.09.2006 - 1 StR 298/06).
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?... Die Revision ist - insoweit - schon unzulässig. Die Rüge wurde nicht in der gebotenen Form (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) erhoben. Die den - behaupteten - Mangel enthaltenden Tatsachen werden in der Revisionsbegründung nicht beziehungsweise unzutreffend vorgetragen.
a) Während in der Revisionsbegründung behauptet wird
?Die Verteidigung widersetzte sich der Inaugenscheinnahme und der Verwertung der aufgezeichneten Telefongespräche',
äußerte sich der Verteidiger laut Sitzungsniederschrift - was dadurch bewiesen ist (§ 274 StPO) und zudem durch die unwidersprochenen dienstlichen Erklärungen bestätigt wird - wie folgt:
?Der Verteidiger beantragte einen Gerichtsbeschluss über das Vorspielen der abgehörten Telefonate.'
Ob ein bloßer Antrag auf einen Gerichtsbeschluss gemäß § 238 Abs. 2 StPO einem Widerspruch gegen die Verwertung der abgehörten Telefonate - mangels Vorliegens der Voraussetzungen für die Anordnung der Überwachung der Telekommunikation - gleichzusetzen ist, wie der Revisionsführer in der Gegenerklärung zum Antrag des Generalbundesanwalts behauptet, muss das Revisionsgericht selbst bewerten können. In der Revisionsbegründung darf dies nicht - verdeckt - als Tatsachenbehauptung vorweggenommen werden. Denn dann ist es dem Revisionsgericht nicht möglich, allein aufgrund des Vortrags in der Revisionsbegründung eine eigene umfassende Überprüfung des Verfahrens im Hinblick auf den behaupteten Rechtsfehler vorzunehmen. Damit genügt der Revisionsvortrag schon deshalb nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
b) Darüber hinaus teilt die Revisionsbegründung nichts zur Verdachtslage und zu den übrigen Eingriffsvoraussetzungen zum Zeitpunkt des Erlasses der beanstandeten Entscheidungen zur Überwachung der Telekommunikation mit. Auch dies ist jedoch unverzichtbar zur revisionsgerichtlichen Überprüfung, ob die beanstandeten Maßnahmen unabhängig vom Inhalt der zugrunde liegenden Entscheidungen zu Recht oder zu Unrecht angeordnet wurden. Dass damit keine überspannten Anforderungen gestellt werden, zeigt die Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft, die - teilweise unter Hinweis auf entsprechende Aktenteile, die dann in die Revisionsbegründung aufzunehmen gewesen wären - die Grundlage für die entsprechenden richterlichen Beschlüsse und die Eilanordnungen des Staatsanwalts darzustellen, in der Lage war. Auch deshalb genügt die Revisionsbegründung nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
Ein Fall, in dem die Überwachung der Telekommunikation in einem anderen Verfahren, dessen Akten vom Landgericht nicht beigezogen wurden, angeordnet worden war (diese Situation liegt BGHSt 47, 362 [363, Leitsatz Nr. 3] zugrunde), ist hier nicht gegeben. Dass auch dann, wenn alle relevanten Unterlagen Bestandteil der Verfahrensakten sind, allein die fehlende Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Überwachungsmaßnahme durch die Strafkammer einen eigenständigen Rechtsfehler begründet, weshalb dann auch entsprechender Vortrag genügt, besagt auch die soeben zitierte Entscheidung des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGHSt 47, 362) nicht (vgl. zu dieser Entscheidung hinsichtlich des darin verlangten generellen Überprüfungsgebots - dies ablehnend - Beschluss des Senats vom heutigen Tag - 7. März 2006 - 1 StR 316/05, Rdn. 13, sowie hier unter Rdn. 29). ..." (BGH, Beschluss vom 07.03.2006 - 1 StR 534/05)
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Die den Verfahrensmangel enthaltenden Tatsachen sind so vollständig und genau anzugeben, dass das Revisionsgericht auf Grund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen werden. Dabei genügt es nicht, auf Fundstellen in den Akten Bezug zu nehmen. Dies gilt auch für die Bezugnahme auf in den Akten befindliche Sachverständigengutachten unter Benennung der Blattzahlen. Vielmehr müssen solche Stellen, wenn sie für die Beurteilung der Rüge von Bedeutung sein können (hier: die Vorerkrankungen der Lunge als Begründung für eine natürliche Todesursache [plötzlicher Kindstod] bzw. deren Ausschluss), in ihrem Wortlaut oder ihrem wesentlichen Inhalt nach in der Rechtfertigungsschrift wiedergegeben werden (BGH, Beschluss vom 27.10.2005 - 1 StR 218/05).
Ein Revisionsführer, der das Vorliegen einer Art. 6 I 1 MRK verletzenden Verfahrensverzögerung geltend machen will, muss grundsätzlich eine § 344 II 2 StPO genügende Verfahrensrüge erheben. Nur wenn sich nach den Urteilsgründen eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung aufdrängt, kann es einen auf die Sachrüge zu berücksichtigenden Erörterungsmangel darstellen, wenn sich das Urteil zu den näheren Umständen der Verfahrensverzögerung nicht verhält (BGH, Urteil vom 25. 10. 2005 - 4 StR 139/05)
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?... Soweit die Revision ?allergrößte Zweifel' an der Verhandlungsfähigkeit der Angekl. hegt, fehlt es hierfür an einem hinreichenden Tatsachenvortrag. Wenn das LG in der Hauptverhandlung ersichtlich keinen Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit der Angekl. hatte und solche von der Verteidigung auch nicht geltend gemacht worden sind, so kann diese grundsätzlich auch vom RevGer. ohne Bedenken bejaht werden (vgl. u.a. BGH, Beschl. v. 20. 4. 2004 - 1 StR 14/04; BGH, Beschl. v. 10. 5. 2001 - 1 StR 120/01; BGH, Beschl. v. 27. 4. 2001 - 3 StR 502/99; BGH, NStZ 1984, 181 jew. mwN). ..." (BGH, Urteil vom 19.10.2005 - 2 StR 98/05)
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?? Soweit mit der Verfahrensrüge Nr. 18 geltend gemacht wird, die Verlesung der Wortprotokolle der Telefongespräche Nr. 443 und 1490 verstoße gegen § 265 StPO und Art. 6 I MRK, ist die Rüge unzulässig (§ 344 II 2 StPO). Ihre Begründung nimmt auf die ?in diesem Sachzusammenhang ergangenen Anträge der Verteidigung, die Widersprüche und die Gerichtsbeschlüsse" Bezug, deren Wortlaut in den Rügen Nr. 2 und Nr. 19 wiedergegeben seien. Dies reicht zur Begründung nicht aus. Es kann nicht Aufgabe des RevGer. sein, den Revisionsvortrag aus anderen Unterlagen jeweils an passender Stelle zu ergänzen und dabei auch noch den Sachzusammenhang selbst herzustellen (vgl. BGHR StPO § 344 II 2 Formerfordernis 1). Im Übrigen wäre die Rüge auch offensichtlich unbegründet, weil Abschriften der beiden Telefongespräche dem Verteidiger 5 Tage vor deren Verlesung zur Verfügung gestellt worden sind und das LG nicht verbindlich zugesagt hat, keine anderen als die schon vor der ausgesetzten Hauptverhandlung benannten Telefongespräche in die Hauptverhandlung einzuführen ?" (BGH, Beschluss vom 07.04.2005 - 5 StR 532/04, NStZ 2005, 463 f).
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Weist die belastende Aussage Qualitätsmängel auf, bedarf es einer ins Einzelne gehenden Darstellung und Bewertung der die Mängel begründenden Umstände und einer Betrachtung der Entwicklung der verschiedenen Aussagen in einer lückenlosen Gesamtwürdigung (BGH, Beschluss vom 24.11.2004 - 5 StR 480/04).
Die Rüge der unzulässigen Erörterung der Sachlage in Abwesenheit des aus der Hauptverhandlung entfernten Angeklagten setzt die Wiedergabe des konkreten Inhalts der Erörterung auch dann voraus, wenn der für das Revisionsverfahren mandatierte Verteidiger an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung nicht teilgenommen hat (BGH, Beschluss vom 23.11.2004 - 1 StR 379/04).
Ein Revisionsführer, der das Vorliegen einer Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK verletzenden Verfahrensverzögerung geltend machen will, muß grundsätzlich eine Verfahrensrüge erheben. Ergeben sich indes bereits aus den Urteilsgründen die Voraussetzungen einer solchen Verzögerung, hat das Revisionsgericht auf Sachrüge einzugreifen. Das gilt auch, wenn sich bei der auf Sachrüge veranlassten Prüfung, namentlich anhand der Urteilsgründe, ausreichende Anhaltspunkte ergeben, die das Tatgericht zur Prüfung einer solchen Verfahrensverzögerung drängen mußten, so daß ein sachlichrechtlich zu beanstandender Erörterungsmangel vorliegt (BGH, Beschluss vom 11.11.2004 - 5 StR 376/03 zu MRK Art. 6 Abs. 1 S. 1; StPO § 267 Abs. 3, § 344 Abs. 2).
Auf die Sachrüge ist zu prüfen, ob bei einer sich aus den Urteilsgründen ergebenden Verfahrensverzögerung i.S. des Art. 6 I Satz 1 MRK die nach der Rechtsprechung des BVerfG gebotene Kompensation zutreffend vorgenommen worden ist. Auf die Sachrüge ist zu prüfen, ob ein Erörterungsmangel vorliegt, weil sich aus den Urteilsgründen ausreichende Anhaltspunkte ergeben, die zu einer Prüfung einer Verfahrensverzögerung i.S. des Art. 6 I Satz 1 MRK drängen. In allen anderen Fällen ist eine Verfahrensrüge erforderlich, wenn der Bf. das Vorliegen einer Verfahrensverzögerung i.S. des Art. 6 I Satz 1 MRK geltend machen will (BGH, Beschluss vom 12.08.2004 - 3 ARs 5/04).
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?...Die Verfahrensrüge hat keinen Erfolg. Mit ihr wurde geltend gemacht, das LG habe den Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zu Unrecht abgelehnt. Der Antrag war darauf gestützt, der in der Hauptverhandlung gehörte Sachverständige sei in seinem schriftlichen vorbereitenden Gutachten von unrichtigen tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen. Der GBA hält die Rüge für unzulässig, weil der Revisionsführer das schriftliche Gutachten nicht mitgeteilt habe (so auch BGH NStZ-RR 1996, 362; bei Sander NStZ-RR 2004, 2f.). Diese Auffassung erscheint nicht unbedenklich. Denn für die rechtliche Beurteilung ist nicht das in den Akten befindliche, sondern das in der Hauptverhandlung erstattete Gutachten maßgeblich. Hier kann der Sachverständige Mängel, die seinem vorbereitenden Gutachten noch anhafteten, ausgeräumt haben, ohne dass dies aus dem Protokoll der Hauptverhandlung ersichtlich und damit aus dieser rekonstruierbar wäre. Entscheidend für die Überprüfung sind vielmehr die Gründe des den Beweisantrag zurückweisenden Beschlusses sowie die Darlegungen des Urteils über den Inhalt des mündlich erstatteten Sachverständigengutachtens, das schon aus sachlichrechtlichen Gründen so weit dargestellt werden muss, dass das RevGer. seine Tragfähigkeit prüfen kann (vgl. BGHSt 34, 29, 31; BGH NStZ 1991, 596). Die Rüge ist jedenfalls unbegründet, denn der Ablehnungsbeschluss der StrK weist keinen Rechtsfehler auf. ..."(BGH, Beschluss vom 11.05.2004 - 3 StR 139/04)
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?... Es wurde also ein Sachverständiger einer bestimmten Fachrichtung gehört, nachdem die Anhörung eines Sachverständigen zu einer Frage dieser Fachrichtung beantragt worden war. Mit der pauschalen Behauptung, der Beweis sei nicht erhoben worden, fehlt die gebotene konkrete Auseinandersetzung mit Umständen, die gegen die Richtigkeit des Revisionsvorbringens sprechen. Dies entspricht nicht den Anforderungen von § 344 II 2 StPO an eine zulässige Verfahrensrüge (vgl. BGHSt 40, 218, 240; BGH NStZ-RR 1999, 26, 27). Allerdings trägt die Revision mit Schriftsatz vom 31. 3. 2004 in ihrer Erwiderung auf den Antrag des GBA (§ 349 III 2 StPO) vor, aus sonstigem Akteninhalt ergebe sich, dass die Sachverständige nicht zu dem Thema des Beweisantrags, sondern zu einem anderen Thema gehört worden sei. Dieses Vorbringen ist jedoch ohne inhaltliche Prüfung zurückzuweisen, weil es nicht innerhalb der Frist des § 345 I 1 StPO angebracht worden ist (vgl. BGH StV 1999, 407 mwN). Auf die von der Revision aus Rechtsgründen für unverwertbar gehaltene, inhaltlich aber nicht bestrittene Gegenerklärung der StA, die im Detail die Ausführungen der Sachverständigen zu der Beweisfrage darlegt, kommt es daher nicht an. Gleiches gilt für die hilfsweisen Erwägungen der Revision, jedenfalls ergebe das Vorbringen der StA die inhaltliche Unzulänglichkeit des Gutachtens. ..." (BGH, Beschluss vom 01.04.2004 - 1 StR 101/04).
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Eine Wiedereinsetzung zur Nachholung von Verfahrensrügen ist ausnahmsweise nur dann möglich, wenn dem Verteidiger bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist trotz mehrfacher Mahnung Akteneinsicht nicht gewährt wurde und eine Verfahrensrüge nachgeschoben werden soll, die ohne Kenntnis der Akte nicht begründet werden kann. Der Verteidiger darf sich allerdings angesichts eines bevorstehenden Ablaufs der Revisionsbegründungsfrist nicht damit zufrieden geben, dass ihm auf seine telefonischen Nachfragen versichert wurde, das Protokoll sei abgesandt, sondern er hätte sich darum bemühen müssen, es bei Gericht einzusehen (BGH, Urteil vom 31.03.2004 - 2 StR 482/03).
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Das gibt es offenbar auch ...
?... Formulierungen wie
- das SchwurG lehne natürlich einen Beweisantrag im Ausdruck blinder Befangenheit ab ?
- die himmelschreiende Befangenheit der Richter der SchwurGer.-Kammer ?
- die Rechtsblindheit dieser Richter ?
- die SchwurGer.-Kammer hat in nahezu schamloser Weise gegen den Grundsatz im Zweifel zu Gunsten des Angeklagten verstoßen ?
- willkürliche und bösartige Unterstellungen der SchwurGer.-Kammer spiegeln in eindrucksvoller Weise ihre Befangenheit wieder ?
- im Hinblick darauf, dass der Vorsitzende Richter seit vielen, vielen Jahren den Vorsitz der SchwurGer.-Kammer führt, kann mit den Voraussetzungen für ein faires Strafverfahren im Bereich des LG Duisburg nicht mehr gerechnet werden ?
sind stillos und ungehörig, verstoßen gegen den guten Ton und das Taktgefühl, sie sind zudem dem Ansehen des Anwaltsstandes abträglich (vgl. BVerfGE 76, 171, 191ff.). Weder der Inhalt des angefochtenen Urteils noch die erhobene Verfahrensrüge noch die näher ausgeführte Sachrüge, soweit sich ihr ein sachlicher Kern entnehmen lässt, bieten einen dem Senat erkennbaren Anlass zu solchen Äußerungen. Auch wird mit dem Rechtsmittel eine etwaige Befangenheit der Richter nicht beanstandet. ..." (BGH, Beschluss vom 30.03.2004 - 3 StR 98/04) ...
Solche Formulierungen können einer Revision nicht zum Erfolg verhelfen, mag die Verärgerung der Verteidigung im konkreten Fall auch noch so verständlich sein.
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Will der Beschwerdeführer beanstanden, durch das Verfahren sei das Beschleunigungsgebot des Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK verletzt und die Verfahrensverzögerung sei im Urteil nicht berücksichtigt worden, so hat er die Tatsachen, die den behaupteten Verfahrensverstoß belegen, in der Revisionsbegründung darzulegen. Entsprechendes gilt, wenn der Beschwerdeführer beanstandet, das Urteil sei zwar allgemein vom Vorliegen einer Verfahrensverzögerung ausgegangen, aber Art, Ausmaß und Umstände dieser Verzögerungen seien nicht oder nicht genügend festgestellt (BGH, Beschluss vom 17.12.2003 - 1 StR 445/03).
In einem Fall, in dem nach dem eigenen Vortrag des Revisionsführers die Möglichkeit der Heilung eines mit der Revision gerügten Verfahrensfehlers in Betracht kommt, muß der Sachverhalt auch in dieser Hinsicht so vollständig mitgeteilt werden, daß dem Revisionsgericht die Beurteilung ermöglicht wird, ob ein bis zum Urteil fortwirkender Mangel vorliegt (BGH, Urteil vom 25.11.2003 - 1 StR 182/03).
Wird mit der Verfahrensrüge beanstandet, der dem Angeklagten für die Hauptverhandlung beigeordnete Pflichtverteidiger sei nicht von seinem Amt entbunden worden, obwohl es zu einer endgültigen und nachhaltigen Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Angeklagten und ihm gekommen sei, bedarf es des Vortrags der hierzu in der Hauptverhandlung abgegebenen Erklärungen des Verteidigers ebenso wie der dienstlichen Erklärungen eines Richters im Falle der Verfahrensrüge der Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs (BGH, Beschluss vom 18.11.2003 - 1 StR 481/03).
Wird die Aufklärungsrüge darauf gestützt, dass sich dem Gericht eine Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, so erfordert § 344 II 2 StPO die Darlegung der Umstände und Vorgänge, die für die Beurteilung dieser Frage bedeutsam sein könnten. Wird der Aufklärungsmangel aus dem Inhalt früherer, im Ermittlungsverfahren erfolgter Zeugenvernehmungen hergeleitet, so bedarf es daher regelmäßig deren (vollständiger) inhaltlicher Wiedergabe (BGH, Urteil vom 11.09.2003 - 4 StR 139/03).
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?... 1. Die Rüge des Verteidigers des Angekl. O, die StrK habe entgegen § 261 StPO die Einlassung dieses Angekl. unzureichend gewürdigt, ist bereits nicht in zulässiger Form erhoben, wäre aber auch unbegründet.
a) Zur Entstehung der Einlassung teilt die Revision lediglich mit, dass sich der Angekl. im Hauptverhandlungstermin am 28. 2. 2002 ?wie folgt' eingelassen habe, und gibt sodann den Wortlaut einer 10seitigen schriftlichen Erklärung wieder, der der Satz ?Für den Angekl. O soll nachfolgende Einlassung verlesen werden:' vorangestellt ist. Die Revision teilt entgegen § 344 II 2 StPO aber nicht mit, in welcher Weise sodann die Einlassung in der Hauptverhandlung Verwendung gefunden hat, insbesondere ob und durch wen das Schriftstück verlesen worden ist. Der Senat vermag daher nicht zu prüfen, ob der Wortlaut der Einlassung zum Inbegriff der Hauptverhandlung gemacht wurde. Denn nur wenn das Gericht die Verlesung dieses Schriftstücks angeordnet und durchgeführt hätte, wäre die Urkunde in ihrem Wortlaut in die Hauptverhandlung eingeführt worden und hätte von der Revision als Maßstab zur Überprüfung der Beweiswürdigung herangezogen werden können (vgl. BGHSt 38, 14, 16f.). Allerdings weist der Senat darauf hin, dass ein Gericht grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die schriftliche Einlassung eines Angekl. als Urkunde zu verlesen, da seine mündliche Vernehmung nicht durch die Verlesung einer schriftlichen Erklärung durch das Gericht ersetzt werden kann (BGH NStZ 2000, 439). Denn nach § 243 IV 2 StPO erfolgt die Vernehmung eines Angekl. zur Sache nach Maßgabe des § 136 II StPO, also grundsätzlich durch mündliche Befragung und mündliche Antworten (vgl. KK, 5. Aufl., § 243 Rn 44 mwN).
Hätte dagegen, wie es entgegen dieser gesetzlichen Regelung zunehmend praktiziert wird, lediglich der Angekl. selbst oder sein Verteidiger eine entsprechende Erklärung verlesen und als Anlage zum Protokoll übergeben, wäre nur der entsprechende mündliche Vortrag und gegebenenfalls die Erklärung des Angekl., dass er sich den Inhalt zu eigen mache, Gegenstand der Hauptverhandlung geworden. Aufgabe des Tatrichters wäre es dann gewesen, - wie auch bei anderen Beweisergebnissen - den Inhalt dieser mündlich vorgetragenen Einlassung festzustellen, in den Urteilsgründen wiederzugeben und im erforderlichen Umfang zu würdigen (vgl. BGHSt 38, 14, 16f.). Damit ist aber eine revisionsgerichtliche Kontrolle der Richtigkeit der Wiedergabe dieser Einlassung wegen des Verbots der Rekonstruktion der Hauptverhandlung im Revisionsverfahren nicht möglich (ebenso Park StV 2001, 589, 592).
b) Bedenken gegen die Zulässigkeit der Verfahrensrüge bestehen auch deshalb, weil auf Seite 81 der Revisionsbegründung nur sehr pauschal dargestellt wird, inwieweit eine Würdigung der Einlassung des Angekl. O vermisst wird. Es kann aber nicht Aufgabe des RevGer. sein, eine 10seitige Einlassung mit einem 180 Seiten umfassenden und insbesondere in der Darstellung der festgestellten Tatsachen und ihrer Würdigung außergewöhnlich gründlichem und umfangreichem Urteil daraufhin zu vergleichen, welche konkreten Punkte bei der Beweiswürdigung nicht behandelt worden sind. Erst in der Erwiderungsschrift vom 12. 3. 2003 - und damit nach dem Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - erfolgte eine derartige Konkretisierung, was allerdings die Zulässigkeit der Rüge nicht mehr zu begründen vermag.
c) Die Rüge wäre aber auch unbegründet. Der GBA hat in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegt, dass sich die JugK mit der Einlassung des Angekl. eingehend befasst hat. Es ist nicht ersichtlich, dass für das Ergebnis wesentliche Umstände außer Betracht geblieben wären. Denn der Grundsatz der erschöpfenden Beweiswürdigung bedeutet nicht, dass sich der Tatrichter mit allen auch nebensächlichen Aspekten und wenig ergiebigen Argumenten ausdrücklich auseinander zu setzen hätte (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2000, 48). ..." (BGH, Beschluss vom 14.08.2003 - 3 StR 17/03)
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Für die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge genügt es nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO, daß die den Mangel begründenden Tatsachen vollständig vorgetragen werden. Dagegen ist die Angabe von Beweismitteln und der Aktenstellen, aus denen sich diese Tatsachen ergeben, nicht erforderlich (BGH, Beschluss vom 21.05.2003 - 4 StR 157/02).
Wird mit der Verfahrensrüge beanstandet, der dem Angeklagten für die Hauptverhandlung beigeordnete Pflichtverteidiger sei nicht von seinem Amt entbunden worden, obwohl es zu einer endgültigen und nachhaltigen Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Angeklagten und ihm gekommen sei, bedarf es des Vortrags der hierzu in der Hauptverhandlung abgegebenen Erklärungen des Verteidigers ebenso wie der dienstlichen Erklärungen eines Richters im Falle der Verfahrensrüge der Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs (BGH, Beschluss vom 18.11.2003 - 1 StR 481/03).
Bei einer Aufklärungsrüge, die das Unterlassen der Einholung eines Sachverständigengutachtens rügt, muß das vom Sachverständigen anzuwendende Untersuchungsverfahren nicht näher bezeichnet werden. Auch - unvorhersehbare - Details der Vorbereitung eines grundsätzlich als Beweismittel geeigneten Sachverständigengutachtens muß die Revisionsbegründung auch dann nicht vortragen, wenn vor der Anwendung bestimmter Untersuchungsmethoden aus Rechtsgründen noch ergänzende Gerichtsbeschlüsse erforderlich sein sollten, wie etwa bei der DNA-Analyse (BGH, Urteil vom 22.01.2002 - 1 StR 467/01).
Bei einem Strafverfahren gegen mehrere Angeklagte, denen eine Vielzahl von Straftaten zur Last gelegt wird, läßt sich aus einer nicht näher ausgeführten allgemeinen Sachrüge das Anfechtungsziel der Staatsanwaltschaft nicht sicher ermitteln. Es bedarf vielmehr eines ausdrücklichen Antrags i. S. d. §§ 344 Abs. 1, 352, Abs. 1 StPO, um das Begehren der Beschwerdeführerin hinreichend klar zu erkennen (BGH, Beschluss vom 07.11.2002 - 5 StR 336/02).
Wird als Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht der Umstand mit der Revision gerügt, daß der Tatrichter es fehlerhaft unterlassen habe, bei der Akte befindliche Lichtbilder in der Hauptverhandlung in Augenschein zu nehmen, bedarf es für die Zulässigkeit der Rüge der Aufnahme der betreffenden Lichtbilder in die Revisionsbegründung (BGH, Urteil vom 08.03.2001 - 4 StR 477/00).
Die Rüge der Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen in Abwesenheit des aus der Hauptverhandlung entfernten Angeklagten kann u. U. den Vortrag von Einzelheiten einer besonderen Vernehmungsgestaltung erfordern, ohne den die Rüge unzulässig ist (BGH, Beschluss vom 24.01.2001 - 5 StR 603/00).
Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge, die auf das dem tatsächlichen Gang der Hauptverhandlung widersprechende Protokoll gestützt wird, können dann nicht bestehen, wenn der Verfasser der Revisionsbegründung in der Hauptverhandlung nicht anwesend war und ihm mögliches Wissen seines Mitverteidigers nicht zugerechnet werden kann (BGH, Beschluss vom 21.07.1999 - 3 StR 268/99, StV 1999, 585).
*** (OLG)
I. Das AG Oranienburg hat am 07.10.2009 den Angekl. [u.a.] ... zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 J. und 9 M. verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen diese Verurteilung hat der Angekl. mit dem am 08.10.2009 bei Gericht eingegangen Anwaltschriftsatz ?Rechtsmittel' eingelegt, dieses nach Zustellung des mit Gründen versehenen Urt. am 04.12.2009 mit bei Gericht am 21.12.2009 angebrachten Anwaltschriftsatz als ?Revision' bestimmt und diese mit Anträgen versehen sowie begründet. Der Betroffene hat ausschließlich die Verfahrensrüge unter Beanstandung der Verletzung von Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK erhoben.
II. Die Revision ist als Sprungrevision gem. § 335 StPO statthaft, die ausschließlich erhobene Verfahrensrüge ist jedoch unzulässig, was die Revision insgesamt unzulässig macht; die Sachrüge ist nicht erhoben worden.
1. Die von dem Angekl. erhobene Verfahrensrüge, mit der eine überlange, d.h. rechtsstaatswidrige Verfahrensdauer beanstandet wird, genügt nicht den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK. Da die Sachrüge nicht erhoben worden ist, kann der Senat die Urteilsgründe nicht ergänzend heranziehen.
a) Nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK hat auch ein nicht inhaftierter Angekl. das Recht auf eine Behandlung seiner Sache innerhalb angemessener Frist; diese beginnt, wenn der Besch. von den Ermittlungen gegen ihn in Kenntnis gesetzt wird und endet mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens. Ob die Verfahrensdauer noch angemessen ist, muss nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden. Dabei ist auf die gesamte Dauer von Beginn bis zum Ende der Frist abzustellen und es sind Schwere und Art des Tatvorwurfs, Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens, Art und Weise der Ermittlungen neben dem eigenen Verhalten des Besch. sowie das Ausmaß der mit dem Andauern des Verfahrens verbundenen Belastungen für den Besch. zu berücksichtigen (vgl. BVerfG NJW 2003, 2225 [= StV 2003, 383]; BGH wistra 2004, 298 m.w.N.). Eine gewisse Untätigkeit während eines bestimmten Verfahrensabschnitts führt daher nicht ohne weiteres zu einem Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK, sofern die angemessene Frist insgesamt nicht überschritten wird (vgl. BGH NStZ 2003, 384 m.w.N.).
b) Der BGH hat in zahlreichen Entscheidungen eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass für die Beanstandung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung grundsätzlich die Erhebung einer Verfahrensrüge gem. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO erforderlich ist (vgl. BGH 1. Strafsenat: Beschl. v. 18.11.2008 - 1 StR 568/08 [= StV 2009, 118]; Beschl. v. 23.06.2004 - 1 ARs 5/04; BGH 2. Strafsenat: Beschl. v. 13.02.2008 - 2 StR 356/07 [= StV 2008, 345]; Beschl. v. 17.08.2001 - 2 StR 267/01, Beschl. v. 26.04.2002 - 2 StR 55/02; Urt. v. 19.06.2002 - 2 StR 43/03; Urt. v. 25.11.2004, 2 StR 274/04; BGH 3. Strafsenat: Beschl. v. 12.08.2004 - 3 ARs 5/04; Beschl. v. 28.08.1998 - 3 StR 142/98 [= StV 1999, 205]; Beschl. v. 04.01.1999 - 3 StR 597/98 [= StV 1999, 205]; BGH 4. Strafsenat: Urt. v. 25.10.2005 - 4 StR 139/05; Beschl. v. 25.03.2004 - 4 ARs 6/04; in seiner am 26.05.2004 - 2 ARs 33/04 - beschlossenen Antwort auf den Anfragebeschluss des 5. Strafsenats des BGH v. 13.11.2003 - 5 StR 376/03 - hat beispielsweise der 2. Strafsenat des BGH an dieser Rechtsansicht festgehalten und sie näher begründet, zit. jeweils nach juris).
Zwar dürfen die Anforderungen an den Umfang der Darstellung der den Mangel enthaltenden Tatsachen bei der Beanstandung einer konventionswidrigen Verzögerung während eines - wie hier - mehrere Jahre währenden Verfahrens nicht überzogen werden. Von einem Bf. ist aber zu erwarten, dass er einen realistischen Überblick über den tatsächlichen Ablauf des Strafverfahrens gibt (BGH NJW 2008, 2451, 2452 [= StV 2008, 414]). Dieser Darstellung bedarf es deswegen, weil für die Frage der Konventionswidrigkeit das Verfahren insgesamt zu beurteilen ist, regelmäßig beginnend mit dem Zeitpunkt, in dem der Besch. von der Einleitung des gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens Kenntnis erlangt. Der Revisionsführer muss in der Revisionsbegründung gem. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO die Tatsachen (z.B. Schwere und Art des Tatvorwurfs, Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens, Art und Weise der Ermittlungen, Zeiten der Untätigkeit der Strafverfolgungsorgane) darlegen, die den behaupteten Verfahrensverstoß belegen. Nur so ist dem Revisionsgericht eine entsprechende Nachprüfung des behaupteten Verfahrensverstoß möglich (vgl. BGH NStZ 2004, 504 [= StV 2004, 308]).
c) Diesen Begründungsanforderungen wird die Revisionsbegründung jedoch nicht gerecht. Die Revision stellt den Verlauf des gegen den Angekl. geführten Strafverfahrens nicht in einem Umfang dar, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in der Lage wäre, das Vorliegen eines Verfahrensverstoßes zu überprüfen. Der Angekl. beschränkt sich in seiner Revisionsbegründungsschrift v. 07.12.2009 (21.12.2009) darauf, die Daten des Tattags, des Urt., des Abschlusses der polizeilichen Ermittlungen, der Anklageerhebung und eines früheren Hauptverhandlungstermins mitzuteilen; erwähnt wird überdies, dass verschiedene Verfahren verbunden und wieder getrennt worden waren und dass ein Zeuge unter einer falschen Anschrift geladen worden war. An Hand dieser Angaben ist der Senat nicht in der Lage zu überprüfen, ob hier eine rechtsstaatswidrige Verfahrensdauer i.S.d. Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK anzunehmen ist. Welche Verfahren verbunden und wieder getrennt worden sind, teilt der Revisionsführer ebenso wenig mit wie die Hintergründe und die Bedeutung der fehlerhaften Ladung des Zeugen .... Insbes. fehlen auch Angaben zum Umfang und zur Schwierigkeit des Verfahrens, zur Art und Weise der Ermittlungen, und vor allem zu etwaigen Zeiten der Untätigkeit der Strafverfolgungsorgane. ..." (OLG Brandenburg, Beschluss vom 24.03.2010 - (1) 53 Ss 42/10)
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Erhebt der Angeklagte die ?Inbegriffsrüge" der Verletzung des§ 261 StPO und trägt dazu vor, das Berufungsgericht habe strafschärfend Sachverhalte aus nach § 154 StPO behandelten anderen Verfahren berücksichtigt, ohne diese Sachverhalte in der Hauptverhandlung ?erörtert" zu haben, kann hierin eine Verfahrensrüge der Verletzung der Hinweispflichten nach § 265 I, II StPO jedenfalls dann liegen, wenn zur Begründung dieser Rüge das Protokoll der Hauptverhandlung angeführt wird und dieses Protokoll die wesentliche Förmlichkeit eines solchen Hinweises nicht enthält (OLG München, Beschluss vom 22. 06. 2009 - 5 St RR 88/09):
?... I. Das Amtsgericht Augsburg verurteilte den Angeklagten am 8. Oktober 2007 wegen Hausfriedensbruchs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Berufung ein und beschränkte mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft sein Rechtsmittel im Termin zur Berufungshauptverhandlung vor dem Landgericht Augsburg auf den Rechtsfolgenausspruch. Am 21. Mai 2008 verwarf die Berufungskammer die Berufung des Angeklagten als unbegründet. Gegen dieses Berufungsurteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision.
II. Die nach §§ 333 , 337 Abs. 1 , 341 Abs. 1 , 344 , 345 StPO zulässige Revision erweist sich als begründet, da das Berufungsgericht der Bemessung der Rechtsfolgen, ohne den Angeklagten gemäß § 265 Abs. 1 , Abs. 2 StPO auf diese Möglichkeit hinzuweisen, strafschärfend Umstände zugrunde gelegt hat, die aus nach § 154 StPO eingestellten anderen Verfahren stammten.
1. Die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch begegnet keinen rechtlichen Bedenken ( § 318 StPO ), so dass der Schuldspruch gegen den Angeklagten in Rechtskraft erwachsen ist.
2. Soweit sich der Beschwerdeführer mit der Sachrüge gegen die Bemessung der Rechtsfolgen wendet, greift diese nicht durch. Insoweit wird auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 16. März 2009 Bezug genommen. Die Erwiderung des Beschwerdeführers vom 1. April 2009 gibt zu Ergänzungen nur insoweit Veranlassung, als sie wiederholend auf die Verletzung des § 56 Abs. 3 StGB zurückkommt. Aus den Gründen des angegriffenen Urteils (BU S. 10 f.) ist klar ersichtlich, dass die Strafkammer § 56 Abs. 3 StGB ergänzend zu ihren Überlegungen zu § 56 Abs. 1 StGB hinzugezogen hat. Die Anwendung des § 56 Abs. 1 StGB ist aus vorgenannten Gründen rechtsfehlerfrei. Da die Berufungskammer schon die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 StGB rechtsfehlerfrei verneint hat, kommt es auf § 56 Abs. 3 StGB nicht mehr an (vgl. Fischer StGB 56. Aufl. § 56 Rn. 13). In keiner Weise legen die Urteilsgründe nahe oder zwingen sogar zu der Annahme, dass die Strafkammer die Voraussetzungen die Aussetzung der Vollstreckung abgelehnt habe, weil sie kumulativ sowohl eine ungünstige Sozialprognose nach § 56 Abs. 1 StGB gestellt hat als auch davon ausgegangen ist, die Verteidigung der Rechtsordnung würde die Vollstreckung gebieten. Zudem sind die tatrichterlichen Erwägungen zu § 56 Abs. 3 StGB zwar knapp, tragen aber im Rahmen des § 267 Abs. 3 StPO die hilfsweise Stütze, dass die Aussetzung der Vollstreckung auch aus diesen Gründen zu versagen ist.
3. Die erhobenen verfahrensrechtlichen Rügen sind nur zum Teil zulässig. Die erhobene "Inbegriffsrüge" ist nur nach Maßgabe ihrer Auslegung durch den Senat zulässig und begründet.
a) Die erhobene Aufklärungsrüge ist unzulässig. Auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 16. März 2009 wird Bezug genommen. Indessen kommt es auf sie - aus den unter II. 3. b) wiedergegebenen Gründen - nicht an.
b) Die erhobene "Inbegriffsrüge" nach § 261 StPO ist - nach Auslegung durch den Senat - als verfahrensrechtliche Rüge der Verletzung des § 265 Abs. 1 , Abs. 2 StPO nach § 344 Abs. 2 StPO zulässig und begründet.
(1) Der Angeklagte rügt die Verletzung des § 261 StPO . Hierzu trägt die Revision vor, das Landgericht habe seine Erwägungen zur Bemessung der kurzen Freiheitsstrafe nach § 47 Abs. 1 StGB und zur Versagung der Aussetzung der Bewährung nach § 56 Abs. 1 StGB auf Tatsachen gestützt, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen sind. Denn das Landgericht habe strafschärfend berücksichtigt, dass gegen den Angeklagten in einem weiteren Verfahren der Staatsanwaltschaft Augsburg mit dem Aktenzeichen 305 Js 130505/07 wegen eines angeblichen am 9. Juni 2007 begangenen Hausfriedensbruchs und Bedrohung Anklage erhoben worden war, wobei von einer Verfolgung des Angeklagten in diesem Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO in Hinsicht auf das hier vorliegende Strafverfahren abgesehen wurde. Tatsächlich aber sei das Verfahren mit dem Aktenzeichen 305 Js 130505/07 nicht Gegenstand der Hauptverhandlung vom 21. Mai 2007 vor der Berufungskammer gewesen. Die Revision führt an, weder in dem Verfahren vor dem Amtsgericht noch in dem Verfahren vor dem Landgericht sei der Sachverhalt in dem Verfahren 305 Js 130505/07 erörtert worden.
(2) Zu dieser vom Beschwerdeführer erhobenen verfahrensrechtlichen Inbegriffsrüge nach § 261 StPO hat die Generalstaatsanwaltschaft Stellung genommen und bezweifelt gemäß § 344 Abs. 2 S. 2 StPO deren Zulässigkeit, weil die Verletzung des § 261 StPO nur pauschal vorgetragen worden sei, aber offen bleibe, ob der Gegenstand des Verfahrens der Staatsanwaltschaft Augsburg mit dem Aktenzeichen 305 Js 130505/07 in anderer Weise in das Verfahren, etwa im Wege des Vorhalts, eingeführt worden sei. Das Protokoll der Hauptverhandlung weise die Verlesung des Bewährungshilfeberichts vom 18. März 2008 aus, der u.a. auf dieses nach § 154 Abs. 2 StPO behandelte Verfahren Bezug nimmt. Es erscheine kaum vorstellbar, dass dann nicht spätestens im Zusammenhang hiermit auch über dieses weitere Verfahren gesprochen wurde. Zwar habe einerseits insoweit die Hauptverhandlung nicht rekonstruiert werden können. Andererseits könne nicht positiv festgestellt werden, dass dieses weitere Verfahren nicht Gegenstand der Berufungsverhandlung gewesen wäre. Insoweit verbleibende Zweifel wirkten sich aber bei Verfahrensrügen zu Lasten des Revisionsführers aus.
(3) Revisionsrechtliche Rügen, auch Verfahrensrügen, sind gemäß § 300 StPO analog der Auslegung zugänglich (BGHSt 25, 272/275; Meyer- Goßner StPO 51. Aufl. § 300 Rn. 1 und § 344 Rn. 11; Kuckein in KK 6. Aufl. § 344 Rn. 20), wenn das Revisionsvorbringen die erforderliche Grundlage dafür bietet (Meyer-Goßner a.a.O. § 344 Rn. 11; Kuckein a.a.O. § 344 Rn. 20). Aus Art. 19 Abs. 4 GG , der zwar nach seinem Wortlaut nur den Zu- gang zu den Gerichten eröffnet, ergibt sich hierbei, dass die Auslegung, so sie im Revisionsvorbringen eine hinreichende Stütze findet, sich am Ziel des Revisionsangriffs orientieren und das - soweit wie möglich - das vernünftigerweise Gewollte angenommen werden muss (Kuckein a.a.O. § 300 Rn. 2). Mit anderen Worten, die Auslegung hat sich daran zu orientieren, dass der mit der Revision erstrebte Erfolg eintreten kann (OLG Koblenz NJW 1975, 322 [OLG Koblenz 19.09.1974 - 1 Ss 196/74] ; Meyer-Goßner a.a.O. § 344 Rn. 11; Kuckein a.a.O. § 300 Rn. 2). Hierbei ist zu beachten, dass es keiner genauen Bezeichnung der ver- letzten Rechtsnorm durch den Beschwerdeführer bedarf und auch eine fehlerhafte Bezeichnung der Rechtsnorm nicht schadet (Kuckein a.a.O., § 344 Rn. 19, 34). Wesentlich ist vielmehr die wirkliche rechtliche Bedeutung, wie es dem Sinn und Zweck des Vorbringens zu entnehmen ist (BGHSt 19, 273/275; BayObLGSt 2003, 98/99; OLG München NStZ 2006, 353 [OLG München 19.01.2006 - 5 St RR 130/05] Rn. 2).
Indem der Beschwerdeführer rügt, dass bei der Strafzumessung zu seinem Nachteil Tatsachen verwendet wurden, die in der Hauptverhandlung "nicht erörtert" wurden, behauptet er zwar ausdrücklich einen verfahrensrechtlichen Verstoß gegen § 261 StPO . Diese verfahrensrechtliche Tatsachenbehauptung ist aber unter Anwendung der vorangestellten Grundsätze auszulegen, wobei das aus ihr erkennbare Angriffsziel und nicht deren vom Revisionsführer vorgenommene Verknüpfung mit § 261 StPO maßgeblich ist. Der Revisionsangriff zielt auf die Behauptung ab, dass die strafschärfende Einbeziehung der nach § 154 StPO ausgeschiedenen sonstigen Straftaten mangels Erörterung den Angeklagten überrascht habe, weil das Gericht ihn hierauf nicht aufmerksam gemacht habe.
Zwar kann auch ein weiteres, nach § 154 StPO behandeltes Verfahren bei der Strafzumessung (und sodann bei der Frage nach der Aussetzung der Vollstreckung der Bewährung im Rahmen des § 56 StGB ) zum Nachteil ei- nes Angeklagten gewendet werden (Fischer, StGB, 56. Aufl., § 46 Rn. 41 m.w.N.). Soll dies geschehen, gebietet der Grundsatz des Fair Trial je- doch, dass in einem solchen Fall das Gericht den Angeklagten gemäß dem in § 265 StPO niedergelegten Rechtsgedanken auf diese Möglichkeit hin- weist, dass der fragliche Sachverhalt eindeutig eingrenzbar ist und der An- geklagte Gelegenheit hatte, sich zu äußern (Fischer, StGB, a.a.O.).
Indem die Revision zwar vordergründig die Verletzung des § 261 StPO rügt, macht sie in Wirklichkeit die Verletzung des § 265 StPO und damit die Verletzung des Grundsatzes des Fair Trial geltend.
Diese Auslegung findet im Revisionsvorbringen hinreichende tatsächliche Stütze. Denn in der behaupteten fehlenden Erörterung liegt denknotwendig auch die Behauptung, dass es seitens der Berufungskammer unterlassen worden sei, auf die Möglichkeit der strafschärfenden Berücksichtigung des vorläufig nach § 154 StPO ausgeschiedenen Verfahrens hinzuweisen.
(4) Dieses Tatsachenvorbringen verbunden mit der Wiedergabe der Grün- de des Berufungsurteils, die gerade diese Strafschärfung enthalten, genügt den Anforderungen und ist als Verfahrensrüge auch zulässig erhoben, weil sich aus ihr der durch Auslegung ermittelte Verfahrensmangel und die sie enthaltenden Tatsachen ergeben ( § 344 Abs. 2 StPO ).
(5) Die Rüge der Verletzung des § 265 Abs. 1 , Abs. 2 StPO analog erweist sich auch als begründet. Ausweislich der von der Revision angeführten Urteilsgründe hat die Berufungskammer (BU S. 8 und S. 10) nach § 154 StPO eingestellte Verfahren sowohl bei der Bemessung der Freiheitsstrafe nach § 47 StGB als auch bei der Frage nach der Aussetzung der verhängten Freiheitsstrafe nach § 56 Abs. 1 StGB gegen den Angeklagten verwandt. Dies ist zwar grundsätzlich zulässig, verlangt aber zuvor eines gerichtlichen Hinweises nach § 265 Abs. 1 , Abs. 2 StPO . Seine Erteilung ist wesentliche Förmlichkeit (zum Begriff Meyer-Goßner a.a.O. § 273 Rn. 6 f. mit Nachweisen von Einzelfällen) und muss daher in das Protokoll der Hauptverhandlung aufgenommen werden. Die Revision führt unter hinreichender Darstellung des Hauptverhandlungsprotokolls und nach angriffsorientierter Auslegung des Vorbringens durch den Senat an, dass ein solcher Hinweis nicht erteilt worden ist.
Tatsächlich enthält das Hauptverhandlungsprotokoll die Erteilung des erforderlichen Hinweises nicht. Insoweit streitet die - negative - Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokolls nach § 274 StPO für das Revisionsvorbringen (Meyer-Goßner, a.a.O. § 274 Rn. 14).
(6) Auf dieser Verletzung beruht das Urteil sowohl bei der Bemessung der kurzen Freiheitsstrafe nach § 47 Abs. 1 StGB als auch bei der Frage, ob die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe nach § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden konnte. Sowohl im Zusammenhang mit § 47 Abs. 1 StGB als auch im Zusammenhang mit § 56 Abs. 1 StGB lassen die Ausführungen des Berufungsurteils (BU S. 8, S. 10) erkennen, dass das Verfahren mit dem Aktenzeichen: 305 Js 130505/07 Einfluss zum einen auf die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe (statt einer Geldstrafe), möglicherweise auch auf die Höhe der angemessenen Freiheitsstrafe, zum anderen aber auch darauf hatte, gemäß § 56 Abs. 1 StGB die Strafaussetzung zur Bewährung zu versagen.
III. Gemäß § 349 Abs. 4 StPO i.V.m. § 353 StPO war daher das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 21. Mai 2008 samt den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache gemäß § 354 Abs. 2 StPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Augsburg zurückzuverweisen. ..."
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Die im Rahmen einer gegen ein nach § 329 Abs. 1 S. 1 StPO ergangenes Urteil gerichteten Revision erhobene Rüge, das Gericht habe ohne weitere Nachforschungen ein ärztliches Attest über die Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten als nicht ausreichende Entschuldigung angesehen und damit seine Aufklärungspflicht verletzt, genügt nur dann den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO, wenn mitgeteilt wird, was das Ergebnis der unterbliebenen Nachforschung gewesen wäre (im Anschluss an BayObLGSt 1996, 90/93 und OLG Zweibrücken v. 24.11.2000, Az. 1 Ss 165/00; OLG München, Urteil vom 18.11.2008 - 4 St RR 100/08).
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Die Vereidigung eines Zeugen trotz eines Vereidigungsverbots kann auch dann als Rechtsfehler zum Gegenstand der Revision gemacht werden, wenn sich aufgrund der Urteilsgründe tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme eines Vereidigungsverbotes ergeben, diese von dem erkennenden Gericht aber nicht geprüft wurden (OLG Köln StV 2004, 308 f).
Wird mit der Verfahrensrüge die fehlerhafte Vereidigung eines Zeugen gerügt, müssen zur Begründung eines behaupteten Vereidigungsverbotes die Aussagen bzw. das Aussageverhalten des vereidigten Zeugen in der Hauptverhandlung und bei früheren Vernehmungen mitgeteilt werden (OLG Hamm StV 2004, 309).
Läßt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen, welche der verwerteten Urkunden aus einer vom Beschwerdeführer als rechtswidrig bezeichneten und welche aus einer von ihm nicht angegriffenen Beschlagnahme stammen, so sind im Rahmen der Verfahrensrüge, mit der die Verwertung zu Unrecht beschlagnahmter Urkunden angegriffen wird, nicht nur die Tatsachen zur Fehlerhaftigkeit der Beschlagnahme vorzutragen, sondern auch die verwerteten Urkunden zu bezeichnen und die fehlenden tatrichterlichen Feststellungen zu ihrer Gewinnung im Rahmen der rechtswidrigen Beschlagnahme mit der Aufklärungsrüge zu beanstanden (BayObLG StV 2004, 309 f).
Zur Begründung der Verfahrensrüge, mit der die Verletzung des Akteneinsichtsrechts während der Hauptverhandlung geltend gemacht wird, reicht es nicht aus, wenn nur der Akteneinsichtsantrag und die daraufhin ergangene Entscheidung des Tatrichters mitgeteilt wird. Vielmehr muß ggf. auch noch vorgetragen werden, daß die Akte zum Zeitpunkt der Einsichtnahme nicht vollständig gewesen ist und welche Bestandteile gefehlt haben, sowie vor allem, welche Gründe einer - ggf. nochmaligen - erneuten und dann vollständigen Akteneinsicht entgegenstanden haben. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Rüge, daß eine nicht verlesene Urkunde zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht worden sei, gehört der Vortrag, daß die Urkunde auch nicht in anderer Weise, nämlich durch Vorhalt oder durch die Vernehmung von Zeugen, in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Ob zudem erforderlich ist, daß (immer) auch vorgetragen wird, daß von der Urkunde auch nicht im Wege des Selbstleseverfahrens gem. § 249 Abs. 2 S. 1 StPO Kenntnis genommen worden ist, kann offen bleiben (OLG Hamm StV 2004, 310 f).
Wird mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, der Tatrichter habe, ohne zuvor auf diese Möglichkeit hinzuweisen, durch vorläufige Teileinstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Verfahrensstoff bei der Verurteilung des Angeklagten zu seinen Lasten verwertet, ist die Verfahrensrüge nur dann ausreichend begründet, wenn auch vorgetragen wird, in welchem Verfahrensstadium das Verfahren eingestellt worden ist (OLG Hamm StV 2004, 313 f).
Begründung von Entscheidungen
Siehe unter ?Notwendigkeit einer Begründung".
Begünstigung § 257 StGB
(1) Wer einem anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der Absicht Hilfe leistet, ihm die Vorteile der Tat zu sichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.
(3) Wegen Begünstigung wird nicht bestraft, wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist. Dies gilt nicht für denjenigen, der einen an der Vortat Unbeteiligten zur Begünstigung anstiftet.
(4) Die Begünstigung wird nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgt, wenn der Begünstiger als Täter oder Teilnehmer der Vortat nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgt werden könnte. § 248a gilt sinngemäß.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Das Landgericht hat den Angeklagten unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 9. November 2005 und unter Auflösung der dort verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren wegen Begünstigung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie wegen Hehlerei, wegen Begünstigung in zwei Fällen, wegen versuchter Strafvereitelung, wegen Beihilfe zum versuchten Diebstahl ?im besonders schweren Fall' und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und bestimmt, dass die Verwaltungsbehörde dem Angeklagten vor Ablauf eines Jahres keine neue Fahrerlaubnis erteilen darf. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er allgemein die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das Urteil hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht den Angeklagten der Begünstigung für schuldig befunden hat [III. Fälle 1), 2), 5) sowie 6/7) der Urteilsgründe].
a) Nach den Feststellungen stellte der Angeklagte seinem Bruder Z. T. regelmäßig seinen ebay account zur Verfügung. Spätestens seit Anfang 2005 war der Angeklagte auch damit einverstanden, dass sein Bruder über seinen ebay account von ihm selbst oder von Dritten gestohlene Sachen verkaufte. Die jeweiligen Käufer zahlten den Kaufpreis auf ein Giro-Konto des Angeklagten ein, der den entsprechenden Betrag dann von seinem Konto abhob und das Geld bar an seinen Bruder aushändigte. Der Angeklagte wollte seinem Bruder dadurch beim Absatz gestohlener Waren helfen. Dass der Angeklagte selbst einen Teil der Verkaufserlöse für sich behielt, konnte nicht festgestellt werden.
Auf diese Weise veräußerte Z. T. im Zeitraum von Mitte Mai 2005 bis Mitte April 2006 in vier Fällen aus Diebstählen stammende Gegenstände über den ebay account des Angeklagten, wobei in den Fällen III. 1) und 2) die Gegenstände von Z. selbst gestohlen worden waren, während in den Fällen III. 5) sowie 6/7) Z. T. sich die Gegenstände in Kenntnis von deren Herkunft verschafft hatte.
b) Das Landgericht hat die Förderung des Absetzens der gestohlenen Gegenstände und das Weiterleiten der Verkaufserlöse durch den Angeklagten an seinen Bruder als Begünstigung nach § 257 StGB gewertet. Hehlerei (§ 259 Abs. 1 StGB) in der Form der Absatzhilfe hat es verneint, weil der Angeklagte sich selbst nicht bereichert habe und sein Bruder hier nicht ?Dritter' im Sinne des Hehlereitatbestandes gewesen sei.
c) Die rechtliche Beurteilung der Taten als vier selbständige Taten der Begünstigung im Sinne von § 257 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
aa) Die Begünstigung ist nach ständiger Rechtsprechung nur strafbar, soweit dem Vortäter dadurch die unmittelbaren Vorteile der Tat gesichert werden sollen, die er zur Zeit der Begünstigungshandlung noch innehaben muss (BGHSt 24, 166 f; 36, 277, 281; BGH NStZ 1987, 22; Cramer in MüKo-StGB § 257, Rdn. 11, 13; Stree in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 257, Rdn. 23).
Denn um ?die' Vorteile der Tat handelt es sich nicht mehr, wenn dem Vortäter sich erst aus der Verwertung der Tatvorteile ergebende wirtschaftliche Werte zugewendet oder gesichert werden sollen (BGH NStZ aaO). Danach ist der Erlös aus einem Verkauf des Erlangten kein unmittelbarer Vorteil mehr, der Gegenstand der Begünstigung im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB sein kann (Fischer StGB 55. Aufl. § 257 Rdn. 6). Diese tatbestandlichen Voraussetzungen des § 257 Abs. 1 StGB hat das Landgericht nicht hinreichend bedacht.
bb) Allerdings könnte eine taugliche Begünstigungshandlung im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB darin zu sehen sein, dass der Angeklagte seinem Bruder seinen ebay account zur Verfügung stellte und ihm dadurch bei dem Verkauf der entwendeten Gegenstände Hilfe leistete (vgl. Fischer aaO). Voraussetzung wäre indes, dass der Angeklagte dabei zumindest auch in der Absicht gehandelt hätte, seinen Bruder vor der Wiederentziehung der entwendeten Gegenstände zu bewahren (BGHSt 2, 362, 364). Eine solche Absicht ist jedoch nicht belegt. Vielmehr hat das Landgericht ausdrücklich festgestellt, dass weder der Angeklagte noch sein Bruder im Tatzeitraum einen Zugriff der Ermittlungsbehörden befürchteten.
Der Angeklagte hat aber entgegen der Auffassung des Landgerichts auch dadurch, dass er nach dem Verkauf den Erlös jeweils an seinen Bruder ausgekehrt hat, den Tatbestand der Begünstigung nicht erfüllt; denn die Erlöse stellten nicht mehr die von seinem Bruder erlangten unmittelbaren Tatvorteile dar. Anders verhielte es sich insoweit nur, wenn Z. T, - was aber nicht festgestellt ist - durch die Verkäufe tatbestandsmäßig Betrug zum Nachteil der Erwerber begangen hätte und der Angeklagte tätig geworden wäre, um ihm die betrügerisch erlangten Verkaufserlöse zu sichern (vgl. Schönke/Schröder-Stree aaO).
c) Davon abgesehen, steht dem Schuldspruch wegen Begünstigung die Subsidiaritätsklausel des § 257 Abs. 3 Satz 1 StGB entgegen, wonach wegen Begünstigung nicht bestraft wird, wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist. Davon ist hier auszugehen. Denn nach den Feststellungen stellte der Angeklagte seinem Bruder seinen ebay account bereits spätestens Anfang 2005 in dem Wissen zur Verfügung, dass sein Bruder unter seinem, des Angeklagten, Namen über seinen ebay account die entwendeten Waren veräußern würde. Hat er damit seinem Bruder aber schon im Voraus die Hilfestellung beim Absatz der entwendeten Gegenstände zugesagt, liegt darin zugleich eine Beihilfe zu den von seinem Bruder begangenen Diebstählen [III. 1) und 2)] bzw. zu der Hehlerei in den Fällen III. 5) sowie 6/7).
d) Der Schuldspruch bedarf aber auch hinsichtlich der Konkurrenz der vom Landgericht als Begünstigung gewerteten Taten der Änderung. Denn nach den getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Angeklagte seinem Bruder von vornherein für dessen nachfolgende Straftaten die Benutzung seines ebay account gestattete, ohne dass dies insoweit jeweils ein erneutes Tätigwerden des Angeklagten verlangte. Darauf kommt es aber an, da sich nach ständiger Rechtsprechung die Frage der Konkurrenz für jeden Tatbeteiligten selbständig nach der Anzahl seiner Tathandlungen beurteilt (vgl. BGHR StGB § 27 Abs. 1 Konkurrenzen 1). Hat der Angeklagte damit aber seinem Bruder jedenfalls nicht ausschließbar einmal allgemein gestattet, künftig seinen ebay account für die Verkäufe zu nutzen, hat er sich ungeachtet der mehreren selbständigen Straftaten seines Bruders nach dem Zweifelsgrundsatz nur rechtlich einer einheitlichen Beihilfehandlung schuldig gemacht (vgl. Fischer aaO § 27 Rdn. 31 mit Rechtsprechungsnachweisen). Diese einheitliche Beihilfehandlung wurde erst mit der letzten Tat des Bruders, und damit nach der Vorverurteilung des Angeklagten vom 9. November 2005 beendet (vgl. Fischer aaO vor § 52 Rdn. 58 und § 55 Rdn. 7).
e) Der Senat ändert nach alledem den Schuldspruch auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO dahin, dass der Angeklagte statt der vier als Begünstigung ausgeurteilten Fälle der (einen) Beihilfe zum Diebstahl bzw. zur Hehlerei in jeweils zwei tateinheitlichen Fällen schuldig ist. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Denn es ist auszuschließen, dass sich der insoweit geständige Angeklagte gegen den geänderten Schuldspruch wirksamer verteidigt hätte.
Soweit nicht ausschließbar die Veräußerung der gestohlenen Gegenstände durch den Bruder des Angeklagten auch eine tatbestandsmäßige Betrugshandlung darstellt und der Angeklagte durch die Auskehrung des jeweiligen Verkaufserlöses insoweit den Begünstigungstatbestand erfüllt haben kann (s.o. zu b bb a.E.), hat der Senat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die Verfolgung gemäß § 154 a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der Beihilfe zum Diebstahl bzw. zur Hehlerei beschränkt. ..." (BGH, Beschluss vom 29.04.2008 - 4 StR 148/08)
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Wer einem Angehörigen des Angeklagten zuredet, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, begeht nur Begünstigung, wenn er sich dabei unerlaubter Mittel bedient (BGH, Urteil vom 18.10.1957 - 5 StR 383/57, BGHSt 10, 393 ff).
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d. Der Angeklagte ist darüber hinaus auch der Begünstigung (§ 257 Abs. 1 StGB) hinreichend verdächtig.
Das Wesen der Begünstigung liegt in der Hemmung der Rechtspflege, die dadurch bewirkt wird, daß der Täter die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes verhindert, der sonst durch ein Eingreifen des Verletzten oder von Organen des Staates gegen den Vortäter wieder hergestellt werden könnte. Der Täter der Begünstigung beseitigt oder mindert die Möglichkeit, die Wiedergutmachung des dem Verletzten zugefügten Schadens durch ein Einschreiten gegen den Vortäter zu erreichen, das diesem den durch die Vortat erlangten Vorteil wieder entziehen würde (BGH NStZ 1987, 22; BGH NStZ 1994, 187, 188). Hiervon ausgehend ist der hinreichende Tatverdacht der Begünstigung im vorliegenden Fall sowohl hinsichtlich der Eröffnung des Bankkontos durch den Angeklagten zum Zwecke der Entgegennahme des aus Ägypten stammenden Geldbetrages als auch durch die Hinterlegung der Kaution im eigenen Namen gegeben.
aa. Eine rechtswidrige Vortat liegt nach dem Ergebnis der Ermittlungen in Form des dem Beschuldigten A zur Last gelegten mehrfachen gewerbsmäßigen Betruges zum Nachteil der D ... vor. Ähnlich wie bei der oben erwähnten Beihilfe zum Vereiteln der Zwangsvollstreckung (§§ 288 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB - dort wegen des Grundsatzes der limitierten Akzessorietät) kommt es auch hier auf ein Verschulden des Vortäters nicht an (Tröndle/Fischer, 52. Auflage, § 257 StGB, Rdnr. 3; Stree in Schönke/Schröder, StGB, 26. Auflage, § 257, Rdnr. 4), so daß insoweit auf die obigen Ausführungen verwiesen wird.
bb. Durch seine rechtswidrigen Taten hatte der Vortäter A Vorteile zumindest in Höhe des im Haftbefehl vom 24.07.2002 genannten Schadensbetrages von 1.008.446 EUR erlangt. Zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Vornahme der Begünstigungshandlungen des Angeklagten (vgl. BGH NStZ 1994, 187, 188; Tröndle/Fischer, 52. Auflage, § 257 StGB, Rdnr. 6) befand sich A noch im Genuß dieser Vorteile, insbesondere in Gestalt des konkret zum Zwecke der Kautionszahlung überwiesenen, die oben genannte Schadenssumme teilweise beinhaltenden Betrages von 2.096.850 EUR. Diese Vorteile sind unmittelbar (vgl. zu diesem Erfordernis: BGHSt 36, 277, 281; BGH NStZ 1987, 22; Tröndle/Fischer, 52. Auflage, § 257 StGB, Rdnr. 6; Stree in Schönke/Schröder, StGB, 26. Auflage, § 257, Rdnr. 23) durch die rechtswidrigen Vortaten erlangt worden. Nach der in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend vertretenden Auffassung geht die Unmittelbarkeit des aus der Vortat stammenden Vorteils nicht dadurch verloren, daß der Vortäter das - hier betrügerisch - aus der Vortat erlangte Geld auf sein Bankkonto einzahlt und es später wieder abhebt; denn hierbei handelt es sich um rein finanztechnische Vorgänge, die bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise nichts an der Unmittelbarkeit des geldwerten Vermögensvorteils ändern (BGHSt 36, 277; Stree in Schönke/Schröder, StGB, 26. Auflage, § 257, Rdnr. 23; Tröndle/Fischer, 52. Auflage, § 257 StGB, Rdnr. 6; offengelassen, in der Tendenz aber bejahend: BGH NStZ 1987, 22).
cc. Indem der Angeklagte zur Umsetzung des von dem Mitverteidiger Prof. Dr. RA 1 geäußerten Vorhabens im eigenen Namen ein Bankkonto zur Entgegennahme des für die Kautionszahlung bestimmten Geldes des Beschuldigten A eröffnete und sodann die Kaution im eigenen Namen hinterlegte, hat er Begünstigungshandlungen zugunsten seines Mandanten A vorgenommen. Von einer Begünstigungshandlung ist dann auszugehen, wenn diese objektiv geeignet ist, die durch die Vortat erlangten Vorteile - etwa durch eine Erschwerung des Zugriffs der Gläubiger (vgl. BGHSt 47, 68, 82) - zu sichern, wobei schon eine abstrakte Gefährdung im Sinne einer generellen Eignung der Handlung zur Vorteilssicherung ausreicht (Tröndle/Fischer, 52. Auflage, § 257 StGB, Rdnr. 7).
An dem Vorliegen dieser Voraussetzungen ändert der Umstand nichts, daß die Staatsanwaltschaft Kenntnis davon hatte, daß der für die Kautionszahlung benötigte Geldbetrag von einem Konto des Beschuldigten A in Ägypten nach Deutschland überwiesen werden sollte. Ebenso trägt auch in diesem Zusammenhang das oben bereits behandelte Argument nicht, mit der vorgenannten Überweisung sei eine greifbare Zwangsvollstreckungsmöglichkeit für die Gläubiger erst geschaffen worden.
Durch die von dem Angeklagten vorgenommene Eröffnung des Kontos auf seinen Namen und die Verwahrung des für die Kautionsleistung bestimmten Betrages auf diesem wurden, wenn auch zunächst nur für einen relativ kurzen Zeitraum, die Restitutionsmöglichkeiten sowohl in Form eines Zugriffs der Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung als auch in Form der Sicherstellung durch den Staat gemäß § 111 b Abs. 5 StPO deutlich erschwert. Ein Zugriff auf das Geld war - ohne daß die (sich ohnehin nicht auf die konkreten Einzelheiten des Zahlungsvorgangs erstreckende) Kenntnis der Staatsanwaltschaft hieran etwas ändern würde - nicht ohne weiteres möglich, solange die Summe sich auf dem Privatkonto des Angeklagten befand.
Die Restitutionsmöglichkeiten wurden sodann - für einen wesentlich längeren, bis heute andauernden Zeitraum - zusätzlich dadurch erschwert, daß der Angeklagte die Haftkaution im eigenen Namen hinterlegte. Eine solche Vorgehensweise stellt jedenfalls dann, wenn der Verteidiger aufgrund einer Auslegung des Hinterlegungsantrags im Zusammenhang mit dem Inhalt des Haftverschonungsbeschlusses - wie hier aus den oben genannten Gründen der Fall - als Eigenhinterleger anzusehen ist, eine tatbestandsmäßige Begünstigungshandlung im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB dar (vgl. BGHZ 47, 68, 81 und 82). Denn durch die Eigenhinterlegung hat im Falle einer Freigabe der Kaution nur der Angeklagte einen Anspruch auf Rückzahlung gegen die Staatskasse, so daß, wie bereits ausgeführt, eine Pfändung dieses Rückzahlungsanspruchs durch die Geschädigten nicht möglich ist; diesen bleibt vielmehr nur der - von der D ... beschrittene - Weg der Pfändung eines etwaigen Rückzahlungsanspruchs des Beschuldigten A gegen den Angeklagten (vgl. BGHSt 47, 68, 81). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs würde es für die Annahme einer Begünstigungshandlung sogar ausreichen, wenn die oben genannte Auslegung ergäbe, daß der Angeklagte trotz der Angabe seiner eigenen Person als Hinterleger und Empfangsberechtigter letztlich nicht als Eigenhinterleger anzusehen wäre, weil auch in diesem Fall die in dem Hinterlegungsantrag enthaltenen Angaben geeignet wären, den Zugriff der Gläubiger zu erschweren (BGHSt 47, 68, 81/82). Wie oben ausgeführt, ist mit der Beschränkung der Zwangsvollstreckungsmöglichkeiten der Gläubiger auf die Pfändung des etwaigen Rückzahlungsanspruchs des Beschuldigten A gegen den Angeklagten ein erhöhtes Risiko und damit eine Erschwerung der Restitution verbunden.
An der Anwendbarkeit der aufgezeigten Grundsätze zur rechtlichen Bewertung der Hinterlegung von aus rechtswidrigen Vortaten stammenden Mandantengeldern durch den Verteidiger im eigenen Namen ändert der Umstand nichts, daß der Angeklagte nach derzeitiger Erkenntnis die Hinterlegung nicht mit Rücksicht auf seine Honoraransprüche in der geschilderten Weise vorgenommen hat. Ob der Täter mit seiner Handlung neben der Sicherung der durch die Vortat erlangten Vorteile gegen Entziehung noch eigene Ziele verfolgt, ist für eine Strafbarkeit nach § 257 Abs. 1 StGB ohne Belang. Es ist anerkannt, daß die Sicherung der Vorteile der Vortat nicht der Beweggrund oder gar der einzige Zweck des Handelns des Täters sein muß (Stree in Schönke/Schröder, StGB, 26. Auflage, § 257, Rdnr. 22; Tröndle/Fischer, 52. Auflage, § 257 StGB, Rdnr. 10). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof in dem bereits erwähnten Urteil vom 04.07.2001 ausgeführt, es stehe der Annahme des § 257 StGB nicht entgegen, wenn der Verteidiger mit der Begünstigungshandlung von vornherein auch die Sicherung oder Befriedigung der Honoraransprüche angestrebt habe (BGHSt 47, 68, 82). Dies belegt zugleich, daß sich die von dem Bundesgerichtshof aufgezeigten Grundsätze nicht auf die Fälle beschränken, in denen ein Honorarinteresse des Verteidigers eine Rolle spielt.
dd. Der Angeklagte ist der Begünstigung auch hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes hinreichend verdächtig.
Dabei hat der Senat die von dem Bundesverfassungsgericht in dessen Urteil vom 30.03.2004 (NJW 2004, 1305) zur Geldwäsche aufgezeigten Grundsätze im Ausgangspunkt auch hier zugrunde gelegt, weil das in der genannten Entscheidung aufgezeigte erhöhte Risiko des Strafverteidigers, im Zusammenhang mit seiner beruflichen Aufgabe selbst in den Verdacht einer Straftat zu geraten (BVerfG NJW 2004, 1305, 1308), in ähnlicher Weise auch im Bereich des Straftatbestandes der Begünstigung besteht. Es wäre deshalb im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betrachtet folgerichtig, die dort entwickelten erhöhten Anforderungen an den subjektiven Tatbestand auch auf die Vorschrift des § 257 StGB zu übertragen.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies jedoch nicht, daß ein hinreichender Tatverdacht nur dann anzunehmen wäre, wenn der Angeklagte von der (teilweisen) Herkunft des Kautionsbetrages aus einer rechtswidrigen Vortat seines Mandanten A positive Kenntnis gehabt hätte. Denn angesichts der hier gegebenen besonderen Umstände in Gestalt der oben näher dargelegten Überschreitung der Grenze pflichtgemäßen anwaltlichen Verhaltens erfordert Art. 12 Abs. 1 GG eine rechtliche Privilegierung des Angeklagten im Hinblick auf seine Stellung als Strafverteidiger nicht.
Es reicht mithin für die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts der Begünstigung aus, daß der Angeklagte in Form eines zumindest bedingten Vorsatzes Kenntnis davon hatte, daß der Begünstigte A eine rechtswidrige Tat, von der der Angeklagte keine Kenntnisse hinsichtlich der Einzelheiten zu haben brauchte, begangen und dadurch einen Vorteil erlangt hat, wobei es über die Art der Vorteile ebenfalls keiner genauen Kenntnisse bedurfte (vgl. Stree in Schönke/Schröder, StGB, 26. Auflage, § 257, Rdnr. 26; Tröndle/Fischer, 52. Auflage, § 257 StGB, Rdnr. 10). Ein solcher zumindest bedingter Vorsatz ist hier aus den im Rahmen des Tatbestandes der Geldwäsche im Zusammenhang mit der Kenntnis von der Herkunft der Kautionssumme aus einer Katalogtat genannten Gründen anzunehmen.
Es besteht schließlich auch der hinreichende Verdacht, daß der Angeklagte bei der Vornahme der Begünstigungshandlungen in der Absicht handelte, seinem Mandanten A die Vorteile der Vortat zu sichern. Für die Annahme einer solchen Absicht reicht es aus, wenn es dem Begünstigenden darauf ankommt, die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustands - mithin die Restitution - zu verhindern oder zu erschweren (Tröndle/Fischer, 52. Auflage, § 257 StGB, Rdnr. 10; Stree in Schönke/Schröder, StGB, 26. Auflage, § 257, Rdnr. 24). Zumindest eine Absicht in dem letztgenannten Sinne (Erschwerung des Zugriffs der Gläubiger oder des Staates) liegt angesichts des erklärten Ziels der Verteidigung, die Kaution in einer Weise zu leisten, daß sie dem Zugriff der Gläubiger entzogen sei, auf der Hand.
Das Strafantragserfordernis gemäß § 257 Abs. 4 Satz 1 StGB greift hier nicht ein. Denn der Angeklagte könnte auch als Täter oder Teilnehmer der Vortat des Betruges in Form gewerbsmäßigen Handelns nicht nur auf Antrag verfolgt werden. § 263 StGB sieht das Erfordernis eines Strafantrags nicht vor. ..." (OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.03.2005 - 2 Ws 66/04 zu § 203 StPO, § 261 Abs. 1 S. 1 StGB, § 262 Abs.2 StGB, § 257 Abs. 1 StGB, § 288 Abs. 1 StGB, § 27 Abs. 1 StGB, § 123 StPO, § 27 Abs. 1 StGB, § 43a, Abs. 5 BRAO, Art. 12 GG)
Behördliche Durchsuchung
Sie unter ?Durchsuchung - behördliche".
Beihilfe § 27 StGB
(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.
(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.
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Hinweise/Leitsätze/Entscheidungen
(1) Fremde Haupttat (Täterschaft - Teilnahme)
(3) Vorsätzliche Haupttat
(4) Rechtswidrige Haupttat
(5) Beihilfehandlung
(6) Gehilfenvorsatz
(7) Konkurrenzen
(8) Besonders schwere Fälle
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Hinweise/Leitsätze/Entscheidungen:
Beihilfe ist das Ermöglichen oder die physische bzw. psyschiche Förderung der Haupttat ohne eigene Tatherrschaft.
Nach der Rechtsprechung ist die Hilfeleistung bereits dann kausal, wenn sie die Tathandlung unterstützt. Hilfeleistung muss danach für den Erfolg nicht kausal sein. Als Hilfeleistung ist danach grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolgs durch den Täter in irgendeiner Weise objektiv gefördert hat (vgl. BGHSt 42, 135, 136 = NJW 1996, 2517; BGH StV 1981, 72, 73), ohne daß sie für den Erfolg ursächlich gewesen sein muß (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 8; BGH NJW 2001, 2409, 2410, jew. m. w. N.).
Beihilfe kann auch durch Unterlassen geleistet werden, wenn eine entsprechende Garantenstellung gegeben ist.
Eine Hilfeleistung zu einer Vorbereitungshandlung kann ausreichen.
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(1) Fremde Haupttat (Täterschaft - Teilnahme)
Die Vorschrift des § 92a II Nr. 2 AuslG beschreibt keine Beihilfehandlung i.S. des § 27 StGB, sondern eine zur Täterschaft verselbstständigte Tathandlung. § 27 II StGB findet deshalb keine Anwendung (BGH NStZ 2004, 45).
Hat ein Beteiligter die begangene Tat durch Vorbereitungshandlungen gefördert, kommt auch dann, wenn er vor Versuchsbeginn von der weiteren Tatausführung Abstand genommen hat, nur eine Verurteilung wegen einer Beteiligung an der Haupttat in Betracht, nicht aber wegen der auch gegenüber der Beteiligung an der nur versuchten Haupttat subsidiären Verabredung zu dieser Tat (BGH StV 1999, 594).
(2) Nicht beendete Haupttat
?... a) Nach den Feststellungen des Landgerichts rissen die Mitangeklagten Cr. , Ca. und A. sowie die gesondert Verfolgten P. , Cat. und B. in einer Filiale der Deutschen Post AG in R. einen Geldautomaten aus seiner Verankerung, transportierten ihn mit einem LKW in ein entfernt gelegenes Waldstück und schweißten ihn dort auf. Sodann teilten sie das in dem Geldautomaten enthaltene Geld unter sich auf und fuhren mit einem zuvor gestohlenen PKW aus dem Waldstück in eine nahe gelegene Ortschaft. Dort stellten sie den PKW ab. Sodann rief einer der Täter den Angeklagten an und bat ihn, sie abzuholen. Der Angeklagte, der zuvor an vergleichbaren Diebstählen der Bande teilgenommen hatte, wegen einer Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe aber nicht mehr an solchen mitwirken wollte, begab sich mit seinem PKW zu dem angegebenen Treffpunkt. Obwohl die Kleidung der Täter wegen des Aufschweißens des Geldautomaten auffällig roch und der Angeklagte hieraus den Schluss zog, dass diese wieder nach dem früheren Muster einen Geldautomaten entwendet hatten, brachte er die Täter mit seinem PKW nach H. .
b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts hat sich der Angeklagte danach nicht wegen Beihilfe zum Diebstahl gemäß §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2, 3, § 27 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Der Diebstahl war zu dem Zeitpunkt, in dem der Angeklagte tätig wurde, bereits beendet. Beihilfe zum Diebstahl kann jedoch nur bis zu dessen Beendigung geleistet werden, auch sukzessive Mittäterschaft kommt dann nicht mehr in Betracht (BGH NStZ-RR 1999, 208; NStZ 2003, 32, 33).
Ein Diebstahl ist beendet, wenn der Dieb den Gewahrsam an den entwendeten Gegenständen nach den Umständen des Einzelfalls gefestigt und gesichert hat (BGH NStZ 2001, 88, 89). Dies war hier bereits der Fall, als der Angeklagte angerufen wurde und sich zu den Tätern begab. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Diebesgut nicht mehr im unmittelbaren Herrschaftsbereich des Berechtigten, es war diesem vielmehr bereits entzogen. Direkte Eingriffsmöglichkeiten eines bereiten Eigentümers bestanden nicht mehr. Die neue Sachherrschaft der Täter war gefestigt, zumal diese sich nicht nur vom eigentlichen Tatort sondern sogar schon aus dem Waldstück entfernt hatten, in welchem sie zuvor den gestohlenen Geldautomaten aufgeschweißt und die Beute unter sich aufgeteilt hatten.
c) Der Angeklagte ist auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen lediglich der Begünstigung gemäß § 257 Abs. 1 StGB schuldig.
Der Angeklagte trug objektiv dazu bei, die durch die Vortat erlangten Vorteile zu sichern, indem er die Täter nach Beendigung des Diebstahls mit seinem PKW abholte und nach H. brachte. Subjektiv handelte er in der erforderlichen Vorteilssicherungsabsicht, da es ihm darauf ankam, seine Landsleute, deren Kleidung nach dem Schweißvorgang auffällig roch, mit dem Diebesgut in Sicherheit zu bringen. ..." (BGH, Beschluss vom 01.10.2007 - 3 StR 384/07)
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?... Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge führt zur Aufhebung der Verurteilung im Fall II 6 der Urteilsgründe. Die hierzu getroffenen Feststellungen belegen nicht, dass sich der Angeklagte insoweit - auch - einer Beihilfe zum räuberischen Angriff auf Kraftfahrer, §§ 316 a Abs. 1, 27 StGB, schuldig gemacht hat.
Nach den Urteilsfeststellungen war dem Angeklagten der Plan der früheren Mitangeklagten Markus L. und Jens G. bekannt, die durch einen Überfall auf einen Lkw-Fahrer eine große Menge Zigaretten erbeuten wollten. Er wusste, dass das Opfer während der Fahrt mit dem Tode bedroht und gezwungen werden sollte, an einen abgelegenen Ort zu fahren, um es zu berauben. Das Landgericht hat sich aber - trotz gewichtiger Indizien - nicht davon zu überzeugen vermocht, dass sich der Angeklagte von Beginn an als Mittäter an der plangemäß durchgeführten Tat beteiligte. Es hat vielmehr festgestellt, dass sich der Angeklagte erst zu dem Zeitpunkt in Kenntnis aller Umstände zur Unterstützung der Täter entschloss, als diese das Opfer bereits gefesselt und aus dem Lkw in den Kofferraum eines Pkw verbracht hatten, wo es bis zur Sicherung der Beute verbleiben musste, und der Lkw vom Tat- zum Abladeort gefahren worden war. Der Angeklagte fuhr den Lkw in eine Halle, half dort beim Entladen der Beute und stellte das Fahrzeug abschließend in einem Gewerbegebiet ab.
Mit diesen Handlungen konnte der Angeklagte nur noch solche Delikte der Haupttäter fördern, deren Verwirklichung zu diesem Zeitpunkt noch andauerte, denn nach Beendigung der Haupttat ist eine Beihilfe ausgeschlossen (vgl. hierzu Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 27 Rdn. 4 m.w.N.). Möglich war hier daher noch ein Hilfeleisten zur Beutesicherung nach dem vollendeten Raub sowie ein solches zu der fortdauernden Freiheitsberaubung (vgl. BGHR StGB § 27 Rdn. 1, 25), nicht dagegen zur Begehung eines räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer. Dieses Delikt war bereits beendet, denn es bestand ein längerer zeitlicher und räumlicher Abstand zu dem Angriff auf das Opfer.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass - wie der Angeklagte wusste - das Opfer aus dem Lkw, in dem der Angriff stattgefunden hatte, gefesselt in den Pkw verbracht worden war, mit dem der frühere Mitangeklagte G. solange auf öffentlichen Straßen umherfuhr, bis der Lkw entladen und an einen abgelegenen Abstellort verbracht war. Dieses Verhalten des Mitangeklagten erfüllt für sich genommen nicht den Tatbestand des § 316 a Abs. 1 StGB, da es an einem (fortdauernden) Angriff unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs fehlt (vgl. BGHSt 49, 8 f.; BGHR StGB § 316 a Abs. 1 Straßenverkehr 11). ..." (BGH, Beschluss vom 06.07.2006 - 4 StR 48/06)
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Beihilfe zu einem Dauerdelikt kann auch nach dessen Beginn während seiner Begehung noch so lange geleistet werden, wie der Haupttäter den rechtswidrigen Dauerzustand nicht beendet hat (BGH, Urteil vom 31.07.2003 - 5 StR 251/03).
Dass der Teilnehmer eigennützig handelt (hier: um Rauschmittel zum Eigengebrauch als Entgelt zu erhalten), reicht für sich allein nicht aus, täterschaftliches Handeln anzunehmen (BGH, Beschluss vom 04.06.2003 - 2 StR 139/03).
Ein Gehilfe kann nur den Teil der Tat fördern, der noch bevorsteht (BGH wistra 1999, 21).
(3) Vorsätzliche Haupttat
(4) Rechtswidrige Haupttat
(5) Beihilfehandlung
?... Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift hierzu ausgeführt:
?Mittäterschaft liegt vor, wenn ein Tatbeteiligter mit seinem Verhalten fremdes tatbestandsverwirklichendes Tun nicht bloß fördern will, sondern wenn sein Tatbeitrag im Sinne gleichgeordneten arbeitsteiligen Vorgehens Teil einer gemeinschaftlichen Tätigkeit sein soll. Dabei muss der Beteiligte seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils wollen. Ob ein Beteiligter ein derart enges Verhältnis zur Tat hatte, muss nach den gesamten Umständen, die von den Vorstellungen des Handelnden umfasst wurden, in wertender Betrachtung beurteilt werden. Wesentliche Anhaltspunkte für diese Wertung sind insbesondere der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass Durchführung und Ausgang der Tat vom Einfluss des Mitwirkenden abhängen (vgl. u.a. BGHSt 28, 346, 348 f.; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 2, 8 bis 10, 12, 18, 29; Tatbeitrag 1, 3, 4 und Tatherrschaft 4; vgl. auch BGHR StGB § 27 Abs. 1 Tatherrschaft 2).
Gemessen an diesen Kriterien durfte das Landgericht die Rolle, die der Angeklagte bei der Tatplanung innehatte und die er bei der Verwirklichung der getroffenen Vereinbarungen übernehmen sollte und tatsächlich übernommen hat, nicht als die eines Mittäters eines Mordes beurteilen.
Nach den Urteilsfeststellungen sah der gemeinsame Tatplan vor, nach dem Öffnen der Haustür durch das Tatopfer dieses zu überwältigen und am Schreien zu hindern (UA S. 13); anschließend sollte das Tatopfer gefesselt und geknebelt werden (UA S. 14). Nachdem der Angeklagte das Wohnhaus betreten hatte, erkannte er, dass der Mitangeklagte B. das Tatopfer so lange würgte, bis es bewusstlos war (UA S. 15). Aktiv hat sich der Angeklagte an der Tötungshandlung nicht beteiligt. Diese Feststellungen belegen keine Mittäterschaft.
Zwar ist es für gemeinschaftliche Tatbegehung nicht erforderlich, dass jeder der Mittäter eigenhändig an der zum Tode führenden Verletzungshandlung teilnimmt. Die Tat muss aber in jedem Falle auf einem gemeinsamen Willensentschluss beruhen und im gegenseitigen Einverständnis vorgenommen werden. Daran fehlt es hier. Der Angeklagte erhielt von dem Würgen des Tatopfers erst in dem Augenblick Kenntnis, als er das Wohnhaus betrat. Ein gemeinsamer Tatplan bestand insoweit nicht. Dieser lag auch nicht in dem gemeinsamen Vorhaben, der Frau Vermögensgegenstände - auch gewaltsam - wegzunehmen; dass hierfür mehr Gewaltausübung als bloßes Festhalten und Zuhalten des Mundes des dem Mitangeklagten B. körperlich weit unterlegenen Opfers nötig und beabsichtigt gewesen wäre, ergibt sich aus den Feststellungen nicht. Vielmehr spricht die geplante Knebelung und Fesselung des Tatopfers dafür, dass der ursprüngliche Tatplan lediglich eine Körperverletzung des Tatopfers umfasste.
Auch sukzessive Mittäterschaft erscheint nach Feststellungen fraglich: Diese liegt nur vor, wenn jemand in Kenntnis und Billigung des von einem anderen begonnenen Handelns in das tatbestandsmäßige Geschehen als Mittäter eingreift und er sich mit dem anderen vor Beendigung der Tat zu gemeinschaftlicher weiterer Ausführung verbindet (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 21, 27). Zwar war die Gewalthandlung des Mitangeklagten B. noch nicht beendet, als der Angeklagte das Würgen erkannte. Für die Annahme von Mittäterschaft reicht es aber nicht, dass der Beteiligte die durch andere verwirklichten Tatumstände kennt, sie billigt und durch eigenes Einschreiten verhindern könnte. Voraussetzung der Mittäterschaft ist vielmehr eine - auch nur psychische - Förderung der Tat und das Bewusstsein des Täters von der fördernden Wirkung seines Beitrags (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 8; Tatbeitrag 2 und 4; Tatherrschaft 3). Außerdem erfordert die gebotene Willensübereinstimmung, dass der andere seine Tätigkeit durch die geleistete Unterstützung vervollständigen und diese sich zurechnen lassen will (BGHR StGB § 25 Abs. 2 Tatbeitrag 4; Tatherrschaft 3). Feststellungen zu einem solchen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag fehlen aber im angefochtenen Urteil. Dass die Passivität des Angeklagten vom Mitangeklagten B. als psychische Bestärkung verstanden worden ist und werden sollte, versteht sich angesichts des abweichenden Tatplans auch nicht von selbst, zumal unklar bleibt, ob der Mitangeklagte B. die Anwesenheit des Angeklagten zum Zeitpunkt des Würgens überhaupt bemerkt hat. Dass der Angeklagte anschließend auf Aufforderung des Mitangeklagten B. Tücher aus der Küche holte, die sich zum Knebeln eignen (UA S. 15), führt unabhängig davon, dass dies keinen die Tötung fördernden Beitrag darstellt, zu keinem anderen Ergebnis, weil nach den Feststellungen nicht ausgeschlossen erscheint, dass das Tatopfer zu diesem Zeitpunkt bereits tot und die Tat deshalb beendet war.
Soweit die Strafkammer, indem sie darauf abstellt, dass der Angeklagte nicht eingegriffen habe, von einem Mord durch Unterlassen auszugehen scheint, wird dies durch die Feststellungen ebenfalls nicht getragen.
Es erscheint schon fraglich, ob - worauf das Landgericht nicht eingeht - der Angeklagte überhaupt eine Garantenstellung innehatte. Eine Garantenstellung aus vorangegangenem Tun, die hier nur in Betracht kommt, setzt voraus, dass das Vorverhalten die nahe Gefahr des Eintritts gerade des tatbestandsmäßigen Erfolges herbeigeführt hat (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 292; Fischer StGB 58. Aufl. § 13 Rdn. 27). Dies kann etwa der Fall sein bei der Beteiligung an Misshandlungen und der anschließenden Tötung des Opfers durch einen anderen Mittäter, wenn das vorausgegangene Verhalten eine Gefahrerhöhung für das Opfer dadurch bewirkte, dass der Täter in seinem zum Tode führenden Vorgehen bestärkt wurde (vgl. BGHR StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 7). Dass die gemeinschaftliche Planung eines Raubes mit Fesselung und Knebelung des Tatopfers die nahe Gefahr der Ermordung des Opfers infolge Erwürgens durch den Mittäter herbeigeführt hat, erscheint aber nicht selbstverständlich. Vielmehr hätte sich das Landgericht insoweit damit auseinandersetzen müssen, ob ein Exzess eines Mittäters gegeben sein könnte, der nicht durch das Vorverhalten des Angeklagten bestärkt worden ist und wofür der Angeklagte deshalb nicht als Ingerent haftet (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 292; Schönke/Schröder/Stree/Bosch StGB 28. Aufl. § 13 Rdn. 35a).
Ungeachtet dessen enthält das Urteil keine Feststellungen, ob der Angeklagte überhaupt die Möglichkeit der Erfolgsverhinderung hatte. Wegen Totschlags durch Unterlassen hätte sich der Angeklagte nur strafbar gemacht, wenn das gebotene Handeln den als möglich erkannten Tod noch hätte verhindern können und er sich dessen bewusst war (vgl. BGH NStZ 2007, 469; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben aaO § 15 Rdn. 94; Fischer aaO § 13 Rdn. 42). Dazu enthält das angefochtene Urteil keine konkreten Feststellungen. Da unklar bleibt, wie lange der Mitangeklagte B. das Tatopfer schon gewürgt hatte, als der Angeklagte das Wohnhaus betrat und den vom Tatplan abweichenden Angriff erkannte, bleibt offen, ob zu diesem Zeitpunkt bei sofortigem Einschreiten die Verhinderung des Todeseintritts mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (vgl. Fischer aaO vor § 13 Rdn. 39) noch möglich und dem Angeklagten die Möglichkeit einer Rettung überhaupt bewusst war.
Schließlich wäre zu erörtern gewesen, ob nicht lediglich eine Beihilfe durch Unterlassen in Betracht kommt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe durch Unterlassen zur Tat eines aktiv Handelnden die innere Haltung des Unterlassenden zur Tat bzw. dessen Tatherrschaft maßgebend. War seine aufgrund einer wertenden Betrachtung festzustellende innere Haltung - insbesondere wegen des Interesses am Taterfolg - als Ausdruck eines sich die Tat des anderen zu eigen machenden Täterwillens aufzufassen, so liegt die Annahme von Mittäterschaft nahe. War sie dagegen davon geprägt, dass er sich dem Handelnden - etwa weil er dessen bestimmenden Einfluss unterlag - im Willen unterordnete und ließ er das Geschehen ohne innere Beteiligung und ohne Interesse am drohenden Erfolg lediglich ablaufen, spricht dies für eine bloße Beteiligung als Gehilfe (vgl. BGH NStZ 2009, 321; NStZ 1992, 31; weitere Nachweise bei Fischer aaO § 13 Rdn. 51a).
Hier hätte der Angeklagte durch sein Eingreifen zugunsten des Opfers die weitere Tatbegehung durch den Mitangeklagten B. möglicherweise beenden können. Maßgeblich gesteuert wurde die Gewalthandlung indes vom Mitangeklagten B. , der die Tatbestandsverwirklichung in Händen hielt, während der Angeklagte diese lediglich ablaufen ließ. Dies lässt beim Angeklagten als Randfigur der Gewalthandlung trotz seines Interesses an der Tatbeute die Annahme einer Gehilfenstellung hinsichtlich des Mordes nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen.'
Dem schließt sich der Senat an. ..." (BGH, Beschluss vom 14.02.2012 - 3 StR 446/11)
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?... 1. Nach den Feststellungen des LG bewahrte der Zeuge Sa. ca. 100 g Kokain und mindestens 320 g Haschisch zum gewinnbringenden Weiterverkauf in seiner Wohnung auf. Hiervon verkaufte er am 29.06.2009 ca. 0,5 g Kokain an den gesondert Verfolgten W. Den dabei erzielten Erlös in Höhe von 40 ? gab der Zeuge an den während des Verkaufsgeschäfts in der Wohnung anwesenden Angekl. weiter.
2. Diese Feststellungen tragen nicht die Verurteilung des Angekl. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Btm in nicht geringer Menge, denn es ist nicht hinreichend dargetan, inwieweit der Angekl. die Tat eines anderen gefördert hat. Der pauschale Hinweis der Kammer, der Angekl. habe bei der Entgegennahme des Geldes ?mit dem Wissen und Wollen' gehandelt, den Zeugen Sa. ?bei dessen Btmgeschäft' zu unterstützen genügt nicht.
Die bloße Entgegennahme der durch den Verkauf erzielten 40 ? lässt ohne weitere Feststellungen schon nicht erkennen, wie die Tat dadurch noch gefördert oder erleichtert werden konnte. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass und inwieweit der Angekl. durch die Entgegennahme des Geldes das Handeltreiben mit der gesamten in der Wohnung gelagerten Menge unterstützt haben konnte.
Die bloße Kenntnis von der Begehung der Tat und deren Billigung ohne einen die Tat objektiv fördernden Beitrag reicht nicht aus, um die Annahme von Beihilfe zu begründen. Nach der Rspr. des BGH kann zwar schon ein bloßes ?Dabeisein' die Tatbegehung im Sinne aktiven Tuns fördern oder erleichtern (vgl. BGH StV 1982, 517; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Unterlassen 3). In derartigen Fällen bedarf es aber sorgfältiger und genauer Feststellungen darüber, dass und wodurch die Tatbegehung in ihrer konkreten Gestaltung objektiv gefördert oder erleichtert wurde, und dass der Gehilfe sich dessen bewusst war (BGH NStZ 1993, 233 [= StV 1993, 357] und 385 [= StV 1993, 469]). Daran fehlt es vorliegend. ..." (BGH, Beschluss vom 15.12.2011 - 2 StR 505/11)
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?... Zwei in den Niederlanden wohnhafte Personen namens H. und W. verfügten über einen Vorrat von 300 kg Kokain, der in Griechenland lagerte und den sie nach Deutschland und ggf. weiter in die Niederlande oder nach Großbritannien verbringen lassen wollten. Der frühere Mitangekl. I. hatte ihnen zugesagt, für den Transport zu sorgen. Dies scheiterte indes zunächst an einer Erkrankung des vorgesehenen Lkw-Fahrers, was H. und W. so verärgerte, dass sie vorübergehend einen Vertrauten des I. als Geisel nehmen ließen. I. bemühte sich deshalb dringend um anderweitige Transportmöglichkeiten. Dabei kam er in Kontakt mit den Angekl. A. und S. P., die nach der Insolvenz ihrer Spedition Partner für den Aufbau einer neuen wirtschaftlichen Existenz suchten. Anfang Oktober 2006 erklärte sich der Angekl. A. P. gegenüber I. bereit, unter dessen Beteiligung umgehend ein neues Unternehmen zu gründen. Beide kamen überein, dass dieses eine Infrastruktur für künftige Drogentransporte bieten, jedoch auch legale Geschäfte abwickeln sollte. Vordringlich sollte es indes dazu dienen, das in Griechenland lagernde Kokain nach Deutschland zu verbringen. Für den Gründungsaufwand erhielt der Angekl. A. P. von I. zunächst 40.000 ? in bar.
Am 26.10.2006 reisten die Angekl. A. P. und S. - dieser war am Vortag mit I. bekannt gemacht und in die Pläne eingeweiht worden - zu einem Treffen mit I. und weiteren Personen nach Griechenland. Dort wurde abgesprochen, als Erstes einen ?check test' durchzuführen, um die Häufigkeit und die Intensität der Kontrollen an den einzelnen Grenzstationen zu ermitteln. Für die Errichtung des neuen Unternehmens übergab I. dem Angekl. A. P. bei dieser Gelegenheit weitere 105.000 ? und kurz darauf nochmals 70.000 ?.
In der Folgezeit betrieb der Angekl. A. P. die notarielle Gründung und den Aufbau des neuen Transportunternehmens. Zu Geschäftsführern wurden seine Lebensgefährtin sowie ein Vertrauter des I. bestellt. Der Angekl. S. P., der zwischenzeitlich ebenfalls erfahren hatte, dass I. den Geschäftsbetrieb dazu nutzen wollte, eine größere Menge Kokain aus Griechenland nach Deutschland zu verbringen, übernahm gegen Gehalt die Aufgaben des Disponenten. Beide rechneten mit einem Transport von mindestens 100 kg Kokain. Sie ließen sich hierauf ein, weil sie hofften, sich auf diese Weise die wirtschaftliche Basis für eine zukünftige legale Geschäftstätigkeit schaffen zu können.
Im November 2006 erteilte ein Mitarbeiter des I. den Auftrag, nunmehr die besprochene Testfahrt durchzuführen. Hierzu mietete der Angekl. A. P. ein Kühlfahrzeug der Marke ?Thermoking' an, das der bereits in der Spedition der beiden Angekl. als Fahrer beschäftigte frühere Mitangekl. C. deshalb empfohlen hatte, weil er mit einem 100-Liter-Wassertank und weiteren Hohlräumen über gute Versteckmöglichkeiten verfügte. Der Angekl. S. P. buchte im Wissen um den Zweck der Fahrt die entsprechenden Fährverbindungen zwischen Italien und Griechenland. Vereinbarungsgem. belud C. das gemietete Fahrzeug in Deutschland mit Milchprodukten, lieferte diese in Griechenland aus und nahm für die Rückfahrt Orangen, anderes Obst und Gemüse auf. In ständigem Telefonkontakt mit dem Angekl. S. P. und dem Kreis um I. brachte er die Ware nach Deutschland, wo sie der Angekl. S. entgegennahm und auf dem Berliner Großmarkt verkaufte. An der Planung der Testfahrt war der Angekl. S. nicht beteiligt. Ein Mitarbeiter des I. hatte ihn ?verst kurzfristig' darauf angesprochen, ob er für den Abverkauf der Ladung sorgen könne; er hatte in Kenntnis dessen zugesagt, dass es sich um die Testfahrt für einen Transport von mindestens 100 kg Kokain handelte.
Zu dem geplanten Kokaintransport ?kam es jedenfalls im Jahre 2006 nicht mehr'.
2. Danach hat nicht nur der Angekl. S. P., sondern auch der Angekl. A. P. lediglich Beihilfe zum Handeltreiben der niederländischen Hintermänner mit Btm in nicht geringer Menge geleistet (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 Abs. 1 StGB). ...
bb) Entgegen der Annahme des LG hat der Angekl. A. P. jedoch nicht als (Mit-)Täter gehandelt.
Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten auch im Betäubungsmittelrecht die Grundsätze des allg. Strafrechts. Beschränkt sich die Beteiligung des Täters am Handeltreiben mit Btm auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts wie hier auf den Transport, so kommt es nach der neueren Rspr. des BGH jedenfalls nicht allein oder entscheidend darauf an, welches Maß an Selbständigkeit und Tatherrschaft der Beteiligte hinsichtlich dieses isolierten Teilakts innehat. Abzustellen ist vielmehr darauf, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (BGH, Urt. v. 28.02.2007 - 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219 [= StV 2007, 303]; Beschl. v. 07.08.2007 - 3 StR 326/07, NStZ 2008, 40; Urt. v. 07.02.2008 - 5 StR 242/07, NJW 2008, 1460 [= StV 2008, 417]; Beschl. v. 30.10.2008 - 5 StR 345/08, NStZ 2009, 392). Maßgeblich sind insoweit insbes. der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass Durchführung und Ausgang der Haupttat maßgeblich auch vom Willen des Tatbeteiligten abhängen (BGH, Urt. v. 14.12.2006 - 4 StR 421/06, NStZ 2007, 288; Beschl. v. 25.04.2007 - 1 StR 156/07, NStZ 2007, 531 [= StV 2008, 20]; Beschl. v. 28.10.2010 - 3 StR 324/10).
Danach kommt einer Tätigkeit, die sich im bloßen Transport von Btm erschöpft, in der Regel keine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit zu; auch bei faktischen Handlungsspielräumen hinsichtlich der Art und Weise des Transports wird sie zumeist nur eine untergeordnete Hilfstätigkeit darstellen und deshalb als Beihilfe zu werten sein (BGH, Urt. v. 28.02.2007 - 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219 [= StV 2007, 303]; Beschl. v. 30.03.2007 - 2 StR 81/07, NStZ-RR 2007, 246 [= StV 2008, 19]; Beschl. v. 07.08.2007 - 3 StR 326/07, NStZ 2008, 40; Beschl. v. 21.11.2007 - 2 StR 468/07, NStZ 2008, 285 [= StV 2008, 580]; Beschl. v. 28.10.2010 - 3 StR 324/10). Anderes kann gelten, wenn der Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll. Auch eine Einbindung des Transporteurs in eine gleichberechtigt verabredete arbeitsteilige Durchführung des Umsatzgeschäfts spricht für die Annahme von Mittäterschaft, selbst wenn seine konkrete Tätigkeit in diesem Rahmen auf die Beförderung der Drogen, von Kaufgeld oder Verkaufserlös beschränkt ist. Im Einzelfall kann auch eine weit gehende Einflussmöglichkeit des Transporteurs auf Art und Menge der zu transportierenden Drogen sowie auf die Gestaltung des Transports für eine über das übliche Maß reiner Kuriertätigkeit hinausgehende Beteiligung am Gesamtgeschäft sprechen (vgl. zu alledem BGH, Urt. v. 14.12.2006 - 4 StR 421/06, NStZ 2007, 288; Urt. v. 28.02.2007 - 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219 [= StV 2007, 303]; Beschl. v. 30.03.2007 - 2 StR 81/07, NStZ-RR 2007, 246 [= StV 2008, 19]; Beschl. v. 25.04.2007 - 1 StR 159/07, BGHSt 51, 324; Beschl. v. 07.08.2007 - 3 StR 326/07, NStZ 2008, 40).
Solche besonderen Umstände hat das LG indes nicht in hinreichendem Umfang festgestellt. Zwar hat der Angekl. zur Ermöglichung des Drogentransports erhebliche, über die eines gewöhnlichen Kuriers weit hinausgehende Aktivitäten entfaltet und umfangreiche Investitionen getätigt. Auch handelte er, wie insbes. die bereits geflossenen Beträge zeigen, in der Aussicht auf einen hohen, ihm eine neue wirtschaftliche Perspektive eröffnenden Gewinn. Andererseits beschränkte sich der tatfördernde Beitrag des Angekl. auf Maßnahmen zur Vorbereitung des zugesagten Transports, die ihm für sich allein noch keinen wesentlichen Einfluss auf den Ablauf des eigentlichen, von den Hinterleuten betriebenen Umsatzgeschäfts sicherten. In dieses war der Angekl. auch sonst nicht eingebunden; er hatte weder zu den Hinterleuten noch zu potentiellen Abnehmern Kontakte, sondern arbeitete lediglich mit dem ebenfalls für den Transport verantwortlichen früheren Mitangekl. I. zusammen. Das zu transportierende Kokain bekamen weder er noch sein Fahrer je in die Hände. Allein sein Wille, den Transport durchzuführen, reicht zur Annahme von Tatherrschaft vor diesem Hintergrund nicht aus. Sein wirtschaftliches Interesse erschöpfte sich in der Übernahme der erforderlichen Speditionsgeschäfte. Dass der Angekl. darüber hinaus ein eigenes Interesse am Gelingen des von den Hinterleuten betriebenen Umsatzgeschäfts hatte, etwa für diesen Fall auf Folgeaufträge hoffte, ist den Feststellungen nicht zu entnehmen. ..." (BGH, Urteil vom 05.05.2010 - 3 StR 445/10)
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Erfährt der Angeklagte als Beifahrer erst während einer Schmuggelfahrt von Btm von deren Existent im PKW, begründet die erlangte Information allein einer Strafbarkeit wegen Beihilfe nicht. Denn die bloß einseitige Kenntnisnahme von der Tat eines anderen und deren subjektive Billigung ohne einen die Tatbegehung objektiv fördernden Beitrag reichen nicht aus, um die Annahme von Beihilfe zu begründen (BGH, Beschluss vom 17.11.2009 - 3 StR 455/09 zu BtMG § 29; StGB § 27 - psychische Beihilfe).
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Allein die Kenntnis und Billigung der Lagerung und des Vertriebs der Betäubungsmittel in der Wohnung erfüllt für den Wohnungsinhaber die Voraussetzung strafbarer Beihilfe nicht. Ebenso wenig begründet es die Strafbarkeit des Wohnungsinhabers, daß sie gegen die Aktivitäten des Täters nicht vorgegangen ist. Dies käme nur in Betracht, wenn der Wohnungsinhaber rechtlich verpflichtet ist, gegen den vom Täter in dem ausschließlich von ihm genutzten Schlafzimmer betriebenen Betäubungsmittelhandel einzuschreiten (§ 13 Abs. 1 StGB). Eine solche Rechtspflicht des Wohnungsinhabers ist aber grundsätzlich nicht gegeben (BGH, Beschluss vom 30.09.2009 - 2 StR 329/09 zu BtMG § 29; StGB § 27):
?... 1. Nach den Feststellungen des LG teilten sich die Angekl. und der Mitangekl. A. seit 6 bis 7 J. eine Wohnung. Die Angekl. übernachtete im Wohnzimmer oder in der Küche, während A. das Schlafzimmer benutzte. Zum Ausgleich für Unterkunft und Verpflegung leitete A. seine Hartz-IV-Bezüge an die Angekl. weiter.
A. handelte ?seit mindestens ein bis 3 J.' mit Btm, die er vorwiegend in den Niederlanden erwarb. Er nutzte das Schlafzimmer sowohl zur Lagerung der Drogen als auch zur Abwicklung der Drogengeschäfte mit Konsumenten. Dies war der Angekl. bekannt und wurde von ihr geduldet. Auch bewahrte A. das zur Abwicklung der Drogengeschäfte bestimmte Geld in kleinen Scheinen in seinem Schlafzimmer auf; gelegentlich zählte er es vor den Augen der Angekl. nach, bevor er sich zum Drogenkauf in die Niederlande aufmachte.
So geschah dies auch nach der ersten Oktoberwoche 2008 im Fall der im vorliegenden Verfahren abgeurteilten Einfuhr ?größerer Mengen verschiedenster Btm, zum Preis von etwa 2 100 ?', die der Mitangekl. A. zur gewinnbringenden Veräußerung nach Deutschland verbrachte und von denen Teilmengen bei der Durchsuchung am 14. 10. 2008 sichergestellt werden konnten.
Das LG hat die Angekl. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Btm in nicht geringer Menge verurteilt, ?weil sie ihm (dem Mitangekl. A.) die Wohnung zur Verfügung gestellt hat und gem. der Bekundung des Zeugen KHK S. bei ihrer Vernehmung auch nicht erwähnt hat, jemals versucht zu haben, sein Handeln zu unterbinden'.
2. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Den widersprüchlichen Ausführungen des LG kann nicht mit hinreichender Sicherheit entnommen werden, daß die Angekl. den Btm-Handel des Mitangekl. A. durch aktives Tun gefördert hätte. Die nicht weiter mit Tatsachen belegte Begründung der StrK, die Angekl. habe ihm die Wohnung zur Verfügung gestellt, genügt nicht. Nach den Feststellungen teilten sich die Angekl. und der Mitangekl. A. bereits seit mehreren Jahren die Wohnung, bevor Letzterer mit dem Handel mit Btm begann. A. nutzte hierfür das allein ihm zugewiesene Schlafzimmer. Den Ausführungen des LG läßt sich nicht entnehmen, inwieweit die Angekl. hierbei die ?Wohnung' zur Verfügung gestellt haben sollte. Allein die Kenntnis und Billigung der Lagerung und des Vertriebs der Btm in der Wohnung erfüllt für den Wohnungsinhaber die Voraussetzung strafbarer Beihilfe nicht (vgl. BGH NStZ 1999, 451; StV 2003, 280; 2007, 81).
Ebenso wenig begründet es die Strafbarkeit der Angekl., daß sie gegen die Aktivitäten des A. nicht vorgegangen ist. Dies käme vielmehr nur in Betracht, wenn sie als Wohnungsinhaberin rechtlich verpflichtet gewesen wäre, gegen den von A. in dem ausschließlich von ihm genutzten Schlafzimmer betriebenen Btm-Handel einzuschreiten (§ 13 Abs. 1 StGB). Eine solche Rechtspflicht des Wohnungsinhabers ist aber grundsätzlich nicht gegeben (vgl. BGH, jew. a.a.O.).
3. Die Sache bedarf daher erneuter Verhandlung und Entscheidung. Da die StrK von einem unzutreffenden rechtlichen Ansatz ausgegangen ist, wird der neue Tatrichter insbes. zu prüfen haben, ob die Angekl. konkrete Unterstützungshandlungen zu dem Rauschgiftdelikt des als Haupttäter verurteilten Mitangekl. A. geleistet hat. Eine Garantenstellung als Wohnungsinhaberin würde sie treffen, wenn ihr die Verfügungsgewalt über die ganze Wohnung zugestanden hätte und diese etwa durch ihre Lage oder Beschaffenheit eine besondere Gefahrenquelle für eine leichtere Ausführung von Straftaten darstellte (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 153 [= StV 2003, 280]). Ggf. wird auch zu prüfen sein, ob die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Mitbesitzes an den im Schlafzimmer befindlichen und bei der Durchsuchung am 14. 10. 2008 sichergestellten Btm vorlagen (vgl. Senat StV 2007, 81). ...."
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Allein die Kenntnis und Duldung der Lagerung der Betäubungsmittel in einer (unter-)vermieteten Wohnung erfüllt die Voraussetzungen strafbarer Beihilfe durch den Wohnungsinhaber nicht. Zum Einschreiten gegen den Betäubungsmittelhandel ist er als Wohnungsinhaber grundsätzlich rechtlich nicht verpflichtet (BGH, Beschluss vom 12.02.2009 - 3 StR 12/09 zu BtMG § 29; StGB § 27):
?... 1. Die Verurteilung im Fall II. 1. der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Eine Beihilfe zum Handeltreiben mit Btm in nicht geringer Menge wird durch die Feststellungen nicht belegt. Danach vermietete der Angekl. ein Zimmer seiner Wohnung an den nicht revidierenden Mitangekl. K. weiter, das dieser in der Folgezeit ohne Wissen des Angekl. im Interesse anderer Btm-Händler zur Aufbewahrung von drei Kilo Marihuana nutzte. Erst zwei Wochen später erfuhr der Angekl. davon. Weil er den Untermietzins nicht verlieren wollte, unternahm er gegen K. nichts. Dieser lieferte mindestens einmal Btm aus dem ?Bunker' zum Verkauf aus.
Den Feststellungen kann nicht entnommen werden, daß der Angekl. die Tat des K. und seiner Hintermänner durch aktives Tun gefördert hätte. Allein die Kenntnis und Duldung der Lagerung der Btm in der Wohnung erfüllt die Voraussetzungen strafbarer Beihilfe nicht. Zum Einschreiten gegen den Btm-Handel war er als Wohnungsinhaber grundsätzlich rechtlich nicht verpflichtet (vgl. BGH NStZ 1999, 451 [= StV 1999, 429]). Umstände, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, wie dies etwa für den Fall einer die Begehung von Straftaten in besonderer Weise erleichternden Beschaffenheit oder Lage der Wohnung in Betracht kommen könnte (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 153 m.w.N. [= StV 2003, 280]), sind nicht festgestellt.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß ein neuer Tatrichter in der Zusammenschau mit dem rechtsfehlerfrei festgestellten zweiten Tatkomplex zu weitergehenden, eine Verurteilung wegen Beihilfe tragenden Feststellungen gelangt. Die Sache muß deshalb insoweit erneut verhandelt werden. ..."
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?... 1. Die Annahme mittäterschaftlicher Begehung begegnet durchgreifenden Bedenken.
a) Im Ansatz zutreffend geht allerdings das Landgericht davon aus, dass auch die Übergabe des erzielten Verkaufserlöses aus Rauschgiftgeschäften noch Teil des tatbestandlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist. Dies folgt aus der vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vorgenommenen Auslegung des Tatbestandsmerkmals des Handeltreibens, das jede eigennützige, auf Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit umfasst (BGHSt [GS] 50, 252, 256; BGHSt 6, 246; 25, 290; 28, 308, 309; 29, 239; 30, 359, 360). Damit sind von dem Begriff des Handeltreibens nicht nur Beschaffung und Lieferung von Betäubungsmitteln erfasst, sondern auch die erforderlichen Zahlungsvorgänge (BGHSt 43, 158, 162). Dies gilt sowohl für die Zahlung und Beitreibung des Kaufpreises als auch für solche unterstützenden Finanztransaktionen, die zur erfolgreichen Abwicklung eines Rauschgiftgeschäftes insgesamt notwendig sind. Insoweit kann kein Zweifel bestehen, dass der beabsichtigte Beitrag des Angeklagten E.
G. noch Teil des Rauschgiftgeschäfts gewesen wäre. Dieser sollte das Geld am Frankfurter Flughafen in Empfang nehmen und an den eigentlichen Kurier, den Mitangeklagten E. M. , weitergeben.
b) Das Landgericht geht jedoch zu Unrecht von Mittäterschaft des Angeklagten E. G. aus. Dass dieser - nach seiner Vorstellung - an dem Transport des Erlöses mitwirken sollte, begründet noch kein täterschaftliches Handeltreiben. Auch auf den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sind die allgemeinen Regeln zur Abgrenzung von (Mit-)Täterschaft und Beihilfe anzuwenden. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss für eine zutreffende Einordnung der Beteiligung des Kuriers der jeweils konkrete Tatbeitrag für das Umsatzgeschäft insgesamt und nicht allein für den Teilbereich des Transports (von Betäubungsmitteln oder Geld) bewertet werden. Daher kommt es für die Annahme einer mittäterschaftlichen Verwirklichung dieses Tatbestands jedenfalls nicht allein oder entscheidend darauf an, welches Maß an Selbständigkeit und Tatherrschaft der Beteiligte hinsichtlich eines isolierten Teilaktes des Umsatzgeschäfts innehat. Abzustellen ist vielmehr darauf, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (BGHSt 51, 219 = NJW 2007, 1220).
c) Die Anwendung dieser Grundsätze führt dazu, dass die vom Angeklagten E. G. entfaltete Tätigkeit als Beihilfe zu werten ist. Maßgeblich ist dabei, wie sein Tatbeitrag - so wie er sich nach seiner Vorstellung gestalten sollte - nach den vorgenannten Entscheidungskriterien einzuordnen ist. Im Blick auf das Gesamtgeschäft war der Angeklagte E. G. lediglich in den Transport des Erlöses eingebunden. Diese Tätigkeit war zwar nicht völlig untergeordnet, weil er im Hinblick auf die Übergabe des Geldes sämtliche Verhandlungen mit ?Ax. ? führte und zudem den Mitangeklagten E. M. als den eigentlichen Kurier, der das Geld in den Libanon überführen sollte, für die Abwicklung des Rauschgiftgeschäftes anwarb. Auf das Gesamtgeschäft bezogen war dieser Tatbeitrag jedoch untergeordnet. Der Angeklagte E. G. war weder am Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt noch war er in das Gesamtgeschäft eingebunden. Anhaltspunkte dafür, dass er organisatorisch in einer arbeitsteilig agierenden Struktur tätig war, fehlen ebenso wie dafür, dass ihm im Blick auf das Rauschgiftgeschäft Gestaltungsspielräume zugekommen waren. Allein die nicht unerhebliche Entlohnung vermag die Annahme einer täterschaftlichen Begehung des Handeltreibens nicht zu tragen, weil sich der Tatbeitrag des Angeklagten E. G. auf eine Kuriertätigkeit beschränkte (vgl. BGHSt 51, 219, 220 ff. = NJW 2007, 1220, 1221).
2. Die verbleibende Beihilfe des Angeklagten E. G. - wie die des Nichtrevidenten E. M. - ist nicht vollendet.
a) Der Maßstab für die Prüfung, ob Vollendung eingetreten ist, kann nicht die Haupttat selbst sein. Die Haupttat war, als das Rauschgift absprachegemäß an den später festgenommenen M. auf den Weg gebracht wurde, sowohl im Hinblick auf den Verkäufer als auch auf den Abnehmer bereits vollendet. Dies ergibt sich aus dem weit auszulegenden Merkmal des Handeltreibens, das - erfolgsunabhängig - jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit erfasst (BGHSt [GS] 50, 252, 256). Die Annahme einer vollendeten Haupttat in Bezug auf den Veräußerer und auf den Erwerber des Rauschgifts bedeutet allerdings nicht ohne weiteres, dass auch bezüglich des Teilnehmers eine Vollendung seiner Teilnahmehandlung gegeben sein muss. Vielmehr ist für jeden Teilnehmer gesondert zu prüfen, ob sein Tatbeitrag vollendet war.
Der Senat kann dabei letztlich dahinstehen lassen, ob die Sicherstellung des Rauschgifts hier eine Beendigung der Haupttat hat eintreten lassen mit der Folge, dass schon deshalb keine Beihilfe mehr möglich gewesen wäre (vgl. BGH NStZ 2007, 35, 36; 1996, 563, 564). Für eine solche Beendigung der Haupttat könnte sprechen, dass der Waren- und Geldfluss zur Ruhe gekommen ist, weil aus dem sichergestellten Rauschgift keine Erlöse erzielt wurden und auch nicht mehr zu erzielen waren (BGHSt 43, 158, 163, vgl. aber einschränkend BGHR BtMG § 29 Abs.1 Nr.1 Handeltreiben 50, 52).
b) Jedenfalls aber begründet das untaugliche und erfolglose Bemühen der Angeklagten keine (vollendete) Beihilfe. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist als Hilfeleistung grundsätzlich jede Handlung anzusehen, die die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt des Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird, ist nicht erforderlich (BGH NJW 2007, 384, 388 m.w.N., insoweit in BGHSt 51, 144 nicht abgedruckt). Gleiches gilt, wenn der Beihilfehandlung jede Eignung zur Förderung der Haupttat fehlt oder sie erkennbar nutzlos für das Gelingen der Tat ist (Cramer/Heine in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 27 Rdn. 12; vgl. auch BGH StV 1996, 87). Demnach liegt bei der Sachverhaltskonstellation hier keine Vollendung der Beihilfe vor.
Die von dem Angeklagten E. G. und dem Nichtrevidenten E. M gewollte Beihilfehandlung, der Transport von Rauschgifthandelserlösen wie dessen Zusage, war von vornherein zur Förderung der Haupttat ungeeignet. Ein Verkaufserlös für das vor Weitergabe an einen Käufer bereits sichergestellte Rauschgift war nicht erzielt worden und konnte nicht mehr erzielt werden. Beschwerdeführer und Nichtrevident wurden nur auf zum Schein vom Bundeskriminalamt entfaltete Aktivitäten hin tätig. Ihr Tun musste von vornherein für den gewollten Zweck der Förderung eines unerlaubten Betäubungsmittelhandels ins Leere gehen. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen deshalb auch keine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Handeltreiben. Die fehlgeschlagene oder nutzlose Beihilfehandlung begründet keine Strafbarkeit wegen (vollendeter) Beihilfe, sondern stellt einen straflosen (untauglichen) Versuch der Beihilfe dar.
c) Die Fallgestaltung kann auch nicht als psychische Beihilfe bewertet werden. Eine Beihilfehandlung, die in einer Förderung der Tatausführung besteht, ist zu unterscheiden von solchen Unterstützungsmaßnahmen, die auf die Psyche des Täters gerichtet sind und auf diesen im Sinne einer Bestärkung einwirken sollen (Cramer/Heine in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 27 Rdn. 12; Fischer, StGB 55. Aufl. § 27 Rdn. 9 ff.). Deshalb verbietet es sich, die Zusage jedes im Ergebnis nutzlosen Gehilfenbeitrags, der auf eine Förderung der Tatausführung abzielt, stets in eine psychische Beihilfe umzudeuten (Schünemann in LK 12. Aufl. § 27 Rdn. 15). Eine solche Auslegung würde die Wertentscheidung des Gesetzgebers unterlaufen, die versuchte Beihilfe straflos zu stellen. Dieser wollte mit der Abschaffung einer Versuchsstrafbarkeit zur Vermeidung einer als unerträglich bewerteten Ausweitung strafrechtlicher Verfolgung erfolglose Beihilfehandlungen von der Strafbarkeit ausnehmen (BGHSt 7, 234, 237).
Die Annahme, in jeder erfolglosen (tatbezogenen) Beihilfehandlung liege zugleich eine psychische Beihilfe, wird den eigenständigen rechtlichen Anforderungen an die Annahme einer Beihilfe nicht gerecht. Eine psychische Beihilfe scheitert schon daran, dass ein solcher Gehilfenbeitrag nicht auf die Psyche des Täters, sondern auf die Förderung seiner Tat zielt, mithin also die Tat ?physisch' unterstützt werden soll (vgl. Fischer aaO Rdn. 10). Zwar steckt in der Förderung der Tat regelmäßig auch ihre Billigung. Dies reicht aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht für die Annahme einer psychischen Beihilfe aus (BGH NStZ 1995, 490, 491). Erforderlich ist vielmehr, dass die Tathandlung infolge der psychischen Beeinflussung durch den Gehilfen objektiv gefördert oder erleichtert wurde und der Gehilfe sich dessen bewusst war (BGH NStZ 1996, 563, 564).
Hierfür ergibt sich auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kein Anhaltspunkt. Weder lässt sich erkennen, dass der Angeklagte E. G. durch die vom Haupttäter erbetene Zusage eines Geldtransports auch dessen Psyche weiter bestärkt hätte, noch, dass ihm eine etwaige solche Wirkung bewusst gewesen sein könnte. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Handlung des Angeklagten einem der Haupttäter ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit hätte vermitteln können (vgl. BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 8). Allein der Umstand, dass keine weitere Suche nach einem für erforderlich gehaltenen Gehilfen unternommen werden musste, reicht noch nicht aus.
d) Der Senat kann in dieser Sache ohne Anfrage nach § 132 GVG entscheiden. Zwar hat der 1. Strafsenat durch Urteil vom 26. April 1994 (NStZ 1994, 441 = BGHR BtMG § 29 Beihilfe 1) in einem Fall, in dem die Gehilfin ein ursprünglich mit Heroin gefülltes, postlagernd versandtes Päckchen abgeholt hatte, eine Beihilfe zum Handeltreiben angenommen, obwohl zum Zeitpunkt der Abholung das Heroin bereits sichergestellt und aus dem Päckchen entfernt worden war. Der 1. Strafsenat hat hier eine (vollendete) Beihilfe angenommen, weil die Beihilfe ebenso wie das Handeltreiben als Haupttat nicht erfolgsbezogen ausgelegt werden dürfe. Dieser Ansatz vermengt in bedenklicher Weise die tatbestandlichen Voraussetzungen des Handeltreibens und der Beihilfe hierzu (kritisch auch Harzer StV 1996, 336 ff. und Schünemann in LK, 12. Aufl. § 27 Rdn. 9). Da der Gehilfe einen eigenständigen Tatbeitrag erbringt, sind die Tatbestandsvoraussetzungen der Beihilfe selbständig zu prüfen und treten - wegen der für die Beihilfe geltenden Akzessorietät - zu den Tatbestandsvoraussetzungen der Haupttat hinzu. Die Beihilfe kann deshalb im Bereich der Betäubungsmitteldelikte nicht anders verstanden werden als bei anderen Straftaten auch.
Zu einer Anfrage nötigt das vorgenannte Urteil des 1. Strafsenats nicht, weil - anders als in dem hier zu entscheidenden Fall - dort ein vom Haupttäter initiierter Transportvorgang tatsächlich stattgefunden hat. Zudem geht es in dem vorliegenden Fall um eine von den Ermittlungsbehörden selbst angeschobene und zum Schein vereinbarte Geldübergabe, die schon deshalb keinen Erfolg eines Rauschgiftgeschäfts fördern konnte. Durch die Tatbegehung auf Initiative eines Verdeckten Ermittlers, unterscheidet sich die Sachverhaltsgestaltung hier ganz wesentlich auch von einer weiteren Entscheidung des 1. Strafsenats vom 9. Juli 1996 (BGHR BtMG § 29 Beihilfe 2).
Dort hatte sich der Angeklagte bereit erklärt, im Auftrag des Hintermanns nach dem zwischenzeitlich sichergestellten Rauschgift zu suchen.
Im Übrigen hindert eine möglicherweise entgegenstehende Rechtsprechung vor der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs zum unerlaubten Handeltreiben vom 26. Oktober 2005 schon angesichts der hiernach angezeigten Neuorientierung im Grenzbereich von Mittäterschaft und Beihilfe (vgl. BGHSt [GS] 50, 252, 266; vgl. zudem aaO S. 263 zur offenen, hier nicht klärungsbedürftigen Frage der Vollendung bei einem erst nach Sicherstellung des gehandelten Rauschgifts eingreifenden Mittäter) die jetzige Entscheidung des Senats nicht.
Nach der Entscheidung des Großen Senats ist entgegenstehende Rechtsprechung anderer Senate nicht ersichtlich. Der Beschluss des 1. Strafsenats vom 17. Juli 2007 (NStZ 2007, 635) betrifft eine in ein organisiertes Bezugs- und Absatzsystem eingebettete Beihilfehandlung (worauf sich der 1. Strafsenat ausdrücklich stützt) und damit einen anderen Sachverhalt. Das Urteil des 2. Strafsenats vom 17. Oktober 2007 (2 StR 369/07) bezieht sich auf die Zusage eines Kuriers beträchtlicher Heroinmengen, der tatsächlich auch eine Teilmenge hiervon transportiert hat. Auch diese Fallkonstellation weicht von der hier zu entscheidenden erheblich ab.
3. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen liegt deshalb nur eine versuchte Beihilfe zum Handeltreiben nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG vor. Diese ist jedoch straflos.
Es kommt auch keine Strafbarkeit nach § 30 StGB in Betracht. Eine Verabredung oder ein Sich-Bereiterklären zwischen den beiden Angeklagten E. G. und E. M. als auch gegenüber ?Ax. ? ist nur in Bezug auf eine Beihilfehandlung erfolgt und damit straflos (vgl. BGHSt 7, 234, 237; Fischer, StGB 55. Aufl. § 30 Rdn. 8; Schünemann in LK 12. Aufl. § 30 Rdn. 72). ..." (BGH, Urteil vom 07.02.2008 - 5 StR 242/07)
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?... Das Landgericht hatte den Angeklagten in einem ersten Urteil vom 24. August 2006 wegen mittäterschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt. Dieses Urteil hat der Senat auf die Sachrüge des Angeklagten durch Beschluss vom 28. Februar 2007 - 2 StR 57/07 - mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen, weil die Beweiswürdigung, auf welche das Landgericht seine Feststellung gestützt hatte, der Angeklagte habe als Mittäter versucht, zwei aus Pakistan einreisende Drogenkuriere am Flughafen Frankfurt abzuholen, der rechtlichen Prüfung nicht standhielt. In seinem Beschluss hatte der Senat darauf hingewiesen, der neue Tatrichter werde der Abgrenzung täterschaftlicher von nur als Gehilfe unterstützender Beteiligung genaueres Augenmerk zuzuwenden haben. Das Landgericht hat den Angeklagten nun wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine hiergegen eingelegte Revision ist unbegründet.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts organisierten die Rauschgifthändler M. und C., die sich in Spanien oder Pakistan aufhielten, Herointransporte von Pakistan nach Spanien. Hierzu sandten sie regelmäßig Kuriere mit Heroinlieferungen von Pakistan nach Frankfurt. Dort wurden die Kuriere von einem Beauftragten der Hintermänner, B., in Empfang genommen; an ihn lieferten sie das Rauschgift ab, das dann auf anderen Wegen nach Spanien gebracht wurde.
Am Tattag, dem 28. August 2005, flogen wiederum zwei Kuriere von Pakistan nach Frankfurt, dort sollten sie von B. in Empfang genommen werden. Sie führten ca. 5,2 und 5,3 kg Heroingemisch mit einem Reinheitsgehalt von ca. 80 ? am Körper mit sich. Während sich die Kuriere bereits an Bord des Flugzeugs auf dem Weg nach Frankfurt befanden, rief der Absender des Rauschgifts, der Hintermann M., den Angeklagten an, teilte ihm mit, er könne den B. nicht erreichen, und bat ihn, er möge zwei Heroinkuriere am Flughafen Frankfurt abholen und mit B. in Verbindung bringen. Der Angeklagte sagte dies zu. Ein Entgelt wurde weder vereinbart noch erwartet. Der Angeklagte fuhr zum Flughafen, um die beiden Kuriere abzuholen. Diese wurden jedoch, da die Polizei schon vor dem Flug Kenntnis von dem beabsichtigten Transport erhalten hatte, schon bei ihrer Ankunft festgenommen, der Angeklagte wartete daher vergeblich. Eine sonstige Einbeziehung des Angeklagten in die Rauschgiftgeschäfte von M. und C. ist nicht festgestellt.
2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge; entgegen der Ansicht der Revision ist nicht nur ein Fall strafloser versuchter Beihilfe gegeben.
a) Dass der Angeklagte den Zweck der Einreise der beiden Personen aus Pakistan kannte und den Weitertransport des Heroins fördern wollte, ist, anders als im Ersturteil, aufgrund des Geständnisses der Angeklagten rechtsfehlerfrei festgestellt. Es steht daher außer Frage, dass der Angeklagte den Vorsatz hatte, die Haupttat des Handeltreibens als Gehilfe (§ 27 StGB) zu unterstützen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Strafbarkeit wegen Beihilfe gemäß § 27 StGB nicht voraus, dass die auf Unterstützung des Haupttäters gerichtete Handlung des Gehilfen sich auf die Begehung der Haupttat im Sinne der Bedingungstheorie kausal auswirkt; ausreichend ist vielmehr, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung erleichtert oder fördert (RGSt 58, 113, 114 f.; BGHSt 2, 130 f.; 46, 107, 109; BGH NJW 2000, 3010; NStZ 2004, 499, 500; 2007, 230, 232; st. Rspr.; weitere Nachw. bei Fischer StGB 55. Aufl. § 27 Rdn. 14). Dagegen wird in der Literatur überwiegend an einem - wenngleich modifizierten - Kausalitätserfordernis festgehalten; nach wieder anderer Ansicht muss durch die Beihilfehandlung zumindest eine objektive Erhöhung des Risikos für das betroffene Rechtsgut eingetreten sein (vgl. dazu Cramer/Heine in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 27 Rdn. 10; Fischer aaO § 27 Rdn. 14 f.; Hoyer in SK-StGB 7. Aufl. § 27 Rdn. 5 ff.; Joecks in MüKo-StGB § 27 Rdn. 23 ff.; Schünemann in LK 12. Aufl. § 27 Rdn. 2 ff.; jeweils m.w.N.). Der vorliegende Fall gibt dem Senat keinen Anlass, die ständige Rechtsprechung in Frage zu stellen. Dies gilt auch im Hinblick auf die Besonderheiten, welche durch den weiten Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (vgl. BGHSt 50, 252, 264 ff.) und die Vorverlagerung der Tatbestandsvollendung begründet sind.
b) Zwar scheidet, soweit es die Tat der eingereisten Kuriere betrifft, eine Förderung durch den Angeklagten aus, denn ihr Tatbeitrag wurde durch eine Handlung des Angeklagten nicht beeinflusst, verstärkt oder unterstützt.
Gefördert worden ist aber die Tat des M.. Da dieser, als er den Angeklagten um Unterstützung bat, die Tat bereits vollendet hatte und das Handeln des Angeklagten, soweit es die Fahrt zum Flughafen und das dortige Warten betraf, sich wegen der sicheren Festnahme der Kuriere bei ihrer Ankunft auf den weiteren Ablauf des Geschehens nicht auswirken konnte, hat das Landgericht die Unterstützungshandlung zutreffend schon in der Zusage des Angeklagten gesehen, die erwarteten Kuriere in Empfang zu nehmen und den Kontakt mit B. herzustellen. Denn es lag hier auf der Hand und bedurfte daher keiner ausdrücklichen weiteren Feststellung, dass M., hätte der Angeklagte die erbetene Unterstützung verweigert, die Kuriere nicht sich selbst überlassen, sondern anderweitige Maßnahmen unternommen hätte, um die Weiterleitung des Rauschgifts sicher zu stellen. Hierzu hätte er entweder andere bereits eingeweihte Personen ansprechen oder bislang nicht eingeweihte Personen in die Tat einbeziehen oder durch Maßnahmen gegenüber Dritten (etwa Übermittlung von Nachrichten über die Fluggesellschaft) das Risiko erhöhen müssen, dass Sicherheitsbehörden auf den Vorgang aufmerksam wurden.
Durch die Zusage des Angeklagten, den Empfang und die Weiterleitung der Kuriere sicher zu stellen, konnte M. sicher sein, dass sein Tatplan wie vorgesehen umgesetzt würde, und von anderen Maßnahmen absehen. Dies reicht als Förderung der Haupttat im Sinne von § 27 StGB aus. Dass wegen der bereits eingetretenen Aufdeckung der Tat eine mögliche Einschaltung anderer Personen die Festnahme der Kuriere bei deren Ankunft nicht verhindert und daher den geplanten Taterfolg ebenfalls nicht herbeigeführt hätte, steht dem wegen des Charakters des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln als Unternehmensdelikt nicht entgegen. Die Tat des M. war zum Zeitpunkt der Zusage, da sich die Kuriere zu dieser Zeit noch auf dem Weg nach Frankfurt befanden, zwar vollendet, aber noch nicht beendet, so dass Beihilfe noch möglich war. ..." (BGH, Urteil vom 16.01.2008 - 2 StR 535/07)
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?... 1. Die Verurteilung des Angeklagten M. wegen Beihilfe zum (Sozialversicherungs-) Betrug betreffend den Zeitraum Januar bis November 2000 hält, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 1. Februar 2007 zutreffend ausgeführt hat, rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn der Angeklagte M. wurde erst im Januar 2001 zum Geschäftsführer der B. GmbH bestellt. Allein die von dem Angeklagten M. in seiner Funktion als (formeller) Geschäftsführer wahrgenommenen Tätigkeiten hat das Landgericht aber als Beihilfehandlungen für die von den faktischen Geschäftsführern der Gesellschaft, vornehmlich dem nicht revidierenden Mitangeklagten P. , begangenen Steuerhinterziehungen und Betrugstaten gewertet.
Eine als Beihilfe zu wertende Unterstützung des Angeklagten M. bei Abgabe unrichtiger Beitragsnachweise gegenüber den Sozialversicherungsträgern für den Zeitraum Januar bis November 2000 durch den Mitangeklagten P. wird auch nicht durch die weiteren Urteilsfeststellungen belegt. Insbesondere genügt hierfür nicht die Feststellung, dass der Angeklagte M. ?seit dem Spätsommer 2000 stundenweise im Büro der B. GmbH beim Schreiben von Rechnungen oder Angeboten aushalf" (UA S. 7). Der Senat schließt angesichts der festgestellten Umstände zur bloßen Aushilfstätigkeit des Angeklagten M. in der B. GmbH vor dessen Bestellung zum Geschäftsführer ?aus heiterem Himmel" (UA S. 41) sowie der Tatsache, dass der Mitangeklagte P. erst nach dem Scheitern der Zusammenarbeit mit dem bisherigen Geschäftsführer F. nach einem neuen (formellen) Geschäftsführer gesucht hatte, vielmehr aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden könnten, die auch insoweit eine Verurteilung rechtfertigen könnten. Er spricht daher den Angeklagten M. insoweit frei.
Die Frage, ob der Tatvorwurf der Beihilfe zum Betrug zum Nachteil der Sozialversicherungsträger in elf Fällen für den Beitragszeitraum von Mai 2002 bis März 2003 (von dem der Angeklagte W. rechtskräftig freigesprochen worden ist) dem Angeklagten M. zur Last zu legen wäre, weil die Haupttaten während der Zeit seiner Geschäftsführertätigkeit und nicht der des Angeklagten W. begangen wurden, kann der Senat nicht prüfen, da es insoweit (bislang) an der Verfahrensvoraussetzung einer Anklage und dementsprechend einer Entscheidung des Landgerichts hierüber fehlt. ..." (BGH, Beschluss vom 28.02.2007 - 5 StR 543/06)
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?... Das Schwurgericht hat ferner nicht darauf Bedacht genommen, dass im Einzelfall der durch Handeln erbrachte Tatbeitrag des Gehilfen - was hier äußerst nahe gelegen hätte - schon darin bestehen kann, dass der Gehilfe den Haupttäter im Wissen um dessen Verhalten zur Tatausführung begleitet, seine Anwesenheit gleichsam ?einbringt', um den Haupttäter in seinem Tatentschluss zu bestärken und ihm das Gefühl erhöhter Sicherheit zu geben (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 14 m.w.N.). Dem stünde die Erwägung des Landgerichts (UA S. 108), der Angeklagte S. Y. hätte sich im Augenblick seiner Tatausführung, obwohl er nach E. gerufen hatte, alleingelassen und hilflos gefühlt, eher nicht entgegen. Sie beruht nämlich allein auf der - regelmäßig nicht ungeprüft hinzunehmenden (vgl. BGH NJW 2003, 2179; ferner BGHSt 49, 365, 370) - Einlassung des Angeklagten S. Y. , die zudem im Blick auf die Schnelligkeit des Anschlussgeschehens an Plausibilität verliert. ..." (BGH, Urteil vom 31.01.2007 - 5 StR 404/06)
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?... Nach den Feststellungen begaben sich der Angeklagte, der frühere Mitangeklagte Karuan A. und zwei weitere Männer zum Kiosk der Familie D. . A. betrat den Kiosk und verlangte von der dort tätigen Zeugin Ayse D. die Herausgabe von 100 Euro, wobei er ihr ein langes Küchenmesser vor die Brust hielt. Der Angeklagte und die beiden Anderen standen währenddessen vor der Tür des Kiosks, wobei sie "durch ihre Erscheinung ebenfalls einen einschüchternden Eindruck auf die Zeugin machten". Diese kam der Aufforderung des A. nicht nach, sondern sprühte ihm Pfefferspray in die Augen. Ungefähr zur selben Zeit rief einer der draußen Stehenden: "Karuan, es kommt ein Bus! Schnell weg!". Daraufhin flohen alle Vier im Pkw des A. , den dieser auf der Busspur vor dem Kiosk abgestellt hatte. Dass sich tatsächlich ein Bus genähert hatte, ist nicht erwiesen.
Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung nicht, denn es ist weder dargetan, dass der Angeklagte einen die Tatbegehung objektiv fördernden Beitrag erbracht, noch dass er mit Gehilfenvorsatz gehandelt hat.
Zwar kann auch das bloße Dabeisein die Tat eines anderen im Sinne aktiven Tuns fördern oder erleichtern (BGH StV 1982, 517; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 13, 14, 18 m.w.N.). Es bedarf aber bei solchen Fallgestaltungen sorgfältiger und genauer Feststellungen dazu, dass und wodurch die Tatbegehung in ihrer konkreten Gestaltung objektiv gefördert oder erleichtert wurde (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 12, 15). Solche Feststellungen lässt das angefochtene Urteil vermissen. Sie lassen sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe herleiten. Darüber hinaus ist weder festgestellt noch belegt, dass der Angeklagte durch seine Anwesenheit vor dem Kiosk zur Einschüchterung des Opfers beitragen wollte.
Falls die neu entscheidende Strafkammer wiederum zur Annahme einer Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung kommen sollte, wird sie zu prüfen haben, ob der Angeklagte von dieser Tat strafbefreiend zurückgetreten ist (§ 24 Abs. 2 StGB). Sofern abweichende Feststellungen nicht getroffen werden können, wird zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen sein, dass er derjenige war, der A. vor einem erhöhten Entdeckungsrisiko gewarnt hat. In dieser Warnung könnte, wenn sich tatsächlich kein Bus genähert hätte, ein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen gesehen werden, durch eine List die Vollendung der Tat zu verhindern. Ein solches Bemühen würde auch dann zur Strafbefreiung führen, wenn die Tat nicht dadurch, sondern wegen der energischen Abwehr des Opfers nicht vollendet wurde (vgl. Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 24 Rdn. 42). ..." (BGH, Beschluss vom 14.11.2006 - 4 StR 374/06).
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?... Im Fall 28 hat die StrK fehlerhaft nicht geprüft, ob sich der Angekl. lediglich der Beihilfe zum Handeltreiben mit Btm in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Btm in nicht geringer Menge (§ 29 Abs. 1 Nr. 1, § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 Abs. 1, § 52 Abs. 1 StGB) schuldig gemacht hat, obwohl die Feststellungen dazu Anlaß gaben. Das Aufbewahren von Rauschgift für einen Dritten, das zur gewinnbringenden Veräußerung bestimmt ist, kann zwar ein Tatbeitrag sein, der die Annahme täterschaftlichen Handeltreibens rechtfertigt (BGHR § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG Handeltreiben 42, 47 m. w. N.), doch sprechen vorliegend wesentliche Gesichtspunkte für eine Gehilfenstellung des Angekl. Die Feststellungen legen nahe, daß es sich bei der vom Angekl. vorgenommenen Einlagerung von über 8 000, seinem Dealer T. gehörenden Ecstasy-Tabletten in der Wohnung des gesondert verfolgten Kr. um eine bloße Gefälligkeit handelte. Das Tatgericht hat nicht festgestellt, daß dem Angekl. konkrete Gegenleistungen zugewandt oder versprochen worden waren. Im übrigen hätte auch ein unterstelltes eigennütziges Verhalten des Angekl. die Kammer nicht von der nach allgemeinen Grundsätzen durchzuführenden Abgrenzung der Beteiligungsformen enthoben (Senat, NStZ-RR 2003, 309 = StV 2003, 618 m. w. N.). Für das Vorliegen von Beihilfe zum Handeltreiben spricht hier weiterhin, daß die Lagerung von vornherein auf eine Woche beschränkt war, die Btm anschließend wieder von T. übernommen werden sollten, die vorübergehende Verbringung nicht zur Verbesserung von Umsatzmöglichkeiten, sondern aus Angst vor einer Polizeiaktion gegen T. erfolgte und der Angekl. über die bloße Verwahrung des Rauschgiftes hinaus an keinen Absatzvorbereitungen oder -bemühungen beteiligt war. Es ist auszuschließen, daß noch Feststellungen getroffen werden können, die ein täterschaftliches Handeltreiben des Angekl. belegen, zumal das Urteil insoweit allein auf seinem Geständnis beruht. Danach ist der Angekl. der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Btm in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Btm in nicht geringer Menge schuldig (vgl. BGHR § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG Handeltreiben 47). Der Senat wird in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch umstellen können. Der Strafausspruch bleibt hiervon jedoch wiederum unberührt. Angesichts des unveränderten Strafrahmens und der dessen unteren Bereich entnommenen, maßvollen Sanktion kann ausgeschlossen werden, daß das Tatgericht bei fehlerfreier Rechtsanwendung auf eine noch mildere Einzel- oder Gesamtstrafe erkannt hätte.' ..." (BGH StV 2004, 604).
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Die bloße Kenntnis von der Begehung der Tat und deren Billigung ohne einen die Tat objektiv fördernden Beitrag reicht für die Annahme von Beihilfe selbst dann nicht aus, wenn der Betreffende einen Teil der Beute beansprucht; wenn ihm ein Anteil lediglich freiwillig überlasen wird, gilt dies erst recht (BGH wistra 2004, 180).
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?... Beihilfe ist die dem Täter vorsätzlich geleistete Hilfe zur Begehung einer rechtswidrigen Tat. Als Hilfeleistung i. S. d. § 27 StGB ist dabei grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolgs des Haupttäters objektiv fördert, ohne daß sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muß (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 46, 107, 109 m. w. N.). Die Hilfeleistung muß auch nicht zur Ausführung der Tat selbst geleistet werden, es genügt schon die Unterstützung bei einer vorbereitenden Handlung (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 22 m. w. N.). Das kann grundsätzlich auch durch äußerlich neutrale Handlungen geschehen (BGH, Urt. v. 23. 1. 1985 - 3 StR 515/84). Es ist jedoch anerkannt, daß nicht jede Handlung, die sich im Ergebnis objektiv tatfördernd auswirkt, als (strafbare) Beihilfe gewertet werden kann. Vielmehr bedarf es insbes. in Fällen, die sog. ?neutrale' Handlungen betreffen, einer bewertenden Betrachtung im Einzelfall (BGHR, a. a. O.).
aa) Der BGH hat in den vergleichbaren Fällen berufstypischer neutraler Handlungen folgende Grundsätze aufgestellt: Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag in jedem Fall als strafbare Beihilfehandlung zu werten. Denn unter diesen Voraussetzungen verliert sein Tun stets den ?Alltagscharakter'; es ist als ?Solidarisierung' mit dem Täter zu deuten. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, daß sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, daß er sich mit seiner Hilfeleistung ?die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein' ließ (BGHSt 46, 107, 112; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 20).
bb) In den Fällen, in denen nicht eine ?berufstypische', sondern vielmehr eine neutrale Alltagshandlung ohne berufstypischen Bezug vorliegt, bedarf die Beurteilung, ob eine strafbare Beihilfe vorliegt, einer besonders eingehenden Prüfung. Die entwickelten Grundsätze zu den berufstypischen neutralen Handlungen sind jedoch auch hier grundsätzlich anwendbar.
Gibt z. B. jemand einem Schwarzgeldempfänger, den er zuvor selbst bestochen hat, konkrete Hinweise, an welche Personen oder Institutionen sich dieser zwecks Geldtransfer und -anlage in der Schweiz wenden kann oder bietet er gar an, den entsprechenden Kontakt herzustellen, dann liegt es nahe, daß er sich ?die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein' läßt. In diesem Fall verliert die an sich neutrale Handlung des Hinweisgebers ihren Alltagscharakter und das Handeln ist als Beihilfe i. S. d. § 27 StGB zu werten.
cc) Indes ist vorliegend die Feststellung der StrK, der Angekl. habe den Vorteilsempfängern einen ?Tip' gegeben, ?wie und wo sie diese Gelder in der Schweiz anlegen konnten', zu ungenau; sie trägt daher eine Verurteilung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung nicht. Bei derart allgemein gehaltenen Feststellungen, welche Aussagen der Angekl. hier gemacht und welche Auswirkungen der ?Tip' auf das Verhalten der Bestochenen gehabt haben soll, ist eine revisionsrechtliche Prüfung, ob tatsächlich eine Beihilfehandlung i. S. d. § 27 StGB und eine Erleichterung oder Förderung der Haupttat vorliegt, nicht möglich. Es fehlt insbes. an hinreichend deutlichen, durch eine tragfähige Beweiswürdigung belegten Feststellungen, daß Prof. Dr. M. und H. tatsächlich zumindest auch aufgrund dieses ?Tips' die Gelder in der Schweiz anlegten, um diese dem deutschen Fiskus gegenüber nicht zu offenbaren, und unter Ausnutzung dieses Umstandes unrichtige Einkommensteuererklärungen abgaben. ..." (BGH StV 2003, 559 ff).
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Allein die Kenntnis und Billigung der Lagerung von Betäubungsmitteln bzw. deren Verkaufs aus der Wohnung heraus erfüllt die Voraussetzungen strafbarer Beihilfe nicht. Ebensowenig begründet es ohne weiteres die Strafbarkeit des Wohnungsinhabers, dass er gegen die Aktivitäten des Täters nicht vorgegangen ist. Dies kommt vielmehr nur in Betracht, wenn er als Wohnungsinhaber rechtlich verpflichtet gewesen ist, gegen den in seiner Wohnung betriebenen Betäubungsmittelhandel einzuschreiten (§ 13 I StGB). Eine solche Rechtspflicht des Wohnungsinhabers ist aber grundsätzlich nicht gegeben (BGH, Beschluss vom 07.01.2003 - 3 StR 414/02).
Eine vor der Tat gemachte Zusage, bei der Beuteverwertung mitzuwirken, kann eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Bandendiebstahl begründen, wenn der Angeklagte jeweils konkrete Diebstahlstaten der anderen Bandenmitglieder mit Gehilfenvorsatz unterstützt (BGH, Beschluss vom 13.08.2002 - 4 StR 208/02).
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?... Auch die Verurteilungen der drei Angekl. wegen Beihilfe zur Einkommensteuerhinterziehung des früheren Mitangekl. Y. haben Bestand.
Als Hilfeleistung i. S. d. § 27 StGB ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges des Haupttäters objektiv fördert (vgl. BGHSt 42, 135, 136), ohne daß sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muß (st. Rspr., vgl, nur BGHSt 46, 107, 109).
Die strafbare Hilfeleistung liegt hier in dem Abschluß des Scheinvertrages, bei den Angekl. K. und H. zudem in der Nichtaufnahme der Zahlung von 2,3 Mio. DM in die Lohnsteuerbescheinigung für Y. Hierdurch wurde (auch gegenüber den Finanzbehörden) verschleiert, daß es sich bei der geleisteten Zahlung um lohnsteuerpflichtiges Gehalt handelte. Dies ermöglichte Y. die Hinterziehung der auf diesen Einkünften lastenden Einkommensteuer (vgl. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG).
Einer Strafbarkeit der Angekl. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung steht nicht entgegen, daß eine Gehaltszahlung des Arbeitgebers an einen Arbeitnehmer eine objektiv ?neutrale' Handlung ist (vgl. hierzu BGHSt 46, 107, 112; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 3, 20), die grundsätzlich keine Beihilfe zur Einkommensteuerhinterziehung des Arbeitnehmers darstellt. Hier beschränkte sich das Verhalten der Angekl. nicht auf eine bloße Gehaltszahlung; die Angekl. haben vielmehr die Zahlung an Y. durch Abschluß eines Scheinvertrages mit dem Angekl. B. gezielt verschleiert. Unbeachtlich ist dabei, daß eine entgeltliche, zeitlich befristete Übertragung der Rechte des Y. am eigenen Namen (§ 12 BGB) und am eigenen Bild (§ 22 ff. KunstUrhG) an Eintracht Frankfurt für eine sog. Namens- oder Imagewerbung unter Einbindung einer Werbeagentur rechtlich zulässig gewesen wäre. Ein solcher Vertrag war nach den Urteilsfeststellungen von den Angekl. gerade nicht ernsthaft gewollt.
Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Angekl. weder für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Y. verantwortlich noch von ihm mit der Erfüllung dieser Pflichten betraut worden waren. Den Angekl. war bewußt, daß die getroffenen Vereinbarungen für Y. nur dann wirtschaftlich von Interesse waren, wenn er die ihm zufließende Zahlung in seiner Einkommensteuererklärung nicht angeben würde; durch Verschleierung der Gehaltszahlung sollte gerade dies ermöglicht werden.
Schließlich ist eine Strafbarkeit der Angekl. auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil es Y. bei den Vertragsverhandlungen nicht vorrangig darauf ankam, eine strafbare Steuerhinterziehung begehen zu können; er wollte vielmehr vor allem deutlich höhere Einkünfte als bisher erzielen. Verfolgt der von einem Hilfeleistenden Unterstützte neben strafbaren auch legale Ziele, stehen diese zulässigen Ziele einer Strafbarkeit des Hilfeleistenden dann nicht entgegen, wenn sich der Hilfeleistende mit dem strafbaren Tun des Unterstützten solidarisiert, indem er sich gerade die Förderung der strafbaren Handlungen des Unterstützten angelegen sein läßt. So verhielt es sich hier. Mit dem Abschluß eines Scheinvertrages zur Verschleierung der Gehaltszahlung (und der Nichtabführung von Lohnsteuer) haben die Angekl. ihr Verhalten neben der Verfolgung eigener finanzieller Interessen von Eintracht Frankfurt auch dem wirtschaftlichen Bestreben des Y. und damit seinen deliktischen Zielen einer Steuerhinterziehung angepaßt. ..." (BGH StV 2002, 546 ff).
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Zwar reicht die bloße Anwesenheit am Tatort in Kenntnis einer Straftat selbst bei deren Billigung nicht aus, die Annahme von Beihilfe im Sinne aktiven Tuns zu begründen. Die Hilfeleistung i.S. des § 27 I StGB kann jedoch auch in der Billigung der Tat bestehen, wenn sie gegenüber dem Täter zum Ausdruck gebracht und dieser dadurch in seinem Tatentschluss oder in seiner Bereitschaft, ihn weiter zu verfolgen, bestärkt wird und der Gehilfe sich dessen bewusst ist (so genannte psychische Beihilfe; BGH, Urteil vom 24.10.2001 - 3 StR 237/01).
Zwar kann auch die bloße Anwesenheit die Tat eines anderen i.s. aktiven Tuns fördern oder erleichtern, jedoch bedarf es bei einer solchen Fallgestaltung sorgfältiger und genauer Feststellungen dazu, dass und wodurch die Tatbegehung in ihrer konkreten Gestaltung objektiv gefördert oder erleichtert wurde (BGH, Beschluss vom 25.07.2000 - 4 StR 229/00).
Beihilfe kann auch durch bloße Anwesenheit bei der Haupttat geleistet werden, sofern dadurch die Tat in ihrer konkreten Gestalt gefördert oder erleichtert wird. Die bloße Billigung der Tat stellt aber nur dann ein als Hilfeleisten zu wertendes Handeln dar, wenn sie dem Täter zum Ausdruck gebracht und dieser dadurch in seinem Tatentschluß oder in seiner Bereitschaft, ihn weiter zu verfolgen, bestärkt wird (BGH StV 1996, 659).
Das bloße "Dabeisein" in Kenntnis einer Straftat reicht selbst bei deren Billigung nicht aus, die Annahme von Beihilfe i. S. aktiven Tuns zu begründen, da andernfalls die rechtlichen Anforderungen im Hinblick auf die Garantenpflichten beim unechten Unterlassen umgangen werden könnten und die Strafbarkeit im Bereich der Beihilfe ausgedehnt würde (BGH StV 1996, 432).
Zwar kann auch das bloße Dabeisein die Tat eines anderen i. S. aktiven Tuns fördern oder erleichtern, doch bedarf es bei solchen Fallgestaltungen sorgfältiger und genauer Feststellungen dazu, daß und wodurch die Tatbegehung in ihrer konkreten Gestalt objektiv gefördert oder erleichtert worden ist (BGH wistra 1996, 19).
Auch wenn Beihilfe durch bloße Anwesenheit bei der Haupttat geleistet werden kann, setzt im Rahmen strafrechtlicher Verantwortlichkeit für positives Tun jede Beihilfe - auch die sogenannte psychische - einen durch Handeln erbrachten Tatbeitrag des Gehilfen unabdingbar voraus. Ein bloßes "Dulden" der Haupttat könnte nur als Beihilfe durch Unterlassen strafbar sein, wenn eine Garantenpflicht zur Abwendung der Straftat bestand (BGH StV 1995, 363).
Im Rahmen strafrechtlicher Verantwortlichkeit für positives Tun setzt jede Beihilfe - auch die sogenannte psychische - einen durch Handeln erbrachten Tatbeitrag des Gehilfen unabdingbar voraus (BGH NStZ 1995, 490).
Beihilfe (hier zum Betrug) kann schon begehen, wer dem Täter ein entscheidendes Tatmittel überlässt (hier ein Konto) auf das das Opfer die durch Täuschung bewirkte Überweisung veranlassen sollte) und damit bewusst das Risiko erhöht, dass ein durch den Einsatz gerade dieses Mittels typischer Weise geförderte Tat verübt wird. Hingegen ist weder erforderlich, dass der Gehilfe die genaue Kenntnis von der Person des Täters und dem konkreten Weise der Haupttäter der Tat verwirklichen wird (BGH, Beschluss vom 12.07.2000 - 1 StR 269/00).
Daß ein Angeklagter von den Rauschgiftgeschäften eines anderen Kenntnis hat und diese billigt, erfüllt für sich noch nicht die Voraussetzungen strafbarer Beihilfe. Dies gilt auch dann, wenn sich der Angeklagte darauf beschränkte, Verkäufe aus seiner Wohnung heraus zu dulden (BGH StV 1999, 430).
Der Inhaber einer Wohnung hat nicht ohne weiteres rechtlich dafür einzustehen, daß in seinen Räumen durch Dritte keine Straftaten begangen werden. Das bloße Dulden von Rauschgiftgeschäften in der Wohnung erfüllt deshalb nicht die Voraussetzungen der Beihilfe. Die im Mitkonsum von Betäubungsmitteln zum Ausdruck kommende Billigung der Tat kann zwar psychische Behilfe sein. Dies setzt jedoch die Feststellung voraus, daß die Tatbegehung in ihrer konkreten Gestalt objektiv gefördert oder erleichtert wurde und daß dies dem Gehilfen bewußt war (BGH StV 1999, 212).
Grundsätzlich kann der Hehler auch wegen Beihilfe zum Diebstahl verurteilt werden, wenn er den Diebstahl dadurch unterstützt, daß er (vor der Tat) seine Mitwirkung bei der Verwertung der Beute zusagt. Entscheidend ist dabei, worin die eigentliche Aufgabe des Hehlers bestand. Der bloße Umstand, daß seine Unterstützung von den Dieben bei ihrer Tat schon eingeplant war, macht ihn noch nicht zum Gehilfen, da andernfalls Bandenhehleri immer zugleich Beihilfe zum (Banden-)Diebstahl wäre (BGH StV 1997, 250).
Beihilfe zum Betrug kann schon begehen, wer dem Täter ein entscheidendes Tatmittel (hier: ein inhaltlich falsches Wertgutachten) willentlich an die Hand gibt und damit bewußt das Risiko erhöht, daß durch den Einsatz gerade dieses Mittels eine mittels Täuschung gegen fremdes Vermögen gerichtete Haupttat verübt wird. Opfer, Tatzeit oder nähere Details der konkreten Begehungsweise müssen dem Gehilfen nicht bekannt sein (BGHSt 42, 135).
Wegen Beihilfe zu einem Mord aus niedrigen Beweggründen können die Gehilfen nur dann verurteilt werden, wenn der Täter aus niedrigen Beweggründen gehandelt hat und sie selbst als Gehilfen ihre Tatbeiträge entweder ebenfalls aus niedrigen Beweggründen oder in Kenntnis der niedrigen Beweggründe des Täters erbracht haben (BGH NStZ 1996, 384).
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Das bloße Dulden des Anbaus von Betäubungsmitteln in einer gemeinsam bewohnten Wohnung stellt für sich allein keine Beihilfe zum unerlaubten Anbau oder zum unerlaubten Handeltreiben mit Btm dar (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19.01.2007 - 2 Ss 96/06).
Besteht der alleinige Tatvorwurf einer psychischen Beihilfe zu einer uneidlichen Falschaussage in der Äußerung der Verteidigerin gegenüber ihrer die Tat bestreitenden Mandantin, ?jetzt müssen Sie noch Ihre Freundin davon überzeugen, dass sie die Fahrerin war", kann der Sinn dieser Äußerung nur im Kontext mit dem vorangegangenen Ordnungswidrigkeitenverfahren ermittelt werden. Die Beihilfe zur Anstiftungshandlung setzt nicht voraus, dass der Haupttäter von der Äußerung des Gehilfen gegenüber dem Anstifter Kenntnis erhält und sich hierdurch in seinem Vorhaben bestärkt fühlt. Ausreichend ist, dass die Unterstützung des Anstifters unmittelbar dessen Beteiligung und damit mittelbar die Haupttat gefördert wird. Auch wenn die Anstiftungshandlung bereits vollendet, die durch die Beihilfehandlung mittelbar geförderte Haupttat aber noch nicht beendet ist, kann insoweit eine Beihilfehandlung mittelbar oder unmittelbar wirksam werden. Der Schuldspruch erfolgt in einem solchen Falle nicht als Beihilfe zur Anstiftung, sondern als (mittelbare) Beihilfe zur Haupttat (im Anschl. an BGH, NStZ 1996, 562 = BGHR StGB § 27 Hilfeleisten 16; NStZ 2000, 421 [422]; OLG Bamberg, Urteil vom 02.05.2006 - 2 Ss 73/05, NJW 2006, 2935 ff).
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?... 2. Die Voraussetzungen einer Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung sind nicht hinlänglich dargetan.
a) Soweit das AG einen die Tatbegehung durch G. und R. objektiv fördernden Beitrag der Angekl. darin erblickt, daß durch deren bloße Anwesenheit die Wartezeit des G. ?angenehmer gestaltet, seine Nervosität verringert und sein Verhalten gestärkt' wurde, kann dieser Wertung nicht gefolgt werden.
aa) Eine Beihilfe durch positives Tun ist hierdurch nicht gegeben.
(1) Grundsätzlich reicht bloße Anwesenheit am Tatort in Kenntnis einer Straftat selbst bei deren Billigung nicht aus, die Annahme von Beihilfe im Sinne eines aktiven Tuns zu begründen (vgl. nur BGH NStZ 2002, 139 und NStZ 1998, 622). Anderes gilt nur dann, wenn die Billigung der Tat gegenüber dem Täter zum Ausdruck gebracht und dieser dadurch in seinem Tatentschluß oder in der Bereitschaft, ihn weiterzuverfolgen, bestärkt wird und - was sorgfältiger und genauer Feststellungen bedarf - die Tat in ihrer konkreten Gestalt gefördert oder erleichtert wird (sog. psychische Beihilfe). Jedoch ist auch in diesem Fall - wie bei jeder strafrechtlichen Verantwortlichkeit für positives Tun - ein durch Handeln erbrachter Tatbeitrag des Gehilfen unabdingbare Voraussetzung (BGHR, StGB § 27 Abs. 1, Vorsatz 2; BGH - 2. Strafsenat - StV 1982, 516; LK-Roxin, StGB, 11. A., § 27 Rdnr. 15; a. A. BGH - 3. Strafsenat - StV 1982, 518 m. abl. Anm. Rudolphi); dieser kann im Einzelfall schon darin bestehen, daß der Gehilfe den Haupttäter im Wissen um dessen Vorhaben zur Tatausführung begleitet, etwa mitfährt oder mitgeht, seine Anwesenheit gleichsam ?einbringt', um den Hauttäter in seinem Tatentschluß zu bestärken und ihm das Gefühl erhöhter Sicherheit zu geben (BGH NStZ 1995, 490).
Dies wird durch die tatrichterlichen Feststellungen nicht belegt; die Angekl. hat nach den Feststellungen durch positives Tun keinen Gehilfenbeitrag geleistet. Denn G. und R. haben erst während der Fahrt (?spätestens im Auto entschlossen sich R. und G... .') den Entschluß gefaßt, erneut eine Tankstelle zu überfallen. Erst zu diesem Zeitpunkt hat die Angekl., die bereits zuvor mit den beiden umhergefahren war, - zufällig - von deren Plan Kenntnis erlangt und sich in der Folgezeit - notgedrungen - weiter im Fahrzeug aufgehalten (vgl. dazu BGH NStZ 1993, 233 und BGHR, StGB § 27 Abs. 1, Hilfeleisten 17).
(2) Unabhängig davon läßt sich aus den diesbezüglichen Urteilsfeststellungen auch nicht entnehmen, daß die Angekl. ihren Freund durch ihr beschriebenes Verhalten in seiner Bereitschaft, die Tat zu begehen oder fortzusetzen, bestärkt bzw. ihm ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit vermittelt hat. Daß G. durch die Anwesenheit der Angekl. die Wartezeit ?besser bewältigen konnte', reicht hierfür nicht aus. Es ist fernliegend, daß sich der zur Tat bereits entschlossene G. durch das Verhalten der Angekl. in irgendeiner Weise hätte beeinflussen lassen, zumal dieser bereits zuvor gemeinsam mit R. entsprechende Raubüberfälle begangen hatte (vgl. hierzu BGH NStZ 1998, 622).
bb) Eine Beihilfe durch Unterlassen durch das entsprechende Verhalten der Angekl. kommt hier bereits deshalb nicht in Betracht, weil diese nach den Feststellungen keine Garantenpflicht i. S. d. § 13 StGB zur Abwendung der Tat traf. Eine solche kann nach den bisherigen Feststellungen insbes. nicht aus vorangegangenem Tun begründet werden (vgl. hierzu BGH StV 1982, 516).
b) Soweit das AG einen vom Gehilfenvorsatz getragenen, die Begehung der Haupttat objektiv fördernden Beitrag der Angekl. darin sieht, daß sie den nach der Begehung des Überfalls ?herbeieilenden R. in das Fahrzeug einsteigen ließ', sind die Feststellungen lückenhaft.
Zwar läßt sich den Feststellungen noch hinreichend entnehmen, daß die Angekl. hierdurch objektiv die noch nicht beendete Tat des G. und des R. gefördert hat, jedoch ist nicht erkennbar, daß sie diesbezüglich mit Gehilfenvorsatz, also in dem Bewußtsein, das Vorhaben der Haupttäter zu fördern (BGHR, StGB § 27 Abs. 1, Vorsatz 2), gehandelt hat.
Konkrete Feststellungen hierzu enthält das amtsgerichtliche Urteil nicht. Der Gehilfenvorsatz läßt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen. Denn aufgrund der nur sehr allgemeinen Beschreibung des objektiven Vorgangs des ?Einsteigenlassens' ist ein Rückschluß auf die betreffenden subjektiven Vorstellungen der Angekl. nicht möglich, zumal gegen die Annahme eines Gehilfenvorsatzes insbes. dann Bedenken bestehen können, wenn - wie möglicherweise hier - der Beitrag des ?Gehilfen' für diesen erkennbar zum Gelingen der Tat an sich nicht erforderlich und auch nach Art der Tatausführung ohne Bedeutung war (BGHR, StGB § 27 Abs. 1, Vorsatz 4 und Hilfeleisten 15).
c) Auch die festgestellte bloße Anwesenheit der Angekl. während der Fluchtfahrt stellt keinen die Tatbegehung objektiv fördernden Beitrag dar. Zwar kann Beihilfe auch noch nach Vollendung der Haupttat geleistet werden (BGHR, StGB § 27 Abs. 1, Hilfeleisten 1), jedoch scheidet dies im vorliegenden Fall aufgrund der bereits unter Ziffer II.2.a. aa. und bb. dargestellten Erwägungen aus.
Soweit sich die Angekl. nach den getroffenen Feststellungen auf einem Parkplatz am D. Flughafen an der Zählung des erbeuteten Geldes beteiligt und einen Teil hiervon von G. erhalten hat, kann hierin eine Beihilfehandlung bereits deshalb nicht erblickt werden, da die Haupttat zu diesem Zeitpunkt bereits beendet war (BGH StV 1991, 127). Denn aufgrund der erheblichen Entfernung zu dem in Wuppertal gelegenem Tatort war zu diesem Zeitpunkt bereits eine gewisse Sicherung des Gewahrsams an der Beute eingetreten (vgl. BGHR StGB § 27 Abs. 1, Hilfeleisten 1). ..." (OLG Düsseldorf, Beschluß vom 9.5.2005 - III 2 Ss 24/05).
(6) Gehilfenvorsatz
?... 1. Der Schuldspruch hat keinen Bestand, weil die Feststellungen des Landgerichts seine Annahme, beide Angeklagten hätten mit Gehilfenvorsatz gehandelt, nicht tragen.
a) Nach den Urteilsgründen leisteten die Angeklagten in unterschiedlichem Umfang durch das Bereitstellen von Bankkonten, durch Weiterüberweisung und die Abhebung eingegangener Geldbeträge Beihilfe zum Computerbetrug zum Nachteil von Online-Banking-Nutzern durch sogenanntes ?Phishing'. Zur subjektiven Tatseite hat das Landgericht festgestellt, den Angeklagten sei bewusst gewesen, ?dass die Zahlungseingänge einen illegalen Hintergrund hatten'. Die Angeklagte E. habe zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt, da ?sie bewusst in Kauf genommen' habe, ?jedwede, den Umständen nach nicht fernliegende Art von Vermögensdelikten, insbesondere auch Delikte des Computerbetrugs durch ihr Verhalten zu unterstützen'. Ebenso habe der Angeklagte V. den subjektiven Tatbestand der Beihilfe zum Computerbetrug erfüllt. Auch wenn er Einzelheiten dazu, wie die Gelder auf die Konten gelangt seien, nicht ?konkret' gekannt habe, sei ihm doch bewusst gewesen, dass es sich um etwas ?Illegales' gehandelt habe. Er habe dies nicht weiter hinterfragt und damit ?bewusst in Kauf genommen, irgendeine, nicht fernliegende Art von Vermögensdelikten, darunter auch einen etwaigen Computerbetrug, durch sein Verhalten zu unterstützen'.
b) Damit ist der Gehilfenvorsatz der Angeklagten nicht belegt. Zwar braucht der Gehilfe Einzelheiten der Haupttat nicht zu kennen und keine bestimmte Vorstellung von ihr zu haben (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 - 3 StR 420/10, NStZ 2011, 399, 400; Urteil vom 18. April 1996 - 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 137). Eine andere rechtliche Einordnung der Tat ist für den Gehilfenvorsatz unschädlich, sofern die vorgestellte Haupttat in ihrem Unrechtsgehalt von der tatsächlich begangenen nicht gänzlich abweicht (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 27 Rn. 22). Allerdings muss der Gehilfe seinen eigenen Tatbeitrag sowie die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung, im Sinne bedingten Vorsatzes zumindest für möglich halten und billigen. Dieses Mindestmaß einer Konkretisierung des Gehilfenvorsatzes hat das Landgericht nicht festgestellt. Dass die Angeklagten ?jedwedes' oder ?irgendein' Vermögensdelikt fördern wollten, reicht nicht aus.
c) Eine Änderung des Schuldspruchs in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO kommt aufgrund der unzureichenden Feststellungen, die ihrerseits der Aufhebung unterliegen (§ 353 Abs. 2 StPO), nicht in Betracht. Im Übrigen schließt der Senat nicht aus, dass ein neuer Tatrichter weitergehende Feststellungen zur Frage des Gehilfenvorsatzes treffen kann.
2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Der neue Tatrichter wird bei der Bewertung der Tatbeiträge der Angeklagten zu berücksichtigen haben, dass Beihilfe nur bis zur materiellen Beendigung der Haupttat, also bis zur endgültigen Sicherung ihres Erfolges, möglich ist. Danach kommt nach Maßgabe des § 257 Abs. 3 StGB eine Strafbarkeit wegen Begünstigung in Betracht. Von einer materiellen Beendigung solcher Taten des Computerbetruges, bei denen aufgrund einer Manipulation des Datenverarbeitungsvorgangs Geldbeträge von Konten der Geschädigten auf Empfängerkonten geleitet werden, ist auszugehen, sobald entweder das überwiesene Geld vom Empfängerkonto abgehoben oder auf ein zweites Konto weiterüberwiesen worden ist.
b) Bei der Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses der der Angeklagten E. zur Last gelegten Taten wird der neue Tatrichter zu beachten haben, dass die Förderung mehrerer rechtlich selbständiger Taten durch eine Beihilfehandlung nur als eine Beihilfe im Rechtssinne zu werten ist. Leistet der Gehilfe allerdings nicht nur durch eine Beihilfehandlung zu verschiedenen Haupttaten, sondern zusätzlich zu jeder Haupttat noch durch weitere selbständige Unterstützungshandlungen Hilfe im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB, so stehen die Beihilfehandlungen für jede Haupttat im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2008 - 5 StR 594/07, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Konkurrenzen 1; Beschluss vom 22. September 2008 - 1 StR 323/08, BGHR AO § 370 Abs. 1 Beihilfe 8). Sollte der neue Tatrichter daher feststellen, dass die Angeklagte E. nicht nur im Sinne einer Beihilfehandlung für mehrere Haupttaten Konten zur Verfügung gestellt oder einen Dritten als Empfänger von durch Computerbetrug erlangter Überweisungen gewonnen, sondern im Stadium zwischen Vollendung und Beendigung der Haupttat durch das Abheben von Geldern vom ersten Empfängerkonto Hilfe geleistet hätte, hätte er auf dieser Grundlage von mehreren Beihilfetaten im Sinne des § 53 StGB auszugehen. ..." (BGH, Beschluss vom 28.02.2012 - 3 StR 435/11)
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?... Entgegen der Auffassung der Revision belegen die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, dass der Angeklagte durch die von ihm geleisteten Aufpasserdienste den von den drei Mitangeklagten verübten Überfall auf eine Tankstelle wissentlich gefördert und sich damit der Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung schuldig gemacht hat. Zu Recht weist der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift darauf hin, dass die Strafbarkeit wegen Beihilfe nicht voraussetzt, dass der Gehilfe die konkreten Tatumstände in allen Einzelheiten kennt; es reicht vielmehr aus, dass sich sein Vorsatz auf die Ausführung einer in ihren wesentlichen Merkmalen oder Grundzügen konkretisierten Tat richtet (BGHSt 42, 135, 137). ..." (BGH, Beschluss vom 25.09.2007 - 4 StR 392/07).
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?... Im Rahmen der Teilnahmelehre ist anerkannt, dass sich der Vorsatz des Anstifters oder Gehilfen in jedem Fall auf eine vollendete Haupttat erstrecken muss (Hoyer in SK-StGB vor § 26 Rdn. 59 m. w. N.). Wenn die Haupttat objektiv nicht über das Versuchsstadium hinausgelangt, genügt für die Annahme einer strafbaren Beteiligung an dieser versuchten Tat dementsprechend nicht, dass der Teilnehmer den Vorsatz hatte, dass es durch seine Anstiftungs- oder Unterstützungshandlung jedenfalls zu dem tatsächlich begangen Versuch kommen wird. Vielmehr kommt eine strafbare Teilnahme erst in Betracht, wenn er eine vollendete Tat angestrebt hat oder - zumindest mit bedingtem Vorsatz - von einer Vollendung ausgegangen ist. ..." (BGH, Beschluss vom 24.10.2006 - 3 StR 392/06)
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Für den Beihilfevorsatz eines als Rechtsanwalt herangezogenen firmenexternen Beraters sind grundsätzlich folgende - allgemein für berufstypische "neutrale" Handlungen geltende - Grundsätze zur beachten: Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, daß sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, daß er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ (BGH StV 2000, 479).
Beihilfe zum Bandenhandel kommt nicht in Betracht, wenn der Gehilfe von einem eventuellen bandenmäßigen Zusammenschluß derer, die er unterstützt, keine Kenntnis hat (BGH StV 597, 594).
Die Übermittlung von Rauschgifterlösen an Personen, die von der wahren Herkunft des Geldes nichts wissen und es für Projekte verwenden, die mit Betäubungsmittelumsatz nicht das geringste zu tun haben, kann keine Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln darstellen. In Betracht kommen hier viel mehr nur Begünstigung und eventuell Strafvereitelung (BGH StV 1997, 591).
(7) Konkurrenzen
Unterstützt der Gehilfe durch eine Handlung mehrere je für sich selbstständige Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, die sich erst in ihrer Gesamtheit auf eine "nicht geringe Menge" beziehen, so macht er sich nur wegen einer Beihilfe zu einem Vergehen nach § 29 I Nr. 1 BtMG strafbar (BGH StV 2005, 273).
Für die Frage nach dem Vorliegen einer Handlung oder mehrerer Handlungen i. S. der §§ 52, 53 StGB ist jeder Tatbeteiligte nach seinem eigenen Tatbeitrag zu beurteilen. Insoweit liegt eine einheitliche Beihilfe vor, wenn der Tatbeteiligte durch dieselben Hilfeleistungen Beihilfe zu mehreren Haupttaten geleistet hat (BGH wistra 2004, 417).
Mehrere Handlungen, mit denen nur eine Tat unterstützt wird, stellen in der Regel rechtlich nur eine Beihilfetat dar, da sich das Unrecht des Gehilfen nur aus dem Unrecht der Rechtsgutverletzung der Haupttat ableiten lässt. Fördert der Gehilfe nur einzelne der Handlungen, die beim Haupttäter zu einer Bewertungseinheit zusammengefasst wurden (zum Beispiel einzelne Verkäufe des Rauschgiftes), und nicht auch diejenigen Handlungen, die zur Zusammenfassung als Bewertungseinheit führen (z.B. den Einkauf), so erscheint es durchaus sachgerecht, den Grundsatz, wonach bei mehreren Beteiligten für jeden nach der Art seines Tatbeitrages selbstständig zu ermitteln ist, ob Handlungseinheit oder Tatmehrheit gegeben ist, auch im Bereich der Bewertungseinheit anzuwenden (BGH, Urteil vom 11.12.2003 - 3 StR 375/03).
Eine Beihilfe i. S. des § 52 StGB liegt vor, wenn der Gehilfe mit einer einzigen Unterstützungshandlung zu mehreren Haupttaten eines anderen Hilfe leistet. Demgegenüber ist Tatmehrheit nach § 53 StGB anzunehmen, wenn durch mehrere Hilfeleistungen mehrere Taten unterstützt werden. Diese Grundsätze gelten nicht nur für aktive Unterstützungshandlungen des Gehilfen, sondern auch für die durch garantenpflichtwidriges Unterlassen geleistete Beihilfe (BGH StV 2000, 195).
Mehrere Beihilfehandlungen zu einer Tat eines Täters rechtfertigen grundsätzlich nur die Annahme einer Beihilfe. Das gilt jedenfalls dann, wenn ein enger zeitlicher und örtlicher Zusammenhang zwischen den Einzelhandlungen besteht (BGH 1999, 644).
(8) Besonders schwere Fälle
Für eine Beihilfe im besonders schweren Fall ist nicht entscheidend, dass sich die Tat des Haupttäters, zu der Beihilfe geleistet wird, als besonders schwerer Fall erweist; zu prüfen ist vielmehr das Gewicht der Beihilfehandlung selbst (BGH, Beschluss vom 23.11.2000 - 3 StR 225/00).
Für die Bewertung und Gewichtung einer Teilnahmehandlung als besonders schwerer Fall kommt es in erster Linie auf den Unwert des vom Tatbeteiligten erbrachten Tatbeitrags sowie auf die dadurch verwirklichte und von seiner Person bestimmte Schuld als solche an und erst in zweiter Linie und nur mittelbar auf das mit der Haupttat verwirklichte Unrecht (BGH wistra 2000, 55).
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Beischlaf zwischen Verwandten § 173 StGB
(1) Wer mit einem leiblichen Abkömmling den Beischlaf vollzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Wer mit einem leiblichen Verwandten aufsteigender Linie den Beischlaf vollzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft; dies gilt auch dann, wenn das Verwandtschaftsverhältnis erloschen ist. Ebenso werden leibliche Geschwister bestraft, die miteinander den Beischlaf vollziehen.
(3) Abkömmlinge und Geschwister werden nicht nach dieser Vorschrift bestraft, wenn sie zur Zeit der Tat noch nicht achtzehn Jahre alt waren.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Strafvorschrift des § 173 II 2 StGB, die den Beischlaf zwischen Geschwistern mit Strafe bedroht, ist mit dem Grundgesetz vereinbar (BVerfG, Beschluss vom 26.02.2008 - 2 BvR 392/07 zu GG Art. 1 I, 2 I, 3 I, III, 6 I, 20 III; StGB § 173 II 2).
Beistand - Ehegatte - Lebenspartner § 149 StPO
(1) Der Ehegatte oder Lebenspartner eines Angeklagten ist in der Hauptverhandlung als Beistand zuzulassen und auf sein Verlangen zu hören. Zeit und Ort der Hauptverhandlung sollen ihm rechtzeitig mitgeteilt werden.
(2) Dasselbe gilt von dem gesetzlichen Vertreter eines Angeklagten.
(3) Im Vorverfahren unterliegt die Zulassung solcher Beistände dem richterlichen Ermessen.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Hinsichtlich der Rüge der Revision einer Verletzung des § 149 Abs. 2 StPO, weil der Betreuer des Angeklagten keine Mitteilung über den Termin der Hauptverhandlung erhalten habe, ist die Beanstandung - unabhängig von deren Zulässigkeit - jedenfalls unbegründet. Eine Anwendung von § 149 Abs. 2 StPO scheidet bereits deswegen aus, weil eine Betreuung - erst Recht wenn sie wie vorliegend ohne Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) eingerichtet ist - nicht zu einer Geschäftsunfähigkeit des Betreuten führt (vgl. hierzu Schwab in MünchKomm-BGB 4. Aufl. vor § 1896 Rdn. 4) und der Betreuer daher auch kein gesetzlicher Vertreter ist. Auch eine entsprechende Anwendung von § 149 Abs. 2 StPO ist nicht geboten; denn das Strafverfahrensrecht legt die Wahrnehmung der Interessen des Beschuldigten im Strafverfahren, gerade auch wenn eine Unterbringung in Betracht kommt, in die Hände des (notwendigen) Verteidigers (§ 24 Abs. 1 Nr. 2 u. Abs. 2 GVG i.V.m. § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO).
Auch die Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO gebot vorliegend nicht die Anhörung des Betreuers; denn dieser hat nach den Feststellungen der Strafkammer nur insoweit Kontakt mit dem Betreuten, als er ihm zweiwöchentlich eine bestimmte Geldsumme zu dessen eigener Verwendung auszahlt (anders im Sachverhalt BGH NStZ 1996, 610). ..." (BGH, Beschluss vom 23.04.2008 - 1 StR 165/08)
Beiziehung von Akten
Siehe unter ?Beweisanträge in der Hauptverhandlung - Ablehnung als unzulässig und aus sonstigen Gründen".
Bekanntgabe der Entscheidungen § 35 StPO
(1) Entscheidungen, die in Anwesenheit der davon betroffenen Person ergehen, werden ihr durch Verkündung bekanntgemacht. Auf Verlangen ist ihr eine Abschrift zu erteilen.
(2) Andere Entscheidungen werden durch Zustellung bekanntgemacht. Wird durch die Bekanntmachung der Entscheidung keine Frist in Lauf gesetzt, so genügt formlose Mitteilung.
(3) Dem nicht auf freiem Fuß Befindlichen ist das zugestellte Schriftstück auf Verlangen vorzulesen.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Der Beschwerdeführer macht zu Recht geltend, der Vorsitzende wäre im vorliegenden Fall gehalten gewesen, dem vom Verteidiger außerhalb der Hauptverhandlung geäußerten Verlangen nachzukommen, ihm gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 StPO eine Abschrift des umfangreichen Beschlusses zu erteilen, mit dem sein Beweisantrag abgelehnt wurde (vgl. Maul in KK 5. Aufl. § 35 Rdn. 9). Die - nochmals außerhalb der Hauptverhandlung - erklärte Weigerung des Vorsitzenden, eine Abschrift des Beschlusses zu erteilen, war daher nicht sachgerecht, wie auch die dadurch unnötigerweise provozierte Anrufung des Oberlandesgerichts zeigt.
Die darauf gestützte Rüge der ?Behinderung der Verteidigung' ist gleichwohl unbegründet. Dabei kann offen bleiben, ob sich das Verhalten des Vorsitzenden nach § 338 Nr. 8 StPO (was eher fern liegt, vgl. Hanack in Löwe/ Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 338 Rdn. 129) oder nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens beurteilt (vgl. Senat, Urt. vom 10. Mai 1995 - 1 StR 764/94). Das Urteil beruht jedenfalls nicht auf der Weigerung des Vorsitzenden, weil die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs mit dem Urteil auszuschließen ist.
In dem abgelehnten Beweisantrag sollte ein Auslandszeuge zur Richtigkeit einer vom Hauptbelastungszeugen behaupteten Äußerung des Angeklagten ihm gegenüber gehört werden. Diese Äußerung betraf einen Vorgang, der - wie der Beschwerdeführer selbst vorträgt - in keinem Zusammenhang mit den Tatvorwürfen stand. Beweisthema war allein, ob das behauptete Gespräch vom Hauptbelastungszeugen zuverlässig bekundet worden war. Das jedoch konnte allenfalls dessen ?allgemeine Glaubwürdigkeit' betreffen. Dass ein solcher Beweisantrag, der schwerlich etwas über ?die Glaubwürdigkeit in der vorliegenden Sache' (§ 68 Abs. 4 StPO) besagt, also nahe liegend ohne Bedeutung für die Glaubhaftigkeit der Bekundungen des Zeugen zum Tatvorwurf war, als bedeutungslos abgelehnt werden würde (vgl. nur BGH NJW 2005, 1519), lag für den Antragsteller ebenso auf der Hand wie eine auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gestützte Ablehnung. Auf diese beiden Gründe hat das Landgericht dann auch - rechtsfehlerfrei - seinen Ablehnungsbeschluss gestützt. Jedenfalls diese tragenden Gründe konnte der Beschwerdeführer auch dem mündlich verkündeten Beschluss entnehmen, so dass ihm dadurch noch hinreichend rechtliches Gehör gewährt wurde. Hinzu kommt, das er in der Revisionsbegründung nicht verdeutlicht hat, welche - konkreten - Verteidigungsaktivitäten ihm durch die Nichterteilung der Abschrift des Ablehnungsbeschlusses verwehrt blieben, die den Senat zu einer anderen Beurteilung der Beruhensfrage hätte veranlassen können. ..." (BGH, Beschluss vom 10.10.2007 - 1 StR 455/07).
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Ein schriftlicher Durchsuchungsbeschluss ist dem Betroffenen nach § 35 StPO grundsätzlich durch Aushändigung einer Ausfertigung mit vollständiger Begründung bekannt zu machen. Die Übung, dem Betroffenen nur die Durchsuchungsanordnung", also lediglich die Beschlussformel der Entscheidung des Ermittlungsrichters, nicht aber den vollständigen Durchsuchungsbeschluss mit Gründen auszuhändigen, unterliegt verfassungsrechtlichen Bedenken (BGH, Urteil vom 07.11.2002 - 2 BJs 27/02 - 5 StB 16/02).
Die Übung, den vom Grundrechtseingriff Betroffenen nur die "Durchsuchungsanordnung", also lediglich die Beschlussformel der Entscheidung des Ermittlungsrichters, nicht aber den vollständigen Durchsuchungsbeschluss mit Gründen auszuhändigen, unterliegt verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies schließt jedoch nicht aus, dass nach den das Ermittlungsverfahren beherrschenden allgemeinen Grundsätzen ausnahmsweise die Bekanntmachung der Gründe zurückgestellt werden kann, wenn durch sie der Untersuchungszweck gefährdet wäre (BGH, Urteil vom 07.11.2002 - StB 16/02).
Über die antragsgemäße Erteilung eines Sprechscheins für ein Anbahnungsgespräch ist der Rechtsanwalt gem. § 35 StPO zu unterrichten. Eine bloße mündliche Unterrichtung der Justizvollzugsanstalt über die Zulassung des Mandats-Anbahnungsgesprächs ist nicht ausreichend. Denn es kann nicht der zufälligen Anwesenheit des Rechtsanwalts in der Justizvollzugsanstalt überlassen bleiben, ob er auf diesem Wege von der Zulassung zum Mandatsgespräch mit dem Inhaftierten erfährt oder nicht. Die Beschwerde gegen die "Nichtentscheidung" ist jedenfalls solange statthaft und zulässig, als es an der Bekanntmachung der Sprecherlaubnis an den Antragstleler fehlt (LG München I StV 2000, 517).
Wird der in der Berufungshauptverhandlung von dem hierzu bevollmächtigten Verteidiger gestellte Antrag, den - nicht erschienenen - Angeklagten gemäß § 233 Abs. 1 StPO von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, durch einen in Anwesenheit des Verteidigers verkündeten Beschluß abgelehnt, so braucht dieser nicht auch dem Angeklagten selbst bekanntgemacht zu werden; das Gericht kann vielmehr sogleich nach § 329 Abs. 1 StPO verfahren (BGH, Beschluß vom 29.01.1974 - 1 StR 198/73).
Das Urteil, das in der Einspruchsverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten, aber in Anwesenheit des ihn vertretenden Verteidigers ergeht, kann nach § 145 a StPO statt an den Angeklagten auch an den zur Empfangnahme von Zustellungen ermächtigten Verteidiger zugestellt werden (BayObLG NJW 1966, 2323).
Belastung
Siehe unter ?Beweisanträge im Ermittlungsverfahren" und ?Ermittlungen der Staatsanwaltschaft".
Belehrungspflichten bei Vernehmung des Beschuldigten
Siehe unter ?Beschuldigtenvernehmung".
Belehrung des Angeklagten in der Verhandlung
Siehe dazu unter ?Gang der Hauptverhandlung".
Belehrung über das Recht auf konsularische Unterstützung
Es gehört grundsätzlich zu den Begründungsanforderungen einer Rüge überlanger Verfahrensdauer, dass ein Beschwerdeführer nicht nur Angaben zur Verfahrensdauer, sondern auch substanziierte Ausführungen dazu macht, aus welchen Gründen diese Verfahrensdauer nach den konkreten Umständen des Verfahrens als unverhältnismäßig lang angesehen werden muss. Für die verfassungsunmittelbare Pflicht innerstaatlicher Gerichte, die einschlägigen Entscheidungen des IGH (hier: zu den Folgen der unterbliebenen Belehrung ausländischer Beschuldigter über ihr in Art. 36 I WUEK normiertes subjektives Recht auf konsularischen Beistand, Fälle LaGrand und Avena) zu berücksichtigen, ist es von zentraler Bedeutung, dass das Fachgericht offenlegt, die einschlägige Judikatur zur Kenntnis genommen und sich mit ihr auseinandergesetzt zu haben. Geht es dann um die Frage, ob ein Fachgericht einer Entscheidung des IGH auch den richtigen Inhalt beigemessen hat, kann ein Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Berücksichtigungspflicht nur bei einer erkennbar fehlerhaften Rezeption angenommen werden (im Anschluss an BVerfG, NJW 2007, 499). Die Auffassung, eine Verletzung des Belehrungsrechts aus § 36 I lit. b S. 3 WÜK betreffe nicht den Rechtskreis eines Mitbeschuldigten, für den das Belehrungsrecht selbst nicht gilt, verstößt nicht gegen das Willkürverbot (Art. 3 I GG; BVerfG, Beschluss vom 08.07.2010 - 2 BvR 2485/07, 2 BvR 2513/07, 2 BvR 2548/07, 2 BvR 2485, 2513, 2548/07):
?... Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Frage, ob der Bundesgerichtshof in dem angegriffenen Beschluss seiner verfassungsrechtlichen Pflicht zur Berücksichtigung der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs über die Rechte aus Art. 36 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 (WÜK, BGBl 1969 II S. 1585) nachgekommen ist.
A. I. 1. a) Nach Art. 36 Abs. 1 Buchstaben b und c WÜK haben die Behörden im Fall der Festnahme eines Ausländers unverzüglich die konsularische Vertretung seines Heimatstaats zu benachrichtigen. Die Konsularbeamten sind berechtigt, mit dem Festgenommenen Kontakt aufzunehmen und für seine rechtliche Vertretung zu sorgen. Über die in dieser Bestimmung gewährleisteten Rechte ist der Festgenommene nach Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK unverzüglich zu unterrichten. Nach Art. 36 Abs. 2 WÜK muss das innerstaatliche Recht ermöglichen, die Zwecke der in Absatz 1 vorgesehenen Rechte vollständig zu verwirklichen (s. im Einzelnen bereits BVerfGK 9, 174 (175 f.)).
b) Durch Fälle, in denen Ausländer in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) zum Tode verurteilt wurden, ohne dass sie dem Konsularrechtsübereinkommen entsprechend belehrt worden waren und ohne dass die konsularische Vertretung des Heimatstaats benachrichtigt worden war, rückte die Frage, ob und gegebenenfalls welche rechtlichen Konsequenzen aus einem völkerrechtlichen Verstoß gegen das Konsularrechtsübereinkommen für das innerstaatliche Strafverfahren zu ziehen sind, in den Fokus des Interesses. Durch Klagen zunächst Deutschlands (LaGrand-Fall) und später Mexikos (Avena-Fall) gegen die USA vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag (IGH) erhielt dieser Gelegenheit, sich zu Völkerrechtsverletzungen und ihren möglichen innerstaatlichen Konsequenzen zu äußern (IGH, LaGrand Case, Germany v. United States of America, Judgment of 27 June 2001, ICJ Reports 2001, S. 464; IGH, Case concerning Avena and other Mexican Nationals, Mexico v. United States of America, Judgment of 31 March 2004, ICJ Reports 2004, S. 12; vgl. auch die nähere Darstellung in BVerfGK 9, 174 (176 f.)).
2. a) Der Beschwerdeführer zu I. ist türkischer Staatsbürger. Er wurde wegen räuberischer Erpressung mit Todesfolge vom Landgericht Hamburg am 5. April 2002 zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren verurteilt. Im Rahmen der Beweiswürdigung stützte sich das Landgericht auch auf eine im Wesentlichen geständige Einlassung des Beschwerdeführers zu I., die dieser im Anschluss an seine Festnahme bei der Polizei gemacht hatte und die durch zeugenschaftliche Vernehmung des Vernehmungsbeamten in die Hauptverhandlung eingeführt wurde. In der Hauptverhandlung hatte der Beschwerdeführer zu I. später teilweise abweichende Angaben gemacht. Weder bei seiner Festnahme noch zu einem späteren Zeitpunkt war der Beschwerdeführer zu I. nach Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK über seine Rechte aus dem Konsularrechtsübereinkommen belehrt worden; die Belehrungen nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO wurden ordnungsgemäß erteilt (vgl. die nähere Darstellung in BVerfGK 9, 174 (181 f.)).
b) Der Beschwerdeführer zu II. ist deutscher, der Beschwerdeführer zu III. serbischer Staatsangehöriger. Sie wurden vom Landgericht Braunschweig durch Urteil vom 5. Juli 2000 wegen Anstiftung zum Mord zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. In der Beweiswürdigung stützt sich das Urteil des Landgerichts auch auf Angaben, die einer der in der Hauptverhandlung schweigenden Beteiligten, ein türkischer Staatsangehöriger, im Verlauf des Ermittlungsverfahrens gegenüber der Polizei gemacht hatte und die durch zeugenschaftliche Vernehmung der Vernehmungsbeamten in die Hauptverhandlung eingeführt worden waren. Eine Belehrung dieses Beteiligten nach Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK erfolgte weder vor der polizeilichen Vernehmung noch im weiteren Verlauf des Strafverfahrens; die Belehrungen nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO wurden auch hier ordnungsgemäß erteilt (vgl. die nähere Darstellung in BVerfGK 9, 174 (179 f.)).
c) Die von den Beschwerdeführern gegen die Strafurteile jeweils eingelegten Revisionen blieben in beiden Verfahren ohne Erfolg (BGH, Beschluss vom 7. November 2001 - 5 StR 116/01 -, NStZ 2002, S. 168; BGH, Beschluss vom 29. Januar 2003 - 5 StR 475/02 -; vgl. zu den ersten Revisionsverfahren bereits BVerfGK 9, 174 (180 ff.)).
3. Gemeinsam mit weiteren Verurteilten erhoben die Beschwerdeführer gegen die beiden Revisionsbeschlüsse des Bundesgerichtshofs Verfassungsbeschwerden (vgl. zum damaligen Vortrag BVerfGK 9, 174 (182 ff.)), denen das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 19. September 2006 (BVerfGK 9, 174 ff.) stattgab, nachdem es die Verfassungsbeschwerden zuvor zur gemeinsamen Entscheidung verbunden hatte. Die Revisionsbeschlüsse des Bundesgerichtshofs wurden aufgehoben und die Sachen zur erneuten Revisionsentscheidung an ihn zurückverwiesen.
4. Mit nunmehr angegriffenem Beschluss vom 25. September 2007 (BGHSt 52, 48) verband der Bundesgerichtshof die Revisionsverfahren ebenfalls zur gemeinsamen Entscheidung. Er verwarf sämtliche Revisionen erneut als unbegründet, diejenige des Beschwerdeführers zu I., in dessen Person der Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK begangen worden war, mit der Maßgabe, dass von der verhängten elfjährigen Freiheitsstrafe sechs Monate als vollstreckt gälten.
a) Der Bundesgerichtshof führte aus, eine Gesetzesverletzung liege darin, dass der Beschwerdeführer zu I. sowie der Mitangeklagte der Beschwerdeführer zu II. und III. nach ihrer Festnahme nicht nach Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK belehrt worden seien. Ein Beruhen der Beweiswürdigung in den angefochtenen Urteilen auf den Ergebnissen der in dieser Situation erfolgten Vernehmungen könne der Senat nicht ausschließen, wenn sie auch in beiden Fällen eher fern liege (vgl. BGHSt 52, 48 (52)). Die Beschwerdeführer zu II. und III. könnten aus der Verletzung des subjektiven Rechts ihres Mitangeklagten für sich allerdings von vornherein keine Verletzung eigener Verfahrensrechte herleiten. Die Belehrungspflicht knüpfe individuell an die fremde Staatsangehörigkeit und Festnahmesituation des unmittelbar Betroffenen an, sodass der Rechtskreis des Mitbeschuldigten von einem Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK nicht berührt werde (vgl. BGHSt 52, 48 (52 f.)). Aber auch für die unmittelbar Verletzten ziehe der Verstoß gegen das Konsularrechtsübereinkommen kein Beweisverwertungsverbot nach sich, welches anzunehmen Völker- oder Verfassungsrecht nicht geböten. Die Rechtslage stelle sich unter Berücksichtigung von Art und Gewicht der Rechtsverletzung anders dar als im Fall des § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO, für den von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen werde. Durch letztere Bestimmung würden wesentliche Rechte des Beschuldigten unmittelbar bezogen auf eine Vernehmungssituation zentral geschützt. Dem sei die Belehru
aberratio ictus
Abfangen von Daten § 202 b StGB
Abgleichung personenbezogener Daten § 98 a StPO
Abhören eines Ferngesprächs über Lautsprecher - Verwertbarkeit
Abhören von Mandantengesprächen in der JVA
Abhören von Telefongesprächen eines Rechtsanwalts
Abhörmaßnahmen
Abhörmaßnahmen außerhalb von Wohnungen § 100 f StPO
Ablehnung eines Dolmetschers
Ablehnung eines Richters § 24 StPO
Ablehnung eines Richters - Selbstanzeige - Selbstablehnung § 30 StPO
Ablehnung eines Sachverständigen § 74 StPO
Ablehnungszeitpunkt - äußerster § 25 StPO
Absicht
Absprachen im Strafverfahren
Absprachen - Verständigung § 257 c StPO
Absolute Revisionsgründe § 338 StPO
Akteneinsicht des Gefangenen
Akteneinsicht des Verteidigers § 147 StPO
Akteneinsicht für Beschuldigte ohne Rechtsanwalt
Akteneinsicht für Privatpersonen § 475 StPO
Akteneinsicht in der laufenden Hauptverhandlung
Akteneinsicht - Waffengleichheit
Anklageschrift - Tatbegriff - Umgrenzungsfunktion § 200 StPO
Anordnung und Durchführung der Beschlagnahme § 98 StPO (n.F)
Anrechnung § 51 StGB
Anwesenheitspflicht des Angeklagten § 231 StPO
Audiodateien - Ausgestaltung des Besichtigungsrechts
Ausbleiben des Angeklagten - Haftbefehl § 230 StPO
Auskunftsverweigerungsrecht § 55 StPO
Ausschluss der Öffentlichkeit zum Schutz von Persönlichkeitsrechten § 171 b GVG
Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe § 57 StGB
B***
Bankrott § 283 StGB
Begründung der Revision § 344 StPO
Begünstigung § 257 StGB
Beihilfe § 27 StGB
Beleidigung § 185 StGB
Berufskraftfaher - wirtschaftliche Konsequenzen eines Verlustes der Fahrerlaubnis
Beschuldigtenvernehmung - Tatvorwurf - Belehrungspflicht - Schweigerecht § 136 StPO
Beschuldigtenvernehmung - Vernehmung durch Polizei - Belehrungspflicht § 163 a StPO
Beschuldigtenvernehmung - verbotene Vernehmungsmethoden § 136 a StPO
Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr § 299 StGB
Besondere persönliche Merkmale § 28 StGB
Betäubungsmittelgesetz
Betrug § 263 StGB
Beugehaft
Bewährung - Strafaussetzung § 56 StGB
Bewährung - Strafaussetzung bei lebenslanger Freiheitsstrafe § 57 a StGB
Beweisanträge in der Hauptverhandlung § 244 StPO
Beweisantrag - verspätet
Beweiserhebung vor Eröffnung des Hauptverfahrens § 202 StPO
Beweiswert - DNA-Analyse
Bild-Ton-Aufzeichnung einer Zeugenvernehmung
Bildung krimineller Vereinigungen § 129 StGB
Bildung terroristischer Vereinigungen § 129 a StGB
Blutentnahme - körperliche Untersuchung des Beschuldigten § 81 a StPO
Brandstiftung § 306 StGB
Brandstiftung - besonders schwere § 306 b StGB
Brandstiftung - schwere § 306 a StGB
Brandstiftung mit Todesfolge § 306c StGB
Brechmitteleinsatz
Bundeskriminalamt
Bundeszentralregister
Beweiswürdigung
C***
Cache-Speicher
Cannabis, Marihuana, Haschisch & Co.
Computerbetrug § 263 a StGB
Computersabotage § 303 b StGB
condicio sine qua non
Crackabhängigkeit
D***
Dabeisein - bloßes - Beihilfe
Darstellung der Aussagen von Zeugen im Urteil
Daten speichern, verändern, nutzen § 484 StPO
Datenabgleich und Datenübermittlung § 98 b StPO (n.F.)
Datenbestand - Beschlagnahme
Datenermittlung - Mobilfunk
Datenlöschung - Rechtsweg
Datenträger
Datenveränderung § 303 a StGB
Datenverarbeitung
Dauer der Jugendstrafe § 18 JGG
Dauer der Unterbringung § 67 d StGB
Dauerdelikte
Deutsches Recht - Anwendbarkeit
Diebstahl § 242 StGB
Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchdiebstahl § 244 StGB
Diebstahl - schwerer Bandendiebstahl § 244 a StGB
Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen § 248 a StGB
Dienstgeheimnisse und besondere Geheimhaltungspflicht - Verletzung § 353 b StGB
Dinglicher Arrest § 111 d StPO
Direkter Vorsatz
DNA-Analyse - Beweiswert
Dokumentation zum Thema Beweiswürdigung
E***
Einschleusen von Ausländern § 96 AufenthG (n. F.)
Entscheidungen des BGH seit 4/99 (RA Strate)
Entscheidung über Sicherungsverwahrung § 275 a StPO
Entziehung der Fahrerlaubnis § 69 StGB
Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung
Europäisches Haftbefehlsgesetz - EuHbG
European Criminal Bar Association
Europol
EU-Verfahrensrechte (DISKUSSIONSPAPIER)
F***
Falsche uneidliche Aussage - Versuch der Anstiftung zur Falschaussage § 159 StGB
Falsche uneidliche Aussage § 153 StGB
Fehlurteile
Fehlurteile - häufige Ursachen
Folterverbot - EMRK
Freiheitsentziehung
G***
Gefährdung des Straßenverkehrs § 315 c StGB
Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr § 315 b StGB
Gefährliche Körperverletzung § 224 StGB
Gegenstand des Strafurteils - prozessuale Tat § 264 StPO
Geheimdienstliche Agententätigkeit § 99 StGB
Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (mit EuHbG II)
Gesetzlicher Richter
Gründe des Strafurteils § 267 StPO
Gründe für die Ablehnung eines Richters § 24 StPO
Grundgesetz
Gesamtstrafenbildung § 54 StGB
Gesamtstrafenbildung - nachträgliche § 55 StGB
H***
Haftbefehl - Ausbleiben des Angeklagten § 230 StPO
Handakten des Verteidigers
Handeln für einen anderen § 14 StGB
Handlung
Hauptverhandlung
§ 231 a StPO
§ 232 StPO
§ 273 StPO (n.F.)
Hausfriedensbruch § 123 StGB
Haus- und Familiendiebstahl § 247 StGB
Hehlerei § 259 StGB
Hessische Strafverteidigervereinigung
Higgins (Datenbank über Fehlurteile in Kanada und den USA)
Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten § 46 b StGB
Hilfsbeweisantrag
Hinweise zur Tatortfrage
Hinweispflicht wegen Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts § 265 StPO
I***
Innocent Inmates Assocation of Ohio
Internet-Kriminalität
J***
Jugendgerichtsgesetz
Justizirrtum
K***
Kostenrechtsprechung
wegedurchdenknast.de/
Körperliche Untersuchung des Beschuldigten § 81 a StPO
Körperverletzung mit Todesfolge § 227 StGB
Körperverletzung - schwere § 226 StGB
Krawatte des Verteidgers
Krimi-Forum
Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (KFN-Forschungsberichte zum Download)
Kronzeugenregelung - Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten § 46 b StGB
L***
Landfriedensbruch § 125 StGB
Landfriedensbruch - besonders schwerer § 125 a StGB
Lehrstuhl für Strafrecht und Kriminologie (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg - Studien zu den Auswirkungen einer gewaltfreien Erziehung)
Leitung der Verhandlung § 238 StPO
List - ?kriminalistische"
Lockspitzeleinsatz - Anstiftung
Lügendetektor
M***
Machenschaften von Polizeibeamten - Verurteilung um jeden Preis
Mailbox
Mannesmann-Verfahren
Maßregeln der Besserung und Sicherung § 7 JGG
Maßregelung der Verteidigung
Massenuntersuchung - Selbstbelastungsfreiheit
Maut-Gebührendaten
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg i. Br.
Mediendelikte (Kommentar von Ass. Jur., Dipl. Jur. Alexander Schultz)
Medizinische Beratung
Mehrdeutige Tatsachenfeststellung
Mehrere Straftaten eines Jugendlichen § 31 JGG
Mehrfachbelegung von Hafträumen
Mehrfachverteidigung - Verbot
Mehrmalige Bestrafung
Meineid § 154 StGB
Menschenhandel § 180b StGB a.F.
Menschenhandel - Förderung des Menschenhandels § 233a StGB (neu)
Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft § 233 StGB (neu)
Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung § 232 StGB (n.F.)
Menschenrechte - Durchsetzung und Anerkennung durch Mitgliedsstaaten
Milderung des allgemeinen Strafrechts; Sicherungsverwahrung - § 106 JGG
Minderjährige - Entziehung
Missachtung von EG-Richtlinien - Alkohol
Missbrauch von Notrufen § 145 StGB
Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten § 266 b StGB
Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen § 132 a StGB
Missbrauchsverbot - allgemeines
Misshandlung von Schutzbefohlenen § 225 StGB
Mitbestrafte Nachtat
Mittäterschaft - § 25 StGB
Mitteilung der Anklageschrift
Mitteilung über die Besetzung des Gerichts § 222 a StPO
Mittelbare Falschbeurkundung § 271 StGB
Mittelbare Täterschaft
Mobiltelefon
Molekulargenetische Untersuchungen
Mord § 211 StGB
Müllentsorgungsbetrug
N***
Nachstellung § 238 StGB
Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe § 55 StGB
Nebenklage - Zulässigkeit § 395 StPO
Nötigung § 240 StGB
Notstand
Notwehr (Nothilfe) § 32 StGB
O***
Opferschutz
Opferschutz - Verletztenbeistand - Rechtsvertretung des Verletzten vor Erhebung der öffentlichen Klage § 406 g StPO
Organisierte Kriminalität (Indikatoren)
P***
Personen- und Sachbegriffe § 11 StGB
Persönliche Vernehmung in der Hauptverhandlung § 250 StPO
Pflicht des Angeklagten zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung § 231 StPO
Polizei
Polizei Hessen
Polizei-Newsletter
Promillerechner
www.blutalkohol-homepage.de
www.firstsurf.com/promille.htm
www.rzuser.uni-heidelberg.de/~df6/promillator.htm
Prozessuale Tat - Gegenstand des Strafurteils § 264 StPO
R***
Ratenzahlung
Raub § 249 StGB
Raub - schwerer § 250 StGB
Rechtliches Gehör
Rechtsbeugung § 339 StGB
***
Rechtsprechung des BGH zum
BtMG im Jahr - 2000 - 2001 - 2002 - 2003 - 2004 - 2005 - 2006 - 2007 (nicht fortgeführt)
Strafrecht - 1998 - 1999 - 2000 - 2001 - 2002 - 2003 - 2004 - 2005 - 2006 - 2007 (nicht fortgeführt - Übergang in Lexikon)
Verkehrsstrafrecht - 1997 - 1998 - 1999 - 2000 - 2001 - 2002 - 2003 - 2004 - 2005 - 2006 - 2007 (nicht fortgeführt - Übergang in Lexikon)
***
Revisionsbegründung § 344 StPO
Revisionsbegründungsfrist - Revisionsschrift § 345 StPO
Revisionsgründe - absolute § 338 StPO
Rücktritt vom Versuch § 24 StGB
S***
Schuldfähigkeit - vermindert § 21 StGB
Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen § 20 StGB
Schutz der Wohnung
Schwere Körperverletzung § 226 StGB
Schwerer Bandendiebstahl § 244 a StGB
Schwerer Raub § 250 StGB
Selbstanzeige - Selbstablehnung § 30 StPO
Selbstleseverfahren - Verlesung der zum Beweis dienenden Schriftstücke § 249 StPO
Sexueller Missbrauch - Ausnutzung eines Beratungsverhältnisses § 174 c StGB
Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung § 177 StGB
Sexueller Missbrauch von Kindern - schwerer § 176 a StGB
Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen § 174 StGB
Sitzungspolizei § 176 GVG
Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis § 69 a StGB
Steuerstrafgesetze (AO 1997 - Leitsatzkommentar)
StGB (Gesetzestext)
StPO (Gesetzestext)
Strafaussetzung § 56 StGB
Strafaussetzung bei lebenslanger Freiheitsstrafe § 57 a StGB
Strafklageverbrauch
Strafklageverbrauch bei Dauerdelikten
Strafklageverbrauch - Durchführungsübereinkommen (SDÜ)
Strafrecht, Steuer- u. Wirtschaftsstrafrecht (RAe Spormann pp.)
Strafurteil § 260 StPO
Strafvereitelung § 258 StGB
Strafverteidiger-Vereinigungen (Organisationsbüro)
Strafverfolgung § 6 PflVG
Strafvollzug - kleines Lexikon (bearbeitet von RA Döhmer, Gießen)
Strafzumessung bei Jugendlichen und Heranwachsenden
Strafzumessungsgrundsätze § 46 StGB
T***
Tatbegriff - Anklageschrift - Umgrenzungsfunktion § 200 StPO
Tatbegriff - Gegenstand des Strafurteils - prozessuale Tat § 264 StPO
Telefonate einer Untersuchungsgefangenen mit ihrem Verteidiger
Telefonüberwachung und Rechtsstaat
Tiefgreifende Bewusstseinsstörung (§ 21 StGB)
Tipps und Hinweise
Todesfälle bei Kindern durch Misshandlungen und Vernachlässigung in den Industrieländern (Unicef-Gewaltstudie)
Totschlag - minder schwerer Fall § 213 StGB
Totschlag § 212 StGB
Trunkenheit im Verkehr § 316 StGB
Ü***
Überwachung der Telekommunikation eines Rechtsanwalts
Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation § 100 a StPO (n.F.)
U***
Unmittelbarkeitsgrundsatz - Persönliche Vernehmung in der Hauptverhandlung § 250 StPO
Unterbrechung der Hauptverhandlung - Fristen § 229 StPO
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus § 63 StGB
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt § 64 StGB
Unterschlagung § 246 StGB
Untersuchungshaft
Untersuchungshaft über 6 Monate hinaus - § 121 StPO
Untersuchungshaftvollzug § 119 StPO n.F.
Untreue § 266 StGB
Urteilsabsetzungsfrist § 275 StPO
Urteilsabsprachen - grundsätzlich zulässig - gesetzliche Regelung notwendig
Urteilsgründe - formelle Anforderungen - Gründe des Strafurteils § 267 StPO
V***
Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts § 265 StPO
Verbotene Protokollverlesung § 252 StPO
Verbotene Vernehmungsmethoden § 136 a StPO
Verdeckter Ermittler § 110 a StPO
Verfall - Härtevorschrift § 73 c StGB
Verfall - Voraussetzungen § 73 StGB
Verfall des Wertersatzes § 73 a StGB
Vergewaltigung; sexuelle Nötigung § 177 StGB
Verkehrsstrafrecht
Verlesung der Niederschrift über frühere richterliche Vernehmung § 251 StPO
Verlesung der zum Beweis dienenden Schriftstücke § 249 StPO
Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei einem Beschluss § 33 a StPO
Verminderte Schuldfähigkeit § 21 StGB
Vermummungsverbot - § 17a VersG
Vernehmung des Beschuldigten § 163 a StPO
Verschlüsselte Kommunikation mit der Kanzlei Döhmer
Verständigung § 257 c StPO
Versuch § 22 StGB
Versuch - Rücktritt vom Versuch § 24 StGB
Versuch - Strafbarkeit § 23 StGB
Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen § 86 a StGB
Volksverhetzung § 130 StGB (n.F. ab 22.03.2011)
Vorführung - Ausbleiben des Angeklagten § 230 StPO
Vorübergehende Abwesenheit - Hauptverhandlung § 231 c StPO
W***
Wahlfeststellung
Wahrnehmung berechtigter Interessen § 193 StGB
Wartezeit von 15 Minuten
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 44 StPO
Z***
Zeugnisverweigerungsrecht aus beruflichen Gründen § 53 StPO
Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen § 52 StPO
Zeugnisverweigerungsrecht der Gehilfen § 53 a StPO
ZSHG - Gesetz zur Harmonisierung des Schutzes gefährdeter Zeugen
Zuständigkeitsbestimmung durch BGH § 13 a StPO
Zuständigkeit - zusammenhängende Straftaten § 13 StPO
Zustellungen in Strafsachen
Zustellungsvollmacht § 145 a StPO
Zwangsgeld gegen Vollzugsbehörde - Rechtsstaat endet vor den Grenzen Gießens
Zweck des Strafprozesses
Zweifelssatz
Zweiter Pflichtverteidiger
Zwischenverfahren
***
A
aberratio ictus
Es handelt sich um eine besondere Form des Irrtums im Sinne eines Fehlgehen des Angriffs. Ein den Vorsatz ausschließender Irrtum in Form der sog. aberratio ist gegeben, wenn der Angriff gegen das vom Täter anvisierte Opfer fehlgeht und einen Dritten trifft. In einem solchen Fall ist der Täter nur wegen Versuchs und daneben ggf. noch wegen einer Fahrlässigkeitstat strafbar.
Abfangen von Daten § 202 b StGB
Wer unbefugt sich oder einem anderen unter Anwendung von technischen Mitteln nicht für ihn bestimmte Daten (§ 202a Abs. 2) aus einer nichtöffentlichen Datenübermittlung oder aus der elektromagnetischen Abstrahlung einer Datenverarbeitungsanlage verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.
Siehe auch unter ?Ausspähen von Daten".
Abgleichung personenbezogener Daten § 98 a StPO
(1) Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, daß eine Straftat von erheblicher Bedeutung
1. auf dem Gebiet des unerlaubten Betäubungsmittel- oder Waffenverkehrs, der Geld- oder Wertzeichenfälschung,
2. auf dem Gebiet des Staatsschutzes (§§ 74a, 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes),
3. auf dem Gebiet der gemeingefährlichen Straftaten,
4. gegen Leib oder Leben, die sexuelle Selbstbestimmung oder die persönliche Freiheit,
5. gewerbs- oder gewohnheitsmäßig oder
6. von einem Bandenmitglied oder in anderer Weise organisiert
begangen worden ist, so dürfen, unbeschadet §§ 94, 110, 161, personenbezogene Daten von Personen, die bestimmte, auf den Täter vermutlich zutreffende Prüfungsmerkmale erfüllen, mit anderen Daten maschinell abgeglichen werden, um Nichtverdächtigte auszuschließen oder Personen festzustellen, die weitere für die Ermittlungen bedeutsame Prüfungsmerkmale erfüllen. Die Maßnahme darf nur angeordnet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre.
(2) Zu dem in Absatz 1 bezeichneten Zweck hat die speichernde Stelle die für den Abgleich erforderlichen Daten aus den Datenbeständen auszusondern und den Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln.
(3) Soweit die zu übermittelnden Daten von anderen Daten nur mit unverhältnismäßigem Aufwand getrennt werden können, sind auf Anordnung auch die anderen Daten zu übermitteln. Ihre Nutzung ist nicht zulässig.
(4) Auf Anforderung der Staatsanwaltschaft hat die speichernde Stelle die Stelle, die den Abgleich durchführt, zu unterstützen.
(5) § 95 Abs. 2 gilt entsprechend.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Abfrage von Kreditkartendaten durch die StA bei Kreditkartenunternehmen stellt keinen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 I i.V. mit Art. 1 I GG dar, wenn die Kreditkartendaten bei den Unternehmen nur maschinell geprüft, mangels Übereinstimmung mit den Suchkriterien (hier: Abbuchungsbetrag, Zeitraum, Empfängerbank, Merchant-ID) aber nicht als Treffer angezeigt und der StA daher nicht übermittelt wurden. Die Abfrage von Kreditkartendaten, die sich auf eine konkret beschriebene Tathandlung (hier: Verschaffung des Zugangs zu einer Internetseite mit kinderpornografischen Inhalten durch Zahlung eines bestimmten Betrags an einen bestimmten Empfänger auf den Philippinen) beziehen, berührt die Kreditkarteninhaber, welche die Tatkriterien erfüllten und deren Daten daher an die StA übermittelt wurden, in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. § 161 I StPO ist jedoch eine verfassungsgemäße Ermächtigungsgrundlage für diesen Eingriff, der wie alle Ermittlungshandlungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen muss. Eine Rasterfahndung i.S. von § 98a StPO liegt nicht vor, wenn die Strafverfolgungsbehörde von privaten Stellen Auskünfte zu speziellen Täter-Daten erhält, also nicht die Gesamtdateien zum weiteren Abgleich mit anderen Dateien übermittelt bekommt. Kern der Rasterfahndung ist der Abgleich der herausgefilterten Datenbestände mehrerer Speicherstellen, der die Verknüpfung verschiedener Sachbereiche ermöglicht, um ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen (BverfG, Beschluss vom 17.02.2009 - 2 BvR 1372, 1745/07, NJW 2009, 1405 ff).
Abhören eines Ferngesprächs über Lautsprecher - Verwertbarkeit
Wird ein Ferngespräch von einem im Geschäftszimmer eines Kaufmanns stehenden Fernsprechapparat aus geführt, so müssen die Gesprächsteilnehmer damit rechnen, daß ein Mithörgerät oder ein Lautsprecher angeschlossen sein könnte. Kommt auf diese Weise der Inhalt des Ferngesprächs ohne Täuschung oder Überlistung der Gesprächspartner zur Kenntnis eines Dritten, so kann sich keiner der Gesprächspartner auf eine Verletzung seiner "persönlichkeitsrechtlichen Eigensphäre" berufen, wenn der Dritte als Zeuge über den Inhalt des Gesprächs vernommen wird (BGH NJW 1964, 165 - 166).
Abhören von Mandantengesprächen in der JVA
Es bleibt offen, ob der Besuchsraum einer Justizvollzugsanstalt, in dem Verteidigergespräche geführt werden, ebenso wie die Kanzleiräume des Rechtsanwalts durch das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 I GG) geschützt wird. Die herausgehobene Bedeutung der unkontrollierten Berufsausübung des Rechtsanwalts gebietet die besonders sorgfältige Beachtung der Eingriffsvoraussetzungen und des Grundsatzes der Verhältnismäßígkeit beim Abhören von Gesprächen mit einem inhaftierten Mandanten und bei der Durchsuchung der Kanzleiräume. Das Gewicht des Eingriffs verlangt Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen (hier: der Rechtsanwalt sei der Geldwäsche verdächtig) hinausreichen. Die Darlegungen zum Geldwäscheverdacht erfordern deshalb auch die Schilderung des Vortatverdachts (BVerfG, Beschluss vom 04.07.2006 - 2 BvR 950/05, StV 2006, 505 zu GG Art. 12 I, 13, StPO §§ 100c, § 100d, 105).
Abhören von Telefongesprächen eines Rechtsanwalts
Telefongespräche werden von den Begriffen ?Privatleben" und ?Korrespondenz" i.S. von Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) erfasst. Eine Person kann unter bestimmten Voraussetzungen nur deswegen, weil es geheime Abhörmaßnahmen gibt oder Vorschriften, die sie zulassen, geltend machen, Opfer einer Verletzung von Art. EMRK Artikel 8 EMRK zu sein, ohne beweisen zu müssen, dass sie selbst abgehört worden ist. Die Worte ?gesetzlich vorgesehen" in Art. EMRK Artikel 8 EMRK Artikel 8 Absatz II EMRK verlangen zunächst, dass die angegriffene Abhörmaßnahme eine Grundlage im staatlichen Recht hat. Sie beziehen sich aber auch auf die Qualität des Gesetzes und verlangen, dass das Gesetz für die betroffenen Personen zugänglich ist und dass sie vorhersehen können, welche Folgen es für sie hat. Außerdem muss das Gesetz rechtsstaatlichen Anforderungen genügen. Das moldawische Gesetz ist nicht ausreichend bestimmt gefasst. Es legt insbesondere die Art der Straftaten, bei denen eine Abhörgenehmigung erteilt werden kann, nicht eindeutig fest und bezeichnet auch nicht ausreichend deutlich die Gruppen von Personen, bei denen Telefongespräche abgehört werden dürfen. Auch eine eindeutige zeitliche Begrenzung ist nicht vorgesehen. Wer Gefahr läuft, abgehört zu werden, bleibt unklar. Die Richter müssen vor Erteilung der Genehmigung nicht prüfen, ob die Erfordernisse für das Abhören erfüllt sind. Dass fast allen Genehmigungsanträgen stattgegeben worden ist, deutet darauf hin, dass die Richter nicht prüfen, ob zwingende Gründe für das Abhören bestehen. Wegen dieser Mängel des Gesetzes war die Abhörmaßnahme nicht ?gesetzlich vorgesehen". Damit ist Art. EMRK Artikel 8 EMRK verletzt (EGMR, Urteil vom 10.02.2009 - 25198/02 Iordachi u.a./Moldau, NJW 2010, 2111ff).
Siehe unter ?Nachträglicher Rechtsschutz gegen Wohnungsdurchsuchung und Telefonüberwachung", ?Telefonüberwachung" und ?Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation".
Abhörmaßnahmen
Siehe unter ?Herstellung von Lichtbildern, Observations- und Abhörmaßnahmen".
Abhörmaßnahmen außerhalb von Wohnungen § 100 f StPO
(1) Auch ohne Wissen der Betroffenen darf außerhalb von Wohnungen das nichtöffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln abgehört und aufgezeichnet werden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in § 100a Abs. 2 bezeichnete, auch im Einzelfall schwerwiegende Straftat begangen oder in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat, und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
(2) Die Maßnahme darf sich nur gegen einen Beschuldigten richten. Gegen andere Personen darf die Maßnahme nur angeordnet werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit einem Beschuldigten in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten führen wird und dies auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
(3) Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.
(4) § 100b Abs. 1, 4 Satz 1 und § 100d Abs. 2 gelten entsprechend.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Erkenntnisse aus einer gegen einen Angehörigen richterlich angeordneten Überwachungsmaßnahme nach § 100f StPO unterliegen auch bei berechtigter Aussageverweigerung nach § 52 StPO keinem Verwertungsverbot. Das Grundgesetz schützt Beschuldigte nicht vor der Verwertung der Ergebnisse heimlicher Ermittlungsmaßnahmen, soweit diese sich gegen - nicht zu den zeugnisverweigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträgern gehörende - Angehörige des Beschuldigten richten und es sich nicht um Ergebnisse einer Vernehmungssituation oder der Umgehung einer solchen Situation handelt (hier: Abhörung eines in einem Pkw geführten Gesprächs zwischen dem Bruder des Beschuldigten und einem Mittäter im Rahmen eines anderweitigen Ermittlungsverfahrens; BverfG, Beschluss vom 15.10.2009 - 2 BvR 2438/08 zu GG Art. 1 I, 2 II 2, 3 I, 20 III; StPO §§ 52, 53, 100c VI, 100f II, III, 160a I 2 u. 5, II 3; NJW 2010, 287 ff).
*** (BGH)
Ein in einem Kraftfahrzeug mittels akustischer Überwachung aufgezeichnetes Selbstgespräch eines sich unbeobachtet fühlenden Beschuldigten ist im Strafverfahren - auch gegen Mitbeschuldigte - unverwertbar, da es dem durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit zuzurechnen ist (im Anschluss an BGH, Urteil vom 10. August 2005, 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206; BGH, Urteil vom 22.12.2011 - 2 StR 509/10):
?... 1. Das nichtöffentlich geführte Selbstgespräch unterliegt einem selbständigen Beweisverwertungsverbot von Verfassungs wegen (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 210; Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, 1988, S. 264; LR/Gössel, StPO, 26. Aufl., Einl. L Rn. 88; Jahn, Gutachten C zum 67. Deutschen Juristentag 2008, C 84; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 26. Aufl., § 36 Rn. 45; SK/Wolter, StPO, 4. Aufl. 2010, § 100f Rn. 35).
a) Der absolut geschützte Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung wird aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Januar 1973 - 2 BvR 454/71, BVerfGE 34, 238, 245; Beschluss vom 14. September 1989 - 2 BvR 1062/87, BVerfGE 80, 367, 373). Sein Schutzbereich wird durch heimliche Aufzeichnung des nichtöffentlich geführten Selbstgesprächs der Zielperson staatlicher Ermittlungsmaßnahmen und deren Verwertung in der Hauptverhandlung berührt (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 212). Ob das nichtöffentlich gesprochene Wort zum absolut geschützten Kernbereich oder zu dem nur relativ geschützten Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört, ist durch Gesamtbewertung aller Umstände im Einzelfall festzustellen. Aus einer Kumulation von Umständen folgt hier, dass die Selbstgespräche des Angeklagten S. K. dem Kernbereich zuzurechnen sind. Dazu zählen die Eindimensionalität der ?Selbstkommunikation', die Nichtöffentlichkeit der Äußerungssituation, die mögliche Unbewusstheit der Äußerungen im Selbstgespräch, die Identität der Äußerung mit den inneren Gedanken beim Selbstgespräch und die Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes.
Der Grund für den absoluten Schutz eines Kernbereichs der Persönlichkeitsentfaltung besteht in der Eröffnung einer Möglichkeit für Menschen, sich in einem letzten Rückzugsraum mit dem eigenen Ich befassen zu können, ohne Angst davor haben zu müssen, dass staatliche Stellen dies überwachen (vgl. Senat, Urteil vom 16. März 1983 - 2 StR 775/82, BGHSt 31, 296, 299 f.). Die Gedanken sind grundsätzlich frei, weil Denken für Menschen eine Existenzbedingung darstellt (vgl. Mahrenholz/Böckenförde/Graßhof/Franßen in BVerfG, Beschluss vom 14. September 1989 - 2 BvR 1062/87, BVerfGE 80, 367, 381). Den Gedanken fehlt aus sich heraus die Gemeinschaftsbezogenheit, die jenseits des Kernbereichs der Persönlichkeitsentfaltung liegt. Gleiches gilt für die Gedankenäußerung im nicht öffentlich geführten Selbstgespräch (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 213). Gedanken werden typischerweise in Form eines ?inneren Sprechens' entwickelt (vgl. Tönnies, Selbstkommunikation, 1994, S. 16). Denken und Sprache, die dem Menschen als einzigem Lebewesen zur Verfügung steht, sind untrennbar miteinander verbunden. Die Gedankeninhalte des inneren Sprechens treten vor allem in Situationen, in denen der Sprechende sich unbeobachtet fühlt, durch Aussprechen hervor. Das möglicherweise unbewusste ?laute Denken' beim nichtöffentlich geführten Selbstgespräch nimmt sodann an der Gedankenfreiheit teil. Bedeutung für die Zuordnung zum Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung hat dabei auch die Nichtöffentlichkeit der Äußerungssituation. Zwar fanden die hier in Rede stehenden Selbstgespräche nicht in einer Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG statt, woraus sich eine ?Vermutung' hätte ergeben können, ?dass der Kernbereich tangiert sein kann' (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 210); dies folgt auch aus dem Zusammenhang von § 100c Abs. 4 mit § 100f StPO. Hieraus ist aber nicht zu schließen, dass der Schutz des Kernbereichs der Persönlichkeit in Bezug auf Äußerungen sich ausschließlich auf den räumlichen Bereich von Wohnungen beschränke. Vielmehr kann auch das ?Alleinsein mit sich selbst' in einem Pkw diesen Schutz begründen. Es bestand aus der Sicht des Angeklagten S. K. nicht die Gefahr, dass andere Personen den Inhalt seiner Äußerungen im Selbstgespräch erfassten. Der rechtlich geringere Schutz des Aufenthaltsorts im Auto gegenüber der Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG (zur Relativierung bei der Äußerung im Krankenzimmer BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 212) wird hier deshalb im Einzelfall dadurch kompensiert, dass tatsächlich das Risiko einer Außenwirkung der spontanen Äußerungen nahezu ausgeschlossen war; das Selbstgespräch konnte nur durch eine heimliche staatliche Überwachungsmaßnahme erfasst werden. Die Nichtöffentlichkeit der Gesprächssituation war daher bei einer Gesamtbewertung der Umstände des Einzelfalls derjenigen in einer Wohnung gleichzusetzen.
b) Auf den Inhalt der Gedankenäußerung und dessen mehr oder weniger großen Sozialbezug kommt es demgegenüber bei Selbstgesprächen nicht entscheidend an. Insoweit gilt etwas anderes als bei der Fixierung von Gedanken in einem Tagebuch oder bei der Erfassung des Gesprächs eines Beschuldigten mit Dritten.
Die Tagebuchentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 14. September 1989 - 2 BvR 1062/87, BVerfGE 80, 367, 374), bei der wegen Stimmengleichheit eine Grundrechtsverletzung nicht festgestellt werden konnte, kann nicht ohne Weiteres auf die Frage der Zuordnung des heimlich abgehörten Selbstgesprächs zum Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung oder zur allgemeinen Persönlichkeitssphäre übertragen werden. War dort der Raum, in dem die Anfertigung von Notizen stattfand, für die Frage der Verwertbarkeit der schriftlich fixierten Gedanken im Strafverfahren ohne Belang, weil die Notizen freiwillig der Sicherstellung preisgegeben wurden, so erlangt im vorliegenden Fall das Kriterium der Nichtöffentlichkeit des Ortes der Gedankenäußerung erhebliche Bedeutung. Spielte in der Tagebuchentscheidung die Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes keine Rolle, weil der Betroffene seine Gedanken dort im Tagebuch fixiert und bei diesem Schreibvorgang unter Umständen auch noch repetiert hatte, so erlangt die Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes als Abgrenzungskriterium im vorliegenden Fall besonderes Gewicht. In der Tagebuchentscheidung waren überdies auch präventive Überlegungen für die Annahme der Verwertbarkeit von Bedeutung (aaO S. 377, 380), weil die dort fraglichen Tagebuchaufzeichnungen vor der Tatbegehung gemacht worden waren und bei rechtzeitiger Erfassung durch die Polizeibehörden theoretisch auch zur Verhinderung der Tat als Maßnahme der Gefahrenabwehr hätten genutzt werden können. Dagegen spielt die Möglichkeit der Prävention zugunsten anderer Grundrechtsträger als Frage der Grundrechtskollision hier keine Rolle (vgl. auch BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 214).
Das ?Selbstgespräch' kann auch nicht mit einem Zwiegespräch gleichgesetzt werden, das regelmäßig nicht dem absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung zuzuordnen ist, wenn es mit seinem Inhalt einen Tatbezug und damit Sozialbezug aufweist (vgl. BVerfG, Urteil vom 3. März 2004 - 1 BvR 2378/98, 1084/99, BVerfGE 109, 279, 319; Beschluss vom 12. Oktober 2011 - 2 BvR 236/08 u.a.; Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 u.a.; vgl. auch § 100c Abs. 4 Satz 3 StPO). Es unterscheidet sich von einem solchen Gespräch schon dadurch, dass die Äußerungen nicht auf Verständlichkeit angelegt und jedenfalls auch durch unwillkürlich auftretende Bewusstseinsinhalte gekennzeichnet sind (BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 213).
c) Der somit gebotene Kernbereichsschutz entfällt nur, wenn der Grundrechtsträger den Bereich der privaten Lebensgestaltung von sich aus öffnet, bestimmte Angelegenheiten der Öffentlichkeit zugänglich macht und damit die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09). Dies geschieht nicht ohne weiteres schon dadurch, dass er sich außerhalb des besonders geschützten Bereichs seiner Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG aufhält, sofern er einen anderen Rückzugsraum wählt, in dem er sich unbeobachtet fühlen kann. Das war hier hinsichtlich des Pkw der Fall. Nach außen gerichtete Äußerungen in einem Pkw, in dem die betreffende Person allein ist, können nicht Äußerungen in der Öffentlichkeit gleichgestellt werden. Es bleibt deshalb bei der Zuordnung der Selbstgespräche des Angeklagten S. K. zum absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung mit der Folge ihrer Unverwertbarkeit.
2. Das Beweisverbot entfaltet wegen seiner Absolutheit, die ein Beweiserhebungsverbot für die Hauptverhandlung bezüglich der im Vorverfahren erlangten Informationen einschließt (vgl. Schwaben, Die personelle Reichweite von Beweisverwertungsverboten, 2005, S. 101 f.), seine Wirkung auch auf die nicht unmittelbar von der akustischen Überwachung im Vorverfahren betroffenen Mitangeklagten.
Die Unverwertbarkeit des Selbstgesprächs von S. K. als Indiz für und gegen alle Angeklagten (zur Frage der ?Überkreuzverwertung' Jahn, Gutachten C zum 67. Deutschen Juristentag 2008, C 114 f.) entspricht den Verboten, die in §§ 100a Abs. 4 Satz 2, 100c Abs. 5 Satz 3 StPO für den Fall des Eingriffs in den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung positivrechtlich geregelt sind. Der Gesetzgeber hat dort für den Fall, dass tatsächlich der Kernbereich betroffen ist, jede Verwendung der hierüber erlangten Informationen im Strafverfahren ausgeschlossen. Er ist damit nicht dem Gedanken gefolgt, dass Beweisverwertungsverbote auch mit Blick auf die Ambivalenz ihrer Beweisbedeutung als Be- oder Entlastungsbeweis ausschließlich den Bedeutungsgehalt von Belastungsverboten haben sollen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 215; Jahn aaO C 112 ff.). Zwar hat der Gesetzgeber in § 100f StPO auf eine entsprechende Kernbereichsregelung verzichtet, jedoch gilt für das unmittelbar aus der Verfassung abgeleitete Beweisverwertungsverbot in diesem Zusammenhang nichts anderes. Auch Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG spricht gegen die Verwertbarkeit der Selbstgesprächsinhalte für oder gegen Dritte, weil insoweit ein selbständiges Beweisverwertungsverbot begründet wird (vgl. zur ausnahmsweise absoluten Wirkung eines Beweisverbots im Übrigen auch §§ 136a Abs. 3, 69 Abs. 3 StPO).
3. Das Urteil beruht hinsichtlich aller Angeklagten auf der Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Das Selbstgespräch wurde als Indiz für die Tatbegehung überhaupt sowie für die Täterschaft des Angeklagten S. K. herangezogen. Obwohl eine Reihe von weiteren Indizien für dieses Beweisergebnis spricht, kann der Senat nicht sicher ausschließen, dass die Verurteilung des Angeklagten S. K. auf der Verwertung seiner Äußerungen in den überwachten Selbstgesprächen beruht. Das Landgericht hat daraus auch Hinweise auf die Mittäterschaft der Mitangeklagten I. und W. K. entnommen. Auch deren Verurteilung beruht auf der Verwertung der Selbstgespräche. Ob eine Verurteilung eines Angeklagten oder mehrerer Angeklagten auch ohne die Verwertung der aufgezeichneten Selbstgespräche des Angeklagten S. K. möglich ist, muss dem neuen Tatrichter vorbehalten bleiben. ..."
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Veranlasst eine Privatperson unter Verheimlichung ihres Ermittlungsinteresses einen Tatverdächtigen mit ihr ein abgehörtes und aufgezeichnetes Gespräch über die Tat zu führen, begründet dies keinen zu einem Beweisverwertungsverbot führenden Verstoß gegen §§ 136, 136a, 163a IV 4 StPO (BGH, Beschluss vom 31.03.2011 - 3 StR 400/10 zu StPO §§ 100 f, 136, 136a, 163a IV; MRK Art. 6 I).
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Zur Frage der Zulässigkeit einer heimlichen Überwachung von Ehegattengesprächen in einem eigens dafür zugewiesenen separaten Besuchsraum in der Untersuchungshaft ohne die übliche erkennbare Überwachung. Die heimliche akustische Überwachung eines Ehegattengesprächs im Besucherraum einer U-Haftanstalt kann sich als Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren mit der Folge eines Beweisverwertungsverbots darstellen (BGH, Urteil vom 29.04. 2009 - 1 StR 701/08 zu StPO § 100f; EMRK Art. 6 I 1):
?... Nach den Feststellungen des LG kam der nicht vorbestrafte Angekl., ein marokkanischer Staatsangehöriger, nach seiner Hochzeit im Jahr 2006 mit seiner Frau nach Kempten. Dort besuchte er ab Oktober 2006 einen Deutschkurs. Seine Deutschlehrerin war die ebenfalls verheiratete A G, das spätere Opfer der Tat. Zwischen ihr und dem Angekl. entwickelte sich ab Februar 2007 eine außereheliche intime Beziehung. Während für A G von Anfang an feststand, dass sie für den Angekl. weder ihren Ehemann noch ihre beiden Kinder verlassen würde, entwickelte der Angekl. die Vorstellung, gemeinsam mit A G Deutschland zu verlassen und ins Ausland zu gehen. Nachdem diese die Sommerferien gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Kindern in Litauen verbracht hatte, kehrte sie mit ihrer Familie am Abend des 8. 9. 2007 nach Kempten zurück. Am 12. 9. 2007 traf sie sich mit dem Angekl. in dessen Wohnung. Bei diesem Treffen, das von dem Angekl. heimlich gefilmt wurde, kam es zunächst einvernehmlich zum Geschlechtsverkehr, anschließend verlangte der Angekl. von A G, dass sie ihre Familie verlassen solle. Als sie dieses Ansinnen zurückwies, kam es zwischen ihr und dem Angekl. zu einem heftigen Streit. Der Angekl. warf ihr vor, auch noch mit anderen Männern außereheliche Beziehungen zu unterhalten. Außerdem drohte er ihr, ihren Mann von ihrer Affäre zu unterrichten und ihr Leben ?kaputt' zu machen. Am nächsten oder übernächsten Tag kam es wegen dieser Streitigkeit auf einem Parkplatz zu einer Aussprache zwischen dem Angekl. und A G, in deren Verlauf der Angekl. vorgab, ihre Entscheidung, sich nicht von ihrem Mann zu trennen, zu akzeptieren. Tatsächlich war er hiermit jedoch nicht einverstanden. Deshalb versuchte der Angekl. am Morgen des 17. 9. 2007, dem Tattag, mehrfach A G anzurufen, weil er sich noch einmal mit ihr treffen wollte. Als er sie von seinem Mobiltelefon aus erreichte, telefonierte der Angekl. 20 Minuten mit ihr, bis sein Gesprächsguthaben aufgebraucht war. Dann rief er sie von seinem Festnetzanschluss in der ehelichen Wohnung an und telefonierte nochmals eine halbe Stunde mit ihr. A G war schließlich mit einem weiteren Treffen einverstanden. Dieses fand um 10 Uhr auf dem Parkplatz eines Supermarkts in Kempten statt. Von dort aus fuhren A G und der Angekl. gemeinsam in dem Pkw der Familie G zum Oyweiher, einem kleinen Stausee zwischen B. und W. Dort kam es erneut zu einem Streit, weil sich A G weiterhin weigerte, ihre Familie zu verlassen und mit dem Angekl. ins Ausland zu gehen. Der Angekl. schlug ihr daraufhin heftig ins Gesicht, so dass es bei ihr zu erheblichem Nasenbluten kam. Mit einem weiteren kräftigen Schlag gegen den Hals brach er ihr das rechte obere Kehlkopfhorn. Dann entschloss er sich, A G zu töten, weil sie nicht bereit war, ihre Familie zu verlassen und mit ihm ins Ausland zu gehen. Der Angekl. wollte damit seinen absoluten Macht- und Besitzanspruch gegenüber A G durchsetzen. Er erwürgte sie und legte ihren Leichnam in einer versteckt liegenden Erdmulde ab. Sodann bedeckte er die Leiche mit belaubten Ästen. A G's Handtasche versenkte er im Oyweiher. Anschließend fuhr er zurück nach Kempten, wo er das Auto der Familie G auf dem Parkplatz eines ehemaligen Elektronik-Fachmarkts abstellte. Von dort ging er zu Fuß zu seinem 900 m entfernt geparkten Fahrzeug und fuhr nach Hause, wo er noch an seinem Computer arbeitete. Danach holte er seine Ehefrau von der Arbeit ab, fuhr mit ihr zur Bank und hob von ihrem gemeinsamen Konto 10800 Euro ab. Bereits am Nachmittag des 17. 9. 2007 fiel auf, dass A G verschwunden war. Sie hatte ihren Sohn nicht wie üblich von der Schule abgeholt und war auch über ihr Mobiltelefon nicht zu erreichen. Über ihre Telefonverbindungsdaten konnte festgestellt werden, dass sie zuletzt mit dem Angekl. telefoniert hatte. Nachdem am 21. 9. 2007 der Pkw der Familie G verlassen aufgefunden worden war, wurde der Angekl. festgenommen. Seitdem befindet er sich auf Grund richterlichen Haftbefehls in der JVA Kempten in Untersuchungshaft. Bei der Durchsuchung der Garage des Angekl. fand die Polizei eine funktionsfähige halbautomatische Kurzwaffe, zwei Gaspistolen und ein Fallmesser, für die der Angekl. keine waffenrechtliche Erlaubnis besaß. Am 9. 12. 2007 wurde A G's stark verwester Leichnam zufällig am Oyweiher entdeckt.
Der Angekl. bestritt die Tat. Das LG hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angekl. im Wesentlichen gestützt auf die Erkenntnisse aus den Telefonverbindungsdaten vom Tattag, auf die vom Opfer stammenden Blutspuren an der vom Angekl. am Tattag getragenen Kleidung, auf von ihm stammende DNA-Spuren im Fahrzeug der Getöteten und auf die vom Angekl. am 12. 9. 2007 heimlich gefertigte Videoaufzeichnung seines Zusammenseins mit A G in seiner Wohnung. Außerdem hat es die Strafkammer als ein deutliches Indiz für die Täterschaft des Angekl. angesehen, dass er in einem heimlich abgehörten Gespräch mit seiner Ehefrau, das am 15. 10. 2007 in einem separaten Besuchsraum der Haftanstalt stattfand, noch vor dem Auffinden der Leiche geäußert hatte, dass A G tot sei. In diesem Gespräch bat der Angekl. seine Ehefrau zudem, die Schuld für A G's Tod auf sich zu nehmen und gegenüber den Ermittlungsbehörden anzugeben, dass sie zwei Russen mit deren Ermordung beauftragt habe, um den Angekl. dafür zu bestrafen, dass er sie hintergangen habe. Das LG hat den Angekl. wegen Mordes, begangen aus niedrigen Beweggründen, und wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von zwei Schusswaffen und in weiterer Tateinheit mit dem Besitz eines verbotenen Fallmessers zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die sichergestellten Waffen wurden eingezogen. Die Revision des Angekl. griff mit Verfahrensrügen und der Sachrüge die Verurteilung wegen Mordes an. Das Rechtsmittel führte insoweit und im Gesamtstrafenausspruch zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LG. ...
B. Die Revision des Angekl. hat hinsichtlich der allein noch angegriffenen Verurteilung wegen Mordes bereits mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Gegenstand der Rüge ist die Beanstandung, die Strafkammer habe zu Unrecht die Erkenntnisse aus dem am 15. 10. 2007 in einem separaten Besuchsraum während der Untersuchungshaft heimlich abgehörten Gespräch zwischen dem Angekl. und seiner Ehefrau zur Überführung des Angekl. herangezogen. Auf die übrigen Verfahrensrügen und die Sachrüge kommt es daher nicht mehr an.
I. Der Verfahrensrüge liegt folgender Geschehensablauf zu Grunde:
Mit Beschluss vom 25. 9. 2007 ordnete der Ermittlungsrichter des AG Kempten auf Antrag der StA an, dass Besuchskontakte zwischen dem Angekl. und seiner Ehefrau in der Untersuchungshaft in einem separaten Raum durchzuführen und die dabei geführten Gespräche mittels Anbringung von Mikrofonen abzuhören und aufzuzeichnen seien. Die Anordnung wurde darauf gestützt, dass nach den bisherigen Ermittlungen davon ausgegangen werden müsse, dass der Angekl. A G getötet habe. Sie sei seit einem Treffen mit dem Angekl. am 17. 9. 2007 spurlos verschwunden. Die Angaben des Angekl., A G sei während des Treffens auf ihrem Mobiltelefon angerufen worden, habe russisch mit dem Anrufer gesprochen und sei im Anschluss an das Treffen mit dem Angekl. zu zwei Russen ins Auto gestiegen, seien auf Grund der eingeholten Telefonverbindungsdaten widerlegt. Es sei deshalb zu erwarten, dass der Angekl. mit seiner Ehefrau Einzelheiten zur Tat besprechen werde. Ohne die Abhörmaßnahme seien die weiteren Ermittlungen aussichtslos oder würden wesentlich erschwert.
In Vollziehung der ermittlungsrichterlichen Anordnung wurden die Gespräche des Angekl. mit seiner Ehefrau bei deren jeweils halbstündigen Besuchen in der Untersuchungshaft von beiden unbemerkt akustisch überwacht. Die Gespräche fanden jeweils in einem separaten Raum der Haftanstalt statt; dabei wurde - entsprechend der richterlichen Anordnung - seitens der Ermittlungsbehörden bewusst auf die sonst übliche Anwesenheit einer Aufsichtsperson verzichtet, so dass dem Angekl., der sich mit seiner Ehefrau in seiner Muttersprache unterhalten konnte, der Eindruck einer unüberwachten Gesprächssituation vermittelt wurde. Um gleichwohl eine Verwertung der Äußerungen des Angekl. gegenüber seiner Ehefrau zu ermöglichen, wurden die Gespräche mittels einer Abhöreinrichtung elektronisch aufgezeichnet und zudem in einen Nebenraum übertragen, wo sie von einer Dolmetscherin mitgehört wurden. Auf der Grundlage der elektronischen Gesprächsaufzeichnung fertigte die Dolmetscherin anschließend noch eine wörtliche Übersetzung in schriftlicher Form. Hierdurch wurde auch dokumentiert, dass der Angekl. bei dem am 15. 10. 2007 aufgezeichneten Gespräch seiner Ehefrau mitgeteilt hatte, dass A G tot sei. In dem aufgezeichneten Gespräch forderte der Angekl. seine Ehefrau mehrfach auf, ihm ein Alibi zu verschaffen. Sie solle eine Videonachricht anfertigen und an die StA und seine Verteidiger schicken. Darin solle sie die Verantwortung für den Tod der A G auf sich nehmen und behaupten, sie habe aus Eifersucht zwei russische Auftragsmörder engagiert, die A G für 30000 Euro getötet hätten. Anschließend solle seine Ehefrau nach Italien fliehen.
Am fünften Hauptverhandlungstag wurde die Niederschrift dieses aus der marokkanischen Sprache übersetzten Gesprächs zwischen dem Angekl. und seiner Ehefrau auf Anordnung des Vorsitzenden verlesen. Den von der Verteidigung gegen die Verwertung des abgehörten Gesprächs erhobenen Widerspruch wies das LG mit der Begründung zurück, dass die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Überwachungsmaßnahme vorgelegen hätten und die dabei gewonnenen Erkenntnisse deshalb verwertbar seien.
II. Die Revision beanstandet, dass die Erkenntnisse aus dem abgehörten Gespräch nicht hätten verwertet werden dürfen. Die gerichtlich angeordnete Abhörmaßnahme sei insbesondere deshalb unstatthaft gewesen, weil Gespräche eines Untersuchungsgefangenen mit Angehörigen im Rahmen eines Besuchs in der Untersuchungshaft nach § 100f StPO nur dann abgehört werden dürften, wenn der Besuch erkennbar von einem Vollzugsbeamten überwacht werde. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Vielmehr habe die zur Überwachung geschaffene Besuchssituation einen ?unmittelbar täuschenden und irreführenden Charakter' gehabt, indem dem Angekl. erlaubt worden sei, seine Ehefrau in einem separaten Raum und ohne die in der Untersuchungshaft übliche (erkennbare) Überwachung durch einen Vollzugsbeamten zu empfangen. Das Vorgehen der Ermittlungsbehörden sei gezielt darauf ausgerichtet gewesen, den Angekl. und seine Ehefrau ?in Sicherheit zu wiegen' und bei ihnen den Eindruck zu erwecken, sie könnten unbelauscht über ?alles' sprechen. Dies führe zur Unzulässigkeit der Abhörmaßnahme und zu einem Verbot der Verwertung der hierbei gewonnenen Erkenntnisse. Auf der unzulässigen Verwertung der Abhörmaßnahme beruhe das Urteil, weil das LG seine Überzeugung von der Täterschaft des Angekl. maßgeblich auf die Erkenntnisse aus der Abhörmaßnahme gestützt habe.
III. Die zulässige Rüge hat Erfolg. Das am 15. 10. 2007 heimlich abgehörte Gespräch zwischen dem Angekl. und seiner Ehefrau bei deren Besuch in der Untersuchungshaft durfte nicht zu Beweiszwecken verwertet werden. Die Gesamtschau der Umstände der akustischen Gesprächsüberwachung belegt eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 20 III GG i.V. mit Art. 2 I GG). Dies ist im vorliegenden Fall durch ein Beweisverwertungsverbot zu kompensieren.
1. Das Beweisverwertungsverbot lässt sich allerdings nicht unmittelbar aus § 100f StPO und auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung der Kernbereichsregelungen in § 100c und § 100a StPO herleiten.
a) Die ermittlungsrichterliche Anordnung der Maßnahme erging auf der Grundlage des hierfür einschlägigen § 100f StPO. Allein daran gemessen, wäre das Vorgehen nicht zu beanstanden.
aa) Denn das nichtöffentlich gesprochene Wort wurde mit technischen Mitteln außerhalb von Wohnungen abgehört und aufgezeichnet. Der Besuchsraum der Haftanstalt ist keine Wohnung i.S. des Art. 13 GG. Bereits Hafträume einer Justizvollzugsanstalt werden vom Schutzbereich des Art. 13 GG nicht umfasst, da das Hausrecht der Anstalt die Befugnis der Vollzugsbediensteten beinhaltet, die Hafträume jederzeit unabhängig vom Einverständnis der dort untergebrachten Gefangenen zu betreten (BVerfG, NJW 1996, 2643 = NStZ 1996, 511). Für Besuchsräume gilt dies wegen der dort bestehenden besonderen Überwachungs- und Eingriffsbefugnisse des Anstaltspersonals (für die Untersuchungshaft gem. § 119 III StPO, Nr. 27 I und III UVollzO; für die Strafhaft gem. § 168 III StVollzG) erst recht (BGHSt 44, 138 [141] = NJW 1998, 3284 = NStZ 1999, 145; vgl. auch Roxin, NStZ 1999, 149 [150f.]); sie schaffen keine räumliche Privatsphäre, wie sie bei einer Wohnung besteht.
bb) Der Ermittlungsrichter hat in seinem Anordnungsbeschluss vom 25. 9. 2007 dargelegt, dass gegen den Angekl. der Verdacht das Mordes - einer Katalogtat nach § 100a S. 1 Nr. 2 StPO a.F. (jetzt: § 100a II Nr. 1 lit. h StPO) - bestand und dass die Erforschung des Sachverhalts ohne die Überwachungsmaßnahme aussichtslos oder erheblich erschwert gewesen wäre (vgl. § 100f I, II und IV i.V. mit § 100d II StPO).
Der Ermittlungsrichter hat den ihm hierbei zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten (vgl. BGHSt 47, 362 = NJW 2003, 368 = NStZ 2003, 215 [216] m.w. Nachw.). Seine Bewertung der Beweislage und des Subsidiaritätsgrundsatzes war mindestens vertretbar. So war namentlich die Leiche des vermissten Tatopfers noch nicht aufgefunden und ausweislich der Telekommunikationsverbindungsdaten hatte der Angekl. kurz vor dem Verschwinden des Opfers mit diesem telefoniert.
cc) Dass der Anordnungsbeschluss keine ausdrückliche Befristung der Maßnahme auf drei Monate enthielt (vgl. § 100f II i.V. mit § 100b II 4a.F. sowie § 100f IV i.V. mit § 100b I 4 StPO n.F.), ist hier unschädlich. Die Überwachung wurde innerhalb von drei Monaten durchgeführt und damit noch vor Überschreiten der vom Gesetzgeber für derartige Maßnahmen normierten zeitlichen Obergrenze.
dd) Die Maßnahme war auch nicht allein schon deshalb unzulässig, weil, wie die Revision meint, jedes Gespräch des Untersuchungsgefangenen mit einem Besucher ?erkennbar von einem Beamten überwacht' werden müsse. Die akustische Gesprächsüberwachung darf nach § 100f I StPO ?auch ohne Wissen der Betroffenen' angeordnet werden. Insofern wäre - gemessen an § 100f StPO - die Entscheidung des 3. Strafsenats des BGH vom 24. 7. 1998 (BGHSt 44, 138 = NJW 1998, 3284 = NStZ 1999, 145), falls sie so zu verstehen wäre, schon durch die später erfolgte Gesetzgebung überholt. Zudem war das Kriterium ?Erkennbarkeit der Besuchsüberwachung' so nicht zu verstehen; denn für den 3. Strafsenat war es lediglich eines von mehreren Kriterien, das im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall für die Zulässigkeit auch heimlicher Überwachungsmaßnahmen streiten konnte. Eine zusätzliche Eingriffsvoraussetzung für derartige Gesprächsüberwachungen sollte damit nicht statuiert werden (vgl. auch Schneider, NStZ 2001, 8 [14]).
b) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Kernbereichsregelungen des § 100c oder des § 100a StPO entsprechend anzuwenden sind. Denn selbst nach den diesen Vorschriften zu Grunde liegenden gesetzgeberischen Wertungen läge hier kein Beweiserhebungs- oder -verwertungsverbot vor.
aa) Die in §§ 100c, 100a StPO zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung normierten Beweiserhebungs- und -verwertungsverbote beruhen auf den Vorgaben des BVerfG in BVerfGE 109, 279 (= NJW 2004, 999 = NStZ 2004, 270) zu den sich aus Art. 1 und Art. 13 GG ergebenden Grenzen einer akustischen Wohnraumüberwachung. Die Regelungen entsprechen diesen Vorgaben (vgl. BVerfG [3. Kammer des Zweiten Senats], NJW 2007, 2753).
Der Gesetzgeber hatte bei der Neuregelung der §§ 100aff. StPO ein in sich geschlossenes Regelungskonzept vor Augen, dem je nach Eingriffsintensität der Maßnahmen abgestufte Verwertungsverbote zu Grunde liegen. Ersichtlich deshalb hat er für § 100f StPO - anders als bei §§ 100c und 100a StPO - keinen Kernbereichsschutz vorgesehen. Von daher könnte sich bereits die Frage stellen, ob Gerichte überhaupt noch befugt sind, diese gesetzgeberische Konzeption durch eine Ausweitung der Kernbereichsregelungen der §§ 100a und 100c StPO auf § 100f StPO zu durchbrechen. Für eine entsprechende Anwendung - freilich nur im Einzelfall - könnte aber immerhin sprechen, dass auch bei einer akustischen Gesprächsüberwachung außerhalb von Wohnungen der Kernbereich tangiert sein kann und dass der Gesetzgeber den - eher ungewöhnlichen - Fall der heimlichen Gesprächsüberwachung von Untersuchungsgefangenen mit nahen Angehörigen nicht im Blick hatte.
bb) Eine entsprechende Anwendung des Beweiserhebungsverbots des § 100c IV 1 StPO oder des § 100a IV 1 StPO kommt aber schon deshalb nicht in Betracht, weil die ex ante zu treffende Kernbereichsprognose des Ermittlungsrichters bei der hier gegebenen Fallgestaltung negativ ausgefallen ist und auch so ausfallen musste. Wegen des Gesprächsinhalts käme auch ein Verwertungsverbot auf Grund der Ausnahmeregelung des § 100c V 3 StPO nicht in Betracht.
(1) Schon die ?Art der zu überwachenden Räumlichkeiten' - hier der Besuchsraum der Untersuchungshaftanstalt - drängt zu einer negativen Kernbereichsprognose. Dass sich Untersuchungsgefangene auf Grund gerichtlicher Entscheidungen und damit staatlichen Zwangs in der Untersuchungshaft befinden, führt nicht dazu, dass der Besuchsraum der Haftanstalt als unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung des Untersuchungsgefangenen einzustufen wäre. Ein Einzelbesuchsraum in der Haftanstalt wird auch nicht dadurch zum geschützten Privatraum, dass bei Besuchen von der gem. § 119 III StPO, Nr. 27 I und III UVollzO gebotenen offenen Besuchsüberwachung durch einen Vollzugsbeamten abgesehen wird. Der Untersuchungsgefangene muss auf Grund der Beschränkungen und des Zwecks der Untersuchungshaft jederzeit damit rechnen, dass Vollzugsbedienstete den Besuchsraum ohne Vorankündigung betreten und von ihren Überwachungs- und Eingriffsbefugnissen Gebrauch machen (vgl. BGHSt 44, 138 [141] = NJW 1998, 3284 = NStZ 1999, 145).
(2) Das gilt auch für Gespräche mit nahen Angehörigen, denn das ?Verhältnis der zu überwachenden Personen zueinander' lässt - jedenfalls bei einer Fallgestaltung wie hier - die Prognose begründet erscheinen, dass solche Gespräche nicht ausschließlich privaten Charakter, sondern auch ?Verdunkelungshandlungen' zum Gegenstand haben. Deshalb wird die Kernbereichsprognose noch eher negativ ausfallen müssen, als bei Gesprächen in Betriebs- oder Geschäftsräumen (§ 100c IV 2 StPO).
Der Überwachungsanordnung des Ermittlungsrichters lag die Prognose zu Grunde, der Beschuldigte werde mit seiner Ehefrau über die Tat sprechen. Diese Prognose ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden; denn sie stützte sich auf eine ausreichende Tatsachengrundlage. Es bestanden gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Angekl. mit A G seit längerer Zeit ein intimes Verhältnis gehabt hatte. Er hatte selbst eingeräumt, sich mit ihr noch am Tag ihres Verschwindens getroffen zu haben. Außerdem hatte er in Bezug auf einen angeblichen Telefonanruf, den A G während des Treffens von einem russisch sprechenden Anrufer erhalten habe, nachweislich die Unwahrheit gesagt, was letztlich auch zu seiner Verhaftung geführt hatte. Angesichts dieser Umstände war zu erwarten, dass die Ereignisse im Zusammenhang mit diesem Treffen und der Verhaftung des Angekl. Gegenstand des Gesprächs mit der Ehefrau sein würden.
cc) Tatsächlich hat sich die Prognose des Ermittlungsrichters auch bestätigt, weil der Angekl. mit seiner Ehefrau ?Gespräche über begangene Straftaten' führte; solche Gespräche sind nicht dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen (§ 100c IV 3 StPO).
Der Angekl. gab im Verlauf des überwachten Gesprächs nicht nur an, dass die zu diesem Zeitpunkt lediglich vermisste A G tot sei. Er forderte seine Ehefrau zudem mehrfach auf, eine Videoaufzeichnung anzufertigen und diese an die StA und seine Verteidiger zu schicken. In diesem Video sollte sie gestehen, aus Eifersucht zwei russische Auftragsmörder mit der Tötung A G's beauftragt zu haben, die von diesen dann gefesselt und verletzt worden sei. Weiterhin sollte sie angeben, Blut und Sperma des Angekl. am Mund bzw. an der Scheide des Opfers hinterlassen zu haben. Die Äußerungen des Angekl. im abgehörten Gespräch mit seiner Ehefrau enthielten somit Angaben, die sich auf die ihm vorgeworfene Straftat - nämlich die Ermordung A G's - bezogen.
Der Senat braucht deshalb auch nicht zu entscheiden, ob die Erhebungs- und Verwertungsverbote des § 100c IV und V StPO für den Fall der Wohnraumüberwachung, die in § 100f StPO keine Entsprechung haben, auf Grund eines Erst-recht-Schlusses für den Bereich der akustischen Überwachung außerhalb von Wohnungen überhaupt zur Anwendung kommen können.
2. Auch wenn danach ein Erhebungs- und Verwertungsverbot aus § 100f StPO - selbst bei unterstellter entsprechender Anwendung der Kernbereichsregelungen der §§ 100c, 100a StPO - nicht hergeleitet werden kann, liegt bei der hier gegebenen Fallgestaltung ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 20 III GG i.V. mit Art. 2 I GG) mit der Folge eines Beweisverwertungsverbots vor.
Ein solcher Verstoß folgt aus einer Gesamtschau der Umstände bei der Durchführung der akustischen Gesprächsüberwachung und des Vorgehens der Ermittlungsbehörden vor dem Hintergrund der besonderen Situation des Angekl. in der Untersuchungshaft. Der Verstoß führt zu einem Beweisverwertungsverbot, weil das Beweismittel auf eine unzulässige, gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstoßende Weise erlangt wurde.
a) Das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren wurzelt im Rechtsstaatsprinzip i.V. mit den Freiheitsrechten des Grundgesetzes (Art. 20 III GG i.V. mit Art. 2 I GG). Es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt eines staatlichen Verfahrens herabzuwürdigen, und es verpflichtet den Staat zu korrektem und fairem Verfahren (BVerfG, Beschl. v. 18. 3. 2009 - 2 BvR 2025/07 m.w. Nachw.).
aa) Die Ausgestaltung des Strafverfahrensrechts in einer Weise, dass der Grundsatz des fairen Verfahrens gewahrt wird, ist in erster Linie dem Gesetzgeber und sodann - in den vom Gesetz gezogenen Grenzen - den Gerichten bei der ihnen obliegenden Rechtsanwendung und -auslegung aufgegeben. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst dann vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht - auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Gerichte - ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Forderungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde (BVerfG, Beschl. v. 18. 3. 2009 - 2 BvR 2025/07; vgl. auch BVerfGE 57, 250 [276] = NJW 1981, 1719 = NStZ 1981, 357; BVerfGE 64, 135 [145] = NJW 1983, 2762 = NStZ 1983, 466). Im Rahmen dieser Gesamtschau sind auch die Erfordernisse einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege in den Blick zu nehmen (vgl. BVerfGE 47, 239 [250] = NJW 1978, 1149; BVerfGE 80, 367 [375] = NJW 1990, 563 = NStZ 1990, 89). Das Rechtsstaatsprinzip, das die Idee der Gerechtigkeit als wesentlichen Bestandteil enthält, fordert nicht nur eine faire Ausgestaltung und Anwendung des Strafverfahrensrechts. Es gestattet und verlangt auch die Berücksichtigung der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann (vgl. BVerfGE 33, 367 [383] = NJW 1972, 2214; BVerfGE 46, 214 [222] = NJW 1977, 2355). Der Rechtsstaat kann sich aber nur verwirklichen, wenn ausreichende Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden (st. Rspr., vgl. nur BVerfGE 33, 367 [383] = NJW 1972, 2214; BVerfGE 46, 214 [222] = NJW 1977, 2355; BVerfG, Beschl. v. 18. 3. 2009 - 2 BvR 2025/07).
bb) Das Recht auf ein faires Verfahren umfasst dabei das Recht jedes Angeklagten auf Wahrung seiner Aussage- und Entschließungsfreiheit innerhalb des Strafverfahrens. Es hat in dem verfassungsrechtlich verankerten Gebot der Selbstbelastungsfreiheit (?nemo tenetur se ipsum accusare') und in den Vorschriften der §§ 136a, 163a IV 2 StPO seinen Niederschlag gefunden. Das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung bedeutet, dass im Rahmen des Strafverfahrens niemand gezwungen werden darf, sich durch seine eigene Aussage einer Straftat zu bezichtigen oder zu seiner Überführung aktiv beizutragen (vgl. BVerfGE 109, 279 [324] = NJW 2004, 999 = NStZ 2004, 270; BVerfGE 56, 37 [49] = NJW 1981, 1431). Nach der Rechtsprechung des EGMR ist das Schweigerecht eines Beschuldigten und seine Entscheidungsfreiheit, in einem Strafverfahren auszusagen oder zu schweigen, etwa dann verletzt, wenn die Strafverfolgungsbehörden in einem Fall, in dem sich der Beschuldigte für das Schweigen entschieden hat, eine Täuschung anwenden, um ihm Geständnisse oder andere belastende Angaben zu entlocken, die sie in einer Vernehmung nicht erlangen konnten, und die so erlangten Geständnisse oder selbst belastenden Aussagen in den Prozess als Beweise einführen (EGMR, StV 2003, 257 [259]). Ob das Schweigerecht in einem solchen Maß missachtet wurde, dass eine Verletzung von Art. 6 EMRK gegeben ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (EGMR, StV 2003, 257 [259]).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen stellt sich im vorliegenden Fall die heimliche akustische Überwachung des Ehegattengesprächs im Besucherraum bei einer Gesamtschau aller hierfür bedeutsamen Umstände als eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren dar.
aa) Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die gesetzlichen Regelungen der StPO sich als Konkretisierungen des Rechtsstaatsprinzips in seiner Ausgestaltung als Gebot fairer Verfahrensführung darstellen. Das gilt auch und besonders für die heimliche Gesprächsüberwachung nach den §§ 100a ff. StPO.
Hier liegt aber eine besondere Fallgestaltung vor, die dadurch gekennzeichnet ist, dass gleich mehrere unverzichtbare rechtsstaatliche Grundsätze tangiert wurden, und das nicht nur am Rande. Zwar sind die einzelnen Grundsätze - jeweils für sich isoliert betrachtet - noch nicht in einem Ausmaß verletzt, dass allein schon aus dem jeweils einzelnen Grundsatz ein Verwertungsverbot abzuleiten wäre. Eine derart isolierte Betrachtung würde indessen der hier von den Ermittlungsbehörden praktizierten Vorgehensweise nicht gerecht. Daraus folgt, dass eine der Gesamtsituation angemessene Bewertung nur durch eine Betrachtung des Verfahrens als Ganzes - also bei Berücksichtigung aller Umstände der Gesprächsüberwachung - erfolgen kann.
bb) Der Senat verkennt nicht, dass die Strafverfolgungsbehörden den Angekl. nicht durch gezieltes und beharrliches Einwirken seitens eines nur zu diesem Zweck auf ihn angesetzten Gesprächspartners zu einer selbstbelastenden Aussage veranlasst haben, wie dies etwa bei dem Einsatz eines Verdeckten Ermittlers oder bei dem Tätigwerden eines als Vertrauensperson eingesetzten Mitgefangenen der Fall sein könnte (vgl. dazu BGHSt 34, 362 [363] = NJW 1987, 2525 = NStZ 1989, 33; BGHSt 44, 129 [136] = NJW 1998, 3506 = NStZ 1999, 147; BGHSt 52, 11 = NJW 2007, 3138 [3141] = NStZ 2008, 110). Vielmehr wurde durch die eigentliche Überwachungsmaßnahme lediglich ?abgeschöpft', was der Angekl. aus freien Stücken gegenüber seiner Ehefrau äußerte, weil er sich unbeobachtet fühlte. Für sich genommen begegnet dies keinen rechtlichen Bedenken, zumal die Ermittlungsbehörden auf den Gesprächsinhalt der Eheleute keinerlei Einfluss genommen haben.
cc) In die für die Frage, ob dem Angekl. ein faires Verfahren zuteil wurde, vorzunehmende Gesamtschau sind aber auch die besonderen Verhältnisse des Untersuchungshaftvollzugs und die Ausgestaltung der Ehegatten-Besuchskontakte durch die Ermittlungsbehörden im konkreten Fall einzubeziehen.
(1) Der Vollzug der Untersuchungshaft hat den Zweck, die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und die spätere Strafvollstreckung sicherzustellen. Die Untersuchungshaft darf aber weder dazu missbraucht werden, das Aussageverhalten des Beschuldigten zu beeinflussen (BGHSt 34, 362 [363] = NJW 1987, 2525 = NStZ 1989, 33), noch darf sie auf eine Totalausforschung des Untersuchungsgefangenen hinauslaufen. Deshalb wäre es unzulässig, wenn etwa sämtliche Gespräche eines Untersuchungsgefangenen ohne konkreten Anlass abgehört würden, um überhaupt erst feststellen zu können, ob die Informationserhebung für das Strafverfahren relevante Inhalte betrifft (vgl. BVerfGE 109, 279 [323] = NJW 2004, 999 = NStZ 2004, 270; BGHSt 44, 138 [143] = NJW 1998, 3284 = NStZ 1999, 145; Schneider, NStZ 2001, 8 [14]). Andererseits müssen Besuche in der Untersuchungshaft oft bereits deshalb - offen oder verdeckt - überwacht werden, damit Verdunkelungshandlungen verhindert werden können.
(2) Deswegen war es im vorliegenden Fall, in dem angesichts der Beweissituation Verdunkelungshandlungen nicht fernlagen, für sich allein auch nicht bedenklich, dass die Kontaktmöglichkeiten des Angekl. zu seiner Ehefrau während der Untersuchungshaft zeitlich und örtlich erheblich eingeschränkt wurden. Vor dem Hintergrund des Zwecks der Untersuchungshaft hatte der Angekl. auch keinen Anspruch darauf, mit seiner Ehefrau ungestört und unüberwacht sprechen zu können.
(3) Allerdings ist in die Gesamtbetrachtung auch die durch die Haft bedingte Beschränkung des Angekl. einzubeziehen, die ihm ein Ausweichen auf einen anderen Gesprächsort - etwa eine Wohnung - unmöglich machte. Er war daher darauf angewiesen, auch Persönliches, das keinen Bezug zu der ihm vorgeworfenen Tat hatte, im Rahmen dieser Besuche mit seiner Ehefrau zu besprechen. Auch dieser Umstand macht die Überwachungsmaßnahme für sich allein nicht zu einer unfairen Verfahrensgestaltung; denn die Überwachung wurde angeordnet, weil auf Grund konkreter Anhaltspunkte damit zu rechnen war, dass gerade der Tatvorwurf und nicht nur persönliche Dinge der Ehegatten zur Sprache kommen würden. Es lag auf der Hand, dass der gegen den Angekl. erhobene gravierende Tatvorwurf und die Umstände, die zu seiner Verhaftung geführt haben, zwischen den Eheleuten zur Sprache kommen würden, zumal es lebensfremd gewesen wäre, anzunehmen, die Ehefrau würde die außereheliche Beziehung des Angekl. zu der Person, deren Tötung dem Angekl. zur Last lag, unerörtert lassen. Auch wenn es in einer solchen Situation einem Beschuldigten regelmäßig schwer fallen dürfte, nicht über den Tatvorwurf zu sprechen - insbesondere, um nicht eventuelles Täterwissen zu offenbaren - stellt die akustische Überwachung der Besuchskontakte zum Ehegatten noch keinen Zwang zur Selbstbelastung dar. Der Beschuldigte kann letztlich selbst entscheiden, was er seinem Ehegatten offenbart und was nicht, auch wenn der in Betracht kommende Gesprächsstoff angesichts der Überwachungssituation erheblich eingeschränkt ist.
dd) In der von den Beschränkungen des Untersuchungshaftvollzugs geprägten Gesprächssituation erlangt hier aber das Vorgehen der Ermittlungsbehörden besonderes Gewicht, das die Fehlvorstellung beim Angekl. nicht nur hervorrufen musste, sondern auch sollte, er könne mit seiner Ehefrau unüberwacht sprechen.
Zwar ist die Anwendung einer kriminalistischen List auch bei Ermittlungsmaßnahmen in der Haftanstalt nicht unzulässig; auch ist es gerade das Charakteristikum von heimlichen Überwachungsmaßnahmen, dass der Überwachte sich unbeobachtet fühlt.
Die Ermittlungsbehörden haben sich aber in einer Situation, in der dem Angekl. ein Ausweichen auf ein von ihm selbst gewählten Gesprächsort nicht möglich war, nicht darauf beschränkt, die Gespräche des Angekl. zu seiner Ehefrau akustisch zu überwachen. Sie haben vielmehr bewusst eine von den üblichen Abläufen in der Untersuchungshaft derart abweichende Besuchssituation geschaffen, dass nicht lediglich ein Irrtum des Angekl. ausgenutzt wurde. Vielmehr wurde, anders kann man das Vorgehen nicht verstehen, die Situation - gezielt - zur Erlangung einer gerichtsverwertbaren Selbstbelastung des Angekl. herbeigeführt. Im Rahmen ihres Vorgehens haben die Ermittlungsbehörden mit mehreren aufeinander abgestimmten Maßnahmen dem Angekl. den Eindruck vermittelt, er erhalte nun eine Sonderbehandlung und dürfe sich völlig ungestört und ohne jegliche Überwachung mit seiner Ehefrau - noch dazu in marokkanischer Sprache - unterhalten.
Zum einen wurde für die Besuche der Ehefrau des Angekl. nicht der gewöhnlich verwendete Besuchsraum genutzt; vielmehr wurde dem Angekl. für den Besuchskontakt mit seiner Ehefrau ein ?separater Raum' zugewiesen. Zum anderen fanden diese Besuche - abweichend von den üblichen Abläufen in der Haftanstalt - stets ohne offene Überwachung durch einen Vollzugsbeamten statt. Besuche in der Untersuchungshaft werden aber nach § 119 III StPO entsprechend Nr. 27 UVollzO in der Regel erkennbar überwacht, gerade weil bei diesen auch die Gefahr von Verdunkelungshandlungen besteht und deshalb ein unmittelbares Eingreifen durch den überwachenden Beamten erforderlich werden kann (vgl. Nr. 27 III UVollzO).
Angesichts dieser Einwirkung auf das Vorstellungsbild des Angekl., die ihn zu der Fehlvorstellung gelangen ließ, die Besuche würden nicht überwacht, ist das Vorgehen der Ermittlungsbehörden unter gezielter Ausnutzung der besonderen Situation des Untersuchungshaftvollzugs zur Erlangung einer prozessverwertbaren Selbstbelastung des Angekl. schon vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich verankerten Verbots eines Zwangs zur Selbstbelastung (?nemo tenetur se ipsum accusare') bedenklich.
Dieser Bewertung steht hier nicht entgegen, dass - isoliert betrachtet - der Abwesenheit eines Vollzugsbediensteten zur Besuchsüberwachung nach außen regelmäßig allenfalls der Erklärungsinhalt zukommt, dass Beeinträchtigungen der Haftzwecke während des Besuchs von Seiten der Strafverfolgungsbehörden nicht besorgt werden (vgl. Schneider, NStZ 2001, 8 [14]). Jedenfalls dann, wenn einem Untersuchungsgefangenen für die Kontakte mit der Ehefrau abweichend von der allgemeinen Praxis stets ein gesonderter Raum zur Verfügung gestellt wird, in dem zu keinem Zeitpunkt ein Vollzugsbediensteter zur Gesprächsüberwachung anwesend ist, verliert die Überwachungsmaßnahme den Charakter einer bloßen ?Abschöpfung' freiwilliger Äußerungen und wird zur bewussten Irreführung (zum Ausnutzen eines bestehenden Irrtums durch die Strafverfolgungsbehörden vgl. BGHSt 39, 335 [348] = NJW 1994, 596 = NStZ 1994, 292).
Zwar hat diese - wie auch die Verteidigung zu Recht in der Hauptverhandlung hervorgehoben hat - noch nicht die Qualität einer Täuschung oder eines unzulässigen Zwangs i.S. von § 136a StPO. Jedenfalls in der Gesamtschau stellt sich hier aber das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden mit Blick auf die besondere Situation des Untersuchungshaftvollzuges als Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren dar. Die Beweisgewinnung greift danach in erheblicher Weise in die Verfahrensrechte des Angekl. ein und war somit unzulässig. Sie hat ein Beweisverwertungsverbot zur Folge.
c) Eine andere Wertung ergibt sich hier auch nicht mit Blick auf die bei der Gesamtschau der maßgeblichen Umstände zu beachtenden Erfordernisse einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege.
Dieser kommt freilich bei schwerwiegenden Delikten - wie hier beim Tatvorwurf des Mordes - erhebliche Bedeutung zu. Der Grundsatz des fairen Verfahrens verlangt nicht, allein im Hinblick auf die besonderen Umstände des Untersuchungshaftvollzugs von heimlichen Ermittlungsmaßnahmen in der Haftanstalt - generell - Abstand zu nehmen. Im Gegenteil gebietet es gerade der Rechtsstaat, dass auch in Justizvollzugsanstalten effektive Ermittlungen durchgeführt werden, um zu gewährleisten, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden können.
Dies bedeutet, dass auch in der Untersuchungshaft akustische Überwachungsmaßnahmen gem. § 100f StPO grundsätzlich zulässig und - wenn andere erfolgversprechende Maßnahmen nicht in Betracht kommen - sogar geboten sein können. Allerdings ist bei der Anordnung und Durchführung von Maßnahmen, die letztlich darauf gerichtet sind, den Beschuldigten ?als Beweismittel gegen sich selbst' zu verwenden, auf die besonderen Umstände der Haft Bedacht zu nehmen. Daran fehlte es hier.
Gegen die Zulässigkeit einer solchen Maßnahme bestehen dagegen keine Bedenken, wenn der Untersuchungsgefangene weiß oder jedenfalls - etwa durch entsprechende Hinweise - wissen kann, dass Besuchskontakte generell oder im konkreten Fall - auch akustisch - überwacht und aufgezeichnet werden. So gewonnene Erkenntnisse wären nach den dargelegten Maßstäben verwertbar.
3. Die Verurteilung des Angekl. wegen Mordes beruht auf dem Verfahrensfehler. Zwar liegt es angesichts der Fülle und des Gewichts der übrigen Beweisanzeichen nicht fern, dass das LG auch dann zu einer Verurteilung des Angekl. wegen Mordes gelangt wäre, wenn es die Erkenntnisse aus der akustischen Gesprächsüberwachung in der Untersuchungshaft nicht verwertet hätte. Da die Strafkammer aber die heimlich aufgezeichneten Äußerungen des Angekl. während des Besuchskontakts mit seiner Ehefrau ausdrücklich zu seiner Überführung herangezogen und als ?deutliches Indiz' für seine Täterschaft gewertet hat, kann der Senat nicht ausschließen, dass sie diesen Erkenntnissen letztlich ausschlaggebende und damit fallentscheidende Bedeutung beigemessen hat. ..."
*** (OLG)
Zulässigkeitsvoraussetzung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft ist, dass nach deren Auffassung die angefochtene gerichtliche Entscheidung sachlich oder rechtlich unrichtig ist. Maßgeblich hierfür ist grundsätzlich die Entscheidungsformel; aufgrund besonderer Rechtsvorschriften oder -sätze können die Entscheidungsgründe bestimmend sein. Zur daraus folgenden Unzulässigkeit einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen einen ihren Antrag auf akustische Wohnraumüberwachung (§ 100c StPO) ablehnenden Beschluß des Landgerichts, wenn die Staatsanwaltschaft als alleinige Eingriffsgrundlage § 100a StPO erachtet, aber zuvor ihr Antrag auf Telekommunikationsüberwachung (hier: Installation einer Entschlüsselungs-Software zur Überwachung des über Internet geführten Telekommunikationsverkehrs) nach Ausschöpfung des Beschwerderechtsweges erfolglos geblieben ist (OLG Hamburg, Beschluss vom 12.11.2007 - 6 Ws 1/07 zu StPO §§ 100a, 100c, 100d, 100f, 160 Abs. 2, 304 Abs. 1; GVG §§ 74a Abs. 4, 120 Abs. 4 S. 2).
***
Ablehnung des Richters
Siehe unter ?Gründe für die Ablehnung eines Richters".
Ablehnung eines Dolmetschers
Auf den Dolmetscher sind die Vorschriften über Ausschließung und Ablehnung der Sachverständigen entsprechend anzuwenden. Es entscheidet das Gericht oder der Richter, von dem der Dolmetscher zugezogen ist (§ 191 GVG). Die Ablehnung eines Dolmetschers wegen Besorgnis der Befangenheit folgt daher den Regeln des § 74 StPO.
Zusatzbemerkungen hinter einer Übersetzung eines Dolmetschers von Gesprächen aus einer Telefonüberwachung begründen die Besorgnis der Befangenheit, wenn sie Schlußfolgerungen aus vorangegangenen Gesprächen darstellen, da der Dolmetscher sich auf die genaue Übertragung des Gesprochenen zu beschränken hat, aber keine Schlüsse daraus ziehen darf (LG Darmstad StV 1995, 239).
Ist ein Dolmetscher, der in der Hauptverhandlung die Einlassung des Angeklagten übersetzt hat, mit Erfolg wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden, kommt eine Vernehmung des Dolmetschers als Zeuge über die von ihm übersetzte Einlassung des Angeklagten nicht in Betracht (LG Köln StV 1994, 460).
Die Falschübersetzung durch einen Dolmetscher, durch die der Beweiswert einer Zeugenaussage im Gegensatz zu der tatsächlich gemachten Äußerung in belastender Richtung ?aufgebessert' wird, begründet aus der Sicht des Angeklagten die Besorgnis der Befangenheit. Die erfolgreiche Ablehnung eines Dolmetschers wegen Besorgnis der Befangenheit hat zur Folge, dass die unter seiner Mitwirkung vorgenommenen Beweiserhebungen nicht verwertet werden können, wenn nicht auszuschließen ist, dass die bisherige Übersetzungstätigkeit ebenfalls mit Mängeln behaftet war (LG Berlin StV 1994, 180).
Vom Dolmetscher bei einer Übersetzung angebrachte Zusätze, die Wertungen darstellen, die zu treffen erst Sache der tätigwerdenden Strafverfolgungsorgane sind, können die Besorgnis der Befangenheit des Dolmetschers rechtfertigen (LG Darmstad StV 1990, 258).
Ablehnung eines Sachverständigen § 74 StPO
(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, daß der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.
(2) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. Die ernannten Sachverständigen sind den zur Ablehnung Berechtigten namhaft zu machen, wenn nicht besondere Umstände entgegenstehen.
(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; der Eid ist als Mittel der Glaubhaftmachung ausgeschlossen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Zur Befangenheit eines Sachverständigen bei Äußerungen, die nicht im Zusammenhang mit dem Gutachterauftrag stehen (BGH, Beschluss vom 14.04.2011 - 1 StR 458/10).
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Bewusst falsche Angaben eines Sachverständigen über Ermittlungen vor oder bei Erstellung des Gutachtens können zwar grundsätzlich die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. Die bloße Nichtoffenlegung einer Erkenntnisquelle reicht hierfür aber nicht aus, da es dem Sachverständigen nicht verwehrt ist, mithilfe der ihm nach § 80 StPO übertragenen Befugnisse den Sachverhalt im Rahmen des zur Gutachtenerstattung Erforderlichen (weiter) aufzuklären (BGH, Beschluss vom 06.04.2011 - 2 StR 73/11 zu StPO §§ 74, 80).
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?... 2. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, ein Antrag auf Ablehnung des psychiatrischen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 74 StPO) sei zu Unrecht zurückgewiesen worden.
a) Zur Begründung des Ablehnungsantrags war vorgetragen worden:
(1) Bei einer Exploration, bei der auch der Verteidiger anwesend war, habe der Sachverständige der Angeklagten folgendes auseinandergesetzt: Der Bundesgerichtshof habe schon einmal eine Entscheidung der - erkennenden - Strafkammer aufgehoben, der ein Sachverhalt zu Grunde gelegen habe, der dem ähnlich sei, wie er von der Angeklagten behauptet werde. In einem weiteren ebenfalls vergleichbaren Fall sei deshalb die Strafe nach Auffassung des Vorsitzenden der Strafkammer zu milde ausgefallen. Deshalb werde der Vorsitzende bei der geringsten Unstimmigkeit Einlassungen wie die der Angeklagten gar nicht erst glauben. Die Angeklagte solle sich daher ihre Einlassung nochmals durch den Kopf gehen lassen.
(2) Im Übrigen sei dem Sachverständigen im Rahmen dieser Expoloration erklärt worden, dass die Angeklagte erst in der Hauptverhandlung weitere Angaben zum Tatgeschehen machen werde. Nachdem der Verteidiger die Vollzugsanstalt wieder verlassen gehabt habe, habe der Sachverständige sich dann aber doch die Angeklagte nochmals vorführen lassen und versucht, sie zum Tatgeschehen zu befragen.
(3) Außerdem sei sein - vorläufiges - Gutachten unvollständig.
b) Die Strafkammer hat zu diesem Vorbringen den Sachverständigen angehört und weitere Ermittlungen angestellt. Sodann hat sie den Antrag zurückgewiesen.
(1) Die in Anwesenheit des Verteidigers abgegebene Empfehlung des Sachverständigen zu einer Überprüfung der Einlassung - die, so der Sachverständige, mit dem Akteninhalt nicht übereingestimmt habe - hat sie als ?übertriebene Fürsorge' des Sachverständigen bewertet. Auf die in dem Ablehnungsantrag näher ausgeführten Darlegungen des Sachverständigen zu den Gründen für seine Prognose - die dieser in seiner Stellungnahme weder bestätigt noch bestritten hatte - ist sie dabei nicht eingegangen.
(2) Soweit der Antrag auf Vorbringen zum Geschehen gestützt war, das sich abgespielt haben soll, nachdem der Verteidiger die Vollzugsanstalt verlassen hatte, wurde der Antrag abgelehnt, weil die ihm zu Grunde liegenden Behauptungen nicht erwiesen seien. Nach den Angaben des Sachverständigen stelle es sich vielmehr so dar, dass er, nachdem er zuvor in ihre Krankenakte im Revier Einblick genommen gehabt habe, die Angeklagte in Abwesenheit des Verteidigers nur zu ihrer depressiven Verstimmung am Tattag befragt habe, wie dies auch mit dem Verteidiger vereinbart gewesen sei; zum Tatgeschehen habe er sie nicht befragt.
(3) Die (behauptete) Unvollständigkeit des vorläufigen Gutachtens sei bedeutungslos. Entscheidend sei das endgültige Gutachten.
c) Die Revision hält diesen Beschluss für fehlerhaft. Zur Begründung führt sie näher aus, dass und warum die Strafkammer den in dem Ablehnungsantrag geschilderten Geschehensablauf hinsichtlich des Befragungsversuchs in Abwesenheit des Verteidigers hätte als bewiesen ansehen müssen. Demgegenüber befasst sich das Revisionsvorbringen nicht mit den Teilen des Beschlusses, die den Ablehnungsantrag zurückweisen, soweit dieser auf die Empfehlung des Sachverständigen, das Verteidigungsvorbringen zu überdenken, und die Unvollständigkeit des vorläufigen Gutachtens gestützt war.
d) Der Senat neigt nicht zu der Auffassung, dass ein Sachverständiger verständigerweise das Misstrauen hervorruft, er selbst sei zum Nachteil einer Angeklagten voreingenommen, wenn er ihr und ihrem Verteidiger eingehend erläutert, dass und warum aus seiner Sicht ein bestimmtes Verteidigungsvorbringen bei Gericht keinen Erfolg haben wird und deshalb dessen Abänderung empfiehlt. Einer Entscheidung hierüber bedarf es aber nicht. Der Ablehnungsantrag ist nämlich mit mehreren, voneinander unabhängigen Vorwürfen begründet, die Entscheidung hierüber dementsprechend auf mehrere, ebenso voneinander unabhängige Gründe gestützt. Eine solche Entscheidung hat das Revisionsgericht nur in dem Umfang zu überprüfen, in dem sie von der Revision ausweislich ihrer Begründung als rechtsfehlerhaft gerügt ist (zur Maßgeblichkeit der ?Angriffsrichtung' einer Rüge vgl. auch BGH NStZ 2007, 161, 162; Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 34; Cirener/Sander JR 2006, 300 jew. m. w. N.). Dies ist hinsichtlich des Teils des Beschlusses nicht der Fall, der sich mit der angesonnenen Änderung des Verteidigungsvorbringens befasst.
Unabhängig von alledem bemerkt der Senat, dass ein Sachverständiger keine Fürsorgepflicht für den Erfolg (der Anklage oder) der Verteidigung hat. Vielmehr hat er sich darauf zu beschränken, den ihm von seinem Auftraggeber (Staatsanwaltschaft oder Gericht) vorgegebenen Sachverhalt (vgl. § 78 StPO) aus seiner fachlichen Sicht zu bewerten. Findet er im Rahmen seiner Tätigkeit Anhaltspunkte für einen abweichenden Sachverhalt - diese können sich auch aus (neuen) Angaben des Beschuldigten (Angeklagten) ergeben - hat er seinen Auftraggeber hierauf hinzuweisen; gegebenenfalls kann er dann als (sachverständiger) Zeuge in Betracht kommen (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 264, 265 m. w. N.). Die Bewertung derartiger Anhaltspunkte ist allein Sache des Gerichts, das dem Sachverständigen gegebenenfalls zu verdeutlichen hat, von welchem Sachverhalt - erforderlichenfalls welchen alternativen Sachverhalten - er bei seinem Gutachten auszugehen hat. Zu (hier jedenfalls unbestritten behaupteten) Voraussagen, wie und warum das Gericht Beweiswürdigung und Strafzumessung vermengen werde, und einer Beratung von Verfahrensbeteiligten über ihr Prozessverhalten ist ein Sachverständiger keinesfalls berufen (zur Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche vgl. auch Nedopil NStZ 1999, 433, 437 f.). Wie hier deutlich wird, kann derartiges Verhalten zu Missdeutungen Anlass geben und so das Verfahren belasten.
e) Hinsichtlich der gerügten Bewertung der geltend gemachten Befragung in Abwesenheit des Verteidigers bleibt die Revision ebenfalls erfolglos:
Das Recht des Beschuldigten (Angeklagten), sich in jeder Lage des Verfahrens anwaltlicher Hilfe zu bedienen, führt nicht zu einem Anwesenheitsrecht des Verteidigers bei der Exploration durch einen Sachverständigen, der mit der Erstellung eines Gutachtens (hier: zur Frage der Schuldfähigkeit der Angeklagten) beauftragt ist (BGH NStZ 2003, 101). Hier ist nun allerdings geltend gemacht, der Sachverständige habe - gleichwohl - zunächst zugesagt, (weitere) Explorationen nur in Anwesenheit des Verteidigers vorzunehmen, sich dann aber nicht an diese Zusage gehalten. Es verstünde sich auch bei einem solchen - freilich inkonsequenten - Verhalten des Sachverständigen nicht von selbst, dass allein die Stellung sachgerechter Fragen - anderes ist weder konkret behauptet noch sonst ersichtlich - verständigerweise die Besorgnis begründete, der Sachverständige sei zum Nachteil der Angeklagten befangen.
Einer abschließenden Entscheidung hierüber bedarf es aber nicht, da die Strafkammer die in dem Ablehnungsantrag aufgestellten tatsächlichen Behauptungen als widerlegt ansieht. Mit dem Vorbringen, in Wahrheit sei es doch so gewesen, wie in dem Antrag behauptet, kann die Revision nicht gehört werden. Bei der Beurteilung der Ablehnung von Sachverständigen ist das Revisionsgericht an die Tatsachen gebunden, die der Tatrichter seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat. Eigene Ermittlungen des Revisionsgerichts kommen - anders als bei der Richterablehnung - nicht in Betracht. Es entscheidet als Rechtsfrage, ob die Strafkammer über das Ablehnungsgesuch ohne Verfahrensfehler und mit ausreichender Begründung befunden hat (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 1994, 388; BGH bei Becker NStZ-RR 2002, 66 m. w. N.). Die Strafkammer ist in ihrem Beschluss aber rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, die Äußerung des Sachverständigen zu dem Ablehnungsantrag ergebe, dass er seine Absprache mit dem Verteidiger eingehalten habe. Unabhängig davon belegen die Ausführungen des Sachverständigen jedenfalls, dass er nicht davon ausgegangen ist, eine mit dem Verteidiger getroffene Vereinbarung zu verletzen. Selbst wenn das Verhalten des Sachverständigen zunächst die Besorgnis der Befangenheit begründet hätte, hätte die Erläuterung des Sachverständigen diese Besorgnis ausgeräumt. Es gilt insoweit nichts anderes als hinsichtlich der dienstlichen Erklärung eines wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Richters. Diese kann ebenfalls ein ursprünglich berechtigt erscheinendes Misstrauen ausräumen (vgl. BGH wistra 2002, 267; StV 2004, 356, 357 jew. m. w. N.).
f) Soweit die Ablehnung mit der Unvollständigkeit des vorläufigen Gutachtens begründet ist, sind die Ausführungen der Strafkammer, mit denen dieser Teil des Ablehnungsantrags zurückgewiesen wurde, von der Revision nicht erkennbar angegriffen. Es gilt insoweit nichts anderes als hinsichtlich der geltend gemachten Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen wegen seiner Empfehlungen zum Verteidigungsverhalten. Darauf, dass allein der (im Übrigen nicht in einer den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise mitgeteilte) Inhalt eines Gutachtens - also die fachliche Qualität des Gutachters - in aller Regel die Besorgnis der Befangenheit ohnehin nicht begründen könnte (vgl. BGHR StPO § 74 Ablehnung 1 m. w. N.), kommt es daher nicht mehr an. ..." (BGH, Beschluss vom 12.09.2007 - 1 StR 407/07)
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Eine Ablehnung ein Sachverständigen nach § 74 I 1 StPO i.V.m. § 22 Nr. 4 StPO ist u. a. möglich, wenn der Sachverständige in der Sache als Beamter der Staatsanwaltschaft oder als Polizeibeamter tätig gewesen ist.
Eine Verfahrensrüge kann nicht darauf gestützt werden, daß ein vor Beginn der Hauptverhandlung gestellter und zurückgewiesener Befangenheitsantrag gegen einen Sachverständigen zu Unrecht abgelehnt worden sei, wenn der Befangenheitsantrag in der Hauptverhandlung nicht wiederholt worden ist. Auf die mangelnde Sachkunde eines Sachverständigen kann ein Befangenheitsantrag gegen diesen nicht gestützt werden (BGH StV 2002, 350).
Ist ein Sachverständiger vor der Hauptverhandlung (auch) für eine Brandversicherung beruflich tätig geworden und bezahlt worden, bei der ein Gebäude gegen Brand versichert war, rechtfertigt dies aus der Sicht eines Angeklagten, dem der Vorwurf der Brandstiftung gemacht wird, die Besorgnis, dass der Sachverständige bei Erstattung seines Gutachtens in dem Strafverfahren gegen ihn nicht unbefangen sein würde (BGH StV 2002, 4 f).
Angaben eines erfolgreich abgelehnten Sachverständigen dürfen der gerichtlichen Beweiswürdigung dann nicht zugrundegelegt werden, wenn dieser nicht als Zeuge oder sachverständiger Zeuge über die Tatsachen vernommen worden ist, die ihm bei Durchführung des erteilten Auftrages bekanntgeworden waren (BGH StV 2002, 8 f).
Der sich aus der Beauftragung einer als Therapeutin des zu begutachtenden Zeugen tätigen Psychologin als Sachverständige zur Frage dessen Glaubwürdigkeit ergebende Rollenkonflikt mag im Einzelfall die Besorgnis der Befangenheit begründen, stellt aber keinen gesetzlichen Ausschließungsgrund dar (BGH StV 1996, 130).
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Erklärt ein Sachverständiger anläßlich eines Falles, in dem die Straftatbestände der §§ 212 oder 226 StGB zu beurteilen sind, auf die Bemerkung eines Dritten, daß die Sache wohl ?auf eine Bewährung herauslaufen' werde, ?er hoffe das nicht', so kann dies von einem Außenstehenden und auch vom Angeklagten dahin aufgefaßt werden, der Sachverständige erwarte und erhoffe eine Strafhöhe, die eine Aussetzung nicht mehr erlaube. Eine Freiheitsstrafe in einer solchen Höhe kommt in aller Regel dann in Betracht, wenn die Fallgestaltung des minder schweren Falles ausscheidet. Dabei ist, wie auch hier, von entscheidender Bedeutung die Frage der (verminderten) Schuldfähigkeit des Angeklagten. Die vor Abschluß der Beweisaufnahme einem Dritten gegenüber abgegebene Äußerung eines psychiatrischen Sachverständigen, er hoffe nicht, daß gegen den Angeklagten eine zur Bewährung aussetzbare Freiheitsstrafe verhängt werde, ist deshalb geeignet, auch bei einem vernünftigen Angeklagten den Eindruck entstehen zu lassen, der Sachverständige sei in seiner die Schuldfähigkeit des Angeklagten betreffenden Auffassung so verfestigt, daß er nicht mehr in der Lage ist, sein Gutachten unparteüsch zu erstatten. Die vom Angeklagten behauptete Äußerung des Sachverständigen Dr. D. gegenüber dem Redakteur R. kann daher geeignet sein, sein ?Mißtrauen in die Unparteilichkeit' des Sachverständigen zu begründen, insbesondere dann, wenn der Sachverständige nach einer solchen Äußerung sein Gutachten durch eine ?überspitzte Wortwahl' gegenüber Fragen der Verteidigung rechtfertigt. ..." (BGH StV 1981, 55 f).
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Ein Polizei-/Zollbeamter, der bei einer Vernehmung gedolmetscht hat und deswegen als Dolmetscher wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden ist, kann zu den von ihm übersetzten Angaben Dritter als (sachverständiger) Zeuge gehört werden (BayObLG StV 2001, 264 f).
Geht ein Sachverständiger über den ihm erteilten Gutachterauftrag in der Weise hinaus, daß er an einen Entlastungszeugen eine Fangfrage richtet und die Antwort des Zeugen damit kommentiert, dieser sei auf seine Frage ?hineingeplumpst', muß dies bei jedem vernünftig urteilenden Angeklagten den Eindruck vermitteln, der Sachverständige trete in der Hauptverhandlung mit einer für ihn negativen Zielrichtung auf (OLG Hamburg StV 1987, 142 f).
Lehnt der Angeklagte den Sachverständigen ab, der ihn auf seine Zurechnungsfähigkeit und auf seine Verhandlungsfähigkeit hin untersuchen soll, und verwirft das erkennende Gericht das Ablehnungsgesuch, so unterliegt diese Entscheidung nicht der Beschwerde (Hanseatisches OLG, Beschluss vom 01.08.1967 - 1 Ws 381/67).
Der Beschluß, mit dem das erkennende Gericht den Antrag des Angeklagten abgelehnt hat, den gemäß § 81 Abs. 1 StPO anzuhörenden Sachverständigen für befangen zu erklären, unterliegt gemäß § 305 StPO nicht der Beschwerde (OLG Celle, Beschluss vom 06.10.1965 - 5 Ws 292/65, NJW 1966, 415).
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Findet die Bewertung des Tatgeschehens durch den Sachverständigen in seiner (vorläufigen) Begutachtung im Ergebnis der Ermittlungen, wie es in den Akten seinen Niederschlag gefunden hat, keine hinreichende Stütze, begründet dies die Besorgnis der Befangenheit (LG Frankfurt StV 1995, 125).
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Läßt sich nicht ausschließen, daß ein einer kriminaltechnischen Untersuchungsstelle angehörender Sachverständiger aufgrund von Dienstanweisungen im Range einer Rechtsverordnung einer möglichen Weisung der Strafverfolgungsbehörde Folge leisten muß, begründet dies die Besorgnis der Befangenheit (AG Bautzen StV 1998, 125).
Ablehnung - nur noch dringende Amtshandlungen des Abgelehnten § 29 StPO
(1) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten.
(2) Wird ein Richter während der Hauptverhandlung abgelehnt und würde die Entscheidung über die Ablehnung (§§ 26 a, 27) eine Unterbrechung der Hauptverhandlung erfordern, so kann diese so lange fortgesetzt werden, bis eine Entscheidung über die Ablehnung ohne Verzögerung der Hauptverhandlung möglich ist; über die Ablehnung ist spätestens bis zum Beginn des übernächsten Verhandlungstages und stets vor Beginn der Schlußvorträge zu entscheiden. Wird die Ablehnung für begründet erklärt und muß die Hauptverhandlung nicht deshalb ausgesetzt werden, so ist ihr nach der Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegender Teil zu wiederholen; dies gilt nicht für solche Handlungen, die keinen Aufschub gestatten. Nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs dürfen Entscheidungen, die auch außerhalb der Hauptverhandlung ergehen können, unter Mitwirkung des Abgelehnten nur getroffen werden, wenn sie keinen Aufschub gestatten.
Leitsätze/Entscheidungen:
Absatz I:
?... a) Fraglich erscheint bereits, ob der abgelehnte Tatrichter der Wartepflicht des § 29 I StPO unterlag.
Geht das Ablehnungsgesuch vor der Hauptverhandlung ein, bestimmt sich die Befugnis des abgelehnten Richters zur Vornahme richterlicher Handlungen grundsätzlich ab diesem Zeitpunkt nach § 29 I StPO (h.M.; vgl. nur Meyer-Goßner 46. Aufl., § 29 Rn 1, 9). Danach hat ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten. Unaufschiebbar im Sinne dieser Vorschrift sind Handlungen, die wegen ihrer Dringlichkeit nicht anstehen können, bis ein Ersatzrichter eintritt (vgl. BGH NStZ 2002, 429, 430; LR-Wendisch 25. Aufl., § 29 Rn 14; KK-Pfeiffer 4. Aufl., § 29 Rn 3; Meyer-Goßner § 29 Rn 4 - jew. mwN). Ob dies auch dann zu gelten hat, wenn das Ablehnungsgesuch - wie hier - unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt wird, oder ob zur Vermeidung rechtsmissbräuchlichen Vorgehens in Fällen dieser Art § 29 II StPO anzuwenden sein wird, braucht der Senat nicht zu entscheiden.
b) Auch unter Zugrundelegung der Maßstäbe des § 29 I StPO verstieß jedenfalls der Beginn der Hauptverhandlung durch Aufruf der Sache und Feststellung der Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten nicht gegen die Wartepflicht. Das Verfahren, das sich ursprünglich gegen 4 Angeklagte richtete, war bereits einmal ausgesetzt worden. Ein weiterer für September 2000 vorgesehener Termin konnte nicht durchgeführt werden. Für die nunmehr terminierten 20 Verhandlungstage waren neben den 8 Verteidigern, ein Sachverständiger, ein Dolmetscher und zahlreiche, insbesondere ausländische Zeugen geladen. Angesichts des Umstands, dass das Ablehnungsgesuch erst in der Nacht vor dem 1. Hauptverhandlungstermin angebracht worden war, stellte der Beginn der Hauptverhandlung bei dieser Sachlage eine dringliche, keinen Aufschub gestattende Handlung i.S. des § 29 I StPO dar (anders OLG Düsseldorf StV 1994, 528, in einem Fall, in welchem das Ablehnungsgesuch allerdings bereits 1 Woche vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt worden war).
c) Die richterlich angeordnete Verlesung der Anklage sowie die Feststellung ihrer Zulassung durch den Eröffnungsbeschluss am 2. Hauptverhandlungstag, waren allerdings unter keinem Gesichtspunkt mehr unaufschiebbar i.S. von § 29 I StPO. Unbeschadet der aus der unterbliebenen Beanstandung der Anordnungen des Vorsitzenden resultierenden Bedenken gegen die Zulässigkeit der erhobenen Rüge (vgl. BGH NStZ 2002, 429, 430) bleibt die Verfahrensbeschwerde jedoch schon deshalb ohne Erfolg, weil das Urteil auf dem allein gerügten formalen Verstoß gegen § 29 I StPO nicht beruht (§ 337 StPO9. ...
bb) Hat ein abgelehnter Richter, dessen Ablehnung später für begründet erklärt oder zu Unrecht zurückgewiesen wird, unter Verstoß gegen § 29 I StPO in dem weiteren Verfahren mitgewirkt, so kann dies der Ablehnende mit dem dafür vorgesehenen absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO geltend machen. Er kann auch in dem Fall, dass ein erkennender Richter nach der Eröffnung des Hauptverfahrens, aber noch vor Beginn der Hauptverhandlung abgelehnt wird, mit der Verfahrensbeschwerde nach § 338 Nr. 3 StPO rügen, dass der abgelehnte Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat (vgl. BGHSt 31, 15 = NJW 1982, 1712). Mit dieser Regelung wäre es jedoch wertungsmäßig nicht in Einklang zu bringen, wenn schon der formale Verstoß gegen die Wartepflicht des § 29 I StPO - unabhängig von der Begründetheit des Ablehnungsgesuchs - für sich gesehen die Revision begründen oder gar zur Unwirksamkeit der betroffenen Prozesshandlungen führen (so OLG Düsseldorf StV 1994, 528) würde. Zu einer dahin gehenden Auslegung des § 29 I StPO besteht nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift kein Anlass. Eine solche ist angesichts des absoluten Revisionsgrundes des § 338 Nr. 3 StPO zur Wahrung der berechtigten Interessen des Ablehnenden nicht geboten.
cc) Da der Bf. mit der Verfahrensbeschwerde ausdrücklich nur den (formalen) Verstoß gegen die Wartepflicht des § 29 I StPO und nicht (auch) die Verletzung des § 338 Nr. 3 StPO gerügt hat und das Befangenheitsgesuch als unbegründet zurückgewiesen worden ist, steht - ohne dass der Senat die Begründetheit des Ablehnungsantrags zu überprüfen hätte - fest, dass der abgelehnte Richter zu keinem Zeitpunkt befangen gewesen ist (vgl. BGHSt 4, 208, 210 = NJW 1953, 1114). Es kann daher ausgeschlossen werden, dass der Verstoß gegen die Wartepflicht des § 29 I StPO sich hier zum Nachteil des Angekl. ausgewirkt hat (BGHSt 4, 208 = NJW 1953, 1114; vgl. auch BGH NStZ 1996, 398 [zur Überschreitung der Höchstfrist des § 29 II 1 StPO]; ebenso wie hier i. Erg. OLGe München NStZ 1993, 354; Hamm NStZ 1999, 530; Düsseldorf JMBlNW 1997, 223; KK-Pfeiffer § 29 Rn 5; a.A. OLG Düsseldorf StV 1994, 528). ..." (BGH, Beschluss vom 03.04.2003 - 4 StR 506/02)
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? ... aa) Ein Verstoß gegen § 29 I StPO liegt nicht vor. Nach dieser Bestimmung hat ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten. Dies ist so zu verstehen, dass er nicht nur das Recht, sondern die Pflicht hat, unaufschiebbare Amtshandlungen vorzunehmen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner 45. Aufl., § 29 Rn 2). Unaufschiebbar sind dabei nach allgemeiner Ansicht Handlungen, die wegen ihrer Dringlichkeit nicht anstehen können, bis ein Ersatzrichter eintritt (vgl. LR-Wendisch 25. Aufl., § 29 Rn 14; KK-Pfeiffer 4. Aufl., § 29 Rn 3; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO, Rn 4). Hierzu können auch Zeugenvernehmungen gehören, wenn andernfalls der Verlust des Beweismittels droht (vgl. LR-Wendisch aaO; KK-Pfeiffer aaO, zum Fall der Vernehmung eines todkranken Zeugen).
Ob eine Amtshandlung unaufschiebbar i.S. des § 29 I StPO ist, unterliegt indes nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung. Dem Richter ist bei der Beurteilung des Begriffs der Unaufschiebbarkeit ein Spielraum einzuräumen; es genügt, dass seine Entscheidung vertretbar und nicht ermessensfehlerhaft ist (vgl. LR-Wendisch aaO, Rn 43; KK-Pfeiffer aaO, Rn 14; KMR-Paulus 8. Aufl., § 29 Rn 4 und 27; HK-StPO-Lemke 3. Aufl., § 29 Rn 18). Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Verfahrensweise des LG aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Den 3 betroffenen Zeugen, darunter 2 Rechtsanwälten, war - nachdem der Vorsitzende die Erteilung entsprechender Visa veranlasst hatte - die Einreise nach Deutschland ohne erkennbare Schwierigkeiten möglich. Die Revision trägt selbst vor, dass sie von vorneherein geplant hatten, noch 2 weitere Tage, d.h. bis zum 8. 11. 2000, in Deutschland zu bleiben, und dass sie ihren Aufenthalt auch noch bis zum 10. 11. 2000 hätten ausdehnen können. Es musste daher aus der Sicht der erkennenden StrK nicht die Besorgnis bestehen, die offensichtlich aussagebereiten Zeugen könnten an dem Erscheinen zu einem späteren Termin gehindert oder aus sonstigen Gründen zu einer Zeugenaussage nicht mehr bereit sein. Allein der Umstand, dass ein Zeuge von weither anreisen muss, vermag noch nicht die Unaufschiebbarkeit seiner Vernehmung i.S. des § 29 I StPO zu begründen (vgl. auch LR-Wendisch aaO, Rn 15). ..." (BGH, Urteil vom 14.02.2002 - 4 StR 272/01)
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Werden die Richter im Zwischenverfahren wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und legt der Angeschuldigte gegen diesen, den Antrag zurückweisenden Beschluß sofortige Beschwerde ein, ist ein von den abgelehnten Richtern während des Beschwerdeverfahrens gefaßter Eröffnungsbeschluß wirkungslos, wenn das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt wird, da im Zeitpunkt des Erlasses des Eröffnungsbeschlusses das Ablehnungsgesuch noch nicht erledigt war und es sich nicht um eine unaufschiebbare Maßnahme handelte (OLG Frankfurt am Main StV 2001, 496 ff).
Ein Verstoß gegen § 29 StPO macht die Entscheidung des abgelehnten Richters nicht unwirksam. Der Verstoß gegen § 29 StPO kann durch die endgültige Zurückweisung des Befangenheitsgesuchs durch das Beschwerdegericht geheilt werden (OLG Hamm, Beschluss vom 20.05.1999 - 2 Ws 158, 161-164/99, NStZ 1999, 530).
Die vorläufige Amtsunfähigkeit eines abgelehnten Richters tritt - jedenfalls außerhalb einer mündlichen Verhandlung - schon mit dem Eingang des Ablehnungsgesuchs bei Gericht ein. Auf die Kenntnis des abgelehnten Richters von diesem Gesuch kommt es nicht an (OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.11.1997 - 3 Ws 921/97, NJW 1998, 1238).
Nimmt der wegen Besorgnis der Befangeheit abgelehnte Richter Handlungen vor, die nicht zu den unaufschiebbaren im Sinne des § 29 Abs. 1 StPO gehören, bevor über das Ablehnungsgesuch entschieden worden ist, so sind diese Handlungen unwirksam unabhängig davon, ob das Gesuch begründet, unbegründet oder unzulässig ist (OLG Düsseldorf StV 1994, 528).
Absatz II:
?... bb) Vergeblich rügt die Revision auch eine Verletzung des § 29 II 1 StPO. Bedenken bestehen bereits gegen die Zulässigkeit dieser Rüge, da es der Angekl. bzw. sein Verteidiger ausweislich der Sitzungsniederschrift unterlassen haben, die Entscheidung des Vorsitzenden, nicht von der Möglichkeit der Fortsetzung der Hauptverhandlung nach § 29 II 1 StPO Gebrauch zu machen, zu beanstanden und einen Gerichtsbeschluss gem. § 238 II StPO herbeizuführen. Es entspricht allgemeiner Rechtsauffassung, dass die Entscheidung, die Hauptverhandlung nach Stellung eines Befangenheitsgesuchs fortzusetzen, eine Maßnahme i.S. des § 238 I StPO darstellt mit der Folge, dass sie mit der Revision in zulässiger Weise nur beanstandet werden kann, wenn hierüber eine Entscheidung des Gerichts herbeigeführt worden ist (vgl. BGH Urt. v. 3. 12. 1982 - 2 StR 210/82; LR-Wendisch Rn 33; KK-Pfeiffer Rn 14; Kleinknecht/Meyer-Goßner Rn 16 - alle aaO). Es liegt daher nahe, dass dies dann auch für die - umgekehrte - Fallkonstellation zu gelten hat, dass die Verhandlung auf Anordnung des Vorsitzenden nicht fortgesetzt, sondern bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch unterbrochen wird.
Diese Frage bedarf hier jedoch keiner abschließenden Entscheidung, da die Rüge jedenfalls sachlich nicht begründet ist. Nach § 29 I StPO gilt der Grundsatz, dass der abgelehnte Richter sich aller Amtshandlungen zu enthalten hat, die nicht unaufschiebbar sind. Zwar kann ausnahmsweise, wenn ein erkennender Richter nach Beginn der Hauptverhandlung abgelehnt wird, diese gem. § 29 II 1 StPO in den dort bezeichneten zeitlichen Grenzen bis zur Entscheidung über die Ablehnung fortgesetzt werden, falls die Entscheidung über die Ablehnung eine Unterbrechung der Hauptverhandlung erforderlich machen würde. Zweck dieser durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 eingefügten Regelung ist es, Verfahrensverzögerungen auf Grund von ersichtlich unbegründeten oder jedenfalls im Ergebnis wenig aussichtsreichen Ablehnungsgesuchen zu begegnen (vgl. die Begr. der BReg. zum Gesetzentwurf, BT-Dr 8/976, S. 22, 23 und 34; Rieß NJW 1978, 2265, 2268; Schroeder NJW 1979, 1527, 1528f.). Die Entscheidung über die Fortsetzung der Hauptverhandlung hat der Vorsitzende im Rahmen der Sachleitung (vgl. BT-Dr 8/976, S. 34) nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Die hier getroffene Entscheidung, die Hauptverhandlung nicht fortzusetzen, sondern - dem Grundsatz des § 29 I StPO folgend - bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zu unterbrechen, lässt danach Rechtsfehler nicht erkennen. Insbesondere kann von einer fehlerhaften Ermessensausübung oder gar willkürlichen Entscheidung keine Rede sein. Der Vorsitzende hat - wie seine Erklärung, ?über die Rechtmäßigkeit der Anwesenheit der beiden Wachtmeister [müsse] ? im Ablehnungsverfahren entschieden werden', zeigt - das gegen ihn gerichtete Ablehnungsgesuch jedenfalls nicht als offensichtlich unbegründet angesehen. Dies sprach gegen eine Fortsetzung der Hauptverhandlung (vgl. auch KMR-Paulus aaO, Rn 9). Hinzu kommt, dass mit dem Befangenheitsantrag seitens des Angekl. gerade gerügt worden war, der Vorsitzende übe durch die Zuziehung von 2 Justizwachtmeistern in unzulässiger Weise Druck auf die vom Angekl. benannten Alibizeugen aus. In Anbetracht dieses Umstandes konnte es auch nicht im wohlverstandenen Interesse des Angekl. liegen, dass nach Stellung der Ablehnungsanträge unter der Verhandlungsleitung gerade des abgelehnten Richters mit der Vernehmung dieser - für den Angekl. wichtigen - Zeugen in der mit dem Ablehnungsgesuch beanstandeten Weise fortgefahren wird. Die Revision trägt auch selbst nicht vor, eine solche Verfahrensweise beantragt oder auch nur angeregt zu haben. ... (BGH, Urteil vom 14.02.2002 - 4 StR 272/01)
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Auf einen Verstoß gegen die Pflicht zu beschleunigter und fristgerechter Entscheidung über ein in der Hauptverhandlung angebrachtes Befangenheitsgesuch kann die Revision nur dann erfolgreich gestützt werden, wenn das Urteil auf diesem Verfahrensfehler beruht (hier verneint bei unzulässiger Anwesenheit des abgelehnten Richters bei der Belehrung eines Zeugen; BGH, Beschluss vom 04.03.1996 - 5 StR 452/95, StV 1997, 113).
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?... Die Revision macht geltend, mit der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch hätte nicht bis zum übernächsten Hauptverhandlungstag gewartet werden dürfen, mindestens begründe aber die Überschreitung der absoluten Höchstfrist des § 29 II 1 Halbs. 2 StPO die Revision.
Der Senat kann offenlassen, ob als Verstoß gegen das Gebot beschleunigter Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch (§ 29 II 1 Halbs. 1 StPO) gerügt werden kann, das Gericht hätte aus tatsächlichen Gründen früher als geschehen entscheiden können.
Selbst wenn hier neben dem Verstoß gegen die Höchstfrist des § 29 II 1 Halbs. 2 StPO auch ein Verstoß gegen das Gebot beschleunigter Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch (§ 29 II 1 Halbs. 1 StPO) vorliegen sollte, ist ausgeschlossen, daß das Urteil auf dem einen oder anderen Verstoß beruhen kann. Darauf kommt es aber an, denn das Gesetz hat Verstöße der vorliegenden Art nicht zu absoluten Revisionsgründen erklärt.
Das Gebot beschleunigter Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch will bewirken, daß ein abgelehnter Richter, dessen Ablehnung möglicherweise für begründet erklärt werden wird, nicht länger als unbedingt nötig auf das Prozeßgeschehen einwirken kann. So gesehen kann schon zweifelhaft sein, ob in Fällen, in denen das Ablehnungsgesuch unbegründet ist, auf einer Verzögerung der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch überhaupt etwas beruhen kann. Im vorliegenden Fall kann ein Beruhen mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Nach der dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden war frühestens am 6. 2. 1995 eine Entscheidung über das Ablehnungsgesuch möglich. Zwischen diesem Zeitpunkt und der Entscheidung über das Gesuch lag lediglich eine 3 Minuten dauernde Belehrung eines Zeugen und die durch das Versäumnis des Gerichts erforderlich gewordene Erörterung der Sach- und Rechtslage zum weiteren Verfahren. Daß die Anwesenheit des abgelehnten Richters bei der Belehrung eines Zeugen auf die spätere Entscheidung des Gerichts von Einfluß gewesen sein könnte, ist ausgeschlossen. Soweit die Revision sich im übrigen auf die Rechtsprechung zu § 229 StPO bezieht, verweist der Senat auf seine Entscheidung BGHR StPO § 229 II 1 Hemmung 2. ..." (BGH, Beschluß vom 04.03.1996 - 5 ARs 452/95, NStZ 1996, 398)
Ablehnungsbeschluss - Beweisantrag
Siehe unter ?Beweisanträge in der Hauptverhandlung"
Ablehnungsgründe - Beweisantrag
Siehe unter ?Beweisanträge in der Hauptverhandlung"
Ablehnungszeitpunkt - äußerster § 25 StPO
(1) Die Ablehnung eines erkennenden Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse, in der Hauptverhandlung über die Berufung oder die Revision bis zum Beginn des Vortrags des Berichterstatters, zulässig. Alle Ablehnungsgründe sind gleichzeitig vorzubringen.
(2) Nach diesem Zeitpunkt darf ein Richter nur abgelehnt werden, wenn
1. die Umstände, auf welche die Ablehnung gestützt wird, erst später eingetreten oder dem zur Ablehnung Berechtigten erst später bekanntgeworden sind und
2. die Ablehnung unverzüglich geltend gemacht wird.
Nach dem letzten Wort des Angeklagten ist die Ablehnung nicht mehr zulässig.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... 1. Das Ablehnungsgesuch des Verurteilten ist verspätet und daher unzulässig. Entscheidet das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung im Beschlusswege (hier gemäß § 349 Abs. 2 StPO), so kann ein Ablehnungsgesuch in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO nur so lange statthaft vorgebracht werden, bis die Entscheidung ergangen ist (BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - 3 StR 425/06, BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 17; BGH, Beschluss vom 7. August 2007 - 4 StR 142/07, NStZ 2008, 55; BGH, Beschluss vom 19. August 2010 - 4 StR 657/09). Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn die Ablehnung mit einem Antrag nach § 356a StPO verbunden wird, der sich, wie auch im vorliegenden Fall (s. unten 2.), deswegen als unbegründet erweist, weil die gerügte Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nicht vorliegt, so dass insoweit nicht mehr in eine erneute Sachprüfung einzutreten ist. Denn § 356a StPO verfolgt allein den Zweck, dem Revisionsgericht, das in der Sache entschieden hat, Gelegenheit zu geben, im Falle des Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör diesem Mangel durch erneute Sachprüfung selbst abzuhelfen, um hierdurch ein Verfassungsbeschwerdeverfahren zu vermeiden. Dieser Rechtsbehelf dient hingegen nicht dazu, einem unzulässigen Ablehnungsgesuch durch die unzutreffende Behauptung einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG doch noch Geltung zu verschaffen (BGH aaO).
Dem Antrag des Verurteilten, ihm die zur Entscheidung über sein Ablehnungsgesuch berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen, war nicht nachzukommen. § 24 Abs. 3 Satz 2 StPO findet keine Anwendung, wenn das Ablehnungsgesuch ohne Ausscheiden der abgelehnten Richter (§ 26a Abs. 2 Satz 1 StPO) als unzulässig zu verwerfen ist (BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - 3 StR 425/06, BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 17; BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2005 - 5 StR 269/05, BGHR StPO § 24 Abs. 3 Satz 2 Besetzungsmitteilung 1). Der beantragten Einholung dienstlicher Äußerungen der abgelehnten Richter bedurfte es daher ebenfalls nicht.
2. Die Anhörungsrüge ist unbegründet. Der Senat hat bei seiner Entscheidung keine Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen der Antragsteller zuvor nicht gehört wurde, kein zu berücksichtigendes Vorbringen übergangen und auch sonst den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Insbesondere hat der Senat auch zu dem im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbK durchgeführten Freibeweisverfahren keinen Verfahrensstoff berücksichtigt, zu dem der Antragsteller nicht hätte Stellung nehmen können.
Mit Antrag vom 20. Oktober 2010 hat der Generalbundesanwalt ?im Hinblick auf die nachträglich erlangten Erkenntnisse zum Aufenthaltsort des Angeklagten" die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbK als gegeben angesehen und deswegen beantragt, die Revision des Angeklagten durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Er hat dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er das in seiner ursprünglichen Antragsschrift hinsichtlich einzelner Taten aufgezeigte ?vorläufige Verfahrenshindernis" nicht mehr für gegeben hält. Auf seinen hierauf gestellten Antrag vom 9. November 2011 wurde dem Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt S. , Akteneinsicht gewährt. Am 27. November 2011 hat Rechtsanwalt S. dann in einem umfangreichen Schriftsatz zum Antrag des Generalbundesanwalts vom 20. Oktober 2011, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO durch Beschluss zu verwerfen, Stellung genommen.
Der Senat hat über die Revision des Angeklagten - unter Berücksichtigung auch der in der Stellungnahme der Verteidigung vom 27. November 2011 neu vorgetragenen Argumente - eingehend beraten und dann dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 StPO entschieden. Der Umstand, dass er der Rechtsauffassung der Revision nicht gefolgt ist, begründet keinen Gehörsverstoß. Art. 103 Abs. 1 GG zwingt die Gerichte nicht dazu, jedes Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2007 - 2 BvR 746/07; BGH, Beschluss vom 7. November 2011 - 1 StR 452/11). ..." (BGH, Beschluss vom 02.05.2012 - 1 StR 152/11)
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Bei der Frage, ob die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit infolge von Umständen, die dem zur Ablehnung Berechtigten erst nach Vernehmung des ersten Angeklagten zur Person bekannt geworden sind, unverzüglich angebracht wurde, ist allein der Zeitpunkt der Kenntnis des ablehnungsberechtigten Angeklagten von den dem Ablehnungsgesuch zugrundeliegenden Tatsachen maßgeblich. Eine etwaige schuldhafte verspätete Kenntnisnahme dieser Tatsachen durch den Verteidiger wird dem Angeklagten nicht zugerechnet (BGH, Beschluss vom 17.12.2009 - 3 StR 367/09).
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?... Soweit der Beschwerdeführer mit seinem Ablehnungsgesuch vom 20. April 2007 die Mitglieder der Strafkammer im Hinblick auf die vorgenommene Verfahrensabtrennung als befangen abgelehnt hat, kann diese Rüge bereits deswegen keinen Erfolg haben, weil das Ablehnungsgesuch gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO wegen Verspätung als unzulässig zu verwerfen war. Das Ablehnungsgesuch war entgegen § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO nicht unverzüglich angebracht worden.
a) An die Auslegung des Begriffs ?unverzüglich" im Sinne des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO ist im Interesse einer zügigen Durchführung des Verfahrens ein strenger Maßstab anzulegen. Die Ablehnung muss zwar nicht ?sofort", aber ?ohne schuldhaftes Verzögern", das heißt ohne unnötige, nicht durch die Sachlage begründete Verzögerung geltend gemacht werden. Durch die Sachlage begründet ist lediglich die Verzögerung, die dadurch entsteht, dass der Antragsteller, nachdem er Kenntnis vom Ablehnungsgrund erlangt hat, eine gewisse Zeit zum Überlegen und Abfassen des Gesuchs benötigt. Welche Zeitspanne dafür einzuräumen ist, ist eine Frage der jeweiligen Umstände des Einzelfalls (st. Rspr.; BGHR StPO § 25 Abs. 2 Unverzüglich 5 m.w.N.). Nach diesen Maßstäben muss der Angeklagte nicht zwingend vor Unterbrechung der Hauptverhandlung nach Kenntnis des Ablehnungsgrundes das Ablehnungsgesuch anbringen. Es ist ihm gegebenenfalls eine gewisse Zeit zur Überlegung und Absprache mit dem Verteidiger einzuräumen. Erforderlichenfalls hat er jedoch das Ablehnungsgesuch außerhalb der Hauptverhandlung anzubringen, insbesondere dann, wenn mehrere Werktage zwischen den Hauptverhandlungsterminen liegen (st. Rspr.; BVerfG NStZ-RR 2006, 379, 380; BGH NStZ 1996, 47, 48; 1993, 141; 1982, 291). So verhält es sich auch hier.
Der Angeklagte hatte bereits vor der Anordnung der Vorsitzenden Richterin vom 16. April 2007, das gegen ihn durch Kammerbeschluss unmittelbar zuvor abgetrennte Verfahren bis zur Fortsetzung am 24. April 2007 zu unterbrechen, Kenntnis von den seiner Ansicht nach die Richterablehnung begründenden Umständen. Ein Ablehnungsgesuch hat der Verteidiger daraufhin gleichwohl nicht angekündigt; vielmehr haben er und der Angeklagte den Sitzungssaal verlassen. Das Ablehnungsgesuch ist erst am Freitag, den 20. April 2007 per Telefax angebracht worden. Dies ist nicht unverzüglich. Angesichts des überschaubaren Sachverhalts (Abtrennung des gegen den Angeklagten geführten Strafverfahrens) wäre es möglich und zumutbar gewesen, spätestens am Vormittag des 17. April 2007 die Mitglieder der Strafkammer wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.
b) Der Umstand, dass das Landgericht die Verwerfung der Ablehnung nicht auf den Verwerfungsgrund der Verspätung gestützt hat, ist unbeachtlich. Denn das Revisionsgericht ist im Rahmen des § 338 Nr. 3 StPO nicht gehindert, auf einen nach dem Revisionsvorbringen ersichtlich vorliegenden anderen Verwerfungsgrund aus § 26a Abs. 1 StPO abzustellen, weil in einem solchen Fall die Anwendung des § 26a Abs. 1 StPO dem Angeklagten den gesetzlichen Richter nicht entziehen kann (BVerfG - Kammer - NStZ-RR 2006, 379, 380; BGHR StPO § 25 Abs. 2 Unverzüglich 5; § 26a Unzulässigkeit 16). ..." (BGH, Beschluss vom 10.06.2008 - 5 StR 24/08)
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Notwendige Wiederholung eines Ablehnungsgesuchs nach ausgesetzter Hauptverhandlung (gegen BGHSt 31, 15; nicht tragend):
?... Es erscheint sachgerecht, aus § 25 Abs. 1 StPO herzuleiten, dass der Angeklagte Ablehnungsgründe, die er bereits in einer ausgesetzten Hauptverhandlung erfolglos zum Gegenstand eines Befangenheitsantrags gemacht hat, zur Erhaltung einer Revisionsrüge nach § 338 Nr. 3 i.V.m. § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO zu Beginn der neuen Hauptverhandlung in der in § 25 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschriebenen konzentrierten Form ausdrücklich nochmals benennen muss. Dies stünde im Einklang mit der Regelung in §§ 222b, 338 Nr. 1 StPO und dem Erfordernis der Erhebung eines Widerspruchs in der Hauptverhandlung als Voraussetzung für bestimmte Verfahrensrügen. Zudem wäre so Klarheit in der Frage gewonnen, ob der Angeklagte überhaupt noch die Besorgnis einer Befangenheit des früher abgelehnten Richters hegt, was - namentlich in Fällen eines längeren Verfahrensfortgangs - durchaus zweifelhaft sein kann. Nach Veröffentlichung dieser Entscheidung sähe sich der Senat künftig - vorbehaltlich eines Verfahrens nach § 132 GVG - nicht gehindert, entsprechende Rügen nach § 338 Nr. 3 StPO als unzulässig anzusehen.
b) In der Sache wären die Rügen indes - ungeachtet mehrerer überflüssiger unsachlicher Negativbewertungen im gesamten Rügevorbringen - jedenfalls nicht offensichtlich unbegründet. Der Vorsitzende hätte den Verteidiger über den kurzfristigen Eingang neuen belastenden Aktenmaterials bereits vor Beginn der Einlassung des Angeklagten zur Sache (§ 243 Abs. 4 StPO) unterrichten müssen (vgl. BVerfGE 63, 45, 62; BGHSt 36, 305, 308 f.; Laufhütte in KK 5. Aufl. § 147 Rdn. 1, 4, 19). Ein solcher Verfahrensverstoß kann für sich die Besorgnis der Befangenheit begründen (vgl. einerseits BGH StV 1995, 396, andererseits BGH, Beschluss vom 17. November 1999 - 1 StR 290/99), zumal wenn der Vorsitzende die Chance, in seiner dienstlichen Erklärung sein zu Recht beanstandetes Vorgehen zu korrigieren, nicht hinreichend nutzt (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 3 Revisibilität 1; BGH NStZ 2006, 49). Hinsichtlich des zweiten gegen den Berichterstatter gerichteten Ablehnungsgesuchs, mit dem Umstände der Zurückweisung des ersten Ablehnungsgesuchs gegen den Vorsitzenden beanstandet wurden, begegnet der Beschluss nach § 27 Abs. 1 StPO wegen der Richterbesetzung Bedenken. Er ist zwar ohne Mitwirkung des abgelehnten beisitzenden Richters, aber wiederum unter dem Vorsitz des zuvor abgelehnten Strafkammervorsitzenden ergangen. Dass auch dieser wegen des engen Zusammenhangs beider Ablehnungsanträge nach zutreffendem Verständnis des § 27 Abs. 1 StPO - ungeachtet der Erfolglosigkeit des ersten Antrags - an der Beschlussfassung über den zweiten Antrag nicht hätte mitwirken dürfen, in deren Mittelpunkt weiterhin die Bewertung seiner beanstandeten Verfahrensführung stand, ist bereits in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorgezeichnet (vgl. BGHSt 44, 26, 28 m.w.N.) und erscheint auch unter Bedacht auf das Gebot zwingend, dass ein ?Entscheiden in eigener Sache" zu vermeiden ist (vgl. BVerfG - Kammer - NJW 2005, 3410; ferner BGH NJW 2005, 3436, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). ..." (BGH, Beschluss vom 26.01.2006 - 5 StR 500/05).
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Vom Erfordernis der Unverzüglichkeit der Stellung eines Befangenheitsantrags ist der Antragsteller auch bei einer Verhandlungsunterbrechung nicht freigestellt. Die ihm zur Verfügung stehende Überlegungsfrist verkürzt sich, wenn seinem Verteidiger die Ablehnungsgründe schon länger bekannt sind (BGH StV 1995, 396).
Ergibt sich während der Dauer einer Zeugenvernehmung ein Umstand, der die Besorgnis der Befangenheit eines Richters begründet, kann die Vernehmung des Zeugen zu dem gerade behandelten Einzelthema zu Ende geführt werden, ohne daß die Befürchtung bestünde, ein Ablehnungsantrag könne durch die hierdurch bedingte kurze zeitliche Verschiebung wegen Verspätung als unzulässig verworfen werden (BGH StV 1986, 281).
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Stützt sich ein Ablehnungsgesuch auf eine Äußerung des Vorsitzenden in einer nach der Äußerung ausgesetzten Hauptverhandlung, ist das Ablehnungsgesuch in der erneuten Hauptverhandlung rechtzeitig angebracht, wenn es innerhalb der Fristen des § 25 Abs. 1 StPO gestellt wird (OLG Brandenburg StV 1997, 455 f).
Entsteht durch Äußerungen des Vorsitzenden am Ende eines Verhandlungstages ein Ablehnungsgrund, so ist dieser bei kürzerer Unterbrechung der Hauptverhandlung (hier um 2 Tage) in der Regel noch unverzüglich geltend gemacht, wenn der Ablehnungsantrag zu Beginn des nächsten Verhandlungstages gestellt wird (OLG Köln StV 1988, 287 f).
Abrechnungsbetrug - Kassenarzt
? ... a) Nach §§ 27 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3, 31 Abs. 1 SGB V haben die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung einen Anspruch auf Krankenbehandlung. Als Bestandteil der Krankenbehandlung sind Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln als Sachleistung zu erbringen (§ 2 Abs. 2 S. 1 SGB V). Ein derartiger Sachleistungsanspruch kann grundsätzlich nur dadurch begründet werden, daß ein Vertragsarzt das Arzneimittel auf Kassenrezept verordnet und damit die Verantwortung für die Behandlung übernimmt; denn die §§ 31 ff. SGB V begründen keine unmittelbar durchsetzbaren Ansprüche auf ?Versorgung' mit von dem Versicherten gewählten Arznei- oder Hilfsmitteln, sondern ausfüllungsbedürftige Rahmenrechte. Ein bestimmtes Arzneimittel kann der Versicherte daher erst dann beanspruchen, wenn es ihm als ärztliche Behandlungsmaßnahme in Konkretisierung des gesetzlichen Rahmenrechts vom Vertragsarzt als einem mit öffentlichrechtlicher Rechtsmacht ?beliehenen' Verwaltungsträger verschrieben wird (vgl. BSGE 73, 271, 278 f., 280 f.; 77, 194, 199 f.: ?Vertragsarzt als 'Schlüsselfigur' der Arzneimittelversorgung'; vgl. auch BSG SozR 3-2500 § 39 SGB V Nr. 3, S. 9; SozR 3-2500 § 13 SGB V Nr. 12, S. 59; krit. Neumann in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts 2002, § 12 Rdnr. 17 ff.). Bei Verordnung einer Sachleistung handelt der Vertragsarzt also kraft der ihm durch das Kassenarztrecht verliehenen Kompetenzen (vgl. etwa §§ 72 Abs. 1, 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V) als Vertreter der Krankenkasse (BSGE 73, 271, 278; 77, 194, 200). Mit Wirkung für und gegen die Krankenkasse gibt er die Willenserklärung zum Abschluß eines Kaufvertrages über die verordneten Medikamente ab.
Der Apotheker, dem das Kaufvertragsangebot der Krankenkasse mit Vorlage der kassenärztlichen Verordnung durch den Versicherten (als Boten) angetragen wird, nimmt dieses an, indem er dem Versicherten das verordnete Arzneimittel aushändigt. Es handelt sich um einen zwischen der Krankenkasse und dem Apotheker - unter Einschaltung des Vertragsarztes als Vertreter der Krankenkasse - geschlossenen Vertrag zugunsten des Versicherten (vgl. BSGE 77, 194, 200; Schmidt in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd. 2, Stand: 48. Lfg. November 2002, § 31 SGB V Rdnr. 95). Nach anderer Auffassung soll zwar der Kaufvertrag zwischen Apotheker und Versichertem zustande kommen, wobei die daraus resultierende Zahlungspflicht des Versicherten die Krankenkasse durch eine antizipierte Schuldübernahme übernehme, der Apotheker also ebenfalls einen Zahlungsanspruch gegenüber der zur Erstattung verpflichteten Krankenkasse habe (vgl. Obermayer, Das ärztliche Rezept, Diss. Gießen 1991, S. 148 ff., 152; Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, 1990, S. 217 ff., 232, 237; Wigge, NZS 1999, 584, 586 unter Hinweis auf die - insoweit nicht tragenden - Erwägungen in BGHZ 89, 250, 254 f.; jew. m. w. N.). Diese unterschiedlichen Auffassungen wirken sich aber bei den hier zu entscheidenden Fragen nicht aus.
Dem Apotheker obliegt bei Vorlage des kassenärztlichen Rezeptes eine eigenständige, aber begrenzte Prüfungspflicht, deren Modalitäten in § 17 ApoBetrO und - soweit es sich um spezielle Pflichten bei der Arzneimittelabgabe an Versicherte handelt - in § 129 SGB V und in den das Nähere bestimmenden Rahmenverträgen über die Arzneimittelversorgung auf Bundesebene (§ 129 Abs. 2 bis 4 SGB V) bzw. ergänzenden Arzneilieferungsverträgen auf Landesebene (§ 129 Abs. 5 SGB V) festgelegt sind. Er hat insoweit zunächst zu prüfen, ob die vorgelegte ärztliche Verordnung (§§ 73 Abs. 2 Nr. 7, 129 Abs. 1 SGB V) den formalen Anforderungen entspricht, sie bspw. den Namen, die Berufsbezeichnung und die Anschrift des verschreibenden Arztes, den Namen der Person, für die das Arzneimittel bestimmt ist und die abzugebende Menge der verschriebenen Arzneimittel enthält (vgl. etwa § 4 Abs. 2 Arzneilieferungsvertrag v. 4. 5. 1995 - ALV -, abgedruckt bei Gerdelmann/Rostalski, Arzneimittel - Rezeptprüfung, Beratung und Regreß, Stand: September 2003, Bd. 1, Nr. 270; s. auch § 2 Abs. 1 der Verordnung über verschreibungspflichtige Arzneimittel v. 30. 8. 1990, BGBl. I 1866). Daneben hat er zu prüfen, ob das Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen ist (§§ 34, 93 SGB V). Schließlich muß er gem. § 17 Abs. 8 ApoBetrO einem erkennbaren Arzneimittelmißbrauch in geeigneter Weise entgegentreten, insbes. den Empfänger der Medikamente informieren und beraten, um dazu beizutragen, Gefahren im Umgang mit Arzneimitteln zu verhüten oder zu mindern, wobei die ärztliche Therapie nicht beeinträchtigt werden darf (vgl. auch § 20 ApoBetrO).
Über diese pharmazeutische und pharmakologische Prüfungspflicht hinaus ist der Apotheker grundsätzlich nicht verpflichtet, die Angaben des Arztes zu überprüfen, insbes. ob die Verschreibung sachlich begründet ist (§ 4 Abs. 4 S. 3 ALV; vgl. auch BSGE 77, 194, 207 f., 209; Cyran/Rotta, Apothekenbetriebsordnung, 4. A. [Stand: 1. 7. 2000] § 17 Rdnr. 22; Pfeil/Pieck/Blume, Apothekenbetriebsordnung, 5. A., Stand: 1999, § 17 Rdnr. 125; Obermayer, a. a. O., S. 163 ff.); denn es wäre eine zeitlich-fachliche Überforderung des Apothekers und würde seiner Stellung im System der Kassenversorgung nicht entsprechen, wenn er jedes ihm vorgelegte Rezept auf dessen medizinische Richtigkeit überprüfen sollte (BSGE a. a. O.). Nach der sozialrechtlichen Kompetenzverteilung ist der Apotheker ?weder ein medizinischer Obergutachter noch eine Aufsichtsbehörde des Arztes' (BSGE a. a. O.); allein die Krankenkasse kann die Nichterforderlichkeit einer Leistung i. S. d. § 12 Abs. 1 SGB V überprüfen lassen und bei den entsprechenden Prüfungsgremien eine Wirtschaftlichkeitsprüfung (auch) mit dem Ziel eines Arzneimittelregresses beantragen (§ 106 Abs. 2, 2 a Nr. 1, 5 SGB V; vgl. im einzelnen dazu auch Schwerdtfeger NZS 1998, 97, 101 f.). Weiterhin kann die Krankenkasse gegen Vertragsärzte, die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen, bei der Kassenärztlichen Vereinigung Maßnahmen nach § 81 Abs. 5 SGB V anregen bzw. die Entziehung der Zulassung (§ 95 Abs. 6 SGB V) beantragen (vgl. im einzelnen BSGE 77, 194, 203).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen halten die Erwägungen des LG zur Täuschung durch den Angekl. N. rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Täuschungshandlung besteht nach dem Wortlaut des Gesetzes in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen. Täuschung ist danach jedes Verhalten, das objektiv irreführt oder einen Irrtum unterhält und damit auf die Vorstellung eines anderen einwirkt (BGHSt 47, 1, 3 m. w. N.). Bei schlüssigem Verhalten ist entscheidend, welcher Erklärungswert dem Gesamtverhalten des Täters nach der Verkehrsanschauung zukommt (vgl. auch BGH NJW 1995, 539 f.).
aa) Das LG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß der Angekl. N. bei den Apothekern keinen tatbestandsmäßigen Irrtum erregt hat. Soweit mit der Vorlage der Rezepte konkludent behauptet worden ist, daß es sich bei den vom Vertragsarzt verschriebenen Medikamenten und Hilfsmittel um notwendige Leistungen handele, fehlt es an einem Irrtum der Apotheker, der für die von ihnen jew. getroffene Verfügung, die Aushändigung der parenteralen Nahrung an den Angekl. N., kausal geworden ist. Ob die Leistungen notwendig i. S. d. § 12 Abs. 1 SGB V sind, haben die Apotheker grundsätzlich nicht zu prüfen. Da es sich bei den eingereichten Rezepten um ordnungsgemäß ausgestellte kassenärztliche Verordnungen handelte, waren die Apotheker - aufgrund des Rechtsanspruchs der Versicherten auf Versorgung i. S. d. § 31 SGB V - verpflichtet (§ 4 Abs. 1 S. 1 ALV), die kassenärztlichen Verschreibungen gem. § 17 Abs. 4 ApoBetrO unverzüglich einzulösen (?zivilrechtlicher Kontrahierungszwang', vgl. auch Cyran/Rotta a. a. O. Rdnr. 158; Pfeil/Pieck/Blume a. a. O. Rdnr. 125; Obermayer, a. a. O., S. 164, 166); hierbei war es für sie ohne Bedeutung, ob die verschriebenen Medikamentenmengen das Maß des Notwendigen (§ 12 Abs. 1 SGB V) überschritten.
Ob etwas anderes für den Fall gilt, daß die kassenärztliche Verordnung in der Weise offensichtlich mißbräuchlich ist, daß (ausnahmsweise) die Verpflichtung des Apothekers begründet wird, die Abgabe der Überverordnungsmenge zu verweigern (vgl. auch BSGE 77, 194, 208), kann letztlich dahin gestellt bleiben. Nur bei ganz offensichtlichen, objektiv klar erkennbaren Verletzungen kassenärztlicher Pflichten darf der Apotheker, der bei Zweifeln an der Richtigkeit der Verschreibung jedoch zunächst Rückfrage beim Arzt nehmen muß (vgl. dazu Cyran/Rotta a. a. O. und Rdnr. 22, 261; Pfeil/Pieck/Blume a. a. O. Rdnr. 155), das verschriebene Arzneimittel - allerdings nur für eine kurze Übergangszeit bis zum Eingreifen der von den Prüfinstanzen zu ergreifenden Maßnahmen (vgl. auch BSGE a. a. O., S. 208 f.) - nicht abgeben. Besteht der verschreibende Arzt auf uneingeschränkter Beachtung seiner Verschreibung, so ist der Apotheker regelmäßig berechtigt und verpflichtet, die ärztliche Verordnung auf Kosten der Krankenkasse auszuführen (vgl. Pfeil/Pieck/Blume a. a. O.).
Daß die Verletzung der kassenärztlichen Pflichten in dieser Weise offensichtlich gewesen ist, ist weder festgestellt noch liegt sie nach den bisher getroffenen Feststellungen nahe. Dagegen spricht schon der Umstand, daß die Krankenkasse keinen Anlaß gesehen hat, den Angekl. Dr. Sch. im Tatzeitraum an der Fortsetzung der Verordnungsweise zu hindern. Die TKK erfüllte vielmehr ihre Zahlungsverpflichtungen auch dann noch, als ihr der Apotheker F. seine Bedenken hinsichtlich der Verordnungsmenge mitteilte. Hinzu kommt, daß die Apotheker regelmäßig keinen (medizinischen) Einblick in das Arzt-Patienten-Verhältnis haben, so daß sich ihnen die Notwendigkeit sozialversicherungsrechtlicher Leistungen gerade nicht erschließt.
bb) Der Angekl. N. hat aber auch keine seinen Vermögensvorteil bewirkende Täuschungshandlung gegenüber der Krankenkasse begangen.
Die Vermögensverfügung, die letztlich den Vorteil des Angekl. N. und spiegelbildlich den Schaden der Krankenkasse bewirkt hat, hat der Mitangekl. Dr. Sch. durch Ausstellung der die Krankenkasse zur Leistung verpflichtenden Arzneimittelverordnungen getroffen. Der Angekl. Dr. Sch. - insoweit als Vertreter der TKK handelnd - kannte jedoch nach den Feststellungen die den Mangel begründenden Umstände; insoweit wurde die Krankenkasse nicht getäuscht.
Auch durch die mit Wissen des Angekl. N. erfolgte Weiterleitung der ärztlichen Verordnungen an die TKK durch die (gutgläubigen) Apotheker hat er keine Täuschung der Krankenkasse begangen, die diese zu einer ihm vorteilhaften Vermögensverfügung veranlaßt hätte. Sofern die Krankenkasse überhaupt eine inhaltliche Prüfung auf die medizinische Notwendigkeit verordneter Heilmittel nach Leistungserbringung vornimmt, erfolgt diese - wie ausgeführt - ausschließlich im Hinblick auf eine nachträgliche Korrektur medizinisch nicht indizierter Maßnahmen im Innenverhältnis des Vertragsarztes zur Krankenkasse (vgl. Schwerdtfeger a. a. O. S. 101; Igl in GK-SGB V, Stand: Juni 1999, § 12 Rdnr. 32 m. w. N.). Insoweit bestünde jedoch keine Stoffgleichheit zwischen der unterlassenen Geltendmachung etwaiger Regreßansprüche gegenüber dem Angekl. Dr. Sch. und dem vom Angekl. N. erstrebten Vermögensvorteil.
Nach alledem können die Schuldsprüche keinen Bestand haben.
3. Aufgrund der getroffenen Feststellungen hat sich der Angekl. N. aber an einer durch den Angekl. Dr. Sch. zum Nachteil der TKK begangenen Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) beteiligt.
a) Tathandlung der Untreue des Angekl. Dr. Sch. nach § 266 Abs. 1 StGB ist seine im Außenverhältnis wirksame, aber im Verhältnis zum Geschäftsherrn bestimmungswidrige Ausübung der Befugnis zur Vermögensverfügung oder Verpflichtung (Mißbrauchstatbestand).
Nach den Prinzipien des kassenärztlichen Abrechnungssystems handelt der Vertragsarzt bei Ausstellung einer Verordnung - wie ausgeführt - als Vertreter der Krankenkasse, indem er an ihrer Stelle das Rahmenrecht des einzelnen Versicherten auf medizinische Versorgung konkretisiert. Der Kassenarzt darf allerdings den materiellen (und formellen) Rahmen der kassenärztlichen Versorgung nicht verlassen (vgl. nur BSGE 73, 271, 278, 281 f.). Er darf deshalb Leistungen, die jenseits der Bandbreite offener Wertungen nach den Regeln der ärztlichen Kunst (vgl. Schwerdtfeger a. a. O., S. 101) eindeutig nicht notwendig, nicht ausreichend oder unzweckmäßig sind, nicht verordnen (§§ 12 Abs. 1 S. 2, 70 Abs. 1 S. 2 SGB V). Verschreibt der Kassenarzt dennoch ein Medikament zu Lasten der Krankenkasse, obwohl er weiß, daß er die Leistung wie hier i. S. d. § 12 Abs. 1 SGB V nicht bewirken darf, mißbraucht er diese ihm vom Gesetz eingeräumten Befugnisse. Damit verletzt er seine Betreuungspflicht gegenüber dem betroffenen Vermögen der Krankenkasse. Indem der Arzt Medikamente auf Rezept verschreibt, erfüllt er die im Interesse der Krankenkasse liegende Aufgabe, gem. § 31 Abs. 1 SGB V ihre Mitglieder mit Arzneimitteln zu versorgen. Da er bei Erfüllung dieser Aufgabe der Krankenkasse gegenüber kraft Gesetzes (§ 12 Abs. 1 SGB V) verpflichtet ist, nicht notwendige bzw. unwirtschaftliche Leistungen nicht zu bewirken, kommt darin eine Vermögensbetreuungspflicht zum Ausdruck (vgl. auch Goetze, Arzthaftungsrecht und kassenärztliches Wirtschaftlichkeitsgebot, 1989, S. 178). Der Arzt nimmt insoweit Vermögensinteressen der Krankenkasse wahr (vgl. Goetze a. a. O., S. 179).
b) Mangels eigener Pflichtenstellung kommt eine Beteiligung des Angekl. N. an der Untreue des Angekl. Dr. Sch. nicht als (Mit-) Täter, sondern nur als Gehilfe (§ 27 StGB) oder - naheliegend - als Anstifter (§ 26 StGB) in Betracht. Das bedarf jedoch ergänzender Feststellungen. ..." (BGH StV 2004, 422 ff).
***
?... Der Angekl. eröffnete im Jahr 1997 eine Zahnarztpraxis als reine Privatpraxis, weil er einen Antrag auf Zulassung als Kassenarzt wegen seiner Vorstrafen nicht als erfolgversprechend ansah. Um auch Kassenpatienten behandeln und die für diese erbrachten Leistungen abrechnen zu können, setzte er ab Ende 1997 den als Kassenarzt zugelassenen Zeugen R., der seine eigene Zahnarztpraxis wegen hoher Schulden und fehlender Einnahmen hatte aufgeben müssen, in seiner Praxis gegen eine monatliche Zahlung von 6 000 DM als ?Strohmann' ein. Der Angekl. behandelte neben den Privatpatienten 90 ? der Kassenpatienten, R. nur die restlichen 10 ?. Entsprechend der von beiden getroffenen Abrede rechnete R. jedoch gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung N. (im folgenden: KZV) auch die vom Angekl. durchgeführten Behandlungen als eigene ab.
Auf diese Weise wurden der KZV im Zeitraum v. 12. 1. 1998 bis 10. 4. 2000 in 37 Fällen von R. unterzeichnete Leistungsanträge vorgelegt. Die KZV zahlte nach Prüfung der Unterlagen Honorare in Höhe von insgesamt rund 1,26 Millionen DM an R. aus. Das Geld vereinnahmte - abgesehen von der monatlichen Zahlung von 6 000 DM an R. - der Angekl. für sich.
Bereits in einer bei der KZV im August 1998 eingegangenen und an die StA weitergeleiteten anonymen Anzeige wurde der Angekl. bezichtigt, Behandlungen von Kassenpatienten über einen anderen Kassenarzt abzurechnen. Da der Name des Kassenarztes nicht mitgeteilt war, wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt. Nachdem in einer weiteren, direkt an die StA gerichteten anonymen Anzeige der Name des abrechnenden Kassenzahnarztes mit ?R.' genannt worden war, nahm sie die Ermittlungen wieder auf und unterrichtete die KZV am 20. 4. 1999. Diese stellte daraufhin hausinterne Ermittlungen an. Aufgrund der durch sie gewonnenen Erkenntnisse faßte ihr Vorstand am 16. 6. 1999 den Beschl., 50 ? der beantragten Leistungen, jedoch entsprechend den maßgeblichen Satzungsregeln maximal 50 000 DM einzubehalten und nur die darüber hinausgehenden Beträge auszubezahlen. Die KZV hatte, nachdem sie in früheren Fällen bei einer restriktiveren Vorgehensweise in Gerichtsverfahren unterlegen war, in der Satzung festgelegt, daß eine Zurückbehaltung nur bei sehr dichtem Verdacht und nur auf Grund eines Vorstandsbeschl. möglich sei. ...
II. Der Schuldspruch hält - in dem durch die teilweise Einstellung des Verfahrens beschränkten Umfang - der rechtlichen Nachprüfung aufgrund der Sachrüge stand.
1. Zum Irrtum: Das LG hat, soweit es die vor dem 20. 4. 1999 bearbeiteten Abrechnungsanträge betrifft, ohne Rechtsfehler angenommen, daß die Sachbearbeiter der KZV die Auszahlungen trotz des bereits entstandenen, bis dahin allerdings noch relativ vagen Verdachts auf Grund eines täuschungsbedingten Irrtums veranlaßt hatten. Soweit es für die späteren Abrechnungen wegen des durch die zweite Anzeige verstärkten und konkretisierten Verdachts einen Irrtum i. S. d. § 263 StGB aus Rechtsgründen verneint und den Angekl. nur wegen versuchten Betrugs verurteilt hat, ist dieser nicht beschwert, so daß für die Entscheidung über seine Revision offen bleiben kann, ob es dabei nicht von einem zu engen Maßstab ausgegangen ist.
a) Zur Bedeutung von Zweifeln für die Annahme eines Irrtums: Welchen Einfluß beim Betrugstatbestand Zweifel des Opfers an der Wahrheit der vorgetäuschten Tatsache auf die Annahme eines Irrtums haben, ist in der Lit. umstritten.
Die h. M. geht davon aus, daß auch der Zweifelnde i. S. d. § 263 StGB irre und Zweifel so lange irrelevant seien, als er die Wahrheit der Tatsache noch für möglich halte. Der Getäuschte falle der List des Täters auch dann zum Opfer, wenn er trotz seiner Zweifel infolge der Täuschung die Vermögensverfügung vornehme. Ein tatbestandsmäßiger Irrtum sei erst dann nicht mehr gegeben, wenn er zwar die vorgespiegelte Tatsache für möglich halte, jedoch zur Frage der Wahrheit innerlich nicht Stellung beziehe, ihm der Wahrheitsgehalt gleichgültig sei und er die Vermögensverfügung unabhängig von ihrer Wahrheit treffe (vgl. insbes. Lackner in LK 10. A., § 263 Rdnr. 79 ff.; Tiedemann in LK, 11. A., § 263 Rdnr. 84 ff.; Cramer in Schönke/Schröder, StGB, 26. A., § 263 Rdnr. 40; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT Bd. 1, 8. A., § 41 Rdnr. 59 ff.; Rengier, Strafrecht BT Bd. 1, 4. A., § 13 Rdnr. 21; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT Bd. 2, 24. A., § 13 Rdnr. 510; jew. m. w. N.).
Demgegenüber vertritt eine Mindermeinung mit durchweg viktimologisch orientierten Erwägungen und im einzelnen differierenden Abgrenzungen die Auffassung, daß der Betrugstatbestand bei zweifelnden Opfern wegen deren verminderter Schutzbedürftigkeit nicht anwendbar sei (Hassemer, Schutzbedürftigkeit des Opfers und Strafrechtsdogmatik, S. 131 ff., 147; Ellmer, Betrug und Opfermitverantwortung S. 281 ff.; Kurth, Das Mitverschulden des Opfers beim Betrug, S. 175 ff., 183 ff., 194 ff.). Teilweise wird dabei auf den Intensitätsgrad des Zweifels oder auf dessen Konkretisierung abgestellt (Krey, Strafrecht BT Bd. 2, 2. A., Rdnr. 373, 374; Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 248).
Die Rspr. des BGH stimmt im wesentlichen mit der h. A. im Schrifttum überein (BGH wistra 1990, 305; 1992, 95, 97; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 21; vgl. auch BGHSt 2, 325, 326). Allerdings wurden bislang - soweit ersichtlich - nur Fälle entschieden, in denen das Opfer von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Wahrheit der behaupteten Tatsache (?wenn er die Möglichkeit der Unwahrheit für geringer hält') ausgegangen ist.
Dem Senat geben die Ausführungen des Bf. keine Veranlassung, von den Grundsätzen der bisherigen Rspr. abzugehen. Die viktimologisch motivierten Ansätze zur Einschränkung des Betrugstatbestandes wegen geringerer Schutzbedürftigkeit des zweifelnden Tatopfers finden im Wortlaut des § 263 StGB keine Stütze und nehmen den strafrechtlichen Schutz vor Angriffen auf das Vermögen durch Täuschung unangemessen weit zurück. Die These, daß keines Schutzes vor solchen Angriffen bedürfe, wer Zweifel an der Wahrheit einer behaupteten, für seine Entscheidung über eine Vermögensverfügung erheblichen Tatsache hege, trifft nicht zu. Die ihr zugrunde liegende Vorstellung, daß sich das Tatopfer bei solchen Zweifeln vergewissern oder von der schädigenden Vermögensverfügung Abstand nehmen könne, läuft auf eine dem Strafrecht fremde Bewertung eines Mitverschuldens hinaus, das auch sonst nicht tatbestandsausschließend wirkt, und begegnet zudem in ihren tatsächlichen Prämissen Bedenken: Insbes. in Fällen, in denen das Tatopfer unter Täuschung über das Vorliegen der Voraussetzungen auf gesetzlich oder vertraglich geschuldete Leistungen in Anspruch genommen wird, ist seine Freiheit, die Erfüllung wegen Zweifeln an der Wahrheit der anspruchsbegründenden Behauptungen zu verweigern, faktisch schon durch das mit der Weigerung verbundene Prozeßrisiko begrenzt. Das wird durch die hier vom LG getroffenen Feststellungen anschaulich bestätigt: Danach waren für die KZV in der Vergangenheit gerichtliche Verfahren, in denen sie von Ärzten auf Zahlungen in Anspruch genommen wurde, die sie wegen aufgetretener Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Abrechnungen zurückgehalten hatte, negativ ausgegangen. Gerade aus dieser Erfahrung hatte sie ihre Satzung dahin geändert, daß nur bei Vorliegen eines ?sehr weit konkretisierten Verdachtes' Zahlungen zurückgehalten werden dürfen. Damit ist aber die Entscheidungssituation für den Sachbearbeiter der KZV in gewisser Weise mit der eines Richters vergleichbar, der i. S. d. § 263 StGB auch dann irrt, wenn er Zweifel an der Richtigkeit des vom Kläger behaupteten Sachverhalts hat, der Klage aber stattgeben muß, weil der Beklagte säumig ist oder die Beweislast ausnahmsweise diesen trifft (vgl. zum Irrtum beim Prozeßbetrug Tiedemann, a. a. O., Rdnr. 86; Cramer a. a. O. Rdnr. 51; Amelung GA 1977, 16).
Danach spielt es für die Tatbestandsmäßigkeit - entgegen dem Vorbringen der Revision - keine Rolle, ob die Entscheidungsträger der KZV bei sorgfältiger Prüfung die Täuschung durch den Angekl. und seinen Mittäter R. hätten erkennen können, denn selbst leichtfertige Opfer werden durch das Strafrecht geschützt (st. Rspr., vgl. BGHSt 34, 199, 201; BGH wistra 1992, 95, 97; MDR 1972, 387 m. w. N.).
Zur Frage, bis zu welcher Intensität Zweifel des Getäuschten die Annahme eines Irrtums nicht ausschließen oder - umgekehrt - mit welchem Grad der Wahrscheinlichkeit er die behauptete Tatsache für wahr halten muß, damit ein Irrtum bejaht werden kann, neigt der Senat in Fortführung der bisherigen Rspr. und in Übereinstimmung mit der oben dargestellten h. M. in der Lit. zu der Auffassung, daß - über die bislang vom BGH entschiedenen Fälle hinaus - Zweifel solange nicht geeignet sind, die Annahme eines tatbestandsmäßigen Irrtums in Frage zu stellen, als das Opfer gleichwohl noch die Wahrheit der behaupteten Tatsache für möglich hält und deswegen die Vermögensverfügung trifft, also trotz seiner Zweifel, seien sie auch noch so erheblich, der List des Täters zum Opfer fällt (Lackner a. a. O.). Auch bei einem solchen Geschädigten ist noch eine Fehlvorstellung vorhanden, die für die Vermögensverfügung ursächlich wird und unter den tatbestandlichen Begriff des Irrtums subsumiert werden kann. Hinzu kommt, daß erhebliche praktische Bedenken gegen eine Abgrenzung nach Wahrscheinlichkeitsgraden bestehen. Diese ließen sich begrifflich schwer fassen und würden Feststellungen erforderlich machen, die über die Grenzen dessen hinausgingen, was die Beweisaufnahme leisten kann.
Die Frage braucht indes hier nicht abschließend entschieden zu werden. Auch ausgehend von der bisherigen Rspr., nach der ein Argwohn des Tatopfers für das Tatbestandsmerkmal des Irrtums jedenfalls dann unschädlich ist, wenn es die Möglichkeit der Unwahrheit für geringer hält als die der Wahrheit, ist die Annahme eines Irrtums und eines vollendeten Betrugs in den Fällen 1 bis 20 nicht zu beanstanden. Es liegt auf der Hand, daß durch die im August 1998 eingegangene anonyme Anzeige, die den Angekl. namentlich nannte, aber keinen Hinweis darauf enthielt, über welchen zugelassenen Kassenarzt er von ihm erbrachte Leistungen abrechnete, kein mit der Prüfung von Abrechnungen des R. befaßter und für die Auszahlungsanordnung zuständiger Mitarbeiter der KZV auf den Gedanken verfallen ist, daß gerade in dessen Anträgen die vom Angekl. durchgeführten Behandlungen abgerechnet sein könnten, und diesen Sachverhalt dann auch noch als wahrscheinlicher angesehen hat als die von R. behauptete Selbsterbringung der Leistungen. Ebendies bringt das angefochtene Urteil mit der Feststellung, daß die ?maßgeblichen Entscheidungsträger' in der KZV vor dem 20. 4. 1999 allenfalls einen vagen Verdacht hatten, noch hinreichend deutlich zum Ausdruck. Etwas anderes läßt sich im übrigen auch dem Vorbringen der Revision nicht entnehmen, die sich insofern im Kern ihrer Ausführungen auf den Vorwurf beschränkt, den zuständigen Mitarbeitern hätten bei sorgfältigerer Prüfung Zweifel kommen können und müssen, die, wie sie - allerdings zu Unrecht - meint, einen Irrtum ausgeschlossen hätten.
Soweit das LG den Angekl. in den Fällen 22 bis 37 wegen des nunmehr verstärkten und in Richtung des R. konkretisierten Verdachts nur wegen versuchten Betrugs verurteilt hat, liegt nahe, daß es gemessen an den vorstehenden Maßstäben zu strenge Anforderungen an die Annahme eines täuschungsbedingten Irrtums gestellt hat. Hierdurch ist der Angekl. jedoch nicht beschwert.
b) Zur gerichtlichen Feststellung des Irrtums: Der Bestand des angefochtenen Urteils wird im Ergebnis auch nicht dadurch gefährdet, daß es das LG unterlassen hat, in den Urteilsgründen im einzelnen darzustellen, wer in den Abrechnungsfällen jew. die ?maßgeblichen Entscheidungsträger' innerhalb der KZV gewesen waren und welche konkreten Vorstellungen diese über die Wahrheit der Angaben in den Anträgen hatten.
aa) Da der Tatbestand des Betrugs voraussetzt, daß die Vermögensverfügung durch den Irrtum des Getäuschten veranlaßt worden ist, müssen die Urteilsgründe regelmäßig darlegen, wer die Verfügung getroffen hat und welche Vorstellungen er dabei hatte. Die Überzeugung des Gerichts, daß der Verfügende einem Irrtum erlegen war, wird dabei in aller Regel dessen Vernehmung erfordern. Nur in einfach gelagerten Fällen - insbes. bei der betrügerischen Erschleichung von Leistungen zum Nachteil von Unternehmen, in denen die Prüfung der anspruchsbegründenden Voraussetzungen in einem standardisierten, auf massenhafte Erledigung ausgerichteten Abrechnungsverfahren erfolgt - wird sich die tatrichterliche Überzeugung je nach den näheren Umständen ausnahmsweise auch in anderer Weise gewinnen lassen, etwa durch Vernehmung eines Abteilungsleiters oder Innenrevisors, der betriebsintern die Schadensfälle bearbeitet hatte und von daher zu den Vorstellungen der einzelnen Sachbearbeiter berichten kann (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 9). Eine solche mittelbare Beweiserhebung wird jedoch dann nicht ausreichen, wenn vor der Verfügung ein erheblicher Verdacht einer betrügerischen Täuschung laut geworden ist oder sich sonst Anhaltspunkte für weitergehende Erkenntnisse des konkret für die Verfügung zuständigen Mitarbeiters ergeben haben, da dann fraglich wird, ob dieser noch einem Irrtum erlegen war und durch diesen zur Verfügung veranlaßt worden ist.
Bei arbeitsteilig tätigen Unternehmen, Körperschaften und Personenmehrheiten wird in der Regel auch festzustellen sein, wer im konkreten Fall auf welcher Grundlage und mit welchen Vorstellungen die Entscheidung über die Erbringung der vom Täter erstrebten Leistung getroffen und damit die Verfügung vorgenommen hat. Im allgemeinen werden Prüfungen und Auszahlungsanordnungen auf der üblicherweise dafür vorgesehenen Sachbearbeiterebene getroffen. Im Einzelfall kann die Entscheidung aber auch - etwa wegen der Größenordnung eines Geschäfts oder auf Grund eines geschöpften Verdachts - einer vorgesetzten Ebene vorgelegt worden sein, die dann die Entscheidung selbst trifft oder dem Sachbearbeiter Weisung für die Erledigung des Vorgangs erteilt. In diesen Fällen kann die Beurteilung der Irrtumsfrage sich insbes. dann als problematisch erweisen, wenn entweder nachgeordnete Hilfspersonen oder Vorgesetzte bessere Erkenntnisse als der irrende Verfügende gehabt und unter Verstoß gegen ihre dienstlichen Pflichten eine entsprechende Information oder Weisung zur Verhinderung einer Verfügung unterlassen haben (vgl. Tiedemann, a. a. O., Rdnr. 82 m. w. N.).
bb) Das angefochtene Urteil gibt auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens keine Veranlassung, zu diesen zum Teil noch wenig geklärten Rechtsfragen des näheren Stellung zu nehmen:
Für die Fälle 1 bis 20 reichen die allerdings recht pauschalen Feststellungen noch aus. Ihre - hier für die Annahme eines Irrtums genügende (s. o. zu Buchst. a)) - Überzeugung, daß die ?maßgeblichen Entscheidungsträger' innerhalb der KZV vor dem 20. 4. 1999 lediglich einen vagen Verdacht hatten, hat die StrK ohne Rechtsfehler dadurch gewonnen, daß sie fünf in unterschiedlichen Funktionen - vom Hauptgeschäftsführer bis zur Leiterin des Prüfungswesens - tätige Zeugen vernommen und sie insbes. auch zur Behandlung und Bewertung der ersten anonymen Anzeige befragt hat. Da sich dabei keine Anhaltspunkte dafür ergeben haben, daß es innerhalb der KZV weitergehende Erkenntnisse gegeben haben könnte, durfte die StrK angesichts des standardisierten, auf Massenerledigung angelegten Abrechnungsverfahrens auch ohne namentliche Feststellung und Vernehmung der einzelnen Sachbearbeiter den Schluß ziehen, daß auch diese allenfalls einen lediglich vagen Verdacht hatten, der - wie dargelegt - einen Irrtum nicht in Frage stellt.
Für die nach dem 20. 4. 1999 bearbeiteten Anträge (Fälle 21 bis 37) hätte das LG dagegen - angesichts des nunmehr deutlich stärkeren Verdachts - auf die Feststellung der jew. verfügenden Mitarbeiter und deren Vorstellungen über die Wahrheit der behaupteten Tatsachen nicht verzichten dürfen, wenn es den Angekl. wegen vollendeter Betrugstaten hätte verurteilen wollen. Da die StrK indes für diesen Zeitraum ohnehin einen Irrtum verneint und daher nur versuchten Betrug angenommen hat, kommt es auf die tatsächlichen Vorstellungen der Mitarbeiter der KZV ohnehin nicht an. Vielmehr genügt, daß der Angekl. mit einem Irrtum der zuständigen Sachbearbeiter rechnete oder ihn jedenfalls ernsthaft für möglich hielt. Das hat das LG rechtsfehlerfrei festgestellt.
2. Zum Vermögensschaden: Die StrK hat in der Auszahlung der Honorare an den Zeugen R. für die Leistungen, die der Angekl. als Nichtkassenarzt erbracht hatte, ohne Rechtsfehler einen entsprechenden Vermögensschaden gesehen. Nach der für den Bereich des Sozialversicherungsrechts geltenden streng formalen Betrachtungsweise (vgl. BGH NStZ 1995, 85 f.) genügt hierfür bereits der Umstand, daß der Angekl. ohne kassenärztliche Zulassung nicht berechtigt ist, an der durch die KZV erfolgten Verteilung der von den Kassen bezahlten Honorare teilzunehmen. Dabei spielt es keine Rolle, daß den Kassen infolge der Behandlung ihrer Patienten durch den Angekl. Aufwendungen in möglicherweise gleicher Höhe erspart blieben, die ihnen durch die Behandlung durch einen anderen, bei der Kasse zugelassenen Arzt entstanden wären. Denn eine solche Kompensation findet bei der Schadensberechnung nicht statt (BGH NStZ 1995, 85, 86), zumal ein anderer hypothetischer Sachverhalt zugrunde gelegt wird und offen bleiben muß, ob ein anderer Arzt die gleiche Behandlungsweise gewählt hätte.
Soweit der Bf. Bedenken gegen diese streng formale sozialversicherungsrechtliche Betrachtungsweise anmeldet und unter Bezugnahme auf Stimmen aus dem strafrechtlichen Schrifttum (vgl. Volk NJW 2000, 3385 ff.) Einschränkungen verlangt, kann offen bleiben, ob dem zu folgen ist. Die Notwendigkeit von Einschränkungen wird diskutiert für Fälle des Abrechnungsbetrugs begangen durch Ärzte, die sich als Partner einer zugelassenen Gemeinschaftspraxis ausgaben, in Wahrheit aber lediglich Angestellte waren und denen deshalb vorgeworfen wurde, sich die Zulassung erschlichen zu haben (vgl. OLG Koblenz, MedR 2001,144 f.). In solchen Fällen mag tatsächlich zweifelhaft sein, ob der Irrtum der Verantwortlichen bei der Kassenärztlichen Vereinigung nicht allein eine ?Statusfrage', nicht aber die Abrechnungsvoraussetzungen betrifft und ob nicht die Auszahlung des Honorars deswegen auch keinen Vermögensschaden begründet. Daraus läßt sich aber für die Beurteilung der Strafbarkeit des Angekl. nichts ableiten. Anders als die Ärzte in den genannten Fällen, die immerhin wirksam zugelassen waren und im übrigen - nach Genehmigung - auch als Angestellte eines Kassenarztes hätten tätig werden dürfen, gehört der Angekl. nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten; mit den Abrechnungen, die er und der Mittäter R. vorgelegt haben, ist nicht lediglich über berufsständische ?Statusfragen' getäuscht worden ... " (BGH StV 2003, 276 ff).
***
?... Die für die Abrechnungszeiträume 1981 bis 1983 getroffenen Feststellungen beruhen - abgesehen davon, daß sie nicht für jedes Quartal aufgeschlüsselt sind - auf einer unzureichenden Beweisgrundlage.
In seinem Urt. v. 17. 5. 1978 - 2 StR 18/78 - (bei Holtz MDR 1978, 803) hat der BGH Bedenken dagegen erhoben, daß der Tatrichter Schuldfeststellungen im Wege der Hochrechnung auf die Tatsache gründet, daß sich der Täter schon einmal so verhalten hat. Diese Bedenken bestehen fort. Früheres strafbares Verhalten kann ein Indiz dafür sein, daß die vorgeworfene Tat nicht persönlichkeitsfremd ist. Als alleiniger Tatnachweis ist dieser Umstand ungeeignet; er würde zu einer Verdachtsstrafe führen. Dagegen ist es zulässig, Hochrechnungen zur Oberprüfung eines Geständnisses und damit zur Absicherung eines anderweit gewonnenen Beweisergebnisses zu verwenden (vgl. BGHR StPO § 261 Geständnis 1).
Hier hat das LG Beweismittel, welche einen unmittelbaren Beweis des Tatgeschehens in den Jahren 1981 bis 1983 ermöglicht hätten, nicht benutzt. Auch die Hochrechnung ist eine Extrapolation', eine Schlußfolgerung aus der Beanstandungsquote, die es für die nachfolgenden Jahre 1984/85 ermittelt hat. Die Hochrechnung ist ferner nur unter der Voraussetzung einwandfrei, daß sich der Angekl. von 1981 bis 1983 ebenso verhalten hat wie danach. Daher stand dem LG nicht etwa eine durch andere Beweismittel überprüfte Hochrechnung oder umgekehrt ein durch Hochrechnung untermauertes Ergebnis von Zeugenvernehmungen zur Verfügung. Die aus der Vernehmung des Praxispersonals erlangte Überzeugung des LG, daß der Angekl. sich stets gleichartig verhalten habe, konnte als Voraussetzung der Hochrechnung nicht zugleich ihrer Bestätigung dienen. Dem LG blieben für seine Überzeugungsbildung somit lediglich die 1984/85 begangenen strafbaren Handlungen des Angekl. und die Zeugenbekundungen, aus denen sich nach seiner Meinung ergab, daß dieser zuvor in gleicher Weise tätig geworden war. Darauf konnte die Feststellung, daß der Angekl. an jedem Quartalsende von Anfang 1981 bis Ende 1983 betrügerisch Schäden in bestimmter Höhe verursacht hat, jedoch nicht gestützt werden.
Das Praxispersonal war zwar teilweise selbst in das Tatgeschehen verstrickt, und auch sonst waren die Vorgänge in der Praxis dergestalt, daß sie in der Erinnerung von Zeugen haften bleiben mußten. Das LG führtjedoch selbst aus, daß die gehörten Beweispersonen dem Tatzeitraum nunmehr weit entrückt sind. Seine Annahme, ihre Erinnerung sei für die Zeit ab 1981 zuverlässig, entbehrt einer näheren Begründung. Das LG verkennt hierbei, daß die zuletzt beobachtete Gleichförmigkeit der Handlungsweise des Angekl. eine Unterscheidung und zeitliche Zuordnung einzelner Tatphasen in der Erinnerung kaum gestattete. Darüber, ob und inwieweit der Angekl. selbst unrichtige Eintragungen in den Krankenscheinen vornahm, konnten die Zeugen verläßliche Angaben ohnehin nicht machen. Die Ermittlung von Einzelheiten des Tatverhaltens war jedoch von besonderer Bedeutung, weil die Serie nach den Feststellungen Anfang 1981 begonnen hat. Es wäre nicht ungewöhnlich, wenn der Angekl. zunächst zögernd, mit Unterbrechungen und Modifizierungen vorgegangen wäre und die von den Zeugen beobachtete Gleichförmigkeit seines Verhaltens erst allmählich entwickelt hätte. Daß er nicht immer in derselben Weise tätig geworden ist, ergibt sich im übrigen auch aus den Feststellungen. Hiernach hat er die Krankenscheine zunächst unregelmäßig, ab 1983/84 aber stets einen Monat vor Quartalsende überprüfen lassen, um sein Abrechnungsverhalten entsprechend anzupassen. Bei dieser Sachlage bedurfte es tatnäherer Beweismittel, damit sich das LG seine Überzeugung auf einer ausreichenden Grundlage bilden konnte.
b) Für die Abrechnungszeiträume 1984 und 1985 ist der Schuldspruch - sieht man von der unzutreffenden Annahme einer fortgesetzten Tat ab - an sich nicht zu beanstanden. Die auf der Vernehmung von 62 Patienten beruhenden Einzelfeststellungen des Urteils ergeben, daß der Angekl. in diesen Jahren an jedem Quartalsende manipulierte Abrechnungsunterlagen eingereicht und damit jeweils den Tatbestand des Betruges verwirklicht hat.
Bedenken ergeben sich hier auch nicht daraus, daß sich das LG zur Ermittlung der Schadenshöhe, mithin des Schuldumfangs, mathematisch-statistischer Methoden bedient hat.
Über das Ergebnis der Beweisnahme entscheidet der Tatrichter gemäß § 261 StPO nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung Das Revisionsgericht kann die Beweiswürdigung nur in engen Grenzen nachprüfen, so etwa darauf, ob sie auf einer Verletzung von Erfahrungssätzen beruht oder sich letztlich auf Vermutungen gründet (BGH NStZ 1983, 277; 1981, 33). Von gesicherten Tatsachenfeststellungen ausgehende statistische Wahrscheinlichkeitsrechnungen gehören zu den Mitteln der logischen Schlußfolgerung, welche dem Tatrichter grundsätzlich ebenso offenstehen wie andere mathematische Methoden. Das hat die Rspr. vielfach anerkannt. So kann im Zivilprozeß der Beweis der Vaterschaft mit Hilfe einer biostatistischen Wahrscheinlichkeitsrechnung geführt werden, welche sich auf die bei den Beteiligten vorhandenen Blutmerkmale stützt (BGHZ 61, 165, 172; BGHNJW 1987, 2286). Ebenso ist im Strafverfahren anerkannt, daß der Richter ein erbkundliches Gutachten nicht als unbrauchbares Erkenntnismittel ablehnen darf, weil es auch auf Grundsätzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung beruht (BGHSt 5, 34, 35). Statistische Berechnungen sind ferner in die Bestimmung der Grenze der allgemeinen Fahruntüchtigkeit eingeflossen (BGHSt 21, 157, 160) und haben maßgebendes Gewicht für die Rückrechnung der BAK aus einer Blutprobe oder aus einer festgestellten Trinkmenge auf den Tatzeitwert (Gerchow u. a., Blutalkohol 1985, 77).
In jenen Fällen waren freilich jeweils bestimmte äußere Umstände oder Wirkungszusammenhänge zu ermitteln. Der vorliegende Fall liegt anders.
Das LG hat mit Hilfe einer mathematisch-statistischen Methode das über einen längeren Zeitraum hinweg andauernde Verhalten eines einzelnen Menschen festgestellt. Das ist nicht deshalb unzulässig, weil der Angekl. die strafrechtlich erheblichen Tathandlungen nur an den Quartalsenden durch die gebündelte Einreichung der Abrechnungsunterlagen beging. Grundlage des Taterfolges waren nämlich die zahlreichen unrichtigen Eintragungen auf den Krankenscheinen.
Ein derartiges Verhalten ist einer mengenmäßigen Erfassung durch statistische Wahrscheinlichkeitsrechnungen zugänglich. Hier waren die unrichtigen Eintragungen auf den Krankenscheinen nicht Ausfluß singulärer Willensentscheidungen, denen ein unverwechselbares persönliches Gepräge anhaftete. Sie erhielten ihren Sinn vielmehr durch massenhafte Wiederholung, weil allein dadurch ein nennenswerter Ertrag zu erzielen war; die einzelne Leistung wird von den Kassen jeweils nur mit geringfügigen Beträgen honoriert. Dabei lag es von vornherein nahe, daß der Angekl. typisierte Verhaltensmuster entwickelte, welche ihm selbst oder seinem Personal die schematisierte Wiederholung erleichterten. So hat er sich bei seinen Manipulationen auf wenige Gebührenziffern konzentriert und dabei bestimmte, wiederkehrende Verschleierungsformen gewählt, etwa das ?Splitting' (Verteilung an sich nur einmal abrechenbarer Leistungen auf mehrere Tage oder Patienten). Ein solches Verhalten ist für Zwecke der Schadensberechnung mit einer statistischen Hochrechnung quantitativ erfaßbar, wenn gesichert ist, daß der Täter sein Verhalten über den untersuchten Zeitraum hinweg gleichmäßig beibehalten hat oder wenn Veränderungen zuverlässigen Eingang in die Rechnung finden. Ist dies gesichert, gelten für die Erfassung von Handlungen eines einzelnen Menschen nach den Gesetzen der Logik keine Besonderheiten. Daß dies naturwissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, haben dem LG die gehörten Sachverständigen dargetan. An den Beweis, daß der Täter sein Verhalten nicht verändert hat, sind aber hohe Anforderungen zu stellen, weil geringe Abweichungen bei einer Hochrechnung erhebliche Auswirkungen haben können.
Von besonderer Bedeutung ist hierbei zunächst eine nähere Untersuchung der gezogenen Stichprobe. Ergeben sich bereits aus ihr Auffälligkeiten, etwa Unterbrechungen der Handlungsreihe oder Häufungen in bestimmten Zeiträumen, wird eine Hochrechnung problematisch. Das LG hat dies beachtet. Der Sachverständige Prof. Dr. B hat ihm ausdrücklich bestätigt, daß die Werte der Stichprobe über den langen Zeitraum von acht Quartalen auf gleichartiges Fehlverhalten deuten. Auch für den Senat ergeben sich aus den bei den 62 Patienten getroffenen Einzelfeststellungen keine Auffälligkeiten Zusätzlich hat das LG auf die Bekundungen der vernommenen Arzthelferinnen abgehoben, die mit vielen Einzelheiten geschildert haben, wie der Angekl. über die Jahre hinweg verfahren ist. Die tatrichterlichen Feststellungen sind damit hinreichend durch Tatsachen belegt und durch sachverständige Beratung untermauert. Der sachverständig beratenen StrK oblag auch die Entscheidung, daß die Stichprobe für eine Hochrechnung ausreichend groß bemessen war, und ihr oblag ferner die Beurteilung der von den Sachverständigen angewandten Methode. Diesen Aufgaben hat sich die StrK ebenfalls in rechtlich nicht zu beanstandender Weise unterzogen.
Diese Feststellungen genügen rechtlich für die Bestimmung des Schuldumfangs. Daß es sich um Wahrscheinlichkeitsaussagen handelt, welche begrifflich völlige Gewißheit des Tatrichters ausschließen, steht dem nicht entgegen. Das LG hat die der Hochrechnung innewohnende Streuung berücksichtigt und die ermittelte Vertrauensuntergrenze als mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,5? zutreffend festgestellt. Die so bestimmte Schadenshöhe hat hier keine Bedeutung für die Grenzen der Rechtskraft des Urteils, sondern dient allein der Rechtsfolgenbemessung. Diese ist auch dann rechtlich einwandfrei möglich, wenn ihre tatsächliche Grundlage eine gewisse Bandbreite aufweist. So sieht § 40 Abs. 3 StGB ausdrücklich vor, daß bei der Geldstrafe die Grundlagen für die Bemessung des Tagessatzes geschätzt werden dürfen. Ähnliche Vorschriften enthalten §§ 73b, 74c Abs. 3 StGB für Verfall und Einziehung (dazu BGH NStZ 1989, 361). Der BGH läßt unter bestimmten Voraussetzungen bei der Steuerhinterziehung nach § 370 AO die Schätzung der hinterzogenen Beträge zu (BGHR AO § 370 1 Nr. 2 Steuerschätzung 1-3), und er hat auch im Rahmen von Betrugsverfahren die Schätzung des Schadens nicht beanstandet, wenn die Sachlage seine genaue Ermittlung nicht gestattete (BGH NJW 1958, 1244). So verhält es sich auch hier. Die Vernehmung aller Patienten des Angekl. hätte im Ermittlungsverfahren zu großen Verzögerungen geführt und die wenigstens zeitweise Beschlagnahme der Patientenkartei des Angekl. erfordert. Den zeitlichen und personellen Rahmen einer dem Gewicht des Anklagevorwurfs entsprechenden Hauptverhandlung hätte die Vernehmung gesprengt. Daher wäre eine Schätzung zulässig gewesen, und auch eine ihr insoweit vergleichbare Hochrechnung ist als Grundlage der Rechtsfolgenbemessung rechtlich nicht zu beanstanden.
III. Die dargelegten Rechtsfehler nötigen zur Aufhebung des Schuldspruchs in seinem ganzen Umfang. Jedoch sind die rechtsfehlerfreien Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen für die Abrechnungszeiträume 1984 und 1985 hiervon nicht betroffen, als Grundlage für das weitere Verfahren geeignet und können daher bestehenbleiben. Sofern der neue Tatrichter das Verhalten des Angekl. in diesem Zeitraum als Abfolge selbständiger Betrugstaten würdigt, ist er nicht gehindert, durch ergänzende Feststellungen aus der Gesamtschadenssumme bestimmte Einzelbeträge den jeweiligen Taten zuzuordnen. ..." (BGH StV 1990, 149 ff).
Abschiedsbrief
Der Abschiedsbrief eines Angeklagten, den dieser anläßlich eines Suizidversuchs an das Tatopfer schreibt, darf als Beweismittel verwendet werden (BGH NJW 1995, 269).
Absehen von Anklage bei unwichtigen Nebenstraftaten § 154 StPO
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2. darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... 2. Der Rechtsfolgenausspruch hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Revision hat mit einer letztlich zulässig erhobenen Verfahrensrüge Erfolg, mit der sie eine Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht geltend macht.
Sie beanstandet zu Recht, dass das Landgericht bei der Bemessung der Einzelstrafen ohne vorherigen Hinweis strafschärfend Sachverhalte berücksichtigt hat, hinsichtlich derer in der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2 StPO verfahren wurde (vgl. BGHSt 31, 302, 303; BGHR StPO § 154 Abs. 2 Hinweispflicht 1, 2 und 3; BGH StV 2000, 656). Durch die Verfahrenseinstellung wird regelmäßig ein Vertrauen des Angeklagten darauf begründet, dass ihm der ausgeschiedene Prozessstoff nicht mehr angelastet werde. Deswegen gebieten es die faire Verfahrensgestaltung, aber auch der Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs, vor einer dennoch beabsichtigten nachteiligen Verwertung einen Hinweis zu erteilen, um den Vertrauenstatbestand wieder zu beseitigen (BGHSt 30, 197; BGHR § 154 Abs. 2 Hinweispflicht 4; BGH StV 2004, 162). Ein solcher Hinweis ist aber nicht erfolgt.
Er war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Im Hinblick auf den von der Staatsanwaltschaft am ersten Hauptverhandlungstag gestellten Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO beschränkte das Landgericht bereits vor dem stattgebenden Beschluss zumindest teilweise die Beweisaufnahme auf die nicht von dem Antrag betroffenen Taten. Vor diesem Hintergrund durfte der Angeklagte nach Erlass des Einstellungsbeschlusses darauf vertrauen, dass die eingestellten Taten nicht verwertet werden würden. Zwar hat der Angeklagte die Taten - wie das Urteil ausweist - gestanden. Deshalb konnte das Verteidigungsverhalten des Angeklagten zu den Tatvorwürfen durch die Beschränkung nicht beeinflusst werden. Doch war der Hinweis erforderlich, um dem Angeklagten Gelegenheit zu geben, durch Anträge auch zum Schuldgehalt der von der Einstellung betroffenen Taten auf die Strafhöhe Einfluss zu nehmen (vgl. BGH StV 2000, 656).
Auf dem Verfahrensverstoß beruht der Strafausspruch auch. Anders als der Generalbundesanwalt sieht der Senat in der Begründung der Strafzumessung keinen nur überflüssigen, aber letztlich unschädlichen Verweis auf die eingestellten Taten (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 16. April 2007 - 5 StR 335/06). Das Landgericht stellt vielmehr ausdrücklich die strafschärfende Wirkung von fünf der eingestellten Taten fest, die es auch hinsichtlich des verursachten Sachschadens gewichtet. Hieran anknüpfend wertet es sodann nachteilig, dass der Angeklagte in einem Zeitraum von über einem Jahr Unruhe und Angst verbreitet hat (UA S. 7). Dies stützt sich nicht nur auf die abgeurteilten Taten, wie schon deren nur acht Monate umfassender Zeitraum belegt, sondern bezieht auch die eingestellten Taten mit ein.
Da der Strafausspruch schon insoweit keinen Bestand haben kann, bedarf es eines Eingehens auf die weiteren, gegen den Strafausspruch gerichteten Verfahrensrügen nicht.
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Begründung der vom Landgericht angenommenen uneingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten revisionsrechtlicher Prüfung nicht standgehalten hätte. Da eine Aufhebung der Schuldfähigkeit sich nach den Feststellungen jedoch sicher ausschließen lässt, berührt dieser Mangel den Schuldspruch nicht.
Das Landgericht geht im Anschluss an den vom Gericht hinzugezogenen Sachverständigen vom Vorliegen einer dissozialen Persönlichkeitsstörung bei dem nicht vorbestraften Angeklagten aus, die nur in Verbindung mit ?massiven konstellativen Faktoren wie starker Trunkenheit' das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit begründen könne. Diese Wertung und die Einordnung der starken Trunkenheit als schwere andere seelische Abartigkeit sind bereits für sich genommen zweifelhaft. Darauf kommt es aber nicht an, da die Anknüpfungspunkte für die Wertung lückenhaft sind. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit des Angeklagten und seiner Entwicklung findet nicht statt (vgl. BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 4, 9, 16, 24, 29). Angesichts der aus der Darstellung der persönlichen Verhältnisse ersichtlichen Besonderheiten - der nicht minderbegabte Angeklagte besuchte eine Förderschule und steht seit Jahren unter Betreuung, die während des Tatzeitraums erweitert worden ist - hätte es einer eingehenderen Erörterung bedurft, ob die Schuldfähigkeit aufgrund einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erheblich vermindert war. Hierbei wären auch das Tatbild, die darin zum Ausdruck kommende Affinität des Angeklagten zu Feuer sowie das unmittelbare Nachtatverhalten des Angeklagten besonders in den Blick zu nehmen gewesen. Soweit das Landgericht hierzu im Anschluss an den Sachverständigen lediglich ausführt, dass ?Gefühle der Wut oder des Hasses ? keine Kriterien der Pyromanie' seien, gehen diese Ausführungen hinsichtlich der drei Brandstiftungen an den Kraftfahrzeugen ins Leere. Denn solche Motive oder auch andere offensichtliche und erkennbare Motive im Sinne der Nr. 1 der diagnostischen Leitlinien des ICD-10 zu F 63.1 sind hierzu jedenfalls nicht festgestellt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 30. September 2008 - 5 StR 305/08).
Zudem lässt sich den Urteilsgründen nicht nachvollziehbar entnehmen, wieso das Landgericht dem im Ermittlungsverfahren beauftragten, hinsichtlich der Diagnose abweichenden psychiatrischen Gutachten nicht zu folgen vermochte. Es hat ausführlich unter Aufzählung der Anknüpfungstatsachen dargestellt, dass dieses frühere Gutachten von einer ?testpsychologisch nachweisbaren kombinierten Persönlichkeitsstörung' ausgegangen sei, die zu einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit bei den Taten geführt habe. Das Landgericht erkennt zwar zutreffend, dass dies eine Wertung der abweichenden Anknüpfungspunkte und Darlegungen der Sachverständigen erfordert hätte, wird diesen Anforderungen aber nicht gerecht. Vielmehr beruft es sich auf die Zuverlässigkeit und Erfahrung des vom Gericht hinzugezogenen Gutachters und negiert im Anschluss an ihn lediglich die Diagnose des früheren Gutachtens ohne Darstellung oder Auseinandersetzung mit den hierfür ausschlaggebenden Kriterien.
Sollte das neue Tatgericht - was ungeachtet des bisherigen Ergebnisses nicht fern liegt - zur gesicherten Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit gelangen, wird es auch § 63 StGB in den Blick zu nehmen haben. ..." (BGH, Beschluss vom 27.11.2008 - 5 StR 526/08)
***
?... Die Verfolgung der in zeitlichem Zusammenhang mit der Erhebung der ersten (später zurückgenommenen) Anklage mit Verfügung vom 28. Juli 2004 nach §§ 154, 154a StPO vorläufig eingestellten Straftaten konnte wieder aufgenommen werden.
Die staatsanwaltliche Verfügung ist als vorläufige Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 StPO, nicht als Verfahrensbeschränkung nach § 154a Abs. 1 StPO zu qualifizieren. Verwertungs- und Sicherungshandlungen bleiben regelmäßig auch dann selbständige prozessuale Taten, wenn sie materiellrechtlich als mitbestrafte Nachtaten für eine selbständige Bestrafung ausscheiden (vgl. KK-Engelhardt, StPO 5. Aufl. § 264 Rdn. 4). Die die Möglichkeit der Wiederaufnahme einschränkenden Absätze 3 und 4 des § 154 StPO gelten nur im Fall einer gerichtlichen Einstellung. Die Staatsanwaltschaft kann hingegen das Verfahren jederzeit wieder aufnehmen (vgl. BGHSt 30, 165; 37, 10, 13). ..." (BGH, Beschluss vom 25.01.2006 - 1 StR 438/05).
***
Ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis liegt nicht vor, wenn über die Wiedereinbeziehung vorläufig eingestellter Taten bei einer Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht das nunmehr mit der Sache befaßte Gericht entschieden hat, wenn die Sache zu einem Spruchkörper gleicher Art bei dem gleichen örtlich zuständigen Gericht angeklagt war (hier: Anklage zum LG und Zurückverweisung an gleiches LG). Die Frage der Entscheidung, ob die Wiedereinbeziehung nicht von demselben Spruchkörper beschlossen wurde, betrifft die geschäftsplanmäßige Zuständigkeit und die ordnungsgemäße Gerichtsbesetzung, die nur auf eine Verfahrensrüge hin überprüfbar ist (BGH, Beschluss vom 13.07.2005 - 1 StR 184/05).
Nicht nur durch eine Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO selbst, sondern auch schon durch die Abtrennung eines Verfahrens ?mit dem Ziel einer eventuellen Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO' wird zugunsten des Angeklagten ein Vertrauen darauf begründet, daß ihm der abgetrennte Prozeßstoff nicht mehr angelastet werde. Um diesen Vertrauenstatbestand wieder zu beseitigen, bedarf es eines gerichtlichen Hinweises (BGH, Beschluss vom 07.05.2003 - 5 StR 103/03).
Eine aus § 154 II StPO folgende Sperrwirkung kommt nicht in Betracht, wenn es an einer wirksamen, ausreichend konkreten Anklageerhebung gefehlt hat, sofern kein besonderer Vertrauensschutz nach dem Fairnessgrundsatz eingreift (BGH, Urteil vom 22.08.2001 - 5 StR 431/00).
Eine Berücksichtigung eingestellter Verfahrensteile bei der Strafzumessung kommt nur dann in Betracht, wenn die Taten in der Hauptverhandlung prozessordnungsmäßig festgestellt worden sind (BGH, Beschluss vom 02.08.2000 - 5 StR 143/00).
Hat das Gericht selbst die Anregung zur teilweisen Einstellung des Verfahrens gegeben und die Staatsanwaltschaft daraufhin einen entsprechenden Antrag gestellt, verstößt es gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens, wenn das Gericht im Zusammenhang mit dem Urteil nur in einem Teil der Fälle die Verfahrenseinstellung tatsächlich vorgenommen hat. Das Gericht wäre verpflichtet gewesen, dem Angeklagten einen Hinweis zu geben, daß es inzwischen in einzelnen Fällen zu einer anderen Beurteilung gelangt ist (BGH StV 1999, 353 f).
Ist das Verfahren hinsichtlich eines Anklagepunktes gem. § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt worden, ist hierdurch ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, wodurch eine belastende Verwertung mit jener Tat zusammenhängender Umstände im Rahmen der Beweiswürdigung nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens entsprechend § 265 StPO nicht ohne einen vorherigen Hinweis an den Angeklagten erfolgen darf (BGH, Beschluß v. 16. 9. 1997 - 5 StR 491/97, StV 1998, 252).
Widerspricht die Verteidigung einer Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO mit der Zielrichtung, einen Freispruch zu erreichen, und entzieht sich das Gericht aus der Sicht der Verteidigung der Auseinandersetzung mit deren Einwendungen durch die Einstellung, kann die Verteidigung darauf vertrauen, daß der ausgeschiedene Verfahrensstoff ohne entsprechenden Hinweis bei der Beweiswürdigung des verbliebenen Verfahrensstoffes nicht mehr berücksichtigt wird (BGH StV 1996, 585).
Stellt die wegen des Verdachts verbotener Preisabsprachen ermittelnde Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen Betruges im Hinblick auf weitere prozessual selbständige Taten nach § 154 I StPO ein, so kann die Verwaltungsbehörde die Submissionsabsprache unter dem Gesichtspunkt der Kartellordnungswidrigkeit weiter verfolgen (BGH, Beschluss vom 19.12.1995, BGHSt 41, 385).
*** (OLG)
Die vorläufige Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 1 StPO führt zu keinem endgültigen Strafklageverbrauch und damit zu keinem Verfolgungshindernis gemäß Art. 54 SDÜ (OLG Nürnberg, Beschluss vom 23.06.2009 - 1 OLG Ausl 130/07).
***
Mit der Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO durch Gerichtsbeschluss entsteht ein in jeder Lage des Verfahrens zu beachtendes Verfahrenshindernis, das nur durch einen förmlichen Wiederaufnahmebeschluss beseitigt werden kann. Ein Wiederaufnahmebeschluss ist unwirksam und beseitigt das Verfahrenshindernis nicht, wenn die materiellen Voraussetzungen für die Wiederaufnahme nicht vorliegen (KG, Beschluss vom 19.03.2009 - (4) 1 Ss 98/09 (59/09)).
***
Hat der Tatrichter über die ihm in der Anklage unterbreitete Tat entschieden, so hat er grundsätzlich zugleich die etwa erforderliche Entscheidung über die Verpflichtung des Staates zur Entschädigung des Angeklagten für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen zu treffen. Eine Zurückstellung dieser Entscheidung bis zur Erledigung eines weiteren Verfahrens, das von der Staatsanwaltschaft nach § 154 I StPO eingestellt worden ist, von dieser aber wiederaufgenommen werden soll, scheidet aus (OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996, 223).
*** (LG)
Wird ein vor Verfahrenseinstellung nach § 154 StPO gestellter Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger nicht beschieden und anschließend unter Hinweis auf die Verfahrenseinstellung abgelehnt, hat im Beschwerdeverfahren rückwirkend die Verteidigerbestellung zu erfolgen, wenn die Voraussetzungen für eine notwendige Verteidigung im Zeitpunkt der Antragstellung vorgelegen haben (LG Aachen StV 2004, 125 f).
Liegen während der gesamten Dauer eines Strafverfahrens bis zu dessen Einstellung gem. § 154 Abs. 2 StPO die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung vor, ist im Falle der rechtzeitigen Beantragung der Beiordnung eines Pflichtverteidigers die Beiordnungsentscheidung auch dann noch nachzuholen, wenn ein Verteidiger tatsächlich schon tätig geworden ist, bevor der gestellte Beiordnungsantrag eine Bescheidung erfahren hat (LG Bremen StV 2004, 126 f).
Ablehnung von Schöffen, Geschworenen, Urkundsbeamten, Protokollführern § 31 StPO
(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten für Schöffen sowie für Urkundsbeamte der Geschäftsstelle und andere als Protokollführer zugezogene Personen entsprechend.
(2) Die Entscheidung trifft der Vorsitzende. Bei der großen Strafkammer und beim Schwurgericht entscheiden die richterlichen Mitglieder. Ist der Protokollführer einem Richter beigegeben, so entscheidet dieser über die Ablehnung oder Ausschließung.
Hinweise/Leitsätze/Entscheidungen:
Es gelten die Bestimmungen §§ 22, 23, 24 ff StPO.
*** (BGH)
Ein offenes Bekenntnis eines Schöffen zu Methoden der Selbstjustiz und zur Eintreibung von Forderungen mit Hilfe rechtswidriger Drohungen in seiner beruflichen Tätigkeit als Inkassounternehmer begründet jedenfalls dann die Besorgnis der Befangenheit, wenn eine - wenn auch nur mittelbare - Verbindung eines solchen Verhaltens zu dem Strafverfahren besteht, in dem der ehrenamtliche Richter tätig ist (BGH, Urteil vom 28.04.2010 - 2 StR 595/09 zu StPO §§ 24 Abs. 2, 31 Abs. 1, 338 Nr. 3).
*** (LG)
Angesichts des verantwortungsvollen Amtes eines Schöffen ist von diesem zu erwarten, daß er seinen Lebenswandel darauf einstellt, einer Hauptverhandlung ausgeruht und nüchtern folgen zu können, so daß es für einen Angeklagten die Besorgnis der Befangenheit begründen kann, wenn durch dauerhafte körperliche Erschöpfung des Schöffen der Eindruck entsteht, dieser würde dem Schicksal des Angeklagten extrem gleichgültig gegenüberstehen (LG Bremen StV 2002, 357).
Die Oberbekleidung eines Schöffen, die Rechtsradikalen zugeordnet wird (hier: Sweatshirt mit der Aufschrift ?Pit Bull Germany'), kann aus der Sicht eines Angeklagten ausländischer Abstammung die Besorgnis der Befangenheit begründen (LG Berlin StV 2002, 132).
***(AG)
Es begründet die Besorgnis der Befangenheit aus der Sicht eines Angeklagten, wenn ein Schöffe während einer Verhandlungspause durch Lektüre der am Platz des Vorsitzenden liegenden Anklageschrift von dem dort mitgeteilten wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen Kenntnis erlangt (AG Dortmund StV 1994, 422).
Absehen von Strafe
Nach § 60 StGB sieht das Gericht von Strafe ab, wenn die Folgen der Tat, die den Täter getroffen haben, so schwer sind, dass die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt wäre. Muss der Täter wegen der Tat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt werden, so kann nicht von Strafe abgesehen werden.
Absehen von Vollstreckung und Nachholen der Vollstreckung bei Auslieferung oder Ausweisung § 456 a StPO
(1) Die Vollstreckungsbehörde kann von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, einer Ersatzfreiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung absehen, wenn der Verurteilte wegen einer anderen Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert, an einen internationalen Strafgerichtshof überstellt oder wenn er aus dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgewiesen wird.
(2) Kehrt der Ausgelieferte, der Überstellte oder der Ausgewiesene zurück, so kann die Vollstreckung nachgeholt werden. Für die Nachholung einer Maßregel der Besserung und Sicherung gilt § 67 c Abs. 2 des Strafgesetzbuches entsprechend. Die Vollstreckungsbehörde kann zugleich mit dem Absehen von der Vollstreckung die Nachholung für den Fall anordnen, daß der Ausgelieferte, der Überstellte oder Ausgewiesene zurückkehrt, und hierzu einen Haftbefehl oder einen Unterbringungsbefehl erlassen sowie die erforderlichen Fahndungsmaßnahmen, insbesondere die Ausschreibung zur Festnahme, veranlassen; § 131 Abs. 4 sowie § 131 a Abs. 3 gelten entsprechend. Der Verurteilte ist zu belehren.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Ansicht, § 456 a StPO könne nur Ausländer betreffen, ist bereits deshalb unzutreffend, weil Art. 16 II 2 GG nun auch gesetzliche Regelungen zur Auslieferung Deutscher zulässt (BVerfG, Beschluss vom 09.10.2003 - 2 BvR 1497/03).
*** (OLG)
Der Antrag eines ausgewiesenen Verurteilten auf Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB ist bei Vorliegen der formellen Voraussetzungen auch dann zulässig, wenn die Staatsanwaltschaft nach § 456a StPO von der weiteren Vollstreckung der Freiheitsstrafe abgesehen hat und sich der Verurteilte nicht (mehr) im Inland aufhält (Anschluss an OLG Köln StV 2009, 261 f. = StraFo 2009, 218 f. = OLGSt StGB § 57 Nr. 48). Die nach § 454 Abs. 1 S. 3 StPO gebotene mündliche Anhörung darf auch dann ausnahmsweise unterbleiben, wenn sie dem Verurteilten deshalb unzumutbar ist, weil er infolge seiner Ausweisung nicht zu seiner Anhörung einreisen kann, ohne die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe (§ 456a Abs. 2 S. 1 StPO) und möglicherweise eine Strafverfolgung wegen Verstoßes gegen ausländerrechtliche Strafbewehrungen befürchten zu müssen (Anschluss an OLG Köln a.a.O., OLG Karlsruhe StV 2005, 677 f. = StraFo 2005, 258 f. = NStZ-RR 2005, 223 f. = Justiz 2005, 360 f. und OLG Düsseldorf NStZ 2000, 333 = StV 2000, 382 f.; a.A.: OLG Hamm, Beschluss v. 23.02.2010 - 3 Ws 39/10 = StRR 2010, 317 f.). Will der Verurteilte das Risiko einer Verhaftung und Aufnahme in den Strafvollzug für den Fall seiner Einreise nicht in Kauf nehmen, ist es seine Sache, bei der Vollstreckungsbehörde die Aussetzung des Vollstreckungshaftbefehls für die Dauer der Durchführung des Verfahrens nach § 454 Abs. 1 und Abs. 2 StPO, § 57 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zu erwirken (Anschluss an OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Bamberg, Beschluss vom 12.10.2010 - 1 Ws 561/10).
***
Zur Unzulässigkeit der weiteren Strafvollstreckung nach Verzicht der Staatsanwaltschaft auf die weitere Vollstreckung gem. § 456 a StPO, wenn der Verurteilte nach seiner Abschiebung unfreiwillig in die Bundesrepublik zurückkehrt (OLG Celle StV 2003, 90).
Bewährung ist nicht deshalb prozessual überholt, weil von der StA zwischenzeitlich von der Vollstreckung der Strafe nach § 456 a StPO abgesehen und der Verurteilte abgeschoben worden ist. Denn das Absehen von der Vollstreckung ist eine vorläufige Maßnahme, weil die Vollstreckung nachgeholt werden kann, wenn der Ausgewiesene freiwillig in die Bundesrepublik zurückkehrt (OLG Celle StV 2003, 90 f).
Wurde gem. § 456a II StPO nach Rückkehr des Verurteilten in die Bundesrepublik die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe angeordnet, so kommt ein erneutes Absehen von dessen Vollstreckung gem. § 456a I StPO nur bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht. Diese müssen so gewichtig sein, dass gegenüber der grundsätzlich angezeigten Durchsetzung des staatlichen Vollstreckungsanspruchs eine weitere Inhaftierung des Verurteilten nicht vertretbar erscheint (OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.11.2000 - 3 VAs 45/00, NStZ-RR 2001, 93).
*** (LG)
Unterbleibt die nach § 456a Abs. 2 S. 4 StPO vorgeschriebene Belehrung in einer für den Verurteilten verständlichen Sprache, liegt ein Vollstreckungshindernis für die Nachholung der Strafvollstreckung vor (LG Bayreuth, Beschluss vom 26.01.2011 - StVK 2131/10):
?... I. Das LG Weiden i.d.Opf. verurteilte den Ast. am 25. 11. 1993 wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 6 J..
Diese Strafe verbüßte der Verurteilte ab dem 16.03.1994 in der JVA St. Georgen-Bayreuth. ... Mit Verfügung v. 06.10.1994 ordnete die StA an, dass von der weiteren Vollstreckung der mit dem Urt. des LG Weiden i.d.OPf. verhängten Freiheitsstrafe von 6 J. abgesehen wird, § 456a StPO. Für den Fall der Rückkehr des Verurteilten in die Bundesrepublik Deutschland hat die StA die Nachholung der Vollstreckung der verbleibenden Restfreiheitsstrafe angeordnet, § 456a Abs. 2 S. 3 StPO.
Der Verurteilte wurde am 28.11.1994 vom Flughafen München aus nach Sofia/Bulgarien abgeschoben.
Der Verurteilte wurde aufgrund des Vollstreckungshaftbefehls der StA Weiden am 22.10.2010 am Flughafen München bei der grenzpolizeilichen Einreisekontrolle festgenommen und zunächst in die JVA Stadelheim, anschließend in die JVA St. Georgen-Bayreuth eingeliefert.
Der Verurteilte lässt über seinen Verteidiger vortragen, die Nachholung der Strafvollstreckung gem. § 456a StPO sei unzulässig, da er 1994 nicht ordnungsgemäß gem. § 456a Abs. 2 S. 4 StPO belehrt worden sei und sich deshalb über die Folgen einer Einreise nach Deutschland nicht bewusst gewesen sei.
In der Akte befinde sich zwar die Verfügung der StA Weiden, der JVA zwei beglaubigte Abschriften der Anordnung nach § 456a StPO auszuhändigen mit der Bitte um Kenntnisnahme, Aushändigung einer Abschrift an den Verurteilten und Belehrung des Verurteilten gegen Unterschrift über die Rechtsfolgen im Fall der Rückkehr gem. § 456a Abs. 2 StPO; ob dies seitens der JVA tatsächlich ausgeführt worden ist, sei der Akte mangels Vorhandenseins entsprechender Unterlagen nicht zu entnehmen.
Die StA ist demgegenüber der Ansicht, der Verurteilte sei über die Wirkungen der Entscheidung gem. § 456a StPO und die Rechtsfolgen im Falle seiner Rückkehr belehrt worden. Die JVA habe auf die staatsanwaltschaftliche Anordnung v. 06.10.1994 die Belehrung bestätigt. Dies ergebe sich aus der Entlassungsmitteilung der JVA v. 18.11.1994.
Der Verteidiger weist darauf hin, dass der Verurteilte weder zum damaligen Zeitpunkt (der Abschiebung) noch zum jetzigen Zeitpunkt der deutschen Sprache in ausreichendem Umfang mächtig sei. Er verstehe nur einige Brocken deutsch. Eine ordnungsgemäße Belehrung hätte in jedem Fall der Hinzuziehung eines Dolmetschers bedurft.
Die StA weist demgegenüber auf mehrere in deutscher Sprache verfasste Schreiben, unterzeichnet von dem Verurteilten, sowie auf das Protokoll einer richterlichen Anhörung (zur Frage der vorzeitigen Entlassung) v. 12.07.1994 durch den Einzelrichter der StVK hin, das den Vermerk enthält: ?Mit dem Verurteilten war eine ausreichende Verständigung ohne Dolmetscher möglich'. ...
II. Der zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 458 Abs. 1 StPO hat auch in der Sache Erfolg.
Nach Auffassung des Gerichts ist im vorliegenden Fall nicht (mehr) feststellbar, ob die ordnungsgemäße Belehrung gem. § 456a Abs. 2 S. 4 StPO (i.V.m. § 17 Abs. 2 StVollstrO) ordnungsgemäß erfolgt ist.
Unterbleibt jedoch die gebotene Belehrung, liegt nach ganz herrschender Meinung (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., Rn. 8; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1999, 222) ein Vollstreckungshindernis vor.
Der Zweck des § 456a Abs. 2 S. 4 StPO besteht darin, einen einfach strukturierten Verurteilten, der seine Entlassung falsch - nämlich als endgültig verstehen könnte - bei einer Rückkehr nach Deutschland nicht gleichsam ?ins offene Messer' laufen zu lassen (so in der Anmerkung von Groß zu OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.09.2008, 2 Ws 252/08 - beides in Juris -). Das Erfordernis der verständlichen Belehrung ergibt sich aber auch aus Art. 6 Abs. 3 EMRK sowie dem Grundsatz des fairen Verfahrens.
Somit ist erforderlich, dass der Verurteilte nicht nur belehrt, sondern auch für ihn verständlich - erforderlichenfalls unter Zuziehung eines Dolmetschers oder anderer sprachkundiger Personen - belehrt worden ist (OLG Stuttgart, RPfl 1981, S. 120; OLG Hamburg, NStZ-RR 1999, 123; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1999, 222).
Dies greift auch § 17 Abs. 2 StVollstrO auf, wonach die verurteilte Person ?in einer für sie verständlichen Sprache' zu belehren ist und die Belehrung aktenkundig zu machen ist. Diese Vorschrift soll gerade Nachweisschwierigkeiten, wie sie im vorliegenden Fall auftreten, vermeiden.
Aktenkundig ist lediglich die Verfügung der StA Weiden v. 06.10.1994, wonach die JVA St. Georgen-Bayreuth um Aushändigung einer Abschrift der Anordnung und Belehrung des Verurteilten gegen Unterschrift gebeten worden ist. Ob und in welcher Art und Weise diese Anordnung seitens der JVA ausgeführt worden ist, ist gerade nicht (mehr) aktenkundig.
Aus dem formelhaften Hinweis in der Entlassungsmitteilung der JVA, der Verurteilte sei nach ?Belehrung gem. § 456a StPO' entlassen worden, ist jedenfalls nicht ersichtlich, ob der Verurteilte die Belehrung über die Folgen seiner Rückkehr dem Inhalt nach auch verstanden hat.
Solches ergibt sich auch nicht mit hinreichender Sicherheit aus dem Hinweis des Einzelrichters der StVK des LG Bayreuth anlässlich der richterlichen Anhörung v. 12.07.1994, mit dem Verurteilten sei eine ausreichende Verständigung ohne Dolmetscher möglich gewesen. Eine Verständigung mit einem ausländischen Verurteilten über die Frage der vorzeitigen Entlassung ist wegen der relativen Einfachheit der Sachlage auch auf niedrigem sprachlichen und intellektuellen Niveau möglich. Dies kann nicht ohne weiteres auf die Belehrung nach § 456a Abs. 2 S. 4 StPO übertragen werden, da erfahrungsgemäß vielen ausländischen Verurteilten nicht bewusst ist, dass eine Nachholung der Vollstreckung bei einer Rückkehr nach Deutschland unabhängig davon möglich ist, ob die Einreise ausländerrechtlichen Vorschriften widerspricht oder nicht.
Auch auf die verschiedenen in deutscher Sprache gehaltenen und vom Verurteilten unterschriebenen Schreiben an die Justizbehörden kann es nicht ankommen, da bereits aufgrund des unterschiedlichen Schriftbildes ersichtlich ist, dass sich der Verurteilte, wie bei ausländischen Gefangenen üblich, von einem Mitgefangenen hat helfen lassen.
Auch die von der stellvertretenden Leiterin der JVA St. Georgen-Bayreuth erläuterten Handhabungen vor und seit Mitte der 90er Jahre sprechen eher dagegen, dass der Verurteilte in verständlicher Weise belehrt worden ist. Für die Belehrung geeignete Formblätter werden ohnehin erst seit Mitte der 90er Jahre verwendet und werden im Übrigen nach Ablauf von 10 J. vernichtet.
Im Ergebnis kann somit seitens des Gerichts nicht festgestellt werden, dass der Verurteilte ausreichend über die Möglichkeit der Nachholung der Strafvollstreckung belehrt worden ist. Dies führt zu einer Unzulässigkeit der Strafvollstreckung. ..."
Absolute Revisionsgründe § 338 StPO
Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,
1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222 a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, soweit
a) die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
b) der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist,
c) die Hauptverhandlung nicht nach § 222 a Abs. 2 zur Prüfung der Besetzung unterbrochen worden ist oder
d) das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit es nach § 222 b Abs. 2 Satz 2 festgestellt hat;
2. wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3. wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4. wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5. wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6. wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7. wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8. wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.
Leitsätze/Entscheidungen:
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(1) Beruhensfrage (I)
(2) Besetzungsrüge (Ziffer 1)
(3) Ausschluss vom Richteramt (Ziffer 2)
(4) Befangenheit (Ziffer 3)
(5) Zuständigkeit (Ziffer 4)
(6) Anwesenheit (Ziffer 5)
(7) Öffentlichkeit (Ziffer 6)
(8) Keine Entscheidungsgründe (Ziffer 7):
(9) Verteidigung (Ziffer 8)
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(1) Beruhensfrage (I)
?... Das Landgericht hat den Angeklagten wegen 26 Taten des (überwiegend schweren) sexuellen Missbrauchs zum Nachteil von zwei Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt und die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten. Die Revision des Angeklagten rügt mit Einzelbeanstandungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie hat mit einer Verfahrensrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Die Revision stellt das Verfahren im Zusammenhang mit dem Ausschluss des Angeklagten gemäß § 247 StPO in zweifacher Weise zur Prüfung: Soweit sie rügt, die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Angeklagten hätten nicht vorgelegen, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf. Zutreffend beanstandet sie hingegen, dass das Landgericht während der Vernehmung einer Zeugin in Abwesenheit des Angeklagten eine von dem Beschluss nach § 247 StPO nicht gedeckte Beweiserhebung vorgenommen habe. Während der Vernehmung der Zeugin hat das Landgericht Lichtbilder in Augenschein genommen und eine Urkunde verlesen. Durch die Niederschrift über die Hauptverhandlung wird bewiesen (§ 274 StPO), dass es sich dabei um eine förmliche Beweisaufnahme gehandelt hat. Die Sachbeweiserhebung in Abwesenheit des Angeklagten war durch den Beschluss nach § 247 StPO nicht gedeckt (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 247 Rdn. 7 m. w. N. zur st. Rspr.). Da sie auch nicht später in Anwesenheit des Angeklagten wiederholt wurde, ist der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gegeben.
Der Verfahrensverstoß führt hier allerdings ausnahmsweise nur zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs. Auch wenn ein absoluter Revisionsgrund nach § 338 StPO gegeben ist, gefährdet dies den Bestand des angefochtenen Urteils nicht, soweit ein Einfluss des Verfahrensfehlers auf das Urteil zum Nachteil des Beschwerdeführers denkgesetzlich ausgeschlossen ist (BGH NJW 1977, 443; BGHR StPO § 338 Beruhen 1; Beschl. vom 31. Januar 2001 - 3 StR 528/00). So liegt es hier, soweit das Landgericht den Angeklagten schuldig gesprochen hat. Die Überzeugung von den Taten des Angeklagten beruht auf dem Geständnis des Angeklagten und der Inaugenscheinnahme der zahlreichen kinderpornographischen Bildserien und Videosequenzen, die der Angeklagte von seinen Tathandlungen angefertigt hat. Die fehlerhaft durchgeführten Sachbeweiserhebungen konnten hingegen zum Schuldspruch nichts beitragen. Sie betrafen eine Zeugin, mit der der Angeklagte im Jahr 2000 sexuelle Kontakte hatte, und waren lediglich geeignet, das Aussehen des damals 15jährigen Mädchens und dessen Aussageverhalten in einem früheren Strafverfahren gegen den Angeklagten aufzuklären. Zu dem Schuldspruch hatten sie keinerlei Bezug. ..." (BGH, Beschluss vom 19.07.2007 - 3 StR 163/07)
(2) Besetzungsrüge (Ziffer 1):
Die unzureichende Sprachkompetenz eines der deutschen Sprache nicht mächtigen Schöffen begründet dessen Unfähigkeit. Die Erforderlichkeit einer hinreichenden Sprachkompetenz gilt auch für die Rechtslage vor der Neuregelung in § 33 Nr. 5 GVG (BGH, Urteil vom 26.01.2011 - 2 StR 338/10 zu StPO §§ 338 Nr. 1, 226 Abs. 1; GVG §§ 33 Nr. 5, 52 Abs. 1 Nr. 2).
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Zur unerlässlichen Mitwirkung eines dritten Berufsrichters in einem wegen komplexer Rechtsbeugungsvorwürfe umfangreichen und schwierigen Strafverfahren (BGH, Beschluss vom 07.07.2010 - 5 StR 555/09 zu § 76 II GVG):
?... Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit schwerer Freiheitsberaubung verurteilt. Gegen den Angeklagten M. hat es eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, gegen den Angeklagten P. eine solche von einem Jahr und acht Monaten. Zur Kompensation rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung sind jeweils sechs Monate Freiheitsstrafe als vollstreckt erklärt worden. ...
Der Beschwerdeführer M. führte als Richter am Amtsgericht den Vorsitz in einer Schöffengerichtssache gegen B. A. vor dem Amtsgericht Eisenhüttenstadt. A. wurde zur Last gelegt, als Nachlasspfleger in sechs Fällen Nachlassvermögen in Höhe von insgesamt etwa 400.000 ? veruntreut zu haben. Am 30. Juni 2005 verurteilte ihn das Schöffengericht unter Vorsitz des Beschwerdeführers M. schließlich zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren. M. war nach dem Jahresgeschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts lediglich noch für die Erledigung dieses schöffengerichtlichen Verfahrens zuständig, dessen Hauptverhandlung am 16. Dezember 2004 begonnen hatte. Im Übrigen (90 ?) war er an das Landgericht Frankfurt/Oder abgeordnet. Der Beschwerdeführer P. ist Oberstaatsanwalt und nahm als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder an der überwiegenden Anzahl der Hauptverhandlungstage teil.
A. ließ sich im Strafverfahren unter anderem von Rechtsanwalt R. verteidigen. Darüber war der Beschwerdeführer M. von Beginn an sehr ungehalten, weil er R. verdächtigte, an der Vortat des A. beteiligt gewesen zu sein. Er rechnete daher damit, dass R. Konfliktverteidigung betreiben würde, ?um von seiner eigenen Tatbeteiligung abzulenken sowie die Aufklärung des Sachverhalts zu verzögern und zu erschweren' (UA S. 13). Er war deshalb bestrebt, ?R. möglichst rasch der Beteiligung an den Taten des B. A. zu überführen und ihn auf diese Weise auch aus dem gegen B. A. anhängigen Strafverfahren auszuschließen' (UA S. 13). Seine im April 2004 erfolgte Vorlage an das Brandenburgische Oberlandesgericht mit dem Ziel, R. gemäß §§ 138a, 138c StPO als Tatbeteiligten auszuschließen, war ohne Erfolg geblieben (UA S. 14). Deshalb beschloss er, ?selbst gegen Rechtsanwalt R. zu ermitteln und ihn mit Zwangsmaßnahmen zu überziehen' (UA S. 14). Dabei war ihm bekannt, dass sowohl gegen R. als auch gegen A. s Ehefrau C. von der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Geldwäsche Ermittlungsverfahren eingeleitet worden waren. Der auch für das Verfahren gegen B. A. zuständige Dezernent, Staatsanwalt B. , erhob später, im Juni 2006, gegen R. und C. A. wegen Geldwäsche Anklage. Zum Ausgang dieses Verfahrens hat die Strafkammer keine Feststellungen getroffen.
In dem Schöffengerichtsverfahren wurde der Beschwerdeführer M. am 24. März 2005 (7. Hauptverhandlungstag) durch B. A. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Begründet wurde das Ablehnungsgesuch maßgeblich mit der Berichterstattung des früheren Direktors des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt W. im Oder-Spree-Fernsehen vom Vortag. Dieser nahm als Prozessberichterstatter an einer Vielzahl der Sitzungstage teil und kommentierte über diesen Sender ?tendenziös zu Lasten' des Angeklagten A. und des Verteidigers Rechtsanwalt R. das Prozessgeschehen; dabei verfügte er aus Sicht der Verteidigung A. s über Informationen, die er nur von M. erlangt haben konnte (UA S. 29).
Am 7. April 2005 (8. Hauptverhandlungstag) wurde der Beschwerdeführer M. erneut abgelehnt. Grund dafür war seine wörtliche Äußerung (UA S. 31): ?Hier gilt doch nicht die StPO, hier gilt doch die HPO. Die kennen Sie doch? Die kennt nur einen Paragraphen und der heißt: Der Strafprozess beginnt mit der Vollstreckung, alles weitere bestimmt der Vorsitzende!' Mit der Wendung ?HPO' meinte M. eine sogenannte ?Hüttenstädter Prozessordnung', mit der er Rechtsanwalt R. die Macht des Vorsitzenden demonstrieren wollte (UA S. 31). Die Ablehnungsgesuche wurden am 11. April 2005 (UA S. 36) und 21. April 2005 (UA S. 45) jeweils durch M. s Vertreterin zurückgewiesen.
Ebenfalls am achten Hauptverhandlungstag überreichte der als Zeuge vernommene Rechtsanwalt R. Ablichtungen eines Kaufvertrags über die Veräußerung seines Kraftfahrzeugs an C. A. . Der Beschwerdeführer M. nahm an, dass der Kaufvertrag rückdatiert worden sei, erhob sich, ?warf seine Robe nach hinten, deutete auf den Zeugen R. und rief: ?Sie sind festgenommen!'. Er hatte bereits vor dieser Sitzung den Entschluss gefasst, den Zeugen R. , B. A. und dessen Ehefrau festnehmen zu lassen, und dies mit P. besprochen, weil er sichergehen wollte, dass dieser die entsprechenden Haftbefehlsanträge stellen würde'
(UA S. 33). Entsprechend erhielt der Beschwerdeführer M. vom Beschwerdeführer P. drei vorbereitete schriftliche Anträge, mit denen dieser die Anordnung der Untersuchungshaft gegen B. A. wegen Untreue sowie gegen R. und C. A. wegen Geldwäsche und Begünstigung, bezüglich R. auch wegen uneidlicher Falschaussage beantragte. Sämtliche Anträge waren auf den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr sowie bei R. zusätzlich auf Fluchtgefahr gestützt. Der Beschwerdeführer M. vergab für die Haftbefehlsanträge betreffend R. und C. A. gerichtliche Aktenzeichen mit Gs-Registerzeichen, beschloss die Verbindung der Ermittlungsverfahren gegen R. und C. A. mit dem von ihm geführten Strafverfahren gegen B. A. und ordnete antragsgemäß Untersuchungshaft gegen alle drei an. R. und B. A. wurden im Sitzungssaal, C. A. acht Minuten später an ihrer Arbeitsstelle festgenommen.
Beiden Beschwerdeführern war bewusst, dass M. für eine eigenmächtige Verbindung der bei der Staatsanwaltschaft anhängigen und noch nicht abgeschlossenen Ermittlungsverfahren ebenso wenig zuständig war wie für den Erlass von Haftbefehlen in diesen Ermittlungsverfahren. Sie wollten insbesondere ?in Kenntnis des Fehlens tragender Haftgründe im Umgang mit einer vermeintlichen Konfliktverteidigung ein Exempel statuieren' und gingen davon aus, dass ?der Erlass der Haftbefehle durch einen anderen Richter, ebenso wie die Beantragung der Haftbefehle durch einen anderen Vertreter der Staatsanwaltschaft höchstwahrscheinlich nicht zu erreichen gewesen wäre' (UA S. 36/37).
Am 14. April 2005 (9. Hauptverhandlungstag) wurden R. und C. A. als Zeugen vernommen. Zwischenzeitlich war es auf Betreiben von Staatsanwalt B. zu Unterredungen mit dem Leitenden Oberstaatsanwalt gekommen, in deren Folge Staatsanwalt B. am 14. April 2005 die Entlassung von R. aus der Untersuchungshaft anordnete. Am folgenden Tag beschloss der Beschwerdeführer M. ?in den Straf- und Ermittlungsverfahren' gegen B. und C. A. sowie R. , dass die Haftbefehle gegen den Angeklagten A. sowie die ?Beschuldigte' C. A. aufgehoben werden, weil sich im Hinblick auf die Entlassung des ?Beschuldigten' R. der weitere Vollzug der Untersuchungshaft als unverhältnismäßig darstelle (UA S. 45); am selben Tag ordnete er ihre Entlassung an und hob später auch den Haftbefehl gegen R. sowie den Verbindungsbeschluss auf.
B. Die Revisionen haben bereits mit Besetzungsrüge Erfolg. Zu Recht beanstanden die Beschwerdeführer, dass die Strafkammer unter Verstoß gegen § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG mit nur zwei Berufsrichtern besetzt gewesen ist. Die fehlerhafte Besetzung des erkennenden Gerichts hat als absoluter Revisionsgrund die Aufhebung des Urteils zur Folge (§ 338 Nr. 1 StPO).
I. Den Rügen liegt folgender prozessualer Sachverhalt zugrunde:
1. Die Staatsanwaltschaft hat gegen die Beschwerdeführer unter dem 30. August 2007 Anklage wegen gemeinschaftlich begangener Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung zum Landgericht Frankfurt/Oder erhoben. Den zunächst ergangenen Nichteröffnungsbeschluss hat das Brandenburgische Oberlandesgericht am 29. Juli 2008 auf sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft aufgehoben und das Hauptverfahren vor dem Landgericht Potsdam eröffnet. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 6. Februar 2009 nach § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG von der Mitwirkung eines dritten Berufsrichters ohne Angabe von Gründen abgesehen; den von den Beschwerdeführern jeweils vor ihrer Vernehmung zur Sache erhobenen Besetzungseinwand, gestützt auf eine unvertretbare reduzierte Gerichtsbesetzung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG, hat das Landgericht (in der für die Hauptverhandlung vorgesehenen Besetzung) zurückgewiesen und zur Begründung mitgeteilt: ?Die Kammer hält sich für ordnungsgemäß besetzt. Eine willkürliche Entscheidung über die Besetzung ist nach hiesiger Meinung nicht erkennbar.'
2. Den bestreitenden Beschwerdeführern wurden durch die Anklageschrift ?mehrere evidente Rechtsverstöße', begangen zum Nachteil der Eheleute A. sowie des Rechtsanwalts R. , als einheitliche Tat der Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung zur Last gelegt. Im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung belief sich der Umfang der Leitakte bereits auf mehr als 900 Seiten.
Überdies oblag der Strafkammer die Aufklärung des komplexen Ausgangsverfahrens gegen B. A. , das ursprünglich zum Landgericht angeklagt, aber mit Blick auf die zu erwartende Rechtsfolge vor dem Schöffengericht eröffnet worden war. Unter dem Vorsitz des Beschwerdeführers M. war darüber mehr als ein halbes Jahr an 14 Hauptverhandlungstagen auch unter Hinzuziehung eines Sachverständigen verhandelt worden. Die Hauptaktenbände umfassten etwa 1.600 Seiten, wurden ebenso wie die Hauptakten der Ermittlungsverfahren gegen R. und C. A. (Umfang etwa 800 Seiten) als Kopieakten beigezogen und in der Darstellung der Beweismittel in der Anklageschrift berücksichtigt. Nach dem - durch die Gegenerklärung unwidersprochen gebliebenen (vgl. zur Bedeutung der Revisionsgegenerklärung Drescher NStZ 2003, 296, 300) - Revisionsvortrag umfassten allein die beigezogenen Verfahrensakten - ersichtlich nebst Beiakten - insgesamt mehr als 7.000 Seiten.
3. In der Hauptverhandlung gegen die beiden Beschwerdeführer traten vor dem Landgericht neben den Verteidigern zwei Nebenkläger mit jeweils einem anwaltlichen Beistand auf. Die Strafkammer terminierte zunächst sechs Hauptverhandlungstage und lud dazu 13 Zeugen; insgesamt verhandelte sie anschließend noch an vier weiteren Tagen bis zur Urteilsverkündung.
II. Den Besetzungsrügen kann der Erfolg nicht versagt werden. Durch die Verhandlung und Entscheidung in der Besetzung mit nur zwei Berufsrichtern hat die Strafkammer § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG verletzt, weil der Umfang der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines dritten Berufsrichters notwendig machte.
1. Gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG beschließt die - nicht als Schwurgericht zuständige - große Strafkammer bei der Eröffnung des Hauptverfahrens, dass sie in der Hauptverhandlung mit nur zwei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden besetzt ist, es sei denn, nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache erscheint die Mitwirkung eines dritten Berufsrichters erforderlich. Bei dieser Entscheidung steht der Strafkammer kein Ermessen zu; sie hat die Dreierbesetzung zu beschließen, wenn diese nach dem vorgenannten Maßstab notwendig erscheint. Jedoch ist dem Tatgericht bei der Auslegung der gesetzlichen Merkmale ein weiter Beurteilungsspielraum eröffnet, der die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen hat (BGHSt 44, 328, 334; BGH NStZ 2004, 56; StV 2004, 250, 251; Kissel/Mayer, GVG 6. Aufl. § 76 Rdn. 4). Maßgebend für die Bewertung des Umfangs der Sache sind etwa die Zahl der Angeklagten, Verteidiger und erforderlichen Dolmetscher, die Anzahl der angeklagten Taten, der Zeugen sowie anderer Beweismittel, namentlich die Notwendigkeit von Sachverständigengutachten, der Umfang der Akten sowie die voraussichtliche Dauer der Hauptverhandlung (BGHR GVG § 76 Abs. 2 Beurteilungsspielraum 3).
2. Bleibt im Einzelfall zweifelhaft, welche Gerichtsbesetzung für die sachgerechte Verfahrensbehandlung geboten ist, gebührt der Dreierbesetzung wegen ihrer gegenüber der reduzierten Besetzung strukturellen Überlegenheit, die sich bereits vor der 1993 erfolgten Einführung des § 76 Abs. 2 GVG bewährt hatte, der Vorrang (vgl. BGHSt 44, 328, 334; BGH JR 2004, 170). Die Beteiligung mehrerer Berufsrichter neben dem Vorsitzenden ist besonders geeignet, Aufgaben insbesondere auch in der Hauptverhandlung sachgerecht aufzuteilen, den Tatsachenstoff intensiver zu würdigen und schwierige Rechtsfragen besser zu bewältigen (vgl. BGH JR aaO; BTDrucks 12/1217 S. 46 f.). Die Besetzung der Strafkammer hat so unmittelbaren Einfluss auf die Qualität des Erkenntnisverfahrens; eine reguläre Besetzung der Strafkammer ermöglicht insbesondere eine straffe, effektive - und damit auch ressourcenschonende - Verhandlungsführung. Die Würdigung des Tatsachenstoffs und der Rechtsfragen durch drei Richter gewährleistet ferner die von der einzigen Tatsacheninstanz im Rechtszug geforderte hohe Qualität tatgerichtlicher Erkenntnis (BTDrucks aaO).
Der Senat merkt in diesem Zusammenhang an, dass die Rechtspraxis, soweit ersichtlich, den gebotenen sensiblen Umgang der großen Strafkammern mit der Besetzungsreduktion derzeit nicht widerspiegelt; anders ist ihre oftmals überwiegende, bei manchen Landgerichten ausschließliche Inanspruchnahme nicht erklärlich (vgl. BTDrucks 14/2777 S. 2 f.; 14/3831 S. 5; 16/3038 S. 32). Der Senat hielte es demgegenüber grundsätzlich für angezeigt, den der Beurteilung des Tatrichters unterstehenden Rechtsbegriff des Umfangs der Sache auch dahingehend weiter zu konturieren, dass jedenfalls bei einer im Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens absehbaren Verhandlungsdauer von wenigstens zehn Hauptverhandlungstagen von der Mitwirkung eines dritten Berufsrichters grundsätzlich nicht abgesehen werden darf (vgl. zu dieser Schwelle BGHSt 52, 355, 362; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 229 Rdn. 2; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 275 Rdn. 2). Ausnahmen mögen insbesondere bei weniger komplexen Verfahren möglich sein, wenn deren Umfang etwa allein durch eine Vielzahl für sich jeweils ganz einfach gelagerter Fälle bedingt ist.
3. Der absolute Revisionsgrund nach § 338 Nr. 1 StPO wegen eines Verstoßes gegen § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG liegt jedenfalls bei einer auf sachfremde Erwägungen gestützten Besetzungsentscheidung oder bei einem unvertretbaren Überschreiten des Beurteilungsspielraums durch das Tatgericht vor. Unter solchen Voraussetzungen ist die Anordnung reduzierter Besetzung objektiv willkürlich (vgl. BGHSt 44, 328, 333 ff.; BGHR GVG § 76 Abs. 2 Beurteilungsspielraum 3; BGH NStZ 2004, 56; Siolek in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 76 GVG Rdn. 16; Diemer in KK 6. Aufl. § 76 GVG Rdn. 3; Kissel/Mayer aaO § 76 Rdn. 5; Schlothauer StV 1993, 147, 150). Diese Voraussetzungen sind hier nach den Kriterien sowohl des Umfangs als auch der Schwierigkeit der Sache erfüllt.
Nur scheinbar waren nach dem konkreten Anklagesatz wenige Rechtsbeugungshandlungen aufzuklären, die an drei Hauptverhandlungstagen begangen wurden. Von Beginn an war evident, dass tatgerichtliche Feststellungen allein dieser Verfahrenshandlungen unzureichend sein würden. Gerade wegen der tatbestandlich gebotenen Bewertung der Verfahrensfehler im Rahmen des § 339 StGB war ersichtlich auch die aufwendige Rekonstruktion weiter Teile und Hintergründe des für sich bereits komplexen Ausgangsverfahrens vor dem Schöffengericht unerlässlich (§ 244 Abs. 2 StPO). Nur auf diese Weise konnte die Strafkammer ausschließen, dass die angeklagten Handlungen nicht etwa sachgerecht, vertretbar oder letztlich gar geboten waren.
Im Zeitpunkt der Besetzungsentscheidung lag daher auf der Hand, dass die von der Staatsanwaltschaft beigezogenen umfangreichen, mehrere tausend Seiten umfassenden Verfahrensakten aus dem zudem in der Sache komplizierten Strafverfahren gegen B. A. einschließlich der Ermittlungsakten der Verfahren gegen Rechtsanwalt R. und C. A. auszuwerten waren. Anhand dessen waren insbesondere die Hintergründe der von den Beschwerdeführern vermuteten Beteiligung von R. und C. A. an den Taten des B. A. durch die Strafkammer aufzuklären.
Der so ohnehin bereits erhebliche und komplexe Verhandlungsumfang wurde weiter geprägt durch die Auseinandersetzung mit verschiedenen, sämtlich anwaltlich beratenen Verfahrensbeteiligten, die voraussehbar jeweils unterschiedliche Interessen verfolgten. Dabei zeichnete sich schon durch die ausführlichen gegensätzlichen Gerichtsentscheidungen über die Eröffnung des Hauptverfahrens eine Auseinandersetzung über streitige, mindestens teilweise nicht alltägliche Rechts- und Verfahrensfragen ab. Diese Gesichtspunkte wurden hier auch nicht etwa entkräftet durch eine einfach gelagerte Beweisaufnahme (vgl. BGHSt 44, 328, 335 f.; BGHR GVG § 76 Abs. 2 Beurteilungsspielraum 3; BGH JR 2004, 170, 171). Vielmehr ließen auch die drohenden dienstrechtlichen Folgen einer Verurteilung für die nicht geständigen Beschwerdeführer von Anfang an erkennen, dass eine aufwendige und kontroverse Beweisaufnahme zu bewältigen sein würde.
Nach all dem war die Besetzungsentscheidung ebenso wie der nicht näher begründete, den Besetzungseinwand zurückweisende Gerichtsbeschluss nicht mehr vertretbar. Die Strafkammer hätte auf den Einwand hin die Besetzungsentscheidung aufheben müssen (BGH JR 2004, 170, 171). Das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes nach § 338 Nr. 1 StPO hat die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur Folge, über die eine große Strafkammer in nicht reduzierter Besetzung zu entscheiden haben wird.
C. Auf die sonstigen erhobenen Verfahrensrügen und die - nicht etwa zu einer begünstigenden Durchentscheidung führenden - sachlichrechtlichen Beanstandungen der Revisionen der Beschwerdeführer kommt es danach nicht mehr an. Der Senat sieht jedoch mit Blick auf das weitere Verfahren Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:
I. Die von der Strafkammer getroffenen Feststellungen zum Verfahren gegen B. A. vor dem Amtsgericht Eisenhüttenstadt sind - möglicherweise gar infolge der reduzierten Strafkammerbesetzung - derart zusammenhanglos und lückenhaft, dass sie eine sachlichrechtliche Überprüfung einiger der den Beschwerdeführern zur Last gelegten Verfahrenshandlungen für den Senat weitgehend nicht ermöglichen würden. Dies gilt namentlich für eine willkürliche Annahme von Haftgründen.
Darüber hinaus stellen Verfahrensrügen des Beschwerdeführers M. die Feststellungen zu ihm vorgeworfenen rechtsbeugerischen Verfahrenshandlungen teilweise in Frage. Dies gilt beispielsweise für die Feststellung der Haftgründe gegen Rechtsanwalt R. , wie für die Initiative des Beschwerdeführers M. in dem gegen diesen betriebenen Ausschließungsverfahren nach §§ 138a ff. StPO.
II. Der Senat merkt andererseits an: Im Gewicht von Verfahrensverstößen kann ein tragfähiges Indiz für eine sachwidrige Motivation im Sinne des § 339 StGB liegen. Weitere Indizien können sich aus den festzustellenden Begleitumständen ergeben.
1. Die Strafkammer geht zu Recht davon aus, dass Rechtsbeugung auch durch den Verstoß gegen Verfahrensvorschriften begangen werden kann (vgl. BGHSt 42, 343, 344; 47, 105, 109; BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 6; jeweils m.w.N.). Um nicht in jedem Rechtsverstoß bereits eine ?Beugung' des Rechts zu sehen, enthält das Tatbestandsmerkmal ein normatives Element; erfasst werden sollen davon nur elementare Verstöße gegen die Rechtspflege, bei denen sich der Täter bewusst und in schwerer Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei von Recht und Gesetz entfernt (vgl. BGHSt 32, 357, 364; 34, 146, 149; 38, 381, 383; 42, 343, 345; 47, 105, 109 ff.; BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 7; BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2009 - 4 StR 97/09 Tz. 10) und dadurch die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung begründet, ohne dass allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss (BGHSt 42, 343, 346, 351; BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 6).
2. Für die Erfüllung des ungeschriebenen tatbestandlichen Regulativs der konkreten Gefahr einer sachfremden Entscheidung (vgl. BGHSt 32, 357, 364) kann es sprechen, wenn ein Richter eine Entscheidung zum Nachteil einer Partei unter bewusster Begehung eines schwerwiegenden Verfahrensfehlers trifft. Ein derartiger schwerwiegender Verstoß kann in einer willkürlichen Zuständigkeitsbegründung als Missachtung des rechtsstaatlich besonders bedeutsamen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG jedenfalls dann liegen, wenn diese eine Verletzung weiterer wesentlicher grund- oder konventionsrechtlicher Rechtspositionen des Betroffenen bewirkt.
a) Der Beschwerdeführer M. war nach den bislang getroffenen Feststellungen für die Anordnung von Untersuchungshaft gegen R. und C. A. nicht zuständig. Nach der Geschäftsverteilung war M. im Jahre 2005 ausschließlich für die Erledigung des bereits rechtshängigen Schöffengerichtsverfahrens gegen B. A. zuständig.
aa) Die von ihm beschlossene Verbindung der bei der Staatsanwaltschaft anhängigen Ermittlungsverfahren gegen R. und C. A. mit dem beim Amtsgericht Eisenhüttenstadt rechtshängigen Verfahren gegen B. A. konnte eine Zuständigkeit nicht begründen. Die allein in Betracht kommende Verfahrensverbindung nach § 4 StPO war dem Angeklagten verschlossen. Es fehlte bereits an der erforderlichen Anklage (vgl. Meyer-Goßner, StPO 53. Aufl. § 4 Rdn. 4); nicht einmal ein entsprechender - freilich dafür nicht genügender - Verbindungsantrag des Beschwerdeführers P. als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft war gestellt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte ihre alleinige Dispositionsbefugnis über die Ermittlungsverfahren noch nicht verloren (vgl. Erb in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 4 Rdn. 3).
bb) Entgegen der Auffassung der Revision ergeben die bisherigen Feststellungen auch keine Zuständigkeit des Beschwerdeführers M. aus § 125 Abs. 1 StPO.
Als gegenüber § 162 Abs. 1 StPO speziellere Regelung ist danach vor Erhebung der öffentlichen Klage für den Erlass eines Haftbefehls grundsätzlich jeder Richter bei dem Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk ein Gerichtsstand begründet ist (vgl. auch Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 125 Rdn. 5). Im Falle verschiedener Gerichtsstände können daher auch mehrere Richter unterschiedlicher örtlich zuständiger Amtsgerichte zuständig sein, sofern deren Verhältnis nicht durch eine Zuständigkeitskonzentration nach § 58 GVG geregelt worden ist. Indes bestimmt § 125 Abs. 1 StPO nicht, wie sich die Zuständigkeit verschiedener Richter desselben in Betracht kommenden Gerichtsstands zueinander verhält. Die Annahme der Revision, aus § 125 Abs. 1 StPO folge die gleichrangige unmittelbare Zuständigkeit jedes Richters dieses Amtsgerichts, ist mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar.
Über den im Einzelfall nach § 125 StPO konkret zuständigen Richter haben die Bestimmungen der Geschäftsverteilungspläne der Gerichte Regelungen zu treffen (vgl. BVerfGE 19, 52, 59 f.; 20, 336, 344; 25, 336, 346). Auf diese Weise wird gewährleistet, dass der einzelne konkret zuständige Richter generell vorbestimmt ist, und verhindert, dass er ad hoc und ad personam bestimmt wird. Durch den Jahresgeschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt wurde die Zuständigkeit für ermittlungsrichterliche Befugnisse ausdrücklich zwei namentlich benannten Richtern und weiteren Vertretern, nicht jedoch dem ausschließlich noch für das Schöffengerichtsverfahren gegen B. A. zuständigen Beschwerdeführer M. zugewiesen. Die bisherigen Urteilsfeststellungen belegen damit eine zureichende generelle Bestimmung auch des nach § 125 Abs. 1 StPO zuständigen Richters.
Der Ermittlungsrichter ist funktionell für sämtliche amtsgerichtliche Entscheidungen im Verfahren zur Vorbereitung der öffentlichen Klage und damit auch für die Anordnung der Untersuchungshaft nach § 125 Abs. 1 StPO zuständig, sofern keine abweichende Regelung im Geschäftsverteilungsplan getroffen worden ist (vgl. Hilger in Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer [1990] S. 209, 213; Meyer-Goßner aaO § 162 Rdn. 13, § 125 Rdn. 2; Erb aaO § 162 Rdn. 16). Eine nähere Regelung eines Zuständigkeitsbereiches für den ?Haftrichter' im Geschäftsverteilungsplan ist regelmäßig entbehrlich, wenngleich als Spezialzuweisung möglich; der Strafprozessordnung ist ebenso wie dem Gerichtsverfassungsgesetz der Begriff und damit eine eigenständige regelungsbedürftige funktionale Zuständigkeit des ?Haftrichters' fremd.
cc) Von diesem Rechtsverständnis ging, soweit aus den bisherigen Feststellungen ersichtlich, auch der Beschwerdeführer M. aus. Er stützte seine Anordnung gerade nicht auf § 125 StPO; anderenfalls hätte es der offensichtlich rechtswidrigen Verbindung der Verfahren nicht bedurft.
b) Bei alledem erfolgte die Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG im Zusammenhang mit der Anordnung einer Freiheitsentziehung und berührte damit zugleich das Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), die zudem durch Richtervorbehalt (Art. 104 Abs. 2 GG) verfahrensrechtlich besonders abgesichert ist (vgl. Gusy in von Mangoldt/Klein/Starck, GG Band III 5. Aufl. Art. 104 Rdn. 13; ferner Art. 5 MRK).
III. Zur Revision des Beschwerdeführers P. merkt der Senat ergänzend an:
Die Strafkammer legt ihm zur Last, ?sich als Mittäter einer Rechtsbeugung schuldig gemacht zu haben', indem er ?aus sachfremden Erwägungen' und ?in Absprache mit dem Beschwerdeführer M. die Anträge auf Erlass der Haftbefehle' in der Kenntnis gestellt hat, dass ?keine tragenden Haftgründe gegeben waren' (UA S. 89).
1. Die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Beschwerdeführers P. (§ 25 Abs. 2 StGB) begegnet vor dem Hintergrund der getroffenen Urteilsfeststellungen rechtlichen Bedenken. Als Mittäter handelt, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die gemeinschaftliche Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung des anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung des einen Tatanteils erscheint (BGHSt 40, 299, 301; Fischer, StGB 57. Aufl. § 25 Rdn. 12 ff.). Erforderlich zur gebotenen Abgrenzung zur Teilnahme ist eine wertende tatrichterliche Gesamtschau. Daran fehlt es hier. Allein die - durch die Strafkammer wiederholt und gar apodiktisch angeführte - Tatmotivation des Beschwerdeführers P. trägt den für die Täterschaft notwendigen Willen zur Tatherrschaft noch nicht. Ob der Umfang seiner Beteiligung in Form der gestellten Haftanträge als notwendige Voraussetzung der Haftanordnungen für sich erhebliches Gewicht im Sinne einer objektiven Mitbeherrschung des Geschehens aufweist und daher ein tragfähiges Indiz für die Mittäterschaft darstellt, erscheint - ungeachtet der maßgeblichen Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft für die Ermittlungsverfahren gegen Rechtsanwalt R. und C. A. - jedenfalls nicht eindeutig. Sollte das neue Tatgericht keine weitergehenden Feststellungen namentlich zu einer gemeinsamen Tatplanung unter erheblicher Mitwirkung des Beschwerdeführers P. treffen können, so kann - bei entsprechendem Vorsatz - eine Beihilfe zur Rechtsbeugung in Betracht kommen.
2. Die knappen und wenig differenzierten Erörterungen der Strafkammer lassen indes selbst bei mittäterschaftlicher Erfolgszurechnung besorgen, dass dem Beschwerdeführer P. ein zu weiter Schuldumfang zur Last gelegt wurde. Auch bei Mittätern ist zunächst nach dem jeweils zurechenbaren Erfolgs- und Handlungsunwert zu differenzieren (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 4. Aufl. Rdn. 479). Namentlich Ausführungen zum angenommenen Handlungsunwert sind bislang - anders als beim Beschwerdeführer M. - unterblieben. Diese waren aber gerade auch im Blick auf die hinter der Bestrafung des Beschwerdeführers M. nur wenig zurückbleibende verhängte Sanktion unentbehrlich. ..."
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Die Bestimmung des Vorsitzenden einer großen Strafkammer ist auch nach der Neufassung des § 21g GVG Teil der vorschriftsmäßigen Besetzung i.S.d. § 338 Nr. 1 StPO. Zur Ersetzung des ausgeschiedenen Strafkammervorsitzenden durch den zum Ergänzungsrichter bestellten neuen Vorsitzenden in einer laufenden Hauptverhandlung. Zur Notwendigkeit der Erhebung eines Besetzungseinwands oder der Herbeiführung eines Gerichtsbeschlusses bei Bekanntwerden maßgeblicher Verfahrenstatsachen nach Beginn der Hauptverhandlung (BGH, Beschluss vom 08.01.2009 - 5 StR 537/08 zu StPO §§ 338 Nr. 1, 222b, 238 Abs. 2; GVG §§ 21e-g, 192).
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Die Teilabordnung eines (Vorsitzenden) Richters am Oberlandesgericht an ein Landgericht ist nach § 37 DRiG zulässig. § 27 Abs. 2 DRiG steht dem weder unmittelbar noch in analoger Anwendung entgegen. Vorsitzender eines Spruchkörpers bei einem Landgericht kann auch ein Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht sein, der an das Landgericht (rück-)abgeordnet wurde. Scheidet ein Richter aus einem Spruchkörper aufgrund der Übertragung eines Richteramtes bei einem anderen Gericht aus, ist ein Verhinderungsfall i.S.v. § 192 Abs. 2 GVG nicht gegeben, wenn die Hauptverhandlung, die unter Beteiligung des Richters begonnen wurde, aufgrund einer Rückabordnung nach § 37 DRiG innerhalb der Fristen des § 229 StPO in der ursprünglichen Besetzung der Richterbank fortgesetzt werden kann. Zur Notwendigkeit der Erhebung eines Besetzungseinwands bei Bekanntwerden maßgeblicher Verfahrenstatsachen nach Beginn der Hauptverhandlung (BGH, Beschluss vom 10.12.2008 - 1 StR 322/08 zu StPO §§ 338 Nr. 1, 222b; GVG §§ 21f, 192; DRiG §§ 27 Abs. 2, 37).
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Der Präsidiumsbeschluß, durch den wegen Überlastung der zuständigen ordentlichen Strafkammer eine Hilfsstrafkammer eingerichtet wird, muß so detailliert begründet sein, daß eine Prüfung seiner Rechtmäßigkeit möglich ist; von Verfassungs wegen sind Regelungen der Zuständigkeit, anders deren Anwendung, nicht lediglich am Maßstab der Willkür, sondern auf jede Rechtswidrigkeit hin zu überprüfen. Fehlt eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Dokumentation der Gründe, die für den Präsidiumsbeschluß für die Übertragung eines Verfahrens auf eine neu eingerichtete Hilfsstrafkammer maßgeblich waren, ist die Überprüfung, ob dieser Beschluß rechtmäßig war, nicht möglich (BGH, Beschluss vom 04.08.2009 - 3 StR 174/09 zu StPO §§ 338 Nr. 1, 222b, 344 Abs. 2 S. 2; GVG § 21e Abs. 3 S. 1).
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? ... 1. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Zu Recht beanstandet der Beschwerdeführer die Besetzung der Strafkammer in der Hauptver-handlung mit (nur) zwei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden (§ 76 Abs. 2 Satz 1 GVG i. V. m. § 338 Nr. 1 StPO). Im Einzelnen:
a) Die Staatsanwaltschaft hat den vier (früheren) Mitangeklagten des Beschwerdeführers in ihrer zunächst erhobenen Anklage vom 2. Juni 2005 folgen-de Straftaten vorgeworfen:
? Avni M. : Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, hiervon in vier Fällen bandenmäßig begangen;
? Sherif M. : Bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen;
? Shkelqim M. : Bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, in drei dieser Fälle als Gehilfe handelnd sowie
? Sokol M. : Bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen.
Unter dem 15. Juli 2005 hat die Staatsanwaltschaft sodann gegen den Beschwerdeführer Anklage erhoben und ihm - teilweise gemeinsam mit den vorgenannten Personen begangen - Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem Fall sowie bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 13 Fällen, in vier dieser Fälle in Tateinheit mit Anstiftung zur bandenmäßigen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zur Last gelegt. Beide Anklagen haben Handels- und Schmuggeltätigkeiten der Angeklagten mit Betäubungsmitteln in mehreren eu-ropäischen Ländern zum Gegenstand.
In den Anklageschriften hat die Staatsanwaltschaft insgesamt 23 Zeugen und mehrere Sachverständige sowie deren Gutachten zu Finger- und DNA-Spuren, zur Qualitätsbestimmung der aufgefundenen Betäubungsmittel, zum Stimmenvergleich sowie zur Abstammung der Angeschuldigten Besim und Sokol M. benannt bzw. vorgelegt. Neben insgesamt rund 250 "Überführungsstücken" und "Einziehungsgegenständen" sowie mehreren "Augen-scheinsobjekten" hat die Staatsanwaltschaft dem Landgericht in beiden Verfahren jeweils die Übersetzung von (denselben) rund 600 Telefonüberwachungsprotokollen vorgelegt. Die Akten haben damals aus 20 Bänden und mehreren - teils umfangreichen - Sonderheften bestanden. Im Rahmen der Ermittlungsverfahren waren - was dem Landgericht bekannt war - darüber hinaus insgesamt rund 82.500 Telefonate überwacht und aufgezeichnet worden.
Das Landgericht hat beide Anklagen am 11. Oktober 2005 zur Hauptverhandlung zugelassen, die Hauptverfahren eröffnet und gleichzeitig bestimmt, dass die Hauptverhandlung unter Mitwirkung des Vorsitzenden und eines Beisitzers stattfinden soll. Zugleich sind die Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden worden. Die Strafkammer hat zunächst zehn Hauptverhandlungstage bestimmt. Hierzu sind die zum damaligen Zeitpunkt gewählten bzw. bestellten sechs Verteidiger der Angeklagten sowie ein Dolmetscher (für die albanische Sprache), Zeugen indes "noch nicht" geladen worden.
Letztlich hat die Hauptverhandlung ab dem 31. Oktober 2005 an insgesamt 88 Verhandlungstagen bis zum 28. Mai 2008 stattgefunden. Dabei sind u. a. rund 80 der abgehörten und aufgezeichneten Telefonate in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Das Protokoll füllt vier Stehordner.
Den vor Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache von der Verteidigung des Angeklagten gegen die Besetzung der Kammer mit nur zwei Berufsrichtern erhobenen Einwand hat das Landgericht zurückgewiesen.
b) Bei dieser Sachlage ist die - nicht präkludierte (§ 222 b Abs. 1, § 338 Nr. 1 Buchst. b StPO analog; vgl. BGHSt 44, 328, 332 f.) - Besetzungsrüge begründet. Der Umfang der Sache machte die Mitwirkung eines dritten Berufsrichters unumgänglich.
Gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG beschließt die - nicht als Schwurgericht zuständige - große Strafkammer bei der Eröffnung des Hauptverfahrens, dass sie in der Hauptverhandlung mit nur zwei Berufsrichtern einschließlich des Vor-sitzenden besetzt ist, es sei denn, nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache erscheint die Mitwirkung eines dritten (Berufs-)Richters erforderlich. Bei dieser Entscheidung steht der Strafkammer kein Ermessen zu; sie hat die Dreierbesetzung zu beschließen, wenn dies nach Umfang oder Schwierigkeit der Sache notwendig erscheint. Jedoch ist der großen Strafkammer bei der Auslegung dieser gesetzlichen Merkmale ein weiter Beurteilungsspielraum eröffnet, bei dessen Ausfüllung allerdings die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind (BGHSt 44, 328, 334; BGH NStZ 2004, 56; StV 2004, 250, 251). Maßgebend für die Bewertung des Umfangs der Sache sind etwa die Zahl der Angeklagten, Verteidiger und erforderlichen Dolmetscher, die Zahl der dem oder den Angeklagten vorgeworfenen Straftaten, die Anzahl der Zeugen und anderen Beweismittel, die Notwendigkeit von Sachverständigengutachten, der Umfang der Akten sowie die voraussichtliche Dauer der Hauptverhandlung. In Zweifelsfällen verdient die Dreierbesetzung den Vorzug.
Jedoch begründet nicht jeder Verstoß gegen § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG eine durchgreifende Besetzungsrüge nach § 338 Nr. 1 StPO. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn die Strafkammer ihre Entscheidung auf sachfremde Erwägungen gestützt oder den ihr eingeräumten Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschritten hat, so dass die Besetzungsreduktion objektiv willkürlich erscheint (s. insgesamt BGHSt 44, 328, 333 ff.; BGH NStZ 2005, 56).
So liegt es hier. Die Hauptverhandlung war gegen fünf Angeklagte zu führen, denen eine Vielzahl schwerster, in je unterschiedlicher Zusammensetzung begangener Verbrechen nach dem Betäubungsmittelgesetz angelastet wurde. Den Angeklagten standen sechs Verteidiger zur Seite. Es war eine erhebliche Anzahl von Zeugen zu vernehmen, etliche Sachverständige waren zu hören und umfangreiche weitere Beweiserhebungen durchzuführen, für die die Strafkammer von vornherein mehr als zehn Hauptverhandlungstage als erforderlich ansah. Hierbei war namentlich für die Einführung der für den Tatnachweis entscheidenden Ergebnisse der Telefonüberwachung mit einem weit über das Übliche hinausgehenden Verhandlungsaufwand zu rechnen. Schon die Staatsanwaltschaft hatte von den rund 82.000 abgehörten Telefonaten ca. 600 für potentiell entscheidungsrelevant gehalten und dementsprechend hiervon übersetzte Protokolle der Gespräche vorgelegt. Deren Beteiligte waren zu identifizieren (Stimmvergleichsgutachten waren bereits im Ermittlungsverfahren ein-geholt worden), die Richtigkeit der Übersetzungen war gegebenenfalls zu prüfen und deren Inhalt zu bewerten. Angesichts dieses Umfangs der Sache war die Reduzierung der Richterbank auch bei Beachtung des der Kammer eingeräumten weiten Beurteilungsspielraums nicht mehr vertretbar. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass - wie sich dem Verfahrensgang, der Terminsverfügung und dem Revisionsvortrag entnehmen lässt - die Strafkammer zum Zeitpunkt der Entscheidung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG offensichtlich davon ausgegangen ist, das Verfahren durch eine Absprache einverständlich und damit kurzfristig erledigen zu können. Dies hätte eine Besetzungsreduktion aber allenfalls dann rechtfertigen können, wenn die Kammer nach dem bisherigen Verfahrensgang konkrete tatsächliche Anhaltspunkte dafür gehabt hätte, dass sich die Angeklagten in der Hauptverhandlung entsprechend den Anklagevorwürfen geständig zeigen werden und daher eine deutliche Beschränkung der ansonsten anstehenden Beweisaufnahme zu erwarten gewesen wäre. Dafür ist indes nichts ersichtlich.
Das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes nach § 338 Nr. 1 StPO hat die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung der Sache zur Folge (§§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO). ..." (BGH, Urteil vom 18.06.2009 - 3 StR 89/09)
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Der Präsidiumsbeschluss über die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die Übertragung (auch) bereits anderweitig anhängiger Sachen an diese (§ 21 e Abs. 3 GVG) ist zu begründen. Mängel dieser Begründung können spätestens bis zur Entscheidung der Hilfsstrafkammer über einen in der Hauptverhandlung erhobenen Besetzungseinwand (§ 222 b StPO) behoben werden (BGH, Urteil. vom 09.04.2009 - 3 StR 376/08 zu GVG § 21 e Abs. 3, StPO § 338 Nr. 1 Buchst. b).
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Der Grundsatz der Unabänderlichkeit der mit der Eröffnung der Hauptverfahren getroffenen Entscheidungen über eine Besetzungsreduktion nach § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG oder § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG kann durchbrochen werden, wenn sich durch eine Verbindung erstinstanzlicher landgerichtlicher Verfahren die Schwierigkeit und/oder der Umfang der Sache erheblich erhöhen und sich deshalb die auf der Grundlage getrennter Verfahrensführung beschlossenen Besetzungsreduktionen als nicht mehr sachgerecht erweisen. Soll die in den noch getrennten Verfahren jeweils angeordnete reduzierte Besetzung auch nach der Verfahrensverbindung beibehalten werden, so ist eine entsprechende neue Beschlussfassung nicht erforderlich (BGH, Beschluss. vom 29.01.2009 - 3 StR 567/08):
?... Der Schuldspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Der näheren Erörterung bedarf lediglich die Verfahrensrüge, die erkennende Jugendkammer sei mit nur zwei Berufsrichtern nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 33 b Abs. 2 JGG, § 338 Nr. 1 StPO).
a) Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Heranwachsenden H. wegen des Vorwurfs der mittäterschaftlichen Beteiligung an einem Einbruchsdiebstahl und einer Brandstiftung Anklage bei der Jugendkammer und wenig später gegen den Angeklagten und zwei Mitangeklagte wegen derselben Tatvorwürfe Anklage bei der allgemeinen Strafkammer des Landgerichts Mönchengladbach erhoben. Die Strafkammern haben jeweils die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen und zugleich gemäß § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG bzw. § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG für die Hauptverhandlung die reduzierte Besetzung mit zwei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei (Jugend-) Schöffen bestimmt. Sodann hat die allgemeine Strafkammer die bei ihr anhängige Strafsache der Jugendkammer zur Übernahme und Verbindung vorgelegt. Diese hat außerhalb der Hauptverhandlung in der Besetzung mit drei Richtern die Übernahme des gegen den Angeklagten und die beiden Mitangeklagten gerichteten Verfahrens beschlossen und diese Sache zu dem bei ihr geführten Verfahren verbunden. Eine erneute Entscheidung nach § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG über eine reduzierte Besetzung in der Hauptverhandlung hat die Jugendkammer weder in dem Verbindungsbeschluss noch zu einem späteren Zeitpunkt getroffen.
Zu Beginn der Hauptverhandlung hat der Verteidiger des Angeklagten die Besetzung der erkennenden Jugendkammer mit nur zwei Berufsrichtern mit der Begründung beanstandet, die Jugendkammer hätte nach Verbindung der Verfahren die Besetzungsreduktion gemäß § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG erneut beschließen müssen. Da dies unterblieben sei, sei das erkennende Gericht mit nur zwei Berufsrichtern vorschriftswidrig besetzt. Im Übrigen erfordere der infolge der Verfahrensverbindung eingetretene überdurchschnittliche Umfang der Sache eine Verhandlung mit drei Berufsrichtern. Die Jugendkammer hat den Besetzungseinwand zurückgewiesen.
b) Die Verfahrensrüge ist zulässig erhoben. Dem Revisionsvorbringen sind die den behaupteten Verfahrensmangel begründenden Tatsachen zu entnehmen. Der vom Generalbundesanwalt vermissten wörtlichen Wiedergabe der Besetzungsentscheidung der Jugendkammer im Eröffnungsbeschluss vom 10. März 2008 hat es nicht bedurft; deren Inhalt kann in hinreichender Weise dem von der Revision mitgeteilten Beschluss der Jugendkammer über die Zurückweisung der Besetzungsrüge entnommen werden (vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. § 344 Rdn. 39 m. w. N.).
c) Die Rüge ist jedoch unbegründet.
aa) Die Besetzung des erkennenden Gerichts mit nur zwei Berufsrichtern war nicht deshalb fehlerhaft, weil die Jugendkammer nach Verbindung der Verfahren nicht erneut förmlich gemäß § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG über eine reduzierte Besetzung in der Hauptverhandlung entschieden hat.
(1) Gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG, § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG hat die große Straf- oder Jugendkammer die Entscheidung, dass sie die Hauptverhandlung in reduzierter Besetzung durchführt, bei der Eröffnung des Hauptverfahrens zu treffen. Ist die Besetzungsreduktion beschlossen, so gilt diese Entscheidung auch dann fort, wenn die Sache später mit einem anderen Verfahren verbunden wird, in dem die Anklage ebenfalls schon zugelassen und die Durchführung der Hauptverhandlung mit nur zwei Berufsrichtern angeordnet worden ist (zur Verbindung von Verfahren, in denen unterschiedliche Besetzungsentscheidungen getroffen worden sind, vgl. Siolek in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Nachtrag zu § 76 GVG Rdn. 4 ff.); denn dem Gesetz lässt sich keine Bestimmung entnehmen, wonach in einem derartigen Fall die ursprünglichen Entscheidungen in den verbundenen Verfahren ihre Wirksamkeit verlieren und über die Besetzungsreduktion durch die übernehmende große Straf- oder Jugendkammer neu beschlossen werden müsste. Schon dies schließt es aus, dass allein das Unterbleiben einer neuen Entscheidung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG oder § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG zur Regelbesetzung der großen Straf- oder Jugendkammer nach § 76 Abs. 1 GVG oder § 33 b Abs. 1 JGG führt und daher die Verhandlung in reduzierter Besetzung unter einer der Voraussetzungen des § 338 Nr. 1 Halbs. 2 StPO einen absoluten Revisionsgrund schafft.
(2) Dies bedeutet indessen nicht, dass der Grundsatz der Unabänderlichkeit der mit der Eröffnung der Hauptverfahren getroffenen Entscheidungen über eine Besetzungsreduktion nach § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG bzw. § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG (nunmehr jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 7. Dezember 2008, BGBl I 2348) nicht durchbrochen werden könnte, wenn sich durch eine Verbindung erstinstanzlicher landgerichtlicher Verfahren die Schwierigkeit und/oder der Umfang der Sache erheblich erhöhen und sich deshalb die auf der Grundlage getrennter Verfahrensführung beschlossenen Besetzungsreduktionen als nicht mehr sachgerecht erweisen. In einem solchen Fall ist es möglich - und gegebenenfalls sogar geboten -, die vor Verfahrensverbindung übereinstimmend angeordneten Besetzungsreduktionen rückgängig zu machen. Insoweit gilt:
Zwar kann eine einmal angeordnete Besetzungsentscheidung grundsätzlich nicht mehr geändert werden, wenn sie im Zeitpunkt ihres Erlasses gesetzesgemäß war. Eine nachträglich eingetretene Änderung des Umfangs oder der Schwierigkeit der Sache ist deshalb regelmäßig nicht geeignet, eine der geänderten Verfahrenslage angepasste neue Besetzungsentscheidung zu veranlassen (vgl. BGHSt 44, 328, 333; BGH NJW 2003, 3644, 3645). Hierdurch wird sichergestellt, dass Verfahrensbeteiligte nicht durch entsprechende Antragstellungen nach einer einmal gefassten Besetzungsentscheidung Einfluss auf die Schwierigkeit und den Umfang der Sache und damit auf die Bestimmung des gesetzlichen Richters nehmen können (vgl. BGHSt 44, 328, 333). Dieser Grundsatz hat zunächst uneingeschränkt auch dann gegolten, wenn die Änderung der Verfahrenslage durch eine gerichtliche Entscheidung herbeigeführt worden ist. Mit dem Gesetz zur Verlängerung der Besetzungsreduktion bei Strafkammern vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 1756) ist jedoch eine Ausnahme geschaffen und die Unabänderlichkeit der bei Eröffnung des Hauptverfahrens getroffenen Besetzungsentscheidung für die Fälle der Zurückweisung einer Sache durch das Revisionsgericht abgeschafft worden. § 33 b Abs. 2 Satz 2 JGG und gleichlautend § 76 Abs. 2 Satz 2 sowie § 122 Abs. 2 Satz 4 GVG bestimmen seither, dass nach Zurückverweisung der Sache das nunmehr für die Verhandlung und Entscheidung zuständige Gericht erneut nach § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG, § 76 Abs. 2 Satz 1 oder § 122 Abs. 2 Satz 2 GVG über seine Besetzung beschließen kann. In diesen Fällen wird eine Anpassung der Gerichtsbesetzung ermöglicht, wenn sich Umfang und/oder Schwierigkeit der Sache infolge der Revisionsentscheidung entscheidend verändert haben (vgl. BTDrucks. 14/3370 S. 3 und 14/3831 S. 6).
Die in diesen Ausnahmeregelungen zum Ausdruck gebrachten Rechtsgedanken sind auf den vorliegenden Fall zu übertragen.
Die Vorschriften tragen dem Umstand Rechnung, dass eine Revisionsentscheidung den Verfahrensstoff nachträglich derart verändern kann, dass die ursprüngliche, unter anderen Vorzeichen getroffene Besetzungsentscheidung den Maßstäben, die § 76 Abs. 2 Satz 1, § 122 Abs. 2 Satz 4 GVG, § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG für die Abgrenzung zwischen regelmäßiger und reduzierter Besetzung des zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers aufstellen, nicht mehr gerecht wird. Obwohl die Ausnahmeregelungen in erster Linie zur Entlastung der Justiz geschaffen wurden (vgl. BTDrucks. 14/3831 S. 2), erlaubt der Wortlaut des Gesetzes in Zurückverweisungsfällen eine Korrektur der ursprünglichen Besetzungsentscheidung in jeder Hinsicht: Es kann nach Zurückverweisung einer Sache nicht nur erstmals die reduzierte Besetzung mit zwei statt vormals mit drei Richtern angeordnet werden, sondern es ist auch möglich, eine früher beschlossene Besetzungsreduktion rückgängig zu machen (vgl. Siolek aaO Nachtrag zu § 76 GVG Rdn. 1).
Wie bei der Zurückverweisung einer Sache durch das Revisionsgericht können sich aber auch durch eine Verfahrensverbindung, mithin ebenfalls allein durch eine gerichtliche Entscheidung, der Umfang und der Schwierigkeitsgrad eines Verfahrens nachhaltig erhöhen, so dass sich die vor der Verfahrensverbindung übereinstimmend getroffenen Anordnungen über eine Besetzungsreduktion im Nachhinein als nicht mehr mit den in § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG bzw. § 76 Abs. 2 Satz 1, § 122 Abs. 2 Satz 4 GVG hierfür gesetzlich bestimmten Voraussetzungen vereinbar erweisen. Dem muss durch die Möglichkeit einer nachträglichen Korrektur der ursprünglichen Besetzungsentscheidungen Rechnung getragen werden (im Ergebnis ebenso Siolek aaO Rdn. 3 und 4; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 76 Rdn. 4).
(3) Aus all dem folgt für den hier zu beurteilenden Fall:
Die mit den jeweiligen Eröffnungsbeschlüssen gesetzmäßig (insoweit erhebt auch die Revision keine Beanstandungen) angeordneten Besetzungsreduktionen haben durch die spätere Verfahrensverbindung zwar ihre Bindungswirkung für das weitere Verfahren verloren nicht aber ihre Rechtswirksamkeit. Da durch die Verfahrensverbindung nur die Möglichkeit eröffnet worden ist, die Gerichtsbesetzung an die veränderte Sachlage anzupassen, wäre eine ausdrückliche Beschlussfassung der nach Verfahrensverbindung zuständigen Jugendkammer daher nur bei Abänderung der ursprünglichen Besetzungsentscheidung, also nur dann geboten gewesen, wenn sich nach deren Ansicht die Schwierigkeit und/oder der Umfang der Sache durch die Verfahrensverbindung entscheidend erhöht hätte. Da dies nicht der Fall gewesen ist und die Jugendkammer somit die bisher in beiden Verfahren übereinstimmend angeordnete Besetzung hat beibehalten wollen, ist eine entsprechende Beschlussfassung nicht erforderlich gewesen (ebenso zu einem Zurückverweisungsfall: BGH StraFo 2003, 134). Es hätte sich allenfalls aus Klarstellungsgründen empfohlen, die Beibehaltung der ursprünglichen Besetzung im Verbindungsbeschluss zum Ausdruck zu bringen.
bb) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, der nach Verbindung gesteigerte Umfang der Sache hätte eine Verhandlung in Dreierbesetzung erfordert, ist die Rüge aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen unbegründet. ..."
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?... Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Seine Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Sie rügt zu Recht, dass die Hauptverhandlung in einer gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG reduzierten Besetzung durchgeführt wurde (§ 338 Nr. 1 StPO).
1. Folgender Verfahrensablauf liegt zu Grunde:
Durch Eröffnungsbeschluss vom 11. September 2006 hat die Strafkammer das Hauptverfahren eröffnet, ohne dabei einen Beschluss gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG zu fassen. Am 9. Oktober 2007 hat sie den Eröffnungsbeschluss ?durch die Feststellung ergänzt, dass die Hauptverhandlung in der Besetzung mit zwei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen" stattfindet. Dieser Beschluss ist bis zur Hauptverhandlung der Verteidigung weder zugestellt worden noch sonst bekannt geworden. Auch eine Mitteilung der Gerichtsbesetzung nach § 222a Abs. 1 Satz 2 StPO ist bis zum Beginn der Hauptverhandlung nicht erfolgt. In der Hauptverhandlung hat der Vorsitzende die Gerichtsbesetzung mitgeteilt, ohne auf den Beschluss vom 9. Oktober 2007 hinzuweisen. Der Antrag der Verteidigung, die Hauptverhandlung wegen der erst jetzt mitgeteilten Besetzung zu unterbrechen, wurde nach einer Unterbrechung von fünf Minuten durch Gerichtsbeschluss mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Gericht ordnungsgemäß besetzt sei.
2. Der zulässig erhobenen Besetzungsrüge, die nicht präkludiert ist, kann der Erfolg nicht versagt werden. Mit nur zwei Berufsrichtern war das erkennende Gericht fehlerhaft besetzt.
a) Die Rüge ist zulässig, weil - wie die Revision vollständig mitgeteilt hat - die große Strafkammer die Hauptverhandlung nach § 222a Abs. 2 StPO zur Prüfung der Besetzung gar nicht unterbrochen hat (§ 338 Nr. 1 lit. c StPO; vgl. zudem im Anschluss an den Antrag des Generalbundesanwalts zur Unterbrechungsdauer Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 222a Rdn. 22).
b) Die Revision beanstandet zu Recht, dass das Landgericht in der Besetzung mit zwei - anstatt mit drei - Berufsrichtern (und zwei Schöffen) entschieden hat, obwohl es bei Eröffnung des Hauptverfahrens einen dahin gehenden Beschluss nach § 76 Abs. 2 GVG nicht gefasst hatte.
aa) Die Entscheidung über die Anzahl der an der Hauptverhandlung mitwirkenden Richter ist bei der Eröffnung des Hauptverfahrens zu treffen (vgl. BGHR GVG § 76 Abs. 2 Besetzungsbeschluss 1; Meyer-Goßner aaO § 76 GVG Rdn. 4). ?Bei der Eröffnung" bedeutet zugleich mit der Eröffnungsentscheidung; eine spätere Beschlussfassung ist nicht möglich, weil mit der Eröffnung des Hauptverfahrens feststehen muss, mit wie vielen Richtern das erkennende Gericht in diesem Verfahrensabschnitt besetzt ist (vgl. Begründung RegE des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 in BT-Drucks. 12/1217, S. 48; BGHSt 44, 328, 332; Siolek in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 76 GVG Rdn. 4). Die Entscheidung kann regelmäßig auch nicht mehr geändert werden (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 214; Meyer-Goßner aaO m.w.N.). Hiernach ist der (?Feststellungs"-)Beschluss des Landgerichts vom 9. Oktober 2007 ohne rechtliche Relevanz.
bb) Ist bei Eröffnung des Hauptverfahrens nicht nach § 76 Abs. 2 GVG beschlossen worden, dass die große Strafkammer in der Hauptverhandlung nur mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen besetzt ist, so muss die Strafkammer in der Hauptverhandlung mit drei Richtern tätig werden, und zwar auch dann, wenn der Ausspruch versehentlich unterblieben ist (vgl. BGHSt 44, 361, 362; BGH NStZ-RR 2006, 214; LG Bremen StV 2004, 251; Siegismund/Wickern wistra 1993, 139; Siolek aaO m.w.N.; Meyer-Goßner aaO; Diemer in KK 5. Aufl. § 76 GVG Rdn. 2; Kissel/Mayer, GVG 5. Aufl. § 76 Rdn. 8; vgl. differenzierend - nicht tragend - zum Regel-Ausnahme-Verhältnis BGHSt 44, 328, 331).
Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 GVG ist eine große Strafkammer in der Hauptverhandlung grundsätzlich mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt. Ein Abweichen von dieser gesetzlichen Vorgabe bedarf ausdrücklicher Beschlussfassung (§ 76 Abs. 2 GVG). ..." (BGH, Beschluss vom 05.08.2008 - 5 StR 317/08)
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?... b) Die - vom Generalbundesanwalt für durchgreifend erachtete - Besetzungsrüge nach § 338 Nr. 1 StPO dringt nicht durch.
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass das erkennende Gericht mit dem ursprünglich vom Vorsitzenden der Strafkammer von der Dienstleistung entbundenen und später von der Strafkammer erneut herangezogenen Hauptschöffen nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Die ursprüngliche Befreiung des Schöffen von der Dienstleistung am Hauptverhandlungstag sei nicht willkürlich gewesen und habe deshalb nicht mehr widerrufen werden können.
Der Schöffe hatte vor Sitzungsbeginn mitgeteilt, dass er an der Wahrnehmung des Termins verhindert sei, weil er selbst Angeklagter in einem zwei Wochen vorher stattfindenden Strafverfahren wegen Verdachts der Eingehung einer Scheinehe sei. Der Vorsitzende der Strafkammer hatte ihn daraufhin für die Sitzung gemäß §§ 77, 54 Abs. 1 GVG von der Dienstleistung befreit und die Heranziehung einer Hilfsschöffin angeordnet. Im Hauptverhandlungstermin rügte der Beschwerdeführer, dass das Gericht mit der herangezogenen Hilfsschöffin nicht vorschriftsmäßig besetzt sei. Die Entpflichtung des Schöffen sei willkürlich erfolgt, weil das Strafverfahren gegen den Schöffen vor Beginn der Hauptverhandlung rechtskräftig beendet worden sei und die Unfähigkeitsgründe des § 32 GVG nicht vorgelegen hätten. Daraufhin stellte das Landgericht - ohne Mitwirkung des in Urlaub befindlichen geschäftsplanmäßigen Vorsitzenden - gemäß § 222b Abs. 2 Satz 2 StPO fest, dass es nicht vorschriftsmäßig besetzt sei, zog wieder den Hauptschöffen hinzu und begann anschließend sofort unter dessen Mitwirkung erneut mit der Hauptverhandlung.
aa) Der Senat lässt offen, ob die Zulässigkeit der Rüge - was nicht fern liegt - bereits an § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO scheitert, weil der auf den Besetzungseinwand ergangene Gerichtsbeschluss in der Revisionsbegründung nicht ganz vollständig mitgeteilt worden ist (vgl. die Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft Hamburg vom 5. Juli 2007 zu 2).
bb) Die Rüge ist jedenfalls als widersprüchliches Prozessverhalten nicht statthaft (vgl. hierzu BGHR StPO § 218 Ladung 5, § 247 Ausschließungsgrund 1, § 344 Abs. 2 Satz 2 Missbrauch 1 und § 349 Abs. 1 Unzulässigkeit 2; BGH NStZ 1997, 451; BGH, Beschluss vom 29. August 2007 - 1 StR 387/07). Zur Begründung der Besetzungsrüge beruft sich der Beschwerdeführer im Revisionsverfahren auf die Willkürfreiheit der Entbindung des Hauptschöffen und die sich daraus ergebende Bindungswirkung jener Vorsitzendenentscheidung (§§ 77, 54 Abs. 1 und Abs. 3 GVG), wohingegen er seinen Besetzungseinwand in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht gerade auf die Willkür derselben Entscheidung gestützt hatte. Das Landgericht ist dem Besetzungseinwand gefolgt und hat dabei mit dem zulässigen sofortigen Neubeginn der Verhandlung (vgl. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl., § 222b Rdn. 34; Meyer-Goßner aaO § 222b Rdn. 12) im Sinne einer sofort möglichen Heilung des geltend gemachten Besetzungsfehlers dem erklärten Wunsch des Beschwerdeführers entsprochen. Damit ist dieser insoweit in der Besetzungsfrage, zu welcher er einen etwaigen revisionsrechtlichen Einwand nach dem Normengefüge aus §§ 222a, 222b, 338 Nr. 1 StPO bereits zu Beginn der Hauptverhandlung zu erheben gehalten war, klaglos gestellt worden. Danach kann er im Revisionsverfahren mit einer seinem Besetzungseinwand direkt entgegenstehenden Besetzungsrüge kein Gehör mehr finden.
Widersprüchliches Verhalten verdient keinen Rechtsschutz (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Missbrauch 1). Eine Statthaftigkeit derart spezifisch widersprüchlichen Prozessverhaltens lässt sich auch nicht etwa aus § 222b Abs. 2 Satz 3 StPO ableiten. Soweit aus dieser Vorschrift tatsächlich ein genereller Ausschluss der Präklusion nach Besetzungsänderung (h. M., vgl. nur Gollwitzer aaO Rdn. 35) herzuleiten sein sollte, kann dieses in dem vorliegenden Sonderfall einer sofortigen Weiterverhandlung in einer dem Besetzungseinwand entsprechenden Besetzung nur für den Bereich der geänderten Besetzung und, soweit einem Besetzungseinwand - wie hier - entsprochen wurde, nur für andere Prozessbeteiligte gelten, die den Einwand ihrerseits nicht erhoben haben.
Die Unstatthaftigkeit solch widersprüchlichen Revisionsvorbringens drängt sich namentlich bei einer Besetzungsrüge aus einem Erst-Recht-Schluss auf: Wenn ein Revisionsführer allein aufgrund der passiven Hinnahme einer Gerichtsbesetzung vor dem Tatgericht mangels Erhebung eines Besetzungseinwands nach §§ 222a, 222b, 338 Nr. 1 StPO mit einer Besetzungsrüge ausgeschlossen sein kann, so muss solches erst recht gelten, wenn er - wie hier - mit einer Besetzungsrüge bei unveränderter Kenntnis der die Rüge begründenden Tatsachen just die Gerichtsbesetzung beanstanden will, die er im Rahmen des Verfahrens nach §§ 222a, 222b StPO ausdrücklich gewünscht hat.
cc) Ob die Rüge auch daran scheitern müsste, dass die Annahme einer unvertretbaren und daher als willkürlich zu wertenden Entbindungsentscheidung des Vorsitzenden in dem Beschluss des Landgerichts nach § 222b Abs. 2 Satz 1 StPO ihrerseits vertretbar und daher mit der Besetzungsrüge nicht angreifbar ist (vgl. Kuckein in KK 5. Aufl. § 338 Rdn. 46), bedarf danach keiner Entscheidung. Allein der Umstand, dass in jenem Beschluss der Willkürmaßstab nicht ausdrücklich benannt worden ist, stünde dem nicht entgegen. ..." (BGH, Urteil vom 01.04.2008 - 5 StR 357/07)
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Sind in einer Hauptverhandlung noch keine Erträge erzielt worden, die bei einer Unterbrechung fortwirkten, bei einer Aussetzung aber erneut gewonnen werden müssten, ist das Gericht in der Entscheidung, ob es die Hauptverhandlung unterbricht oder sie aussetzt, grundsätzlich frei. Eine solche Unterbrechungs- oder Aussetzungsentscheidung verstößt nicht gegen Art. 101 Abs. 1 GG, es sei denn, sie wäre willkürlich getroffen (BGH, Urteil 09.08.2007 - 3 StR 96/07 zu StPO § 228 Abs. 1, § 338 Nr. 1, GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2).
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?... 2. Die von den Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen versagen. Ergänzend zur Stellungnahme des Generalbundesanwalts in dessen Antragsschrift vom 8. März 2007 bemerkt der Senat zu den zulässig erhobenen Besetzungsrügen der Angeklagten Ay. und Al. Folgendes:
a) Das Präsidium des Landgerichts hat aufgrund einer Überlastungsanzeige des Vorsitzenden der großen Strafkammer 29 vom 31. Oktober 2005 mit einer Entschließung im Umlaufverfahren das am 2. November 2005 bei der großen Strafkammer 29 eingegangene Strafverfahren auf die neu gegründete Hilfsstrafkammer 29a abgeleitet.
Im rechtzeitig erhobenen Besetzungseinwand haben die Verteidiger geltend gemacht, ein zwingender sachlicher Anlass für die Umverteilung allein dieses Verfahrens habe nicht bestanden, weil ein 13 Tage später bei der großen Strafkammer 29 anhängig gewordenes weiteres Verfahren nicht ebenfalls abgeleitet worden sei. Des weiteren ist mit dem Besetzungseinwand geltend gemacht worden, dem Präsidium des Landgerichts sei bekannt gewesen, dass die Hilfsstrafkammer 29a mit dem Vorsitzenden und einem Beisitzer besetzt worden sei, die das Verfahren gegen K. geführt hätten, aus dem erst die Erkenntnisse für das vorliegende Verfahren erwachsen seien. Zudem sei dieser Vorsitzende von der Staatsanwaltschaft als Zeuge benannt worden. Eine solche Einzelfallzuweisung an eine derartig vorbefasste Strafkammer sei nicht vertretbar.
Der Vorsitzende der erkennenden Strafkammer 29a hat den Besetzungseinwand dem Präsidium zur Entscheidung über die darin liegende Gegenvorstellung gegen die Ableitung vorgelegt. Das Präsidium hat in seiner Sitzung vom 25. Januar 2006 keine Veranlassung gesehen, von der am 15. November 2005 getroffenen und am 30. November 2005 bestätigten Entscheidung abzugehen. Daraufhin hat das Landgericht die Besetzungsrüge als unbegründet zurückgewiesen, weil die Entscheidungen des Präsidiums für die Strafkammer bindend seien.
b) Der geltend gemachte Revisionsgrund des § 338 Nr. 1b StPO liegt nicht vor. Die erkennende Strafkammer war nicht vorschriftswidrig besetzt. Das Präsidium durfte die große Strafkammer 29 um nur eine Haftsache, nämlich das gegenständliche Verfahren entlasten (vgl. BGHSt 44, 161, 166). Der Vortrag der Revisionen belegt den geltend gemachten Ermessensfehler, es unterlassen zu haben, die abgeleitete Sache mit dem am 15. November 2005 bei der großen Strafkammer 29 eingegangen weiteren Verfahren abgewogen zu haben, nicht. Die Behauptung, zum Zeitpunkt des Präsidiumsbeschlusses am 15. November 2005 sei der Eingang der weiteren Sache bekannt gewesen, wird durch den Revisionsvortrag nicht bewiesen. Soweit die Revisionen auf die Kenntnis dieses Umstandes zum Zeitpunkt der bestätigenden Entscheidung vom 30. November 2005 und der Entscheidung über die Gegenvorstellung vom 25. Januar 2006 abstellen, wird nichts dafür vorgetragen, warum die Ableitung gerade der hier vorliegenden umfangreichen Haftsache einen Ermessensfehler des Präsidiums begründen könnte (vgl. BGHSt 44, 161, 170; vgl. auch BVerfG - Kammer - NJW 2005, 2689, 2690). Zu welchen Änderungen des Jahresgeschäftsverteilungsplans das Präsidium nach § 21e Abs. 3 GVG wegen Überlastung eines Spruchkörpers zwingt, ist weitgehend dem pflichtgemäßen Ermessen des Präsidiums überlassen (BGHSt aaO). Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sein eigenes Ermessen an die Stelle des pflichtgemäßen Ermessens des Präsidiums des Landgerichts zu setzen (BGHSt aaO m.w.N.).
Das Präsidium hat das ihm zustehende Ermessen auch nicht dadurch überschritten, indem es daran festgehalten hat, die erkennende Hilfsstrafkammer 29a mit zwei Richtern zu besetzen, die in der Ausgangssache gegen K. und O. Recht gesprochen haben. Das Interesse der Rechtspflege an einer problemlosen Handhabung des konkreten Verfahrens ist nicht Entscheidungsmaßstab für die Ableitungsentscheidung. Hierfür kommt es lediglich auf die konkrete Überlastung oder unzureichende Auslastung des jeweiligen Spruchkörpers unter Beachtung des Abstraktionsprinzips an (vgl. BGHSt aaO).
Diese Auffassung wird aus rechtssystematischer Sicht bestätigt durch die in § 338 Nr. 2 und 3 StPO genannten Revisionsgründe und den diesen zugrunde liegenden Verfahrensvorschriften. Nur in deren Rahmen können allein behauptete Verstöße gegen die Neutralitätspflicht eines Richters geltend gemacht werden. Schließlich machen die Revisionen auch vor dem Hintergrund des weiteren - aber offensichtlich unbegründeten - Antrags gemäß § 22 Nr. 5 StPO analog nicht mehr als eine schlichte Vorbefassung des Vorsitzenden und eines Beisitzers geltend. Daran ändert auch die - ersichtlich vorsorgliche - Benennung des Vorsitzenden als Zeugen in der Anklageschrift für dessen Wahrnehmungen in der Hauptverhandlung gegen K. nichts. In einem solchen Fall könnten sogar die erkennenden Richter noch zur Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch in analoger Anwendung von § 26a Abs. 1 Nr. 2 Alternative 1 StPO berufen sein (vgl. BVerfG - Kammer -, Beschluss vom 29. Januar 2007 - 2 BvR 1743/06; BGHSt 50, 216, 220). Daraus folgt, dass das Präsidium des Landgerichts bei Nichtbeachtung einer schlichten Vorbefassung sein Ermessen nicht überschritten haben kann. ..." (BGH, Beschluss vom 22.05.2007 - 5 StR 94/07)
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?... Näherer Erörterung bedarf lediglich die Rüge der vorschriftswidrigen Besetzung des erkennenden Gerichts (§ 338 Nr. 1 StPO).
1. Die 2. große Strafkammer des Landgerichts Limburg hatte den Angeklagten am 11. November 2004 wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen sowie wegen weiterer Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat mit Beschluss vom 8. April 2005 das Urteil im Schuldspruch wegen erpresserischen Menschenraubs, im Gesamtstrafenausspruch und soweit eine Maßregel nach § 64 StGB nicht angeordnet worden war, aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Limburg vom 13. Dezember 2004 für das Geschäftsjahr 2005 war für aufgehobene und zurückverwiesene Schwurgerichtssachen und Strafsachen der 2. Strafkammer die 1. Strafkammer zuständig. Durch nicht begründeten Präsidiumsbeschluss vom 27. Juli 2005 wurde die Zuständigkeit für zurückverwiesene Strafsachen auf die 5. Strafkammer übertragen, auch für Zurückverweisungen vor dem 1. August 2005, soweit noch kein Hauptverhandlungstermin bestimmt worden war. Mit Schriftsatz vom 2. November 2005 übersandte der Verteidiger des Angeklagten der 1. Strafkammer den Entwurf einer Besetzungsrüge, der u. a. der Präsidiumsbeschluss vom 27. Juli 2005 und ein Auszug aus dem Geschäftsverteilungsplan betreffend die 1. Strafkammer beigefügt waren. Gerügt wurde, dass der Präsidiumsbeschluss vom 27. Juli 2005 keine Begründung für die Umverteilung enthalte, dass es sich um eine unzulässige Einzelzuweisung handele und dass die Voraussetzungen des § 21 e Abs. 3 GVG nicht vorgelegen hätten. Als Hintergrund für die Übertragung wurde in dem Entwurf einer Besetzungsrüge mitgeteilt, dass man nach Auskunft des Vorsitzenden der 1. Strafkammer zu Beginn des Geschäftsjahres vergessen hätte, der 1. Strafkammer für aufgehobene Strafsachen der 2. Strafkammer Schöffen zuzulosen. Dies sei dem Vorsitzenden erst bei der Bearbeitung der ersten zurückverwiesenen Sache aufgefallen. In diesem Fall hätten nach Auffassung der Verteidigung gemäß § 46 GVG Schöffen aus der Hilfsschöffenliste ausgelost werden müssen.
Mit Beschluss vom 17. November 2005, der Verteidigung am selben Tage übersandt, begründete das Präsidium die Änderung der Geschäftsverteilung nachträglich. In der Hauptverhandlung vom 24. November 2005 vor der 5. Strafkammer erhob der Verteidiger sodann die im Schriftsatz vom 22. November 2005 formulierte Besetzungsrüge.
2. Die auf § 338 Nr. 1 StPO gestützte Rüge, das Gericht sei mit den in der Besetzungsrüge mitgeteilten Gerichtspersonen der 5. Strafkammer nicht vorschriftsmäßig besetzt, hat keinen Erfolg. Die Rüge ist präkludiert, weil der Angeklagte den Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung in der Hauptverhandlung nicht in der vorgeschriebenen Form gemäß § 222 b Abs. 1 Satz 2 StPO erhoben hat.
a) Die Zulässigkeit einer Besetzungsrüge setzt voraus (§ 338 Abs. 1 Nr. 1 b StPO), dass der Besetzungseinwand bereits in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht ?rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemacht worden ist'. Die Vorschrift des § 338 Abs. 1 Nr. 1 b StPO nimmt damit Bezug auf § 222 b Abs. 1 Satz 2 StPO, der bestimmt, dass die Tatsachen, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung ergeben soll, anzugeben sind. Mit den durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 eingeführten Rügepräklusionsvorschriften der §§ 338 Nr. 1, 222 b Abs. 1 StPO wollte der Gesetzgeber erreichen, dass Besetzungsfehler bereits in einem frühen Verfahrensstadium erkannt und geheilt werden, um zu vermeiden, dass ein möglicherweise mit großem justiziellem Aufwand zustande gekommenes Strafurteil allein wegen eines Besetzungsfehlers im Revisionsverfahren aufgehoben und in der Folge die gesamte Hauptverhandlung - mit erheblichen Mehrbelastungen sowohl für die Strafjustiz als auch für den Angeklagten - wiederholt werden muss (BT-Drucks. 8/976 S. 24 ff.). Deshalb müssen alle Beanstandungen gleichzeitig geltend gemacht werden (§ 222 b Abs. 1 Satz 3 StPO). Ein Nachschieben von Gründen ist nicht statthaft (Meyer-Goßner StPO 49. Aufl. § 222 b Rdn. 7; Tolksdorf in KK-StPO 5. Aufl. § 222 b Rdn. 7; Gollwitzer in LR 25. Aufl. § 222 b Rdn. 18). Diese Grundsätze gelten auch bei evidenten Besetzungsmängeln, die allen Verfahrensbeteiligten ohne weiteres erkennbar oder sogar bekannt sind. Auch in diesen Fällen sind deshalb alle konkreten Tatsachen, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit der Besetzung ergeben soll, zur Erhaltung der Besetzungsrüge im Einzelnen vorzubringen. Die Rechtsprechung stellt mit Blick auf den Normzweck und im Sinne der Intentionen des Gesetzgebers hohe Anforderungen an den Inhalt des Besetzungseinwands. Die Begründungsanforderungen an den Besetzungseinwand entsprechen weitgehend den Rügevoraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (BGHSt 44, 161, 162; BT-Drucks. 8/976 S. 47). Fehlt die erforderliche umfassende Begründung, insbesondere ein hinreichend substantiierter Tatsachenvortrag, so ist der Besetzungseinwand nicht in der vorgeschriebenen Form geltend gemacht, mithin nicht zulässig erhoben worden.
b) In der Hauptverhandlung vor der 5. Strafkammer wurde als Besetzungseinwand der Schriftsatz vom 22. November 2005 verlesen, wie von der Revision vorgetragen und vom Protokoll belegt wird; darüber hinaus wurden keine Einwendungen mündlich vorgetragen und auch nicht auf sonstige Schriftstücke oder Aktenbestandteile (mündlich) Bezug genommen.
Die Ausführungen des Schriftsatzes vom 22. November 2005 genügen den Anforderungen an einen formgerechten Besetzungseinwand nicht. Aus ihnen wird schon nicht deutlich, unter welchem rechtlichen Aspekt die Übertragung der Zuständigkeit für zurückverwiesene allgemeine Strafsachen von der 1. Strafkammer auf die 5. Strafkammer beanstandet werden soll, und welche Tatsachen dem zugrunde liegen. Die Verteidigung behauptet darin nur, diese Übertragung der Zuständigkeit auf eine andere Strafkammer sei von § 21 e Abs. 3 GVG nicht erfasst, trägt aber keine Tatsachen dafür vor, um welche Fallgestaltung es sich hier handelt.
aa) In der kurzen Schilderung des Verfahrensablaufs wird zwar durch kursives Schriftbild hervorgehoben, dass der Präsidiumsbeschluss vom 27. Juli 2005 keine weitere Begründung für die Übertragung der Zuständigkeit enthalte, ferner wird mitgeteilt, dass die Übertragung auch für Zurückverweisungen vor dem 1. August 2005 gelten solle. Ob damit (auch) die fehlende Begründung und eine rechtsfehlerhafte Einzelzuweisung gerügt werden sollen, bleibt aber unklar, nachdem in dem Schriftsatz weiter geschildert wird, dass das Präsidium mit Beschluss vom 17. November 2005 eine Begründung nachgeholt habe, die aber die Änderung der Geschäftsverteilung nicht rechtfertige. Dass das Nachholen einer Begründung unzulässig sei, wird nicht geltend gemacht. Dass von der Übertragung lediglich eine einzige Sache - die vorliegende - betroffen war, wird nicht dargelegt. In dem zuvor der 1. Strafkammer übersandten Entwurf einer Besetzungsrüge hatte der Verteidiger die Besetzung hingegen ausdrücklich auch unter diesen beiden Aspekten gerügt und näher erläutert.
bb) In dem Schriftsatz vom 22. November 2005 wird der Inhalt des Präsidiumsbeschlusses vom 17. November 2005 zudem nur auszugsweise wie folgt mitgeteilt: ?? der Vorsitzende der 1. Strafkammer habe sich an einem Vorgehen nach § 46 GVG mangels Fehlens einer planwidrigen Regelungslücke im Hinblick auf die Möglichkeit der Änderung der Geschäftsverteilung gehindert gesehen. Dieser Ansicht habe sich das Präsidium angeschlossen.' Dazu äußert die Verteidigung in dem Besetzungseinwand die Auffassung, dass diese Begründung die Änderung der Geschäftsverteilung nicht rechtfertige, da ein Grund nach § 21 e Abs. 3 GVG nicht vorliege und der Katalog des § 21 e Abs. 3 GVG abschließend sei.
Diese Beanstandung ist für sich allein gesehen nicht verständlich, ihr Rügeinhalt erschließt sich nur demjenigen, der die vorangegangenen Verfahrensvorgänge, insbesondere den ?Entwurf' einer Besetzungsrüge vom 2. November 2005 und den Präsidiumsbeschluss vom 17. November 2005 kennt. In dem Besetzungseinwand wird lediglich vorgetragen, dass das Gesetz in § 46 GVG eine Regelung zur Behandlung ?des vorliegenden Problems' enthalte, ohne dieses ?Problem' näher darzulegen. Die im Präsidiumsbeschluss geschilderten Hintergründe für die Zuständigkeitsübertragung - dass für die 1. Strafkammer keine Schöffen gewählt seien für die Verhandlung zurückverwiesener allgemeiner Strafsachen der 2. Strafkammer - teilt die Verteidigung mit dem Besetzungseinwand nicht mehr mit, ebenso wenig den mit dem ?Entwurf' der Besetzungsrüge zunächst vorgelegten Auszug aus dem Geschäftsverteilungsplan betreffend die 1. Strafkammer, der auch Angaben zu deren sonstigen Zuständigkeiten und ihren Sitzungstagen enthält. Es kann dahingestellt bleiben, ob insoweit eine Bezugnahme auf Unterlagen bei den Strafakten der Kammer ausreichen würde (vgl. BGHSt 44, 161, 163), denn eine solche Bezugnahme wird von der Revision nicht behauptet und ergibt sich auch nicht aus dem Inhalt des Schriftsatzes vom 22. November 2005. Auch das Protokoll enthält hierzu keine Angaben.
Dem tatsächlich erhobenen Besetzungseinwand mangelt es mithin an dem erforderlichen umfassenden und substantiierten Tatsachenvortrag. Ohne Kenntnis von den zugrundeliegenden tatsächlichen Umständen und den rechtlichen Erwägungen des Präsidiums für die Übertragung der Zuständigkeit von der einen auf die andere Strafkammer lässt sich nicht beurteilen, ob zum Zeitpunkt des Präsidiumsbeschlusses die Voraussetzungen des § 21 e Abs. 3 GVG vorlagen und die Strafkammer den Besetzungseinwand zu Recht zurückgewiesen hat oder ob die (tatsächlichen oder vermeintlichen) Besetzungsmängel der 1. Strafkammer rechtlich anders hätten gelöst werden können oder müssen. ..." (BGH, Urteil vom 25.10.2006 - 2 StR 104/06)
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?... Die Verfahrensrügen sind jedenfalls unbegründet, weil nach dem Revisionsvorbringen den Anforderungen an die Herstellung der Öffentlichkeit bei der Schöffenauslosung genügt worden ist.
Für die Auslosung der Reihenfolge der Hauptschöffen nach § 77 Abs. 1 GVG i. V. m. § 45 Abs. 2 Satz 1 GVG gelten dieselben Bedingungen wie für die Verfahrensöffentlichkeit vor dem erkennenden Gericht nach § 169 GVG (BGH NStZ 1984, 89). Der Grundsatz der Öffentlichkeit besagt, dass jedermann ohne Ansehung seiner Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen und ohne Ansehung bestimmter persönlicher Eigenschaften die Möglichkeit hat, an den Verhandlungen des Gerichts als Zuhörer teilzunehmen (BGHSt 27, 13, 14, st. Rspr.).
Unbeschadet der Tatsache, dass es zur Vermeidung von Verfahrensbeschwerden wie diesen angezeigt ist, generell die Schöffenauslosung ebenso wie eine Hauptverhandlung in Strafsachen anzukündigen und - regelmäßig in einem Sitzungssaal - durchzuführen, ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden, gewisse Anforderungen an den interessierten Bürger, der sich den Zugang zu einer öffentlichen Verhandlung in einem Gericht verschaffen will, zu stellen. Die Möglichkeit, ohne besondere Schwierigkeiten an einer öffentlichen Gerichtsverhandlung teilzunehmen, bedeutet nicht, dass dem Bürger, der heute bei vielen Gerichten aus Sicherheitsgründen durch Bedienstete kontrolliert wird, nicht zuzumuten wäre, ein Richterzimmer oder einen Verhandlungssaal entweder über ein Vorzimmer zu betreten oder den Einlass durch Klopfen zu erlangen. Dem entspricht es, dass die Öffentlichkeit in einem Verhandlungssaal auch dann als gewahrt anzusehen ist, wenn zwar die unmittelbare Tür verschlossen ist, potentielle Zuhörer aber durch die geöffnete Saaltür den Zuhörerraum betreten können (Senatsurteil vom 14. Juli 1970 - 1 StR 102/70; Kissel/ Mayer, GVG 4. Aufl. § 169 Rdn. 22). Die Voraussetzungen für eine ?öffentliche" Verhandlung liegen auch dann vor, wenn die Eingangstür des Gerichtsgebäudes - etwa aus Sicherheitsgründen - verschlossen ist, der Zuhörer sich aber mit Hilfe einer Klingel Einlass verschaffen kann (BVerwG NVwZ 2000, 1298).
So liegt der Fall auch hier. Nach den dienstlichen Stellungnahmen des Präsidenten des Landgerichts, die für das Revisionsgericht hinsichtlich der Beschreibung der tatsächlichen Verhältnisse grundsätzlich maßgeblich sind (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Januar 2006 - 1 StR 527/05), liegt sein Dienstzimmer in einem für den Besucherverkehr frei zugänglichen Teil des Landgerichts. Zwar ist sein Dienstzimmer, in dem bisher nicht nur Schöffenwahlen, sondern auch andere Sitzungen stattfinden, mit einem (nicht drehbaren) Knauf und nicht mit einer Klinke gegen einen gänzlich ungehinderten Eintritt gesichert. Es bereitet dem interessierten Zuhörer keine besonderen Schwierigkeiten, entsprechend dem hier angebrachten Hinweisschild das Präsidentenzimmer durch das regelmäßig besetzte Vorzimmer zu betreten oder durch Klopfen an der Tür Einlass zu erlangen (vgl. in ähnlichem Sinne schon Senat NStZ 1985, 514). ..." (BGH, Beschluss vom 23.03.2006 - 1 StR 20/06).
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Überbesetzung einer Großen Strafkammer und gesetzlicher Richter Für die Berechnung einer absoluten Grenze der Überbesetzung eines Spruchkörpers ist dessen vollständige Besetzung maßgeblich (BVerfG, Beschluß vom 03.05.2004 - 2 BvR 1825/02 zu GVG §§ 76, 78 b Abs. 1; StPO § 338 Nr. 1; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2).
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Die Entscheidung über die Besetzung der Großen Strafkammer in der Hauptverhandlung (§ 76 Abs. 2 GVG) kann nicht deshalb geändert werden, weil wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplans eine andere Strafkammer für den Fall zuständig geworden ist (BGH, Beschluss vom 23.08.2005 - 1 StR 350/05).
Wird eine Strafsache auf einen Tag zwischen zwei ordentlichen Sitzungstagen terminiert, die zu diesem Zeitpunkt bereits mit Fortsetzungsverhandlungen in anderen Sachen belegt waren, so handelt es sich nicht um eine ordentliche Sitzung, bei der der Sitzungstag lediglich nach vorn oder nach hinten verlegt worden ist, sondern um eine außerordentliche Sitzung, für die Hilfsschöffen heranzuziehen sind (BGH, Beschluss vom 07.06.2005 - 2 StR 21/05).
Die Mitwirkung von Hilfsschöffen ist nur für außerordentliche Sitzungen vorgesehen. In seiner Entscheidung, wie zur Terminierung anstehende Strafsachen auf die ordentlichen und die notwendig gewordenen außerordentlichen Sitzungen zu verteilen sind, ist der Vorsitzende insoweit nicht frei, als außerordentliche Sitzungen nicht an die Stelle von ordentlichen Sitzungen treten und sie ersetzen dürfen (BGH, Beschluss vom 09.02.2005 - 2 StR 421/04).
Auch unter Berücksichtigung des weiten tatrichterlichen Beurteilungsspielraums macht die Verhandlung über eine Anklage wegen 21 Verbrechen mit einem Aktenumfang von 10 Hauptakten, 21 Fallakten und einer zu erwartenden mehrmonatigen Hauptverhandlung mit mindestens 43 Zeugen die Mitwirkung eines dritten Berufsrichters notwendig (BGH, Beschluss 16.12.2003 - 3 StR 438/03).
Eine große Strafkammer, die nicht als Schwurgericht tätig ist, kann geschäftsplanmäßig mit drei Beisitzern besetzt sein (BGH, Beschluß vom 11.11.2003 - 5 StR 359/03 zu StPO § 338 Nr. 1; GVG §§ 21 e, 76).
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? ... Der GBA hat bereits in seiner Antragsschrift darauf hingewiesen, daß die von allen Angekl. erhobenen Rügen, die Zuständigkeit und Besetzung der erkennenden StrK sei gesetzwidrig manipuliert worden, deshalb unzulässig sind, weil die Bf. die bei den Akten befindliche Stellungnahme des Präsidenten des LG als Vorsitzenden des Präsidiums zu den Gründen der beanstandeten Änderung des Geschäftsverteilungsplans nicht mitgeteilt haben.
Eine solche Änderung des Geschäftsverteilungsplans während des Geschäftsjahres kann gesetzwidrig sein, wenn Gründe nach § 21 e Abs. 3 GVG nicht vorliegen oder sachfremde Gesichtspunkte die Entscheidung des Präsidiums bestimmen. Trägt der Bf. in einem solchen Fall die Gründe nicht vor, die das Präsidium nach der Stellungnahme seines Vorsitzenden zu der Änderung der Geschäftsverteilung veranlaßt haben, und behauptet er lediglich die Willkürlichkeit der Maßnahme, fehlt es nicht nur an der Mitteilung entscheidungserheblicher Tatsachen. Der Bf. entzieht durch einen derart lückenhaften Vortrag seiner Behauptung, die Maßnahme sei gesetzwidrig, den Boden, weil er sich mit den gegen seine Behauptung sprechenden Umständen nicht auseinandersetzen muß. Dies macht die Rügen unzulässig (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO). ..." (BGH StV 1994, 534 ff).
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In einem Fall versehentlich unterbliebener Beschlußfassung gem. § 76 Abs. 2 GVG bei der Eröffnung des Hauptverfahrens ist eine nachträgliche Reduzierung der Anzahl der Berufsrichter noch vor Beginn der Hauptverhandlung grundsätzlich nicht mehr möglich (LG Bremen StV 2004, 251).
Siehe auch unter ?Blinder Richter".
(3) Ausschluss vom Richteramt (Ziffer 2):
(4) Befangenheit (Ziffer 3):
?... 2. Von den auf die Verletzung des § 338 Nr. 3 StPO gestützten Verfahrensrügen, mit denen sich die Revision gegen die ?Zurückweisung' von neun Befangenheitsanträgen des Beschwerdeführers wendet, bedarf der näheren Erörterung nur die Rüge, mit der die Verwerfung des gegen den Vorsitzenden der Strafkammer gerichteten Ablehnungsgesuchs des Beschwerdeführers vom 18. Oktober 2007 beanstandet wird.
a) Zur Begründung dieses Ablehnungsgesuchs führte die Verteidigerin des Beschwerdeführers u. a. aus: Der Verteidiger des Mitangeklagten G. , Rechtsanwalt R. , habe im Zusammenhang mit der Vernehmung des Zeugen Gü. einen schriftlichen Antrag auf Wortlautprotokollierung angekündigt. Dabei sei es zu einer Auseinandersetzung zwischen Rechtsanwalt R. und dem Vorsitzenden gekommen, in deren Verlauf sich der Verteidiger gegen den Ton des Vorsitzenden verwahrt und die Verhandlungsführung beanstandet habe. Nach einer kurzen Unterbrechung der Sitzung habe der Vorsitzende ?völlig überraschend' den nicht gestellten, sondern nur angekündigten Antrag auf Protokollierung zurückgewiesen. Daraufhin habe sie die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt, weil sie keine Gelegenheit gehabt habe, für den Beschwerdeführer zu ?diesem Antrag' Stellung zu nehmen. Dies habe der Vorsitzende mit der Bemerkung kommentiert: ?Dies ist ja lachhaft'. Diese Bemerkung könne nur so verstanden werden, dass der Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör nicht ernst genommen werde, weil das Gericht sich sein Urteil zu dessen Nachteil bereits gebildet habe.
Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch durch Beschluss vom 25. Oktober 2007 gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 und Nr. 3 StPO als unzulässig verworfen. Die beanstandete Äußerung des abgelehnten Richters habe sich nicht gegen eine bestimmte Person gerichtet. Gründe, die geeignet seien, die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Beschwerdeführer zu begründen, seien ?ersichtlich' nicht vorgetragen worden. Zudem verfolge das ?mit einer völlig ungeeigneten Begründung' versehene Ablehnungsgesuch ?offensichtlich verfahrensfremde Zwecke, nämlich rein demonstrative'.
Die Revision macht geltend, dieser Beschluss sei ?aus den Gründen des Ablehnungsgesuchs' rechtsfehlerhaft, weil die Voraussetzungen des § 26a StPO nicht vorgelegen hätten.
b) Die Verfahrensrüge greift nicht durch.
Eine Prüfung des Revisionsvorbringens unter dem rechtlichen Gesichtspunkt, ob dem Beschwerdeführer im Ablehnungsverfahren der gesetzliche Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) durch eine willkürliche Anwendung der Zuständigkeitsregelungen der §§ 26a, 27 StPO entzogen worden ist (vgl. BVerfG NJW 2005, 3410; NJW 2006, 3129; BGH NStZ 2006, 50; Senatsbeschluss vom 10. April 2008 - 4 StR 443/07), ist dem Senat verwehrt. Kommen - wie hier - mehrere Verfahrensmängel in Betracht, muss vom Beschwerdeführer die Angriffsrichtung der Rüge deutlich gemacht und dargetan werden, welcher Verfahrensmangel geltend gemacht wird (vgl. BGH NStZ 1998, 636; 1999, 94). Dass mit der Verfahrensrüge (auch) eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG im Ablehnungsverfahren geltend gemacht werden soll, lässt sich dem Revisionsvorbringen jedoch nicht entnehmen. Eine so verstandene Rüge hätte zudem nur dann den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO genügt, wenn vorgetragen worden wäre, dass die Strafkammer über das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters (§ 26a Abs. 2 Satz 1 StPO) entschieden hat. Dass dies der Fall war, ergibt sich nicht schon aus der Verwerfung des Gesuchs als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO. Vielmehr kann ein Ablehnungsgesuch auch noch von dem nach § 27 StPO beschließenden Gericht als unzulässig verworfen werden (BGHSt 21, 334, 337). Es liegt sogar nahe, das Regelverfahren nach § 27 StPO zu wählen, wenn die Frage der Unzulässigkeit nicht klar und eindeutig zu beantworten ist (vgl. BVerfG NJW 2005, 3410, 3412; BGH NStZ 2006, 50, 51).
Die danach verbleibende Prüfung der Rüge der ?Zurückweisung' des Ablehnungsgesuchs nach Beschwerdegrundsätzen ergibt folgendes:
Das Gesuch war zwar zulässig, insbesondere war seine Begründung nicht aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet. Das Gesuch war aber, die Richtigkeit der behaupteten Ablehnungsgründe unterstellt, sachlich nicht begründet. Die Reaktion des Vorsitzenden auf die Rüge der Verteidiger des Beschwerdeführers, ihnen sei vor der Entscheidung über die vom Verteidiger des Mitangeklagten G. gestellten Antrages keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, war zwar in der Form unangemessen. Die Unmutsäußerung des Vorsitzenden war aber unter den gegebenen Umständen aus der Sicht eines verständigen Angeklagten (vgl. BGHSt 21, 334, 341) nicht geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu rechtfertigen.
Unmutsäußerungen eines abgelehnten Richters dürfen nicht isoliert, sondern müssen in dem Zusammenhang, in dem sie gefallen sind, betrachtet werden (vgl. BGH NStZ 2000, 325). Das Protokoll über die Hauptverhandlung und das Vorbringen der Revision belegen, dass die Atmosphäre zwischen dem Gericht und den Verteidigern sowohl des Beschwerdeführers als auch des Mitangeklagten G. während der gesamten Hauptverhandlung erheblich gespannt war. Erst im Verfahren entstandene Spannungen zwischen Gericht und Verteidigern begründen jedoch in aller Regel nicht die Besorgnis der Befangenheit (vgl. BGH NStZ 2005, 218 m. N.). Diese kann sich allerdings aus Reaktionen des Richters ergeben, die in keinem vertretbaren Verhältnis zu dem sie auslösenden Anlass stehen (vgl. BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 8). So liegt es hier jedoch nicht. Auch am 27. Hauptverhandlungstag war es während der Vernehmung des Polizeibeamten Gü. , die zwischen 10:08 Uhr und 11:00 Uhr fünfmal, davon zweimal auf Antrag des Beschwerdeführers, unterbrochen wurde, zu Spannungen zwischen dem Vorsitzenden und den Verteidigern, insbesondere dem Verteidiger des Mitangeklagten G. gekommen. Entgegen dem Vorbringen der Revision hatte dieser im Verlauf der Vernehmung des Zeugen Gü. nicht ?lediglich' angekündigt, schriftlich einen Antrag auf Protokollierung zu stellen. Vielmehr beantragte der Verteidiger des Mitangeklagten G. ausweislich des Protokolls, dem insoweit gemäß § 274 StPO Beweiskraft zukommt, mündlich ?die wörtliche Protokollierung einer Äußerung des Zeugen.' Nach zwei kurzen Unterbrechungen der Hauptverhandlung und einem Wortwechsel zwischen dem Vorsitzenden und dem Verteidiger des Mitangeklagten G. lehnte der Vorsitzende diesen Antrag mit der Begründung ab, dass es auf den Wortlaut der Äußerung des Zeugen unter keinem, wie auch immer gearteten rechtlichen Gesichtspunkt ankomme. Von der Möglichkeit, gemäß § 274 Abs. 3 Satz 2 StPO die Entscheidung des Gerichts zu beantragen, machte keine der an der Verhandlung beteiligten Personen Gebrauch. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Reaktion des Vorsitzenden auf die Rüge der Verteidiger des Angeklagten, sie hätten keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Antrag gehabt, als eine spontane, noch verständliche Unmutsäußerung dar. ..." (BGH, Beschluss vom 09.06.2009 - 4 StR 461/08)
***
?... Das Landgericht hat die Grenzen, innerhalb derer die abgelehnten Richter selbst über den Antrag entscheiden konnten (vgl. hierzu BVerfG NJW 2005, 3410; 2006, 3129), nicht überschritten. Es hat die Ablehnung auf § 26 a Abs. 1 Nr. 3 StPO gestützt und seine Überzeugung von der dem Antrag zugrunde liegenden Verschleppungsabsicht rechtsfehlerfrei gewonnen aus dem Antrag selbst (abgelehnt waren neben der erkennenden Kammer zehn weitere, in Strafkammern tätige Berufsrichter des Landgerichts), der Verfahrenssituation (Ende des von der Kammer vorgesehenen Beweisprogramms) sowie aus dem dem Antrag vorangehenden Prozessgeschehen (ganztägige Auseinandersetzung um die Verhandlungsfähigkeit des die Aufnahme von Nahrung und Flüssigkeit verweigernden Angeklagten, bei der der Verteidiger sogar - vergeblich - das Verwaltungsgericht angerufen hatte). Zur Begründung der Prozessverschleppung sind die Richter nicht umhin gekommen, auch das eigene Verhalten im Verlauf des Verhandlungstages zu schildern. Zu Richtern "in eigener Sache" sind sie dadurch nicht geworden. Die zu § 26 a Abs. 1 Nr. 2 StPO entwickelten Grundsätze (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 26 a Rdn. 4 a m. w. N.) gelten hier insoweit nicht. ..." (BGH, Beschluss vom 13.03.2008 - 3 StR 509/07).
***
?... 2. Der Befangenheitsrüge (§ 338 Nr. 3 StPO) liegt folgendes Geschehen zugrunde: Die Berichterstatterin und der Vorsitzende der Strafkammer kamen nach Prüfung der Akten am 5. Dezember 2006 übereinstimmend zu der Einschätzung, dass die Angeklagte im Falle eines umfassenden glaubhaften Geständnisses angemessen bestraft würde, wenn eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten nicht überschritten würde. Der Vorsitzende rief noch am gleichen Tag den Verteidiger an und teilte ihm ?diese Prognose" der Berufsrichter mit. Der Verteidiger kündigte am 6. Dezember 2006 nach Besprechung mit seiner Mandantin gegenüber dem Vorsitzenden deren geständige Einlassung an. Das Hauptverfahren wurde noch am 6. Dezember 2006 eröffnet und unter Verzicht der Angeklagten auf Einhaltung der Ladungsfrist Termin zur Hauptverhandlung auf den 12. Dezember 2006 bestimmt. Zeugen wurden nicht geladen.
Der Vorsitzende teilte schließlich am 11. Dezember 2006 dem Anklageverfasser, der auch zum Sitzungsdienst in dieser Sache eingeteilt worden war, mit, dass ein Geständnis angekündigt sei und er eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten für angemessen erachte. Dieser Strafprognose widersprach der Staatsanwalt.
Vor Beginn der Hauptverhandlung bemerkte der Verteidiger gegenüber dem Sitzungsvertreter, dass er die Zusage des Vorsitzenden betreffend die Freiheitsstrafe für den Fall eines Geständnisses der Angeklagten als verbindlich betrachtet habe und überrascht sei, dass der Staatsanwalt nichts davon wisse. Der Staatsanwalt lehnte sodann die Berufsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit ab, weil sich das Gericht bei dieser Sachlage unter bewusster Ausklammerung der Staatsanwaltschaft bereits vor Beginn der Hauptverhandlung auf eine Strafe verbindlich festgelegt habe. Das Befangenheitsgesuch ist als unbegründet zurückgewiesen worden.
3. Ob die Verfahrensrüge mangels Mitteilung des weiteren Prozessverhaltens der Staatsanwaltschaft nach Bekanntgabe und Protokollierung einer Strafobergrenze zu Beginn der Hauptverhandlung zulässig ist (vgl. zur eventuellen Maßgeblichkeit dieses Vortrags für die Frage der Statthaftigkeit einer solchen Revisionsrüge BGHSt [GS] 50, 40, 52; BGHR StPO § 338 Nr. 3 Revisibilität 4 und 5), kann dahinstehen. Die Rüge greift jedenfalls in der Sache nicht durch.
a) Sie ist offensichtlich unbegründet, soweit die beisitzende Richterin betroffen ist. Diese hat nach dem gesamten Revisionsvortrag lediglich ihre richterliche Pflicht als Berichterstatterin erfüllt, indem sie die Sach- und Rechtslage geprüft und eine - ersichtlich nicht einen gerechten Schuldausgleich missachtende (vgl. BGHSt 45, 312, 318 f.) - vorläufige Prognose zur Strafhöhe im Falle eines Geständnisses gestellt hat. An allen weiteren Vorgängen, die von der Revision zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit herangezogen werden, war die abgelehnte Richterin nicht beteiligt.
b) Auch in Bezug auf den Vorsitzenden ist die Rüge unbegründet. Soweit sie sich darauf stützt, der Vorsitzende habe dem Verteidiger ohne Beteiligung der Staatsanwaltschaft eine verbindliche Strafobergrenze zugesichert, spricht nichts für ein solches Geschehen, was indes eine Besorgnis der Befangenheit hätte nahe legen können (vgl. BGHSt 45, 312, 316; BGHR StPO vor § 1/faires Verfahren - Vereinbarung 16).
aa) Allerdings hat der Vorsitzende gegenüber dem Verteidiger eine nach Einschätzung der Berufsrichter angemessene Strafobergrenze von drei Jahren und sechs Monaten genannt. Dies rechtfertigt nicht die Annahme einer Besorgnis der Befangenheit. Der Vorsitzende hat in beiden dienstlichen Erklärungen - bestärkt in der Stellungnahme zur Verfahrensrüge - bekundet, dass er - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verbindlichkeit zugesicherter Strafobergrenzen - die mitgeteilte Strafe als Prognose verstanden wissen wollte, und hat ersichtlich bei dem Verteidiger eine solche Kenntnis des Verfahrensrechts vorausgesetzt, die eine dahingehende Wertung ermöglicht hätte. Damit war die möglicherweise vom Verteidiger als verbindliche Zusicherung missverstandene Erklärung des Vorsitzenden aber nicht von einem entsprechenden Bindungswillen des Vorsitzenden getragen. Eine Befangenheit wegen der Erklärung gegenüber dem Verteidiger aus Sicht der Staatsanwaltschaft scheidet - insoweit übereinstimmend mit der Auffassung des Generalbundesanwalts - aus.
bb) Soweit die Revision geltend macht, der Vorsitzende habe gezielt an der Staatsanwaltschaft vorbei Vorgespräche mit der Verteidigung geführt (vgl. BGHR StPO vor § 1/faires Verfahren - Vereinbarung 15 und 16; BGHSt [GS] 50, 40, 47), und behauptet, dass der Sitzungsstaatsanwalt über die Kommunikation zwischen Gericht und Verteidigung vollständig in Unkenntnis gelassen werden sollte, ist dieser auf Schlussfolgerungen beruhende Vortrag nicht durch Indizien des Geschehensablaufs bewiesen. Im Gegenteil: Der Vorsitzende war berechtigt, auch einseitig mit der Verteidigung zwecks Förderung des Verfahrens Kontakt aufzunehmen (vgl. BGHSt 42, 46, 47; BGHR StPO vor § 1/faires Verfahren - Vereinbarung 15), und erst in der Hauptverhandlung verpflichtet, dies offenzulegen (vgl. BGHSt 42, 46, 50; 43, 195, 206). Letztlich spricht nichts gegen die Richtigkeit der Stellungnahme des Vorsitzenden zur Verfahrensrüge, dass er entschlossen gewesen sei, den Inhalt der Vorgespräche in der Hauptverhandlung öffentlich zu machen und zu protokollieren. Aus der Mitteilung des Vorsitzenden an den Staatsanwalt am Tag vor der Hauptverhandlung, die neben der Ankündigung des Geständnisses durch den Verteidiger die Straferwartung der Berufsrichter zum Inhalt hatte, konnte der Staatsanwalt zudem auf eine entsprechende Information des Verteidigers vor seiner Ankündigung unschwer schließen. Zwar wären eine eindeutiger gefasste Mitteilung an den Staatsanwalt über die Vorbesprechung und eine sachlich klarere Ausräumung bei der Staatsanwaltschaft eingetretener Missverständnisse in der dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden (vgl. zu deren Bedeutung BGHSt 23, 200, 203; BGHR StPO § 338 Nr. 3 Revisibilität 1) vorzugswürdig gewesen. Gleichwohl ist dem Verhalten des abgelehnten Strafkammervorsitzenden bei besonnener Betrachtungsweise eine bewusst unvollständige Unterrichtung der Staatsanwaltschaft nicht zu entnehmen.
cc) Auch in einer Gesamtschau mit weiteren Umständen lässt sich eine Besorgnis der Befangenheit nicht erkennen. Der Vorsitzende ist nicht vorschnell auf eine Urteilsabsprache ausgewichen, ohne zuvor pflichtgemäß die Anklage tatsächlich anhand der Akten und insbesondere auch rechtlich überprüft zu haben (vgl. BGHSt [GS] 50, 40, 49 m.w.N.). Die Verfahrensgestaltung (Verzicht auf Ladung von Zeugen; Hinwirken auf Verzicht der Einhaltung der Ladungsfrist) setzte zwar ein starkes Vertrauen des Vorsitzenden in das Zustandekommen einer verfahrensverkürzenden Absprache voraus. Solches kann angesichts der rechtlichen Zulässigkeit dieser Praxis (vgl. BGHSt aaO), zumal bei der hier besonders zügig durchzuführenden Haftsache, aber ebenfalls keine Befangenheit begründen. ..." (BGH, Urteil vom 12.09.2007 - 5 StR 227/07)
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Ein Ablehnungsgesuch ist auch dann i. S. v. § 338 Nr. 3 StPO ?mit Unrecht verworfen', wenn die unter Mitwirkung des abgelehnten Richters beschlossene Verwerfung gem. § 26 a StPO als unzulässig auf einer willkürlichen oder die Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG grundlegend verkennenden Rechtsanwendung beruht; auf die sachliche Berechtigung der Ablehnungsgründe kommt es in diesem Fall nicht an (Abkehr von BGHSt 23, 265; im Anschluß an BVerfG [Kammer], Beschl. v. 2. 6. 2005 - 2 BvR 625 und 638/01 [= StV 2005, 478]; BGH, Beschluss vom 10.08.2005 - 5 StR 180/05).
*** (OLG)
Bestellt das Gericht aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung einen vom Angeklagten nicht gewünschten Pflichtverteidiger, kann - nach den Gegebenheiten des Einzelfalls - der Angeklagte Grund zur Annahme einer Befangenheit des Richters haben. Werden einem neu bestellten Pflichtverteidiger die Akten ohne weiteres in seine Kanzleiräume überstellt, kann sich bei der Verweigerung der Mitgabe der Akten in die Geschäftsräume des Wahlverteidigers der Eindruck einer Ungleichbehandlung aufdrängen, was die Besorgnis der Befangenheit zur Folge haben kann (OLG Dresden, Beschluss vom 17.07.2009 - 1 Ss 347/09 zu StPO §§ 24, 338 Nr. 3, 213, 147 Abs. 4).
(5) Zuständigkeit (Ziffer 4):
Die Jugendschutzkammer hat ihre Zuständigkeit nicht deshalb willkürlich bejaht, weil ihr die Sache durch das Beschwerdegericht zur Eröffnungsentscheidung vorgelegt wurde ((BGH, Beschluss vom 07.03.2012 - 1 StR 6/12):
?... 1. Ohne Erfolg beanstandet der Angeklagte, die Jugendschutzkammer habe ihre sachliche Zuständigkeit willkürlich angenommen und ihn dadurch seinem gesetzlichen Richter entzogen (vgl. hierzu u.a. auch BGH, Urteil vom 22. April 1997 - 1 StR 701/96 = BGHSt 43, 53 ff.; BGH, Urteil vom 27. Februar 1992 - 4 StR 23/92 = BGHSt 38, 212 ff.).
Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 4 StPO ist nicht gegeben.
a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Die Staatsanwaltschaft Hechingen hatte am 7. Dezember 2010 wegen der genannten Taten und eines weiteren, in der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten Vorwurfs Anklage zum Amtsgericht - Strafrichter -Albstadt erhoben. Mit Beschluss vom 12. Mai 2011 lehnte der Strafrichter die Eröffnung des Hauptverfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts ab. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft (§ 210 Abs. 2, § 311 StPO) hob die zuständige Beschwerdekammer des Landgerichts Hechingen mit Beschluss vom 30. Juni 2011 den Ablehnungsbeschluss auf und entschied zugleich, dass die Akten über die Staatsanwaltschaft Hechingen der Großen Jugendkammer - Jugendschutzkammer - des Landgerichts Hechingen zur Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens vorzulegen seien, wobei sie zur Begründung der Vorlage auf die besondere Bedeutung der Sache (§ 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG) verwies. Die Staatsanwaltschaft Hechingen legte daraufhin die Akten mit dem Antrag, das Hauptverfahren dort selbst zu eröffnen, der Jugendschutzkammer vor. Die - hinsichtlich der Berufsrichter mit der Beschwerdekammer personenidentisch besetzte - Jugendschutzkammer ließ gegen die schriftsätzlich vorgebrachten Einwände des Verteidigers mit Beschluss vom 8. August 2011 die Anklage zu und eröffnete (vor sich selbst) das Hauptverfahren. In der Hauptverhandlung wurde keine Zuständigkeitsrüge erhoben.
b) Die Rüge ist unbegründet. Die Jugendschutzkammer (§ 74b GVG) hat ihre sachliche Zuständigkeit nicht willkürlich (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 338 Rn. 32) angenommen.
Ein Richterspruch ist willkürlich, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist, sodass sich der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (BVerfG NJW 1996, 1336; BVerfGE 87, 273, 278 f.; BGH, Urteil vom 8. Dezember 1992 - 1 StR 594/92, NJW 1993, 1607 f.). Eine gerichtliche Zuständigkeitsbestimmung darf sich bei Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen nicht so weit von dem Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernen, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1992 - 1 StR 594/92, NJW 1993, 1607 f.). Bei der Auslegung und Anwendung des Gesetzes kann von Willkür dann nicht gesprochen werden, wenn sich ein Gericht mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (BVerfG NJW 1996, 1336; BVerfGE 87, 273, 279). Selbst eine objektiv falsche Anwendung von Zuständigkeitsnormen genügt unter diesen Umständen für eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG regelmäßig nicht (vgl. BVerfGE 29, 198, 207; 9, 223, 230; ebenso BGH, Urteil vom 13. Februar 1980 - 3 StR 57/80 (S), BGHSt 29, 216, 219).
Bei Anwendung dieser Maßstäbe vermag der Senat in der Bejahung ihrer Zuständigkeit durch die Jugendschutzkammer keine Willkür zu erkennen.
aa) Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang der Verweis der Revision auf die personenidentische Besetzung der Jugendschutzkammer mit der Beschwerdekammer. Die Zuständigkeit ist allein nach Maßgabe der Gerichte und Spruchkörper zu beurteilen. Sind diese nach der Geschäftsverteilung mit denselben Richtern besetzt, bleibt die Lösung hieraus etwaig resultierender Konflikte im Einzelfall ausschließlich den §§ 22 ff. StPO vorbehalten, wobei es über die Personenidentität hinaus des Hinzukommens weiterer Umstände bedarf.
bb) Aus der Tatsache, dass die Jugendschutzkammer den Eröffnungsbeschluss als solchen - auch im Hinblick auf die strittige Frage der sachlichen Zuständigkeit - nicht begründet hat, lässt sich der Vorwurf willkürlichen Verhaltens nicht ableiten. Zwar kann eine Entscheidung im Einzelfall willkürlich sein, wenn sie jeder Begründung entbehrt (vgl. BVerfG NJW 1995, 2911 f.; NJW 1996, 1336); dies gilt jedoch nur dann, wenn sich die Gründe nicht schon aus den für die Verfahrensbeteiligten erkennbaren Besonderheiten des Falles ergeben (vgl. BVerfG NJW 1996, 1336). So aber liegt der Fall hier, da durch das vorausgegangene Beschwerdeverfahren, namentlich den sorgfältig begründeten Beschluss vom 30. Juni 2011, die maßgeblichen Erwägungen der Zuständigkeitsbestimmung bereits offengelegt waren. Wie auch das Revisionsvorbringen zeigt, war für alle Verfahrensbeteiligten offensichtlich, dass die Jugendschutzkammer sich diese Begründung bei ihrer Eröffnungsentscheidung zu Eigen gemacht hat.
cc) Die Annahme ?besonderer Umstände' i.S.d. § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG erfolgte ebenfalls ohne Willkür.
Die von der Beschwerdekammer aufgeführten und von der Jugendschutzkammer ersichtlich übernommenen Kriterien - u.a. die besondere Stellung des Angeklagten als verbeamteter Lehrer, das lokalmediale Interesse an der Aufklärung vor dem Hintergrund einer aktuellen gesamtgesellschaftlichen Diskussion um Übergriffe in Erziehungsverhältnissen, das öffentliche Aufsehen, welches die Vorfälle in der eher ländlichen Gegend erregten, die Unruhe im Alltag der Schule - sind unter Beachtung der einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung herangezogen worden. Auch im Hinblick auf die Zuständigkeit der Jugendschutzkammer als eines Jugendgerichts (§§ 26, 74b GVG) wurde rechtsfehlerfrei auf das Kriterium der notwendigen Einvernahme jugendlicher Zeugen abgestellt (§ 26 Abs. 2, 1. Alt. GVG).
Der von der Revision in diesem Zusammenhang vorgebrachte Einwand des Zeitablaufs vermag den Vorwurf der Willkür nicht zu begründen. Auch unter Berücksichtigung der Zeitspanne zwischen den Tatzeiten und der Durchführung des Strafverfahrens werden die aufgezeigten Kriterien jedenfalls nicht in einem solchen Maße abgeschwächt, dass ihre weitere Berücksichtigung fehlerhaft oder gar willkürlich wäre.
dd) Auch in der Sache trifft der Vorwurf nicht zu, die Jugendschutzkammer habe durch ihre Eröffnungsentscheidung die Bestimmungen über das Vorlageverfahren (§§ 209, 210 StPO) willkürlich umgangen.
Es kann hier dahinstehen, ob ein fehlerhaftes Vorlageverfahren die Annahme von Willkür bei der Bejahung seiner Zuständigkeit bei dem letztlich erkennenden Gericht begründen kann. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn das Vorlageverfahren seinerseits nicht willkürlich erfolgt ist.
Die Begründung des Beschlusses vom 30. Juni 2011 zeigt, dass sich die Beschwerdekammer eingehend mit dem Umfang ihrer Prüfungs- und Entscheidungskompetenz beschäftigt hat. Sie hat dabei die unterschiedlichen Rechtsansichten dargelegt und ist mit überzeugenden Gründen zu einem vertretbaren Ergebnis gelangt.
(1) Die Annahme einer eigenen Prüfungskompetenz des Beschwerdegerichts hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit des Strafrichters unterliegt keinen Bedenken. Insbesondere war die Beschwerdekammer weder durch die in der Anklage von der Staatsanwaltschaft getroffene Zuständigkeitsbestimmung noch durch die Zielrichtung der staatsanwaltschaftlichen Beschwerde in ihrer Prüfungskompetenz beschränkt.
Bei der Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit sind die Gerichte an Anträge der Staatsanwaltschaft nicht gebunden. Vor Entscheidungen des angerufenen erstinstanzlichen Gerichts die sachliche Zuständigkeit betreffend (§§ 225a, 270 StPO) bestehen ab dem Zeitpunkt der Anklageerhebung allenfalls (vorherige) Anhörungspflichten (vgl. Meyer-Goßner aaO, § 270 Rn. 14 mwN); selbst diese entfallen bei § 209 Abs. 2 StPO (vgl. Stuckenberg in Löwe/ Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 209 Rn. 41 mwN; Schneider in KK, StPO, 6. Aufl., § 209 Rn. 15).
Gleiches gilt im Beschwerdeverfahren. Zwar richtete sich im vorliegenden Fall die Beschwerde maßgeblich gegen die Ablehnung des hinreichenden Tatverdachts durch den Strafrichter und nicht gegen die der Ablehnungsentscheidung immanente Zuständigkeitsbestimmung. Eine Beschränkung des Prüfungsumfangs trat dadurch jedoch nicht ein.
Das Beschwerdegericht prüft bereits grundsätzlich die angefochtene Entscheidung nicht nur im Hinblick auf das konkrete Beschwerdebegehren, sondern umfassend (vgl. Cirener in Graf (Hrsg.), BeckOK StPO, Edit. 13, § 309 Rn. 5).
Dieser Grundsatz wird für Beschwerden nach § 210 Abs. 2 StPO allerdings teilweise eingeschränkt. Bei einer Beschwerde gegen die Eröffnung vor einem Gericht niederer Ordnung (§ 210 Abs. 2, 2. Alt. StPO) soll dem Beschwerdegericht nach einer in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung die Prüfung der weiteren Voraussetzungen der Eröffnung, namentlich des hinreichenden Tatverdachts, grundsätzlich untersagt sein (vgl. KG NStZ-RR 2005, 26 mwN; OLG Saarbrücken wistra 2002, 118; aA jedoch BayObLG NJW 1987, 511; Rieß in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 210 Rn. 22; Meyer-Goßner aaO, § 210 Rn. 2).
Für den umgekehrten Fall, in dem sich - wie im vorliegenden Fall geschehen - die Beschwerde gegen die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens richtet (§ 210 Abs. 2, 1. Alt. StPO), wird ein Prüfungsverbot hinsichtlich der Zuständigkeitsfrage demgegenüber nicht vertreten. Vielmehr wird hier eine Prüfungskompetenz ausdrücklich angenommen; lediglich über den weiteren Verfahrensgang, namentlich über die zu treffende Entscheidung des Beschwerdegerichts, besteht Uneinigkeit (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Februar 1986 - 1 Ws 27/85, MDR 1986, 605 f.; Stuckenberg aaO, § 210 Rn. 29; Schneider aaO, § 210 Rn. 11; Julius in Heidelberger Kommentar zur StPO, 4. Aufl., § 210 Rn. 12; Reinhart in Radtke/Hohmann, StPO, 1. Aufl., § 210 Rn. 7; Meyer-Goßner JR 1986, 471 ff.).
Der Senat teilt die Auffassung, dass sich jedenfalls bei einer Beschwerde gemäß § 210 Abs. 2, 1. Alt. StPO die Prüfungskompetenz des Beschwerdegerichts auch auf die Zuständigkeit erstreckt.
Für eine durchgreifende Prüfungskompetenz spricht insbesondere, dass nach § 6 StPO die Gerichte zur Prüfung der sachlichen Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens verpflichtet sind; die Kontrolle der Zuständigkeit der Ausgangsgerichte erfolgt auch in den Rechtsmittelinstanzen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 1957 - 2 StR 575/56, BGHSt 10, 74 ff.; Meyer-Goßner aaO, § 309 Rn. 6; § 328 Rn. 7).
(2) Auch die von der Beschwerdekammer im Ergebnis gewählte weitere Vorgehensweise, die Akten zur Entscheidung über die Eröffnung an die Jugendschutzkammer (vgl. hierzu auch § 209a Nr. 2 StPO) des Landgerichts vorzulegen, ist zumindest vertretbar und unter dem Gesichtspunkt der Willkür nicht zu beanstanden.
(a) Die Berechtigung zur Vorlage der Akten an das für zuständig befundene ranghöhere Gericht wird in Rechtsprechung und Schrifttum befürwortet (vgl. OLG Frankfurt aaO; dem folgend z.B. Julius aaO, § 210 Rn. 12; für den Fall, in dem - wie hier - das zuständige Gericht auch gegenüber dem Beschwerdegericht ein solches höherer Ordnung darstellt, auch Stuckenberg aaO, § 210 Rn. 31, der im Übrigen eine direkte Eröffnung vor dem im Vergleich zum Ausgangsgericht höherrangigen Gericht fordert, aaO, § 210 Rn. 29 und Reinhart aaO, § 210 Rn. 7, der im Übrigen für eine Zurückverweisung an das Ausgangsgericht votiert).
Demgegenüber wird auch vertreten, dass sich das Beschwerdegericht einer Sachentscheidung zu enthalten habe und unter Aufhebung der Ausgangsentscheidung die Sache lediglich zur erneuten Entscheidung über die Eröffnung an das Ausgangsgericht zurückverweisen dürfe (vgl. Meyer-Goßner JR 1986, 471 ff.; grds. auch Reinhart aaO, § 210 Rn. 7).
Nach einer weiteren Auffassung soll das Beschwerdegericht das Hauptverfahren vor dem rangniederen Ausgangsgericht eröffnen können (vgl. Schneider aaO, § 210 Rn. 11).
Nach den beiden letzten Auffassungen hat das Beschwerdegericht nur die Möglichkeit, eine Verweisung der Sache durch das Ausgangsgericht an das höhere Gericht anzuregen (vgl. Meyer-Goßner aaO und Schneider aaO).
Mit diesen widerstreitenden Auffassungen hat sich die Kammer im Beschluss vom 30. Juni 2011 auseinandergesetzt und sich für die Möglichkeit der Vorlage an das ranghöhere Gericht ausgesprochen.
(b) Für diese Vorlageentscheidung sprechen gewichtige sachliche Gründe:
Durch die Vorlage an das ranghöhere Gericht bleibt diesem die eigenständige Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens vorbehalten; die gesetzliche Systematik des Vorlageverfahrens wird gewahrt. Darüber hinaus sichert diese Vorgehensweise die Durchsetzung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts gegenüber dem Ausgangsgericht, während die auf eine - unverbindliche - Anregung beschränkten Auffassungen im Streitfalle nur auf die Möglichkeit der Zurückverweisung oder Eröffnung vor einem anderen, dem Ausgangsgericht gleichgeordneten Gericht (§ 210 Abs. 3 StPO) zurückgreifen können. Die direkte Vorlage durch das Beschwerdegericht trägt zudem prozessökonomischen Aspekten und dem Gedanken der Verfahrensbeschleunigung Rechnung. Ein Instanzenverlust ist nicht zu befürchten; vielmehr wird durch die Vorlage ein neuer Instanzenzug für die Eröffnungsentscheidung gewährt.
Sinn und Zweck der §§ 209, 210 StPO legen eine Vorlageentscheidung des Beschwerdegerichts nahe.
Die in § 209 Abs. 2 StPO enthaltene Formulierung, wonach die Vorlage durch das Gericht zu erfolgen hat, ?bei dem die Anklage eingereicht ist', zwingt im Hinblick auf § 309 Abs. 2 StPO, der dem Beschwerdegericht aufgibt, ?die in der Sache erforderliche Entscheidung' zu treffen, nicht dazu, die Vorlageberechtigung ausschließlich dem erstinstanzlichen Gericht zuzusprechen.
Für die Entscheidungen des Beschwerdegerichts im Zwischenverfahren sind die §§ 209, 210 StPO vielmehr gemeinsam mit § 309 Abs. 2 StPO zu lesen. Nach dem Wortlaut des § 210 Abs. 3 StPO, der mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 1999 - 2 BvR 1067/99 mwN), gibt das Beschwerdegericht lediglich ?der Beschwerde statt' und kann- zusätzlich - das Hauptverfahren vor einem anderen, dem Ausgangsgericht gleichgeordneten Gericht eröffnen. Die grundsätzlich notwendige Entscheidungsformel i.S.d. ?Stattgabe' wird jedoch allein aus § 210 Abs. 3 StPO heraus nicht verständlich, sondern erschließt sich erst unter Hinzuziehung des § 309 Abs. 2 StPO, der ?die in der Sache erforderliche Entscheidung' fordert.
Auch die in § 210 Abs. 3 StPO gegebene Möglichkeit, vor einem anderen, mit dem Ausgangsgericht gleichrangigen Gericht zu eröffnen, führt nicht im Umkehrschluss dazu, dass - materiell - eine andere Entscheidung als die Eröffnung des Hauptverfahrens ausgeschlossen ist. Denn die Bestimmung des § 210 Abs. 3 StPO ist dem § 354 Abs. 2 StPO nachempfunden (vgl. bereits BT-Drucks. I/530, S. 44 zu Nr. 83). Während dessen Vorgängernorm - § 394 Abs. 2 StPO aF - bereits in der 1877 in Kraft getretenen Fassung der StPO vorhanden war, fand § 210 Abs. 3 StPO - als § 204 Abs. 1 Satz 3 StPO aF - erst durch Verordnung vom 13. August 1942 im Zuge des Versuchs einer Beseitigung des Eröffnungsverfahrens Eingang in das Gesetz (RGBl. 1942, S. 512). Nach Kriegsende wurde diese Bestimmung als § 210 Abs. 3 StPO dem im Übrigen in der vor dem Krieg geltenden Fassung wiederhergestellten § 210 (Abs. 1 und 2) StPO angegliedert (BGBl. 1950 I, S. 455). Nach den Motiven (BT-Drucks. I/530, S. 44 zu Nr. 83) handelt es sich um eine ?Fortentwicklung des Verfahrensrechts, die beibehalten werden kann'. Daraus erhellt, dass die zusätzliche Entscheidungsmöglichkeit in § 210 Abs. 3 StPO eine Erweiterung, aber keine inhaltliche Begrenzung der aus § 210 Abs. 1 und 2 StPO eigenständig zu ermittelnden Entscheidungsmöglichkeiten im Eröffnungsverfahren bewirken sollte.
Dass ungeachtet der sprachlichen Fassung des § 210 Abs. 3 StPO auch andere Entscheidungen als lediglich die Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Ausgangs- oder einem diesem gleichgeordneten Gericht möglich sind, zeigt sich auch aus Folgendem:
Obwohl § 210 Abs. 3 StPO keine Zuständigkeitsbestimmung für ein Gericht anderer Ordnung als der des Ausgangsgerichts vorsieht - eine dem § 354 Abs. 3 StPO vergleichbare Bestimmung fehlt -, darf nach einhelliger (und richtiger) Ansicht das Beschwerdegericht - im Hinblick auf § 209 Abs. 1 StPO - das Hauptverfahren auch vor einem rangniedrigeren als dem Ausgangsgericht eröffnen (vgl. Stuckenberg aaO, § 210 Rn. 28; Rieß aaO, § 210 Rn. 21; Ritscher in Graf, StPO, 1. Aufl., § 210 Rn. 7; Reinhart aaO, § 210 Rn. 7; Schneider aaO, § 210 Rn. 11). § 209 Abs. 1 StPO ist (auch hier) gemeinsam mit § 309 Abs. 2 StPO zu lesen, obwohl auf den ersten Blick alleiniger Normadressat das ?Gericht ist, bei dem die Anklage eingereicht ist'.
Ergibt sich aus alledem aber eine über § 210 Abs. 3 StPO hinausgehende Entscheidungskompetenz für das Beschwerdegericht in Fragen der sachlichen Zuständigkeit, so besteht kein Grund, in umgekehrter Richtung eine Sperrwirkung anzunehmen, die eine einander ergänzende Anwendung der §§ 209 Abs. 2 und 309 Abs. 2 StPO mit dem Ergebnis einer Vorlage an das zuständige höhere Gericht ausschließt.
Die Jugendschutzkammer hat daher ihre Zuständigkeit keinesfalls willkürlich angenommen. ..."
(6) Anwesenheit (Ziffer 5):
Die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen in Abwesenheit des aus der Hauptverhandlung entfernten Angeklagten betrifft einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung. Dies gilt nicht, wenn der Angeklagte Gelegenheit hat, die Vernehmung über eine Bild-Ton-Übertragung zeitgleich mitzuverfolgen und er vor der Entlassung des Zeugen nach ausdrücklicher Befragung des Vorsitzenden von seinem Fragerecht keinen Gebrauch machen will. Die Zulässigkeit der Verfahrensrüge der unzulässigen Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten setzt voraus, dass in der Revisionsbegründungsschrift die näheren Umstände der Video-Übertragung im Einzelnen vorgetragen werden (BGH, Urteil vom 09.02.2011 - 5 StR 387/10 zu StPO §§ 338 Nr. 5, 230, 247, 344 Abs. 2 S. 2).
***
Die Durchführung eines förmlichen Augenscheins während der Vernehmung eines Zeugen in Abwesenheit des aus dem Sitzungszimmer entfernten Angeklagten kann auch dann nicht als Teil der Vernehmung des Zeugen angesehen werden, wenn er eng mit dieser verbunden ist (BGH, Beschluss vom 05.10.2010 - 1 StR 264/10 zu StPO §§ 338 Nr. 5, 247, 230 Abs. 1).
***
Die Verfahrensrüge der fortdauernden Abwesenheit des aus dem Sitzungszimmer entfernten Angeklagten während der Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen ist auch ohne Beanstandung dieser Verfahrensweise nach § 238 Abs. 2 StPO zulässig (BGH, Beschluss vom 27.04.2010 - 5 StR 460/08 zu StPO §§ 247, 238 Abs. 2, 338 Nr. 5).
***
Die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen ist kein Teil der Vernehmung im Sinne von § 247 StPO. Die fortdauernde Abwesenheit eines nach § 247 StPO während einer Zeugenvernehmung entfernten Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen begründet regelmäßig den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO (BGH, Beschluss vom 21.04.2010 - GSSt 1/09).
***
Erklärt der nicht zum allgemeinen oder amtlichen Vertreter bestellte erschienene Rechtsanwalt, er sei als ?Vertreter' des beigeordneten Verteidigers erschienen, könne aber nicht als Verteidiger des Angeklagten auftreten, da er mit dem Verfahrensstoff nicht vertraut sei, liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO auch dann vor, wenn lediglich über die Abtrennung des Verfahrens verhandelt und entschieden wird (BGH, Beschluss vom 13.04.2010 - 3 StR 24/10 zu StPO §§ 338 Nr. 5, 4 Abs. 1, 140 zu StPO §§ 338 Nr. 5, 4 Abs. 1, 140).
***
?... Es stellt keinen durchgreifenden Rechtsfehler dar, dass Staatsanwalt - GL - R. den Schlussvortrag gehalten hat, obgleich er zuvor in der Hauptverhandlung als Zeuge zu der Frage vernommen wurde, ob einem anderen Zeugen möglicherweise Zugeständnisse gemacht worden seien. Während der Zeugenvernehmung war er als Sitzungsstaatsanwalt von StA - GL - B. vertreten worden. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die von der Revision erhobene Rüge keinen unbedingten Revisionsgrund im Sinne von § 338 Nr. 5 StPO betrifft (vgl. BGHSt 14, 265, 267). Des Weiteren bekräftigt der Senat seine im Urteil vom 25. April 1989 (NStZ 1989, 583 f.) geäußerten Bedenken, ob die bisherige Rechtsprechung so aufrecht zu erhalten ist, wonach ein als Zeuge in der Hauptverhandlung vernommener Staatsanwalt auch für den Rest der Hauptverhandlung an der Wahrnehmung der Aufgaben des Sitzungsvertreters gehindert sein kann (vgl. hierzu BGHSt 21, 85, 89); denn im Gegensatz zu als Zeugen vernommenen Richtern (§ 22 Nr. 5 StPO), Schöffen, Urkundsbeamten und Protokollführern (§ 31 in Verbindung mit § 22 Nr. 5 StPO) enthält die StPO für Beamte der Staatsanwaltschaft keine Regelung. Dass der Gesetzgeber eine entsprechende Ausschlussmöglichkeit nicht vorgesehen und auch zwischenzeitlich nicht geregelt hat, könnte ohne Weiteres darauf beruhen, dass ansonsten durch geschickte Beweisantragsstellung und in rechtsmissbräuchlicher Weise der mit der Sache befasste und eingearbeitete Anklagevertreter aus dem Verfahren entfernt werden könnte, was letztlich nahezu immer zu einer nach Verfassungsgrundsätzen zu vermeidenden Verfahrensverzögerung führen würde.
Letztlich kann der Senat diese Frage nochmals offen lassen; denn es kann vorliegend ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf dem behaupteten Verfahrensverstoß beruht. Zunächst kann der Senat auch aufgrund des Revisionsvorbringens nicht feststellen, dass der Sitzungsvertreter überhaupt die seiner Zeugenvernehmung zugrunde liegende Beweisbehauptung und seine darauf erfolgte Aussage im Schlussvortrag gewürdigt hat. Im Übrigen betraf die Aussage auch keine eigenen Wahrnehmungen des Staatsanwalts, sondern allein Fragen der dienstlichen Befassung mit dem Verfahren, welche auch - wie vorliegend geschehen - im Rahmen einer dienstlichen Äußerung in ausreichender Weise hätten geklärt werden können. Dies hätte auf keinen Fall einen Ausschluss des Sitzungsvertreters mit sich gebracht. ..." (BGH, Beschluss vom 24.10.2007 - 1 StR 480/07)
***
?... Der Beschwerdeführer macht mit Recht das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes des § 338 Nr. 5 StPO geltend.
a) Der Rüge liegt folgender, von dem Beschwerdeführer vollständig vorgetragener Verfahrensgang zu Grunde: Am ersten Tag der Hauptverhandlung schloss die Strafkammer den Angeklagten gemäß § 247 Satz 1 StPO und die Öffentlichkeit gemäß § 171 b Abs. 1 GVG ?während der Vernehmung der Zeugin Jaqueline B.' von der Verhandlung aus. Nach Ausführung des Beschlusses erschien diese Zeugin, die in diesem Verfahren Nebenklägerin ist. Als Stieftochter des Angeklagten u.a. nach § 52 StPO belehrt, erklärte sie, nicht aussagen zu wollen. Weiter ist im Protokoll festgehalten: ?Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Die Zeugin erklärte: 'Ich bin damit einverstanden, dass alles das verwertet wird, was ich in diesem Verfahren gegenüber der Kriminalpolizei, dem aussagepsychologischen Sachverständigen Dipl.-Psych. D. und der Richterin am AG R. gegenüber gesagt habe'. v.u.g. Die Öffentlichkeit wurde um 12.05 Uhr wieder hergestellt, die Zeugin wurde entlassen und der Angeklagte wieder vorgeführt. Dem Angeklagten wurde der wesentliche Inhalt der Aussage der Zeugin B. bekannt gegeben. Der Angeklagte äußerte sich dazu nicht'.
b) Bei diesem Verfahrensgang beanstandet die Revision mit Erfolg, dass der Angeklagte bei der Verhandlung über die Entlassung der Zeugin B. nicht anwesend war. Der Ausschluss des Angeklagten von der Verhandlung gemäß § 247 StPO ließ die Entfernung des Angeklagten nur während der Vernehmung der Zeugin zu. Die Verhandlung über die Entlassung gehört aber nicht mehr zur Vernehmung, sondern ist ein selbständiger Verfahrensabschnitt und grundsätzlich auch ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung (st. Rspr.; vgl. Meyer-Goßner StPO 49. Aufl. § 247 Rdn. 20 m. Rechtsprechungsnachweisen). Der Angeklagte, dessen Entfernung aus dem Sitzungssaal während der Vernehmung eines Zeugen durch das Gericht angeordnet worden ist, muss daher zur Verhandlung über die Entlassung des Zeugen wieder zugelassen werden. Das ist hier nicht geschehen.
c) Ein Ausnahmefall, in dem trotz vorschriftswidriger Abwesenheit des Angeklagten während der Verhandlung über die Entlassung der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO nicht eingreift, liegt nicht vor (vgl. BGH StV 2000, 239 m.w.N.). Insbesondere kann unter den hier gegebenen Umständen auch nicht ausnahmsweise schon denkgesetzlich jegliches Beruhen des Urteils auf der bloßen Abwesenheit des Angeklagten während der Entscheidung über die Entlassung der Zeugin ausgeschlossen werden (vgl. dazu zuletzt Senatsbeschluss vom 11. Mai 2006 - 4 StR 131/06 m.w.N.). Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob ein solcher Ausnahmefall dann anzunehmen wäre, wenn die Zeugin unter Berufung auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht ?schlicht' jegliche Angaben, die sich auf die Sache beziehen, unterlassen hätte. So liegt es hier im Hinblick darauf, dass die Zeugin trotz ihrer berechtigten Zeugnisverweigerung entsprechend der Senatsentscheidung BGHSt 45, 203 die Verwertung der bei ihren nicht richterlichen Vernehmungen gemachten Angaben gestattet und damit auf das in § 252 StPO enthaltene Verwertungsverbot verzichtet hat, nicht. Ob es sich anders verhielte, wenn die Zeugin diesen Verzicht von sich aus und ohne weitere Angaben erklärt hätte, kann dahin stehen. Denn die Gründe des angefochtenen Urteils weisen aus, dass die Zeugin - ersichtlich im Rahmen der im Protokoll der Hauptverhandlung vermerkten Erörterung der Sach- und Rechtslage - ihr prozessuales Verhalten näher erläutert und angegeben hat, ?sie habe nicht im Hinblick und mit Rücksicht auf die Zwangslage, die Wahrheit zu sagen und dadurch dem Angeklagten zu schaden, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, sondern um nicht noch einmal eine emotional und für sie schmerzhafte Befragung durchzustehen' (UA 11). Damit hat sie sich inzidenter auch zum Wahrheitsgehalt ihrer früheren Angaben geäußert, die eine wesentliche Grundlage für die Überzeugungsbildung der Strafkammer darstellen.
Bei dieser Sachlage musste dem Angeklagten Gelegenheit gegeben werden, die Erläuterung der Zeugin B. in ihrer Anwesenheit, jedenfalls aber vor ihrer Entlassung, zu hinterfragen, um möglicherweise auf eine Änderung ihrer Entscheidung hinzuwirken. Deshalb kann ein denkgesetzlicher Aufschluss des Beruhens auch nicht damit begründet werden, dass der Angeklagte nach Entlassung der Zeugin und seiner Unterrichtung gemäß § 247 Satz 4 StPO sich nicht geäußert hat. ..." (BGH, Beschluss vom 26.09.2006 - 4 StR 353/06 )
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?... Die Revision beruft sich auf § 338 Nr. 5 StPO und rügt ?die Verletzung von § 140 Abs. 1, Abs. 2 und §§ 141 ff. StPO.' Der Sache nach macht sie geltend, der Angeklagte sei am 7. Verhandlungstag (24. August 2005) nicht ordnungsgemäß verteidigt gewesen.
Folgendes liegt zu Grunde: Der Angeklagte hatte im Laufe des Verfahrens schon einer ganzen Reihe von Rechtsanwälten schriftliche Verteidigervollmacht erteilt, zum Teil nach zwischenzeitlicher Mandatsbeendigung mehrfach. Seit dem 4. Verhandlungstag war Rechtsanwältin K. alleinige Verteidigerin, inzwischen vertritt sie den Angeklagten nicht mehr. Nach dem 5. Verhandlungstag (29. Juli 2005) erkrankte sie. Am 6. Verhandlungstag (22. August 2005) - Dauer: zehn Minuten - erschien ausweislich des Protokolls eine derselben Kanzlei angehörige Rechtsanwältin ?in Untervollmacht für RAin K. , die erkrankt ist. Der Angeklagte erklärte hiermit Einverständnis'. Im Übrigen beschränkte sich die Verhandlung auf eine Erklärung des Angeklagten, wonach er bestätigte, in Anwesenheit von Rechtsanwältin K. eine Erklärung abgeben zu wollen, und die Erörterung des weiteren Verfahrensgangs. Am 7. Verhandlungstag erschien Rechtsanwalt F. , ?der erklärte, dass er in Untervollmacht für RAin K. auftrete und eine schriftliche Untervollmacht nachreichen werde'. Es wurden drei Telefonkarten in Augenschein genommen und ein Notizzettel mit einer Adresse in Augenschein genommen und verlesen. Erklärungen wurden zu alledem nicht abgegeben, die Verhandlung dauerte sieben Minuten. Am nächsten Verhandlungstag (15. September 2005) erschien dann wieder Rechtsanwältin K. und führte die Verteidigung. Die am 24. August 2005 angekündigte Untervollmachtsurkunde war schon am 23. August 2005 ausgestellt. Sie gelangte allerdings erst im Rahmen des Revisionsverfahrens am 7. Februar 2006 zu den Verfahrensakten.
Der Verfahrensverlauf vom 7. Verhandlungstag lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
a) Ohne dass es auf Weiteres ankäme, wäre der Angeklagte nicht ordnungsgemäß verteidigt gewesen, wenn nicht die Voraussetzungen von § 138 Abs. 1 StPO erfüllt gewesen wären. Die Revision (Schriftsatz vom 8. Mai 2006) hat angeregt, der Senat möge ?klären, ob die ? Untervollmacht tatsächlich einem zugelassenen Rechtsanwalt erteilt worden ist'. Gestützt ist dies auf Erwägungen, die an den Inhalt des Anrufbeantworters des Anschlusses F. anknüpfen.
Verfahrensrügen sind in der Frist des § 345 StPO zu erheben. Diese ist hier nicht eingehalten. Freilich liegen hier Besonderheiten vor. Die Staatsanwaltschaft hat im Rahmen ihrer Revisionsgegenerklärung auf die genannte Untervollmachtsurkunde Bezug genommen, sie dem (jetzigen) Verteidiger aber nicht bekannt gemacht. Er hat von dieser Urkunde erst im Rahmen ihm vom Senat gewährter Akteneinsicht Kenntnis genommen.
Der Senat braucht nicht darüber zu befinden, ob und wie sich das geschilderte Verfahrensgeschehen auf die Frist des § 345 StPO auswirkt. Auch wenn man das genannte Vorbringen als rechtzeitig ansieht, fehlt es jedenfalls an der gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlichen schlüssigen tatsächlichen Behauptung einer Rechtsverletzung, da nicht eindeutig und klar behauptet ist, der als Rechtsanwalt F. aufgetretene Verteidiger sei in Wahrheit kein Rechtsanwalt. Eine entsprechende Vermutung in den Raum zu stellen, genügt nicht. Es wäre Sache der Revision gewesen, die tatsächliche Tragfähigkeit ihrer Erwägungen zu überprüfen, etwa durch ohne weiteres mögliche Anfragen bei der früheren Verteidigerin (vgl. BGH NStZ 2005, 283 f.; hierzu BVerfG StraFo 2005, 512 f.) oder bei zuständigen Stellen wie der Rechtsanwaltskammer oder dem Präsidenten des Landgerichts; gegebenenfalls hätte sie das Ergebnis ihrer Überprüfungen dem Senat darzulegen gehabt. Gebotener Vortrag kann nicht durch die Anregung ersetzt werden, der Senat möge prüfen, ob die angedeutete Möglichkeit eines Rechtsfehlers in tatsächlicher Hinsicht eine tragfähige Grundlage hat oder nicht.
b) Die Revision macht im Zusammenhang mit der Vollmachtsurkunde weiter geltend, an einer ordnungsgemäßen Verteidigung habe es (auch) deshalb gefehlt, weil im Termin vom 24. August 2005, (noch) keine schriftliche Untervollmacht für Rechtsanwalt F. vorgelegen habe. Eine solche Untervollmacht muss aber nicht notwendig schriftlich nachgewiesen werden (vgl. OLG Düsseldorf StraFo 1998, 227 f.; OLG Hamm JMBl. NW 1980, 83; OLG Köln VRS 60, 441 f.; Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. vor § 137 Rdn. 11). Deshalb gehen zugleich die Ausführungen der Revision ins Leere, wonach es unzulässig sei, die später zu den Akten gelangte schriftliche Untervollmacht vom 23. August 2005 zur Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen.
c) Über die genannten einzelfallbezogenen Fragen (beruflicher Status des Unterbevollmächtigten; Art des Nachweises seiner Unterbevollmächtigung) hinaus erhebt die Revision auch generelle Bedenken gegen die Berechtigung von Rechtsanwältin K. zur Erteilung einer Untervollmacht und dementsprechend gegen die Wirksamkeit dieser Untervollmacht.
(1) Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel in der Vollmacht für Rechtsanwältin K. , die ihr die Erteilung von Untervollmacht gestattete, bestehen nicht.
Für die in einer Verteidigervollmacht vorformulierte Befugnis zur Erteilung von Untervollmacht gelten, soweit hier von Interesse, die Regeln über Allgemeine Geschäftsbedingungen in Verträgen. Ob die genannte Befugnis wirksamer Bestandteil der Vollmacht ist, richtet sich insbesondere nach § 305c Abs. 1 BGB (vgl. zu alledem näher Jahn/Kett-Straub StV 2005, 601, 602 m. w. N. ). Sie ist allgemein ge-bräuchlich - auch sämtliche der (zahlreich) vom Angeklagten ausgestellten Verteidigervollmachten enthalten diese Klausel, zuletzt die für seinen jetzigen Verteidiger im Revisionsverfahren - und daher nicht überraschend im Sinne des § 305c BGB (Jahn/Kett-Straub aaO).
Die Revision meint, in diesem Zusammenhang habe es auch Bedeutung, dass der Angeklagte die deutsche Sprache nicht beherrsche. Der Senat braucht diesem Hinweis aber unter keinem Gesichtspunkt näher nachzugehen. Es erscheint fern liegend und ist auch nicht konkret behauptet, dass die Verteidiger nicht mit dem Angeklagten kommunizieren konnten (zur Dolmetscherzuziehung bei Verteidigergesprächen vgl. Wickern in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 185 GVG Rdn. 10).
(2) Der unterschiedlich beurteilten Frage, ob eine nur formularmäßig erteilte Zustimmung eine gemäß § 139 StPO genügende Grundlage zur Unterbevollmächtigung eines Referendars durch einen Verteidiger ist (verneinend KG JR 1972, 206; Bedenken hiergegen etwa bei Jahn/Kett-Straub aaO m. w. N. in Fußn. 19) braucht der Senat hier ebenfalls nicht näher nachzugehen. Selbst wenn in diesem Fall keine ausreichende Grundlage für die Unterbevollmächtigung vorläge, könnte dies wegen des Unterschieds zwischen einem Rechtsanwalt und einem Referendar nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen werden (vgl. Jahn/Kett-Straub aaO). All dies gilt noch mehr für die von der Revision genannte Entscheidung LG Berlin NStZ 2000, 51, die sich von der vorliegenden Fallgestaltung zusätzlich noch dadurch unterscheidet, dass die Bevollmächtigung des Referendars durch einen Pflichtverteidiger erfolgte (vgl. auch Jahn/Kett-Straub aaO Fußn. 19 a. E.).
(3) Die hier in Rede stehende Bevollmächtigung ist auch nicht dahin eingeschränkt, dass jedenfalls ein Verteidiger, ?der aufgrund seiner Prozesserfahrung und seines Bekanntheitsgrades ? besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nimmt', von einem ihm eingeräumten Recht, Untervollmacht zu erteilen, keinen Gebrauch machen dürfe (so LG Duisburg StV 2005, 600; auf diese Entscheidung weist die Revision hin). Ob diese Voraussetzungen bei Rechtsanwältin K. gegeben sind oder nicht, hatte die Strafkammer nicht zu prüfen. Das Gesetz behandelt nämlich alle zugelassenen Verteidiger, die ihre Stellung nicht einer Einzelfallprüfung des Gerichts verdanken (vgl. § 138 Abs. 2 StPO), gleich. Es räumt, wie sich aus § 138 Abs. 1 StPO ergibt, dem Gericht nicht die Möglichkeit ein, etwa im Rahmen der Prüfung der Wirksamkeit einer Untervollmacht, auf der Grundlage seiner eigenen Auffassung z.B. über die fachliche Qualität eines Verteidigers (?Prozesserfahrung') und das Maß des Vertrauens zu befinden, das er deshalb von seinen Mandanten erwarten darf (Jahn/Kett-Straub aaO).
(4) Auch im Übrigen gibt es keinen Rechtsanspruch des Angeklagten, auch dann ausschließlich vom (Haupt-)Verteidiger verteidigt zu werden, wenn er uneingeschränkt die Befugnis zur Erteilung von Untervollmachten erteilt hat. Weder ist eine solche Regelung ausdrücklich dem Gesetz zu entnehmen, noch gibt es übergeordnete Gesichtspunkte, die es gebieten würden, die bewährte und sinnvolle Möglichkeit der Unterbevollmächtigung in Strafsachen letztlich in Frage zu stellen. Missbräuche oder sonstige Fehlentwicklungen in der Praxis der Strafrechtspflege, die eine generell andere Beurteilung nahe legen könnten, sind nicht bekannt.
(5) All dies gilt entsprechend auch hinsichtlich des von der Revision hervorgehobenen Umstands, dass Rechtsanwalt F. nicht derselben Sozietät wie Rechtsanwältin K. angehört. Auch hieraus ergeben sich keine rechtlichen Einschränkungen der Rechtsanwältin K. vom Angeklagten uneingeschränkt eingeräumten Befugnis zur Erteilung von Untervollmacht. Es ist nicht ersichtlich, warum sich daran deshalb etwas ändern könnte, weil die Unterbevollmächtigte vom 6. Verhandlungstag in derselben Kanzlei tätig war wie Rechtsanwältin K. .
(6) Dass es schließlich auch keinen Rechtssatz gibt, wonach eine Unterbevollmächtigung unwirksam sei, wenn sie für einen Verhandlungsteil erteilt ist, in dem Beweis erhoben wird, bedarf keiner Darlegung.
d) Das sonstige Vorbringen der Revision, etwa
- das Gericht habe den Angeklagten nicht nach seinem Einverständnis mit der Verteidigung durch Rechtsanwalt F. befragt, wie dies am 6. Verhandlungstag geschehen sei;
- das Gericht hätte den Angeklagten darüber belehren müssen, dass er eine Verteidigervollmacht jederzeit kündigen kann;
- Rechtsanwalt F. habe nicht sachgerecht agiert,
kann der Revision ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.
Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass die behaupteten Fehler, selbst wenn man ihr Vorliegen unterstellt, nicht dazu führen könnten, dass ein ordnungsgemäß (unter)bevollmächtigter, anwesender Verteidiger als im Sinne des § 338 Nr. 5 StPO nicht anwesend anzusehen wäre; Erwägungen der Revision, weshalb das Urteil aus den genannten Gründen in besonderem Maße auf dem behaupteten Verstoß gegen § 338 Nr. 5 StPO beruhe, gehen daher schon im Ansatz ins Leere. Ebenso wenig stellt sich im Fall der Anwesenheit eines Wahlverteidigers oder eines von ihm ordnungsgemäß unterbevollmächtigten Verteidigers die Frage nach der Bestellung eines Pflichtverteidigers (§§ 141 ff. StPO). Das genannte Vorbringen ist daher schon im Ansatz keine schlüssige Behauptung der von der Revision geltend gemachten Verletzungen von § 338 Nr. 5, §§ 141 ff. StPO.
Aber auch wenn man auf all dies den Rechtsgedanken des § 300 StPO anwenden würde (vgl. auch § 352 Abs. 2 StPO), könnte es der Revision nicht zum Erfolg verhelfen.
(1) Das Gericht ist regelmäßig nicht verpflichtet, die Tätigkeit eines Verteidigers daraufhin zu überwachen, ob er seine Verteidigertätigkeit ordnungsgemäß erfüllt (vgl. BGH b. Holtz, MDR 1996, 120). Dies gilt nicht nur für die inhaltliche, sondern auch für die formale Gestaltung der Verteidigung. Macht der Verteidiger von einer ihm - wie dem Gericht bekannt ist - vom Angeklagten erteilten Befugnis Gebrauch, so braucht das Gericht dies im Grundsatz nicht zu hinterfragen. Besondere über die Erteilung der Untervollmacht hinausgehende Umstände des Einzelfalles, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung nahe legen könnten, sind nicht ersichtlich.
Daran ändert sich auch durch den Verlauf des vorangegangenen 6. Verhandlungstages nichts, wenn es auch regelmäßig untunlich ist, wenn das Gericht in identischen Verfahrenssituationen, dem Auftreten eines unterbevollmächtigten Verteidigers, unterschiedlich agiert, indem es einmal den Angeklagten nach seinem Einverständnis fragt und einmal nicht, zumindest das Protokoll unterschiedlich gestaltet.
Es bedarf jedoch keiner näheren Darlegung, dass eine nicht gebotene, aber auch unschädliche Frage nicht die objektive Rechtslage verändert hat.
(2) Eine Verletzung eines wie auch immer gearteten Vertrauenstatbestandes ist ebenfalls nicht ersichtlich.
Worauf sich ein Vertrauen überhaupt gerichtet haben soll, erschließt sich aus dem Vortrag,
- wegen des 6. Verhandlungstages habe der Angeklagte darauf vertraut, das Auftreten eines Unterbevollmächtigten sei nur mit seiner nochmaligen Einwilligung zulässig, wenn er vom Gericht danach gefragt wird;
- deshalb habe er am 7. Verhandlungstag geglaubt, es käme nicht auf sein nochmaliges Einverständnis an, da er nicht danach gefragt wurde;
nicht leicht.
Letztlich kann dies aber auf sich beruhen. Wie der Bundesgerichtshof in anderem Zusammenhang bereits entschieden hat, kann die Verletzung eines Vertrauenstatbestandes nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn der Angeklagte durch das in Rede stehende Verhalten in eine Lage versetzt wurde, die sein Verteidigungsverhalten beeinflusst hat und bei verständiger Einschätzung der Verfahrenslage auch beeinflussen konnte. Es lassen sich insoweit keine starren Regeln aufstellen, maßgeblich sind die Umstände des jeweiligen Verfahrens (BGH NStZ 2004, 277, 278 m.w.N.). Diese Grundsätze gelten auch hier. Allein das Erscheinen eines ordnungsgemäß unterbevollmächtigten Verteidigers war bei verständiger Würdigung nicht geeignet, den Angeklagten dazu zu veranlassen, sich hiergegen zu wehren. Darauf, dass es angesichts der Vielzahl der von ihm erteilten und widerrufenen Verteidigervollmachten auch fern liegt, er könne geglaubt haben, seine Möglichkeiten und Rechte hingen von einer Frage des Gerichts ab, kommt es daher nicht mehr an.
(3) Sprach aber nichts gegen die Wahrnehmung der Verteidigung durch den Unterbevollmächtigten, braucht das Gericht den Angeklagten offensichtlich auch nicht, wie die Revision meint, ?darauf hinzuweisen, dass es Probleme mit der Verteidigung durch den Unterbevollmächtigten geben könnte und er das Recht hat, ? von einem 'Sonderkündigungsrecht' ? Gebrauch zu machen'. Auf nichts gestützte Spekulationen des Gerichts über zu erwartende Schwierigkeiten können eine Fürsorgepflicht für einen Hinweis auf ein Kündigungsrecht (vgl. §§ 627, 671 BGB) nicht begründen. Der Senat kann daher auch offen lassen, wann und gegebenenfalls unter welchen Umständen ein Hinweis des Gerichts an den Angeklagten, er könne seinem Wahlverteidiger kündigen, überhaupt geboten sein könnte.
(4) Die Behauptung unzulänglichen Agierens durch Rechtsanwalt F. begründet die Revision damit, er habe nach den genannten Beweiserhebungen keine Erklärungen abgegeben. Er hätte sagen müssen, dass in den Niederlanden sämtliche Verkäufe von Telefonkarten schriftlich festgehalten würden, weshalb sich aus den Nummern der verlesenen Telefonkarten zahlreiche für den Angeklagten günstige Erkenntnisse ergeben hätten; zu dem Notizzettel mit der Adresse hätte er sagen müssen, dass es sich dabei um die Adresse eines bei dem Kauf des Pkw nicht zum Zuge gekommenen Mitinteressenten gehandelt hätte; dies hätte die Richtigkeit des Vorbringens des Angeklagten unterstrichen, dass er den Pkw gekauft und nichts von Rauschgift gewusst hätte (vgl. oben vor I.).
Wie dargelegt, hat das Gericht die Gestaltung der Verteidigung grundsätzlich nicht zu überprüfen oder zu kontrollieren (vgl. oben I. 1 d (1) ). Gründe, aus denen ausnahmsweise im Hinblick auf eine Fürsorgepflicht des Gerichts für den Angeklagten etwas anderes gelten könnte - etwa, weil die Unfähigkeit eines Verteidigers zu ordnungsgemäßer Verteidigung klar auf der Hand liegt (vgl. BGH b. Holtz MDR 1996, 120) - sind nicht erkennbar. Mit dem Vortrag, ein Verteidiger habe nach einer Beweiserhebung nicht von der Möglichkeit des § 257 Abs. 2 StPO Gebrauch gemacht, wird im Übrigen auch nicht behauptet, dass Vortrag zu dem Beweisergebnis nicht im Rahmen der Schlussausführungen erfolgte.
Abgesehen davon ist das, was nach Ansicht der Revision - die im Übrigen eine Aufklärungsrüge im Zusammenhang mit Telefonkarten und Notizzettel nicht erhebt - hätte vorgetragen werden sollen, inhaltlich (sehr) fern liegend. Allein die Behauptung, der Verteidiger habe fern liegende Gesichtspunkte dem Gericht nicht unterbreitet, kann jedoch die Möglichkeit eines Rechtsfehlers unter keinem Gesichtspunkt verdeutlichen.
e) Ein wie auch immer gearteter Rechtsfehler im Zusammenhang mit der Verteidigung des Angeklagten durch den ordnungsgemäß unterbevollmächtigten Rechtsanwalt F. ist nach alledem nicht zu erkennen. Die Strafkammer hat vielmehr, wie die nur geringe Förderung der Hauptverhandlung am 6. und. 7. Verhandlungstag (vgl. oben I. 1 vor a)) zeigt, der an diesen Tagen verhinderten Rechtsanwältin K. die Führung der Verteidigung des Angeklagten bis unmittelbar an die von § 229 StPO gezogenen Grenzen (vgl. hierzu Meyer-Goßner aaO § 229 Rdn. 11) ermöglicht.
2. Wie dargelegt (I. 1 d (4)) führt die Revision im Einzelnen aus, was der Verteidiger anlässlich der Beweisaufnahme über Notizzettel und Telefonkarten hätte erklären sollen. Angesichts dieses Vorbringens erhellt sich die tatsächliche und vor allem rechtliche Bedeutung der zusätzlichen Rüge, Notizzettel und Telefonkarten seien nicht Teil der Akten, zumindest nicht ohne weiteres. Der Senat braucht dem aber nicht näher nachzugehen, da dies nur ?vorsorglich' gerügt sein soll. Vorsorglich, also hilfsweise erhobene Verfahrensrügen sind jedoch nicht zulässig (BGH NStZ-RR 2006, 181, 182 m. w. N.), das entsprechende Vorbringen also einer inhaltlichen Überprüfung nicht zugänglich. ... (BGH, Beschluss vom 27.07.2006 - 1 StR 147/06)
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Entscheidet der Vorsitzende, dass ein Zeuge entsprechend dem Regelfall des § 59 StPO in der Fassung des 1. Justizmodernisierungsgesetzes nicht vereidigt werden soll, und wird diese Frage weder kontrovers erörtert noch zum Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung nach § 238 Abs. 2 StPO gemacht, so ist, wenn der für die Vernehmung nach § 247 StPO aus dem Sitzungssaal entfernte Angeklagte dabei nicht anwesend ist, dieser Verfahrensvorgang kein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung und der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO nicht gegeben (BGH, Beschluss vom 11. Juli 2006 - 3 StR 216/06 zu StPO §§ 247, 338 Nr. 5).
In einem Fall notwendiger Verteidigung begründet die alleinige Mitwirkung eines nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Scheinverteidigers an der Hauptverhandlung den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO. Ein nach Beratung durch den Scheinverteidiger erklärter Rechtsmittelverzicht des Angeklagten ist unwirksam. Der Angeklagte kann danach gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erlangen (BGH, Beschluss vom 05.02.2002 - 5 StR 617/01).
Nach ständiger Rechtsprechung gehören die Verhandlung und Entscheidung über die Vereidigung eines Zeugen nicht zur Vernehmung i. S. des § 247 S. 1 StPO, so daß i. d. R. der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gegeben ist, wenn der Angeklagte während dieses Verhandlungsteils von der Hauptverhandlung ausgeschlossen war. Ein Angeklagter, der während einer Zeugenvernehmung aus dem Sitzungssaal entfernt worden ist, muß von dem in seiner Abwesenheit Ausgesagten auch dann vor der Fortsetzung der Beweisaufnahme unterrichtet werden, sobald er wieder anwesend ist, wenn die während seiner Ausschließung durchgeführte Vernehmung lediglich unterbrochen worden war (BGH, Beschluss vom 23.06.1999 - 3 StR 212/99, StV 1999, 636).
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Verhängt das AG im beschleunigten Verfahren gegen den Angeklagten, der keinen Verteidiger hat, eine Freiheitsstrafe von sechs (oder mehr) Monaten, ohne ihm zuvor einen Verteidiger beigeordnet zu haben, so liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO vor (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.07.1999 - 2b Ss 217/99-79/99 I, StV 1999, 588).
Siehe auch unter ?Vorübergehende Abwesenheit einzelner Angeklagter während der Hauptverhandlung".
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(7) Öffentlichkeit (Ziffer 6):
?... Die Revisionen der Angekl. E. und Z. greifen mit der Rüge einer Verletzung des § 338 Nr. 6 StPO durch. Hierzu hat der GBA in seiner Antragsschrift v. 18.07.2011 hinsichtlich beider Rechtsmittel zutreffend ausgeführt:
?1. Die Revision macht erfolgreich geltend, dass vor der erneuten Vernehmung der Nebenklägerin am 30.06.2010 für den erfolgten Ausschluss der Öffentlichkeit ein neuer Gerichtsbeschluss gem. §§ 174 Abs. 1 S. 2, 171b Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GVG erforderlich gewesen wäre, ein solcher jedoch nicht ergangen und verkündet worden ist und auch durch die Bezugnahme des Vors. auf den vorausgegangenen Ausschließungsbeschl. der StrK v. 11.06.2010 nicht ersetzt werden konnte.
2. Die vom LG getroffenen Entscheidungen über den Ausschluss der Öffentlichkeit sind zwar nach § 171b Abs. 3 GVG insoweit unanfechtbar und deshalb der Revision entzogen (§ 336 S. 2 StPO), als es sich um die in § 171b Abs. 1 S. 1 GVG aufgeführten Voraussetzungen für den Ausschluss handelt. Doch kann in einem solchen Fall die Revision - wie hier - darauf gestützt werden, die Ausschließung der Öffentlichkeit sei nicht durch einen den Anforderungen des § 174 Abs. 1 GVG entsprechenden Beschluss gedeckt (vgl. BGH StV 1990, 10; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 171b GVG Rn. 12).
3. Die StrK hat mit Beschl. v. 11.06.2010 die Öffentlichkeit für die Dauer der Vernehmung der Nebenklägerin gem. §§ 174 Abs. 1 S. 2, 171b Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GVG ausgeschlossen. Zwar gilt ein Beschluss, der die Ausschließung der Öffentlichkeit für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen anordnet, grundsätzlich bis zur Beendigung des Verfahrens und deckt auch den Öffentlichkeitsausschluss, wenn eine Vernehmung unterbrochen und an einem anderen Verhandlungstag fortgesetzt wird (vgl. BGH NStZ 1992, 447). Doch wenn derselbe Zeuge in der laufenden Hauptverhandlung nochmals unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen werden soll, ist grundsätzlich gem. §§ 171b, 174 Abs. 1 S. 2 GVG ein neuer Gerichtsbeschluss erforderlich und mithin eine Anordnung des Vors., in der auf einen vorausgegangenen Ausschließungsbeschluss Bezug genommen wird, nicht ausreichend (vgl. BGH NStZ 1992, 447; 2008, 476 [= StV 2008, 126]; 2009, 286, 287; NStZ-RR 2009, 213, 214 [= StV 2009, 680]).
4. So lag es hier. Die Nebenklägerin wurde ausweislich des Sitzungsprotokolls am 18.06.2010 im Einvernehmen sämtlicher Verfahrensbeteiligter als Zeugin entlassen. Damit ist ihre Vernehmung abgeschlossen gewesen und ihre nochmalige Vernehmung am 30.06.2010 in nichtöffentlicher Sitzung hat einen neuen Gerichtsbeschluss gem. § 174 Abs. 1 S. 2 GVG erfordert. Ein solcher ist ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vor der Vernehmung der Zeugin am 30.06.2010 nicht ergangen und nicht verkündet worden. In der Sitzungsniederschrift ist insoweit jeweils vermerkt: ?Die Öffentlichkeit wurde gem. Beschl. der Kammer v. 11.06.2010, Anlage 3 zum Protokoll, für die Dauer der Vernehmung der Zeugin K. ausgeschlossen'. Das Protokoll ist im Hinblick auf die sonstige Protokollierung von Beschlüssen in diesem Punkt auch weder lückenhaft noch widersprüchlich (vgl. dazu BGH NStZ-RR 2009, 213, 214). Im Übrigen ist die StA in ihrer Revisionsgegenerklärung v. 25.05.2011 dem Vortrag des Bf. nicht entgegengetreten, sondern hat ausgeführt, dass die Verfahrenstatsachen insoweit zutreffend wiedergegeben seien. Durch das Protokoll ist daher bewiesen (§ 274 S. 1 StPO), dass vor der Vernehmung der Zeugin am 30.06.2010 der infolge ihrer zuvor angeordneten Entlassung zwingend vorgeschriebene Beschluss des Gerichts nach § 174 Abs. 1 S. 2 GVG nicht ergangen, jedenfalls aber nicht verkündet worden ist.
5. Es liegt auch nicht die von der Rspr. des BGH anerkannte Ausnahme von der Notwendigkeit eines erneuten Gerichtsbeschlusses vor (vgl. BGH StV 2008, 126, 127; NStZ 1992, 447). Danach kann ein solcher entbehrlich sein, wenn dem Protokoll zu entnehmen ist, dass die Entlassung des Zeugen sofort zurückgenommen wurde und die für den Ausschließungsbeschluss maßgebliche Interessenlage fortbestand, so dass sich die zusätzliche Anhörung zusammen mit der vorausgegangenen als eine einheitliche Vernehmung darstellt (BGH NStZ 1992, 447). So lag der Fall hier aufgrund des zeitlichen Abstands und der weiteren Beweisaufnahme zwischen den Vernehmungen ersichtlich nicht (die zu § 171b StGB ergangenen Entscheidungen - vgl. BGH StV 1990, 9 und 10 - betrafen jeweils anders gelagerte Sachverhalte).' ..." (BGH, Beschluss vom 17.08.2011 - 5 StR 263/11)
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?... 1. Sein Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 6 StPO, § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG Erfolg. Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
In der Hauptverhandlung vom 19. Mai 2008 wurde die Öffentlichkeit für die Dauer der Vernehmung der 15-jährigen Nebenklägerin N. gemäß § 172 Nr. 4 GVG durch Gerichtsbeschluss ausgeschlossen. Die Zeugin wurde sodann in nichtöffentlicher Sitzung vernommen und im Anschluss an ihre Vernehmung im Einvernehmen sämtlicher Verfahrensbeteiligter entlassen. Am nächsten Hauptverhandlungstag, am 20. Mai 2008, wurde die Nebenklägerin ein weiteres Mal unter Ausschluss der Öffentlichkeit als Zeugin gehört.
Der Beschwerdeführer rügt zu Recht, dass vor dieser zweiten Vernehmung für den Ausschluss der Öffentlichkeit ein neuer Gerichtsbeschluss gemäß § 174 Abs. 1 Satz 2, § 172 Nr. 4 GVG erforderlich war, ein solcher jedoch nicht ergangen und verkündet worden ist.
Zwar gilt ein Beschluss, der die Ausschließung der Öffentlichkeit für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen anordnet, grundsätzlich bis zur Beendigung des Verfahrens und deckt auch den Öffentlichkeitsausschluss, wenn eine Vernehmung unterbrochen und an einem anderen Verhandlungstag fortgesetzt wird (vgl. BGH NStZ 1992, 447). Die Zeugin ist hier jedoch im Anschluss an ihre Vernehmung am 19. Mai 2008 im Einvernehmen sämtlicher Verfahrensbeteiligter entlassen worden. Damit ist ihre Vernehmung abgeschlossen gewesen und ihre weitere Vernehmung am darauffolgenden Hauptverhandlungstag in nichtöffentlicher Sitzung hat einen neuen Gerichtsbeschluss gemäß § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG erfordert (vgl. BGH NStZ 1992, 447 und 2008, 476; Senatsbeschluss vom 9. Dezember 2008 - 3 StR 443/08). Ein solcher ist ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vor der Vernehmung der Zeugin am 20. Mai 2008 nicht ergangen und nicht verkündet worden. In der Sitzungsniederschrift ist lediglich vermerkt, dass die Öffentlichkeit "zur Fortsetzung der Vernehmung der Zeugin N. gemäß dem entsprechenden Beschluss vom 19.05.08 erneut ausgeschlossen wurde." Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist das Protokoll in diesem Punkt weder lückenhaft noch widersprüchlich, so dass die Aufklärung des Verfahrensgeschehens nicht dem Freibeweis zugänglich ist. Vielmehr ist durch das Protokoll bewiesen (§ 274 Satz 1 StPO), dass vor der Vernehmung der Zeugin am 20. Mai 2008 der infolge ihrer am Vortag angeordneten Entlassung zwingend vorgeschriebene Beschluss des Gerichts nach § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG nicht ergangen, jedenfalls aber nicht verkündet worden ist.
Es liegt auch nicht die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannte Ausnahme von der Notwendigkeit eines erneuten Gerichtsbeschlusses vor (vgl. BGH NStZ 1992, 447). Danach kann ein solcher entbehrlich sein, wenn dem Protokoll zu entnehmen ist, dass die Entlassung des Zeugen sofort zurückgenommen wurde und die für den Ausschließungsbeschluss maßgebliche Interessenlage fortbestand, so dass sich die zusätzliche Anhörung zusammen mit der vorausgegangenen als eine einheitliche Vernehmung darstellt. Hierfür enthält das Protokoll keine Anhaltspunkte. Nach der Entlassung der Zeugin am 19. Mai 2008 sind vielmehr nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit weitere Zeugen gehört worden. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass sich erst in dem weiteren Fortgang der Hauptverhandlung die Notwendigkeit einer erneuten Vernehmung der Zeugin ergeben hat.
2. Zwar führt bereits der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO zur Aufhebung des Urteils insgesamt. Jedoch weist der Senat ergänzend darauf hin, dass das Urteil in sachlich-rechtlicher Hinsicht zum Gesamtstrafenausspruch ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. In Anbetracht der Höhe der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe ist zu besorgen, dass sich das Landgericht bei ihrer Bemessung zu sehr von der Gesamtzahl der Einzeltaten und der Summe der Einzelstrafen hat leiten lassen (vgl. BGHR StGB § 54 I Bemessung 8 m. w. N.). Es hat die Einsatzstrafe von zwei Jahren und drei Monaten auf die dreieinhalbfache Dauer erhöht, ohne, wie hier geboten, zu berücksichtigen, dass der Angeklagte die Tatserie zum Nachteil desselben Tatopfers in einem engen situativen Zusammenhang beging.
3. Sollte der neue Tatrichter die letzte Tat (Übergriff im Zeitraum zwischen Sommer - und Herbstferien 2007) erneut - tateinheitlich - als vorsätzliche Körperverletzung würdigen, wird er Gelegenheit haben, zu prüfen, ob der erforderliche Strafantrag rechtzeitig und wirksam (§ 77 Abs. 3 StGB) gestellt wurde. Die Staatsanwaltschaft hat insoweit bislang nicht das Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung bejaht (§ 230 Abs. 1 StGB). ..." (BGH, Beschluss vom 03.03.2009 - 3 StR 584/08)
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Wenn derselbe Zeuge in der laufenden Hauptverhandlung nochmals unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen werden soll, ist grundsätzlich gemäß § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG ein neuer Gerichtsbeschluss erforderlich und mithin eine Anordnung des Vorsitzenden, in der auf einen vorausgegangenen Ausschließungsbeschluss Bezug genommen wird, nicht ausreichend (BGH, Beschluss vom 09.12.2008 - 3 StR 443/08 zu StPO § 338 Nr. 6; GVG § 174 Abs. 1).
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Die mit der Revision erhobene Verfahrensrüge, der Vorsitzende habe unter Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes einen Zuhörer aus dem Sitzungssaal entfernt, setzt voraus, dass der Angeklagte diese Anordnung des Vorsitzenden beanstandet und eine Entscheidung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 StPO herbeigeführt hat (BGH, Beschluss vom 29.05.2008 - 4 StR 46/08 zu StPO §§ 338 Nr. 6, 238, 337; GVG § 176 ff.).
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?... Ergänzend bemerkt der Senat zur Rüge nach §§ 338 Nr. 6 StPO, 171b GVG:
Eine Augenscheinseinnahme während des Ausschlusses der Öffentlichkeit für die Dauer einer Zeugenvernehmung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu beanstanden, wenn sie im Zusammenhang mit der Zeugenaussage steht oder sich aus ihr entwickelt (BGH, Urt. vom 24. April 1998 - 4 StR 12/98; BGH NStZ 2006, 117). Die fünf Lichtbilder, deren Augenscheinseinnahme gerügt wird, beziehen sich nach dem Revisionsvortrag auf die Wohnverhältnisse des Angeklagten, der Zeugin S. und der Zeugin M. , die untereinander verschiedene sexuelle Beziehungen unterhalten haben. Ein fehlender Zusammenhang zur Zeugenaussage S. über deren sexuelle Verhältnisse zum Angeklagten und anderen Personen ist nicht ersichtlich. Ein Rechtsfehler liegt nicht vor. ..." (BGH, Beschluss vom 15.04.2008 - 1 StR 132/08)
***
?... 3. Die gemäß § 338 Nr. 6 StPO erhobene Verfahrensrüge ist unzulässig.
a) Zwar trägt die Revision vor, dass das Landgericht mit der folgenden Anordnung des Vorsitzenden anstatt durch Gerichtsbeschluss, wie es § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG vorsieht, die Öffentlichkeit ungesetzlich beschränkt hat: ?Im Einverständnis mit dem Angeklagten und dem Verteidiger wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit ausgeschlossen, da anderenfalls eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit eintreten kann." Diese - im Übrigen mit dem Wortlaut der in § 172 GVG genannten Ausschließungsgründe nicht vollständig übereinstimmende - Anordnung begründet nach tradiertem Verständnis (vgl. RGSt 64, 385, 388 m.w.N.) den geltend gemachten absoluten Revisionsgrund (BGH NStZ 1999, 371 [4 StR 585/98]), und zwar sogar bei eigener Antragstellung des Angeklagten auf Ausschluss der Öffentlichkeit (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 338 Rdn. 46 m.w.N.), daher auch hier, bei erklärtem Einverständnis des Angeklagten.
Der Senat bR. t nicht näher zu prüfen, ob die in dieser Rechtsauffassung zum Ausdruck kommende Bedeutung des Öffentlichkeitsgrundsatzes in dieser Verfahrenslage heutigen Vorstellungen von Verfahrensgerechtigkeit in unerträglichem Maß widerspricht und Anlass zur Prüfung einer Verwirkung einer darauf gerichteten Verfahrensrüge gegeben ist (vgl. Basdorf StV 1997, 488, 492; Mosbacher JR 2007, 387, 389; vgl. auch BGH NJW 2006, 3579, 3580). Der Senat weist lediglich auf Folgendes hin: Der Angeklagte hat hier nach Prüfung der Sach- und Rechtslage durch seinen Verteidiger ausdrücklich sein Einverständnis mit einer bestimmten verfahrensbezogenen Entscheidung - Ausschluss der Öffentlichkeit - als mit seinen Interessen übereinstimmend erklärt. Warum er dann im Revisionsverfahren berechtigt sein soll, in bewusster Abkehr von seinem in der Hauptverhandlung sachgerecht bekundeten Willen die Aufhebung des Sachurteils - zumal nicht etwa wegen einer sachlich verfehlten Einschränkung der Öffentlichkeit, sondern allein wegen eines formalen Fehlers - zu erlangen, erscheint widersprüchlich und erschließt sich weder aus der Interessenlage des Angeklagten noch aus dem Bedürfnis nach Einhaltung wesentlicher unverzichtbarer Verfahrensgrundsätze.
b) Jedenfalls genügt das Revisionsvorbringen nicht dem Erfordernis vollständigen Tatsachenvortrags nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Wegen der besonderen Fallkonstellation des Teilfreispruchs hätte es weiteren Vortrags bedurft, um den Senat in die Lage zu versetzen, zu prüfen, ob § 338 Nr. 6 StPO deshalb unanwendbar ist, weil das Beruhen des Urteils auf dem Fehler denkgesetzlich ausgeschlossen ist (vgl. BGHR StPO § 338 Aufhebungsumfang 1; § 338 Nr. 6 StPO Ausschluss 3; BGH NStZ 1999, 371 [1 StR 636/98]; Meyer-Goßner aaO § 338 Rdn. 50b). Die Revision hätte hierzu ausnahmsweise jedenfalls pauschal den Gegenstand der Aussage des Zeugen Ar. mitteilen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. April 2004 - 4 StR 67/04; BGH, Beschluss vom 8. August 2007 - 2 StR 224/07). Nur in dessen Kenntnis könnte in der Sache entschieden werden, ob die unter Verstoß gegen die Vorschriften über die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung erfolgte Zeugenvernehmung überhaupt zur Verurteilung des Angeklagten herangezogen worden ist und nicht etwa allein den der Freisprechung des Angeklagten anheim fallenden Tatkomplex betroffen hat (vgl. dazu UA S. 10 f., 13). Das Verbot einer Rekonstruktion der Hauptverhandlung, das primär Verfahrensrügen grundlegend einschränkt, die auf eine Verletzung des § 261 StPO gestützt sind, wird durch die hier verlangte Vortragspflicht nicht berührt, zumal keine Wiedergabe des Inhalts der Zeugenaussage im Einzelnen verlangt wird, sondern eine eher pauschale Bezeichnung des Vernehmungsgegenstands ausreichen wird. ..." (BGH, Urteil vom 04.12.2007 - 5 StR 404/07)
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?... § 338 Nr. 6 StPO ist nur einschlägig, wenn die Öffentlichkeit in ungesetzlicher Weise beschränkt worden ist, also nicht, wenn unter Nichtanwendung oder Verletzung der Vorschriften über den möglichen Ausschluss der Öffentlichkeit öffentlich verhandelt worden ist (st. Rspr., vgl. schon BGHSt 10, 202, 206 f.; vgl. auch Kuckein in KK 5. Aufl. § 338 Rdn. 84 m.w.N.).
b) Im Übrigen sind Entscheidungen gemäß § 171b Abs. 1 und Abs. 2 GVG gemäß § 171b Abs. 3 GVG unanfechtbar und daher gemäß § 336 Satz 2 StPO der Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Dies gilt auch für solche Entscheidungen, durch die, wie hier, der Ausschluss der Öffentlichkeit in einem geringeren Umfang als beantragt beschlossen worden ist (BGH NStZ 1996, 243 m.w.N.). ..." (BGH, Beschluss vom 19.12.2006 - 1 StR 583/06).
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Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO wird weder durch den Umstand, daß Gespräche über eine Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung stattfinden, noch dadurch begründet, daß das Ergebnis dieser Verständigung entgegen den Grundsätzen von BGHSt 43, 195 ff. nicht in die öffentliche Hauptverhandlung eingeführt wird (BGH, Urteil vom 19.08.2004 - 3 StR 380/03).
Nicht jede formale Verletzung der Begründungsvorschrift für den Ausschluss der Öffentlichkeit (§ 174 I 3 GVG) stellt einen absoluten Revisionsgrund nach § 338 Nr. 6 StPO dar. Dies gilt insbesondere dann, wenn der zur alleinigen Begründung im Beschluss genannte gesetzliche Ausschließungsgrund nicht im Ermessen des Gerichts stand (hier: § 171b II GVG) und sein Vorliegen für alle Verfahrensbeteiligten und die im Gerichtssaal anwesenden Zuhörer auf der Hand lag (BGH, Urteil vom 22.04.2004 - 3 StR 428/03).
Ein rechtlicher Hinweis gem. § 265 Abs. 2 StPO auf die Möglichkeit einer Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung darf nicht unter Ausschluß der Öffentlichkeit erteilt werden. Der Rechtsfehler erfordert die Aufhebung des Urteils nur im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen, wenn denkgesetzlich ausgeschlossen ist, daß die Entscheidung darüber hinaus von ihm zum Nachteil des Angeklagten beeinflußt worden ist (BGH, Beschluss vom 10.12.2002 - 5 StR 454/02).
Handlungen, die außerhalb der Hauptverhandlung vorgenommen werden dürfen, können auch im Rahmen der Hauptverhandlung während des Ausschlusses der Öffentlichkeit erledigt werden. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit liegt hierin nicht (BGH, Beschluss vom 25.10.2001 - 1 StR 306/01).
Die Befugnis des Vorsitzenden, als Zuhörer anwesende Zeugen aus dem Sitzungssaal zu weisen, besteht unabhängig davon, ob der betroffene Zuhörer bereits als Zeuge zur Hauptverhandlung geladen worden ist oder die Absicht der Zeugenvernehmung erst zu einem Zeitpunkt gefaßt wird, als sich der betreffende Zeuge bereits als Zuhörer im Sitzungssaal befindet. Dafür reicht es aus, wenn der Zuhörer nach vorläufiger tatrichterlicher Auffassung als Zeuge in Betracht kommt; ob er später tatsächlich gehört wird, ist unerheblich (BGH, Beschluß vom 07.11.2000 - 5 StR 150/00).
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?... Nachdem die JugK während der Einlassung des Mitangekl. H. zu seinen persönlichen Verhältnissen und zu seinem Lebenslauf die Öffentlichkeit gem. § 171 b GVG ausgeschlossen hatte, beschloß sie unter fortdauerndem Ausschluß der Öffentlichkeit auf Antrag des Verteidigers des Bf., daß die Öffentlichkeit auch während dessen Einlassung zu seinen persönlichen Verhältnissen und zu seinem Lebenslauf und während der Berichterstattung der Jugendgerichtshilfe gem. § 171 b GVG ausgeschlossen werde; der Beschl. schließt mit den Worten: ?Die Öffentlichkeit bleibt daher weiter ausgeschlossen.'
Mit Recht beanstandet der Bf., daß dieser Beschl. in nichtöffentlicher Sitzung verkündet wurde. Dies verletzte § 174 Abs. 1 S. 2 GVG, der grundsätzlich zur Information der auszuschließenden Öffentlichkeit über Anlaß und Ausmaß der Ausschließung eine öffentliche Verkündung des Beschl. gebietet. Ein Ausnahmegrund im Sinn des zweiten Halbsatzes der Vorschrift lag ersichtlich nicht vor. Es sind auch aus dem Urteil, dem Sitzungsprotokoll oder sonst keine Umstände erkennbar, welche die Annahme nahelegten, der den Mitangekl. betreffende persönliche Ausschließungsgrund hinge mit dem den Bf. betreffenden so eng zusammen, daß der fortdauernde Ausschluß der Öffentlichkeit von der ersten Beschlußfassung mit abgedeckt gewesen wäre. Hiergegen spricht schon der Umstand der weiteren - andernfalls überflüssigen - Beschlußfassung, ferner die allein auf den Bf. persönlich bezogene Begründung dieses zweiten Beschlusses.
Die Statthaftigkeit der Rüge ist nicht zweifelhaft. Sie wird nicht etwa dadurch in Frage gestellt, daß der Verteidiger den weiteren Ausschluß der Öffentlichkeit in nichtöffentlicher Verhandlung beantragt und gegen die Beschlußverkündung unter fortdauerndem Ausschluß der Öffentlichkeit keine Gegenvorstellung erhoben hatte. Es bedarf keiner Entscheidung, ob Abweichendes - ungeachtet der primären Verpflichtung des Gerichts, die Wahrung der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung zu garantieren - in besonders gelagerten Fällen in Betracht käme, etwa wenn der Verteidiger gerade auf die später gerügte Einschränkung der Öffentlichkeit angetragen hätte. Dies war hier, die nichtöffentliche Beschlußverkündung betreffend, nicht gegeben.
Auch sonst bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Rüge. Daß der Bf. weitergehende - wenn auch naheliegende unbegründete - Öffentlichkeitsverstöße im Zusammenhang mit der wiederholten Anwendung des § 171 b GVG geltend gemacht hat, vermag die Zielrichtung der für sich ausreichend klar vorgebrachten durchgreifenden Beanstandung nicht in Zweifel zu ziehen. Der absolute Revisionsgrund zieht die Aufhebung der Verurteilung des Bf. nach sich. ..." (BGH, Beschluß vom 29.06.1999 - 5 StR 300/99, StV 2000, 243).
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?... 2. Die Rüge ist nach diesem Ablauf unbegründet. Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO liegt nicht vor. Der sich aus dem Protokoll ergebende Verstoß gegen die Begründungspflicht nach § 174 Abs. 1 S. 3 GVG führt nicht zur Aufhebung des Urt.
a) Die durch § 174 Abs. 1 S. 3 GVG vorgeschriebene ausdrückliche Angabe des Grundes für den Ausschluß der Öffentlichkeit dient neben der Selbstkontrolle des Gerichts der Unterrichtung der Öffentlichkeit (BGHSt 1, 334, 336; 30, 298, 303 [= StV 1982, 106]; BGH StV 1982, 106, 108) und der späteren Nachprüfbarkeit jeder Entscheidung durch das Revisionsgericht (BGH StV 1996, 135 m.Anm. Park ; Diemer in KK 4. A. Rdnr. 4 zu § 174 GVG; K. Schäfer/Wickern in LR 24. A. § 174 GVG Rdnr. 14; Gössel NStZ 1982, 141 ff.; Park NJW1996, 2213, 2214). Allerdings bedarf es keiner ausdrücklichen Aufklärung der Zuhörer im Gerichtssaalüber Inhalt und Bedeutung derjenigen Vorgänge in der Hauptverhandlung, die unter Ausschluß der Öffentlichkeit verhandelt werden sollen (BGHSt 27, 117, 120; 30, 298, 304; vgl. auch BGHSt 1, 334, 336).
Ergibt sich aus den Urteilsgründen und dem Sitzungsprotokoll der Verfahrensablauf bis zur Entscheidung über den Ausschluß und zeigt dies auf,
- daß es für die Zuhörer im Gerichtssaal ohne weiteres erkennbar war, auf welche Prozeßhandlungen sich die Ausschließung beziehen sollte und welche Bedeutung diesen Prozeßhandlungen zukam,
- und kann auch das Revisionsgericht später aus dem gleichen Grunde sicher ausschließen, daß nach der konkreten Sachlage aus rechtlichen Gründen keine andere Entscheidung des Tatgerichts in Betracht kam,
ändert dies zwar nichts daran, daß ein Verstoß gegen die gesetzlich vorgeschriebene Begründungspflicht vorliegt. Angesichts des Zwecks der Begründungspflicht nach § 174 Abs. 1 S. 3 GVG ist der Verstoß, der zudem nur das Verfahren über den Ausschluß der Öffentlichkeit betraf und nicht zu deren unzulässiger Beschränkung geführt hat, nicht so schwer, daß deshalb der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO zu bejahen wäre (vgl. zu § 338 Nr. 5 StPO BGHSt 15, 194, 196; 22, 18, 20; BGH NStZ 1987, 84; 1993, 500).
b) Die Rspr. aller Strafsenate des BGH ging bisher allerdings davon aus, daß selbst dann, wenn für Verfahrensbeteiligte und Zuhörer der Ausschließungsgrund auf der Hand lag, auf dessen genaue Bezeichnung im Gerichtsbeschluß nicht verzichtet werden darf (BGHSt 1, 334, 335; 2, 56 f.; 3, 344, 345; 27, 117, 118; 27, 187, 188; 30, 298, 301 [= StV 1982, 106]; 38, 248 [= StV 1992, 456]; 41, 145, 146 [= StV 1996, 135]; BGH NJW 1977, 1643; StV 1981, 3; 1984, 146; NStZ 1983, 324; BGHR GVG § 174 Abs. 1 S. 3 Begründung 1 - 6; BGH, Urt. v. 11. 9. 1975 - 4 StR 417/75; Beschl. v. 18. 2. 1976 - 3 StR 13/76; Urt. v. 10. 3. 1976 - 3 StR 15/76; Beschl. v. 27. 11. 1987 - 2 StR 591/87 = BGHR a.a.O. Begründung 3).
Auch der erkennende Senat ist bereits der genannten Rspr. gefolgt (vgl. BGH GA 1975, 283). Sie wurde bisher nur vom 5. Strafsenat in seinem Urt. v. 30. 8. 1994 - 5 StR 403/94 - (NStZ 1994, 591 [= StV 1994, 641]) in Frage gestellt.
c) Der Senat möchte an dieser strikten Auffassung nicht festhalten und hat im Hinblick auf diese bisherige Rspr. mit Beschl. v. 20. 10. 1998 seine Absicht mitgeteilt, die Revision zu verwerfen (BGH NStZ 1999, 92). Er hat bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob an der entgegenstehenden Rspr. festgehalten wird (§ 132 Abs. 1 S. 3 GVG).
aa) Der 2. Strafsenat hat aufgrund des Beschl. v. 11. 12. 1998 - 2 ARs 473/98 - mitgeteilt, er sei mit einem vergleichbaren Fall nicht befaßt gewesen. Der vorliegende Fall gebe ihm auch keinen Anlaß, die Grundsätze seiner Rspr. zu § 174 Abs. 1 S. 3 GVG zu überprüfen. Hieran hat er auch auf ergänzende Anfrage des Senats am 26. 5. 1999 festgehalten.
bb) Der 3. Strafsenat hat durch Beschl. v. 12. 11. 1998 - 3 ARs 13/98 - ?unter Aufgabe entgegenstehender Rspr.' ausgeführt, ein absoluter Revisionsgrund gem. § 338 Nr. 6 StPO liege jedenfalls dann nicht vor, wenn der Grund für die Ausschließung der Öffentlichkeit zwar in dem Gerichtsbeschluß nicht ausdrücklich genannt sei, er sich aber aus den mit dem Ausschluß der Öffentlichkeit unmittelbar zusammenhängenden Verfahrensvorgängen - etwa dem protokollierten Antrag eines Prozeß beteiligten - ergebe, so daß er für alle Verfahrenbeteiligten sowie die Zuhörer auf der Hand liege und deshalb ein Verfahrensfehler sicher ausgeschlossen werden könne. Dies schränke nicht die Pflicht des Tatgerichts ein, bei der Verkündung des Beschlusses in den Fällen der § 171 b, 172 und 173 GVG anzugeben, aus welchem Grund die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden sei. Es bedeute vielmehr nur, daß nicht jede formale Verletzung der Begründungspflicht einen absoluten Revisionsgrund darstelle.
cc) Der 4. Strafsenat hat durch Beschl. v. 17. 12. 1998 - 4 ARs 9/98 - mitgeteilt, er halte an seiner bisherigen Rspr. fest, daß das Fehlen der Begründung in dem Beschl. über die Ausschließung der Öffentlichkeit auch dann ein Verstoß gegen § 174 Abs. 1 S. 3 GVG sei, wenn der Ausschließungsgrund für die Beteiligten und die Zuhörerschaft offen zutage liege (BGHSt 27, 187, 188; BGHR GVG § 174 Abs. 1 S. 3 Begründung 5). Er stimme jedoch angesichts der Besonderheiten der Sach- und Verfahrenslage in dem der Anfrage zugrundeliegenden Fall der vom erkennenden Senat beabsichtigten Entscheidung zu.
dd) Der 5. Strafsenat hat durch Beschl. v. 9. 12. 1998 - 5 ARs 60/98 - auf seine in NStZ 1994, 591 abgedruckte Entscheidung verwiesen, nach der das Fehlen einer ausdrücklichen Begründung unschädlich sei, wenn im Beschl. auf einen inöffentlicher Hauptverhandlung hinreichend begründeten Antrag auf Ausschließung der Öffentlichkeit Bezug genommen werde. Der Senat gibt auch etwa entgegenstehende Rspr. für die Fälle auf, in denen der Ausschluß grund ohne freibeweisliche Rekonstruktion des Inhalts der Hauptverhandlung offen zu Tage tritt.
e) Nach den auf die Anfrage vom 20. 10. 1998 ergangenen Äußerungen der anderen Senate sieht der Senat sich nicht gehindert, unter den besonderen Umständen des Falles einen die Revision begründenden Verfahrensfehler zu verneinen.
Der Senat kann ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung aus der in den Urteilsgründen wiedergegebenen Einlassung und dem Sitzungsprotokoll entnehmen, daß es sich bei dem ?sichergestellten Film' um den vom Angekl. hergestellten Tatfilm handelte. Nach der Einlassung des Angekl. und den Angaben der Geschädigten lag auch für die im Gerichtssaal anwesenden
Zuhörer der Grund für den späteren Ausschluß der Öffentlichkeit offen. Es ging bei dem vom Angekl. hergestellten Videofilm um die Darstellung der unter besonders erniedrigenden Umständen erfolgten Vergewaltigung, der in der Hauptverhandlung hätte vorgeführt werden sollen. Der Beschl. selbst läßt daher auch ohne weitere Begründung eindeutig erkennen, daß die Öffentlichkeit während der Dauer der vorgesehenen Vorführung des Videofilms ausgeschlossen werden sollte. Als Rechtsgrundlage konnten dafür nur der Schutz der Privatsphäre des Opfers (§ 171 b GVG, ein Widerspruch nach Abs. 1 S. 2 der Vorschrift erfolgte nicht) oder die Gefährdung der Sittlichkeit (§ 172 Nr. 1 GVG) oder beide Gründe zusammen in Betracht kommen. Die Voraussetzungen beider Vorschriften liegen ohne weiteres vor.
In einem solchen Ausnahmefall, bei dem die Richtigkeit der Entscheidung über den Ausschluß der Öffentlichkeit nicht in Frage steht, sondern es um die Verletzung einer Verfahrensvorschrift auf dem Weg zu der Entscheidung über den Ausschluß geht, vermag die fehlende ausdrückliche Angabe des Ausschlußgrundes weder unter dem Aspekt unzureichender Aufklärung der Zuhörer im Gerichtssaal noch unter dem unzureichender Überprüfbarkeit die Revision zu begründen. ..." (BGH, Urteil vom 09.06.1999 - 1 StR 325/98, StV 2000, 244 ff)
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Folgt ein Zuhörer einer vom Vorsitzenden mit sachbezogener Begründung ausgesprochen "Bitte" den Sitzungssaal zu verlassen, freiwillig, so liegt darin nach der Rechtsprechung des BGH kein die Revsion begründender Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz. Anders verhält es sich allerdings dann, wenn die "Bitte" in Wahrheit den Charakter einer Anordnung hatte (BGH, Beschluss vom 20.04.1999 - 4 StR 639/98, NStZ 1999, 426).
Der nach § 174 I 2 GVG zwingend vorgeschriebene Gerichtsbeschluß kann durch eine Anordnung des Vorsitzenden nicht ersetzt werden und begründet grundsätzlich den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO (BGH, Beschluss vom 01.12.1998 - 4 StR 585/98, StV 2000, 242).
Auch wenn nach § 171b III GVG die Frage, ob die Voraussetzungen für einen Öffentlichkeitsausschluß vorgelegen haben, der revisionsgerichtlichen Prüfung entzogen ist, kann gleichwohl als unzulässige Beschränkung der Öffentlichkeit gerügt werden, die Öffentlichkeit sei über den im Ausschließungsbeschluß festgelegten Umfang hinausgehend ausgeschlossen gewesen (BGH, Beschluss vom 13.03.1998 - 3 StR 67/98, StV 1998, 364).
Auch wenn ein Richter in einer Hauptverhandlung abgelehnt wird, gelten für das Ablehnungsverfahren weder der Grundsatz der Öffentlichkeit noch das Gebot der Anwesenheit des Angeklagten (BGH, Beschluss vom 17.04.1996 - 3 StR 34/96, MDR 1996, 951).
Der Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO liegt vor, wenn nur der die Öffentlichkeit ausschließende Beschluß in öffentlicher Sitzung verkündet, er jedoch nicht in öffentlicher Sitzung, sondern erst nach Ausschluß der Öffentlichkeit begründet wurde. Dies gilt jedenfalls dann, wenn mehrere Ausschließungsgründe in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 22.11.1995 - 3 StR 284/95, StV 1996, 135).
Ist die Öffentlichkeit zu Unrecht während eines Hinweises gem. § 265 StPO ausgeschlossen gewesen, so greift § 338 Nr. 6 StPO nicht ein, wenn sich der Hinweis allein auf einen Teil des Tatgeschehens bezog, der im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung gem. § 154a I Nr. 1, II StPO von der Strafverfolgung ausgenommen wird (BGH, Entscheidung vom 25.07.1995 - 1 StR 342/95, StV 1996, 133).
Gibt ein die Öffentlichkeit ausschließender Beschluß § 172 Nr. 1a GVG als Ausschließungsgrund an, so genügt die Angabe dieser Gesetzesbestimmung den Anforderungen des § 174 I 3 GVG (BGH, Entscheidung vom 10.05.1995 - 3 StR 145/95, MDR 1995, 942).
Der Grundsatz der Öffentlichkeit ist verletzt, wenn das Gericht bereits mit der Verhandlung beginnt, bevor allen rechtzeitig erschienenen Zuhörern Einlaß in den Sitzungssaal gewährt worden ist (BGH, Entscheidung vom 02.12.1994 - 2 StR 394/94, StV 1995, 116).
Ein Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz liegt nicht vor, wenn die Tür zum Zuhörerraum zwar verschlossen war, dies dem Vorsitzenden aber nicht "zuzurechnen" ist und er nach Bekanntwerden dieses Umstandes sofort die Öffnung der Tür angeordnet hat (BGH, Entscheidung vom 28.11.1994 - 5 StR 611/94, NStZ 1995, 143).
Wird die Öffentlichkeit für die Dauer einer Zeugenvernehmung ausgeschlossen, gilt der Beschluß über die Ausschließung bis zur Beendigung der Vernehmung. Ist dem Protokoll zu entnehmen, daß die Entlassung des Zeugen sofort zurückgenommen wurde und die für den Ausschließungsbeschluß maßgebende Interessenlage fortbestand, so daß sich die zusätzliche Anhörung zusammen mit der vorausgegangenen als eine einheitliche Vernehmung darstellt, so ist auch der weitere Öffentlichkeitsausschluß durch den zu Beginn gefaßten Beschluß gedeckt (BGH, Entscheidung vom 15.04.1992 - 2 StR 574/91, NStZ 1992, 447).
Wird die Öffentlichkeit zunächst für die Dauer der Vernehmung des Angeklagten zur Sache ausgeschlossen und der Öffentlichkeitsausschluß in der Folgezeit nicht durch einen ergänzenden Beschluß erweitert, so ist der Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt, wenn während der nichtöffentlichen Verhandlung auch Zeugen vernommen werden (BGH, Entscheidung vom 27.07.1990 - 2 StR 110/90, StV 1991, 199).
Der bloße Umstand, daß sich ein Zeuge handschriftliche Aufzeichnungen über Vorgänge der Hauptverhandlung macht, rechtfertigt grundsätzlich nicht, ihm das weitere Mitschreiben zu versagen, oder ihn gar des Sitzungssaals zu verweisen (BGH, Entscheidung vom 13.05.1982 - 3 StR 142/82, NStZ 1982, 389).
*** (OLG)
Wird die Hauptverhandlung kurzzeitig zum Zwecke der Einnahme einer Augenscheinseinnahme in einem anderen Sitzungssaal fortgesetzt, muß ein Hinweis auf den Wechsel des Sitzungssaals an der Gerichtstafel angebracht werden, um sicherzustellen, dass unbeteiligte Personen als beliebige Zuhörer Ort und Zeit der Weiterverhandlung ohne besondere Schwierigkeit erfahren können (OLG Dresden, Beschluss vom 11.12.2008 - 2 Ss 562/08 zu StPO §§ 338 Nr. 6; GVG § 169 S. 1).
***
Wird die Hauptverhandlung zur Wahrnehmung von Ortsterminen außerhalb des Gerichtsgebäudes fortgesetzt, so genügt es, wenn ein Treffpunkt örtlich und zeitlich bestimmt und dieser an der Gerichtstafel bekannt gemacht wird (BayObLG, Beschluss vom 31.07.2000 - 2 St RR 102/00 - NStZ-RR 2001, 49).
Der Grundsatz der Öffentlichkeit erfordert auch im Bußgeldverfahren, wenn die Hauptverhandlung außerhalb des Sitzungssaals fortgesetzt wird, zumindest dann einen Aushang am Gerichtssaal, in dem auf Ort und Zeit der (Weiter) Verhandlung hingewiesen wird, wenn in dem Ortstermin nicht nur die Öffentlichkeit in Augenschein genommen wird, sondern die Hauptverhandlung dort auch mit Urteilsverkündung zum Abschluss gebracht wird (OLG Hamm, Beschluss vom 10.07.2000 - 2 Ss OWi 216/00, StV 2000, 659).
Auf Grund des Hinweises am Gerichtseingang "Das Amtsgericht ist freitags ab 13:00 Uhr geschlossen" kann eine Hauptverhandlung die nach diesem Zeitpunkt stattfindet, gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit verstoßen (OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 25.09.1995 - 1 Ss 183/95, StV 1996, 138).
Die Beweiskraft des Protokolls, welches besagt, daß der Zeuge Angaben zur Sache gemacht hat, erstreckt sich nicht auf den Inhalt der Aussage. Befindet sich unmittelbar vor dieser Protokollfeststellung der Beschluß, daß über den Antrag auf Ausschließung der Öffentlichkeit in nichtöffentlicher Sitzzung zu verhandeln ist, so kann bei der Prüfung der Rüge der Verletzung der Öffentlichkeit die Frage, ob der Zeuge nur über Ausschließungsgründe ausgesagt hat, im Freibeweisverfahren geklärt werden (BayObLG, Entscheidung vom 13.05.1994 - 4 St RR 53/94, StV 1994, 532).
Wird der mit der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Verstoß gegen die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens darauf gestützt, daß bei Verlegung einer Hauptverhandlung in einen anderen Sitzungssaal des gleichen Gerichtsgebäudes diese Tatsache weder vor dem ursprünglich vorgesehenen Sitzungssaal vermerkt noch vor dem nunmehrigen Sitzungssaal auf die dort durchgeführte Hauptverhandlung hingewiesen wurde, erfordert $ 344 II 2 StPO die Angaben derjenigen - dem Beschwerdeführer zugänglichen - Umstände, nach denen das Gericht dies zu vertreten hatte. Der Tatrichter hat die ihm zumutbare Aufsichtspflicht hinsichtlich der Tätigkeit nachgeordneter Bediensteter (Protokollführer, Justizwachtmeister) im Falle der Verlegung der Sitzung in einen anderen Sitzungssaal jedenfalls dann nicht verletzt, wenn er vor Beginn der Hauptverhandlung deren Kenntlichmachung an dem Sitzungssaal, in dem sie schließlich stattfindet, angeordnet hat. Hat er sich dann nicht zusätzlich vergewissert, ob die Anordnung auch ausgeführt wurde, gereicht ihm dies grundsätzlich nicht zum Verschulden (BayObLG, Entscheidung vom 21.02.1994 - 3 Ob OWi 5/94, MDR 1994, 1235).
***
(8) Keine Entscheidungsgründe (Ziffer 7):
(9) Verteidigung (Ziffer 8):
Zum Akteneinsichtsrecht in Akten aus abgetrennten Verfahren, die dem Gericht nicht vorliegen. Zur Rüge der Beschränkung der Verteidigung in einem wesentlichen Punkt durch Ablehnung eines Antrags auf Beiziehung von Akten bzw. eines Akteneinsichtsantrags (BGH, Beschluss vom 23.02.2010 - 4 StR 599/09 zu StPO §§ 147, 244, 338 Nr. 8, 344 Abs. 2, 475):
?... Das LG hat den Angekl. H.-J. R. wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 J. verurteilt. ... Den Angekl. I. R. hat die StrK wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Hehlerei zu einer Freiheitsstrafe von 1 J. verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen das Urteil richten sich die auf Verfahrensrügen und die Verletzung des sachlichen Rechts gestützten Revisionen der beiden Angekl. Das Rechtsmittel des Angekl. H.-J. R. hat mit der Sachrüge (einen Teilerfolg). Im übrigen ist es, wie die Revision des Angekl. I. R. insgesamt, unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die von beiden Angekl. erhobenen Verfahrensrügen, mit denen sie eine Beschränkung der Verteidigung geltend machen, weil der Antrag, Einblick in die gesamten TKÜ-Protokolle des Ursprungsverfahrens der StA Koblenz zu gewähren, zurückgewiesen worden sei, haben keinen Erfolg.
a) Den Verfahrensrügen liegt im wesentlichen folgendes Geschehen zugrunde:
In dem gegen A. W. wegen des Verdachts des Diebstahls geführten Ermittlungsverfahren wurde im Jahr 2007 - zuletzt am 18. Oktober - die Überwachung seiner Mobilfunkanschlüsse angeordnet und durchgeführt. Aufgrund der dabei gewonnenen Erkenntnisse wurde das Ermittlungsverfahren am 22. 10. 2007 auf den Angekl. H.-J. R. und später auf I. R. als weitere Besch. erstreckt. Am 07. 03. 2008 trennte die StA das Verfahren gegen die beiden Angekl. ab und verfügte, die Akte ?vollständig' zu fotokopieren, wobei vermerkt ist, daß diese ?derzeit' aus zwölf Stehordnern bestehe und - u.a. - der ?LO TK-Maßnahmen' in der nächsten Woche von der Polizei nachgereicht werde. In dem Ermittlungsverfahren gegen A. W. (und dessen Bruder) wurde am 27. 03. 2008 Anklage zum LG Konstanz erhoben. Das gegen die Angekl. geführte Ermittlungsverfahren wurde - mit 4 Stehordnern Hauptakten, 3 Stehordnern Finanzermittlungen, 2 Sonderbänden KT-Maßnahmen, 8 Bänden Fallakten und 1 Karton mit Asservaten - am 13. 08. 2008 an die StA Saarbrücken abgegeben, die den Verteidigern der Angekl. am 30. 01. 2009 Akteneinsicht gewährte und unter dem Datum dieses Tages die Anklageschrift verfaßte.
In der Hauptverhandlung wurde zu mehreren überwachten Telefongesprächen Urkundenbeweis erhoben. Einen ?Beweisantrag' des Verteidigers des Angekl. H.-J. R., mit dem er die Beiziehung der vollständigen TKÜ-Protokolle des Strafverfahrens gegen A. W. und dessen Bruder sowie Einsicht in diese Akten begehrte, um festzustellen, ?daß in der Ermittlungsakte des vorliegenden Verfahrens die TKÜ Protokolle nur unvollständig enthalten sind', lehnte die StrK mit Beschl. v. 28. 07. 2009 wegen (tatsächlicher) Bedeutungslosigkeit ab, wobei sie ergänzend ausführte, daß sich - anders als vom Verteidiger vorgetragen - aus der Nummerierung der TKÜ-Protokolle (auf das Gespräch 1391 folgte das Gespräch 1406) keine Rückschlüsse darauf ziehen lassen, daß sich in der Akte des LG Konstanz weitere TKÜ-Protokolle befinden. Eine Beiziehung der Akten des LG Konstanz erfolgte - auch in der Folgezeit - nicht.
Sonstige Bemühungen um Akteneinsicht - auch in dem vor dem LG Konstanz durchgeführten Strafverfahren - wurden nach dem Vortrag der Revisionsführer von den Angekl. oder ihren Verteidigern nicht bzw. nach dem 30. 01. 2009 nicht mehr unternommen. Auch teilt die Revision nicht mit, welche konkreten weiteren Erkenntnisse sich aus der Einsicht in die TKÜ-Protokolle, die sich in den Akten des LG Konstanz befinden, ergeben hätten.
b) Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
Dabei kann dahinstehen, ob bei einem zeitweise gegen mehrere Besch. geführten Ermittlungsverfahren nach der Abtrennung des Verfahrens gegen einen oder mehrere Besch. das Akteneinsichtsrecht im anhängigen Verfahren auch solche Akten oder Aktenteile umfaßt, die dem Gericht tatsächlich nicht vorliegen, die aber in dem (auch und noch) gegen die Angekl. geführten Ermittlungsverfahren wegen der Taten angefallen sind, die letztlich Gegenstand der Anklageschriften geworden sind (vgl. BGH, Urt. v. 18. 06. 2009 - 3 StR 89/09). Dem könnte entgegenstehen, daß sich nach der bisherigen Rspr. der Anspruch auf Akteneinsicht nur auf die dem Gericht tatsächlich vorliegenden Akten bezieht (BGH, Urt. v. 26. 05. 1981 - 1 StR 48/81, BGHSt 30, 131, 138, 141 [= StV 1981, 500 m.Anm. Dünnbier], und Beschl. v. 11. 11. 2004 - 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 327 m.w.N. [= StV 2005, 423]; ähnlich [?bei Gericht vorliegende Unterlagen'] BGH, Beschl. v. 10. 10. 1990 - StB 14/09, BGHSt 37, 204, 206 [= StV 1991, 1]), also Aktenbestandteile aus anderen Verfahren dem Akteneinsichtsrecht nach § 147 Abs. 1 StPO selbst dann nicht unterliegen, wenn die Verfahren zeitweise gemeinsam geführt, später aber getrennt und diese im formellen Sinne ?fremden' Akten nicht beigezogen wurden (BGH, Beschl. v. 04. 10. 2007 - KRB 59/07, BGHSt 52, 58, 62 [= StV 2008, 452]; vgl. auch BGH, Urt. v. 26. 08. 2005 - 2 StR 225/05, BGHSt 50, 224, 229 [= StV 2005, 594]).
Den Rügen ist der Erfolg jedenfalls deshalb zu versagen, weil es für die Annahme, die Verteidigung sei in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt worden, nicht genügt, daß diese Beschränkung nur generell (abstrakt) geeignet ist, die gerichtliche Entscheidung zu beeinflussen. Vielmehr ist § 338 Nr. 8 StPO nur dann gegeben, wenn die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem Verfahrensverstoß und dem Urteil konkret besteht (vgl. die Nachweise bei Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 338 Rn. 59 und KK-Kuckein StPO 6. Aufl. § 338 Rn. 101). Bei der Rüge der Beschränkung der Verteidigung in einem wesentlichen Punkt durch Ablehnung eines Antrags auf Beiziehung von Akten bzw. eines Akteneinsichtsantrags ist daher ein substantiierter Vortrag erforderlich, welche Tatsachen sich aus welchen genau bezeichneten Stellen der Akten ergeben hätten und welche Konsequenzen für die Verteidigung daraus folgten (vgl. BGH, Urt. v. 26. 05. 1981 - 1 StR 48/81, BGHSt 30, 131, 138, 143 [= StV 1981, 500], und Beschl. v. 02. 02. 1999 - 1 StR 636/98, StV 2000, 248, 249 m.Anm. Ventzke). Damit korrespondiert das Erfordernis möglichst konkreten Vortrags bei einer Rüge wegen unterlassener Beiziehung von Akten unter dem Aspekt der Verletzung der Aufklärungspflicht (BGH, Beschl. v. 11. 11. 2004 - 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 328 m.w.N. [= StV 2005, 423]; vgl. auch BGH, Beschl. v. 21. 10. 2004 - 1 StR 324/04). Sollte eine solche konkrete Bezeichnung wesentlichen vorenthaltenen Aktenmaterials dem Verteidiger nicht möglich sein, weil ihm die Akten, in die er Einsicht nehmen will, verschlossen geblieben sind, so muß er sich - damit die Ausnahme von der an sich nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO bestehenden Vortragspflicht gerechtfertigt und belegt wird - jedenfalls bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge weiter um die Akteneinsicht bemüht haben und die entsprechenden Anstrengungen gegenüber dem Revisionsgericht auch dartun (BGH, Beschl. v. 11. 11. 2004 - 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 328 [= StV 2005, 423], und Urt. v. 23. 08. 2006 - 5 StR 151/06, StraFo 2006, 459, 460).
An einem solchen zumutbaren und jedenfalls nach § 475 StPO Erfolg versprechenden (vgl. BGH, Urt. v. 26. 08. 2005 - 2 StR 225/05, BGHSt 50, 224 [= StV 2005, 594]) Bemühen um Einsicht in die Akten der StA oder des LG Konstanz fehlt es vorliegend. ..."
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Die grundlegende Bedeutung des Rechts auf eine wirksame Verteidigung als Bestandteil eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens gebietet auf Antrag des Verteidigers die Unterbrechung der Hauptverhandlung, wenn es der Zeitraum zwischen Verteidigerbestellung und Beginn der Hauptverhandlung angesichts des Umfangs und der Schwierigkeit der Sache nicht zuließ, die Verteidigung ausreichend vorzubereiten. Eine ohne Unterbrechung durchgeführte substantielle Sachverhandlung verletzt den Anspruch des Angeklagten auf konkrete und wirkliche Verteidigung. Das Recht des Angeklagten, sich von einem Verteidiger seines Vertrauens verteidigen zu lassen, verbietet es in der Regel, Terminsnöte kompromißbereiter Wahlverteidiger ohne weiteres zu übergehen (BGH, Beschluss vom 24.06.2009 - 5 StR 181/09 zu StPO §§ 265 Abs. 4, 217, 218, 145, 338 Nr. 8, 344 Abs. 2 S. 2; MRK Art. 6 Abs. 3 lit. c).
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? ... 2. Auf die sonstigen Beanstandungen der Revision des Angeklagten kommt es danach nicht mehr an. Der Senat sieht jedoch mit Blick auf das weitere Verfahren Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:
a) Unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer mit seiner Rüge nach § 338 Nr. 8 StPO eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt, also die Möglichkeit einer konkretkausalen Beziehung zwischen dem von ihm geltend gemachten Verfahrensfehler und dem Urteil, in hinreichender Weise dargelegt hat (vgl. BGHSt 30, 131, 135 ff.; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 338 Rdn. 59 m. w. N.), macht er jedenfalls im Ausgangspunkt zutreffend eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts (§ 147 Abs. 1 StPO) geltend.
aa) Dem liegt Folgendes zugrunde: Im Rahmen der Ermittlungen, die zu den Anklagen in vorliegendem Verfahren führten, hörten Polizei und Zoll in einem Zeitraum von zehn Monaten rund 82.500 Telefonate ab und zeichneten sie auf. Hiervon legte die Staatsanwaltschaft dem Landgericht mit Erhebung der Anklage die Aufzeichnungen von rund 600 als beweiserheblich eingeschätzten Telefongesprächen und deren vollständige deutsche Übersetzungen vor. Von den übrigen rund 81.900 Gesprächen wurden keine vollständigen Übersetzungen in die deutsche Sprache gefertigt, sondern (lediglich) inhaltliche Zusammenfassungen in deutscher Sprache und Kurzübersetzungen ins Deutsche. Diese wurden als Dateien auf dem Computer des Landeskriminalamts gespeichert; der Staatsanwaltschaft und auch dem Gericht wurden sie nicht zur Kenntnis gebracht.
Kurz nach Beginn der Hauptverhandlung stellte das Gericht den Angeklagten und ihren Verteidigern die Mitschnitte aller 82.500 in albanischer Sprache geführten Telefonate auf Datenträgern zur Verfügung. Außerdem sorgte es dafür, dass die Angeklagten und ihre Verteidiger mit Hilfe ebenfalls ausgehändigter Laptops sowie gerichtlich gestellter Dolmetscher die Möglichkeit erhielten, diese Originalaufzeichnungen in der Untersuchungshaftanstalt gemeinsam abzuhören.
Nachdem die Angeklagten und ihre Verteidiger im Rahmen der Vernehmung des polizeilichen Ermittlungsführers im April 2006 Kenntnis davon erhalten hatten, dass von allen 82.500 Telefongesprächen inhaltliche Zusammenfassungen in deutscher Sprache sowie Kurzübersetzungen ins Deutsche als Dateien im Computer des Landeskriminalamtes gespeichert waren und jederzeit ausgedruckt werden konnten, verlangten die Verteidiger Einsicht in diese Unterlagen und beantragten, das Gericht möge die Staatsanwaltschaft zu ihrer Vorlage veranlassen. Diese Anträge lehnte die Strafkammer durch Beschluss vom 30. August 2006 im Wesentlichen mit der Begründung ab, es handele sich bei den von der polizeilichen Ermittlungsgruppe gefertigten Dateien nicht um Aktenbestandteile im Sinne des § 147 StPO, sondern lediglich um ein "internes Hilfs- und Arbeitsmittel der Polizeibehörde", welches selbst nicht zu den Beweismitteln gehöre und als solches nicht dem Akteneinsichtsrecht der Verteidigung unterliege. Durch die Beiziehung der Aufzeichnungen sämtlicher überwachten Telefonate habe die Kammer diese zwar zum Aktenbestandteil gemacht. Auch dadurch seien jedoch die durch die Ermittlungsorgane gefertigten internen Vermerke und Inhaltszusammenfassungen zur Abschätzung der Relevanz des jeweils aufgezeichneten Telefongespräches nicht Aktenbestandteil geworden.
bb) Entgegen der Ansicht des Landgerichts sind die in Rede stehenden Dateien Gegenstand des Akteneinsichtsrechts nach § 147 Abs. 1 StPO. Dieses Recht bezieht sich auf die dem Gericht vorliegenden oder ihm im Falle der Anklage gemäß § 199 Abs. 2 Satz 2 StPO vorzulegenden Akten. Das sind nach herrschender Meinung die von der Staatsanwaltschaft nach objektiven Kriterien (vgl. § 160 Abs. 2 StPO) als entscheidungserheblich dem Gericht zu präsentierenden Unterlagen. Dazu gehören - verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfGE 63, 45; hierzu auch Lüderssen/Jahn in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 147 Rdn. 35 ff.) - zwar (nur) diejenigen, die durch die Identität der Tat und der des Täters konkretisiert werden ("formeller Aktenbegriff", vgl. BGHSt 30, 131, 138 f.; zu den sog. "materiellen und funktionalen Aktenbegriffen" vgl. Wohlers in SK-StPO § 147 Rdn. 27 ff.; Lüderssen/Jahn aaO § 147 Rdn. 41 ff.; Stuckenberg in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 199 Rdn. 8 ff.). Jedoch muss danach jedenfalls das gesamte vom ersten Zugriff der Polizei (§ 163 StPO) an gesammelte Beweismaterial, einschließlich etwaiger Bild- und Tonaufnahmen nebst hiervon gefertigter Verschriftungen, zugänglich gemacht werden, das gerade in dem gegen den Angeklagten gerichteten Ermittlungsverfahren angefallen ist (vgl. Meyer-Goßner aaO § 147 Rdn. 15; zum Begriff der Akten vgl. auch Schäfer NStZ 1984, 203). Eine Ausnahme gilt nur für Unterlagen oder Daten, denen eine allein innerdienstliche Bedeutung zukommt. Dies können etwa polizeiliche Arbeitsvermerke im Fortgang der Ermittlungen unter Bewertung der bisherigen Ermittlungsergebnisse oder sonstige rein interne polizeilichen Hilfs oder Arbeitsmittel nebst entsprechender Dateien sein (vgl. Meyer-Goßner aaO § 147 Rdn. 18 a). Im Bereich der Justizbehörden sind vom Akteneinsichtsrecht ausgenommen etwa entsprechende Bestandteile der staatsanwaltschaftlichen Handakten, Notizen von Mitgliedern des Gerichts während der Hauptverhandlung oder so genannte Senatshefte (vgl. Wohlers aaO § 147 Rdn. 32 ff.).
Nach diesen Maßstäben gehören die beim Landeskriminalamt als Computerdateien gespeicherten Unterlagen zu den nach § 199 Abs. 2 Satz 2 StPO dem Gericht vorzulegenden Akten. Sie sind konkret in den gegen die Angeklagten geführten Ermittlungsverfahren wegen der Taten angefallen, die letztlich Gegenstand der Anklageschriften geworden sind. Sie sind daher nicht mit Spurenakten vergleichbar, die Ermittlungsergebnisse zwar zu den nämlichen Straftaten enthalten, sich aber allein auf andere Personen beziehen, die im Laufe der Ermittlungen (vorübergehend) mit diesen Taten in Verbindung gebracht wurden (s. dazu BGHSt 30, 131; BVerfGE 63, 59). Es handelt sich auch nicht um rein polizeiinterne Hilfs- und Arbeitsmittel. Nach dem Vortrag der Revision, der im Kern im Einklang mit den - zum genauen Inhalt der Dateien allerdings knappen - Gründen des zurückweisenden Beschlusses der Strafkammer vom 30. August 2006 steht und dem im Revisionsverfahren auch nicht - etwa durch eine Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft - widersprochen worden ist, wurden von den auf albanisch geführten Telefonaten Kurzübersetzungen ins Deutsche und inhaltliche Zusammenfassungen in deutscher Sprache erstellt und gespeichert. Derartige Kurzübersetzungen und inhaltliche Zusammenfassungen sind aber Auswertungen gewonnenen Beweismaterials und als solche selbst potentielle Beweismittel. Dies unterscheidet sie von reinen Bewertungen, die an eine derartige Auswertung anknüpfen können und allein polizeiinternes Arbeitsmittel sind, wenn sie etwa der Strukturierung der weiteren Ermittlungen dienen. Den Verteidigern durfte danach die Einsichtnahme in die gespeicherten Dateien nicht verweigert werden.
b) Das angefochtene Urteil lässt im Fall II. 1. der Urteilsgründe (Fall 11 der Anklageschrift) die Möglichkeit offen, dass die Kuriere, die das Rauschgift vom Angeklagten übernahmen, schon zuvor fest entschlossen waren, die Betäubungsmittel zum Weitertransport nach Italien in die Bundesrepublik einzuführen (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 26 Rdn. 3 b m. w. N.). Zum Beleg einer diesbezüglichen Anstiftung durch den Angeklagten bedarf es daher gegebenenfalls weiterer Feststellungen.
c) Im Falle einer erneuten Verurteilung ist für die Freiheitsentziehung, die der Angeklagte in Frankreich erlitten hat, der Anrechnungsmaßstab festzulegen und in der Urteilsformel auszusprechen (§ 51 Abs. 4 Satz 2 StGB; vgl. Fischer aaO § 51 Rdn. 23). ..." (BGH, Urteil vom 18.06.2009 - 3 StR 89/09)
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?... 1. Die Verfahrensrüge, mit der die Verteidigung beanstandet, sie sei deswegen in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt worden (§ 338 Nr. 8 StPO), weil es das Landgericht unterlassen habe, über ihren Antrag ?auf Hinzuziehung der Verfahrensakten gegen in der Verhandlung vernommene Belastungszeugen zu entscheiden', greift nicht durch. Der Revisionsgrund nach § 338 Nr. 8 StPO ist nur gegeben, wenn die Verteidigung durch einen Gerichtsbeschluss unzulässig beschränkt worden ist. Dem steht es zwar gleich, wenn die Beschränkung darin liegt, dass es das Gericht unterlässt, einen Antrag der Verteidigung durch Beschluss zu bescheiden (BGH VRS 35, 132). Dies gilt indessen nur dann, wenn über den Antrag der gesamte Spruchkörper zu entscheiden hat (etwa § 228 Abs. 1 Satz 1, § 244 Abs. 6 StPO). Darf über den Antrag dagegen der Vorsitzende im Rahmen seiner Sachleitungsbefugnis (§ 238 Abs. 1 StPO) allein befinden, so kann dessen Unterlassen einer Entscheidung die Revisionsrüge nach § 338 Nr. 8 StPO nicht begründen (RGSt 61, 376, 378; Frisch in SK-StPO § 338 Rdn. 161; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 338 Rdn. 60). So liegt es hier. Bei dem Antrag auf Aktenbeiziehung handelte es sich wegen des Fehlens einer bestimmten Beweisbehauptung und der Nichtbezeichnung aus der Akten zu verlesender konkreter Schriftstücke nicht um einen Beweisantrag, über den die Strafkammer gemäß § 244 Abs. 6 StPO insgesamt zu entscheiden hatte, sondern allenfalls um einen Beweisermittlungsantrag. Über diesen durfte jedoch - zumindest vorab (s. § 238 Abs. 2 StPO) - der Vorsitzende allein befinden (vgl. BGHSt 6, 128; BGH NStZ 2008, 109 f.; Gollwitzer in LR 25. Aufl. § 244 Rdn. 121 sowie Meyer-Goßner aaO § 244 Rdn. 27 m. w. N.). ..." (BGH, Beschluss vom 17.07.2008 - 3 StR 250/08)
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? ... b) Die weitere Beanstandung dieses Angeklagten, er sei in einem wesentlichen Punkt in seiner Verteidigung beschränkt worden (§ 338 Nr. 8 StPO), weil ihm die Einsichtnahme in Akten eines Parallelverfahrens versagt und die Beweisaufnahme ohne Rücksicht auf seine mangelnde Kenntnis hiervon durchgeführt und abgeschlossen worden sei, ist ebenfalls unzulässig. Unklar bleibt bereits, ob die Verteidigerin nicht doch im Laufe der Hauptverhandlung Akteneinsicht in die begehrten Aktenteile, die im Übrigen ein ebenfalls gegen diesen Angeklagten geführtes Strafverfahren betreffen, nehmen konnte. In einer im Hauptverhandlungstermin vom 16. September 2005 von der Verteidigerin zu Protokoll übergebenen Erklärung heißt es nämlich: ?Eine Durchsicht der TKÜ-Niederschriften in dem Verfahren der StA Halle hat ergeben, dass die Zeugen Sch. und K. keineswegs alle Telefonate in den hier zur Akte gereichten TKÜ-Beweismittelbandes gebracht haben, die von Bedeutung sind. Zur Akte gebracht wurden lediglich Gesprächsniederschriften von Telefongesprächen, die auf Anhieb sich als für die Angeklagten belastend darstellen ... Es existieren weitere Telefongespräche die aufgezeichnet, von denen aber kein Protokoll gefertigt wurde, die die Unschuld des Angeklagten belegen.' Eine hinreichende Darstellung des Umfangs der gewährten Akteneinsicht in der Revisionsbegründung ist indes zum vollständigen Rügevortrag notwendig (vgl. BGHSt 49, 317, 328). Darüber hinaus verhält sich der Beschwerdeführer nicht dazu, ob er sich gegebenenfalls bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist um die bislang angeblich versagte Akteneinsicht bemüht habe; auch hierzu war er zum Erhalt seiner Rüge verpflichtet (BGH aaO).
Mit Blick auf die im Anschluss an die zu vorstehender Erklärung abgegebene Bitte des Vorsitzenden, schnellstmöglich solche Telefonmitschnitte aus den eingesehenen Akten zu benennen, aus denen sich aus Sicht der Angeklagten Entlastendes ergeben soll, merkt der Senat an, dass es für die Verteidigung möglicherweise sachgerechter gewesen wäre, die behaupteten Entlastungsindizien durch Beweisanträge oder -anregungen in die Hauptverhandlung einzuführen, anstatt in der Revision das Verfahren des Landgerichts zu beanstanden. ..." (BGH, Urteil vom 23.08.2006 - 5 StR 151/06).
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?... 2. In der Ablehnung des Aussetzungsantrages liegt ein Fehlgebrauch des dem Gericht durch § 265 Abs. 4 StPO eingeräumten Ermessens (vgl. BGH NJW 1958, 1736). Hierdurch ist der Angekl. in seiner Verteidigung unzulässig beschränkt worden (§ 338 Nr. 8 StPO).
a) Schon die Entscheidungen über Auswahl und Bestellung des Verteidigers stoßen auf Bedenken. Der Anspruch auf ein faires Verfahren, dem § 142 Abs. 1 S. 3 StPO Rechnung trägt, verlangt, daß dem Besch., wenn nicht wichtige Gründe entgegenstehen, ein Verteidiger seines Vertrauens bestellt werden muß, weil das Vertrauensverhältnis zwischen Angekl. und Verteidiger eine wesentliche Voraussetzung für eine sachdienliche Verteidigung ist (vgl. BVerfGE 9, 36, 38; 39, 238, 243; 68, 237, 256). Als solcher Verteidiger des Vertrauens war RA U. benannt worden. Ein sachlicher Grund, der dessen Beiordnung widersprochen haben könnte, ist nicht ersichtlich. Ein solcher ist nicht etwa daraus herzuleiten, daß RA U. am 17. 2. 1997 erklärt hatte, er sei am 18. 2. 1997 zur Verteidigung außerstande. RA U. hat dabei die Niederlegung des Wahlmandats mit der Erneuerung des Beiordnungsantrages verbunden und geltend gemacht, die bisher fehlende Beiordnung sei der Grund dafür, daß er sich bisher nicht genügend habe vorbereiten können. Dies ist umso weniger zu beanstanden, als dem Verteidiger wichtige Unterlagen (Anklageschrift und psychiatrisches Gutachten) nicht vorlagen. Die Bestellung eines anderen Verteidigers, der zur Verteidigung bereit war, und die Ablehnung der Bestellung von RA U. rechtfertigten sich auch nicht aus dem Umstand, daß die in § 121 StPO bestimmte Frist am 23. 2. 1997 ablief, worauf der Vorsitzende in seinem Beschl. v. 18. 2. 1997 abgestellt hat, mit dem er den Antrag auf Bestellung des RA U. zum Verteidiger zurückgewiesen hatte. Dem Anspruch auf beschleunigte Aburteilung des sich in Untersuchungshaft befindenden Angekl. durfte in Anbetracht des unmittelbar bevorstehenden Fristablaufs kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden.
b) Bei dieser Sachlage legte die mit dem Eintritt des neuen Verteidigers verbundene Änderung der Verfahrenslage (BGH NJW 1958, 1736; 1965, 2164) unter dem Gesichtspunkt des Rechts des Angekl. auf eine wirksame Verteidigung (Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK) und unter dem Gesichtspunkt der richterlichen Fürsorgepflicht (BGH a.a.O.) eine Aussetzung nahe: Allerdings hatte der bestellte Verteidiger erklärt, zur Verteidigung bereit zu sein. Eine solche Erklärung ist grundsätzlich ausreichend, weil der Verteidiger die Verteidigung und die Art und Weise, wie er sich auf sie vorbereitet und sie führt, selbst zu verantworten hat. Hier ergeben aber die dem Gericht bekannten Umstände, daß der Verteidiger nicht die Möglichkeit hatte, sich ausreichend auf die Hauptverhandlung vorzubereiten (vgl. BGH a.a.O.; BGH NJW 1973, 1985, 1986; BGH NStZ 1983, 281). Dies folgt ohne weiteres aus dessen Erklärung, noch etwas Zeit zu benötigen, um das vorbereitende psychiatrische Sachverständigengutachten mit dem Angekl. zu erörtern. Diese Erklärung erwies die Richtigkeit der Behauptung des Angekl., bis dahin keine Gelegenheit zu angemessener Verteidigerkonsultation gehabt zu haben. Daß auch tatsächlich noch Beratungsbedarf bestand, wovon ersichtlich auch das Gericht ausging, ergibt sich daraus, daß nach dem ersten Verhandlungstag eine Besprechung zwischen Angekl. und Verteidiger bis in die Nacht hinein stattfand. Bei dieser Sachlage konnte es auf die bloße Erklärung des Verteidigers, sich ?gründsätzlich in der Lage (zu fühlen), in diesem Verfahren als Pflichtverteidiger aufzutreten' , nicht ankommen (vgl. BGH NJW 1965, 2164, 2165).
Dies hat das LG verkannt. Es hat den Angekl. zur Sache vernommen, obgleich er seinen Verteidiger zuvor nicht in ausreichendem Maße befragen konnte. Darüber hinaus hatte der Verteidiger bis dahin keine Gelegenheit, das vorbereitende psychiatrische Sachverständigengutachten, das in diesem Schwurgerichtsverfahren von besonderer Bedeutung ist, mit dem Angekl. zu erörtern. ..." (BGH, Beschluss vom 24.06.1998 - 5 StR 120/98).
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Hat der Verteidiger seine Bestellung zum Verteidiger dem Gericht angezeigt und ist eine Ladung zum Hauptverhandlungstermin unterblieben, ist dem Aussetzungsantrag des Verteidigers stattzugeben. Unerheblich ist, ob ein weiterer Verteidiger geladen wurde und erschienen war, da bei mehreren Verteidigern jeder von ihnen unter den in § 218 Satz 1 StPO genannten Voraussetzungen geladen werden muß (BGH, Urteil vom 16.01.1985 - 2 StR 661/84).
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Der nicht geheilte Verstoß gegen die Pflicht zur Ladung des Verteidigers begründet die Revision des Angeklagten unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung (OLG München, Beschluss vom 25.01.2006 - 5 St RR 237/05).
Absicht
Ein Täter handelt absichtlich, wenn die Verwirklichung des tatbestandlichen Erfolges Ziel seines Handelns ist.
Absprachen im Strafverfahren
Absprachen zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger einerseits sowie dem Gericht und der Staatsanwaltschaft andererseits haben in der Praxis eine erhebliche Bedeutung erlangt. Die Zulässigkeit solcher Absprachen ist immer noch nicht umfassend geklärt. Gewichtige Stimmen halten eine gesetzliche Regelung für erforderlich.
Siehe unter ?Rechtsmittelverzicht", ?Urteilsabsprachen" und ?Verständigung § 257 c StPO".
Abtrennung von Verfahren
Eine Abtrennung von Verfahrensteilen ist zulässig, wenn es sich bei dem abgetrennten Verfahrensstoff um selbstständige prozessuale Taten handelt. Unzulässig ist sie aber, wenn sie eine Aufspaltung ein und der selben prozessualen Tat, also des von der Anklage umfassten geschichtlichen Vorgangs bewirken würde (BGH NStZ 2001, 105 zu § 264 StPO).
? ... Es kann offenbleiben, ob das Gericht verpflichtet gewesen wäre, die Abtrennung des Verfahrens gegen den Mitangekl. W zu begründen. Nach überwiegender Meinung liegt die Bejahung der prozessualen Zweckmäßigkeit bereits in dem die Trennung anordnenden Beschluss selbst, ohne dass es noch einer besonderen sachlichen Begründung bedürfte (so RGSt 52, 138, 140; 57, 44; LR-Wendisch 25. Aufl., § 4 Rn 26; KK-Pfeiffer 4. Aufl., § 4 Rn 7; a.A. SKStPO-Rudolphi 2. Lfg., § 4 Rn 11). ... (BGH NStZ 2001, 211).
Gegen die von dem Tatrichter in der Hauptverhandlung beschlossene Abtrennung und Aussetzung des Verfahrens gegen einen von mehreren Angeklagten ist die Beschwerde zulässig, wenn dies lediglich zur Verzögerung des abgetrennten Teils des Verfahrens führt. In diesem Fall steht der Zulässigkeit der Beschwerde die Vorschrift des § 305 S. 1 StPO nicht entgegen (OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996, 142).
Abweichung vom Gutachten eines Sachverständigen
?... Zwar muss der Tatrichter nicht in jedem Fall, in dem er von dem Gutach-ten des in der Hauptverhandlung gehörten Sachverständigen abweichen will, einen weiteren Sachverständigen hinzuziehen. Voraussetzung ist aber, dass er die für die abweichende Beurteilung erforderliche Sachkunde besitzt, selbst wenn er erst durch das Gutachten genügend sachkundig geworden ist, um die Beweisfrage beurteilen zu können (vgl. BGH NStZ 2000, 437; vgl. auch Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. § 244 Rdn. 75 m.w.N.). Außerdem muss er die Ausfüh-rungen des Sachverständigen in nachprüfbarer Weise im Urteil wiedergeben, sich mit ihnen auseinandersetzen und seine abweichende Meinung begründen (vgl. BGH NStZ 1983, 377; 1994, 503; 2000, 550 f.). ..." (BGH, Beschluss vom 28.03.2006 - 4 StR 575/05).
actio libera in causa
Nach dem Grundsatz actio libera in causa kann auch ein Täter bestraft werden, der den Tatbestand im Zustand der Schuldunfähigkeit verwirklicht hat.
In welchem Umfang dieser Grundsatz Anwendung findet, ist umstritten. Nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs soll der Grundsatz bei Straßenverkehrsdelikten und bei bloßen Tätigkeitsdelikten keine Anwendung finden.
Der Täter muss den Tatbestand eines Strafgesetzes rechtswidrig verwirklicht haben im Zustand der Schuldunfähigkeit. Vorwerfbar ist seine Handlung, wenn der Täter in schuldfähigem Zustand einen Geschehensablauf in Gang gesetzt hat, der zur tatbestandlichen Handlung im schuldunfähigen Zustand geführt hat.
Der Vorsatz des Täters muss sich auf die Herbeiführung des Defekts bzw. der Schuldunfähigkeit richten. Außerdem muss der Vorsatz des Täters die Begehung einer bestimmten Straftat in ihren wesentlichen Zügen erfassen. Liegen diese Voraussetzungen vor, wird der Täter wegen eines Vorsatzdeliktes bestraft.
Hat der Täter vorsätzlich oder fahrlässig bezüglich der Herbeiführung der Schuldunfähigkeit gehandelt und fällt ihm lediglich bezüglich der Straftat Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur wegen eines Fahrlässigkeitsdelikts bestraft werden.
Auf § 323a StGB ist gesondert hinzuweisen.
Adhäsionsverfahren - Entscheidung über den Entschädigungsantrag § 406 StPO
(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die Entscheidung kann sich auf den Grund oder einen Teil des geltend gemachten Anspruchs beschränken; § 318 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Das Gericht sieht von einer Entscheidung ab, wenn der Antrag unzulässig ist oder soweit er unbegründet erscheint. Im Übrigen kann das Gericht von einer Entscheidung nur absehen, wenn sich der Antrag auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Antragstellers zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Der Antrag ist insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldes (§ 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) geltend macht, ist das Absehen von einer Entscheidung nur nach Satz 3 zulässig.
(2) Erkennt der Angeklagte den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise an, ist er gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen.
(3) Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Das Gericht erklärt die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar; die §§ 708 bis 712 sowie die §§ 714 und 716 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er anderweit geltend gemacht werden. Ist über den Grund des Anspruchs rechtskräftig entschieden, so findet die Verhandlung über den Betrag nach § 304 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung vor dem zuständigen Zivilgericht statt.
(4) Der Antragsteller erhält eine Abschrift des Urteils mit Gründen oder einen Auszug daraus.
(5) Erwägt das Gericht, von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen, weist es die Verfahrensbeteiligten so früh wie möglich darauf hin. Sobald das Gericht nach Anhörung des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag für nicht gegeben erachtet, sieht es durch Beschluss von einer Entscheidung über den Antrag ab.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Die Strafkammer hat die Anordnung, die dem Nebenkläger im Adhäsionsverfahren zugesprochene Summe mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. März 2007 (dem Tag nach der Tat) zu verzinsen, im Ergebnis zutreffend auf § 286 Abs. 2 Nr. 4, § 288 Abs. 1 BGB gestützt. Der Umstand, dass die Angeklagten das Geld mittels eines Raubüberfalls an sich gebracht haben, steht dem in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts erörterten Fall gleich, dass der Schuldner sich einer Mahnung entzieht (BT-Drucks. 14/6040 S. 146). Folglich kann dahinstehen, ob, wie der Generalbundesanwalt meint, der Zinsausspruch des angefochtenen Urteils nach § 849 BGB gerechtfertigt wäre; insoweit ist streitig, ob hiernach Verzugszinsen (so MünchKomm-BGB/Wagner 4. Aufl. § 849 Rdn. 3) oder lediglich Zinsen in Höhe des gesetzlichen Zinsfußes (§ 246 BGB; so Rüßmann in jurisPK-BGB 3. Aufl. § 849 Rdn. 4) geschuldet sind (vgl. auch BGH NJW 2008, 1084). ..." (BGH, Beschluss vom 14.05.2008 - 2 StR 190/08)
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Vor dem Hintergrund des Beschleunigungsgebots führt eine infolge eines Adhäsionsverfahrens zu erwartende Verzögerung einer Haftsache um nur wenige Tage regelmäßig dazu, die Ungeeignetheit der beantragten Verfahrensweise anzunehmen (OLG Celle, Beschluss vom 22.02.2007 - 1 Ws 74/07 zu StPO §§ 406 Abs. 1 S. 4, 120 Abs. 1; MRK Art. 5).
Bei der Entscheidung über Nichteignung eines Adhäsionsantrages gemäß § 406 Abs. 1 S. 4 StPO handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine Abwägung zwischen den Interessen der Geschädigten, ihre Ansprüche in einem Adhäsionsverfahren durchzusetzen, und den Interessen des Staates, seinen Strafanspruch möglichst effektiv zu verfolgen sowie dem Interesse des Angeklagten an einem fairen und schnellen Verfahrensfortgang vorzunehmen. Den Opferinteressen kommt dabei ein hohes, aber nicht von vornherein ein überwiegendes Gewicht zu. Auch nach der Änderung der Adhäsionsvorschriften durch das OpferRRG können die in der Rechtsprechung für den früheren Rechtszustand entwickelten Grundsätze zur Ungeeignetheit eines Adhäsionsantrages im Rahmen einer Gesamtbetrachtung bei der Entscheidung gemäß § 406 Abs. 1 S. 4 StPO berücksichtigt werden (OLG Hamburg, Beschluss vom 29.07.2005 - 1 Ws 92/05).
Adhäsionsverfahren - Form und Wirkung des Antrags des Verletzten § 404 StPO
(1) Der Antrag, durch den der Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlußvorträge gestellt werden. Er muß den Gegenstand und Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen und soll die Beweismittel enthalten. Ist der Antrag außerhalb der Hauptverhandlung gestellt, so wird er dem Beschuldigten zugestellt.
(2) Die Antragstellung hat dieselben Wirkungen wie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechtsstreit. Sie treten mit Eingang des Antrages bei Gericht ein.
(3) Ist der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt, so wird der Antragsteller von Ort und Zeit der Hauptverhandlung benachrichtigt. Der Antragsteller, sein gesetzlicher Vertreter und der Ehegatte oder Lebenspartner des Antragsberechtigten können an der Hauptverhandlung teilnehmen.
(4) Der Antrag kann bis zur Verkündung des Urteils zurückgenommen werden.
(5) Dem Antragsteller und dem Angeschuldigten ist auf Antrag Prozeßkostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, sobald die Klage erhoben ist. § 121 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gilt mit der Maßgabe, daß dem Angeschuldigten, der einen Verteidiger hat, dieser beigeordnet werden soll; dem Antragsteller, der sich im Hauptverfahren des Beistandes eines Rechtsanwalts bedient, soll dieser beigeordnet werden. Zuständig für die Entscheidung ist das mit der Sache befaßte Gericht; die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Leitsätze/Entscheidungen:
Das Verbot des § 308 Abs. 1 ZPO, einer Partei zuzusprechen, was nicht beantragt ist, gilt auch im Adhäsionsverfahren. Ein Verstoß gegen dieses Verbot ist im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten (BGH, Beschluss vom 27.05.2009 - 2 StR 168/09 zu StPO § 404; ZPO § 308).
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?... Die Adhäsionsanträge sind nicht rechtzeitig gestellt worden und schon deshalb unzulässig. Ein Adhäsionsantrag kann nicht mehr nach Beginn der Schlussvorträge in der tatrichterlichen Hauptverhandlung angebracht werden, soweit sie dem den Rechtszug abschließenden Urteil vorausgehen (BGH NStZ-RR 2005, 380; Beschl. vom 7. Dezember 2006 - 4 StR 505/06). Daher war die Antragstellung im Revisionsverfahren hier verspätet (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 404 Rdn. 4). Es kommt deshalb nicht darauf an, dass die Antragsschriften auch im Übrigen den gesetzlichen Anforderungen offensichtlich nicht genügen (vgl. § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO). Von einer Entscheidung über die Anträge war daher gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO abzusehen. Über die Kosten hat der Senat nach billigem Ermessen entschieden (vgl. § 472a Abs. 2 StPO). ..." (BGH, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 StR 503/07)
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?... Das Urteil kann keinen Bestand haben, soweit der Angeklagte dem Grunde nach zur Zahlung von Schmerzensgeld an die Nebenklägerinnen verurteilt worden ist. Die Adhäsionsanträge, durch die die Schmerzensgeldansprüche geltend gemacht worden sind, sind nicht in einer den Erfordernissen des § 404 Abs. 1 StPO genügenden Weise gestellt worden, was von Amts wegen zu beachten ist (BGH NStZ-RR 2005, 380; StraFo 2004, 386). Die außerhalb der Hauptverhandlung mit Schriftsätzen vom 19. April 2007 angebrachten Adhäsionsanträge sind dem Angeklagten entgegen § 404 Abs. 1 Satz 3 StPO nicht zugestellt worden. In der Hauptverhandlung hat die Strafkammer ausweislich des Protokolls lediglich die Anträge der Nebenklägerinnen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Adhäsionsverfahren gemäß § 404 Abs. 5 StPO mit den Prozessbeteiligten erörtert und sodann beschieden. Allein dies belegt jedoch nicht, dass auch die das Adhäsionsverfahren in der Sache bestimmenden Anträge der Nebenklägerinnen auf Feststellung der Pflicht des Angeklagten, ihnen dem Grunde nach ein Schmerzensgeld zu zahlen, gestellt worden sind (s. § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Eine Zurückverweisung der Sache allein zur prozessordnungsgemäßen Nachholung des Adhäsionsverfahrens kommt nicht in Betracht, denn die Anträge könnten nicht mehr rechtzeitig gestellt werden (s. § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO) und sind daher unzulässig (Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 406 Rdn. 10). Der Senat spricht daher aus, dass von einer Entscheidung über die Adhäsionsanträge abgesehen wird (§ 406 Abs. 1 Satz 3 und 6 StPO; vgl. Meyer-Goßner aaO § 406 a Rdn. 5). ..." (BGH, Beschluss vom 11.10.2007 - 3 StR 426/07)
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Ein außerhalb der Hauptverhandlung gestellter Adhäsionsantrag ist unwirksam, wenn er dem Angeklagten nicht förmlich zugestellt worden ist (BGH, Beschluss vom 26.08.2005 - 3 StR 272/05).
*** (OLG)
Die Verteidigerbestellung umfasst auch das Adhäsionsverfahren. Das Gebot der ?Waffengleichheit' spricht dafür, dass das Pflichtverteidigermandat auch ohne gesonderte Beiordnung die ?Verteidigung' gegen im Adhäsionsverfahren geltend gemachte Ansprüche umfasst, zumal ein Angeklagter gerade mit der Prüfung und gegebenfalls Abwehr zivilrechtlicher Haftungsansprüche regelmäßig eher überfordert sein dürfte als mit seiner Verteidigung gegen den Strafvorwurf. Einem Pflichtverteidiger kann daher im Einzelfall zusätzlich zu den Pflichtverteidigergebühren für seine Tätigkeit im Adhäsionsverfahren, wie von ihm beantragt, die Verfahrensgebühr sowie die Einigungsgebühr zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer zustehen (OLG Rostock, Beschluss vom 15.06.2011 - I Ws 166/11 zu StVO §§ 141, 140 Abs. 2, 404 Abs. 5; RVG VV Nr. 4143).
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Adhäsionsverfahren - Zulässigkeit des Antrags des Verletzten § 403 StPO
Der Verletzte oder sein Erbe kann gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht anderweit gerichtlich anhängig gemacht ist, im Strafverfahren geltend machen, im Verfahren vor dem Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes.
Hinweise:
Das Opfer einer Straftat hat die Möglichkeit, seine zivilrechtlichen Ansprüche gegen den Täter im Strafverfahren geltend zu machen. Die Einzelheiten sind in den §§ 403 - 406c StPO geregelt.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob der Antragsteller im Adhäsionsverfahren berechtigt ist, den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. ...
Der Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 14. März 2006 und der Beschluss des Landgerichts Heidelberg vom 3. April 2006 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
1. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet dem Einzelnen das Recht auf den gesetzlichen Richter.
Ziel der Verfassungsgarantie ist es, der Gefahr einer möglichen Einflussnahme auf den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung vorzubeugen, die durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter eröffnet sein könnte (vgl.BVerfGE 17, 294 (299); 48, 246 (254); 82, 286 (296); 95, 322 (327) ). Damit sollen die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden (vgl.BVerfGE 95, 322 (327)).
Deshalb verpflichtet Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG den Gesetzgeber dazu, eine klare und abstrakt-generelle Zuständigkeitsordnung zu schaffen, die für jeden denkbaren Streitfall im Voraus den Richter bezeichnet, der für die Entscheidung zuständig ist. Jede sachwidrige Einflussnahme auf die rechtsprechende Tätigkeit von innen und von außen soll dadurch verhindert werden. Die Gerichte sind bei der Anwendung der vom Gesetzgeber geschaffenen Zuständigkeitsordnung verpflichtet, dem Gewährleistungsgehalt und der Schutzwirkung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angemessen Rechnung zu tragen.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darüber hinaus auch einen materiellen Gewährleistungsgehalt. Die Verfassungsnorm garantiert, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (vgl.BVerfGE 10, 200 (213 f.); 21, 139 (145 f.); 30, 149 (153); 40, 268 (271); 82, 286 (298); 89, 28 (36)).
Der Gesetzgeber hat deshalb in materieller Hinsicht Vorsorge dafür zu treffen, dass die Richterbank im Einzelfall nicht mit Richtern besetzt ist, die dem zur Entscheidung anstehenden Streitfall nicht mit der erforderlichen professionellen Distanz eines Unbeteiligten und Neutralen gegenüberstehen. Die materiellen Anforderungen der Verfassungsgarantie verpflichten den Gesetzgeber dazu, Regelungen vorzusehen, die es ermöglichen, einen Richter, der im Einzelfall nicht die Gewähr der Unparteilichkeit bietet, abzulehnen oder von der Ausübung seines Amtes auszuschließen (vgl.BVerfGE 21, 139 (146) ; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Februar 2006 - 2 BvR 836/04 -, StraFo 2006, S. 232; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Juni 2005 - 2 BvR 625/01, 2 BvR 638/01 -, NJW 2005, S. 3410; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Juli 2005 - 2 BvR 497/03 -, NVwZ 2005, S. 1304).
2. Diese Grundsätze gelten auch für das Adhäsionsverfahren nach §§ 403 ff. StPO.
a) Ob dem Antragsteller im Adhäsionsverfahren ein Recht zur Ablehnung des Gerichts wegen Besorgnis der Befangenheit zukommt, ist im Schrifttum umstritten; die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich hierzu noch nicht verhalten. Die ein Ablehnungsrecht verneinende Ansicht stützt sich darauf, dass ein solches - anders als für die Staatsanwaltschaft, den Privatkläger und den Beschuldigten (§ 24 Abs. 3 Satz 1 StPO) sowie den Nebenkläger (§ 397 Abs. 1 Satz 3 StPO) - nicht gesetzlich vorgesehen sei. Dem Adhäsionskläger kämen auch nicht - wie dem Beschuldigten im Sicherungsverfahren (§ 414 Abs. 1 StPO), dem Einziehungsbeteiligten (§ 433 Abs. 1, § 440 Abs. 3 StPO), dem Antragsteller im Nachverfahren (§ 441 StPO) und dem Beteiligten im Verfahren bei Festsetzung von Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen (§ 444 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 433 Abs. 1 StPO) - die Befugnisse des Angeklagten und damit das Ablehnungsrecht zu. Ein Ablehnungsrecht des Adhäsionsklägers sei nicht erforderlich, weil er seine Ansprüche vor den Zivilgerichten verfolgen könne und also keine Rechtsnachteile erleide. Im Übrigen nehme die ablehnungsberechtigte Staatsanwaltschaft die Interessen des Geschädigten wahr (vgl. Wendisch, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl. 1999, § 24 Rn. 44 ff.; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl. 2001, § 404 Rn. 11; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. 2006, § 24 Rn. 20; Velten, in: Systematischer Kommentar, StPO, Stand: September 2003, § 404 Rn. 10; Stöckel, in: Kleinknecht/Müller/Reitberger, StPO, Stand: Februar 2006, § 404 Rn. 9; Hamm, NJW 1974, S. 682 (683)). Die Gegenansicht will dem Adhäsionskläger ein Ablehnungsrecht zuerkennen, da er nach Anbringung des Entschädigungsantrags Verfahrensbeteiligter sei und nicht schlechter als in einem Zivilprozess stehen dürfe (vgl. Engelhardt, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl. 2003, § 404 Rn. 12; Köckerbauer, NStZ 1994, S. 305 (307); Meier/Dürre, JZ 2006, S. 18 (21 f.); Teplitzky, MDR 1970, S. 106).
b) Das Adhäsionsverfahren nach §§ 403 ff. StPO eröffnet dem Geschädigten einer Straftat die Möglichkeit, im Strafverfahren materielle Kompensation für erlittene Schäden zu erlangen. Rechtstatsächliche Untersuchungen zeigen, dass für Opfer von Straftaten das Wiedergutmachungsbedürfnis, gerade auch in seiner finanziellen Dimension, generell eine sehr große Rolle spielt (vgl. Kilchling, NStZ 2002, S. 57 (62); ders., DVJJ-Journal 2002, S. 14 m.w.N.; BTDrucks 15/814, S. 6 m.w.N.). Im Einzelfall - wenn z.B. aufwändige Fahndungsmaßnahmen und Zwangsmittel erforderlich sind, um den staatlichen Strafanspruch durchzusetzen - kann die Anhaftung der Entschädigungsmöglichkeit an das Strafverfahren für den Geschädigten die einzige Möglichkeit darstellen, Kompensation zu erlangen. Der Gesetzgeber hat vor diesem Hintergrund die Rechte des Adhäsionsklägers mehrfach gestärkt in dem Bestreben, dem Adhäsionsverfahren in der Rechtswirklichkeit eine größere Bedeutung zu verschaffen (vgl. Brokamp, Das Adhäsionsverfahren - Geschichte und Reform, 1990; Dallmeyer, JuS 2005, S. 327; Hilger, GA 2004, S. 478 (482 ff.)). Mit den Änderungen durch das Opferrechtsreformgesetz vom 24. Juni 2004 (BGBl I S. 1354) beabsichtigte der Gesetzgeber, die Durchführung des Adhäsionsverfahrens zum Regelfall der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche des Opfers zu machen (vgl. BTDrucks 15/1976, S. 8 (16); Protokoll der 71. Sitzung des Deutschen Bundestags am 5. November 2003, S. 6082 A; Protokoll der 75. Sitzung des Deutschen Bundestags am 13. November 2003, S. 6470 B; Protokoll der 94. Sitzung des Deutschen Bundestags am 4. März 2004, S. 8401 B, 8403 C, 8406 B).
c) Vor diesem Hintergrund ist der Antragsteller im Adhäsionsverfahren als Rechtsuchender im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung anzusehen, dem die Ablehnung des gesetzlichen Richters offen steht, wenn dieser nicht die Gewähr der Unparteilichkeit bietet. Da das Adhäsionsverfahren seit seiner Stärkung durch das Opferrechtsreformgesetz den gesetzlichen Regelfall der Durchsetzung von Opferansprüchen darstellt, ist der Antragsteller in erheblichem Maße beschwert, wenn das Verfahren, veranlasst durch ein parteiliches Verhalten des gesetzlichen Richters, scheitert und der Antragsteller sich auf ein neues - zeit- und kostenintensives - Verfahren vor den Zivilgerichten verwiesen sieht.
3. Die gesetzliche Ausgestaltung des Adhäsionsverfahrens in §§ 403 ff. StPO kann in einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährleistung eines Ablehnungsrechts des Adhäsionsklägers genügenden Weise ausgelegt werden.
Zwar hat der Gesetzgeber ein solches Recht - anders als in § 24 Abs. 3 und § 397 Abs. 1 Satz 3 StPO - nicht ausdrücklich normiert. Dem Gesetzgebungsverfahren lässt sich aber entnehmen, dass er mit Blick auf einen die Sach- und Rechtslage einseitig grob verkennenden Vergleichsvorschlag des Gerichts gemäß § 405 Abs. 1 StPO oder Begleitumstände, die Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters begründen können, das Stellen eines Befangenheitsantrags auch nicht generell ausschließen wollte (vgl. BTDrucks 15/1976, S. 15). Allerdings bezieht sich der Gesetzgeber damit wohl auf das Ablehnungsrecht des Angeklagten (vgl. Protokoll der 75. Sitzung des Deutschen Bundestags am 13. November 2003, S. 6463 D - 6464 A m.d.H. auf BGHSt 37, S. 263 (264)). Dass der Gesetzgeber ein Ablehnungsrecht des Adhäsionsklägers erwogen hätte, ist nicht zu erkennen. Damit ist von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen.
Nach § 404 Abs. 2 StPO treten mit Eingang des Antrags bei Gericht die Wirkungen der Klageerhebung im bürgerlichen Rechtsstreit ein. Mit Einreichung der Klage bei Gericht ist im bürgerlichen Rechtsstreit die Möglichkeit eröffnet, ein Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 42 ZPO zu stellen (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl. 2005, § 42 Rn. 2). Die Rechtsfolgenverweisung des § 404 Abs. 2 StPO ist damit in verfassungskonformer Auslegung so zu verstehen, dass sie sich auf die Begründung eines Ablehnungsrechts des Adhäsionsklägers mit Eingang seines Antrags bei Gericht erstreckt. Über ein Ablehnungsgesuch des Adhäsionsklägers ist dann nach den für den Strafprozess geltenden Vorschriften der §§ 22 ff. StPO zu entscheiden. ..." (BVerfG, 2 BvR 958/06 vom 27.12.2006, Absatz-Nr. (1 - 22), www.BVerfG.de/entscheidungen/rk20061227_2bvr095806.html)
agent provocateur
Siehe unter ?Lockspitzeleinsatz - Anstiftung" und ?Strafzumessung".
Agentur für Grundrechte
Siehe unter ?Europäischer Haftbefehl".
Akustische Wohnraumüberwachung
Siehe unter ?Herstellung von Lichtbildern, Observations- und Abhörmaßnahmen".
Akteneinsicht - Aussetzung der Hauptverhandlung
?... Es mag zudem Einzelfälle geben, in denen der Grundsatz des fairen Verfahrens ausnahmsweise eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Freigabe der geheimgehaltenen Ermittlungsakten gebieten kann. Umstände, die das LG zu einem solchen Vorgehen hätten anhalten können, sind hier nicht ersichtlich und auch nicht dargetan. Für eine offensichtlich fehlerhafte Annahme einer Gefährdung des Untersuchungszwecks in dem Ermittlungsverfahren der StA Düsseldorf und eine unvertretbare Hinnahme der darauf gegründeten Akteneinsichtsversagung durch das LG fehlen ausreichende Anhaltspunkte. ..." (BGH, Beschluss vom 11.11.2004 - 5 StR 299/03)
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?... 3. a) Im übrigen genügt der Vortrag nicht, dem Revisionsgericht darzulegen (auch aus dem Protokoll ergibt sich insoweit nichts), der Antrag auf Akteneinsicht habe sich auf Verfahrensakten oder (bereits) beigezogenen Akten bezogen. Allein die Akten des AG Augsburg 5 Ls 104 Js 140812/96 bezüglich H. wurden als Beiakten geführt. Insoweit bekam der Verteidiger R. am 2. 2. 1998 Akteneinsicht. Es trifft zu, daß aus der sog. ?H.-Akte' (5 Ls 104 Js 142405/96) Vorhalte gemacht und darin befindliche Skizzen in Augenschein genommen wurden. Die Revision verschweigt jedoch, daß diese Akten - infolge Verbindung - mit den vorgenannten beigezogenen Akten identisch sind, Akteneinsicht also gewährt worden war. Das Vorliegen weiterer Akten wird nicht in der revisionsrechtlich erforderlichen Bestimmtheit behauptet, sondern nur deren ?Verwendung' angesprochen. In diesem Rahmen verlesene Urkunden und nachgereichte Protokolle waren, wie sich aus dem Beschl. des LG ergibt, dem Verteidigerübergeben worden.
b) Selbst wenn man den Antrag auf Aussetzung und Akteneinsicht dahin auslegen könnte, er beziehe sich - neben der oben genannten, der Verteidigung tatsächlich zugänglich gemachten ?H.-Akte' - auf andere dem Gericht bereits vorliegende Akten, könnte die Rüge gleichwohl keinen Erfolg, haben, weil sie lediglich im Zusammenhang mit dem Aussetzungsantrag über § 338 Nr. 8 StPO durchgreifen könnte (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O., § 147 Rdnr. 43). Insoweit fehlt es aber an dem zu verlangenden substantiierten Vortrag, welche Tatsachen sich aus welchen genau bezeichneten Stellen der Akten ergeben hätten und welche Konsequenzen für die Verteidigung daraus folgten (vgl. BGH NStZ 1996, 99). Denn die Beschränkung gem. § 338 Nr. 8 StPO ?in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt' muß sich aus dem Tatsachenvortrag ergeben, um dem Revisionsgericht die Prüfung des Beruhens zu ermöglichen (vgl. BGH NStZ 1998, 369). Daß insoweit ?nicht auszuschließen (sei), daß sich bei Gewährung der Akteneinsicht Anhaltspunkte für eine weitergehende Verteidigung des Angekl. ergeben hätten', genügt nicht. ..." (BGH, Beschluss vom 02.02.1999 - 1 StR 636/98)
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? ... Die Rüge, das LG habe unter Verletzung der § 222 a Abs. 2 Nr. 8 StPO, § 338 Nr. 8 StPO - gemeint ist ersichtlich statt § 222 a § 265 Abs. 4 - einen Antrag des Verteidigers auf Vertagung, zumindest aber auf Unterbrechung der Hauptverhandlung für mindestens eine Woche zu Unrecht abgelehnt, greift nicht durch.
Der Antrag war damit begründet, der Verteidiger habe auf seinen Antrag beigezogene Strafakten gegen weitere Tatbeteiligte erst am 16./17./18. 1. 1995 erhalten und habe sie daher bis zum Beginn der Hauptverhandlung am 19. 1. 1995 nicht durcharbeiten können. Das LG hat den Antrag abgelehnt, und zwar insbes. deshalb, weil zwar der Hauptbelastungszeuge S. bereits am ersten Verhandlungstag vernommen werden sollte, dem Verteidiger aber bereits zugesagt war, daß S. nochmals, frühestens auf den 26. 1. 1995 vorgeladen werden solle, so daß der Verteidiger noch die Gelegenheit habe, Fragen an den Zeugen zu stellen oder Vorhalte zu machen, die sich aus den Beiakten ergeben könnten. Tatsächlich wurde S. am 26. 1. 1995 ergänzend vernommen. Bei diesem Ablauf des Verfahrens hätte der Bf. näher darlegen müssen, welche Anknüpfungspunkte für Fragen und Vorhalte sich aus den Akten ergeben haben, warum sich aus der Durcharbeitung der Akten ergebende Fragen nicht bei der erneuten Vernehmung des Zeugen eine Woche später angebracht werden konnten und warum nicht bis zu diesem Zeitpunkt der dem Angekl. gegebene Rat, sich nicht zur Sache einzulassen, überprüft werden konnte (vgl. BGH StV 1990, 532). Insoweit ist der Fall vergleichbar mit der Aufklärungsrüge hinsichtlich Beiziehung von Akten, die gleichfalls einen genauen Vortrag dazu voraussetzt, welche Beweistatsache wo in den Akten gefunden hätte werden können. ..." (BGH StV 1999, 298).
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?... Allerdings hätte der Angekl. in der Hauptverhandlung auf die Verteidigung durch RA H. verzichten können. Dies ist nicht geschehen. Weder in der rügelosen Einlassung noch im Unterlassen eines Aussetzungsantrags kann ein wirksamer Verzicht des Angekl. auf die Anwesenheit seines gewählten Verteidigers gesehen werden. Ein solcher Verzicht setzt die Kenntnis des Angekl. voraus, daß sein Verteidiger nicht geladen wurde und daß er deshalb die Aussetzung beantragen kann (vgl. RG GA 68 (1920) S. 355; Gollwitzer a.a.O. Rdnr. 19 und 24; Hanack-LR a.a.O. § 337 Rdnr. 275). Es ist nichts dafür zu ersehen, daß der vom Vorsitzenden des Tatgerichts nicht belehrte Angekl. sein Antragsrecht kannte. ..." (BGH, Urteil vom 09.10.1989 - 2 StR 352/89)
Der Verfahrensfehler führt zur Aufhebung des Urteils, weil nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Aufgaben von RA H. nach dem Willen des Angekl. vom bestellten Verteidiger mit übernommen worden sind und weil sich nicht ausschließen läßt, daß die Hauptverhandlung in Anwesenheit von RA H. zu einem für den Angekl. günstigeren Ergebnis geführt hätte. ..."
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Lehnt das Gericht einen zu Beginn der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung ab, weil ein rechtzeitig gestellter Akteneinsichtsantrag nicht beschieden und Akteneinsicht auch nicht gewährt worden ist, wird die Verteidigung des Angeklagten in unzulässiger Weise beschränkt. Dabei spielt es keine Rolle, daß einem weiteren zum Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalt rechtzeitig Akteneinsicht gewährt worden ist (BGH, Beschluss vom 16.10.1984 - 5 StR 643/84).
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Fehlen in beigezogenen Ermittlungsakten in Zeugenvernehmungsniederschriften mehrere Seiten, wird nicht deutlich, ob eine vernommene Person als Beschuldigter oder Zeuge ausgesagt hat oder ist nicht erkennbar, ob die vernommene Person den Wortlaut der polizeilich gefertigten Niederschrift genehmigt hat, ist der aus § 147 StPO sich ergebende Anspruch der Verteidigung auf vollständige Akteneinsicht verletzt mit der Folge, daß die Hauptverhandlung auszusetzen ist, bis die Staatsanwaltschaft die betreffenden Vernehmungen ergänzt oder die Originalakten beigezogen und vorgelegt hat (LG Koblenz StV 1997, 238).
Akteneinsichtsrecht des Rechtsvertreters § 406 e StPO
(1) Für den Verletzten kann ein Rechtsanwalt die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, einsehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. In den in § 395 genannten Fällen bedarf es der Darlegung eines berechtigten Interesses nicht.
(2) Die Einsicht in die Akten ist zu versagen, soweit überwiegende schutzwürdige Interessen des Beschuldigten oder anderer Personen entgegenstehen. Sie kann versagt werden, soweit der Untersuchungszweck gefährdet erscheint oder durch sie das Verfahren erheblich verzögert würde.
(3) Auf Antrag können dem Rechtsanwalt, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen, die Akten mit Ausnahme der Beweisstücke in seine Geschäftsräume oder seine Wohnung mitgegeben werden. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
(4) Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befaßten Gerichts. Gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 kann gerichtliche Entscheidung nach Maßgabe des § 161 a Abs. 3 Satz 2 bis 4 beantragt werden. Die Entscheidung des Vorsitzenden ist unanfechtbar. Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.
(5) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 können dem Verletzten Auskünfte und Abschriften aus den Akten erteilt werden; die Absätze 2 und 4 sowie § 478 Abs. 1 Satz 3 und 4 gelten entsprechend.
(6) § 477 Abs. 5 gilt entsprechend.
Leitsätze/Entscheidungen:
Ist mit der Gewährung von Akteneinsicht an den Verletzten ein Eingriff in Grundrechtspositionen des Beschuldigten, namentlich in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung verbunden, darf sie erst gewährt werden, wenn der Beschuldigte Gelegenheit hatte, zum Gesuch Stellung zu nehmen (BVerfG, Beschluss vom 15. 4. 2005 - 2 BvR 465/05).
*** (BGH)
?... I. 1. Der GBA hat ein Ermittlungsverfahren gegen die oben genannten vormaligen Besch. wegen des Verdachts einer Strafbarkeit nach dem Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) und anderer Delikte geführt. Dieses Ermittlungsverfahren ist mit Verfügung des GBA v. 16.04.2010 gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Am 13.10.2010 hat der GBA eine offene Version der als geheime Verschlusssache eingestuften Einstellungsverfügung an RA K. übersandt. Dieser hatte sich als Vertreter des H. zur Akte gemeldet, dessen beiden Söhne durch den hier verfahrensgegenständlichen Luftangriff v. 04.09.2009 in A., getötet worden sein sollen. Gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens hat RA K. für den Ast. am 15.11.2010 bei dem OLG D. einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Klageerzwingungsverfahren (§ 172 Abs. 2, 3 StPO) gestellt.
2. Mit Verfügung v. 03.09.2010 hat der GBA RA K. auf dessen Antrag hin Akteneinsicht für H. gem. § 406e Abs. 1 StPO in die offenen und - nach Abgabe einer entsprechenden Verpflichtungserklärung - auch in die als ?VS-VERTRAULICH' eingestuften Teile der Ermittlungsakte gewährt. Eine Akteneinsicht in die als ?VS-GEHEIM' eingestuften Aktenbestandteile hat der GBA gem. § 406e Abs. 2 S. 1 StPO abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Das Interesse der am Einsatz der vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eingerichteten internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (International Security Assistance Force, ISAF) beteiligten Soldaten (und, wie in der Stellungnahme des GBA v. 25.01.2011 ergänzend ausgeführt: ihrer Informanten) an der Geheimhaltung der in den Akten enthaltenen militärischen Geheimnisse sei größer als das berechtigte Interesse der Verletzten, den gesamten Akteninhalt kennenzulernen. Die als ?VS-GEHEIM' eingestuften Aktenbestandteile enthielten ausschließlich militärisches Tatsachenmaterial oder setzten sich mit diesem auseinander. Gelangten diese Informationen an die Öffentlichkeit oder gar in die Hände des militärischen Gegners, führe dies zu einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben der am bewaffneten Konflikt beteiligten ISAF-Soldaten (und ihrer Informanten). Demgegenüber werde das Interesse der Verletzten, ein Klageerzwingungsverfahren zu betreiben, nicht beeinträchtigt, weil insoweit in erforderlichem Umfang Teilakteneinsicht gewährt werde. Insbes. die offene Version des Einstellungsvermerks biete eine ausreichende Grundlage zur Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 3 StPO.
Vor seiner Entscheidung über die Akteneinsicht gem. § 406e Abs. 1 StPO hatte der GBA sowohl den Verteidigern als auch dem Bundesministerium der Verteidigung Gelegenheit gegeben, zur Frage des schutzwürdigen Interesses an der Verweigerung der Akteneinsicht Stellung zu nehmen. Von dieser Möglichkeit haben sowohl der Verteidiger von K. als auch das Bundesministerium der Verteidigung Gebrauch gemacht. Das Bundesministerium der Verteidigung hat ausgeführt, dass als überwiegendes schutzwürdiges Interesse anderer Personen i.S.d. § 406e Abs. 2 S. 1 StPO auch das Wohl des Bundes zu berücksichtigen sei und dass dieses im konkreten Fall gegenüber berechtigten Interessen Geschädigter überwiege.
3. Gegen die teilweise Versagung der Akteneinsicht wendet sich der Ast. mit dem vorliegenden Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 406e Abs. 4 S. 2 StPO). ...
II. 1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist statthaft (§ 406e Abs. 4 S. 2 StPO) und auch im Übrigen zulässig.
a) Über die Gewährung der Akteneinsicht für den Verletzten entscheidet im vorbereitenden Verfahren die StA (§ 406e Abs. 4 S. 1 Hs. 1 StPO), hier mithin der GBA. Gegen die Entscheidung der StA kann gem. § 406e Abs. 4 S. 2 StPO gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 StPO zuständige Gericht beantragt werden. Zuständig für die vorliegend beantragte gerichtliche Entscheidung ist der Ermittlungsrichter des BGH (§ 162 Abs. 1 S. 1, § 169 Abs. 1 S. 2 StPO).
b) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist statthaft. Hierzu bedarf es keiner abschließenden Entscheidung hinsichtlich der Verletzteneigenschaft des Ast. (§ 406e Abs. 1 StPO). Denn der GBA hat diese unter Zurückstellung seiner in der Stellungnahme v. 25.01.2011 näher ausgeführten Restzweifel als hinreichend dargelegt angesehen und auf dieser Grundlage eine Einsichtnahme in Akte, soweit sie nicht als ?VS-GEHEIM' eingestuft ist, gewährt. Damit ist auch für die Entscheidung über den vorliegenden Antrag gem. § 406e Abs. 4 S. 2 StPO von der Verletzteneigenschaft des Ast. auszugehen.
2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist jedoch nicht begründet.
a) Gemäß § 406e Abs. 1 S. 1 StPO kann für den Verletzten ein RA die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, einsehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. In den in § 395 StPO genannten Fällen - und damit auch hier (§ 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO) - bedarf es einer solchen Darlegung indes nicht.
b) Nach § 406e Abs. 2 S. 1 StPO ist die Einsicht in die Akten - zwingend - zu versagen, soweit überwiegende schutzwürdige Interessen des Besch. oder anderer Personen entgegenstehen. Dieses Abwägungsgebot gilt auch für den Nebenklageberechtigten (§ 395 StPO; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 406e Rn. 6 m.w.N.; LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 406e Rn. 2).
Bei der Prüfung gem. § 406 Abs. 2 S. 1 StPO ist davon auszugehen, dass diese Vorschrift einen vertretbaren Ausgleich im schwierigen Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz, Verteidigungsinteressen, Wahrheitsfindung, Funktionsinteressen der Strafrechtspflege und dem legitimen, verfassungsrechtlich abzuleitenden Informationsanspruch des Verletzten sucht (BGH, Beschl. v. 18.01.1993 - 5 AR (VS) 44/92, BGHSt 39, 112, 115 [= StV 1993, 118]; LR/Hilger, a.a.O. Rn. 3; vgl. auch BT-Drucks. 10/5305, S. 18). Deshalb sind im Rahmen des § 406e Abs. 2 S. 1 StPO die gegenläufigen Interessen des Verletzten sowie des Besch. oder anderer Personen sorgfältig gegeneinander abzuwägen, um hierdurch festzustellen, welchem Interesse im Einzelfall der Vorrang gebührt (BVerfG, NJW 2007, 1052, 1053; BVerfG, ZIP 2009, 1270 Rn. 24; vgl. auch BVerfG NJW 2003, 501, 503).
c) Diese Grundsätze hat der GBA bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Die von ihm vorgenommene Abwägung der gegenläufigen Interessen lässt keinen Fehler erkennen und ist auch im Ergebnis zutreffend. Unter Würdigung des Inhalts der Akte - einschließlich der als ?VS-GEHEIM' eingestuften Bestandteile, die dem Gericht zur Entscheidung über den Antrag gem. § 406e Abs. 4 S. 2 StPO vorlagen - ist in Übereinstimmung mit dem GBA davon auszugehen, dass die schutzwürdigen Interessen anderer Personen, hier namentlich der Schutz von Leib und Leben der am ISAF-Einsatz beteiligten Soldaten und der Personen, die mit ihnen zusammenarbeiten, insbes. ihrer Informanten, das Informationsinteresse des Ast. überwiegen. Der GBA hat daher zu Recht eine Einsichtnahme in die als ?VS-GEHEIM' eingestuften Teile der Ermittlungsakte versagt.
aa) Dabei kann die in Rspr. und Lit., soweit ersichtlich, bisher noch nicht erörterte Frage offen bleiben, ob zu den anderen Personen gem. § 406e Abs. 2 S. 1 StPO auch die Bundesrepublik Deutschland gehört und im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung demnach das Wohl und Sicherheitsinteressen des Bundes zu berücksichtigen sind. Denn jedenfalls gehören die am ISAF-Einsatz beteiligten Soldaten sowie deren Mitarbeiter und Informanten zu dem Kreis der Personen, deren schutzwürdige Interessen im Rahmen der Abwägung gem. § 406e Abs. 2 S. 1 StPO zu berücksichtigen sind.
bb) Anders als der Ast. meint, sind andere Personen gem. dieser Vorschrift nicht nur solche, die in einem sehr engen, unmittelbaren Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren stehen und konkret individualisiert in den Akten benannt oder beschrieben sind. Eine solche Einschränkung des Personenkreises lässt sich weder dem Wortlaut der Vorschrift noch den Gesetzesmaterialien entnehmen. Sie ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck des § 406 Abs. 2 S. 1 StPO.
Nach der Gesetzesbegründung verfolgte der Gesetzgeber bei der Neugestaltung der formellen Verletztenbeteiligung am Verfahren das Ziel, dem Verletzten schon im Vorverfahren gewisse Mindestbefugnisse zu gewähren, wozu diesem u.a. ein gesetzliches Akteneinsichtsrecht eingeräumt und gleichzeitig sichergestellt werden sollte, dass die schutzwürdigen Interessen des Besch. und anderer Personen an der Wahrung ihrer persönlichen Daten nicht unvertretbar beeinträchtigt und Verfahrensverzögerungen vermieden werden (BT-Drucks. 10/5305, S. 8; vgl. auch die Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages, BT-Drucks. 10/6124, S. 12). Weiter wird in der Gesetzesbegründung ausgeführt, dass § 406e Abs. 2 S. 1 StPO mit Rücksicht auf die berechtigten Schutzinteressen und Belange des Besch. und Dritter vorsehe, dass eine Akteneinsicht des Verletzten im Interesse des Persönlichkeitsschutzes des Besch. oder Dritter zu versagen sei, wenn deren Interesse an der Geheimhaltung ihrer in den Akten enthaltenen persönlichen Daten überwiege (BT-Drucks. 10/5305, S. 18).
Mag auch der Schwerpunkt der Gesetzesbegründung in dem Schutz des Rechts der genannten Personen auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG; vgl. BVerfG, ZIP 2009, 1270 Rn. 16 m.w.N.) zu sehen sein (vgl. LR/Hilger, a.a.O. Rn. 9; KK-Engelhardt, StPO, 6. Aufl., § 406e Rn. 3), so lässt die Begründung doch keine Beschränkung der im Rahmen des § 406e Abs. 2 S. 1 StPO zu berücksichtigenden schutzwürdigen Interessen auf diesen Gesichtspunkt und damit auch keine entsprechende Beschränkung des schutzwürdigen Personenkreises auf solche Personen, deren personenbezogene Daten in der Akte enthalten sind, erkennen.
Dem entsprechend hat das BVerfG in den bereits erwähnten Entscheidungen ausgeführt, zu den schutzwürdigen Interessen des Besch. zähle auch (mithin: nicht alleine) sein Interesse an der Geheimhaltung persönlicher Daten (BVerfG, NJW 2007, 1052, 1053; BVerfG, ZIP 2009, 1270 Rn. 24). Dies gilt in gleicher Weise für die anderen in § 406e Abs. 2 S. 1 StPO genannten Personen.
Demgem. werden als schutzwürdige Interessen gem. § 406e Abs. 2 S. 1 StPO neben den persönlichkeitsrechtlichen Interessen im weitesten Sinne (vgl. hierzu im Einzelnen: LR/Hilger, a.a.O.; vgl. auch BeckOK-Weiner, Bearb. 15.01.2011, § 406e Rn. 3; Meyer-Goßner, a.a.O.) beispielsweise auch wirtschaftliche Interessen, wie etwa Geschäftsund Betriebsgeheimnisse umfasst (LR/Hilger, a.a.O. m.w.N.; vgl. auch BVerfG, wistra 2002, 335, 337).
Wenn aber bereits wirtschaftliche Interessen an der Geheimhaltung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen als schutzwürdige Interessen anerkannt sind, muss dies - wie der GBA in seiner Stellungnahme v. 25.01.2011 zutreffend ausgeführt hat - nach dem Sinn und Zweck des § 406e Abs. 2 S. 1 StPO auch - und erst recht - für militärische Geheimnisse gelten, die dem Schutz des durch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG garantierten Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit der Soldaten und der mit ihnen zusammenarbeiten Personen, hier insbes. der afghanischen Informanten, gelten (so auch BeckOK/Weiner, a.a.O., sowohl für militärische Geheimnisse als auch für die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit).
Entgegen der Auffassung des Ast. erfordert die Berücksichtigung des schutzwürdigen Interesses der vorstehend genannten Personen im Rahmen der Abwägung gem. § 406e Abs. 2 S. 1 StPO nicht, dass diese konkret individualisiert in den Akten benannt oder beschrieben sind. Denn die hier von einer Offenbarung der militärischen Geheimnisse ausgehende Gefahr für Leib oder Leben beschränkt sich nicht auf die mit dem verfahrensgegenständlichen Luftangriff unmittelbar im Zusammenhang stehenden Soldaten, Mitarbeiter und Informanten, sondern umfasst angesichts des Inhalts der als ?VS-GEHEIM' eingestuften Teile der Akte die in Afghanistan, insbes. in der oben genannten Provinz eingesetzten ISAF-Soldaten und die mit diesen zusammenarbeitenden Personen insgesamt.
In Übereinstimmung mit der Einschätzung des GBA ist aufgrund des Inhalts des geheimhaltungsbedürftigen Teils der Akte davon auszugehen, dass die darin enthaltenen Informationen, gelangten sie der Gegenseite zur Kenntnis, dieser einen erheblichen militärischen Vorteil verschaffen würden, der insbes. zu einem Angriff mit möglicherweise tödlichen Folgen genutzt werden könnte. Zudem bestünde eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben des Informanten, der in der Nacht des verfahrensgegenständlichen Luftangriffs die Informationen zu den auf der Sandbank sich aufhaltenden Personen geliefert hat, da der Akteninhalt Rückschlüsse auf dessen Identität zulässt und unweigerlich zu einer Namhaftmachung führen würde.
cc) Aus den vorstehend genannten Gründen folgt auch, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der erwähnten anderen Personen einem uneingeschränkten Akteneinsichtsrecht des Ast. entgegenstehen. Dabei ist im Rahmen der Abwägung der gegenläufigen Interessen auch zu berücksichtigen, dass der Verletztenvertreter, wie der GBA in seiner oben genannten Stellungnahme zutreffend ausgeführt hat, mit der bereits gewährten (Teil-) Akteneinsicht und der offenen Version des Einstellungsvermerks, die vom Originalvermerk in geringstmöglichem Maße abweicht und keine tatsachen- oder sinnverändernden textlichen Abweichungen aufweist, ausreichende Informationen für die Fertigung eines zulässigen Klageerzwingungsantrags (vgl. hierzu BVerfG, NJW 2000, 1027 m.w.N.) erhalten hat. Letzteres stellt auch die Antragsbegründung nicht in Abrede.
Dass der Ast. darüber hinausgehend im Klageerzwingungsverfahren aufgrund der Geheimhaltung nicht umfassend zu der vom GBA vorgenommenen Beweiswürdigung Stellung nehmen kann, ist angesichts des oben erwähnten Gewichts der schutzwürdigen Interessen der Soldaten, Mitarbeiter und Informanten hinnehmbar, zumal das OLG im Rahmen der (möglichen) Prüfung der Begründetheit des Klageerzwingungsantrags eine umfassende eigene Würdigung der Beweismittel von Amts wegen vorzunehmen haben wird.
dd) Ohne Erfolg macht der Ast. geltend, dem RA des Verletzten stehe ebenso wie dem Verteidiger des Besch., soweit nicht § 96 StPO eingreife, ein uneingeschränktes, auch die geheimnisbedürftigen Teile der Akte umfassendes Akteneinsichtsrecht zu. Der Ast. verkennt dabei, dass der Besch. in stärkerem Maße auf die Akteneinsicht angewiesen ist als der Verletzte. In der Gesetzesbegründung zu § 406e Abs. 2 S. 1 StPO wird hierzu ausgeführt, dass namentlich im Interesse der berechtigten Schutzinteressen und Belange des Besch. und Dritter, aber auch im Interesse der Wahrheitsfindung und der Verfahrensökonomie das Akteneinsichtsrecht des Verletzten stärkeren Restriktionen unterliegen müsse als das des Besch. nach § 147 StPO. Das Akteneinsichtsrecht sei für den Verletzten zwar ein wichtiges Informationsmittel, es sei für ihn aber nicht von der gleichen zentralen Bedeutung wie für den Besch., für dessen effektive Verteidigungsmöglichkeit es uneingeschränkt unerlässlich sei. Deshalb knüpfe das Gesetz bei § 406e StPO zwar in der Terminologie an § 147 StPO an, gestalte aber im Übrigen das Akteneinsichtsrecht des Verletzten selbständig aus (BT-Drucks. 10/5305, S. 18; ebenso KK-Engelhardt, a.a.O. Rn. 1; Meyer-Goßner, a.a.O. Rn. 1; LR/Hilger, a.a.O. Rn. 3).
ee) Auch die Ausführungen des Ast. zum Informationsfreiheitsgesetz (IFG) greifen nicht durch. Zwar enthält das IFG - anders als die StPO - u.a. eine spezielle Regelung, wonach der gem. § 1 IFG grundsätzlich bestehende Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen im Interesse des Schutzes besonderer öffentlicher Belange nicht besteht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegt (§ 3 Nr. 4 IFG). Die StPO enthält jedoch in § 406e StPO eine umfassende Regelung des Akteneinsichtsrechts des Verletzten und ermöglicht insbes. durch die im Rahmen der Versagungsgründe anzustellende einzelfallbezogene Abwägung der gegenläufigen Interessen (§ 406e Abs. 2 S. 1 StPO) sowie durch die Beurteilung einer möglichen Gefährdung des Untersuchungszwecks (§ 406e Abs. 2 S. 2 StPO) eine sachgerechte Berücksichtigung auch des Umstands der Geheimhaltungsbedürftigkeit bestimmter Aktenbestandteile.
ff) Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles führt der vom Ast. geltend gemachte Gesichtspunkt der Verschwiegenheitspflicht seines RA ebenfalls nicht zu einer Erstreckung des Akteneinsichtsrechts auf die als ?VS-GEHEIM' eingestuften Teile der Akte. Zwar ist im Rahmen der Abwägung gem. § 406e Abs. 2 S. 1 StPO zu berücksichtigen, dass der vom Ast. beauftragte RA, durch den Akteneinsicht genommen werden soll, als Organ der Rechtspflege in der Pflicht steht, seinem Mandanten nur die Auskünfte zukommen zu lassen, die zur Verfolgung von dessen Ansprüchen - oder hier der Klageerzwingung - dringend erforderlich sind (vgl. BVerfG, ZIP 2009, 1270 Rn. 25). Da der anwaltliche Vertreter des Verletzten jedoch aufgrund seiner verfahrensrechtlichen Funktion grundsätzlich berechtigt ist, die von ihm im Rahmen der Akteneinsicht gewonnenen Erkenntnisse an den Verletzten weiterzugeben und mit diesem zu erörtern (vgl. LR/Hilger, a.a.O. Rn. 4), und sich aus der Antragsbegründung ergibt, dass die Unterlagen, in die keine Akteneinsicht gewährt worden ist, als wesentlich für die Wahrnehmung des Mandats erachtet werden, liegt die Möglichkeit nicht fern, dass eine Erörterung des geheimhaltungsbedürftigen Tatsachenmaterials mit dem Ast. erfolgen wird.
In diesem Zusammenhang ist zudem zu berücksichtigen, dass der Ast. - ungeachtet des Umstands, dass sein Verhältnis zu den T. nicht geklärt werden konnte - in einem Dorf lebt, das von diesen kontrolliert wird. Damit bestünde bei einer uneingeschränkten Akteneinsicht jedenfalls die Gefahr, dass die T., erführen sie hiervon, den Ast. dazu bringen könnten, ihnen die ihm im Wege der Akteneinsicht bekannt gewordenen militärischen Geheimnisse mitzuteilen.
d) Schließlich begegnet die Versagung der Akteneinsicht in die als ?VS-GEHEIM' eingestuften Teile der Akte auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten (vgl. hierzu BVerfG, NJW 2003, 501, 503; BeckOK-StPO/Weiner, a.a.O.; KK-Engelhardt, a.a.O. Rn. 5; LR/Hilger, a.a.O. Rn. 8) keinen Bedenken. Ein milderes Mittel als die vollständige Versagung einer Einsichtnahme - etwa in Gestalt einer teilweisen Schwärzung oder von Auflagen (vgl. LR/Hilger, a.a.O. Rn. 4) - ist angesichts des Inhalts der als ?VS-GEHEIM' eingestuften Aktenbestandteile nicht gegeben. ..." (BGH, Beschluss vom 21.02.2011 - 4 BGs 2/11)
*** (OLG)
Der Umstand, dass ein Zeuge sich zur Auskunftsverweigerung berechtigt wähnt, begründet für den anwaltlichen Zeugenbeistand keinen Anspruch auf Akteneinsicht. Im Hinblick auf die Unbefangenheit bei der bevorstehenden Vernehmung wäre es nicht sachgerecht, dem Zeugen eine Vorbereitung seiner Aussage durch Akteneinsicht zu ermöglichen (KG, Beschluss vom 20.12.2007 - (1) 2 BJs 58/06 - 2 (22/07) zu StPO §§ 475, 477, 55, 147, 406e):
?... Der GBA führt gegen den Besch. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (?militante Gruppe [mg]'). In diesem Verfahren soll Z. als Zeuge vernommen werden. Mit Beschl. v. 22. 10. 2007 hat der Vors. dem Zeugen für die Dauer seiner Vernehmung RA M. gem. § 68b StPO als Zeugenbeistand beigeordnet. Die ebenfalls beantragte Akteneinsicht ist ihm durch den GBA verweigert und lediglich eine Ablichtung des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des BGH gegen B. v. 01. 08. 2007 übersandt worden. Der hiergegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
1. Über den zulässigen Antrag hat gem. §§ 475, 478 Abs. 3 S. 1 i.V.m. §§ 161a Abs. 3 S. 2 bis 4 StPO, 73 Abs. 1, 120 Abs. 3 GVG der Senat zu entscheiden. Soweit § 478 Abs. 3 S. 2 StPO anordnet, daß die Entscheidung ?des Vors.' unanfechtbar ist, wird damit für den Fall, daß die Entscheidung der StA im Ermittlungsverfahren angefochten wird, keine funktionale Zuständigkeit des Vors. begründet oder vorausgesetzt (vgl. KG, Beschl. v. 19. 04. 2001 - 4 VAs 1/01 -; LG Hildesheim, Beschl. v. 26. 03. 2007 - 25 Qs 17/06 - zitiert nach juris). Denn § 478 Abs. 3 StPO entspricht strukturell § 406e Abs. 4 StPO (vgl. BR-Drucks. 65/99, S. 61 ff., 63; Pfeiffer, StPO 5. Aufl., § 478 Rn. 4). Diese Vorschrift weist dem Vors. ?des mit der Sache befaßten Gerichts' die Zuständigkeit allein für den Fall zu, daß die Akteneinsicht während gerichtlicher Anhängigkeit des Verfahrens begehrt wird (vgl. Pfeiffer a.a.O. § 406 Rn. 4 f.). Eine Erweiterung der Zuständigkeit des Vors. zur Entscheidung über Anträge auf gerichtliche Entscheidungen gegen Verfügungen der StA ist mit § 478 Abs. 3 StPO nicht bezweckt.
2. Dem Antrag des RA auf Gewährung von Akteneinsicht kann nicht stattgegeben werden, weil Zwecke des Strafverfahrens entgegenstehen (§ 477 Abs. 2 S. 1 StPO).
a) Dem anwaltlichen Zeugenbeistand steht im Gegensatz zu dem Verteidiger (§ 147 Abs. 1 StPO) ein eigenes Recht auf Akteneinsicht nicht zu. Die Rechtsstellung des anwaltlichen Zeugenbeistands leitet sich aus der des Zeugen ab. Er hat keine eigenen Rechte als Verfahrensbeteiligter und keine weitergehenden Befugnisse als der Zeuge selbst (vgl. BVerfGE 38, 116; LR-Dahs, StPO 25. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 11; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 11, § 68b Rn. 5; KK-Wache, StPO 5. Aufl., § 161a Rn. 3). Einem Zeugen kommt daher, soweit er nicht Verletzter ist, ein Akteneinsichtsrecht lediglich als ?Privatperson' i.S.d. § 475 StPO zu, so daß auch der anwaltliche Zeugenbeistand ein Akteneinsichtsrecht allein nach dieser Vorschrift wahrnehmen kann (vgl. OLG Düsseldorf NJW 2002, 2806; OLG Hamburg, NJW 2002, 1590 [= StV 2002, 297]).
Aufgabe des Zeugenbeistands, ist es, den Zeugen während der Vernehmung bei der sachgerechten Wahrnehmung seiner prozessualen Rechte, insbes. von Auskunftsverweigerungsrechten gem. § 55 StPO oder Zeugnisverweigerungsrechten nach §§ 52 ff. StPO sowie bei der Verteidigung gegen Ordnungsmittel zu unterstützen. Darüber hinaus soll er bei Zeugen, die in ihrer Aussagefähigkeit beschränkt oder in ihrer Aussagebereitschaft gehemmt sind, dazu beitragen, Aussagefehler und Mißverständnisse zu verhindern. Soweit er im vorliegenden Fall dem Zeugen bei der anstehenden Entscheidung behilflich ist, ob er im Hinblick auf § 55 StPO einzelne Fragen nicht beantwortet, muß die Entscheidung jew. für die tatsächlich gestellte Frage getroffen werden und kann sich nicht danach richten, welche Fragen - aufgrund von Akteneinsicht - vorab als möglich angesehen werden. Zu der anstehenden Entscheidung muß der Beistand nicht den Inhalt der Sachakte kennen. Grundlage der Entscheidung ist vielmehr das Wissen oder die Einschätzung des Zeugen selbst, sich bei der wahrheitsgemäßen Beantwortung einer Verfolgung i.S.v. § 55 StPO auszusetzen (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 2002, 2806, 2807).
Die in der Lit. vertretene Ansicht, die ein Akteneinsichtsrecht des Zeugenbeistandes für den Fall fordert, daß anders wirksamer Beistand nicht möglich sei (vgl. KK-Senge, StPO 5. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 18a m.w.N. und § 68b Rn. 9), begegnet Bedenken.
Hiergegen spricht im vorliegenden Fall schon, daß diese Ansicht nicht auf das Verfahrensstadium abhebt, in dem selbst dem Verteidiger gem. § 147 Abs. 2 StPO die Akteneinsicht versagt werden könnte. Sie übersieht, daß der Gesetzgeber im Falle des Akteneinsichtsbegehrens eines Zeugen, der nicht Verletzter ist, den Strafverfolgungszwecken Vorrang eingeräumt hat (§ 477 Abs. 2 S. 1 StPO). Der Beistand darf den Zeugen nicht in der Aussage vertreten oder auf den Inhalt der Aussage Einfluß nehmen. Gerade dies ist aber nicht auszuschließen, wenn der Zeugenbeistand mit dem Zeugen anhand der durch die Akteneinsicht gewonnenen Kenntnisse inhaltliche Fragen erörtert. Erlaubte man dem Zeugen die Akteneinsicht, wäre nicht mehr nachvollziehbar, ob er Sachverhalte unbefangen aus seiner Erinnerung oder auf Grund der - ihm von seinem Beistand vermittelten Aktenlage darstellt. Vorhalte als Gedächtnisstütze würden ihren Sinn verlieren (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.). Die daraus resultierende Gefahr der Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung kann regelmäßig nicht hingenommen werden. Die Regelungen der §§ 58 Abs. 1 S. 1 und 243 Abs. 2 S. 1 StPO, welche die Unbefangenheit des Zeugen bei seiner Aussage sicherstellen sollen, zeigen, daß dem Gesetzgeber bewußt war, daß Qualität und Beweiswert einer Zeugenaussage ganz erheblich herabgesetzt sind, wenn dem Zeugen die Angaben des Angekl. oder der anderen Zeugen bekannt sind (vgl. von Schlieffen in Krekeler/Löffelmann, AnwK-StPO, Vorbemerkung zu § 48 Rn. 8). Folgerichtig hat die Rspr. wiederholt entschieden, daß der Zeuge seine Aussage ohne Kenntnis dessen machen soll, was Angekl. und andere Beweispersonen bekunden. Dadurch soll seine Unbefangenheit und seine Selbständigkeit der Darstellung erhalten bleiben (vgl. BGHSt 3, 386, 388; BGHR StPO § 338 Nr. 6 Zuhörer 6, 7). Eine Einsicht in die vollständigen Akten, insbes. in die Teile, die die Angaben anderer Zeugen und des Angekl. betreffen, verbietet sich daher grundsätzlich. Den Interessen des Zeugen kann regelmäßig durch Mitteilung des Beweisthemas und ggf. - wie vorliegend geschehen - durch Erteilung von Auskünften aus der Akte ausreichend Rechnung getragen werden.
Soweit der Ast. meint, die Beratung des Zeugen Z. über seine Rechte aus § 55 StPO nur in Kenntnis des Akteninhalts wahrnehmen zu können, ist zu bedenken, daß die Entscheidung über die Verfolgungsgefahr eine Rechtsfrage ist, über die das Gericht, nicht aber der Zeuge oder der Angekl. zu entscheiden hat (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 55 Rn. 10). Der Zeuge, der sich zur Auskunftsverweigerung berechtigt wähnt, ist auch im Ermittlungsverfahren ausreichend dadurch geschützt, daß ihm gem. § 161a Abs. 3 StPO der Weg zu einer gerichtlichen Entscheidung freisteht, - falls er mit Zwangsmitteln zu seiner Aussage bewegt werden soll. Im Falle einer unterlassenen Belehrung oder fehlerhaften Anwendung des § 55 StPO ist er zudem durch ein Verwertungsverbot in einem späteren Verfahren gegen sich geschützt (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Einleitung Rn. 55a und § 55 Rn. 17 m.w.N.).
b) Hinzu kommt, daß die Akteneinsicht durch den Zeugenbeistand in das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgende Recht des Besch. auf informationelle Selbstbestimmung eingreift. Die Vorschrift des § 406e StPO zeigt, daß der Gesetzgeber ?im schwierigen Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz, Verteidigungsinteressen, Wahrheitsfindung, Funktionsinteressen der Strafrechtspflege und dem legitimen, verfassungsrechtlich abzuleitenden Informationsanspruch des Verletzten einen vertretbaren Ausgleich' (LR-Hilger, StPO 25. Aufl., § 406e Rn. 3; vgl. auch BGHSt 39, 112, 116) gesucht hat und nur dem verletzten Zeugen regelmäßig ein Akteneinsichtsrecht zubilligen wollte. Selbst diesem insoweit begünstigten Zeugen kann nach § 406e Abs. 2 StPO im Interesse der Wahrheitsfindung und der Verfahrensökonomie die Akteneinsicht versagt werden. Erst recht ist daher dem nicht durch die Straftat verletzten Zeugen und seinem Beistand die Akteneinsicht zu verweigern, wenn dies die Verfahrenszwecke gefährdet.
c) Im Interesse der Wahrheitsfindung und einer unbeeinflußten Zeugenaussage ist die gem. § 475 Abs. 2 StPO grundsätzlich mögliche Akteneinsicht hier zu versagen, weil Zwecke des Strafverfahrens entgegenstehen (§ 477 Abs. 2 StPO). Im Hinblick auf die Unbefangenheit bei der Vernehmung wäre es nicht sachgerecht, dem Zeugen eine Vorbereitung seiner Aussage durch Akteneinsicht zu ermöglichen. Das dem Zeugen durch die Übersendung des Haftbefehls sowie durch das Schreiben des GBA v. 19. 10. 2007 mitgeteilte Beweisthema - sein enger Kontakt zu dem Besch. - bildet den Rahmen der anstehenden Zeugenbefragung. Der Zeuge hat sich aufgrund des Beweisthemas vorzubereiten und nicht aufgrund der Bewertung der verfahrensgegenständlichen Akten. Den schutzwürdigen Interessen des Zeugen ist durch die ihm gegebenen Informationen hinreichend Genüge getan. ..."
*** (LG)
Für die Gewährung von Akteneinsicht in staatsanwaltschaftliche Ermittlungsvorgänge kann es ausreichen, wenn es nach dem Vorbringen des Antragsstellers möglich erscheint, dass er dadurch zivilrechtliche Ansprüche gegen den Beschuldigten oder Dritte verifizieren kann; es ist im Verfahren auf gerichtliche Entscheidung gegen eine entsprechende staatsanwaltschaftliche Verfügung nicht Aufgabe der Strafkammer, zu prognostizieren, wie ein oberlandesgerichtlicher Zivilsenat über diese möglichen zivilrechtlichen Ansprüche entscheiden könnte. Ein Insolvenzverwalter kann Verletzter i.S. des § 406e StPO sein (Fortführung von Kammer, NJW 2008, 531, und NStZ-RR 2008, 43; LG Hildesheim, Beschluss vom 06.02.2009 - 25 Qs 1/09 zu GVG § 74c; NdsZustVO-Justiz § 2; StPO §§ 406e, 475; InsO § 80 I).
***
Die über die Akteneinsicht nach § 406e StPO entscheidende Stelle hat die gegenläufigen Interessen von Verletzten und Beschuldigten gegeneinander abzuwägen, um festzustellen, welchem Interesse im Einzelfall der Vorrang gebührt. Ist mit der Gewährung von Akteneinsicht ein Eingriff in Grundrechtspositionen des Betroffenen verbunden, so ist regelmäßig dessen Anhörung erforderlich (LG Krefeld, Beschluss vom 1. 8. 2008 - 21 AR 2/08, NJW 2009, 537).
*** (AG)
Geschädigte eines Kartells haben zur Geltendmachung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche kein Recht auf Akteneinsicht in Bezug auf Kronzeugenanträge und von Kronzeugen im Zusammenhang mit dem Kronzeugenantrag freiwillig herausgegebene Informationen und Unterlagen, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sowie interne Vorgänge (AG Bonn, Beschluss vom 18.01.2012 - 51 Gs 53/09, NJW 2012, 947 f).
***
Dem Verletzten, der in der Hauptverhandlung als Zeuge gehört werden soll, ist bis zu seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung in der Regel nach § 406 e Abs. 2 S. 2 StPO wegen der Gefährdung des Untersuchungszwecks die Akteneinsicht zu versagen (AG Saalfeld, Beschluss vom 07.03.2005 - 630 Js 23573/04-2 Ds jug. - StV 2005, 261 f).
Siehe auch unter ?Auskünfte und Akteneinsicht".
Akteneinsicht des Verteidigers § 147 StPO
(1) Der Verteidiger ist befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen.
(2) Ist der Abschluß der Ermittlungen noch nicht in den Akten vermerkt, so kann dem Verteidiger die Einsicht in die Akten oder einzelne Aktenstücke sowie die Besichtigung der amtlich verwahrten Beweisstücke versagt werden, wenn sie den Untersuchungszweck gefährden kann.
(3) Die Einsicht in die Niederschriften über die Vernehmung des Beschuldigten und über solche richterlichen Untersuchungshandlungen, bei denen dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet worden ist oder hätte gestattet werden müssen, sowie in die Gutachten von Sachverständigen darf dem Verteidiger in keiner Lage des Verfahrens versagt werden.
(4) Auf Antrag sollen dem Verteidiger, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen, die Akten mit Ausnahme der Beweisstücke zur Einsichtnahme in seine Geschäftsräume oder in seine Wohnung mitgegeben werden. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
(5) Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im Übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts. Versagt die Staatsanwaltschaft die Akteneinsicht, nachdem sie den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt hat, versagt sie die Einsicht nach Absatz 3 oder befindet sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß, so kann gerichtliche Entscheidung nach Maßgabe des § 161 a Abs. 3 Satz 2 bis 4 beantragt werden. Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.
(6) Ist der Grund für die Versagung der Akteneinsicht nicht vorher entfallen, so hebt die Staatsanwaltschaft die Anordnung spätestens mit dem Abschluß der Ermittlungen auf. Dem Verteidiger ist Mitteilung zu machen, sobald das Recht zur Akteneinsicht wieder uneingeschränkt besteht.
(7) Dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger hat, können Auskünfte und Abschriften aus den Akten erteilt werden, soweit nicht der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte und nicht überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter entgegenstehen. Absatz 5 und § 477 Abs. 5 gelten entsprechend.
Hinweise:
Das Akteneinsichtrecht wird in der Strafprozessordnung garantiert (§ 147 StPO). Das Akteneinsichtrecht hat Verfassungsrang. Es ist ein Gebot des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG). Das Akteneinsichtrecht gewährleistet eine gewisse Waffengleichheit und dient damit der Durchsetzung des Gebots eines fairen Verfahrens.
Das Akteneinsichtrecht steht dem Beschuldigten nicht zu. Dieses Recht hat nur der Verteidiger. Es erstreckt sich auf die Verfahrensakten, sämtliche Beiakten, Beweismittelordner und sonstigen Beweisstücken.
Solange der Verteidiger keine Akteneinsicht hat, darf er den Beschuldigten nicht raten, sich zur Sache einzulassen oder eine Stellungnahme abzugeben. Ausnahmen kommen in besonders gelagerten Fälle in Betracht.
In Haftsachten muss gegen jede Versagung der Akteneinsicht ein Rechtsmittel eingelegt werden. Es ist gerichtliche Entscheidung zu beantragen (§ 147 V 2 StPO).
Siehe auch unter ?Akteneinsichtsrecht für Beschuldigte ohne Rechtsanwalt".
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Waffengleichheit zwischen den Verfahrensbeteiligten ist nicht gewährleistet, wenn dem Verteidiger der Zugang zu den Schriftstücken in der Ermittlungsakte versagt wird, die für die wirksame Anfechtung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung seines Mandanten wesentlich sind (EGMR, Urteil vom 09.07.2009 - Individualbeschwerde Nr. 11364/03 - M ./. Deutschland zu MRK Art. 5, 6; StPO § 147):
?... III. Gerügte Versagung der Akteneinsicht
108. Der Bf. rügte weiterhin, daß seinem Anwalt im Haftprüfungsverfahren die Akteneinsicht versagt worden sei, weshalb er sich nicht wirksam habe verteidigen können. Er berief sich auf die Art. 5 und 6 der Konvention.
109. Der Gerichtshof ist der Auffassung, daß diese Rüge allein nach Art. 5 der Konvention zu prüfen ist, ...
1. Das Urteil der Kammer
114. Mit Urt. v. 13. 12. 2007 wies die Kammer die Einrede der Regierung zurück. Sie war der Auffassung, daß die Rüge des Bf. in bezug auf die Tatsache, daß seinem Anwalt Akteneinsicht verwehrt wurde, nur einen Aspekt seiner umfassenderen Rüge im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit seines Haftbefehls dargestellt habe. Ein zusätzliches Verfahren nach § 147 Abs. 5 StPO zur gerichtlichen Überprüfung der Entscheidung, dem Anwalt des Bf. keine Akteneinsicht zu gewähren, sei daher nicht geeignet gewesen, in bezug auf die angebliche Unrechtmäßigkeit des Haftbefehls Abhilfe zu schaffen, sondern nur hinsichtlich eines Aspekts der von dem Bf. gerügten Rechtsverletzung. Darüber hinaus habe das LG, das über einen Antrag nach § 147 Abs. 5 StPO hätte entscheiden müssen, sich mit der Rüge des Bf. hinsichtlich der Weigerung, Akteneinsicht zu gewähren, tatsächlich befaßt, und der Bf. habe diese Frage in dem Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung des gegen ihn bestehenden Haftbefehls, das er zum Abschluß führte, auch vor dem BVerfG gerügt. Die Kammer kam zu dem Schluß, daß ein zusätzlicher Antrag auf gerichtliche Überprüfung nach § 147 Abs. 5 StPO unter diesen Umständen kein wirksames Rechtsmittel mit angemessenen Erfolgsaussichten gewesen wäre, das von dem Bf. hätte erschöpft werden müssen (s. Rn. 83-84 des Urteils der Kammer) ...
3. Würdigung durch den Gerichtshof
117. Der Gerichtshof stellt fest, daß die Regierung ihre Einrede, der Bf. habe den Rechtsweg wegen Nichtstellens eines Antrags auf gerichtliche Überprüfung nach § 147 Abs. 5 StPO nicht erschöpft, in ihrer Stellungnahme zur Zulässigkeit der Beschwerde in dem Verfahren vor der Kammer nach Art. 55 und 54 der Verfahrensordnung vorgebracht hat (s. Rn. 78 des Urteils der Kammer). In Anbetracht der Rspr. des Gerichtshofs (a.a.O., Rn. 57) sollte die Gr. Kammer ihre Einrede deshalb prüfen.
118. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, daß die Regel der Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs nach Art. 35 Abs. 1 der Konvention die Bf. verpflichtet, zunächst von den ihnen nach ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln Gebrauch zu machen, die hinreichend geeignet sind, der behaupteten Verletzung abzuhelfen (vgl. Rechtssachen Airey ./. Irland, 09. 10. 1979, Rn. 19, Serie A Band 32; Iatridis ./. Griechenland (GK), Individualbeschwerde Nr. 31107/96, Rn. 47, EGMR 1999-II; und Ilhan ./. Türkei (GK), Individualbeschwerde Nr. 22277/93, Rn. 58, EGMR 2000-VII). Es obliegt der Regierung, die eine Nichterschöpfung geltend macht, den Gerichtshof davon zu überzeugen, daß der Rechtsbehelf wirksam war und zur maßgeblichen Zeit in der Theorie und in der Praxis zur Verfügung stand, er also zugänglich und geeignet war, den Rügen des Bf. unmittelbar abzuhelfen, und angemessene Aussicht auf Erfolg bot. Sobald diese Beweispflicht erfüllt worden ist, obliegt es jedoch dem Bf. nachzuweisen, daß der von der Regierung dargelegte Rechtsbehelf tatsächlich erschöpft worden ist oder aus irgendeinem Grund unter den besonderen Umständen des Falls unzureichend und unwirksam war oder der Bf. aufgrund vorliegender besonderer Umstände von diesem Erforderns befreit war (s. Rechtssachen Akdivar u.a. ./. Türkei, 16. 09. 1996, Rn. 68, Sammlung 1996-IV; und Kleyn u.a. ./. Niederlande (GK), Individualbeschwerden Nr. 39343/98, 39651/98, 43147/98 und 46664/99, Rn. 156, EGMR 2003-VI). Daher kann ein Bf. nicht dafür kritisiert werden, daß er von einem Rechtsmittel keinen Gebrauch gemacht hat, mit dem im wesentlichen dasselbe Ziel verfolgt worden wäre wie mit dem Verfahren, das der Bf. zum Abschluß geführt hat, und das darüber hinaus auch keine größeren Erfolgsaussichten gehabt hätte (vgl. Rechtssachen Iatridis, a.a.O., Rn. 47; und Miailhe ./. Frankreich (Nr. 1), 25. 02. 1993, Rn. 27, Serie A Band 256-C).
119. Der Gerichtshof stellt fest, daß der Bf. eine gerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit seines Haftbefehls beantragt hatte, weil seinem Anwalt u.a. Akteneinsicht versagt worden war. In dem Haftprüfungsverfahren ist das LG Mönchengladbach, das nach § 161a Abs. 3 StPO allein zuständig gewesen wäre, über jeden gesonderten Antrag nach § 147 Abs. 5 StPO zu entscheiden, ausdrücklich auf den Antrag des Anwalts auf Akteneinsicht eingegangen. Das LG führte in seinem Beschl. v. 09. 09. 2002 aus, daß der Anwalt des Bf. zunächst mündlich über den Akteninhalt zu informieren sei und eine unbeschränkte Einsicht im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens nicht verlangen könne .... Das BVerfG, das auch zuständig gewesen wäre, die Abweisung eines von dem Bf. ausdrücklich nach § 147 Abs. 5 gestellten gesonderten Antrags durch das LG zu überprüfen, nahm dessen Verfassungsbeschwerde gegen den Haftbefehl, in der er die Frage der Akteneinsichtsversagung vorgebracht hatte, nicht zur Entscheidung an. Vor diesem Hintergrund ist der Gerichtshof der Auffassung, daß die Frage, ob ein gesonderter Antrag nach § 147 Abs. 5 generell als wirksamer Rechtsbehelf angesehen werden könnte, der geeignet ist, in Fällen Abhilfe zu schaffen, in denen eine inhaftierte Person in erster Linie die Rechtmäßigkeit ihrer Freiheitsentziehung bestreitet, offen gelassen werden kann. Er stellt fest, daß unter den besonderen Umständen des Falls, unter denen das LG sich ausdrücklich mit dem Antrag auf Akteneinsicht befasst und ihn mit einem von dem BVerfG bestätigten Beschl. abgewiesen hat, jeder an dieselben Gerichte gerichtete weitere gesonderte Antrag nach § 147 Abs. 5 jedenfalls keinerlei Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.
120. Daraus folgt, daß die Einrede der Regierung zurückzuweisen ist.
C) Einhaltung von Art. 5 Abs. 4 der Konvention
1. Das Urteil der Kammer
121. Die Kammer hat festgestellt, daß der Bf. keine Gelegenheit hatte, die Feststellungen der nationalen Gerichte in ihren Haftentscheidungen wirksam anzufechten, wie der Grundsatz der ?Waffengleichheit' dies erfordert. Seinem Anwalt sei keine Einsicht in die von der StA vorgelegten und den Gerichten herangezogenen Teile der Akte gewährt worden, auf die sich der Verdacht gegen den Bf. im wesentlichen gestützt habe. Es habe nicht genügt, dem Anwalt des Bf. Ablichtungen von vier Seiten der umfangreichen Ermittlungsakten, die eine von der Steuerfahndung erstellte Aufstellung der Steuerhinterziehungen enthielten, deren der Bf. verdächtig war, auszuhändigen. Ebenso habe der Vorschlag der Behörden, den Anwalt des Bf. lediglich mündlich über die in der Akte enthaltenen Tatsachen und Beweismittel zu informieren, dem Erfordernis der ?Waffengleichheit' nicht entsprochen. Die Tatsache, daß das OLG zu einem späteren Zeitpunkt anerkannt habe, daß die Verfahrensrechte des Bf. dadurch, daß seinem Verteidiger Akteneinsicht versagt wurde, beschnitten worden seien, und daß die nationalen Behörden seinem Anwalt nach der bedingten Entlassung des Bf. Akteneinsicht gewährten, habe die Verfahrensmängel in den früheren Phasen des Verfahrens nicht mehr wirksam beheben können. Daher habe das Verfahren zur Prüfung der gegen den Bf. verhängten Haft gegen Art. 5 Abs. 4 verstoßen (s. Rn. 93-99 des Urteils der Kammer). ...
3. Würdigung durch den Gerichtshof
124. Das Verfahren, das nach Art. 5 Abs. 4 der Konvention vor dem Gericht geführt wird, das die Haftbeschwerde prüft, muß kontradiktorisch sein und stets ?Waffengleichheit' zwischen den Prozeßparteien - dem StA und der Person, der die Freiheit entzogen ist - gewährleisten (vgl. insbes. Rechtssachen S. ./. Deutschland Individualbeschwerde Nr. 25116/94, Rn. 44, EGMR 2001-I; L. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 24479/94, Rn. 44, EGMR 2001-I; G. A. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 23541/94, Rn. 39, 13. 02. 2001; und Svipsta ./. Lettland, Individualbeschwerde Nr. 66820/01, Rn. 129, EGMR 2006 - ...). Die Waffengleichheit ist nicht gewährleistet, wenn dem Verteidiger der Zugang zu denjenigen Schriftstücken in der Ermittlungsakte versagt wird, die für die wirksame Anfechtung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung seines Mandanten wesentlich sind (s.u.v.a. Rechtssachen Lamy ./. Belgien, 30. 03. 1989, Rn. 29, Serie A Band 151; Nikolova ./. Bulgarien (GK), Individualbeschwerde Nr. 31195/96, Rn. 58, EGMR 1999-II; Schöps, a.a.O., Rn. 44; Shishkov ./. Bulgarien, Individualbeschwerde Nr. 38822/97, Rn. 77, EGMR 2003-I; und Svipsta, a.a.O., Rn. 129).
125. Mit Blick auf die Rspr. des Gerichtshofs schließt die Gr. Kammer sich der Begründung der Kammer voll und ganz an und stellt fest, daß das Verfahren, mit dem der Bf. die Rechtmäßigkeit der gegen ihn angeordneten U-Haft anfocht, das Gebot der Fairness aus Art. 5 Abs. 4 der Konvention verletzt hat. ..."
***
?... Am 30. 1. 1992 erließ das AG Frankfurt/M. einen Haftbefehl gegen den Bf. wegen des Verdachts des Betruges und der Bestechlichkeit.
Das AG hielt dringenden Tatverdacht für gegeben, daß der Bf. in den Jahren 1981 bis 1989 als Direktor des Abwasserverbands V. regelmäßige Zahlungen des Inhabers eines Ingenieurbüros, Herrn N., und dessen Stellvertreters Herrn W. akzeptiert hatte und diese Zahlungen mit mindestens 100 ? in die Rechnungen für öffentliche Aufträge einflossen, die der AWV V. ausglich. Überdies habe der Bf. einen Whirlpool erhalten. Herr N. und Herr W. wurden anderweitig verfolgt. Zwischen diesen beiden und dem Bf. gab es eine Vereinbarung, die sich darauf bezog, daß der Bf. die regelmäßige Auftragsvergabe an das Ingenieurbüro sicherstellte. Das AG fügte hinzu, daß sich die Darstellung der Fakten des Haftbefehls aus den Aussagen von N. und W. sowie aus den polizeilichen Ermittlungen ergebe, über deren konkreten Inhalt keine weiteren Details mitgeteilt wurden.
Das AG betrachtete ferner Verdunklungsgefahr i. S. d. § 112 StPO als gegeben an mit der Begründung, daß im Falle der Nichtverhaftung des Bf. eine Kontaktaufnahme mit anderen Mittätern oder Zeugen stattfinden könne, insbes. mit Bevollmächtigten des Abwasserverbandes oder Angestellten des Ingenieurbüros, die die Abstimmung der Aussagen oder das Austauschen und Vernichten von Beweismitteln zum Ziel haben könne, so daß die Feststellung des Sachverhaltes verhindert werde.
9. Der Bf. wurde am 6. 2. 1992 verhaftet.
10. Am 7. 2. 1992 beantragte der Verteidiger des Bf. - RA K. - die Durchführung einer mündlichen Haftprüfung. Unter Bezugnahme auf diesen Antrag beantragte er bei der StA Akteneinsicht in die Ermittlungsakten, mindestens jedoch in die Aussagen von W. und N., weil sich der Haftbefehl auf diese bezog.
11. Am selben Tag verweigerte die StA unter Bezugnahme auf § 147 Abs. 2 StPO den Antrag des Verteidigers und verweigerte auch die Einsicht in die Aussagen von N. und W. und begründete dies mit der Gefährdung der weiteren Ermittlungen, die Teil eines komplexen Wirtschaftsstrafverfahrens seien, u. a. wegen Bestechung geführt würden und gegen eine große Anzahl von Amtsträgern und Angestellten ermittelt werde.
Die Ermittlungsakten gegen den Bf. könnten darüber hinaus nicht von anderen Teilen der Akten getrennt werden.
12. Im Hinblick auf die mündliche Haftprüfung vor dem AG leitete die StA am 10. 2. 1992 dem AG sechs Sonderbände Ermittlungsakten den Bf. betreffend zu, die sich aus Kopien der Ermittlungsakte gegen alle Besch. zusammensetzten.
13. Mit Schriftsatz v. 12. 2. 1992 nahm der Bf., vertreten durch seinen Verteidiger, zu den Vorwürfen Stellung.
14. Mit Datum v. 17. 2. 1992 stellte der Bf. beim OLG Frankfurt/M. Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Entscheidung der StA v. 7. 2. 1992. ...
16. Am 24. 2. 1992 fand die mündliche Haftprüfung vor dem AG statt. Auf Befragen erläuterte der Bf. einige Aussagen aus dem Schriftsatz v. 12. 2. 1992 über die Orte seiner Treffen mit W. Er erläuterte ebenfalls seine Position im Abwasserverband und die Umstände, unter denen er W. kurz vor seiner Verhaftung kontaktiert hatte.
Zum Schluß der Haftprüfung ordnete das AG die Aufrechterhaltung der U-Haft an. Zum dringenden Tatverdacht beschränkte sich das AG darauf, mit einem Satz festzustellen, daß er wie im Haftbefehl fortbestehe. Außerdem befand das AG, daß mit Blick auf die Aussage des Bf. zu seiner Kontaktaufnahme zu W. kurz vor seiner Verhaftung weiterhin Verdunklungsgefahr bestehe. Das AG berücksichtigte, daß der Bf. bereits in diesem Stadium versucht hatte, einen anderen Besch. zu beeinflussen und ihn zu veranlassen, in seiner staatsanwaltlichen Vernehmung eine dem Bf. günstige Aussage zu machen. In diesem Zusammenhang wurde besonderes Gewicht auf die Tatsache gelegt, daß all dies geschehen war, bevor der Bf. von den konkret gegen ihn erhobenen Vorwürfen, den betreffenden Beweismitteln oder den Aussagen von Zeugen oder anderen Besch. erfahren hatte. Das AG stellt auch fest, daß die StA mit den Ermittlungen weiter fortgeschritten sei und sie bald zum Abschluß gebracht werden könnten. ...
18. Am 27. 3. 1992 legte der Bf. Beschwerde gegen die Entscheidung v. 24. 2. 1992 ein. Daraufhin entschied das AG am 3. 4. 1992, den Haftbefehl unter der Bedingung, daß der Bf. den Wohnort nicht wechsle, jeder Ladung in dieser Sache Folge leiste und daß er jede Unterredung mit Bediensteten des Abwasserverbands V. sowie des Ingenieurbüros unterlasse, außer Vollzug zu setzen, und setzte eine Kaution in Höhe von 200 000 DM fest. Der Bf. wurde am gleichen Tag aus der Haft entlassen.
19. Am 27. 4. 1992 verwarf das OLG Frankfurt den Antrag des Bf. auf gerichtliche Entscheidung v. 7. 2. 1992 als unzulässig [vgl. OLG Frankfurt StV 1993, 292 ff.]. ...
20. Der Bf. beantragte am 13. 5. 1992 erneut bei der StA die Einsicht in die Aussagen von W., der zwischenzeitlich verstorben war.
21. Am 19. 5. 1992 wies die StA auch diesen Antrag unter Hinweis auf § 147 Abs. 2 StPO mit der Begründung zurück, daß der Zugang zu diesen Aussagen weiterhin den Ermittlungszweck gefährde.
22. Am 3. 6. 1992 erhob der Bf. Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidungen v. 7. 2. und 24. 4. 1992.
23. Der Verteidiger des Bf. erneuerte seinen Antrag auf Akteneinsicht am 27. 4. 1993. Die StA wies den Antrag unter Bezugnahme auf die vorherige Entscheidung am 3. 5. 1993 zurück.
24. Am 29. 10. 1993 entschied das BVerfG, die Verfassungsbeschwerde des Bf. nicht zur Entscheidung anzunehmen. Diese Entscheidung wurde am 5. 11. 1993 zugestellt.
25. Am 8. 7. 1994 hob das AG den gegen den Bf. bestehenden Haftbefehl auf.
26. Am 31. 8. 1994 erhielt der Verteidiger des Bf. Akteneinsicht. ...
29. Am 8. 7. 1996 verurteilte das Frankfurter AG den Bf. wegen Bestechlichkeit in zwei Fällen und verhängte eine Geldstrafe in Höhe von 40 000 DM. Der Bf. legte Berufung ein, die er später aus persönlichen Gründen zurückzog.
Aus den Gründen: 44. Der Gerichtshof betont, daß in Haft oder in Gewahrsam befindlichen Personen das Recht einer Überprüfung der verfahrens- und materiellrechtlichen Bedingungen zusteht, die für die Gesetzmäßigkeit des Freiheitsentzugs im Sinne der Konvention wesentlich sind. Das bedeutet, daß das zuständige Gericht nicht allein ?die Übereinstimmung mit den prozessualen Anforderungen des nationalen Rechts, sondern ebenfalls überprüfen muß, ob der Verdacht, der der Verhaftung zugrundeliegt, nachvollziehbar ist und ob die Haftgründe und der Vollzug der Haft rechtmäßig sind'.
Das Gericht muß bei der Überprüfung eines gegen die U-Haft gerichteten Rechtsmittels die Garantien eines justizförmigen Verfahrens gewährleisten. Das Verfahren muß kontradiktorisch geführt und der Grundsatz der Waffengleichheit zwischen den Parteien, dem Staatsanwalt und der in Haft befindlichen Person, gesichert sein. Die Waffengleichheit ist aber dann nicht gewährleistet, wenn dem Verteidiger der Zugang zu denjenigen Dokumenten in der Ermittlungsakte verweigert wird, die wesentlich sind, um die Rechtmäßigkeit der Haft seines Mandanten angreifen zu können. Für den Fall, daß die Haft einer Person unter Art. 5 Abs. 1 (c) fällt, ist eine Anhörung erforderlich (s., u. a., Lamy gegen Belgien, 30. 3. 1989, Serie A Nr. 151, pp. 16 - 17, § 29 und Nikolova gegen Bulgarien (GC), Nr. 31195/96, § 58, CEDH 1999-II).
Diese Anforderungen sind von dem Recht auf ein kontradiktorisches Verfahren abgeleitet, wie es sich aus Art. 6 der EMRK ergibt. Das bedeutet, daß in einem strafrechtlichen Verfahren beide, die StA sowie die Verteidigung, die Gelegenheit haben müssen, die Ermittlungen zur Kenntnis zu nehmen, und dazu sowie zu den von der Gegenseite beigeschafften Beweismitteln Stellung zu nehmen. Nach der Rspr. des Gerichtshofes folgt aus dem Wortlaut von Art. 6 - insbes. aus der Auslegung des Begriffes ?strafrechtliche Anklage' -, daß dieses Recht auch auf das Vorverfahren anwendbar ist (s. Imbrioscia gegen Schweiz, 24. 11. 1993, Serie A No. 275, p. 13, § 36). Folglich müssen im Hinblick auf die tiefgreifende Auswirkung des Freiheitsentzugs und damit des Eingriffs in fundamentale Rechte des Betroffenen Verfahren i. S. v. Art. 5 Abs. 4 der Konvention - auch unter den Bedingungen gerade erst eingeleiteter Ermittlungen - die Grundsätze eines fairen und kontradiktorischen Verfahrens so weit wie möglich beachten. Während das nationale Recht diesen Anforderungen in verschiedener Weise Rechnung tragen kann - welche Methode es auch immer verfolgt -, muß sichergestellt sein, daß die andere Partei in Kenntnis gesetzt wird, daß eine Stellungnahme zu den Akten gelangt ist, und wirkliche Gelegenheit hat, hierauf zu erwidern (s., mutatis mutandis, Brandstetter gegen Österreich, Urt. v. 28. 8. 1991, Serie A No. 211, p. 27, § 67).
45. Im vorliegenden Fall enthielt der dem Bf. am 6. 2. 1992 verkündete Haftbefehl eine Zusammenfassung der Tatsachen, denen die Vorwürfe zugrundelagen, die Gründe, die nach Auffassung des AG die U-Haft des Bf. rechtfertigten, und einen kurzen Hinweis auf die Beweismittel, auf die sich das Gericht stützte, d.h. die Aussagen von zwei weiteren Besch., Herrn W. und Herrn N., und auf das Ergebnis der bisherigen polizeilichen Ermittlungen. Es wurden keine weiteren Einzelheiten über den konkreten Inhalt der in Bezug genommenen Beweise mitgeteilt.
Am 7. 2. 1992 beantragte der Verteidiger des Bf. beim AG die Durchführung einer mündlichen Haftprüfung. Er beantragte außerdem bei der StA Akteneinsicht oder, ihm mindestens Kopien der Aussagen der Herren N. und W. zu überlassen, weil diese von dem AG als entscheidend für die Anordnung der U-Haft des Bf. angesehen wurden. Unter Bezugnahme auf § 147 Abs. 2 StPO wies die StA diesen Antrag zurück, weil die Einsicht in diese Unterlagen den Ermittlungszweck gefährden würde. Am 10. 2. 1992 leitete die StA dem AG sechs Bände Ermittlungsakten zu, die die Ermittlungen gegen den Bf. und weitere Besch. beinhalteteten.
Am 24. 2. 1992 ordnete das AG die Haftfortdauer des Bf. an. Es ging weiterhin vom Vorliegen dringenden Tatverdachts gegen ihn aus, teilte keine weiteren Einzelheiten über die zugrundeliegenden Tatsachen mit und beschränkte sich auf die Bezugnahme auf den Haftbefehl. Das AG sah wegen der Versuche des Bf., vor seiner Verhaftung andere Besch. in diesem Verfahren zu beeinflussen, weiterhin Verdunklungsgefahr als gegeben an.
46. Die Aussagen der Herren W. und N. spielten danach eine Schlüsselrolle in der amtsgerichtlichen Entscheidung über die Aufrechterhaltung der U-Haft gegen den Bf. Während sowohl die StA als auch das AG diese beiden Aussagen kannten, wurde ihr konkreter Inhalt zu diesem Zeitpunkt weder dem Bf. noch seinem Verteidiger zur Kenntnis gegeben. Folglich hatten weder der Verteidiger noch der Bf. die Möglichkeit, die Ergebnisse der StA und des AG in angemessener Weise anzugreifen, vor allem nicht die Verläßlichkeit und Schlüssigkeit der Aussagen der Herren N. und W. zu hinterfragen, die beide selbst Gegenstand von Ermittlungen in dem gegen den Bf. gerichteten Verfahren waren.
Es ist richtig, wie die Bundesregierung ausgeführt hat, daß der Haftbefehl einige Tatsachen aufführt, auf die sich der Tatverdacht stützte. Jedoch war die auf diesem Wege mitgeteilte Information nur eine Schlußfolgerung des AG aus der Gesamtheit der Tatsachen, die ihm durch die StA zugänglich gemacht worden waren. Nach Ansicht des Gerichtshofes ist es für einen Besch. schwerlich möglich, die Verläßlichkeit einer solchen Sachverhaltsdarstellung anzugreifen, ohne Kenntnis von den ihr zugrundeliegenden Beweismitteln zu haben. Dies setzt daher voraus, daß dem Besch. die Aussagen und anderen Beweismittel sowie das Ergebnis der polizeilichen und anderen Ermittlungen ungeachtet davon in ausreichender Weise zur Kenntnis gebracht werden, ob er in der Lage ist, einen Hinweis auf die Bedeutung der Beweismittel, zu denen er Zugang begehrt, für seine Verteidigung zu geben.
47. Dem Gerichtshof ist bewußt, daß der StA die beantragte Akteneinsicht auf der Grundlage von § 147 Abs. 2 StPO mit der Begründung abgelehnt hat, daß sonst eine Beeinträchtigung des Erfolgs der andauernden Ermittlungen riskiert würde, von denen vorgetragen wurde, daß sie einerseits sehr komplex und andererseits gegen eine große Anzahl weiterer Besch. geführt werden. Dieser Sicht trat das OLG in seiner Entscheidung v. 24. 4. 1992 bei (s. Anm. 19).
Der Gerichtshof erkennt auch die Notwendigkeit an, daß polizeiliche Ermittlungen effektiv geführt werden müssen. Das schließt ein, daß Teile der gesammelten Informationen während andauernder Ermittlungen geheim gehalten werden, um zu verhindern, daß Verdächtige Beweismittel beeinflussen und den Gang der Ermittlungen gefährden. Dieser legitime Zweck kann jedoch nicht dazu führen, daß Rechte der Verteidigung substantiell beschnitten werden. Aus diesem Grund soll Information, die für die Frage der Rechtmäßigkeit der Inhaftierung einer Person wesentlich ist, dem RA des Besch. in geeigneter Weise zugänglich gemacht werden.
48. Unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung der Bedeutung, die das AG den Aussagen der Herren N. und W. beigemessen hat, denen durch den Bf., weil sie ihm nicht bekannt gemacht worden sind, nicht in adäquater Weise begegnet werden konnte, ist das Verfahren der mündlichen Haftprüfung vor dem AG nicht in Übereinstimmung mit den Garantien des Art. 5 Abs. 4 EMRK geführt worden. Dieses Recht ist daher verletzt. ..." (EGMR, Urteil vom 13.2.2001 - 24479/94 - Lietzow gegen Bundesrepublik Deutschland).
***
Die Möglichkeit, in Aktenstücke Einsicht zu nehmen, ist für die Verteidigung im Stadium der Haftprüfung von wesentlicher Bedeutung. Genaue Aktenkenntnis auf der Seite der Anklage und die mangelnde Möglichkeit der Verteidigung, die für die Aufrechterhaltung der U-Haft vorgebrachten Gründe in geeigneter Weise zu bekämpfen, bedeuten, daß die Waffengleichheit nicht gewährleistet wurde. Das Verfahren war in diesem Fall nicht wirklich kontradiktorisch (EGMR, Urteil vom 30.3.1989 - Nr. 16/1987/139/193 - Lamy gegen Belgien).
***
Ein Beschwerdeführer, der Verweigerung der Akteneinsicht rügt, muss grundsätzlich gemäß innerstaatlichem Recht Akteneinsicht beantragt haben. Wenn sich das aus den Akten nicht ergibt, ist dies nicht notwendig ein hinreichender Beweis für das Unterlassen einer solchen Antragstellung. Einem Verteidiger, der zu einem früheren Zeitpunkt Akteneinsicht beantragt hatte, muss ohne erneuten Antrag Einsicht in die insgesamt erheblich angewachsenen Ermittlungsakten gewährt werden, wenn inzwischen ein weiterer Antrag auf Anordnung der Haftfortdauer gestellt worden ist. Auf die Einhaltung des Rechts auf Akteneinsicht kann verzichtet werden. Ein solcher Verzicht muss eindeutig festgestellt werden können; außerdem müssen Mindestgarantien eingehalten werden, die der Bedeutung des Verfahrensrechts entsprechen. Als Nachweis für einen Verzicht genügt ein Aktenvermerk des Berichterstatters, man habe sich mit dem Verteidiger auf eine gerichtliche Entscheidung ohne vorherige Akteneinsicht geeinigt, möglicherweise nicht. Wenn dem Verteidiger zwei Wochen Zeit vor dem Haftprüfungstermin gegeben wird, die Akten einzusehen, genügt das auch dann, wenn es sich um umfangreiche Akten (hier 132 Bände mit 2 Beiakten) handelt (EGMR NJW 2002, 2015).
Die Weigerung der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten bei seiner Verteidigung in eigener Person Akteneinsicht zu gewähren und Kopien aus der Akte zu erhalten, verletzt Art. 6 III und I EMRK. Die Verweigerung der Akteneinsicht des Beschuldigten macht den Staat schadensersatzpflichtig (EGMR NStZ 1998,429). Das BVerfG hat demgegenüber entschieden, dass der Ausschluss eines persönlichen Akteneinsichtsrechts in §§ 406e, 475 StPO verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein soll.
Die Möglichkeit, in Aktenstücke Einsicht zu nehmen, ist für die Verteidigung im Stadium der Haftprüfung von wesentlicher Bedeutung. Genaue Aktenkenntnis auf der Seite der Anklage und die mangelnde Möglichkeit der Verteidigung, die für die Aufrechterhaltung der U-Haft vorgebrachten Gründ in geeigneter Weise zu bekämpgen, bedeuten, daß die Waffengleichheit nicht gewährleistet wurde. Das Verfahren war in diesem Fall nicht wirklich kontradiktorisch (EGMR StV 1993, 283).
*** (BVerfG)
Sachgrundlose Verweigerung der Aktenübersendung an Verteidiger (BVerfG, Beschluss vom 14.09.2011 - 2 BvR 449/11 zu Art 3 Abs 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 37 Abs 2 S 2 RVG, § 147 Abs 1 StPO, § 147 Abs 4 StPO):
?... 2. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten hat besonderes Gewicht, da sie auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet. Es ist zu erwarten, dass das Amtsgericht Gladbeck ohne eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in vergleichbaren Fällen an seiner Rechtsauffassung festhalten würde (vgl. BVerfGE 90, 22 (25); 96, 245 (248); BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 9. Dezember 1999 - 1 BvR 1287/99 -, NJW 2000, S. 944 (945); BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. September 2000 - 1 BvR 1059/00 -, NJW 2001, S. 744 (745)).
3. Die angegriffenen Verfügungen des Amtsgerichts Gladbeck vom 25. Januar 2011 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die Gewährung von Akteneinsicht nur auf der Geschäftsstelle des Gerichts ist objektiv willkürlich (a). Es bedarf keiner Entscheidung, ob auch ein Verstoß gegen Art. 12 GG vorliegt (b).
a) Die Gewährung von Akteneinsicht nur auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Gladbeck verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot.
aa) Die Auslegung des Gesetzes und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind Sache der dafür zuständigen Fachgerichte und daher der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen gegenüber Entscheidungen der Fachgerichte unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) in seiner Bedeutung als Willkürverbot kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Willkürlich ist ein Richterspruch nur dann, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Schuldhaftes Handeln des Richters ist nicht erforderlich. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missgedeutet wird (vgl. BVerfGE 74, 102 (127); 87, 273 (278 f.); 96, 189 (203); 112, 185 (215 f.); speziell zur teilweisen Verweigerung von Akteneinsicht BVerfGE 62, 338 (342 ff.)).
bb) Die angegriffenen Verfügungen des Amtsgericht Gladbeck vom 25. Januar 2011, durch die Akteneinsicht nur auf der Geschäftstelle gewährt wurde, sind unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar.
(a) Gemäß § 147 Abs. 4 Satz 1 StPO sollen dem Verteidiger auf Antrag, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen, die Akten mit Ausnahme der Beweisstücke zur Einsichtnahme in seine Geschäftsräume oder in seine Wohnung mitgegeben werden. Es wird unterschiedlich beurteilt, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Verteidiger Anspruch auf Überlassung der Akten hat und ob das Gericht in diesem Fall verpflichtet ist, sie ihm zu übersenden oder über ein Gerichtsfach zuzuleiten. Die Fachgerichte gehen davon aus, dass kein Anspruch auf Akteneinsicht in der Kanzlei und kein Anspruch auf Überlassung oder Übersendung der Akten besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1999 - 1 StR 672/98 -, NStZ 2000, S. 46; BGH, Beschluss vom 12. September 2007 - 1 StR 337/07 -, juris; KG, Beschluss vom 19. Dezember 2001 - 1 AR 1546/01 u.a. -, VRS 102, S. 205; ebenso Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. 2011, § 147 Rn. 28 m.w.N.). In der Literatur wird dagegen angenommen, dass ein (auswärtiger) Verteidiger - sofern keine wichtigen Gründe entgegenstehen - einen Rechtsanspruch auf Überlassung und Übersendung hat (vgl. Lüderssen/Jahn, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 147 Rn. 141 (2007); Wohlers, in: Systematischer Kommentar zur StPO, § 147 Rn. 70 f. ; Rieß, Festgabe für Karl Peters (1984), S. 113 (127); vgl. zur Erhebung einer Auslagenpauschale bei Versendung BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. März 1996 - 2 BvR 386/96 -, NJW 1996, S. 2222 (2222 f.)).
Nach allgemeiner Ansicht ist die Beauftragung eines Wahlverteidigers formlos möglich. Für den Nachweis der Beauftragung soll regelmäßig die Anzeige des Verteidigers genügen. Die Vorlage einer Vollmachtsurkunde soll verlangt werden können, wenn Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen (vgl. Wohlers, in: Systematischer Kommentar zur StPO, § 137 Rn. 8 ; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. 2011, Vor § 137 Rn. 9).
(b) Es bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Klärung, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Verteidiger einen Anspruch auf Überlassung oder Übersendung der Akten hat sowie unter welchen Voraussetzungen von ihm die Vorlage einer Vollmachtsurkunde oder der sonstige Nachweis seiner Bevollmächtigung verlangt werden kann. Jedenfalls hat ein Verteidiger Anspruch darauf, dass über seinen Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht und über deren Durchführung willkürfrei entschieden wird.
Die angegriffenen Verfügungen des Amtsgerichts Gladbeck vom 25. Januar 2011 sind bereits in sich widersprüchlich. Bei berechtigten und nicht widerlegten Zweifeln an der Bevollmächtigung des Beschwerdeführers hätte diesem die Akteneinsicht vollständig versagt werden müssen. Beschränkungen hinsichtlich der Art und Weise der Akteneinsicht sind nicht geeignet, Zweifel an der Bevollmächtigung auszuräumen oder den Mangel einer fehlenden Bevollmächtigung zu beheben. Die Nichtabhilfeentscheidungen und die dienstliche Stellungnahme zum Ablehnungsgesuch verdeutlichen zusätzlich, dass die Beschränkung auf Einsichtnahme in der Geschäftsstelle allein der Sanktionierung der Nichtvorlage von Vollmachten diente. Das Amtsgericht Gladbeck hat sich somit in nicht mehr vertretbarer Weise von einer Anwendung der maßgeblichen Vorschrift des § 147 Abs. 4 Satz 1 StPO gelöst und von sachfremden Erwägungen leiten lassen.
Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich sind zudem die Erwägungen, mit denen das Amtsgericht Gladbeck in den Nichtabhilfeentscheidungen seine Zweifel an der Bevollmächtigung des Beschwerdeführers begründet hat. Dessen Mandanten waren volljährig und konnten daher ohne Mitwirkung weiterer Personen sowohl einen Verteidiger beauftragen als auch sonst ihre Verfahrensrechte wahrnehmen. Eine generelle Unzuverlässigkeit des Beschwerdeführers ist ebenfalls nicht tragfähig belegt.
b) Es bedarf keiner Entscheidung, ob auch ein Verstoß gegen Art. 12 GG vorliegt (vgl. BVerfGE 62, 338 (347)).
II. Hinsichtlich der angegriffenen Nichtabhilfeentscheidungen vom 7. und 8. Februar 2011 liegen die Annahmevoraussetzungen nicht vor. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
D. Neben der Feststellung einer Verletzung des Grundgesetzes ist die Aufhebung der angegriffenen Verfügungen nicht erforderlich, da von diesen keine nachteiligen Wirkungen mehr ausgehen können (vgl. BVerfGE 32, 87 (98); 36, 264 (275); 50, 234 (243); 53, 152 (163)). ...."
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Der Anspruch des von einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Betroffenen auf rechtliches Gehör beinhaltet die Information über entscheidungserhebliche Beweismittel. Ist zum Zweck der so genannten Rückgewinnungshilfe ein dinglicher Arrest angeordnet, muss dem Betroffenen jedenfalls vor einer ihm nachteiligen Letztentscheidung über eine hiergegen gerichtete Beschwerde Akteneinsicht gewährt werden. Die Übermittlung polizeilicher Ermittlungsberichte, die keine hinreichende Unterrichtung über die von den Gerichten für die Entscheidung herangezogenen Tatsachen und Beweismittel ermöglichen, reicht insoweit ebenso wenig aus wie eine genaue Bezeichnung oder Beschreibung der in oder bei den Ermittlungsakten verwahrten Beweisstücke in den Gründen einer im Ermittlungsverfahren ergehenden Gerichtsentscheidung. Solange die Ermittlungsbehörden es für erforderlich halten, die Ermittlungen dem Beschuldigten nicht zur Kenntnis gelangen zu lassen, müssen sie auf solche Eingriffsmaßnahmen verzichten, die, wie die Untersuchungshaft oder der Arrest, nicht vor dem Betroffenen verborgen werden können, schwerwiegend in Grundrechte eingreifen und daher in gerichtlichen Verfahren angeordnet und überprüft werden müssen (BVerfG 3. Kammer des 2. Senats, Beschluss vom 19.01.2006 - 2 BvR 1075/05).
Mit Blick auf den rechtsstaatlichen Auftrag zur möglichst umfassenden Wahrheitsermittlung im Strafverfahren ist es nicht zu beanstanden, dass die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren einen Informationsvorsprung hat und das Informationsinteresse des Beschwerdeführers bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens zurücksteht (BVerfG, Beschluss vom 15.01.2004 - 2 BvR 1895/03).
Das Recht eines Gefangenen auf Akteneinsicht in die Akten der Vollzugsbehörde, insbesondere in seine Gefangenenpersonalakte gem. § 185 StVollzG, das durch einen Verteidiger ausgeübt werden kann, geht dem eigenen Reht des Verteidigers auf Akteneinsicht gem. § 147 StPO vor (BVerfG StV 2002, 272).
Ein vorläufig gegen den Beschuldigten abgeschirmtes Ermittlungswissen der Strafverfolgungsbehörden ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Eine andere Beurteilung kann sich nur dann ergeben, wenn ein Haftbefehl schon vollstreckt wird. Eine Beschwerde gegen einen erlassenen, aber nicht vollzogenen Haftbefehl kann deshalb auch bei Nichtgewährung von Akteneinsicht verworfen werden (BVerfG NStZ-RR 1998, 108 in Abgrenzung zu BVerfG, NStZ 1994, 551).
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"1. Aus dem Recht des Beschuldigten auf ein faires, rechtsstattliches Verfahren und seinem Anspruch auf rechtliches Gehör folgte ein Anspruch des inhaftierten Beschuldigten auf Einsicht des Verteidigers in die Akten, wenn und soweit er die sich darin befindlichen Informationen benötigt, um auf eine bevorstehende gerichtliche Haftentscheidung effektiv einwirken zu können und eine mündliche Mitteilung der Tatsachen und Beweismittel, die das Gericht seiner Entscheidung zugrunde zu legen gedenkt, nicht ausreichend ist.
2. Ist aus Gründen der Gefährdung der Ermittlungen aus der Sicht der Staatsanwaltschaft eine auch nur auf die für die Haftfrage relevanten Teile der Ermittlungsakte beschränkte Akteneinsicht nicht möglich und verweigert sie diese gem. § 147 II StPO, so kann das Gericht auf die Tatsachen und Beweismittel, die deshalb nicht zur Kenntnis des Beschuldigten gelangen, seine Entscheidung nicht stützen und muss ggf. den Haftbefehl aufheben.
3. Im Übrigen ist dem Beschuldigten bereits anlässlich seiner richterlichen Vernehmung gem. § 115 II StPO im Anschluss an seine Festnahme mündlich das gesamte gegen ihn zusammengetragene Belastungsmaterial, dass den Gegenstand des Verfahrens bildet und für die Haftfrage von Bedeutung ist, mitzuteilen. Dazu zählen die Tatsachen, Beweisanzeichen u.s.w., die den dringenden Tatverdacht und den Haftgrund ergeben, aber auch die sich aus den Akten ergebenden entlastenden Umstände" (BVerfG StV 1994, 465).
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Außerhalb der Ermittlungen gegen den Beschuldigten entstandene Spurenakten der Ermittlungsbehörden, in denen tatbezogene Untersuchungen gegen Dritte und deren Ergebnisse festgehalten sind, muß der Staatsanwalt von Verfassungs wegen nur dann dem Gericht vorlegen und sie damit der Einsicht des Verteidigers nach StPO § 147 zugänglich machen, wenn ihr Inhalt für die Feststellung der dem Beschuldigten vorgeworfenen Tat und für etwaige gegen ihn zu verhängende Rechtsfolgen von irgendeiner Bedeutung sein kann. Eine gerichtliche Kontrolle der Aktenvollständigkeit nach Maßgabe der richterlichen Wahrheitsermittlungspflicht genügt rechtsstaatlichen Anforderungen. Einsicht in die dem Gericht nicht vorgelegten Spurenakten kann der Beschuldigte durch Vermittlung eines Rechtsanwalts unmittelbar bei der Staatsanwaltschaft beantragen. Wird ihm diese verwehrt, steht ihm im Verfahren nach GVGEG §§ 23ff gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung (BVerfG, Beschluss vom 12.01.1983 - 2 BvR 864/81):
?... Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, daß es der Beschwerdeführer unterlassen hat, durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bei der Staatsanwaltschaft auf Einsicht in die dem Gericht nicht vorgelegten Spurenakten unter Darlegung eines berechtigten Interesses anzutragen (vgl. Nr. 185 Abs. 4 RiStBV) und für den Fall einer ablehnenden Verfügung über deren Rechtmäßigkeit eine Entscheidung des zuständigen Oberlandesgerichts nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG herbeizuführen. Gegen die Statthaftigkeit eines solchen Antrages hätten im Blick darauf, daß jene Spurenakten weder von der Staatsanwaltschaft noch vom Landgericht als Teil der Akten im Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer begriffen worden sind, keine begründeten Bedenken bestanden (vgl. OLG Hamburg, NJW 1972, S. 1586 (1587); Kleinknecht, StPO, 35. Aufl., § 147, Rdnr. 27 (a. E.) und § 23 EGGVG, Rdnr. 8; Laufhütte in Karlsruher Kommentar zur StPO, 1982, § 147, Rdnr. 21; Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, 4. Aufl., Rdnr. 202 und 937; Meyer- Goßner, NStZ 1982, S. 353 (358)).
Gleichwohl führt diese Unterlassung des Beschwerdeführers nicht zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde muß diese erforderlich sein, um eine Grundrechtsverletzung zu verhindern. Das ist nicht der Fall, wenn eine anderweitige Möglichkeit besteht oder bestand, die Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder ohne Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts im praktischen Ergebnis dasselbe zu erreichen (BVerfGE 33, 247 (258)). Hieran fehlt es.
Der Beschwerdeführer macht mit der Verfassungsbeschwerde u. a. geltend, er habe als Angeklagter im Rechtsstaat des Grundgesetzes von Verfassungs wegen einen Anspruch darauf, daß jedweder aus Anlaß der Straftat entstandene Ermittlungsvorgang - gleichgültig, ob er nach Auffassung der Staatsanwaltschaft in der anhängigen Strafsache für die Beurteilung von Tat und Täter bedeutsam ist - als Teil der Akten anzusehen sei, die dem Gericht mit Erhebung der Anklage vorzulegen sind. Er meint, es sei eine rechtsstaatlich unverzichtbare Aufgabe des Gerichts, sich anhand aller dieser Ermittlungsvorgänge selbst ein Bild davon zu machen, welche Aktenvorgänge für die anhängige Strafsache Bedeutung hätten, und die Verteidigung habe in verfassungsrechtlich zutreffender Auslegung des § 147 StPO innerhalb des Strafverfahrens ein grundsätzlich nicht beschränkbares Recht auf Einsicht in alle diese Akten.
Entspräche dieses vom Beschwerdeführer entworfene Bild verfassungsrechtlich gebotener Strafverfahrensgestaltung der Rechtslage nach dem Grundgesetz, könnten Mängel, die einem diesen Grundsätzen widerstreitenden Verfahren und regelmäßig auch den daraufhin ergangenen Entscheidungen anhafteten, jedenfalls nicht sämtlich dadurch behoben werden, daß der Angeklagte außerhalb des Strafverfahrens - und damit unter erschwerten Voraussetzungen - über einen bevollmächtigten Rechtsanwalt die Einsicht in Spurenakten zu erlangen versucht, die seiner Verteidigung innerhalb des Strafverfahrens von Verfassungs wegen nicht vorenthalten werden dürften.
C. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
I. Die Bestimmungen der §§ 199 Abs. 2 Satz 2, 147 StPO sind in der offensichtlich willkürfreien Auslegung, die den angegriffenen Entscheidungen zugrunde liegt, mit dem Grundgesetz vereinbar. Weder aus dem Recht des Beschuldigten auf rechtliches Gehör vor Gericht noch aus seinem Anspruch auf ein faires Strafverfahren ist herzuleiten, daß Staatsanwaltschaft und Gericht im Eröffnungsverfahren und im Hauptverfahren ausnahmslos alle Ermittlungsvorgänge zum Bestandteil der Gerichtsakten zu machen hätten, die zuvor in dem von der Staatsanwaltschaft beherrschten Vorverfahren auf der Suche nach dem Täter oder den Tätern, insbesondere gegen vorübergehend in Tatverdacht geratene Dritte, entstanden sind.
1. Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet, daß der Beschuldigte im Strafverfahren Gelegenheit erhält, sich zu dem einer Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt grundsätzlich vor deren Erlaß zu äußern und damit das Gericht in seiner Willensbildung zu beeinflussen. Es dürfen einer gerichtlichen Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen der Beschuldigte Stellung nehmen konnte (BVerfGE 57, 250 (273 f); std. Rspr.). Art. 103 Abs. 1 GG will verhindern, daß das Gericht ihm bekannte, dem Beschuldigten aber verschlossene Sachverhalte zu dessen Nachteil verwertet. Sein Schutzbereich ist hingegen nicht mehr berührt, wenn die wesensverschieden andere Frage zu beantworten ist, ob das Gericht sich und den Prozeßbeteiligten Kenntnis von Sachverhalten, die es selbst nicht kennt, weil sie ihm nicht unterbreitet wurden, erst zu verschaffen habe; denn es ist nicht Sinn und Zweck grundgesetzlicher Gewährleistung rechtlichen Gehörs vor Gericht, dem Beschuldigten Zugang zu dem Gericht nicht bekannten Tatsachen zu erzwingen. Auch wenn man unterstellt, daß der Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehör ihm - unter welchen Voraussetzungen und in welchen Grenzen auch immer - ein Recht auf Kenntnis von Akteninhalten einräumt, ist dieses Recht daher jedenfalls beschränkt auf die dem Gericht tatsächlich vorliegenden Akten.
In sämtliche dieser Akten haben die Verteidiger des Beschwerdeführers Einsicht erhalten. Der Beschwerdeführer will mehr; er leitet aus Art. 103 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Erweiterung des gerichtlichen Aktenbestandes ab. Ein solcher Anspruch läßt sich aber aus diesem Verfahrensgrundrecht ebensowenig herleiten wie ein Recht auf ein bestimmtes Beweismittel oder auf bestimmte Arten von Beweismitteln (vgl. BVerfGE 57, 250 (274)).
Die Zusammenstellung der mit der Anklageerhebung vorzulegenden Verfahrensakten durch die Staatsanwaltschaft dient der Vorbereitung der vom Gericht zu treffenden Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens und der Vorbereitung der Hauptverhandlung. Sie ist selbst keine den Beschuldigten unmittelbar treffende Sachentscheidung (vgl. dazu Rieß, NStZ 1982, S. 435 f.), vor der ihm nach Art. 103 Abs. 1 GG - etwa durch Gewährung vollständiger Einsicht in sämtliche Ermittlungsvorgänge - rechtliches Gehör zustünde.
2. Über die Grenzen der speziellen Verfahrensgrundrechte hinaus gewährleistet das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes in Verbindung mit dem allgemeinen Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) dem Beschuldigten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Strafverfahren (std. Rspr.; BVerfGE 57, 250 (274 f.) m. w. N.). Auch mit diesem Recht des Beschwerdeführers ist die Auslegung der §§ 199 Abs. 2 Satz 2, 147 StPO durch Landgericht und Bundesgerichtshof vereinbar.
Ein zentrales Anliegen eines rechtsstaatlich geordneten Strafverfahrens ist die Ermittlung des wahren Sachverhalts als der notwendigen Grundlage eines gerechten Urteils. Ausgestaltungen des Strafverfahrens, welche die Ermittlung der Wahrheit zu Lasten des Beschuldigten behindern, können daher seinen Anspruch auf ein faires Verfahren verletzen (BVerfGE a.a.O. (S. 275)). Ferner sichert dieser Anspruch dem Beschuldigten, der im Rechtsstaat des Grundgesetzes nicht bloßes Objekt des Verfahrens sein darf, den erforderlichen Bestand an aktiven verfahrensrechtlichen Befugnissen, damit er zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Strafverfahrens Einfluß nehmen kann (vgl. BVerfGE 46, 202 (210); 57, 250 (275)). Dies verlangt eine gewisse verfahrensrechtliche ?Waffengleichheit' von Staatsanwaltschaft und Beschuldigtem im Strafprozeß (vgl. BVerfGE 38, 105 (111)). Das Recht auf ein faires Verfahren enthält indessen keine in allen Einzelheiten bestimmten Gebote und Verbote. Es zu konkretisieren, ist zunächst Aufgabe des Gesetzgebers und sodann, in den vom Gesetz gezogenen Grenzen, Pflicht der zuständigen Gerichte bei der ihnen obliegenden Rechtsauslegung und -anwendung. Erst wenn sich unter Berücksichtigung aller Umstände und nicht zuletzt der im Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes selbst angelegten Gegenläufigkeiten eindeutig ergibt, daß rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind, können aus dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit selbst konkrete Folgerungen für die Ausgestaltung des Verfahrens gezogen werden (BVerfGE 57, 250 (275 f.)). An diesen Voraussetzungen fehlt es:
a) In der Gesetzesauslegung der angegriffenen Entscheidungen wird das dem Beschuldigten durch § 147 StPO gewährte Recht auf Akteneinsicht durch seinen Verteidiger nicht rechtsstaatswidrig verkürzt; der Grundsatz der Aktenvollständigkeit ist nicht verletzt.
aa) § 147 StPO konkretisiert aktive verfahrensrechtliche Befugnisse des Beschuldigten in einem rechtsstaatlich geordneten Strafverfahren. Die Vorschrift gebietet, die Akten und Beweisstücke dem Verteidiger des Beschuldigten so früh wie möglich, auf jeden Fall aber - und dann ohne Ausnahme - nach Abschluß der Ermittlungen offenzulegen, damit er vom Ergebnis der Ermittlungen rechtzeitig Kenntnis erlangt und Verteidigungsmittel beschaffen und vorbringen kann. Das Recht auf Akteneinsicht umschließt die vollständigen Akten, die dem Gericht vorliegen oder ihm im Falle der Erhebung der Anklage nach § 199 Abs. 2 Satz 2 StPO von der Staatsanwaltschaft vorzulegen wären (vgl. BVerfG, EuGRZ 1983, S. 25).
bb) Akten in diesem Sinne umfassen nach der den angegriffenen Entscheidungen zugrunde liegenden Ansicht von Landgericht und Bundesgerichtshof sämtliche vom ersten Zugriff der Polizei (§ 163 StPO) an gesammelten be- und entlastenden Vorgänge, die im Rahmen der Ermittlungen gegen den Beschuldigten entstanden sind, sowie herangezogene Beiakten. Spurenakten, in denen tatbezogene Untersuchungen gegen Dritte und deren Ergebnisse festgehalten wurden, gehören danach nicht notwendig zu den Hauptakten, weil sie außerhalb der Ermittlungen gegen den Beschuldigten entstanden sind; sie müssen dem Gericht nur dann vorgelegt und damit der Einsicht des Verteidigers zugänglich gemacht werden, wenn ihr Inhalt für die Feststellung der dem Beschuldigten vorgeworfenen Tat und für etwaige gegen ihn zu verhängende Rechtsfolgen von irgendeiner Bedeutung sein kann.
cc) Diese Auslegung der §§ 199 Abs. 2 Satz 2, 147 StPO, die tatbezogene Spurenakten nicht notwendig als Teil der Hauptakten begreift und ihre Beiziehung zu den Strafakten nur unter der Voraussetzung gebietet, daß ihr Inhalt für die anhängige Strafsache aus irgendeinem Grunde erheblich sein kann, steht nicht in Widerspruch mit aus rechtsstaatlicher Sicht schützenswerten Verteidigungsinteressen des Beschuldigten; denn außerhalb der Ermittlungen gegen ihn entstandene Vorgänge, die im anhängigen Strafverfahren objektiv keine Bedeutung für die Schuld- und Rechtsfolgenfrage erlangen können, sind weder für das Gericht noch für den Beschuldigten und seine Verteidigung von verfahrensbezogenem Interesse.
b) Daran ändert es nichts, daß es zunächst Sache des Staatsanwalts ist, darüber zu befinden, welche Spurenakten für die anhängige Strafsache Bedeutung haben können und damit dem Gericht vorzulegen und der Akteneinsicht des Verteidigers zu öffnen sind.
aa) Dem Ziel, die materielle Wahrheit zu erforschen, um auf dieser Grundlage im Strafverfahren die Entscheidung über Schuld oder Nichtschuld und die daraus zu ziehenden rechtlichen Folgerungen zu treffen, ist nicht nur das Gericht, sondern gleichermaßen der Staatsanwalt verpflichtet. Staatsanwaltschaft und Gericht erfüllen gemeinsam die Aufgabe der "Justizgewährung" (BVerfGE 9, 223 (228)). Es ist ein besonderes Anliegen des Rechtsstaates, daß nur den wirklich Schuldigen die im sachlichen Recht vorgesehenen Unrechtsfolgen treffen. Deshalb muß die Tätigkeit des zur Verwirklichung des staatlichen Strafanspruchs berufenen Staatsanwalts ebenso wie die des Richters von dem Bestreben getragen sein, alles zu tun, daß nur der Schuldige bestraft, der unschuldig in Verdacht Geratene aber baldmöglich aus dem Verfahren entlassen oder freigesprochen wird. Diese Aufgabe des Staatsanwalts, der gegebenenfalls Rechtsmittel auch zugunsten des Beschuldigten einzulegen (§§ 296 Abs. 2, 301 StPO) und den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Verurteilten zu stellen hat (§ 365 StPO), schließt es aus, ihn auch nur formell im Strafverfahren als Partei zu begreifen (vgl. BGHSt 15, 155 (159); 24, 170 (171); OLG Stuttgart, NJW 1974, S. 1394 (1395); Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO, 23. Aufl., Einl., Kap. 13, Rdnr. 44; Schütz in Festschrift für Küchenhoff, 1972, S. 985 (992 f.); Wendisch in Festschrift für Schäfer, 1980, S. 243 (247 f)). Der Staatsanwalt hat nach § 160 Abs. 2 StPO vielmehr auch die zur Entlastung des Verdächtigen dienenden Umstände zu ermitteln und für die Erhebung der entsprechenden Beweise Sorge zu tragen. Diese gesetzliche Pflicht ist sorgfältig zu beachten. Sie soll sicherstellen, daß alle erheblichen Gesichtspunkte aufgeklärt werden, und damit der Gefahr einseitiger Ermittlungstätigkeit begegnen; jede Konkretisierung des Tatverdachts auf einen bestimmten Beschuldigten kann es mit sich bringen, daß Hinweise auf andere Tatverdächtige keine genügende Beachtung finden (vgl. Peters, Kriminalistik 1970, S. 425 (426 f.); Dünnebier, StV 1981, S. 504; Bender/Nack, ZRP 1983, S. 1 (4)).
bb) Unter der Maxime der Wahrheitserforschungspflicht und der Verpflichtung zur Objektivität steht selbstverständlich auch die Aufgabe des Staatsanwalts, als Herr des Vorverfahrens die Strafakten vollständig zusammenzustellen, die er dem Gericht nach § 199 Abs. 2 Satz 2 StPO mit der Anklageschrift vorzulegen hat. Ihm werden dabei - wie auch sonst im Ermittlungsverfahren - mit Wertungen verbundene Entscheidungen abverlangt, die sich daran auszurichten haben, daß dem Gericht und dem Beschuldigten Aktenkenntnisse nicht vorenthalten bleiben dürfen, die für die gerechte Beurteilung der anhängigen Strafsache nützlich sein können. Bestehen daran hinsichtlich einzelner Ermittlungsvorgänge Zweifel, darf der Staatsanwalt sie nicht zurückhalten; er muß sie dem Gericht im Interesse rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung vorlegen. Die Möglichkeit des Mißbrauchs dieser Regelung im Einzelfall macht sie nicht verfassungswidrig; es ist bei der Auslegung und Würdigung einer Norm vielmehr davon auszugehen, daß sie im Rechtsstaat korrekt und fair angewendet wird (BVerfGE 30, 1 (27)).
c) Die so beschriebene Tätigkeit des Staatsanwalts im Ermittlungsverfahren unterliegt nach der Strafprozeßordnung keiner umfassenden gerichtlichen Kontrolle (vgl. Rieß, a.a.O.). Dies ist angesichts seiner Verpflichtung zur Wahrheitserforschung und zur Objektivität mit dem Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes vereinbar. Es genügt, daß das Gericht, dem die Entscheidung über die Schuld- und Straffrage vorbehalten bleibt (vgl. BVerfGE 22, 49 (80 f.)), seinerseits von Amts wegen zur Ermittlung der Wahrheit verpflichtet ist. Darin ist zugleich die hinreichende Kontrolle enthalten, ob der Staatsanwalt alle für die richterliche Beurteilung der Strafsache bedeutsamen Akten vorgelegt hat:
aa) Die selbständige gerichtliche Überprüfung, ob die Erforschung der Wahrheit die Beiziehung weiterer Akten erfordert, stellt die Strafprozeßordnung bereits im Zwischenverfahren (§ 202 StPO), ferner vor Beginn der Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden des Gerichts (§ 221 StPO) und insbesondere während der Hauptverhandlung (§ 244 Abs. 2 StPO) sicher (vgl. OLG Frankfurt, NJW 1982, S. 1408 (1409)). Danach hat sich das Gericht in jeder Lage des Verfahrens zu vergewissern, ob begründeter Anlaß zu Zweifeln daran besteht, daß ihm alle zur Beurteilung des Falles bedeutsamen Akten vorliegen. Gegebenenfalls hat es dafür Sorge zu tragen, daß die Strafakten vervollständigt werden. Dabei kann es vom Staatsanwalt Auskünfte, insbesondere nähere Erläuterungen über die Kriterien bei der Zusammenstellung der Verfahrensakten und über Art und Inhalt nicht vorgelegter Ermittlungsvorgänge, verlangen.
Einer gerichtlichen Aktenanforderung hat der Staatsanwalt nachzukommen, sofern nicht ein gesetzlich geregelter Ausnahmefall vorliegt, etwa weil seine oberste Dienstbehörde ausnahmsweise die Herausgabe der Akten aufgrund überwiegender staatlicher Geheimhaltungsinteressen zu verweigern befugt ist (§ 96 StPO; vgl. OLG Frankfurt, a.a.O.; hierzu grundlegend: BVerfGE 57, 250 (281 ff.)).
bb) Bei alledem ist der Beschuldigte keineswegs zur Passivität verurteilt oder gar in die Rolle eines bloßen Objekts gedrängt, die es ihm prozessual verschlösse, auf die von ihm für sachdienlich gehaltene Beiziehung weiterer Akten Einfluß zu nehmen. Er kann, falls es an den prozessualen Voraussetzungen für die Stellung von Beweisanträgen fehlt, mit sogenannten Beweisermittlungsanträgen Anregungen für eine weitere Sachaufklärung an das Gericht herantragen.
d) Damit sind die Möglichkeiten des Beschuldigten, Kenntnis vom Inhalt auch solcher Spurenakten zu erhalten, die der Staatsanwalt dem Gericht nicht vorgelegt hat und zu deren Beiziehung auch das Gericht von sich aus keine Veranlassung sieht, nicht erschöpft. Er kann durch Vermittlung eines Rechtsanwalts - naheliegenderweise seines Verteidigers - Einsicht in diese Vorgänge unmittelbar bei der für die Ermittlungen verantwortlichen Staatsanwaltschaft beantragen. Wird ihm diese verwehrt, steht ihm im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung (vgl. Meyer-Goßner, NStZ 1982, S. 353 (357 f.)). Wenn der Beschuldigte geltend macht, er wolle sich selbst Gewißheit darüber verschaffen, daß sich aus diesen Akten - wie Staatsanwaltschaft und Gericht meinen - keine seiner Entlastung dienenden Tatsachen ergeben, wird ihm die Einsicht in solche Akten regelmäßig nicht zu versagen sein.
Dies bedeutet allerdings nicht, daß dieses Recht auf Einsicht in Akten außerhalb des gerichtlich anhängigen Strafverfahrens in ähnlicher Weise unbeschränkt sein müßte wie das Akteneinsichtsrecht innerhalb des Verfahrens nach § 147 StPO. Im Einzelfall können hier gewichtige, verfassungsrechtlich verbürgte Interessen der Gewährung der Akteneinsicht widerstreiten. Neben überwiegenden staatlichen Geheimhaltungsinteressen im Sinne des § 96 StPO könnten beispielsweise die Gefährdung des Untersuchungszwecks in laufenden anderen Ermittlungsverfahren oder die konkrete Gefahr einer nachhaltigen Bloßstellung Dritter die Zurückhaltung solcher Akten rechtfertigen. Die nähere Klärung dieser und der weiteren Frage, ob dem Beschuldigten für den Fall der Versagung der Akteneinsicht ein Anspruch auf Auskunft über den Inhalt der zurückgehaltenen Akten zusteht, soweit dadurch die berechtigten Geheimhaltungsinteressen unberührt bleiben, bedarf hier keiner Entscheidung.
Jedenfalls bietet sich dem Beschuldigten auf diesem Wege auch außerhalb eines anhängigen Strafverfahrens - und zwar von der Erhebung der Anklage an bis zum Abschluß des Verfahrens und darüber hinaus auch zur Vorbereitung eines Wiederaufnahmeantrags - eine weitgehende Möglichkeit, anläßlich der Tatermittlungen entstandene Spurenakten, die nicht zum Bestandteil der Akten im Strafverfahren geworden sind, einsehen zu lassen. Hierdurch werden seine Verteidigungsmöglichkeiten erweitert, da er selbst nach Entlastungsmomenten suchen kann, die zwar fernliegen mögen, aber nicht schlechthin auszuschließen sind (vgl. Bender/Nack, a.a.O. (S. 4 f.)). Während so regelmäßig dem Informationsinteresse des Beschuldigten genügt ist, ist gleichwohl gewährleistet, daß der Ablauf des gerichtlichen Verfahrens nicht durch eine sachlich nicht gebotene Ausweitung der Verfahrensakten unverhältnismäßig erschwert oder sogar nachhaltig gefährdet wird.
e) Schließlich ist auch aus dem Gesichtspunkt der "Waffengleichheit" zwischen Staatsanwalt und Beschuldigtem nicht abzuleiten, daß die Auslegung der §§ 199 Abs. 2 Satz 2, 147 StPO durch Landgericht und Bundesgerichtshof den Anspruch des Beschwerdeführers auf ein faires Strafverfahren verletzten. Dieser Grundsatz fordert nicht, daß verfahrensspezifische Unterschiede in der Rollenverteilung von Staatsanwalt und Verteidiger in jeder Beziehung ausgeglichen werden müßten.
II. 1. Landgericht und Bundesgerichtshof vertreten die Auffassung, die Aufklärungspflicht des Gerichts gebiete es nicht, einem Antrag auf Beiziehung von Spurenakten nachzugehen, wenn nicht bestimmte Sachverhalte mitgeteilt worden seien, die durch die Einsicht in diese Akten aufgeklärt werden sollen. Einem solchen Beweisermittlungsantrag dürfe mangels hinreichender Konkretisierung des Beweisthemas der Erfolg versagt werden. Diese Auslegung des § 244 Abs. 2 StPO ist mit dem Grundgesetz, insbesondere mit dem Recht des Beschwerdeführers auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren vereinbar.
a) Das Gericht ist nach § 244 Abs. 2 StPO gehalten, zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Der Angeklagte kann Inhalt und Umfang der Beweisaufnahme insbesondere durch Beweisanträge beeinflussen, die nur unter gesetzlich bestimmten Voraussetzungen abgelehnt werden dürfen (§§ 244 Abs. 3 bis 5, 245 Abs. 2 StPO). Ein Beweisantrag bedarf indes der Angabe eines bestimmten Beweisthemas und eines bestimmten Beweismittels (vgl. § 219 Abs. 1 Satz 1 StPO; BGHSt 6, 128 (129)). Darüber hinaus hat der Angeklagte die Möglichkeit, mit Beweisanregungen oder Beweisermittlungsanträgen auf eine weitere gerichtliche Sachaufklärung zu dringen. Über einen solchen Antrag ist nach Maßgabe der gerichtlichen Wahrheitsermittlungspflicht zu befinden (BGH, a.a.O.). Diese gebietet zur Aufklärung des für die gerichtliche Entscheidungsfindung erheblichen Sachverhalts eine Beweiserhebung oder - z. B. durch Aktenbeiziehung - deren Vorbereitung, sofern bestimmte Tatsachen, die dem Gericht bekannt sind oder bekannt sein müssen, dazu drängen oder es zumindest nahe legen (vgl. BGHSt 3, 169 (175); BGH, NJW 1978, S. 113 (114)).
Diese Regelung genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein faires, rechtsstaatliches Strafverfahren. Durch sie ist insbesondere der zentralen Pflicht zur Ermittlung der Wahrheit im Strafverfahren hinreichend Rechnung getragen; sie macht den Angeklagten nicht zum bloßen Objekt des Verfahrens. Seine mögliche Einflußnahme auf Inhalt und Umfang der gerichtlichen Sachaufklärung ist zwar dadurch begrenzt, daß er für von ihm angestrebte Beweiserhebungen das Beweisthema und das Beweismittel bestimmt bezeichnen oder aber bestimmte Sachverhalte aufzeigen muß, aufgrund deren sich das Gericht zur weiteren Sachaufklärung gedrängt sieht. Dies ist jedoch verfassungsrechtlich unbedenklich. Müßte das Gericht auch Anträgen und Anregungen des Angeklagten auf weitere Sachaufklärung nachgehen, in denen ein konkreter Zusammenhang zur Wahrheitsermittlung nicht aufgezeigt ist, gewänne der Angeklagte einen Einfluß auf Umfang und Dauer des Strafverfahrens, der über das zu seiner Verteidigung Gebotene hinausginge und dazu führen könnte, daß die - nicht zuletzt im Interesse des Beschuldigten - rechtsstaatlich geforderte Beschleunigung des Strafverfahrens ernstlich gefährdet wäre.
b) Das Rechtsstaatsgebot verlangt nicht, daß - abweichend von der Regel - an die Konkretisierung der Begründung eines Antrags auf Beiziehung sogenannter Spurenakten regelmäßig geringere Anforderungen zu stellen sind. Die gerichtliche Aufklärungspflicht gebietet nicht, daß das Gericht sämtliche anläßlich der Tatermittlungen entstandenen Spurenakten überprüfen müßte, solange es an konkreten Anhaltspunkten fehlt, daß darin relevante Informationen enthalten sind. Es kann in aller Regel davon ausgehen, daß Staatsanwalt und Polizei ihre Aufgaben gewissenhaft erfüllt haben, und braucht nicht jeder theoretischen Aufklärungschance nachzugehen (vgl. Bender/ Nack, a.a.O. (S. 4)). Sieht das Gericht von sich aus keine sachlich gebotene Veranlassung zur Beiziehung von Spurenakten, so kann der Angeklagte ihre Heranziehung nur auf dem Weg des Beweisantrags oder eines Beweisermittlungsantrags zu erreichen versuchen. Mit dem Verlangen nach hinreichend konkreter Begründung auch eines solchen Antrags wird ihm in der Regel nichts Unmögliches abverlangt. Die in der Literatur teilweise vertretene gegenteilige Ansicht, auf die sich der Beschwerdeführer beruft (vgl. Wasserburg, NStZ 1981, S. 211 (212); Dünnebier, a.a.O.; Peters in Festschrift für Dünnebier, 1982, S. 53 (65 f.); Beulke, ebenda, S. 285 (295)), würdigt die Verteidigungsbefugnisse des Angeklagten nicht zureichend. Sie verkennt die Möglichkeiten, die sich der Verteidigung, wie bereits dargelegt, auch außerhalb des Strafverfahrens bieten. Erfährt der Verteidiger auf diesem Wege Entlastungstatsachen, kann er sie zur Begründung eines Antrags auf Beiziehung der Akten darlegen, sofern er nicht bereits aufgrund der vorgelegten Akten in der Lage ist, einen förmlichen Beweisantrag zu stellen. Darüber hinaus wird er sich in der Hauptverhandlung durch die Befragung von Zeugen, insbesondere von Ermittlungsbeamten, häufig die Kenntnisse verschaffen können, die es ihm erlauben, die Frage der Notwendigkeit der Beiziehung weiterer Akten zu beurteilen und einen entsprechenden Antrag angemessen zu begründen.
2. Der Bundesgerichtshof verlangt in Auslegung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO für die formgerechte Begründung einer Revisionsrüge, mit welcher geltend gemacht wird, das Tatgericht habe seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt, daß es die Beiziehung weiterer Akten unterlassen habe, daß der Revisionsführer bestimmte Tatsachen angibt, die das Tatgericht mit Hilfe dieser Akten hätte aufklären sollen. Auch das ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Vorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO bewahrt das Revisionsgericht vor der Aufgabe, von Amts wegen die Einhaltung prozessualer Vorschriften während des gerichtlichen Verfahrensablaufs zu überprüfen, indem sie bestimmt, daß die für einen behaupteten Verfahrensverstoß maßgeblichen Tatsachen in der Revisionsbegründung anzugeben sind. Das Revisionsgericht soll über die Schlüssigkeit einer Verfahrensrüge allein anhand der Revisionsbegründung entscheiden können (vgl. Meyer in Löwe/Rosenberg, StPO, 23. Aufl., § 344, Rdnr. 75, 78 f., 81; Pikart in Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung, 1982, § 344, Rdnr. 32, 38 und 39; jeweils m. w. N.). Der Bundesgerichtshof hält es nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung für erforderlich, daß zur Begründung einer Aufklärungsrüge die Tatsachen bestimmt bezeichnet werden, die das Gericht zu ermitteln unterlassen hat (vgl. Meyer, a.a.O., § 344, Rdnr. 97 m. w. N.). Diese Auslegung ist sachgerecht. Sie macht die Revisionsbegründung nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig. Die Anforderung an die Begründung der Aufklärungsrüge entspricht dem Konkretisierungserfordernis für den Beweisermittlungsantrag. Sie ist aus den genannten Gründen mit dem Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes vereinbar.
III. Auch durch die Rechtsanwendung auf der Grundlage dieser verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Gesetzesauslegung haben Landgericht und Bundesgerichtshof Grundrechte des Beschwerdeführers nicht verletzt.
1. a) Das Landgericht hat die Prüfung, ob die vom Beschwerdeführer beantragte Beiziehung weiterer Spurenakten geboten sei, an seiner Verpflichtung zu umfassender Sachaufklärung ausgerichtet. Seine Entscheidung, die Aufklärung der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Straftat gebiete die Beiziehung weiterer Spurenakten nicht, beruht weder auf sachfremden, mit dem Willkürverbot des Grundgesetzes unvereinbaren Erwägungen, noch läßt sie erkennen, daß die Bedeutung von Grundrechten des Beschwerdeführers verkannt worden wäre. Das Landgericht war aus verständlichen, nachvollziehbaren Gründen davon überzeugt, daß ihm die Staatsanwaltschaft in pflichtgemäßer Amtsausübung nach bestem Wissen alle Ermittlungsvorgänge vorgelegt hat, die für das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer Bedeutung haben konnten.
Daß sich dem Landgericht hieran auch nicht insoweit hinreichende Zweifel aufgedrängt haben, als es sich um Spurenakten handelte, welche die Anordnung der Überwachung des Fernmeldeverkehrs gegen Dritte nach § 100 a StPO wegen des konkreten Verdachts der Täterschaft oder Teilnahme an der später dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tat zum Inhalt hatten, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht ebenfalls noch nicht zu beanstanden; denn aus einem solchen Sachverhalt läßt sich keineswegs von vornherein schließen, daß dieses Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden gegen andere vorübergehend in Tatverdacht geratene Personen für das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer irgendeine Bedeutung erlangen müßte. Hat sich ein solcher Verdacht nachträglich als haltlos erwiesen, liegt es nicht fern, daß der Vorgang für die weitere Aufklärung der Straftat bedeutungslos bleiben kann.
b) Nachdem sich herausgestellt hatte, daß die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der "wichtigtuerischen Zeugin" versehentlich zunächst einen für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin erheblichen Spurenvorgang nicht zu den gerichtlichen Verfahrensakten gegeben hatte, hat das Landgericht gleichwohl davon abgesehen, von der Staatsanwaltschaft eine nochmalige Durchsicht der Spurenakten und eine Prüfung zu verlangen, ob sie Hinweise über in der Hauptverhandlung vernommene Zeugen enthalten, und gegebenenfalls die Vorlage solcher Vorgänge zu verlangen. Ob dies Anlaß zu verfassungsrechtlichen Bedenken geben könnte, kann das Bundesverfassungsgericht aus Gründen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) nicht nachprüfen. Denn der Beschwerdeführer hat es unterlassen, einen entsprechenden spezifizierten Antrag in der Revision zur fachgerichtlichen Überprüfung zu stellen. Zur Beiziehung sämtlicher Spurenakten war das Landgericht aufgrund dieses Vorfalls jedenfalls von Verfassungs wegen nicht verpflichtet.
2. Landgericht und Bundesgerichtshof haben in der Heranziehung sämtlicher Spurenakten zu den gerichtlichen Verfahrensakten eine Gefährdung von Persönlichkeitsrechten Dritter gesehen. Erkennbar haben sie damit lediglich einen ergänzenden Gesichtspunkt im Zusammenhang mit der Darlegung ihrer Auffassung herausgestellt, daß zur Beiziehung aller Spurenakten ohne Rücksicht auf ihre Bedeutung für die Wahrheitsfindung im gerichtlich anhängigen Verfahren keine rechtliche Notwendigkeit bestehe. Ihre Entscheidungen sind also nicht dahin mißzuverstehen, daß es die Wahrung von Persönlichkeitsrechten Dritter rechtfertigen könne, für die Sachaufklärung möglicherweise bedeutsame Ermittlungsvorgänge zurückzuhalten. Es ist daher nicht zu besorgen, daß Landgericht und Bundesgerichtshof verkannt hätten, daß Persönlichkeitsrechte Dritter gegenüber der gebotenen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren regelmäßig nachrangig sind (vgl. BGHSt 29, 99 (104)).
3. Das Landgericht hat den Beschwerdeführer nicht ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er unmittelbar bei der Staatsanwaltschaft Einsicht in die nicht vorgelegten Spurenakten beantragen könne. Eine Verpflichtung des Gerichts, auf die mögliche Wahrnehmung von Rechten außerhalb des gerichtlich anhängigen Verfahrens hinzuweisen, bestand jedoch von Verfassungs wegen insbesondere schon deshalb nicht, weil der Beschwerdeführer durch mehrere Rechtsanwälte verteidigt war.
4. Auch im übrigen sind verfassungsrechtlich relevante Fehler des Landgerichts oder des Bundesgerichtshofs nicht erkennbar geworden. ..."
*** (BGH)
I. Der Verteidiger RA E. hat mit Schriftsatz v. 11.06.2010, der Verteidiger RA R. mit Schriftsatz v. 22.06.2010 bei dem GBA die Verteidigung des Besch. angezeigt und Einsicht in die Akten beantragt. Daraufhin übersandte der GBA den Verteidigern gem. § 147 Abs. 3 StPO jeweils eine Ablichtung des Gutachtens ?D.' zur Einsichtnahme. Eine weiter gehende Aktensicht lehnte der GBA unter Hinweis auf § 147 Abs. 2 StPO ab.
Der Besch. ist am 11.10.2010 aufgrund eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag v. 28.09.2010 in Frankreich festgenommen worden und befindet sich seitdem dort in Auslieferungshaft für den Internationalen Strafgerichtshof.
Mit Schriftsatz v. 16.10.2010 zeigte RA E. die Bestellung von RA Prof. Dr. G., P., als weiteren Verteidiger des Besch. an und beantragte im eigenen sowie in dessen Namen beim GBA (erneut) eine vollständige Akteneinsicht. Das Bundesamt für Justiz fragte daraufhin bei der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs an, ob die Bewilligung der beantragten Akteneinsicht den Untersuchungszweck des dortigen Verfahrens gefährden würde.
Mit Verfügung v. 03.11.2010 lehnte der GBA das vorstehend genannte Akteneinsichtsersuchen aus den Gründen des § 147 Abs. 2 StPO ab. Durch die Gewährung einer über die bisher erfolgte Akteneinsicht hinausgehende Einsichtnahme werde der Untersuchungszweck im vorliegenden Verfahren sowie im Verfahren vor dem Internationalen Staatsgerichtshof gefährdet. Wegen der mit der Inhaftierung des Besch. zusammenhängenden Fragen verwies der GBA den Verteidiger darauf, bei der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs um Akteneinsicht nachzusuchen.
Mit Schriftsatz v. 24.11.2010 hat RA R. gem. § 147 Abs. 5 S. 2 StPO eine gerichtliche Entscheidung über die seitens des GBA erfolgte Ablehnung einer Akteneinsicht nach § 147 Abs. 1 StPO beantragt. ...
Mit Verfügung v. 03.12.2010 hat der GBA gem. § 153f Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 4 StPO i.V.m. § 153c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO im Hinblick auf das von der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs betriebene Ermittlungsverfahren von der Verfolgung der dem Besch. im vorliegenden Verfahren zur Last gelegten Taten abgesehen, soweit er verdächtig ist, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen... begangen zu haben. Hinsichtlich des Tatvorwurfs der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung gem. §§ 129a, 129b StGB hat der GBA gem. § 153c Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO von der weiteren Verfolgung abgesehen.
RA R. fragte daraufhin am 10.12.2010 telefonisch beim GBA an, ob nunmehr eine weiter gehende Akteneinsicht gewährt werde. Der GBA lehnte dies mit Verfügung vom selben Tage mit der Begründung ab, das hiesige Ermittlungsverfahren gegen den Besch. sei zwar mittlerweile eingestellt worden, die beantragte Akteneinsicht könne aber (neben der vom GBA gem. seiner Stellungnahme v. 05.01.2011 weiterhin bejahten Gefährdung des Untersuchungszwecks des hiesigen Verfahrens für den Fall einer möglichen Wiederaufnahme der Ermittlungen) den Untersuchungszweck des Verfahrens vor dem Internationalen Strafgerichtshof gefährden.
Mit Schreiben v. 17.12.2010 teilte die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs auf die oben genannten Anfrage des Bundesamtes für Justiz mit, die von den Verteidigern beantragte Einsicht in die Akten des vorliegenden Verfahrens könne den Untersuchungszweck des beim Internationalen Strafgerichtshof geführten Verfahrens gefährden... [Gegen die Ablehnung der Gewährung von Akteneinsicht stellte die Verteidigung den Antrag auf gerichtliche Entscheidung]. ...
II. Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung nach § 147 Abs. 5 S. 2 StPO sind unstatthaft und daher unzulässig. Sie sind im Übrigen auch unbegründet. ...
c) Auch die Voraussetzung der dritten Alternative des § 147 Abs. 5 S. 2 StPO, dass sich der Besch. nicht auf freiem Fuß befindet, ist hier nicht gegeben. Zwar befindet sich der Besch. in Haft. Die Inhaftierung ist jedoch nicht für das vorliegende Verfahren, sondern aufgrund des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs für das dortige Ermittlungsverfahren erfolgt. Dies erfüllt entgegen der Auffassung der Verteidigung den Tatbestand des § 147 Abs. 5 S. 2 Alt. 3 StPO nicht.
In der Rspr. der Instanzgerichte und im Schrifttum wird allerdings teilweise die Ansicht vertreten, dass ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 147 Abs. 5 S. 2 Alt. 3 StPO auch dann zulässig ist, wenn sich der Besch. in anderer Sache in Haft befindet (LG München I, StV 2006, 11; LG Regensburg StV 2004, 369; Lüderssen/Jahn in LR, StPO, 26. Aufl., § 147 Rn. 160b; wohl auch Meyer-Goßner, a.a.O., § 147 Rn. 39). Dieser Auffassung ist jedoch, wie der GBA zutreffend ausgeführt hat, nicht zu folgen (ebenso LG Mannheim StV 2001, 613; KK-Laufhütte, a.a.O., § 147 Rn. 26, wonach es bei einer Inhaftierung in anderer Sache des - hier nicht gegebenen - Vorliegens eines (noch) nicht vollzogenen Haftbefehls in der Sache bedarf, auf die sich das Akteneinsichtsgesuch bezieht).
Zwar enthält der Wortlaut der genannten Vorschrift keine Ausführungen zum Grund, weshalb sich der Besch. nicht auf freiem Fuß befindet. Sowohl aus der Gesetzesbegründung als auch aus der Gesetzessystematik des § 147 StPO und dem Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt sich jedoch, dass mit dem Tatbestandsmerkmal ?befindet sich der Besch. nicht auf freiem Fuß' (§ 147 Abs. 5 S. 2 Alt. 3 StPO) eine Freiheitsentziehung aufgrund des Verfahrens gemeint ist, in dessen Akten die Einsichtnahme begehrt wird.
aa) Die in § 147 Abs. 5 S. 2 StPO vorgesehene Möglichkeit, gegen die Versagung der Akteneinsicht unter bestimmten Voraussetzungen eine gerichtliche Entscheidung beantragen zu können, ist durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts (Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 - StVÄG 1999, BGBl. 2000 I S. 1253) eingefügt worden. Dabei war im Gesetzentwurf der Bundesregierung die oben erwähnte 3. Alternative des § 147 Abs. 5 S. 2 StPO noch nicht enthalten (BT-Drucks. 14/1484, S. 6 und 21 f.). Sie wurde auf Anregung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages (BT-Drucks. 14/2595, S. 6) in den Gesetzentwurf aufgenommen und ist in dieser Fassung auch verabschiedet worden. Zur Begründung hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages ausgeführt, die auf der Grundlage eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls behördlich verwahrten Personen - S. 2 sei insofern § 83 Abs. 3 BRAGO nachgebildet - hätten ein rechtlich anzuerkennendes besonderes Interesse daran, dass dem Verteidiger Akteneinsicht gewährt werde. Dem sei dadurch Rechnung zu tragen, dass die Versagung der Akteneinsicht durch die StA auch in diesem Fall einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden könne. Eine nennenswerte Verfahrensverzögerung sei nicht zu befürchten, da in den betroffenen Fällen seitens der StA grundsätzlich Duplo-Akten im Hinblick auf die Rechtsbehelfe der Haftprüfung bzw. der Beschwerde (§ 117 Abs. 1 und 2, § 126a Abs. 2 StPO) geführt würden (BT-Drucks. 14/2595, S. 28).
Diese Begründung zeigt, dass es dem Gesetzgeber bei der Schaffung des § 147 Abs. 5 S. 2 Alt. 3 StPO darum ging, die Rechtsposition des Besch. zu stärken, der eine Einsichtnahme in die Akten des Verfahrens begehrt, für das er inhaftiert oder untergebracht ist. Dafür sprechen insbes. die auf die Führung von Duplo-Akten bezogenen Ausführungen in der Gesetzesbegründung. Hätte der Gesetzgebers die Inhaftierung oder Unterbringung in einem anderen Verfahren für ausreichend erachtet, müsste es sich bei der Sache, in deren Akten die Einsichtnahme begehrt wird, gerade nicht um eine Haftsache handeln und würden demzufolge auch nicht ?grundsätzlich Duplo-Akten im Hinblick auf die Rechtsbehelfe der Haftprüfung bzw. der Beschwerde' geführt.
Der in der Gesetzesbegründung enthaltene Hinweis auf den (zwischenzeitlich außer Kraft getretenen) § 83 Abs. 3 BRAGO (heute: Vorbemerkung 4 Abs. 4 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) ändert hieran nichts. Zwar soll der darin geregelte sog. Haftzuschlag auf die Verteidigergebühr unabhängig von der Art der Haft aufgrund des erheblich größeren Zeitaufwands anfallen, den der RA in der Regel allein schon durch die erschwerte Kontaktaufnahme mit dem in der JVA einsitzenden Besch. zu erbringen hat (Mayer/Kroiß, RVG, 4. Aufl., Nr. 4100-4103 VV Rn. 15; BeckOK/Kotz, RVG, VV Teil 4, Vorbemerkung 4 Rn. 96 f.; vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 221). Da jedoch § 83 Abs. 3 BRAGO a.F. und § 147 Abs. 5 S. 2 StPO deutliche Unterschiede sowohl hinsichtlich des Regelungsgegenstandes als auch hinsichtlich der Person des durch die jeweilige Vorschrift Berechtigten aufweisen, ist davon auszugehen, dass es dem Gesetzgeber bei dem Hinweis auf die erstgenannte Vorschrift lediglich darum ging, zum einen die begriffliche Anknüpfung und zum anderen einen auch in anderen Rechtsgebieten aus dem erschwerenden Umstand der Inhaftierung abgeleiteten Regelungsbedarf aufzuzeigen. Hingegen ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien nicht, dass der Gesetzgeber mit dem Hinweis auf § 83 Abs. 3 BRAGO a.F. darüber hinaus auch an die - aus dem Wortlaut dieser Vorschrift nicht zu entnehmenden - inhaltlichen Voraussetzungen des Haftzuschlags im anwaltlichen Gebührenrecht anknüpfen wollte.
bb) Für diese Auslegung sprechen überdies der Sinn und Zweck sowie die Systematik des § 147 StPO. Die Möglichkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 147 Abs. 5 S. 2 Alt. 3 StPO bezieht sich auf das nunmehr in § 147 Abs. 2 S. 2 StPO geregelte - und zuvor nach der st. Rspr. des EGMR (vgl. BT-Drucks. 16/11644, S. 33 f. m.w.N.) sowie der Rspr. des BVerfG (vgl. BVerfG, NStZ-RR 1998, 108 m.w.N. [= StV 1997, 633]) und des BGH (vgl. BGH, 3. Strafsenat, Beschl. v. 28.09.1995 - 2 BJs 148/93 - 7 StB 54/95, NJW 1996, 734) gegebene - besondere Akteneinsichtsrechts des Besch., der sich in U-Haft befindet oder gegen den diese im Falle der vorläufigen Festnahme beantragt ist. Dieses besondere Akteneinsichtsrecht soll durch die Eröffnung einer gerichtlichen Kontrolle der staatsanwaltschaftlichen Entscheidung zusätzlich abgesichert werden.
cc) Auch nach der Rspr. des EGMR (NJW 2002, 2013, 2014 f. [= StV 2001, 201]), deren Umsetzung die Einführung des § 147 Abs. 2 S. 2 StPO diente (BT-Drucks. 16/11644, S. 33 f.), bedarf es aufgrund des in Art. 6 EMRK verankerten Rechts auf ein kontradiktorisches Verfahren nur der Vorlage der Schriftsätze und Beweismittel an die Verteidigung, die von der StA dem Gericht zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung vorgelegt wurden und die daher für den Verteidiger zum Zwecke einer wirksamen Anfechtung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung seines Mandanten wesentlich sind. Diese Informationen liegen jedoch nur in dem Verfahren vor, in dem U-Haft angeordnet oder - im Fall der vorläufigen Festnahme - beantragt worden ist, hier also in dem Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof.
3. Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung sind im Übrigen auch unbegründet. ...
b) Gegen die Entscheidung des GBA, dem - nicht für das vorliegende Verfahren in Haft sitzenden - Besch. wegen einer Gefährdung des Untersuchungszwecks derzeit keine über § 147 Abs. 3 StPO hinausgehende Akteneinsicht zu gewähren, ist auch insoweit nichts zu erinnern, als der GBA hierbei neben der Gefährdung des Untersuchungszwecks des vorliegenden Verfahrens (im Falle von dessen Wiederaufnahme, s.o.) auf eine Gefährdung des Untersuchungszwecks des vor dem Internationalen Strafgerichtshof geführten Verfahrens abgestellt hat. Eine solche Gefährdung hat die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs mit Schreiben v. 17.12.2010 ausdrücklich bestätigt.
Eine der Gewährung von Akteneinsicht entgegenstehende Gefährdung des Untersuchungszwecks gem. § 147 Abs. 2 S. 1 StPO kann sich auch daraus ergeben, dass durch die beantragte Akteneinsicht der Untersuchungszweck in einem anderen Strafverfahren gefährdet würde (Meyer-Goßner, a.a.O., § 147 Rn. 25). Dem entsprechend sieht das Gesetz - jeweils ausdrücklich - in § 147 Abs. 7 S. 1 StPO für den nicht verteidigten Besch., in § 406e Abs. 2 S. 2 StPO für den Verletzten und in § 477 Abs. 2 S. 1 StPO für Auskünfte und Akteneinsicht für Justizbehörden, andere öffentliche Stellen, Privatpersonen und sonstige Stellen vor, dass auch eine Gefährdung des Untersuchungszwecks in anderen Strafverfahren die Versagung der Akteneinsicht rechtfertigen kann. Dass der Gesetzgeber im Zuge der Ergänzung der vorstehend genannten Regelungen durch das Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts v. 29.07.2009 (BGBl. I S. 2274), in Kraft getreten am 01.01.2010, nicht auch § 147 Abs. 2 S. 1 StPO mit dem Zusatz versehen hat, dass auch eine Gefährdung des Untersuchungszwecks in einem anderen Strafverfahren ausreiche, steht der oben genannten rechtlichen Beurteilung nicht entgegen.
Im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Untersuchungshaftrechts war ein solcher Zusatz enthalten (BT-Drucks. 16/11644, S. 9 und 34). Auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages ist dieser Zusatz gestrichen worden. Nach den Gesetzesmaterialien sollte hiermit jedoch nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass beim Akteneinsichtsrecht des Verteidiger - anders als bei der Akteneinsicht für den oben genannten Personenkreis - eine Gefährdung des Untersuchungszwecks in einem anderen Strafverfahren nicht ausreichen solle, um vor dem Abschluss der Ermittlungen eine - über § 147 Abs. 3 und ggf. § 147 Abs. 2 S. 2 StPO hinausgehende - Akteneinsicht zu versagen. Denn in der Begründung seiner Beschlussempfehlung hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages ausgeführt, die Streichung des genannten Zusatzes in § 147 Abs. 2 S. 1 StPO solle deshalb erfolgen, weil die weitere Prüfung ergeben habe, dass dieser Einschub unter Umständen unerwünschte Rückschlüsse oder Wertungswidersprüche in Bezug auf andere, näher bezeichnete Bestimmungen der StPO zur Folge haben könne, die ebenfalls auf eine Gefährdung des Untersuchungszwecks abstellten. Eine Aussage über die Zulässigkeit der Versagung der Akteneinsicht im Hinblick auf eine Gefährdung des Untersuchungszwecks in einem anderen Strafverfahren sei damit jedoch nicht verbunden (BT-Drucks. 16/13097, S. 19). ..." (BGH, Beschluss vom 26.01.2011 - 4 BGs 1/11)
***
Zum Akteneinsichtsrecht in Akten aus abgetrennten Verfahren, die dem Gericht nicht vorliegen. Zur Rüge der Beschränkung der Verteidigung in einem wesentlichen Punkt durch Ablehnung eines Antrags auf Beiziehung von Akten bzw. eines Akteneinsichtsantrags (BGH, Beschluss vom 23.02.2010 - 4 StR 599/09 zu StPO §§ 147, 244, 338 Nr. 8, 344 Abs. 2, 475):
?... Das LG hat den Angekl. H.-J. R. wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 J. verurteilt. ... Den Angekl. I. R. hat die StrK wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Hehlerei zu einer Freiheitsstrafe von 1 J. verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen das Urteil richten sich die auf Verfahrensrügen und die Verletzung des sachlichen Rechts gestützten Revisionen der beiden Angekl. Das Rechtsmittel des Angekl. H.-J. R. hat mit der Sachrüge (einen Teilerfolg). Im übrigen ist es, wie die Revision des Angekl. I. R. insgesamt, unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die von beiden Angekl. erhobenen Verfahrensrügen, mit denen sie eine Beschränkung der Verteidigung geltend machen, weil der Antrag, Einblick in die gesamten TKÜ-Protokolle des Ursprungsverfahrens der StA Koblenz zu gewähren, zurückgewiesen worden sei, haben keinen Erfolg.
a) Den Verfahrensrügen liegt im wesentlichen folgendes Geschehen zugrunde:
In dem gegen A. W. wegen des Verdachts des Diebstahls geführten Ermittlungsverfahren wurde im Jahr 2007 - zuletzt am 18. Oktober - die Überwachung seiner Mobilfunkanschlüsse angeordnet und durchgeführt. Aufgrund der dabei gewonnenen Erkenntnisse wurde das Ermittlungsverfahren am 22. 10. 2007 auf den Angekl. H.-J. R. und später auf I. R. als weitere Besch. erstreckt. Am 07. 03. 2008 trennte die StA das Verfahren gegen die beiden Angekl. ab und verfügte, die Akte ?vollständig' zu fotokopieren, wobei vermerkt ist, daß diese ?derzeit' aus zwölf Stehordnern bestehe und - u.a. - der ?LO TK-Maßnahmen' in der nächsten Woche von der Polizei nachgereicht werde. In dem Ermittlungsverfahren gegen A. W. (und dessen Bruder) wurde am 27. 03. 2008 Anklage zum LG Konstanz erhoben. Das gegen die Angekl. geführte Ermittlungsverfahren wurde - mit 4 Stehordnern Hauptakten, 3 Stehordnern Finanzermittlungen, 2 Sonderbänden KT-Maßnahmen, 8 Bänden Fallakten und 1 Karton mit Asservaten - am 13. 08. 2008 an die StA Saarbrücken abgegeben, die den Verteidigern der Angekl. am 30. 01. 2009 Akteneinsicht gewährte und unter dem Datum dieses Tages die Anklageschrift verfaßte.
In der Hauptverhandlung wurde zu mehreren überwachten Telefongesprächen Urkundenbeweis erhoben. Einen ?Beweisantrag' des Verteidigers des Angekl. H.-J. R., mit dem er die Beiziehung der vollständigen TKÜ-Protokolle des Strafverfahrens gegen A. W. und dessen Bruder sowie Einsicht in diese Akten begehrte, um festzustellen, ?daß in der Ermittlungsakte des vorliegenden Verfahrens die TKÜ Protokolle nur unvollständig enthalten sind', lehnte die StrK mit Beschl. v. 28. 07. 2009 wegen (tatsächlicher) Bedeutungslosigkeit ab, wobei sie ergänzend ausführte, daß sich - anders als vom Verteidiger vorgetragen - aus der Nummerierung der TKÜ-Protokolle (auf das Gespräch 1391 folgte das Gespräch 1406) keine Rückschlüsse darauf ziehen lassen, daß sich in der Akte des LG Konstanz weitere TKÜ-Protokolle befinden. Eine Beiziehung der Akten des LG Konstanz erfolgte - auch in der Folgezeit - nicht.
Sonstige Bemühungen um Akteneinsicht - auch in dem vor dem LG Konstanz durchgeführten Strafverfahren - wurden nach dem Vortrag der Revisionsführer von den Angekl. oder ihren Verteidigern nicht bzw. nach dem 30. 01. 2009 nicht mehr unternommen. Auch teilt die Revision nicht mit, welche konkreten weiteren Erkenntnisse sich aus der Einsicht in die TKÜ-Protokolle, die sich in den Akten des LG Konstanz befinden, ergeben hätten.
b) Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
Dabei kann dahinstehen, ob bei einem zeitweise gegen mehrere Besch. geführten Ermittlungsverfahren nach der Abtrennung des Verfahrens gegen einen oder mehrere Besch. das Akteneinsichtsrecht im anhängigen Verfahren auch solche Akten oder Aktenteile umfaßt, die dem Gericht tatsächlich nicht vorliegen, die aber in dem (auch und noch) gegen die Angekl. geführten Ermittlungsverfahren wegen der Taten angefallen sind, die letztlich Gegenstand der Anklageschriften geworden sind (vgl. BGH, Urt. v. 18. 06. 2009 - 3 StR 89/09). Dem könnte entgegenstehen, daß sich nach der bisherigen Rspr. der Anspruch auf Akteneinsicht nur auf die dem Gericht tatsächlich vorliegenden Akten bezieht (BGH, Urt. v. 26. 05. 1981 - 1 StR 48/81, BGHSt 30, 131, 138, 141 [= StV 1981, 500 m.Anm. Dünnbier], und Beschl. v. 11. 11. 2004 - 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 327 m.w.N. [= StV 2005, 423]; ähnlich [?bei Gericht vorliegende Unterlagen'] BGH, Beschl. v. 10. 10. 1990 - StB 14/09, BGHSt 37, 204, 206 [= StV 1991, 1]), also Aktenbestandteile aus anderen Verfahren dem Akteneinsichtsrecht nach § 147 Abs. 1 StPO selbst dann nicht unterliegen, wenn die Verfahren zeitweise gemeinsam geführt, später aber getrennt und diese im formellen Sinne ?fremden' Akten nicht beigezogen wurden (BGH, Beschl. v. 04. 10. 2007 - KRB 59/07, BGHSt 52, 58, 62 [= StV 2008, 452]; vgl. auch BGH, Urt. v. 26. 08. 2005 - 2 StR 225/05, BGHSt 50, 224, 229 [= StV 2005, 594]).
Den Rügen ist der Erfolg jedenfalls deshalb zu versagen, weil es für die Annahme, die Verteidigung sei in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt worden, nicht genügt, daß diese Beschränkung nur generell (abstrakt) geeignet ist, die gerichtliche Entscheidung zu beeinflussen. Vielmehr ist § 338 Nr. 8 StPO nur dann gegeben, wenn die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem Verfahrensverstoß und dem Urteil konkret besteht (vgl. die Nachweise bei Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 338 Rn. 59 und KK-Kuckein StPO 6. Aufl. § 338 Rn. 101). Bei der Rüge der Beschränkung der Verteidigung in einem wesentlichen Punkt durch Ablehnung eines Antrags auf Beiziehung von Akten bzw. eines Akteneinsichtsantrags ist daher ein substantiierter Vortrag erforderlich, welche Tatsachen sich aus welchen genau bezeichneten Stellen der Akten ergeben hätten und welche Konsequenzen für die Verteidigung daraus folgten (vgl. BGH, Urt. v. 26. 05. 1981 - 1 StR 48/81, BGHSt 30, 131, 138, 143 [= StV 1981, 500], und Beschl. v. 02. 02. 1999 - 1 StR 636/98, StV 2000, 248, 249 m.Anm. Ventzke). Damit korrespondiert das Erfordernis möglichst konkreten Vortrags bei einer Rüge wegen unterlassener Beiziehung von Akten unter dem Aspekt der Verletzung der Aufklärungspflicht (BGH, Beschl. v. 11. 11. 2004 - 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 328 m.w.N. [= StV 2005, 423]; vgl. auch BGH, Beschl. v. 21. 10. 2004 - 1 StR 324/04). Sollte eine solche konkrete Bezeichnung wesentlichen vorenthaltenen Aktenmaterials dem Verteidiger nicht möglich sein, weil ihm die Akten, in die er Einsicht nehmen will, verschlossen geblieben sind, so muß er sich - damit die Ausnahme von der an sich nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO bestehenden Vortragspflicht gerechtfertigt und belegt wird - jedenfalls bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge weiter um die Akteneinsicht bemüht haben und die entsprechenden Anstrengungen gegenüber dem Revisionsgericht auch dartun (BGH, Beschl. v. 11. 11. 2004 - 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 328 [= StV 2005, 423], und Urt. v. 23. 08. 2006 - 5 StR 151/06, StraFo 2006, 459, 460).
An einem solchen zumutbaren und jedenfalls nach § 475 StPO Erfolg versprechenden (vgl. BGH, Urt. v. 26. 08. 2005 - 2 StR 225/05, BGHSt 50, 224 [= StV 2005, 594]) Bemühen um Einsicht in die Akten der StA oder des LG Konstanz fehlt es vorliegend. ..."
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?... Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Erörterung bedarf nur die Verfahrensrüge, mit der die Revision einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens geltend macht.
1. Der Rüge liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
a) Nach den Feststellungen stand der anderweitig verfolgte L. wegen des Verdachts der Begehung von Betäubungsmittelstraftaten unter polizeilicher Observation. In diesem Zusammenhang wurde am 17. Januar 2009 in M. ein Treffen zwischen L. und dem Angeklagten beobachtet. Der Angeklagte, der zuvor bei L. telefonisch zwei Kilogramm Kokaingemisch bestellt hatte, war bis dahin der Polizei nicht als Abnehmer des L. bekannt. Nachdem der Angeklagte von L. ca. 1,7 kg Kokaingemisch übernommen hatte, verbrachte er die Drogen in einen von ihm zuvor in M. am Hauptbahnhof abgestellten Pkw, um anschließend mit diesem zu seinen Eltern nach B. zu fahren. Da sich die weitere Observierung des Angeklagten auf der Autobahn bei schlechter Witterung und wegen der von ihm streckenweise eingehaltenen sehr hohen Geschwindigkeiten schwierig gestaltete und er nach Einschätzung der Polizeibeamten zu entkommen drohte, entschloss sich die polizeiliche Einsatzleitung zum Zugriff, als der Angeklagte die Autobahn verließ, um an einer Gaststätte eine Pause einzulegen. Nachdem der Angeklagte sich in die Gaststätte begeben hatte, ließen Beamte der observierenden Einheit Luft aus dem rechten Vorderreifen des vom Angeklagten geführten Fahrzeugs. Anschließend täuschten zur Unterstützung herbeigerufene örtliche Polizeibeamte eine allgemeine Verkehrskontrolle vor, um nicht zu offenbaren, dass es sich um eine observierende Ermittlung handelte, deren weiterer Erfolg nicht gefährdet werden sollte. Auf Grund ?vermeintlich oder tatsächlich nervöser Reaktion' des Angeklagten wurde der Pkw durchsucht und eine Teilmenge von 700 g Kokain gefunden. Bei einer späteren weiteren Durchsuchung des Fahrzeugs wurde die Restmenge von ca. 1 kg Kokain sichergestellt.
b) Der Angeklagte hat im Ermittlungsverfahren keine Angaben zur Sache gemacht. In der Hauptverhandlung hat er die Tat gestanden und eingeräumt, das Kokain von L. zum Zwecke des Weiterverkaufs erworben zu haben. Weitere Angaben, etwa zu den Hintergründen und der Vorgeschichte der Tat, zu dem Umfang seiner Kontakte zu L. und zu den Namen seiner Abnehmer hat er unter Hinweis auf eine mögliche Gefährdung seiner persönlichen Sicherheit nicht gemacht.
2. Die Revision beanstandet, dass dem Angeklagten weder bei seiner richterlichen Vernehmung anlässlich des Erlasses des Haftbefehls vom 18. Januar 2009 noch bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 19. Januar 2009 noch bei seiner Vernehmung anlässlich des Haftprüfungstermins vom 27. Februar 2009 die Tatsache der vorausgegangenen Observation offenbart worden sei. Er sei vielmehr davon ausgegangen, dass das Rauschgift bei einer zufälligen Verkehrskontrolle bei ihm vorgefunden worden sei. Auch in den Ermittlungsakten, in die sein Verteidiger Einsicht genommen habe, sei der Vorgang so beschrieben gewesen, als habe es sich wegen einer Reifenpanne um einen Zufallsfund gehandelt.
3. Der Rüge bleibt bereits deshalb der Erfolg versagt, weil sie nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entspricht.
a) Nach dieser Vorschrift müssen die den geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen so vollständig und genau dargelegt werden, dass das Revisionsgericht allein auf Grund dieser Darlegung das Vorhandensein eines Verfahrensmangels feststellen kann, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen sind oder bewiesen werden (st. Rspr., vgl. nur Kuckein in KK 6. Aufl. § 344 Rdn. 38 mit zahlr. Nachw.). Dem wird das Revisionsvorbringen in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.
b) Bedenken gegen die Zulässigkeit der Rüge bestehen schon deshalb, weil weder der Inhalt des anlässlich der Festnahme des Angeklagten angefertigten polizeilichen Aktenvermerks noch Einzelheiten zu seiner Beschuldigtenvernehmung vom 19. Januar 2009 und zum Haftprüfungstermin vom 27. Februar 2009 mitgeteilt werden. Soweit diesbezüglich auf einzelne Aktenstellen verwiesen wird, vermag dies nicht den erforderlichen eigenen Sachvortrag zu ersetzen (vgl. Kuckein in KK aaO Rdn. 39 m.w.N.). Die Revision verschweigt zudem, dass der Angeklagte spätestens mit der am 25. Juni 2009 erhobenen Anklage über den wahren Hintergrund seiner Festnahme in Kenntnis gesetzt worden ist. Insbesondere aber bleibt der Vermerk des sachbearbeitenden Staatsanwaltes vom 12. Mai 2009 völlig unerwähnt, in welchem dieser den wahren Sachverhalt schildert, die Gründe bezeichnet, die nach seiner Auffassung einer früheren Unterrichtung des Angeklagten entgegenstanden und schließlich seine Bemühungen um eine möglichst frühzeitige Offenlegung des Sachverhalts schildert. Ohne vollständige und genaue Kenntnis der vorgenannten Verfahrenstatsachen ist dem Senat jedoch die revisionsrechtliche Prüfung, ob der gerügte Verfahrensverstoß vorliegt, nicht möglich.
4. Die Rüge wäre aber auch unbegründet.
a) Allerdings ist das Verhalten der Ermittlungsbehörden mit Blick auf den fair trial - Grundsatz rechtlich bedenklich. Zwar hätte bei Gefährdung des Untersuchungszwecks nach § 147 Abs. 2 StPO die Möglichkeit bestanden, dem Verteidiger vor Abschluss der Ermittlungen die Einsicht in die Akten insgesamt oder teilweise zu versagen (zur Problematik bei richterlichen Entscheidungen im Ermittlungsverfahren - namentlich bei Haftentscheidungen - vgl. aber Lüderssen/Jahn in Löwe/Rosenberg StPO 26. Aufl. § 147 Rdn. 75 ff.; Meyer-Goßner StPO 52 Aufl. § 147 Rdn. 25 a). Auch die Unterrichtung über die Durchführung der Observation hätte aus diesem Grunde bis zu zwölf Monaten ohne richterliche Zustimmung zurückgestellt werden können (vgl. § 101 Abs. 4 Satz 1 Nr. 12, Abs. 5, Abs. 6 Satz 1 StPO). Die vorgenannten Vorschriften gestatten jedoch weder die Darstellung eines unwahren Sachverhalts in den Ermittlungsakten noch die aktive Täuschung des Beschuldigten über die wahren Hintergründe seiner Festnahme.
b) Ob ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vorliegt, bedarf hier jedoch keiner abschließenden Entscheidung, da auszuschließen ist, dass ein solcher sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben kann.
aa) Der Angeklagte hat zu keinem Zeitpunkt im Ermittlungsverfahren Angaben zur Sache gemacht. In Anbetracht der klaren Beweislage - das Rauschgift wurde in dem zur Tatzeit allein von ihm benutzten Fahrzeug vorgefunden - kann ausgeschlossen werden, dass sich das Verschweigen der gegen L. gerichteten Observationsmaßnahme und das Vortäuschen eines ?Zufallsfundes' bei der Haftentscheidung zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt hat. Der Angeklagte hat zudem - was die Revision ebenfalls vorzutragen unterlässt - im Haftprüfungstermin vom 27. Februar 2009 durch seinen Verteidiger den Haftprüfungsantrag zurückgenommen.
bb) Der Angeklagte ist mit Anklageerhebung über den wahren Sachverhalt unterrichtet worden. Seine Verteidigungsrechte in der Hauptverhandlung sind daher durch die Falschdarstellung in keiner Weise berührt worden. Die Revision räumt insoweit selbst ein, dass das beanstandete Verhalten für den Angeklagten ?keine unmittelbaren Folgen' gehabt habe.
cc) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass sich der gerügte Verstoß auf den Strafausspruch ausgewirkt haben kann. Dafür, dass der Angeklagte - hätte er bereits im Ermittlungsverfahren die wahren Umstände seiner Festnahme gekannt - von der Möglichkeit des § 31 BtMG Gebrauch gemacht hätte, ist nichts ersichtlich.
Vielmehr spricht dagegen, dass er es auch in der Hauptverhandlung in Kenntnis des wahren Sachverhalts abgelehnt hat, Angaben im Sinne des § 31 BtMG zu machen. Zudem war er bereits bei seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 19. Januar 2009 nach § 31 BtMG belehrt worden; dessen ungeachtet hat er weder zu diesem Zeitpunkt noch später, etwa als er erstmals mit Anklageerhebung von den Hintergründen seiner Festnahme erfuhr, von der Möglichkeit der Offenbarung von Wissen im Sinne dieser Vorschrift Gebrauch gemacht.
Schließlich vermag der Senat angesichts der vorgenannten Umstände auch auszuschließen, dass nach der so genannten Vollstreckungslösung (vgl. BGHSt -GS- 52, 124) - ungeachtet der Frage ihrer Anwendbarkeit auf Fälle der Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens - ein Verstoß nicht nur festzustellen, sondern darüber hinaus ein Teil der erkannten Strafe für vollstreckt zu erklären wäre. ..." (BGH, Urteil vom 11.02.2010 - 4 StR 436/09)
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? ... 2. Auf die sonstigen Beanstandungen der Revision des Angeklagten kommt es danach nicht mehr an. Der Senat sieht jedoch mit Blick auf das weitere Verfahren Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:
a) Unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer mit seiner Rüge nach § 338 Nr. 8 StPO eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt, also die Möglichkeit einer konkretkausalen Beziehung zwischen dem von ihm geltend gemachten Verfahrensfehler und dem Urteil, in hinreichender Weise dargelegt hat (vgl. BGHSt 30, 131, 135 ff.; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 338 Rdn. 59 m. w. N.), macht er jedenfalls im Ausgangspunkt zutreffend eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts (§ 147 Abs. 1 StPO) geltend.
aa) Dem liegt Folgendes zugrunde: Im Rahmen der Ermittlungen, die zu den Anklagen in vorliegendem Verfahren führten, hörten Polizei und Zoll in einem Zeitraum von zehn Monaten rund 82.500 Telefonate ab und zeichneten sie auf. Hiervon legte die Staatsanwaltschaft dem Landgericht mit Erhebung der Anklage die Aufzeichnungen von rund 600 als beweiserheblich eingeschätzten Telefongesprächen und deren vollständige deutsche Übersetzungen vor. Von den übrigen rund 81.900 Gesprächen wurden keine vollständigen Übersetzungen in die deutsche Sprache gefertigt, sondern (lediglich) inhaltliche Zusammenfassungen in deutscher Sprache und Kurzübersetzungen ins Deutsche. Diese wurden als Dateien auf dem Computer des Landeskriminalamts gespeichert; der Staatsanwaltschaft und auch dem Gericht wurden sie nicht zur Kenntnis gebracht.
Kurz nach Beginn der Hauptverhandlung stellte das Gericht den Angeklagten und ihren Verteidigern die Mitschnitte aller 82.500 in albanischer Sprache geführten Telefonate auf Datenträgern zur Verfügung. Außerdem sorgte es dafür, dass die Angeklagten und ihre Verteidiger mit Hilfe ebenfalls ausgehändigter Laptops sowie gerichtlich gestellter Dolmetscher die Möglichkeit erhielten, diese Originalaufzeichnungen in der Untersuchungshaftanstalt gemeinsam abzuhören.
Nachdem die Angeklagten und ihre Verteidiger im Rahmen der Vernehmung des polizeilichen Ermittlungsführers im April 2006 Kenntnis davon erhalten hatten, dass von allen 82.500 Telefongesprächen inhaltliche Zusammenfassungen in deutscher Sprache sowie Kurzübersetzungen ins Deutsche als Dateien im Computer des Landeskriminalamtes gespeichert waren und jederzeit ausgedruckt werden konnten, verlangten die Verteidiger Einsicht in diese Unterlagen und beantragten, das Gericht möge die Staatsanwaltschaft zu ihrer Vorlage veranlassen. Diese Anträge lehnte die Strafkammer durch Beschluss vom 30. August 2006 im Wesentlichen mit der Begründung ab, es handele sich bei den von der polizeilichen Ermittlungsgruppe gefertigten Dateien nicht um Aktenbestandteile im Sinne des § 147 StPO, sondern lediglich um ein "internes Hilfs- und Arbeitsmittel der Polizeibehörde", welches selbst nicht zu den Beweismitteln gehöre und als solches nicht dem Akteneinsichtsrecht der Verteidigung unterliege. Durch die Beiziehung der Aufzeichnungen sämtlicher überwachten Telefonate habe die Kammer diese zwar zum Aktenbestandteil gemacht. Auch dadurch seien jedoch die durch die Ermittlungsorgane gefertigten internen Vermerke und Inhaltszusammenfassungen zur Abschätzung der Relevanz des jeweils aufgezeichneten Telefongespräches nicht Aktenbestandteil geworden.
bb) Entgegen der Ansicht des Landgerichts sind die in Rede stehenden Dateien Gegenstand des Akteneinsichtsrechts nach § 147 Abs. 1 StPO. Dieses Recht bezieht sich auf die dem Gericht vorliegenden oder ihm im Falle der Anklage gemäß § 199 Abs. 2 Satz 2 StPO vorzulegenden Akten. Das sind nach herrschender Meinung die von der Staatsanwaltschaft nach objektiven Kriterien (vgl. § 160 Abs. 2 StPO) als entscheidungserheblich dem Gericht zu präsentierenden Unterlagen. Dazu gehören - verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfGE 63, 45; hierzu auch Lüderssen/Jahn in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 147 Rdn. 35 ff.) - zwar (nur) diejenigen, die durch die Identität der Tat und der des Täters konkretisiert werden ("formeller Aktenbegriff", vgl. BGHSt 30, 131, 138 f.; zu den sog. "materiellen und funktionalen Aktenbegriffen" vgl. Wohlers in SK-StPO § 147 Rdn. 27 ff.; Lüderssen/Jahn aaO § 147 Rdn. 41 ff.; Stuckenberg in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 199 Rdn. 8 ff.). Jedoch muss danach jedenfalls das gesamte vom ersten Zugriff der Polizei (§ 163 StPO) an gesammelte Beweismaterial, einschließlich etwaiger Bild- und Tonaufnahmen nebst hiervon gefertigter Verschriftungen, zugänglich gemacht werden, das gerade in dem gegen den Angeklagten gerichteten Ermittlungsverfahren angefallen ist (vgl. Meyer-Goßner aaO § 147 Rdn. 15; zum Begriff der Akten vgl. auch Schäfer NStZ 1984, 203). Eine Ausnahme gilt nur für Unterlagen oder Daten, denen eine allein innerdienstliche Bedeutung zukommt. Dies können etwa polizeiliche Arbeitsvermerke im Fortgang der Ermittlungen unter Bewertung der bisherigen Ermittlungsergebnisse oder sonstige rein interne polizeilichen Hilfs oder Arbeitsmittel nebst entsprechender Dateien sein (vgl. Meyer-Goßner aaO § 147 Rdn. 18 a). Im Bereich der Justizbehörden sind vom Akteneinsichtsrecht ausgenommen etwa entsprechende Bestandteile der staatsanwaltschaftlichen Handakten, Notizen von Mitgliedern des Gerichts während der Hauptverhandlung oder so genannte Senatshefte (vgl. Wohlers aaO § 147 Rdn. 32 ff.).
Nach diesen Maßstäben gehören die beim Landeskriminalamt als Computerdateien gespeicherten Unterlagen zu den nach § 199 Abs. 2 Satz 2 StPO dem Gericht vorzulegenden Akten. Sie sind konkret in den gegen die Angeklagten geführten Ermittlungsverfahren wegen der Taten angefallen, die letztlich Gegenstand der Anklageschriften geworden sind. Sie sind daher nicht mit Spurenakten vergleichbar, die Ermittlungsergebnisse zwar zu den nämlichen Straftaten enthalten, sich aber allein auf andere Personen beziehen, die im Laufe der Ermittlungen (vorübergehend) mit diesen Taten in Verbindung gebracht wurden (s. dazu BGHSt 30, 131; BVerfGE 63, 59). Es handelt sich auch nicht um rein polizeiinterne Hilfs- und Arbeitsmittel. Nach dem Vortrag der Revision, der im Kern im Einklang mit den - zum genauen Inhalt der Dateien allerdings knappen - Gründen des zurückweisenden Beschlusses der Strafkammer vom 30. August 2006 steht und dem im Revisionsverfahren auch nicht - etwa durch eine Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft - widersprochen worden ist, wurden von den auf albanisch geführten Telefonaten Kurzübersetzungen ins Deutsche und inhaltliche Zusammenfassungen in deutscher Sprache erstellt und gespeichert. Derartige Kurzübersetzungen und inhaltliche Zusammenfassungen sind aber Auswertungen gewonnenen Beweismaterials und als solche selbst potentielle Beweismittel. Dies unterscheidet sie von reinen Bewertungen, die an eine derartige Auswertung anknüpfen können und allein polizeiinternes Arbeitsmittel sind, wenn sie etwa der Strukturierung der weiteren Ermittlungen dienen. Den Verteidigern durfte danach die Einsichtnahme in die gespeicherten Dateien nicht verweigert werden.
b) Das angefochtene Urteil lässt im Fall II. 1. der Urteilsgründe (Fall 11 der Anklageschrift) die Möglichkeit offen, dass die Kuriere, die das Rauschgift vom Angeklagten übernahmen, schon zuvor fest entschlossen waren, die Betäubungsmittel zum Weitertransport nach Italien in die Bundesrepublik einzuführen (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 26 Rdn. 3 b m. w. N.). Zum Beleg einer diesbezüglichen Anstiftung durch den Angeklagten bedarf es daher gegebenenfalls weiterer Feststellungen.
c) Im Falle einer erneuten Verurteilung ist für die Freiheitsentziehung, die der Angeklagte in Frankreich erlitten hat, der Anrechnungsmaßstab festzulegen und in der Urteilsformel auszusprechen (§ 51 Abs. 4 Satz 2 StGB; vgl. Fischer aaO § 51 Rdn. 23). ..." (BGH, Urteil vom 18.06.2009 - 3 StR 89/09)
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Dem Verteidiger eines Nebenbetroffenen ist Akteneinsicht auch in die Bußgeldakten der anderen Betroffenen und Nebenbetroffenen zu gewähren, wenn diese sich auf einen einheitlichen Gesamtkomplex beziehen und gleichfalls dem Beschwerdegericht vorliegen. Mögliche Geschäftsgeheimnisse der anderen (Neben-)Betroffenen hindern die Akteneinsicht grundsätzlich nicht (BGH, Beschluss vom 04.10.2007 - KRB 59/07 - OWiG § 46 Abs. 1; StPO § 147 Abs. 1).
Nach Abtrennung und Anklageerhebung gegen einen von mehreren Beschuldigten, gegen die von der Staatsanwaltschaft zunächst gemeinsam in einem Tatkomplex ermittelt wird, ergibt sich in dem abgetrennten Verfahren weder eine Pflicht des Gerichts zur Aktenbeiziehung noch ein Recht des Angeklagten auf Einsicht in die Akten des Ausgangsverfahrens, solange in jenem Verfahren die Ermittlungen nicht abgeschlossen sind und die Gewährung von Akteneinsicht den Untersuchungszweck nach pflichtgemäßer Beurteilung der Staatsanwaltschaft gefährden würde (im Anschluß an BGHSt 49, 317; BGH, Urteil vom 26.08.2005 - 2 StR 225/05).
Dem Tatgericht, dem in der Hauptverhandlung durch die Staatsanwaltschaft neue verfahrensbezogene Ermittlungsergebnisse zugänglich gemacht werden, erwächst aus dem Gebot der Verfahrensfairneß die Pflicht, dem Angeklagten und seinem Verteidiger durch eine entsprechende Unterrichtung Gelegenheit zu geben, sich Kenntnis von den Ergebnissen dieser Ermittlungen zu verschaffen. Der Pflicht zur Erteilung eines solchen Hinweises ist das Tatgericht auch dann nicht enthoben, wenn es die Ergebnisse der Ermittlungen selbst nicht für entscheidungserheblich hält; denn es muß den übrigen Verfahrensbeteiligten überlassen bleiben, selbst zu beurteilen, ob es sich um relevante Umstände handelt. Diese Hinweispflicht kann grundsätzlich auch schon für das Verfahren zwischen Eröffnungsbeschluß und Hauptverhandlung gelten (BGH, Beschluss vom 10.08.2005 - 1 StR 271/05).
Dem Tatgericht, das während, aber außerhalb der Hauptverhandlung verfahrensbezogene Ermittlungen anstellt, erwächst aus dem Gebot der Verfahrensfairness die Pflicht, dem Angeklagten, der Verteidigung und der StA durch eine entsprechende Unterrichtung Gelegenheit zu geben, sich Kenntnis von den Ergebnissen dieser Ermittlungen zu verschaffen. Der Pflicht zur Erteilung eines solchen Hinweises ist das Tatgericht auch dann nicht enthoben, wenn es die Ergebnisse der Ermittlungen selbst für nicht entscheidungserheblich erachtet. Entsprechendes gilt auch, wenn während der Hauptverhandlung Urkunden oder andere Beweismittel, deren Erheblichkeit nicht ausgeschlossen ist, ohne Veranlassung durch das Gericht zu den Akten gelangen (BGH, Urteil v. 21.09.2000 - 1 StR 634/99 zu StPO § 147; MRK Art. 6).
*** (OLG)
?... Beweismittel - zu diesen zählen die Aufzeichnungen über die abgehörten Telefongespräche - können grundsätzlich im Gegensatz zu Akten (§ 147 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1) nicht zur Einsichtnahme an den Verteidiger mitgegeben, sondern nach § 147 Abs. 1 2. Alt. nur am Ort ihrer amtlichen Verwahrung eingesehen bzw. im Fall von Aufzeichnungen im Rahmen einer Telefonüberwachungsmaßnahme abgehört werden. Ein Anspruch auf Überlassung von Beweismitteln bzw. auf Anfertigung von Kopien der Beweismittel steht dem Verteidiger grundsätzlich nicht zu (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Koblenz NStZ 1995, 611 f.; Wessing in Beck'scher Online-Kommentar StPO, Stand 01.02.2012 § 147 Rdnr. 18).
Das den Verteidigern gemäß § 147 Abs. 1 2. Alt. StPO zustehende Besichtigungsrecht hinsichtlich sämtlicher der im vorliegenden Ermittlungskomplex gefertigten Audiodateien steht nicht in Streit. Vielmehr geht es im vorliegenden Beschwerdeverfahren allein um dessen Ausgestaltung. Im Einzelfall kann aus Gründen des fairen Verfahrens bzw. angemessener Verteidigung oder unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung die Fertigung und Überlassung von Kopien sachgerecht und geboten sein (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Frankfurt a.a.O.; Lüderssen/Jahn in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 147 Rdnr. 117). Nach Auffassung des Senats liegen die Voraussetzungen hierfür im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung jedoch nicht vor:
Bei der Telekommunikationsüberwachung werden sämtliche Gespräche ohne Differenzierung nach den Gesprächspartnern oder den Inhalten der Gespräche aufgezeichnet und anschließend ausgewertet. Damit werden in aller Regel - und so auch hier - von der Telefonüberwachung auch Gespräche mit oder zwischen Personen erfasst, die offensichtlich in keiner Weise mit der aufzuklärenden Tat in Verbindung stehen. Des weiteren besteht auch die Möglichkeit der Aufzeichnung von Gesprächen, die dem absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Da bei der Telekommunikationsüberwachung keine mit vertretbarem Aufwand realisierbare Möglichkeit besteht, den erforderlichen Grundrechtsschutz für von der Maßnahme betroffene Dritte schon im Rahmen der Aufzeichnungen der Gespräche zu wahren, und da der Grundrechtseingriff nicht nur in der Aufzeichnung und dem anschließenden Abhören der Gespräche besteht, sondern sich durch die Speicherung, Verwendung und Weitergabe der gewonnenen Informationen fortsetzt und vertieft (BVerfG NJW 2004, 999, 1005), muss im Verlauf des weiteren Verfahrens darauf geachtet werden, dass der bestehende Grundrechtseingriff nicht weiter als erforderlich vertieft wird (OLG Karlsruhe a.a.O.).
Bei der Frage der Ausgestaltung des Besichtigungsrechtes gemäß § 147 Abs. 1 2. Alt. StPO ist vorliegend demgemäß trotz der von der Strafkammer vorgenommenen Sicherungsmaßnahmen in gewichtiger Form zu berücksichtigen, dass durch die Fertigung und Aushändigung von Kopien der vollständigen Telekommunikationsaufzeichnungen des Ermittlungskomplexes - hier ca. 120 DVDs - an den jeweiligen Verteidiger nicht nur der Eingriff in Persönlichkeits- und Datenschutzinteressen unbeteiligter Dritter vertieft, sondern auch die Einhaltung der die Sicherung der Angemessenheit des Grundrechtseingriffs dienenden Vorschriften insbesondere hinsichtlich der Löschung der aufgezeichneten Gespräche (vgl. § 101 Abs. 8 StPO) erschwert wird (OLG Karlsruhe a.a.O.). Andererseits besteht für sämtliche Verteidiger vorliegend bereits seit einigen Wochen die Möglichkeit, sämtliche im vorliegenden Ermittlungskomplex aufgezeichneten Telefongespräche werktags zwischen 8.30 und 17.00 Uhr bei der Kriminalpolizei Offenburg anzuhören. Zudem haben die Verteidiger nicht nur einen Anspruch, die Gespräche dort in Gegenwart eines Dolmetschers abzuhören, sondern auch ein Recht auf Anwesenheit des jeweils von ihnen verteidigten Angeklagten (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 147 Rdnr. 19). Der Senat geht ferner davon aus, dass den Verteidigern - anderenfalls wäre dies nunmehr organisatorisch sicherzustellen - auch die Möglichkeit eröffnet wird, die Audiodateien in Offenburg allein in einem separaten Raum in Gegenwart eines Dolmetschers und des von ihnen verteidigten Angeklagten abzuhören, um dabei insbesondere direkt im Zusammenhang mit dem Abspielen von Dateien Fragen der Verteidigungsstrategie erörtern zu können. Dass ein derartig gewährleistetes Besichtigungsrecht der Verteidiger zu Informationszwecken nicht ausreichend ist und die Verteidigungsinteressen nur durch die Überlassung amtlicher Kopien gewahrt wären, vermag der Senat im Ergebnis nicht zu erkennen. Der zusätzliche Zeitaufwand, der dadurch entsteht, dass die Verteidiger für eine Inaugenscheinnahme der Audiodateien nach Offenburg fahren müssten, stellt sich nicht als unzumutbar dar und ist angesichts der Bedeutung der Sache insbesondere auch nicht unverhältnismäßig. ..." (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.05.2012 - 2 Ws 146/12)
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?... I. Die StA führt gegen den Besch. ein Ermittlungsverfahren wegen Bedrohung und wegen des unerlaubten Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe. Auf ihren Antrag hat das AG Tiergarten am 30.09.2010 einen Haftbefehl erlassen, der bislang noch nicht vollstreckt werden konnte, weil der Besch. sich verborgen hält.
Den Verteidigern des Besch., der von dem Haftbefehl Kenntnis hat, ist bislang Akteneinsicht nur in das Protokoll der Beschuldigtenvernehmung und das waffentechnische Gutachten des LKA gewährt worden. Die weitergehende Kenntnis der Akten hat ihnen die StA wegen andernfalls drohender Gefährdung des Untersuchungszweckes versagt.
Auf die Haftbeschwerde des Besch. hat das LG den Haftbefehl mit der Begründung aufgehoben, die Versagung der umfassenden Akteneinsicht verletzte den Anspruch des Besch. auf rechtliches Gehör, weil schützenswerte Interessen ihr nicht entgegenstünden. Sie könne daher ihrer Entscheidung nur den Akteninhalt zu Grunde legen, über den der Angekl. zuvor unterrichtet worden sei, also nur die Angaben des Besch. im Verfahren sowie das waffentechnische Gutachten. Auf dieser Grundlage bestehe für den Vorwurf des Verstoßes gegen das Waffengesetz ein dringender Tatverdacht nur wegen des Führens wesentlicher Waffenbestandteile, für den der Bedrohung sei ein solcher nicht erkennbar. Eine Fluchtgefahr erwachse daraus nicht. Gegen diesen Beschluss wendet sich die StA mit ihrem Rechtsmittel.
II. Die gem. § 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO zulässige weitere Beschwerde ist begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls gem. § 112 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 StPO liegen vor. Entgegen der Ansicht des LG kann zur Prüfung dieser Frage der gesamte Akteninhalt verwertet werden, denn die StA hat dem Besch. zu Recht nur eine Akteneinsicht entsprechend § 147 Abs. 2 S. 1 StPO gewährt. Die fehlende Kenntnis des Besch. von wesentlichen Aktenbestandteilen hindert den Senat nicht, für seine Prüfung den gesamten Akteninhalt heranzuziehen. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) wird dadurch nicht verletzt.
1. Bei einem nicht vollzogenen Haftbefehl ist nach Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall zu ermitteln, ob der flüchtige Besch. einen Anspruch auf Akteneinsicht hat.
a) Das Recht auf Akteneinsicht im Ermittlungsverfahren ist einfachgesetzlich geregelt in § 147 StPO.
Während nach vermerktem Abschluss der Ermittlungen gem. § 147 Abs. 1 StPO dem Verteidiger Einsicht in die gesamten Akten zu gewähren ist, erfährt dieses Recht im Ermittlungsverfahren gem. § 147 Abs. 2 S. 1 StPO eine Einschränkung.
Dem Verteidiger kann die Akteneinsicht in diesem Verfahrensstadium versagt werden, soweit dadurch der Untersuchungszweck gefährdet würde.
Diese Einschränkung ist verfassungsgemäß, da das Ermittlungsverfahren der Klärung eines Verdachtes dient und deshalb nicht von Anfang an "offen", also unter Bekanntgabe aller ermittelten Tatsachen, geführt werden kann. Mit Blick auf den rechtsstaatlichen Auftrag zur möglichst umfassenden Wahrheitsermittlung im Strafverfahren (vgl. BVerfG NJW 1990, 563-566) ist es nicht zu beanstanden, dass die StA im Ermittlungsverfahren einen Informationsvorsprung hat und das Informationsinteresse des Besch. bis zu dessen Abschluss zurücksteht (vgl. BVerfG wistra 2004, 179).
b) Werden im Ermittlungsverfahren Zwangsmaßnahmen gegen den Besch. ergriffen, ist im Einzelfall zu prüfen, ob ihm daraus vor Abschluss der Ermittlungen ein Anspruch auf Akteneinsicht erwächst oder ob die StA ihm die Gefährdung des Untersuchungszweckes entgegen halten kann.
Gesetzlich geregelt ist dies im Fall vollzogener U-Haft. Hier erweitert § 147 Abs. 2 S. 2 StPO die Rechte des Besch. Befindet er sich in Haft, sind seinem Verteidiger die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung wesentlichen Unterlagen in geeigneter Weise zur Verfügung zu stellen, ohne dass es auf die Gefährdung des Untersuchungszweckes ankäme.
Über diesen gesetzlich geregelten Fall hinaus können auch andere vollzogene Zwangsmaßnahmen ein entsprechend erweitertes Recht auf Akteneinsicht begründen. Anerkannt ist dies für den dinglichen Arrest. Die Weigerung der Ermittlungsbehörden, einem Besch. nach Erwirken eines dinglichen Arrestes in sein Vermögen, Einsicht in die Akten zu gewähren, nimmt diesem in verfassungswidriger Weise die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der ihn erheblich belastenden Maßnahme zeitnah zu überprüfen und sich gegen sie effektiv, spätestens im Beschwerdeverfahren vor Gericht, zu verteidigen (BVerfG NJW 2006, 1048).
c) Bei noch nicht vollzogenen Zwangsmaßnahmen ist die Frage umstritten.
Bei einem noch nicht vollzogenen Durchsuchungsbeschluss, von dem der Besch. nach einem erfolglosen Vollstreckungsversuch Kenntnis erlangt hatte, soll das Interesse des Besch. an effektivem Rechtsschutz das Geheimhaltungsinteresse der Strafverfolgungsbehörden überwiegen, weil der Überraschungsmoment in Folge der Kenntnis des Besch. von der geplanten Maßnahme entfallen sei (LG Berlin StV 2010, 352; zustimmend Börner NStZ 2010, 417). Weil die Strafverfolgungsbehörden ihr Geheimhaltungsinteresse durch das Vorgehen selbst beeinträchtigt hätten, müsse, um einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu vermeiden, Akteneinsicht gewährt werden (vgl. LG Berlin a.a.O.).
In den Fällen angeordneter U-Haft wird vertreten, dass bis zu deren Vollzug das Geheimhaltungsinteresse der Strafverfolgungsbehörden überwiege und dem Informationsinteresse des Besch. nach Verhaftung durch § 115 Abs. 3 StPO ausreichend Rechnung getragen werde (BVerfG NStZ-RR 1998, 108; KG Beschl. v. 05.10.2009 - 3 Ws 466/09; OLG München NStZ 2009, 109; OLG Hamm NStZ-RR 2001, 254).
In der Lit. wird die Ansicht vertreten, dass auch bei einem nicht vollzogenen Haftbefehl, von dem der Besch. Kenntnis hat, in entsprechender Anwendung von § 147 Abs. 2 S. 2 StPO entweder generell Akteneinsicht zu gewähren (vgl. LR-StPO Lüderssen/Jahn, 26. Aufl., § 147 Rn. 77) oder aber diese Entscheidung vom Einzelfall abhängig zu machen sei (vgl. Beulke/Witzigmann NStZ 2011, 254; Börner a.a.O.; Park StV 2009, 276; SK-StPO/Wohlers, 4. Aufl., § 147 StPO Rn. 66; aber auch OLG Köln StV 1998, 269). Jedenfalls soll in Fällen, in denen der Haftbefehl allein auf Fluchtgründe gestützt werde, grundsätzlich Akteneinsicht zu gewähren sein (Beulke/Witzigmann a.a.O.; Börner a.a.O.; Park a.a.O.; SK-StPO/Wohlers a.a.O.). Zur Begründung wird darauf abgestellt, dass die effektive Durchführung der Zwangsmaßnahme die Ausnutzung eines Überraschungsmoments erfordere und dieser in dem Moment entfalle, in dem der Besch. vom Haftbefehl Kenntnis erlangt. Ein zusätzlicher Ansporn zur Flucht erwachse für den Besch. durch die Kenntnis der Akten nicht (Beulke/Witzigmann a.a.O.). Allenfalls wenn konkrete Tatsachen eine Verdunkelungsgefahr belegten, komme eine andere Beurteilung in Betracht (Beulke/Witzigmann a.a.O.; Park a.a.O.).
d) Der Anspruch auf Akteneinsicht im Falle eines nicht vollzogenen Haftbefehls richtet sich danach, ob das staatliche Geheimhaltungsinteresse auch nach Bekanntwerden des Haftbefehls weiterhin das Informationsinteresse des Einzelnen überwiegt.
Der Erlass eines Haftbefehls beschwert den Besch. (vgl. BVerfG NStZ-RR 1998, 108), denn ihm droht unmittelbar der Freiheitsentzug. Er hat daher grundsätzlich einen Anspruch darauf, zu erfahren, worauf der Staat sein ihn belastendes Vorgehen stützt. Im Fall des noch nicht vollzogenen Haftbefehls erfährt dieser Anspruch seine Begrenzung durch das Geheimhaltungsinteresse des Staates. Es gewährleistet eine funktionstüchtige Strafrechtspflege. Die Sicherung des Rechtsfriedens, der die Strafrechtspflege dient, ist seit jeher eine wichtige Aufgabe staatlicher Gewalt. Ohne sie kann Gerechtigkeit nicht durchgesetzt werden. Die Aufklärung von Straftaten, die Ermittlung des Täters, die Feststellung seiner Schuld und seine Bestrafung obliegen den Organen der Strafrechtspflege, die zu diesem Zweck unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen Strafverfahren einzuleiten und durchzuführen sowie erkannte Strafen zu vollstrecken haben (vgl. BVerfG NJW 1979, 2349 m.w.N.). Der Haftbefehl ist als Zwangsmittel für die Strafrechtspflege von erheblicher Bedeutung. Die rasche und gerechte Ahndung schwerer Straftaten würde in vielen Fällen nicht möglich sein, wenn es den Strafverfolgungsbehörden ausnahmslos verwehrt wäre, den mutmaßlichen Täter schon vor der Verurteilung festzunehmen und bis zum Urt. in Haft zu halten (vgl. BVerfG NJW 1966, 243). Der effektive Vollzug des Haftbefehls ist sicherzustellen.
Von der Kenntnis des Besch. sind daher zunächst solche Informationen abzuschirmen, die seine Flucht erleichtern können. Von Wert sind für den Besch. dabei nicht nur Informationen über die klassischen, allein der Aufenthaltsermittlung dienenden Maßnahmen (Durchsuchungen zum Zweck der Ergreifung oder Maßnahmen der Telefonüberwachung), sondern alle Informationen; die ihm offenbaren könnten, was die Ermittlungsbehörden über sein familiäres und sonstiges soziales Umfeld, seine Kontakte und damit mögliche Anknüpfungspunkte für Aufenthaltsermittlungen in Erfahrung gebracht haben. Seine Flucht erleichtern können ferner Informationen darüber, wer aus seinem sozialen Umfeld im Verfahren mit den Ermittlungsbehörden kooperiert hat und aus diesem Grund nicht um Hilfe bei der Flucht ersucht werden sollte. Selbst wenn die Ermittlungen insoweit unergiebig geblieben sein sollten, wären auch diese sog. negativen Tatsachen dem Besch. für die weitere Flucht von großem Nutzen. Sie verschafften ihm einen vollständigen Überblick über den Ermittlungsstand. Er würde wissen, welche Bereiche seines persönlichen Umfelds bislang nicht in das Visier der Ermittler gelangt sind und damit zur Fortsetzung der Flucht nutzbar blieben.
Um den Vollzug des Haftbefehls bei einem flüchtigen Besch. nicht zu gefährden, können daher regelmäßig auch wesentliche Aktenbestandteile von der Einsicht ausgenommen werden. Denn oftmals werden sich entsprechende Anhalte gerade auch aus Ermittlungen ableiten lassen, die zur Schuld- und Straffrage geführt worden sind und ohne die dem Besch. eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Haftbefehls nicht möglich sein wird.
Die zuvor zitierte Ansicht, die im Fall des Haftgrundes der Fluchtgefahr eine Gefährdung des Untersuchungszweckes ausschließt, wenn der Besch. vom Haftbefehl erfahren hat, verkennt den Nutzen, den ihm die Kenntnis der Akten für die erfolgreiche Fortsetzung der Flucht regelmäßig bringen wird.
Soweit das LG in der angefochtenen Entscheidung auch darauf abgestellt hat, dass eine Einschränkung des Geheimhaltungsinteresses des Staates durch das Vorgehen der Ermittlungsbehörden eingetreten sei, überzeugt dies nicht. Es ist nicht ungewöhnlich, dass der Besch. vom Erlass eines Haftbefehls Kenntnis erlangt, meist weil der erste Zugriff unter seiner Wohnanschrift scheitert und dabei anwesende Familienangehörige oder Bekannte ihm später vom Polizeieinsatz berichten. Es besteht auch die Möglichkeit, dass die Strafverfolgungsbehörden in Fällen schwerer Straftaten mit der Personenfahndung an die Öffentlichkeit treten. In diesen Fällen tritt die Ermittlungsbehörde bewusst "aus dem Verborgenen". Es ist nicht ersichtlich, aufgrund welcher rechtlichen Erwägungen sie in diesen Fällen fortan verpflichtet sein sollte, ihren Ermittlungsstand zu offenbaren, ihren Informationsvorsprung aufzugeben und damit den Vollzug der gerichtlich angeordneten Zwangsmaßnahme der U-Haft zu gefährden.
e) Bereits der Umstand, dass der Besch. sich verborgen hält, rechtfertigt nach Abwägung aller Umstände vorliegend die Versagung der weitergehenden Akteneinsicht. Hinzu tritt im konkreten Fall, dass neben den Haftgrund der Flucht noch der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr tritt. Insoweit wird auf die Ausführungen im Haftbefehl verwiesen.
2. Die Verwertung des Akteninhalts, den der Besch. nicht kennt, verletzt nicht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Zwar gebietet es der Rechtsstaatsgedanke, dass der von einer strafprozessualen Eingriffsmaßnahme betroffene Besch. noch im gerichtlichen, die Rechtmäßigkeit der Maßnahme überprüfenden Verfahren Gelegenheit erhält, sich in Kenntnis der Entscheidungsgrundlagen gegen die Eingriffsmaßnahme und den zu Grunde liegenden Vorwurf zu verteidigen (vgl. BVerfG NJW 2006, 1048). Diesem Grundsatz wird vorliegend aber genügt, indem die vor der Anordnung der U-Haft gem. § 33 Abs. 4 StPO unterbliebene Anhörung des Besch. nach seiner Verhaftung im Rahmen des § 115 Abs. 3 StPO nachgeholt wird und mit dem Freiheitsentzug der Anspruch auf weitergehende Informationen gem. § 147 Abs. 2 S. 2 StPO entsteht.
3. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls gem. § 112 Abs. 1 StPO liegen vor. Der Besch. ist der im Haftbefehl genannten Taten dringend verdächtig. Es bestehen die Haftgründe der Flucht gem. § 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO und der Verdunkelungsgefahr gem. § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO. Insoweit wird auf die Ausführungen im Haftbefehl verwiesen.
Die U-Haft steht auch nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Rechtsfolge (§ 112 Abs. 1 S 2 StPO). ... (KG, Beschluss vom 06.07.2011 - 4 Ws 57/11)
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Solange in einem laufenden Ermittlungsverfahren ein bestehender Ergreifungshaftbefehl gegen den untergetauchten Beschuldigten noch nicht vollstreckt ist, hat der Verteidiger weder einen Anspruch auf Gewährung von Akteneinsicht, noch auf Mitteilung des Haftbefehls (OLG München, Beschluss vom 27.08.2008 - 2 Ws 763/08 zu StPO §§ 147 Abs. 2, 114, 115 Abs. 3).
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Die Zulässigkeit des Rechtswegs nach den §§ 23 ff. EGGVG gegen die Akteneinsichtsanträge des Beschuldigten ablehnenden Entscheidung der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren ist nach der Neuregelung des § 147 StPO nicht mehr gegeben, weil nunmehr in § 147 V 2 StPO der Rechtsbehelf des Antrages auf gerichtliche Entscheidung nach Maßgabe des § 161a III StPO vorgesehen und diese Regelung abschließend ist. Auch bei einer willkürlichen Verweigerung der Akteneinsicht vor Abschluss der Ermittlungen gegenüber einem nicht inhaftierten Gefangenen kommt nur (noch) Rechtsschutz in analoger Anwendung des § 161a III StPO in Betracht (OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.08.2005 - 3 VAs 36/05, NStZ-RR 2005, 376).
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? ... Die StA bei dem OLG hat in ihrer Stellungnahme v. 25. 2. 2003 hierzu folgendes ausgeführt: ?Die Beschwerde ist gem. § 305 S. 1 bereits nicht zulässig. Als nicht beschwerdefähige Entscheidungen i. S. d. § 305 S. 1 StPO sind auch Verfügungen des Kammervors. zu verstehen (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ 1986, 138; OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 238; Meyer-Goßner, StPO, 46. A., § 305 Rdnr. 3 m. w. N.), wenn sie der Urteilsvorbereitung dienen, bei der Urteilsfällung selbst der nochmaligen Überprüfung unterliegen (OLG Frankfurt - 3 Ws 42/93; Löwe-Rosenberg, StPO, 24. A., § 305 Rdnr. 1) und vom Revisionsgericht unter bestimmten Voraussetzungen überprüft werden können (vgl. BGH, NStZ 1985, 87 f.; OLG Frankfurt a. a. O.). Dies ist für die Verweigerung von Akteneinsicht und von Einsicht in Beweismittel in der Zeit zwischen Eröffnungsbeschl. und Urteilsfällung zu bejahen (OLG Frankfurt - 3 Ws 52/03, 3 Ws 656/01, 3 Ws 73/00; OLG Frankfurt NStZ-RR 96, 238 noch offengelassen, aber mit umfassender Darstellung des Meinungsstandes). Um einen solchen Fall geht es auch vorliegend. Durch Beschl. v. 2. 9. 2002 hat das LG Frankfurt das Hauptverfahren eröffnet. Der Angekl. stützt seinen Antrag, den er über seine Verteidigerin erstmals am 10. 10. 2002 gestellt hat, auf das in § 147 Abs. 1 2. Alt. StPO geregelte Einsichtsrecht der Verteidigung in Beweismittel.
Die Akteneinsicht mit dem ergänzenden Einsichtsrecht in Beweismittel gewährleistet den Anspruch des Angekl. auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren, speziell auf Waffengleichheit (vgl. BVerfG [NJW] 1983, 1044; BGH NJW 1990, 585) und dient vornehmlich der Vorbereitung und/oder Begründung von Beweisanträgen bzw. Beweisanregungen in der laufenden Hauptverhandlung. Wird die Akteneinsicht oder das Einsichtsrecht in Beweismittel nach der Eröffnung oder gar in laufender Hauptverhandlung versagt, steht diese Entscheidung bereits aus diesem Grund in engem inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung. Da die Gewährleistung von Prozeßgrundrechten vornehmste Aufgabe der Fachgerichte ist (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 238 m. w. N.), muß diese Entscheidung vor der Urteilsfällung erneut auf ihre Rechtmäßigkeit hin vom gesamten Gericht überprüft werden. Schließlich unterliegt die Entscheidung jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen der revisionsgerichtlichen Überprüfung, insbes. wegen Verletzung des Prozeßgrundrechts auf ein faires Verfahren oder wegen unzulässiger Beschränkung der Verteidigung (vgl. BGH NStZ, 87; BGH NStZ 1990, 193; OLG Frankfurt 3 Ws 131/96, 3 Ws 565/01, 3 Ws 52/03; KK-Laufhütte, 5. A., § 147 Rdnr. 22; Löwe-Rosenberg, a. a. O., § 147 Rdnr. 171 jew. m. w. N.). Nach der Gegenauffassung, die eine zusätzliche Beschwerdemöglichkeit für geboten erachtet, würde in der Beschwerinstanz ein unzulässiger Eingriff in die Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts erfolgen (vgl. OLG Brandenburg NJW 1996, 67; OLG Stuttgart NJW 1996, 1908).
Auch die (Einzelfall-) Entscheidung des Senats v. 13. 9. 2001 (3 Ws 853/01 [StV 2001, 611]), auf die sich die Bfin. in der Beschwerdeschrift bezieht, steht dem nicht entgegen.
Soweit der Angekl. aus § 147 Abs. 1 2. Alt. StPO einen Anspruch der Verteidigung auf Selbstfertigung oder Überlassung von Fotokopien der durch amtliche Verwahrung sichergestellten Beweismittel - mit Ausnahme der Bekleidungsgegenstände - ableitet und dies verwehrt wird, ist der Angekl. darauf zu verweisen, die unterstellte Beschränkung der Verteidigung in die Beweismitteleinsicht zum Gegenstand der Hauptverhandlung und ggf. der Revision zu machen.'
Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich der Senat an. Die in dem vorliegenden Verfahren sichergestellten Gegenstände unterliegen der Akteneinsicht, wenn sie - wie hier - von der StA verwertet wurden (KMR-Müller, StPO, § 147 Rdnr. 3). Soweit es sich hierbei um Urkunden und Schriftstücke handelt, ist dem Verteidiger - soweit dies technisch möglich ist - Gelegenheit zu geben, von diesen Ablichtungen herzustellen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. A., § 147 Rdnr. 30).
Wird dies - wie vorliegend - vom Vors. nach der Eröffnung des Hauptverfahrens versagt, steht diese Entscheidung in einem engen inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung (vgl. Senatsbeschl. v. 10. 7. 2001 - 3 Ws 656/01 = NStZ-RR 2001, 374). Soweit der Senat in der von dem Bf. in Bezug genommenen Entscheidung (StV 2001, 611) eine andere Auffassung vertreten hat, hält er an dieser nicht länger fest ..." (OLG Frankfurt am Main StV 2004, 362 ff).
***
Da das Recht auf Akteneinsicht nur den Tatsachenstoff erfasst, auf den sich die Hauptverhandlung oder Entscheidung erstreckt, haben zunächst die Verfolgungsbehörden darüber zu befinden, welche Akteninhalte für die anhängige Sache von Bedeutung sind und Inhalt der Ermittlungsakten werden. Ein Akteneinsichtsrecht in die Fallakten der Steuerfahndung besteht allenfalls dann, wenn konkrete Anhaltspunkte für dort niedergelegte verfahrensrelevante Erkenntnisse bestehen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.06.2003 - 2 Ws 1/03, NStZ 2003, 566).
Das Recht des Verteidigers, Akteneinsicht durch Übersendung in seine Kanzlei zu erhalten, erstreckt sich gem. § 58 a II 2 StPO auch auf die Kopie einer Video-Aufzeichnung einer Zeugenvernehmung (OLG Stuttgart StV 2003, 17).
*** (LG)
Auch bei einem in anderer Sache in Strafhaft befindlichen Beschuldigten ist ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung zulässig, wenn die Staatsanwaltschaft die Gewährung von Akteneinsicht verweigert. Die von dem nach § 147 V S. 3 StPO zuständigen Gericht vorzunehmende Interessenabwächung zwischen den Verteidigungsinteressen des Beschuldigten und der Ermittlungsbefugnis der Staatsanwaltschaft kann in der Weise vorgenommen werden, daß der Staatsanwaltschaft eine Frist zur Vornahme weiterer Ermittlungen gesetzt wird, nach deren Ablauf Akteneinsicht zu gewähren ist (LG München I, Beschluss vom 26.02.2004 - 5 Qs 13/04, StV 2006, 11).
Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung wegen Versagung der Akteineinsicht durch die Staatsanwaltschaft ist auch dann zulässig, wenn sich der Beschuldigte infolge von im Ausland vollstreckter Auslieferungshaft nicht auf freiem Fuß befindet. Für die Beschränkung der Akteneinsicht im Ermittlungsverfahren reicht eine nur vage Möglichkeit der Gefährdung des Untersuchungszwecks nicht aus. Die entsprechenden Voraussetzungen unterliegen einer vollständigen gerichtlichen Kontrolle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (LG Regensburg StV 2004, 369 f).
Selbst wenn nach Auffassung der Staatsanwaltschaft eine durchgeführte Telefonüberwachung kein verfahrensrelevantes Ergebnis erzielt hat, sind die Bänder der Telefonüberwachung auf Anforderung des Gerichts zu den Akten zu reichen und stehen der Verteidigung zur Einsichtnahme zu, damit diese überprüfen kann, ob sich aus der Telefonüberwachung Entlastendes ergibt (LG Itzehoe, Beschluss vom 09.11.1989 - 315 Js 20198/86, StV 1991, 555).
*** (AG)
Unabhängig von der Dauer einer Beschlagnahme ist ein tiefgreifender Grundrechtseingriff als Voraussetzung des erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses für die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Beschlagnahme bereits dann gegeben, wenn dem Verteidiger über einen Zeitraum von mehr als fünf Wochen keine Akteneinsicht gewährt und dem Beschuldigten dadurch die Möglichkeit genommen wurde, noch während der Dauer der Beschlagnahme gerichtliche Entscheidung zu beantragen. Einer gerichtlichen Anordnung der Beschlagnahme bedarf es auch dann, wenn Gegenstände, die nach gerichtlicher Anordnung in einem Verfahren beschlagnahmt wurden, für die sie nicht mehr benötigt werden, nunmehr als Beweismittel für ein anderes Verfahren in amtlichem Gewahrsam verbleiben sollen (AG Bremen, Beschluss vom 23.05.2011 - 91a Gs 224/11 zu StPO §§ 98 II, 147; GG Art. 2 I).
Siehe auch unter ?Akteneinsicht - Aussetzung der Hauptverhandlung".
Siehe auch unter ?Auskünfte und Akteneinsicht".
Akteneinsicht des Gefangenen
Siehe unter ?Auskunft an den Betroffenen, Akteneinsicht".
Akteneinsichtsrecht für Beschuldigte ohne Rechtsanwalt
?Das Recht des unverteidigten Beschuldigten nach § 147 VII StPO steht seiner Zweckbestimmung nach dem Recht des verteidigten Beschuldigten auf Akteneinsicht über seinen Verteidiger nach § 147 I StPO gleich. Der unverteidigte Beschuldigte hat, wegen seines Rechtes auf Selbstverteidigung (Art. 6 III lit. b EMRK), einen Anspruch darauf, die Inhalte der Ermittlungsakten in gleichem Umfang nutzen zu können, wie der verteidigte Beschuldigte. Unter bestimmten Voraussetzungen hat somit auch der verteidigte Beschuldigte einen Anspruch auf unmittelbaren, d.h. nicht durch einen Verteidiger vermittelten, Zugang zu den Akten." (HRRS - Dezember 2004, 411 ff = www.hrr-strafrecht.de/hrr/archiv/04-12/index.php?domain_id=5&3?seite=7)
Siehe auch unter ?Auskünfte und Akteneinsicht".
Akteneinsicht für Privatpersonen § 475 StPO
(1) Für eine Privatperson und für sonstige Stellen kann, unbeschadet der Vorschrift des § 406e , ein Rechtsanwalt Auskünfte aus Akten erhalten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. Auskünfte sind zu versagen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat.
(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann Akteneinsicht gewährt werden, wenn die Erteilung von Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern oder nach Darlegung dessen, der Akteneinsicht begehrt, zur Wahrnehmung des berechtigten Interesses nicht ausreichen würde.
(3) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 können amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigt werden. Auf Antrag können dem Rechtsanwalt, soweit Akteneinsicht gewährt wird und nicht wichtige Gründe entgegenstehen, die Akten mit Ausnahme der Beweisstücke in seine Geschäftsräume oder seine Wohnung mitgegeben werden. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
(4) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 können auch Privatpersonen und sonstigen Stellen Auskünfte aus den Akten erteilt werden.
Leitsätze/Entscheidungen:
Eine Person, die nicht am Ermittlungs- bzw. am Strafverfahren im engeren Sinne beteiligt ist, sondern zufällig als Gesprächspartner von einer heimlichen Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme betroffen ist, hat Anspruch auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung unter Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Zu diesem Zweck sind ihr diejenigen Aktenbestandteile zur Verfügung zu stellen, die für die Überprüfung der Anordnungsbeschl. und der Art und Weise der Durchführung erforderlich sind (BGH, Beschluss vom 22.09.2009 - StB 38/09 zu StPO §§ 101 Abs. 7 S. 2, 475 Abs. 1, 477 Abs. 2; GG Art. 103 Abs. 1).
*** (OLG)
Der Umstand, dass ein Zeuge sich zur Auskunftsverweigerung berechtigt wähnt, begründet für den anwaltlichen Zeugenbeistand keinen Anspruch auf Akteneinsicht. Im Hinblick auf die Unbefangenheit bei der bevorstehenden Vernehmung wäre es nicht sachgerecht, dem Zeugen eine Vorbereitung seiner Aussage durch Akteneinsicht zu ermöglichen (KG, Beschluss vom 20.12.2007 - (1) 2 BJs 58/06 - 2 (22/07) zu StPO §§ 475, 477, 55, 147, 406e):
?... Der GBA führt gegen den Besch. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (?militante Gruppe [mg]'). In diesem Verfahren soll Z. als Zeuge vernommen werden. Mit Beschl. v. 22. 10. 2007 hat der Vors. dem Zeugen für die Dauer seiner Vernehmung RA M. gem. § 68b StPO als Zeugenbeistand beigeordnet. Die ebenfalls beantragte Akteneinsicht ist ihm durch den GBA verweigert und lediglich eine Ablichtung des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des BGH gegen B. v. 01. 08. 2007 übersandt worden. Der hiergegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
1. Über den zulässigen Antrag hat gem. §§ 475, 478 Abs. 3 S. 1 i.V.m. §§ 161a Abs. 3 S. 2 bis 4 StPO, 73 Abs. 1, 120 Abs. 3 GVG der Senat zu entscheiden. Soweit § 478 Abs. 3 S. 2 StPO anordnet, daß die Entscheidung ?des Vors.' unanfechtbar ist, wird damit für den Fall, daß die Entscheidung der StA im Ermittlungsverfahren angefochten wird, keine funktionale Zuständigkeit des Vors. begründet oder vorausgesetzt (vgl. KG, Beschl. v. 19. 04. 2001 - 4 VAs 1/01 -; LG Hildesheim, Beschl. v. 26. 03. 2007 - 25 Qs 17/06 - zitiert nach juris). Denn § 478 Abs. 3 StPO entspricht strukturell § 406e Abs. 4 StPO (vgl. BR-Drucks. 65/99, S. 61 ff., 63; Pfeiffer, StPO 5. Aufl., § 478 Rn. 4). Diese Vorschrift weist dem Vors. ?des mit der Sache befaßten Gerichts' die Zuständigkeit allein für den Fall zu, daß die Akteneinsicht während gerichtlicher Anhängigkeit des Verfahrens begehrt wird (vgl. Pfeiffer a.a.O. § 406 Rn. 4 f.). Eine Erweiterung der Zuständigkeit des Vors. zur Entscheidung über Anträge auf gerichtliche Entscheidungen gegen Verfügungen der StA ist mit § 478 Abs. 3 StPO nicht bezweckt.
2. Dem Antrag des RA auf Gewährung von Akteneinsicht kann nicht stattgegeben werden, weil Zwecke des Strafverfahrens entgegenstehen (§ 477 Abs. 2 S. 1 StPO).
a) Dem anwaltlichen Zeugenbeistand steht im Gegensatz zu dem Verteidiger (§ 147 Abs. 1 StPO) ein eigenes Recht auf Akteneinsicht nicht zu. Die Rechtsstellung des anwaltlichen Zeugenbeistands leitet sich aus der des Zeugen ab. Er hat keine eigenen Rechte als Verfahrensbeteiligter und keine weitergehenden Befugnisse als der Zeuge selbst (vgl. BVerfGE 38, 116; LR-Dahs, StPO 25. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 11; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 11, § 68b Rn. 5; KK-Wache, StPO 5. Aufl., § 161a Rn. 3). Einem Zeugen kommt daher, soweit er nicht Verletzter ist, ein Akteneinsichtsrecht lediglich als ?Privatperson' i.S.d. § 475 StPO zu, so daß auch der anwaltliche Zeugenbeistand ein Akteneinsichtsrecht allein nach dieser Vorschrift wahrnehmen kann (vgl. OLG Düsseldorf NJW 2002, 2806; OLG Hamburg, NJW 2002, 1590 [= StV 2002, 297]).
Aufgabe des Zeugenbeistands, ist es, den Zeugen während der Vernehmung bei der sachgerechten Wahrnehmung seiner prozessualen Rechte, insbes. von Auskunftsverweigerungsrechten gem. § 55 StPO oder Zeugnisverweigerungsrechten nach §§ 52 ff. StPO sowie bei der Verteidigung gegen Ordnungsmittel zu unterstützen. Darüber hinaus soll er bei Zeugen, die in ihrer Aussagefähigkeit beschränkt oder in ihrer Aussagebereitschaft gehemmt sind, dazu beitragen, Aussagefehler und Mißverständnisse zu verhindern. Soweit er im vorliegenden Fall dem Zeugen bei der anstehenden Entscheidung behilflich ist, ob er im Hinblick auf § 55 StPO einzelne Fragen nicht beantwortet, muß die Entscheidung jew. für die tatsächlich gestellte Frage getroffen werden und kann sich nicht danach richten, welche Fragen - aufgrund von Akteneinsicht - vorab als möglich angesehen werden. Zu der anstehenden Entscheidung muß der Beistand nicht den Inhalt der Sachakte kennen. Grundlage der Entscheidung ist vielmehr das Wissen oder die Einschätzung des Zeugen selbst, sich bei der wahrheitsgemäßen Beantwortung einer Verfolgung i.S.v. § 55 StPO auszusetzen (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 2002, 2806, 2807).
Die in der Lit. vertretene Ansicht, die ein Akteneinsichtsrecht des Zeugenbeistandes für den Fall fordert, daß anders wirksamer Beistand nicht möglich sei (vgl. KK-Senge, StPO 5. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 18a m.w.N. und § 68b Rn. 9), begegnet Bedenken.
Hiergegen spricht im vorliegenden Fall schon, daß diese Ansicht nicht auf das Verfahrensstadium abhebt, in dem selbst dem Verteidiger gem. § 147 Abs. 2 StPO die Akteneinsicht versagt werden könnte. Sie übersieht, daß der Gesetzgeber im Falle des Akteneinsichtsbegehrens eines Zeugen, der nicht Verletzter ist, den Strafverfolgungszwecken Vorrang eingeräumt hat (§ 477 Abs. 2 S. 1 StPO). Der Beistand darf den Zeugen nicht in der Aussage vertreten oder auf den Inhalt der Aussage Einfluß nehmen. Gerade dies ist aber nicht auszuschließen, wenn der Zeugenbeistand mit dem Zeugen anhand der durch die Akteneinsicht gewonnenen Kenntnisse inhaltliche Fragen erörtert. Erlaubte man dem Zeugen die Akteneinsicht, wäre nicht mehr nachvollziehbar, ob er Sachverhalte unbefangen aus seiner Erinnerung oder auf Grund der - ihm von seinem Beistand vermittelten Aktenlage darstellt. Vorhalte als Gedächtnisstütze würden ihren Sinn verlieren (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.). Die daraus resultierende Gefahr der Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung kann regelmäßig nicht hingenommen werden. Die Regelungen der §§ 58 Abs. 1 S. 1 und 243 Abs. 2 S. 1 StPO, welche die Unbefangenheit des Zeugen bei seiner Aussage sicherstellen sollen, zeigen, daß dem Gesetzgeber bewußt war, daß Qualität und Beweiswert einer Zeugenaussage ganz erheblich herabgesetzt sind, wenn dem Zeugen die Angaben des Angekl. oder der anderen Zeugen bekannt sind (vgl. von Schlieffen in Krekeler/Löffelmann, AnwK-StPO, Vorbemerkung zu § 48 Rn. 8). Folgerichtig hat die Rspr. wiederholt entschieden, daß der Zeuge seine Aussage ohne Kenntnis dessen machen soll, was Angekl. und andere Beweispersonen bekunden. Dadurch soll seine Unbefangenheit und seine Selbständigkeit der Darstellung erhalten bleiben (vgl. BGHSt 3, 386, 388; BGHR StPO § 338 Nr. 6 Zuhörer 6, 7). Eine Einsicht in die vollständigen Akten, insbes. in die Teile, die die Angaben anderer Zeugen und des Angekl. betreffen, verbietet sich daher grundsätzlich. Den Interessen des Zeugen kann regelmäßig durch Mitteilung des Beweisthemas und ggf. - wie vorliegend geschehen - durch Erteilung von Auskünften aus der Akte ausreichend Rechnung getragen werden.
Soweit der Ast. meint, die Beratung des Zeugen Z. über seine Rechte aus § 55 StPO nur in Kenntnis des Akteninhalts wahrnehmen zu können, ist zu bedenken, daß die Entscheidung über die Verfolgungsgefahr eine Rechtsfrage ist, über die das Gericht, nicht aber der Zeuge oder der Angekl. zu entscheiden hat (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 55 Rn. 10). Der Zeuge, der sich zur Auskunftsverweigerung berechtigt wähnt, ist auch im Ermittlungsverfahren ausreichend dadurch geschützt, daß ihm gem. § 161a Abs. 3 StPO der Weg zu einer gerichtlichen Entscheidung freisteht, - falls er mit Zwangsmitteln zu seiner Aussage bewegt werden soll. Im Falle einer unterlassenen Belehrung oder fehlerhaften Anwendung des § 55 StPO ist er zudem durch ein Verwertungsverbot in einem späteren Verfahren gegen sich geschützt (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Einleitung Rn. 55a und § 55 Rn. 17 m.w.N.).
b) Hinzu kommt, daß die Akteneinsicht durch den Zeugenbeistand in das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgende Recht des Besch. auf informationelle Selbstbestimmung eingreift. Die Vorschrift des § 406e StPO zeigt, daß der Gesetzgeber ?im schwierigen Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz, Verteidigungsinteressen, Wahrheitsfindung, Funktionsinteressen der Strafrechtspflege und dem legitimen, verfassungsrechtlich abzuleitenden Informationsanspruch des Verletzten einen vertretbaren Ausgleich' (LR-Hilger, StPO 25. Aufl., § 406e Rn. 3; vgl. auch BGHSt 39, 112, 116) gesucht hat und nur dem verletzten Zeugen regelmäßig ein Akteneinsichtsrecht zubilligen wollte. Selbst diesem insoweit begünstigten Zeugen kann nach § 406e Abs. 2 StPO im Interesse der Wahrheitsfindung und der Verfahrensökonomie die Akteneinsicht versagt werden. Erst recht ist daher dem nicht durch die Straftat verletzten Zeugen und seinem Beistand die Akteneinsicht zu verweigern, wenn dies die Verfahrenszwecke gefährdet.
c) Im Interesse der Wahrheitsfindung und einer unbeeinflußten Zeugenaussage ist die gem. § 475 Abs. 2 StPO grundsätzlich mögliche Akteneinsicht hier zu versagen, weil Zwecke des Strafverfahrens entgegenstehen (§ 477 Abs. 2 StPO). Im Hinblick auf die Unbefangenheit bei der Vernehmung wäre es nicht sachgerecht, dem Zeugen eine Vorbereitung seiner Aussage durch Akteneinsicht zu ermöglichen. Das dem Zeugen durch die Übersendung des Haftbefehls sowie durch das Schreiben des GBA v. 19. 10. 2007 mitgeteilte Beweisthema - sein enger Kontakt zu dem Besch. - bildet den Rahmen der anstehenden Zeugenbefragung. Der Zeuge hat sich aufgrund des Beweisthemas vorzubereiten und nicht aufgrund der Bewertung der verfahrensgegenständlichen Akten. Den schutzwürdigen Interessen des Zeugen ist durch die ihm gegebenen Informationen hinreichend Genüge getan. ..."
*** (LG)
Ein Beschuldigter kann die Gewährung von Akteneinsicht an Dritte gem. § 475 StPO entsprechend § 406 e StPO nach § 161 a Abs. III StPO anfechten. Da bei einer nach § 475 StPO gewährten Akteneinsicht eine vorherige Anhörung des Beschuldigten nicht erforderlich ist, kann er die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit beantragen. Bei der Bewertung des schutzwürdigen Interesses des Beschuldigten an der Versagung der Akteneinsicht ist der Umstand zu berücksichtigen, daß die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind und damit noch nicht genügenden Anlaß für die Erhebung einer Anklage bieten. Die Unschuldsvermutung gebietet grundsätzlich die vertrauliche Behandlung des Tatvorwurfs (LG Dresden, Beschluss vom 06.10.2005 - 3 AR 8/05, StV 2006, 11).
Siehe auch unter ?Auskünfte und Akteneinsicht".
Akteneinsicht für Schöffen
Die Schöffen dürfen die Akten nicht einsehen. In Ausnahmefällen kann in Erwägung gezogen werden, Schöffen einzelne Aktenbestandteile zur Verfügung zu stellen, wenn dies notwendig ist, den Gang der Beweisaufnahme besser nachvollzeihen zu können (vgl. BGH MDR 1973, 19; BGH NJW 1987, 1209).
Akteneinsicht während der Hauptverhandlung
Das Einsichtrecht des Verteidigers besteht während des gesamten Verfahrens. Der Grundsatz soll aber nicht für den Verfahrensabschnitt der Hauptverhandlung gelten, da das Gericht die Akten für die Hauptverhandlung benötigt (OLG Stuttgart NJW 1979, 559 f). Ausnahmen gelten für folgende Fälle:
- Der Verteidiger wird erst während der Hauptverhandlung bestellt oder gewählt.
- Der Verteidiger hat zuvor keine ausreichende Akteneinsicht gehabt.
Siehe dazu auch unter ?Akteneinsicht des Verteidigers".
Alibibehauptung
?... Im Fall II. 5. der Urteilsgründe - sexueller Missbrauch eines Kindes gemäß § 174 Abs. 4 Nr. 1 StGB - hat sich das Landgericht durch die Aussage der elf Jahre alten Zeugin K. von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt. Der Schuldspruch hat in diesem Fall keinen Bestand, weil das Landgericht eine im Ansatz akzeptierte Alibibehauptung nicht erschöpfend ausgewertet hat (vgl. BGH NJW 2003, 150, 152; 2006, 925, 928; Brause NStZ 2007, 505, 506).
Das Landgericht hat Bekundungen der damaligen Freundin des Angeklagten ?als richtig unterstellt' (UA S. 53), dass der Angeklagte sie gegen 12:05 Uhr mit dem PKW an ihrer Arbeitsstelle abgeholt hatte und nach einer 15 Minuten dauernden Fahrt zu dem etwas außerhalb Northeims gelegenen Marktkauf gefahren sei, wo sie einen 30 bis 35 Minuten dauernden Einkauf getätigt hätten. Dessen Bezahlung erfolgte laut elektronisch erstelltem Beleg um 13:17 Uhr per ec-Karte, die Belastung des Kontos des Angeklagten um 13:29 Uhr (UA S. 53). Das Landgericht sieht in der Differenz von 20 Minuten zwischen dem Ende des Einkaufs, wie ihn die Zeugin geschildert hat (12:50 bis 12:55 Uhr), und dem durch den Zahlungsbeleg ausgewiesenen Zeitpunkt(13:17 Uhr) einen Zeitraum, den der Angeklagte zur Tatausführung genutzt hat (UA S. 53 f.).
Diese Beweisführung lässt - abgesehen von näheren Überlegungen zum Aufenthalt des Angeklagten beim Bezahlvorgang - schon außer Acht, dass es angesichts des Einkaufsendes um 12:50 Uhr ausgeschlossen erscheint, dass der Angeklagte zur Tatzeit ?kurz vor 13:00 Uhr' (UA S. 21) an dem nicht offensichtlich in unmittelbarer Nähe des Marktkaufs befindlichen Tatort erscheinen konnte. Darüber hinaus hat das Landgericht den Beweiswert der elektronisch erstellten Zahlungsbelege nicht ausgeschöpft (vgl. auch BGH wistra 2007, 108, 109). Eventuell hätten freilich auch die Zeitangaben der Zeugin, der mehr als zwei Jahre zurückliegende Einkauf habe 30 bis 35 Minuten gedauert, kritischer bewertet werden müssen. Von alldem war das Landgericht nicht etwa durch die besondere Qualität der Aussage der Belastungszeugin enthoben. ..." (BGH, Beschluss vom 05.08.2008 - 5 StR 319/08)
Allgemeiner Revisionsgrund § 337 StPO
(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.
(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... So fehlt es schon an einer ausreichenden Darstellung der Aussagen der beiden Belastungszeugen. In einem Fall, in dem ein Angeklagter zwar nicht allein, aber doch überwiegend durch die Angaben selbst tatbeteiligter Zeugen überführt werden soll, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung zu beeinflussen geeignet sind, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGH NStZ-RR 1996, 300). Dazu ist es jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden zur Würdigung der widersprüchlichen Aussagen der in ein Geflecht illegalen Rauschgifthandels verwickelten Auskunftspersonen, deren Motivation möglicherweise auf eigene Vorteile oder auf die Abwehr weiterer Beschuldigungen ausgerichtet war, erforderlich, die Umstände der Entstehung und den näheren Inhalt der die Angeklagten belastenden Aussagen sowie deren Entwicklung darzustellen und zu bewerten (vgl. BGH, Beschl. v. 4. August 2004, 5 StR 267/04). Dies gilt um so mehr, wenn sich nicht von selbst versteht, auf welchen eigenen Wahrnehmungen der Auskunftspersonen Feststellungen zu zentralen Einzelheiten des Hergangs der Taten, wie hier zum Umfang der in den verschiedenen Fällen beschafften Rauschgiftmengen, beruhen könnten.
Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe, die schon den Inhalt der Aussagen beider Zeugen in der Hauptverhandlung nicht im Zusammenhang, sondern nur bruchstückhaft und in detailarmer Weise wiedergeben, nicht gerecht. In Bezug auf den Zeugen H. wird zwar mitgeteilt, dieser Zeuge sei am 18. Dezember 2006 festgenommen und sogleich befragt worden, in Folge einer starken Entzugssymptomatik aber erst in einer späteren Vernehmung vom 26. Februar 2007 zu einer wirklich geordneten Zusammenfassung des Gesamtkomplexes in der Lage gewesen (UA S. 17). Nähere Angaben zum Inhalt und Verlauf der verschiedenen Vernehmungen des Zeugen im Zuge der Ermittlungen finden sich nicht; das Urteil beschränkt sich vielmehr auf die Angabe, es sei in deren Verlauf zu vereinzelten Abweichungen bezüglich der Weiterveräußerungshandlungen gekommen, ohne mitzuteilen, worin diese liegen.
Auch in Bezug auf den Zeugen Ku. ist den Urteilsgründen lediglich zu entnehmen, es habe im Verlauf seiner Aussagen Abweichungen zum Beginn der Geschäftsbeziehung gegeben, und erst später habe der Zeuge dann ?reinen Tisch gemacht' (UA S. 20). Diese Angaben lassen weder erkennen, um welche Abweichungen es sich dabei im Einzelnen gehandelt hat, noch unter welchen Umständen und mit welchem konkreten Ergebnis der Zeuge im Zuge der Ermittlungen vernommen worden war, noch welche Feststellungen zum Nachteil der Angeklagten auf seine Aussage gestützt werden konnten.
Darüber hinaus ist die pauschale Angabe, auch zwischen den Aussagen beider Zeugen habe es ?zwar nicht im Kern, aber doch in Randdetails' geringfügige Abweichungen gegeben, ?die zwar ihre Glaubwürdigkeit nicht in Zweifel ziehen, aber die Möglichkeit einer Abstimmung fern liegend erscheinen lassen' (UA S. 20), in Ermangelung näherer Ausführungen zum Inhalt dieser Abweichungen einer Überprüfung durch das Revisionsgericht nicht zugänglich. ..." (BGH, Beschluss vom 14.05.2008 - 2 StR 147/08)
***
?... Auf einem Verstoß gegen das Gebot, das nicht bereits vollständig mit Gründen in das Protokoll aufgenommene Urteil unverzüglich zur Akte zu bringen, kann der bereits vor der Urteilsabsetzungsfrist verkündete Urteilsspruch nicht beruhen im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO (Rieß NStZ 1982, 441, 442; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, 25. Aufl. § 275 Rdn. 75; Schlüchter/Frister in SK-StPO § 275 Rdn. 11; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 275 Rdn. 28). Dementsprechend ist die Nichteinhaltung der in § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 StPO bestimmten Höchstfrist für die Absetzung des Urteils in § 338 Nr. 7 StPO als absoluter Revisionsgrund ausgestaltet; denn ansonsten könnte auch die Überschreitung dieser Frist der Revision in keinem Fall zum Erfolg verhelfen. Ob in Fällen, in denen eine nach § 275 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 StPO erheblich verlängerte Urteilsabsetzungsfrist zwar gewahrt, jedoch das Unverzüglichkeitsgebot des § 275 Abs. 1 Satz 1 StPO verletzt wird, unter besonderen Umständen eine mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbare Verzögerung des Verfahrensabschlusses anzunehmen ist, die - wie bei sonstigen unvertretbaren Verzögerungen des Revisionsverfahrens - vom Revisionsgericht zu kompensieren ist, und ob dies, da der Verfahrensverstoß vor Beginn der Revisionsbegründungsfrist läge, nur auf entsprechende Verfahrensrüge geschehen könnte, braucht der Senat nicht zu entscheiden; denn ein derartiger Sachverhalt liegt hier nicht vor. ... (BGH, Beschluss vom 16.03.2006 - 3 StR 27/06)
Unterläßt der Vorsitzende eine Entscheidung über die Vereidigung, kann das Urteil auf dem Verfahrensfehler nur beruhen, wenn es bei einer ordnungsgemäßen Entscheidung zu einer Vereidigung des Zeugen gekommen wäre, und wenn sodann nicht auszuschließen wäre, daß der Zeuge in diesem Falle andere, wesentliche Angaben gemacht hätte (BGH, Beschluss vom 17.08.2005 - 2 StR 284/05).
*** (OLG)
Einem Angeklagten, der die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrscht, ist die Anklageschrift mit einer Übersetzung in eine ihm verständliche Sprache bekanntzugeben. Auf die Revision des Angeklagten ist ein Urteil aufzuheben, wenn nicht auszuschließen ist, dass der in der Hauptverhandlung unverteidigte und sich nicht zur Sache einlassende Angeklagte eine andere und erfolgreichere Verteidigungsstrategie gewählt hätte, wenn ihm die Anklageschrift schon vorher mit einer Übersetzung in seine Muttersprache bekanntgegeben worden wäre (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.05.2010 - 2 Ss 45/10 zu StPO §§ 201, 337; MRK Art. 6 Abs. 3 lit. a und b).
***
Bestellt das Gericht aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung einen vom Angeklagten nicht gewünschten Pflichtverteidiger, kann - nach den Gegebenheiten des Einzelfalls - der Angeklagte Grund zur Annahme einer Befangenheit des Richters haben. Werden einem neu bestellten Pflichtverteidiger die Akten ohne weiteres in seine Kanzleiräume überstellt, kann sich bei der Verweigerung der Mitgabe der Akten in die Geschäftsräume des Wahlverteidigers der Eindruck einer Ungleichbehandlung aufdrängen, was die Besorgnis der Befangenheit zur Folge haben kann (OLG Dresden, Beschluss vom 17.07.2009 - 1 Ss 347/09 zu StPO §§ 24, 338 Nr. 3, 213, 147 Abs. 4).
***
Wird die Revision des Angeklagten gem. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen, ohne daß das Revisionsgericht berücksichtigt hat, daß während des Revisionsverfahrens eine konventionswidrige Verfahrensverzögerung eingetreten ist, ist dies auf die Gegenvorstellung des Angeklagten durch Abänderung der Entscheidung (Festlegung eines Vollstreckungsabschlags) zu korrigieren (OLG Nürnberg, Beschluss vom 27.04.2009 - 1 St OLG Ss 78/08 zu StPO §§ 349 Abs. 2, 337; MRK Art. 6 Abs. 1 S. 1; StGB § 51).
***
Ist das Blutalkoholgutachten nicht prozeßordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt worden, ist aber dessen Inhalt in der Hauptverhandlung erörtert und nicht bestritten worden, so beruht das Urteil nicht darauf, daß das Gutachten nicht verlesen worden ist (OLG Düsseldorf StV 1995, 120 ff).
*** (LG)
Bei einer Beschwerde gegen einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss kann das Beschwerdegericht seine Entscheidung nur auf diejenigen Tatsachen und Beweismittel stützen, die dem Beschuldigten durch Akteneinsicht der Verteidigung bekannt sind. Wird dem Verteidiger gem. § 147 Abs. 2 StPO die Akteneinsicht vollständig verweigert, fehlt jegliche Grundlage, um die angegriffene Entscheidung zu bestätigen (LG Berlin, Beschluss vom 18.02.2010 - 536 Qs 1/10).
***
Alkohol
Siehe unter ?Blutalkoholkonzentration" und ?Trunkenheit im Verkehr".
Alkohol und berauschede Mittel - 0,5 Promille-Grenze § 24 a StVG
(1) Ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt.
(2) Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.
(3) Ordnungswidrig handelt auch, wer die Tat fahrlässig begeht.
(4) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu eintausendfünfhundert Euro geahndet werden.
(5) Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium der Justiz mit Zustimmung des Bundesrates die Liste der berauschenden Mittel und Substanzen in der Anlage zu dieser Vorschrift zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies nach wissenschaftlicher Erkenntnis im Hinblick auf die Sicherheit des Straßenverkehrs erforderlich ist.
Leitsätze/Entscheidungen:
Zur Verfassungsmäßigkeit von § 24 a Abs. 2 StVG. Nicht jeder Nachweis von THC im Blut eines Verkehrsteilnehmers reicht für eine Verurteilung nach § 24 a Abs. 2 StVG aus. Festgestellt werden muß vielmehr eine Konzentration, die es entsprechend dem Charakter der Vorschrift als eines abstrakten Gefährdungsdeliktes als möglich erscheinen läßt, daß der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war (hier: THC-Konzentration von unter 0,5 ng/ml; BVerfG, Beschluß vom 21.12.2004 - 2 BvR 2652/03).
*** (OLG)
Für die Annahme von Fahrlässigkeit reicht die Annahme einer über dem Grenzwert der jeweiligen Substanz im Blut liegenden Wirkstoffkonzentration allein nicht aus. Vielmehr ist die Vorstellung des Betroffenen unter Würdigung sämtlicher zur Verfügung stehender Beweismittel vom Tatgericht festzustellen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.08.2010 - 2 Ss-OWi 166/10 - AG Frankfurt):
?... Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung berauschender Mittel eine Geldbuße von 500,-- ? festgesetzt sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Dagegen wendet er sich mit der auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; eines Eingehens auf die Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.
Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung nicht. Zwar begegnen die Feststellungen zur objektiven Tatseite keinen Bedenken, jedoch fehlt es an den erforderlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite, welche ein zumindest fahrlässiges Verhalten des Betroffenen begründen könnten. Der Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft hat dazu in seiner Zuschrift vom 03. August 2010 ausgeführt:
?Das angefochtene Urteil geht zwar von Fahrlässigkeit aus, macht aber insoweit keine weiteren Ausführungen, obwohl dies erforderlich gewesen wäre, da sich der Fahrlässigkeitsvorwurf aufgrund der Feststellungen zur objektiven Tatseite nicht von selbst ergab (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., Rn. 7 zu § 267).
Fahrlässiges Handeln i.S.d. § 10 OWiG liegt vor, wenn der Täter die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, außer Acht lässt und deshalb entweder die Tatbestandsverwirklichung nicht erkennt bzw. nicht voraussieht - unbewusste Fahrlässigkeit - oder die Möglichkeit einer Tatbestandsverwirklichung zwar erkennt, aber mit ihr nicht einverstanden ist und ernsthaft darauf vertraut, diese werde nicht eintreten - bewusste Fahrlässigkeit (vgl. Göhler, OWiG, 15. Aufl., Rn. 6 zu § 10).
Bezogen auf den Tatbestand des § 24 a Abs. 2 StVG bedeutet dies, dass dem Betroffenen nachzuweisen ist, dass er die Möglichkeit fortdauernder Wirkung des berauschenden Mittels entweder erkannt hat oder zumindest hätte erkennen können und müssen. Denn der Vorwurf der schuldhaften Tatbegehung bezieht sich nicht allein auf den Konsumvorgang, sondern auf die Wirkung des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt. Fahrlässig handelt danach, wer in zeitlicher Nähe zum Fahrtantritt Cannabis konsumiert hat und sich dennoch an das Steuer seines Fahrzeuges setzt, ohne sich bewusst zu machen, dass der Rauschmittelstoff noch nicht vollständig unter den analytischen Grenzwert von 1,0 ng/ml abgebaut ist (OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 13.08.2009 - 2 Ss OWi 228/09; Beschluss vom 16.02.2010 - 2 Ss-OWi 658/09; KG Berlin NZV 2009, 572 f.).
Für die Annahme von Fahrlässigkeit reicht die Annahme einer über dem Grenzwert der jeweiligen Substanz im Blut liegenden Wirkstoffkonzentration - die hier gemessen wurde - allein nicht aus. Vielmehr ist die Vorstellung des Betroffenen unter Würdigung sämtlicher zur Verfügung stehender Beweismittel vom Tatgericht festzustellen (OLG Hamm, Beschluss vom 20.05.2008 - 5 Ss OWi 282/08, zitiert nach juris).
Zwar steht dabei der Annahme der fahrlässigen Tatbestandsverwirklichung nicht entgegen, wenn das Bewusstsein des Betroffenen keine spürbare Wirkung oder gar eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit umfasst, vielmehr muss ein Betroffener die Unberechenbarkeit von Rauschdrogen in Rechnung stellen. Ausreichend ist, dass der Kraftfahrer das Fahren unter der Wirkung des Rauschgiftes für möglich hält. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Rauschmittelkonsum in zeitlicher Nähe zum Fahrtantritt stattfand. An der Erkennbarkeit der fortwährenden Wirkung des Rauschgiftes kann es aber fehlen, wenn zwischen Drogenkonsum und Fahrt eine größere Zeitspanne liegt. Das ist in der Rechsprechung bei mehreren Tagen, aber auch schon bei einem Zeitraum von mehr als 28 Stunden oder 23 Stunden angenommen worden. In solchen Fällen muss der Tatrichter nähere Ausführungen dazu machen, aufgrund welcher Umstände der Betroffene hätte erkennen können, dass der Rauschmittelkonsum noch Auswirkungen haben konnte (Senat a.a.O., jeweils mit w.N.).
Das angefochtene Urteil lässt demgegenüber allerdings sowohl Feststellungen zur spürbaren Wirkung des Rauschmittels wie auch dazu vermissen, dass es für den Betroffenen bei Einhaltung zumutbarer Sorgfalt erkennbar gewesen wäre, dass die THC-Konzentration in seinem Blut bei Antritt der Fahrt den maßgeblichen Grenzwert noch nicht unterschritten hatte.
Auch hat das Amtsgericht keine ausreichenden Feststellungen zum Zeitpunkt des Konsums getroffen. Zwar wird in den Urteilsgründen ausgeführt, dass der Betroffene unter der Wirkung von Cannabis stand und er im Rahmen einer informatorischen Anhörung gegenüber den ihn kontrollierenden Polizeibeamten angegeben habe, ein oder zwei Tage zuvor Marihuana konsumiert zu haben (UA S. 3). Letzteres lässt eher auf eine größere Zeitspanne, zumindest mehr als 24 Stunden, zwischen Drogenkonsum und Fahrtantritt schließen. Auch die Tatsache, dass der Betroffene nach den Bekundungen des Zeugen POK ? einen ?zittrigen Eindruck" gemacht habe und seine ?Pupillen auffällig" gewesen seien, vermag einen zeitnahen Drogenkonsum nicht tragfähig zu belegen, da diese Erscheinungen nicht näher konkretisiert werden.
Da der Zeitraum somit insgesamt vage bleibt, kann nicht auf einen Rauschmittelkonsum in zeitlicher Nähe zum Fahrtantritt geschlossen werden.
Im Übrigen kann zwar die Voraussehbarkeit der Tatbestandsverwirklichung auf einen besonders hohen Messwert gestützt werden (vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 17.02.2006 - ?2 (B) 51/05, zit. nach juris, für eine 44-fache Überschreitung des Grenzwertes bei THC). Bei der hier verhältnismäßig geringen Überschreitung (4,6 ng/mg THC) ist dies jedoch nicht möglich (vgl. OLG Celle NZV 2009, 89-90 (für 2,7 ng/ml THC); OLG Hamm - 4 Ss OWi 604/03, zit. nach juris (für 3,0 ng/ml THC)). Das Urteil kann daher keinen Bestand haben. In der neuen Verhandlung wird unter Hinzuziehung eines Sachverständigen zu klären sein, ob angesichts der Messwerte sowie der sonstigen Umstände der Zeitpunkt des Konsums näher eingegrenzt werden kann. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass insoweit noch ergänzende tatsächliche Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung des Betroffenen tragen.'
Dem stimmt das Rechtsbeschwerdegericht in vollem Umfang zu.
2. Für eine Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts besteht kein Anlass. ..."
***
Der Umstand, dass ein Betroffener ein Kfz unter der Wirkung berauschender Mittel (hier: Haschisch) geführt hat, stellt keine objektive Bedingung der Strafbarkeit dar; die fortbestehende Rauschwirkung zur Tatzeit ist Tatbestandsmerkmal, auf das sich die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen erstrecken müssen. Für eine Verurteilung wegen fahrlässigen Verstoßes bedarf es daher der tatrichterlichen Überzeugung, dass der Betroffene die Möglichkeit fortdauernder Wirkung eines Haschischkonsums hätte erkennen können und müssen. Dazu bedarf es besonderer Feststellungen, wenn zwischen Rauschmittelkonsum und Tat längere Zeit vergangen ist (OLG Braunschweig, Beschluss vom 27.01.2010 - Ss (Owi) 219/09).
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Hatte ein Betroffener Betäubungsmittel mit unterschiedlichen Wirkungsqualitäten konsumiert und liegen die Blutkonzentrationen für alle Substanzen jeweils unter den Grenzwerten, die einer verfassungskonformen Anwendung des § 24a II StVG zu Grunde zu legen sind, verbietet es sich, die festgestellten Werte zu addieren. In solchen Fällen ist im Ansatz zu Gunsten des Betroffenen davon auszugehen, dass alle Substanzen in Bezug auf die Fahrtüchtigkeit wirkungslos waren und somit auch keine relevante Kombinationswirkung auftreten konnte. Die Feststellung einer bestimmten Substanzkonzentration im Blutserum ist keine ?objektive Bedingung der Ahndbarkeit" für die Anwendung des § 24a II StVG. Hatte der Betroffene eine der in der Anlage zu § 24a II StVG aufgeführten Substanzen im Blut, kann eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit auch auf andere Weise festgestellt werden (OLG Koblenz, Beschluss vom 25.08.2008 - 1 Ss Bs 19/08, NJW 2009, 1222).
Zum objektiven Tatbestand des § 24a Abs. 2 StVG gehört lediglich das Führen eines Kraftfahrzeuges unter Wirkung eines der in der Anlage zu § 24a StVG genannten berauschenden Mittels. Wird im Blut des Betroffenen eine Wirkstoffkonzentration von 1 ng/ml THC gemessen, ist der sichere Nachweis erbracht, dass der Betroffene noch unter der Wirkung zuvor genossenen Cannabis steht. Vorsatz und Fahrlässigkeit müssen sich dabei nicht lediglich auf den Konsumsvorgang, sondern auch auf die Wirkungen des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt beziehen. An der Erkennbarkeit der Wirkung zum Tatzeitpunkt kann es fehlen, wenn zwischen der Einnahme des Rauschmittels und der Fahrt längere Zeit vergeht. Bei einem mehr als 28 Stunden zurückliegenden Einnahmezeitpunkt bedarf es deshalb näherer Ausführungen dazu, aufgrund welcher Umstände sich der Betroffene hätte bewusst machen können, dass der Haschischkonsum nach mehr als einem Tag noch hätte Auswirkungen haben können (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 16.03.2007 - Ss (B) 5/2007 (18/07), NJW 2007, 1373 f).
Zum objektiven Tatbestand des § 24 a II StVG gehört lediglich das Führen eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung eines in der Anlage zu § 24 a StVG genannten berauschenden Mittels. Wird im Blut des Betroffenen eine Wirkstoffkonzentration von 1 ng/ml THC gemessen, ist der sichere Nachweis erbracht, dass der Betroffene noch unter der Wirkung zuvor genossenen Cannabis steht. Vorsatz oder Fahrlässigkeit müssen sich dabei nicht lediglich auf den Konsumvorgang, sondern auch auf die Wirkungen des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt beziehen. Aus einem THC-Coarbonsäurewert von 6 ng/ml lässt sich nicht auf einen aktuell regelmäßigen Konsum schließen (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29.11.2006 - Ss (B) 44/2006 (57/06) - NJW 2007, 309 ff).
Die Rechtsprechung des BVerfG, wonach eine Verurteilung nach § 24 a Abs. 2 StVG nur dann in Betracht kommt, wenn eine Konzentration des Rauschmittels festgestellt wird, die es möglich erscheinen läßt, daß der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war, ist auch auf Amphetamin anzuwenden. Eine Ahndung nach § 24 a Abs. 2 StVG setzt auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG nicht voraus, daß bestimmte Grenzwerte erreicht werden. Der analytische Grenzwert, ab dem sicher mit dem Auftreten von Ausfallerscheinungen, also mit einer Einschränkung der Fahrtüchtigkeit im Sinn der Rechtsprechung des BVerfG zu rechnen ist, beträgt für Amphetamin 25 ng/ml. Wird dieser Grenzwert nicht erreicht, kommt eine Verurteilung nach § 24 a Abs. 2 StVG nur in Betracht, wenn Umstände festgestellt werden, aus denen sich ergibt, daß die Fahrtüchtigkeit des Angeklagten trotz der verhältnismäßig niedrigen Betäubungsmittelkonzentration zwar nicht aufgehoben, aber doch eingeschränkt war (OLG München, Beschluss vom 13.03.2006 - 4 St RR 199/05).
Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft lässt sich allein durch die Messtechnik des Atemalkoholmessgeräts Dräger Alcotest 7110 Evidential MK III im Grenzwertbereich von 0,25 mg/l eine i.S. von § 24 a I StVG entscheidungserhebliche Beeinflussung durch Hypoventilation (Luftanhalten vor Atmung) nicht sicher ausschließen (insoweit abweichend BayObLG, BayObLGSt 2000, 51 [59] = NZV 2000, 295 [298]). Ob die behauptete Hypoventilation als zutreffend oder als Schutzbehauptung angesehen wird, obliegt der tatrichterlichen Würdigung unter Berücksichtigung etwaiger Besonderheiten des Messvorgangs (Atemtemperatur, Atemvolumen, Expirationsdauer, Atemfluss) und der einzelnen Messergebnisse (OLG Bamberg, Beschl. v. 12.12.2005 - 2 Ss OWi 319/05 zu StVG § 24 a I; StPO §§ 261, 267 V 1).
Die verfassungskonforme Anwendung des § 24 a Abs. 2 StVG gebietet keine Feststellungen zur Wirkung einer Substanz im Sinne einer konkreten Beeinträchtigung, sondern den qualifizierten Nachweis der erfaßten Substanzen als einschränkende objektive Voraussetzung der Ahndbarkeit gemäß § 24 a Abs. 2 S. 2 StVG, der erfordert, daß zumindest der jeweilige analytische Grenzwert erreicht ist (anknüpfend an BVerfG, Beschl. v. 21. 12. 2004 - 1 BvR 2652/03, abgedruckt in NJW 2005, 349 = StV 2005, 383; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 13.04.2005 - 1 Ss 50/05, StV 2005, 443 f).
Das Führen eines Kfz unter der Wirkung des berauschenden Mittels Methamphetamin erfüllt nicht den Tatbestand des § 24 a Abs. 2, 3 StVG, weil es sich bei Methamphetamin nicht um eine der in der Anlage zu § 24 a StVG enumerativ aufgeführten Substanzen handelt. Eine Ahndung nach § 24 a Abs. 2, 3 StVG ist jedoch dann möglich, wenn sich das Methamphetamin bereits teilweise zu Amphetamin abgebaut hatte und das Vorhandensein des Abbauprodukts Amphetamin für einen Zeitpunkt während der Fahrt im Blut nachgewiesen werden kann (OLG Thüringen, Beschluss vom 26.01.2005 - 1 Ss 318/04, StV 2005, 276).
Die Nichteinhaltung der "Wartezeit" von (mindestens) 20 Minuten zwischen (gesichertem) Trinkende und der Durchführung der Atemalkoholmessung hat grundsätzlich die Nichtverwertbarkeit des Ergebnisses zur Folge (BayObLG, Beschluss vom 02.11.2004 - 2 ObOWi 471/04, ZfS 2005, 44).
Alkoholgenuss und Fahrtüchtigkeit
Alkohol gehört zu den alltäglichen Konsumgütern, die wie selbstverständlich konsumiert werden. Wenn anschließend noch mit einem Fahrzeug/Kraftfahrzeug gefahren werden soll, stellt sich die Frage, ob der Betreffende noch fahrtüchtig ist.
Fahruntüchtig ist, wer den Anforderungen schwieriger Verkehrslagen, wie sie jederzeit auftreten können, nicht mehr gewachsen ist bzw. wenn Funktionsstörungen eintreten, die durch Willensanspannung nicht mehr ausgeglichen werden können (BGHSt 19, 243,244).
Unterschieden wird zwischen absoluter und relativer Fahruntüchtigkeit.
- Absolut fahruntüchtig ist derjenige, der eine Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,1 Promille aufweist.
- Relativ fahruntüchtig ist derjenige, der eine Blutalkoholkonzentration zwischen 0,3 - 1,09 Promille und weitere Beweisanzeichen ( Ausfallerscheinungen) aufweist.
Das heißt, auch wenn nur sehr geringe Alkoholkonzentrationen ab 0,3 Promille vorliegen, kann es sein, dass trotzdem eine relative Fahruntüchtigkeit und somit eine Straftat vorliegt.
Beweisanzeichen sind erkennbare Fahrfehler, wie sie beispielsweise oft bei einer Unfallverursachung auftreten können. Hier kann auch ein geringer Alkoholgenuß bereits fatale (strafrechtliche) Folgen haben, wenn der Unfall alkoholbedingt verursacht wurde.
Darüber hinaus ist es verboten, ohne dass irgendwelche Anforderungen an Ausfallerscheinungen gestellt werden, mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille und mehr ein Kraftfahrzeug zu führen. Auch dies führt dann zu einer Ordnungswidrigkeit.
Allgemeine Kriminalität - Entziehung der Fahrerlaubnis
Siehe unter ?Entziehung der Fahrerlaubnis".
Allgemein rechtfertigender Notstand § 34 StGB
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.
Hinweise/Leitsätze/Entscheidungen:
Der allgemein rechtfertigende Notstand ist in § 34 StGB geregelt. Bezogen auf Sachen ist der zivilrechtliche Notstand (§§ 228, 904 BGB) vorrangig.
Der Notstand setzt eine Notstandslage voraus. Erforderlich ist eine gegenwärtige Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes schutzwürdiges und schutzbedürftiges Rechtsgut.
Die Notstandslage darf nicht anders abwendbar sein. Sie muss erforderlich sein. Erforderlich ist eine Notstandshandlung, wenn sie das geeignete, sicherste und mildeste Mittel im Hinblick auf die Abwendung der Gefahr ist.
Das bedrohte Interesse muss gegenüber dem von der Verteidigungshandlung betroffene Interesse wesentlich überwiegen.
Das Mittel muss sozialethisch angemessen sein.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... 2. Demgegenüber ergibt sich - entgegen der Ansicht der Revision des Angeklagten - weder aus dem Prinzip der Menschenwürde ( Art. 1 Abs. 1 GG ) noch aus dem Gesichtspunkt der Straflosigkeit der Hilfe zur Selbsttötung oder aus der jüngsten Rechtsentwicklung des Problemkreises "Sterbehilfe und Sterbebegleitung" eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des Betäubungsmittelgesetzes ; auch eine Rechtfertigung oder Entschuldigung allgemeiner Art kann so hier nicht begründet werden.
a) Allerdings ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der einhelligen Lehre die - theoretisch gegebene - Teilnahme an der Selbsttötung eines vollverantwortlich Handelnden mangels einer Haupttat straflos (Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. vor § 211 Rdn. 10 m. N. der Rspr. und des Schrifttums). Ein solcher Fall liegt hier vor. Frau Dr. T nahm sich, wie die vom Landgericht umfassend festgestellten Einzelheiten ergeben, in voller Selbstverantwortlichkeit das Leben. Der Angeklagte half ihr hierbei. Die Straflosigkeit seines Verhaltens unter dem vorstehend genannten Aspekt beschränkt sich jedoch auf eben diesen und erstreckt sich nicht etwa auf das vom Angeklagten begangene Betäubungsmitteldelikt, mit dem andere Rechtsgüter gefährdet wurden. Der Verordnungsgeber hat mit der Entscheidung, Pentobarbital in die Liste der Betäubungsmittel gemäß § 1 Abs. 1 BtMG aufzunehmen, dem Gesichtspunkt Rechnung getragen, daß ein Umgang mit diesem Betäubungsmittel für die Volksgesundheit grundsätzlich gefährlich ist.
b) Zudem ist in der rechtswissenschaftlichen und rechtspolitischen Diskussion des Problemkreises ?Sterbehilfe und Sterbebegleitung' in jüngster Zeit eine Entwicklung in zweierlei Richtungen zu verzeichnen. Zum einen wird dem Gesichtspunkt der Patientenautonomie ständig zunehmende Bedeutung beigemessen (vgl. Taupitz, Gutachten für den 63. Deutschen Juristentag 2000; Otto, Gutachten für den 56. Deutschen Juristentag 1986; jeweils m. N., und die Sitzungsberichte der jeweiligen Tagungen des Deutschen Juristentages). Zum anderen ist die sog. "indirekte Sterbehilfe" nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 42, 301, 305; vgl. auch BGHSt 37, 376 [BGH 08.05.1991 - 3 StR 467/90] ; 40, 257) [BGH 13.09.1994 - 1 StR 357/94] und einem nahezu einhelligen Grundkonsens im Schrifttum zulässig (Kutzer NStZ 1994, 110, 114 f. [BGH 19.10.1993 - 1 StR 662/93] m. N. ). Dabei wird unter indirekter Sterbehilfe verstanden, daß die ärztlich gebotene schmerzlindernde Medikation beim tödlich Kranken nicht dadurch unzulässig wird, daß sie als unbeabsichtigte, aber unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen kann. Soweit eine solche Medikation den Tatbestand eines Tötungsdeliktes durch bedingt vorsätzliche Verursachung eines früheren Todes verwirklicht, ist das Handeln des Arztes nach § 34 StGB gerechtfertigt, sofern es nicht - ausnahmsweise - dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Patienten widerspricht (Kutzer aaO; vgl. auch die demnächst veröffentlichte Podiumsdiskussion ?Sterbehilfe - Sterbebegleitung' anläßlich der 50. Wiederkehr der Errichtung des Bundesgerichtshofs am 4. Mai 2000).
c) Weder aus diesen Rechtsgesichtspunkten noch aus sonstigen allgemeinen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen kann die Straflosigkeit des Umgangs des Angeklagten mit dem Betäubungsmittel hergeleitet werden. Der Angeklagte handelte weder als Arzt noch als Angehöriger der Verstorbenen oder als sonst persönlich Betroffener, auf dessen Gewissensentscheidung es ankommen könnte. Er agierte vielmehr als persönlich Unbeteiligter im Rahmen einer moralpolitisch getragenen Bewegung, deren Ziele anerkennenswert sein mögen. Sein Handeln war nicht primär vom Zweck der Schmerzlinderung (unter Inkaufnahme eines früheren Todeseintritts) getragen. Vielmehr zielte seine Aktivität direkt auf den Tod.
Zur Beantwortung der Frage, ob solches Verhalten unter den Gesichtspunkten des § 34 StGB gerechtfertigt oder unter den Aspekten des § 35 StGB entschuldigt sein kann, ist von den Grundentscheidungen der Rechtsordnung auszugehen. Das Leben eines Menschen steht in der Werteordnung des Grundgesetzes - ohne eine zulässige Relativierung - an oberster Stelle der zu schützenden Rechtsgüter. Die Rechtsordnung wertet eine Selbsttötung deshalb - von äußersten Ausnahmefällen abgesehen - als rechtswidrig (BGHSt 6, 147, 153), stellt die Selbsttötung und die Teilnahme hieran lediglich straflos.
Dieser grundsätzliche Vorrang des Lebensschutzes ist zu beachten, wenn wie hier in eine Abwägung ein auch in Art. 1 Abs. 1 GG angelegtes Recht des Einzelnen auf ein Sterben unter ?menschenwürdigen' Bedingungen einzustellen ist. Dabei muß auch die Grundentscheidung berücksichtigt werden, die aus der Vorschrift des § 216 StGB spricht, wonach die Tötung auf Verlangen des Getöteten lediglich eine Strafmilderung gegenüber dem Totschlag auslöst. Dies zeigt an, daß die Rechtsordnung die Mitwirkung eines anderen am Freitod eines Menschen grundsätzlich mißbilligt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob Besonderheiten namentlich etwa für das Handeln naher Angehöriger eines Sterbewilligen gelten können. Für Außenstehende wie hier den Angeklagten, der im Rahmen einer Organisation ohne persönliches Näheverhältnis handelte, kann eine Abwägung der genannten Art grundsätzlich nicht zur Straflosigkeit des Umgangs mit Betäubungsmitteln führen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem moralpolitischen Engagement des Angeklagten. ..." (BGH, Urteil vom 07.02.2001 - 5 StR 474/00).
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?... Der Senat hat zwar in der Entscheidung BGHSt 27, 260 aus § 34 StGB , §§ 228 , 904 BGB den allgemeinen Rechtsgedanken entnommen, daß die Verletzung eines Rechts in Kauf genommen werden muß, wenn es nur so möglich erscheint, ein höheres Rechtsgut zu retten. Hier geht es jedoch nicht um solche präventiven Zwecke. Die vom Oberlandesgericht erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens getroffene Anordnung diente - anders als die zulässige Aufnahme der Erpresserstimme während der Entführungsaktion und deren Abspielen unter einer von potentiellen Zeugen wählbaren Telefonnummer (vgl. Lenckner a.a.O. § 201 Rdn, 31) - nicht der Abwehr einer gegenwärtigen, von dem abgehörten, aber noch nicht identifizierten Sprecher ausgehenden Gefahr, sondern ausschließlich dem Zweck, gegenüber einem hinreichend tatverdächtigen Angeklagten ein zusätzliches Beweismittel für die Hauptverhandlung zu schaffen. Es kann offen bleiben, ob aus dem Umstand, daß eine Klärung eines schwerwiegenden Tatvorwurfs mit den in der Strafprozeßordnung zugelassenen Beweismitteln möglicherweise nicht herbeigeführt werden kann, eine gegenwärtige, anders nicht abwendbare Gefahr für ein höherwertiges Rechtsgut hergeleitet werden kann. Das wäre allenfalls für eine ganz außergewöhnliche Situation, die hier nicht vorliegt, in Betracht zu ziehen (vgl. BGHSt 31, 304, 307; Stern, Zur Frage des ungeschriebenen Notrechts in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, Hrsgb. Bundesministerium des Innern, 1981 S. 171, 183 f.). Sonst würde die wohlabgewogene gesetzliche Regelung der strafprozessualen Eingriffsbefugnisse verschoben (Roxin JuS 1976, 505, 510). Aus BVerfGE 34, 238 ergibt sich nichts anderes.
Ob in Fällen schwerer Kriminalität die heimliche Tonbandaufzeichnung einer Vernehmung des Beschuldigten zum Zwecke der Stimmidentifizierung zulässig ist (so Boujong in KK § 136 a Rdn. 25 m.w.Nachw.; a.A. Laufhütte in KK vor § 94 Rdn. 4; Dürig in Maunz/Dürig/Herzog, Kommentar zum Grundgesetz - Stand Januar 1985 - Art. 2 Abs. 1 Rdn. 39 f.), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn dieser Eingriff wäre - anders als die vom Oberlandesgericht angeordnete, gezielte Verleitung zum unbewußten Schaffen von Anknüpfungstatsachen für ein Sachverständigengutachten - nicht von vornherein ein Verstoß gegen wesentliche Strukturprinzipien des Strafverfahrensrechts, weil der Beschuldigte vor der Vernehmung nach § 136 Abs. 1 StPO über sein Weigerungsrecht belehrt werden muß und § 168 a Abs. 2 StPO die Tonbandaufnahme einer Vernehmung auch gegen den Willen des Beschuldigten, wenn auch nicht heimlich, ausdrücklich zuläßt (z.B. Rieß in Löwe/Rosenberg, StPO Ergänzungsbd. 1980 § 168 a Rdn. 7). ..." (BGH, Urteil vom 09.04.1986 - 3 StR 551/85)
1. Notstandslage
?... Demgemäß könnte im vorliegenden Fall eine Nötigung des Baggerführers in Betracht kommen, wenn dieser die Abbrucharbeiten eingestellt hat, um die Angekl. auf dem Dach des Hauses nicht zu verletzen oder gar zu töten.
Sollte das LG in der neuen Hauptverhandlung zur Annahme einer Nötigung i. S. v. § 240 Abs. 1 StGB gelangen, wird es auch die Rechtswidrigkeit näher zu erörtern haben. Hierzu wird es auch näherer Feststellungen zur Rechtmäßigkeit des Gebäudeabbruchs bedürfen. Den bisherigen Feststellungen kann nicht entnommen werden, daß die nach § 80 Abs. 1 BauO in der damaligen Fassung notwendige Genehmigung der Bauaufsichtsbehörde, die auch bei kommunalen Bauvorhaben notwendig ist (vgl. Gädtke/Temme, BauO, 6. A., § 97 Anm. zu Abs. 1 S. 638), trotz Vorbehalts des Regierungspräsidenten erteilt worden ist. Auf der Grundlage der rechtlichen Beurteilung des Gebäudeabbruchs und der konkreten Umstände des Abbruchs sowie der Räumung des Nachbarhauses werden zunächst die Rechtfertigungsgründe der §§ 32 und 34 StGB zu erörtern sein. Insbes. wird es näherer Erörterung bedürfen, warum die Zerstörung eines Eßservice beim Auszug der Bewohner aus dem Nachbarhaus und die Verschlechterung des psychischen Zustands eines Kindes zufallsbedingt gewesen sein soll. Gegebenenfalls wird auch die Frage der Rechtswidrigkeit nach § 240 Abs. 2 StGB zu prüfen sein. ..." (OLG Köln, Urteil vom 23.04.1985 - Ss 67-68/85 - StV 85, 371 f).
1.1 Gegenwärtige Gefahr
Bei den Notstandsvorschriften der §§ 34, 35 StGB erkennt die Rechtsprechung eine so genannte Dauergefahr als gegenwärtig an, wenn sich die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts so verdichtet hat, dass die zum Schutz des bedrohten Rechtsgutes notwendigen Maßnahmen sofort eingeleitet werden müssen, um den Schaden sicher zu verhindern:
?... a) Es ist bereits fraglich, ob auch in einem Fall wie hier eine gegenwärtige Gefahr, wie sie die Notstandsvorschriften nach §§ 34, 35 StGB voraussetzen, bejaht werden kann. Zwar erkennt die Rechtsprechung eine so genannte Dauergefahr als gegenwärtig an, wenn sich die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts so verdichtet hat, dass die zum Schutz des bedrohten Rechtsgutes notwendigen Maßnahmen sofort eingeleitet werden müssen, um den Schaden sicher zu verhindern (BGHSt 48, 255, 259). Dieser Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem damit zu rechnen war, dass der Aggressionstäter aus dem Schlaf heraus erwachen und sogleich zu körperlichen Misshandlungen schreiten könnte. Demgegenüber ist das Tatgeschehen hier dadurch gekennzeichnet, dass zwischen dem Entschluss zur Tötung des Ehemannes und seiner endgültigen Umsetzung ein Zeitraum von etwa 3 Monaten liegt und selbst der letztlich durchgeführten Erschießung ein Vorbereitungszeitraum von über eine Woche vorausging.
b) Die pauschalen Ausführungen zum Irrtum, wonach die Angekl. ?subjektiv keine andere Möglichkeit sah" und ?nicht erkannt habe, dass sie die Gefahr auf die vorbezeichnete Weise Erfolg versprechend abwenden kann", erscheinen nicht ausreichend. Bei der festgestellten Sachlage, bei der die Annahme eines Putativnotstandes ohnehin fernlag, hätten die behaupteten irrigen Vorstellungen der Angekl. näher und konkret dargelegt werden müssen, damit nachgeprüft werden kann, ob die vorgestellten Umstände, wenn sie zutreffen würden, die Annahme einer Notstandslage i.S. d. § 35 I StGB rechtfertigen könnten.
c) Im Übrigen lässt die Beweiswürdigung der StrK zu diesem Punkt eine Auseinandersetzung mit der nahe liegenden Frage vermissen, ob nicht der wahre Grund für die Entscheidung der Angekl., sich nicht dem Zugriff ihres Ehemannes durch eine Flucht ins Frauenhaus oder entsprechende Maßnahmen, etwa nach dem Gewaltschutzgesetz, zu entziehen, sondern diesen lieber aus dem Wege zu räumen, darin bestand, dass sie eine weitere Tätigkeit in der bislang mit ihrem Ehemann betriebenen Eisdiele und ein Verbleiben in der Ehewohnung sicherstellen wollte. ..." (BGH, Beschluss vom 01.12.2005 - 3 StR 243/05).
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?... Auch nach Notstandsgrundsätzen (§ 34 StGB) lassen sich die Aufzeichnungsmaßnahmen nicht rechtfertigen. Im Regelungsbereich der §§ 100a ff StPO kann für eine Strafverfolgungsbehörde Notwehr oder rechtfertigender Notstand allenfalls in ganz außergewöhnlichen Fällen in Betracht kommen (vgl. Dreher/Tröndle, 41. A., § 201 StGB Rdnr. 8; Lenckner in Schönke/Schröder, 21. A., § 201 StGB Rdnr. 31 ff mwN). Im vorliegenden Fall, der weder hinsichtlich der Tat noch im Hinblick auf die Person des Angekl. außergewöhnliche Umstände aufweist, dienten die behördlichen Maßnahmen jedenfalls nicht der Abwehr einer gegenwärtigen, einem bestimmten Rechtsgut drohenden Gefahr, sondern einzig dem Zweck, ein Beweismittel für die spätere Überführung des Angekl. zu schaffen. Bei dieser Fallgestaltung besteht schon deshalb keine Möglichkeit, § 34 StGB als Rechtfertigungsnorm heranzuziehen (vgl. auch Samson in SK, § 201 StGB Rdnr. 26). ..." (BGH, Urteil vom 17.03.1983 - 4 StR 640/82)
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Wer Betäubungsmittel im Rahmen einer schmerzlindernden Eigentherapie konsumiert und selbst anbaut, kann sich nur ausnahmsweise auf den Rechtfertigungsgrund des Notstands berufen. An eine solche Notstandslage sind hohe Anforderungen zu stellen (KG, Urteil vom 25.05.2007 - 1 Ss 36/07).
Das unerlaubte Mitführen von Butterflymessern in Flugzeugen ist auch dann nicht nach § 34 StGB, § 193 StGB oder Art. 5 GG gerechtfertigt, wenn der Angeklagte als freier Journalist in Absprache und unter Absegnung mit der Redaktionskonferenz des Fernsehsenders die Straftat zur Aufdeckung und Dokumentierung von Sicherheitsmängel verübte. Die aufgedeckten Sicherheitsmängel mögen zwar eine Dauergefahr für die Sicherheit des Lufttransports darstellen, die Kontrollen finden aber nur bei Zutritt zu den Bereichen auf Flughäfen statt, nicht dagegen im Flugzeug (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.10.2005, Az. III-5 Ss 63/05 - 33/05 I zu LuftVG § 11 Abs. 1 Nr. 1, LuftVG § 27, WaffG § 1 Abs. 7, WaffG § 2, WaffG § 37 Abs. 1, StGB § 34, StGB § 193):
?... 7 a) Die Sicherheit des Lufttransports, die durch § 27 IV 1 Nr. 1 LuftVG, § 11 I Nr. 1 LuftsicherheitsG geschützt wird (BT-Dr 13/9513 v. 18. 12. 1997, S. 30), ist ein anderes Rechtsgut i.S. von § 34 S. 1 StGB. Die aufgedeckten Sicherheitsmängel mögen auch eine gegenwärtige Dauergefahr (vgl. BGHSt 48, 255, 258f. = NJW 2005, 2464 = NStZ 2005, 482 = BGHR StGB § 35 I Gefahr, gegenwärtige 3, zu den inhaltsgleichen Merkmalen des § 35 I 1 StGB) für die Sicherheit des Lufttransports gewesen sein. Ob diese Gefahr nicht anders als durch Taten abwendbar (vgl. BGHSt 48, 255, 260f. = NJW 2005, 2464 = NStZ 2005, 482 = BGHR StGB § 35 I Gefahr, abwendbare 2) war, die einen Straftatbestand erfüllten, ist unklar, kann aber offen bleiben. Die konkret ausgeführten Taten waren jedenfalls nicht gerechtfertigt, weil der Angekl. den angestrebten Erfolg - verbesserte Sicherheitskontrollen - durch geringere Rechtsverletzungen hätte erreichen können. ..."
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?... Die für die Anwendung des § 34 StGB vorauszusetzende Notstandslage hat das LG offenbar in einer Gefahr für die Psyche, möglicherweise auch für das Leben der Zeugin C. (Suizidgefahr) gesehen. Daß eine gegenwärtige Gefahr in dieser Hinsicht tatsächlich bestand, hat es jedoch nicht festgestellt.
Gefahr ist ein Zustand, in dem nach den konkreten Umständen der Eintritt eines Schadens nahe liegt (Lackner § 34 Rdnr. 2; LK/ Hirsch StGB 11.A. - 13. Lfg. - § 34 Rdnr. 26). Eine Gefahr ist gegenwärtig, wenn bei natürlicher Weiterentwicklung der Dinge der Eintritt eines Schadens sicher oder doch höchstwahrscheinlich ist, falls nicht alsbald Abwehrmaßnahmen ergriffen werden, oder wenn der ungewöhnliche Zustand nach menschlicher Erfahrung und natürlicher Weiterentwicklung der gegebenen Sachlage jederzeit in einen Schaden umschlagen kann (BGH NJW 1989, 176). Eine gegenwärtige Gefahr in diesem Sinne hat das LG nicht festgestellt. Soweit es ausführt ?Das Ereignis, daß der Heimleiter sexuelle Kontakte zu der Zeugin C. aufgenommen hatte, konnte die vom Angekl. befürchteten psychischen Folgen haben', spricht es damit nur die Möglichkeit, nicht aber die Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewißheit eines Gesundheitsschadens an. Zudem bleibt offen, auf welcher tatsächlichen Grundlage die Annahme des LG beruht, das fragliche Ereignis könne die vom Angekl. befürchteten ?psychischen Folgen' haben. Das LG teilt allein die Einschätzung des Angekl. selbst mit, nach der die Ursache der psychischen Störungen der Zeugin (möglicherweise) in ?sexuellen Mißbrauchserfahrungen' liege und die sexuelle Beziehung der Zeugin zum Heimleiter ?im Sinne der Psychologie' einen sexuellen Mißbrauch darstellen könne. Eine Auseindersetzung damit, ob diese Einschätzung zutrifft, fehlt. Maßstab für die Beurteilung der Frage, ob im Zeitpunkt des Handelns des Angekl. eine gegenwärtige Gefahr im Sinne von § 34 StGB vorlag, ist die objektive nachträgliche Prognose eines sachkundigen Beobachters (LK/ Hirsch § 34 Rdnr. 29; Lackner § 34 Rdnr. 2). Daß das LG über die erforderliche Sachkunde verfügte, läßt sich dem Urteil nicht entnehmen. ..." (BayObLG, Beschluss vom 8.11.1994 - 2 St RR 157/94, StV 1996, 484 f)
1.2. Gefahr für schutzwürdige oder schutzbedürftiger Rechtsgüter - Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum
?... Auch der Rechtfertigungsgrund des Notstandes ( § 34 StGB ) kann den Besitz von Betäubungsmitteln durch den Angeklagten unter den gegebenen Umständen nicht rechtfertigen. Grundsätzlich sind allerdings auch Rechtsgüter der Allgemeinheit notstandsfähig; das ergibt sich aus dem Wesen des Notstandes und gilt auch für die Bekämpfung des Betäubungsmittelhandels (OLG München NJW 1972, 2275 [OLG München 10.03.1972 - 2 Ws 40/72] ; Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 34 Rdn. 10; a.A. Franzheim NJW 1979, 2014, 2017 [VG Karlsruhe 13.03.1978 - V - 135/77] ; Seelmann ZStW 95 (1983), 797, 808). Doch fehlt es jedenfalls daran, daß die Gefahr nicht anders abwendbar war. Schon nach den zeitlichen Abläufen wäre es hier dem Angeklagten ohne Schwierigkeiten möglich gewesen, sich selbst oder durch B. mit der Polizei in Verbindung zu setzen, um die Frage der Zulässigkeit einer Inbesitznahme von Betäubungsmitteln zu klären; hätte daraufhin die Polizei ihr Einverständnis erklärt, wäre der Besitz der Betäubungsmittel durch den Angeklagten jedenfalls aus subjektiven Gründen straffrei geblieben (vgl. Dreher/Tröndle, StGB 44. Aufl. § 16 Rdn. 27). Ein Notstand lag nach alledem hier nicht vor.
Auch dafür, daß der Angeklagte irrtümlich angenommen habe, die Polizei sei damit einverstanden, daß er Betäubungsmittel in Besitz nehme, oder daß er allgemein den Besitz der Stoffe wegen der verfolgten Zielsetzung für erlaubt gehalten habe, ergeben sich aus den Feststellungen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Zudem könnte ein allgemeiner Irrtum, sein Vorgehen sei erlaubt, nur als Verbotsirrtum eingestuft werden. ... (BGH, Urteil vom 05.07.1988 - 1 StR 212/88).
***
?... Die Ausführungen des Bekl. in der Berufungsinstanz ändern nichts daran, dass er vorwerfbar fehlerhaft davon ausgegangen ist, die Klägerin nicht von der auch ihr Leben bedrohenden Erkrankung ihres Lebenspartners in Kenntnis setzen zu dürfen. Selbst wenn man ergänzend zum Schutz der Intimsphäre des Patienten den Gesichtspunkt des präventiven Gesundheitsschutzes hinzunimmt, kann nicht zweifelhaft sein, dass dem Schutz des Lebens und der Gesundheit eines konkret von einer Ansteckung bedrohten Patienten Vorrang gebührt und [dies] zu einer Entscheidung zu seinen Gunsten führen muss.
Auch der Senat hat keinen Zweifel daran, dass Aids-Patienten in ihrem Vertrauen auf die Zuverlässigkeit der ärztlichen Verschwiegenheit geschützt werden müssen. Zweifellos liegt hier auch eine Aufgabe des staatlichen Gesundheitsschutzes, die strikte Einhaltung dieses Grundsatzes zu gewährleisten. Dies geschieht im übrigen dadurch, dass § 203 StGB dem Arzt hei jeder Verletzung Strafe androht. Es besteht sicherlich die Gefahr, dass Aids-Infizierte einen Arzt meiden könnten, wenn sie von einer Offenbarung ihrer Krankheit durch diesen ausgehen müssten. Dass daraus mangels genutzter Beratungs- und Heilungschancen ein erhebliches Infektionsrisiko für Dritte entstehen könnte, erscheint nachvollziehbar.
Dieser Grundsatz erfährt jedoch eine Einschränkung durch § 34 StGB, wonach das ärztliche Schweigegebot zum Schutz eines höherwertigen Rechtsgutes durchbrochen werden darf und sogar muss. Auch der Bekl. bezweifelt nicht, dass der Schutz eines Patienten vor einer Aids-Ansteckung, die auch nach erheblichen Fortschritten bei den Behandlungsmöglichkeiten eine tödliche Gefahr darstellt. Vorrang vor allen anderen hier in Betracht kommenden Rechtsgütern beanspruchen kann. ...
Die Auffassung des Bekl., er sei an erster Stelle dazu berufen, das von [dem Patienten] ausgehende Infektionsrisiko für die Klägerin zu beurteilen, ist zwar richtig. Zu korrigieren ist aber die in seinen Darlegungen zum Ausdruck kommende Einstellung dann, wenn ein Arzt einseitig die Interessen des Aids-Kranken in den Vordergrund stellt und vor der Gefahr einer Ansteckung eines Menschen, dessen Schutz ihm ebenfalls anvertraut ist, die Augen verschließt.
Der Senat bleibt dabei, dass der Bekl. keinen begründeten Anlass hatte, dem Verantwortungsbewusstsein des an Aids Erkrankten gegenüber seiner Lebensgefährtin zu trauen. Wenn er meint. ein sich seiner Krankheit - aus naheliegenden Gründen - schämender Patient werde durch das Ergreifen aller gebotenen Präventivmaßnahmen ein Ansteckungsrisiko für Dritte vermeiden, gibt dies keinen Anlass, das insoweit beantragte Gutachten eines mit den psychologischen Problemen HIV-Infizierter vertrauten Sachverständigen einzuholen. ...
Die Rechtsfrage hinsichtlich der Sorgfaltspflichten des Bekl. und des Umfanges der Aufklärungsbedürftigkeit der Klägerin abweichend vom LG zu beurteilen, sieht sich der Senat nicht durch den Inhalt der Zeugenaussage Dr. X gehindert. Eine Wiederholung der Beweisaufnahme ist nicht erforderlich, weil nicht angezweifelt wird, dass die Zeugin die niedergelegten Erklärungen abgegeben hat. Es handelt sich auch vorliegend nicht um schwierige ärztliche Fachprobleme, die zwingend die Einholung eines Gutachtens erforderten. Vielmehr geht es darum, welcher Grad an Sicherheit zu verlangen ist, damit der Arzt davon entbunden sein kann, einer von der Aids-Ansteckung bedrohten Patientin die Erkrankung ihres Lebensgefährten zu verschweigen. Der Hauptgrund für das Versagen des Bekl. liegt nicht darin, dass er gegen ärztliche Standards bei der Behandlung eines Patienten verstoßen hat. Ihm gereicht zum Vorwurf, dass er eine falsch gewichtete Güterabwägung i.S. des § 34 StGB vorgenommen hat. Dies zu beurteilen ist Aufgabe der Gerichte. Es ist dabei kein besonderes richterliches Erfahrungswissen erforderlich, dessen Herkunft und Quellen den Parteien mitzuteilen wären.
Indem der Bekl. von einer Unterrichtung der Klägerin abgesehen hat, ist ihm eine schuldhafte Verletzung von ärztlichen Pflichten anzulasten. Sein Unterlassen ist vorwerfbar, weil er nach richtiger Güterabwägung hätte einsehen müssen, dass er die Klägerin nicht der Todesgefahr, sich an Aids zu infizieren, aussetzen durfte. ..." (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 05.10.1999 - 8 U 67/99, NStZ 2001, 149 f)
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Entgegen OLG Frankfurt, NJW 1994, 946, ist das Hausrecht notwehrfähig, so daß ein Mieter einen Nachbarn mit Gewalt daran hindern darf, in seine - des Mieters - Wohnung einzudringen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.08.1997 - 22 U 17/97, NJW 1997, 3383).
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?... Indes leidet das Urteil an dem sachlichen Mangel, daß die Frage, ob zu Gunsten des Angekl. von dem Vorliegen eines rechtfertigenden Notstands (§ 34 StGB) ausgegangen werden könne, nicht geprüft wurde, obwohl sich dies nach den Urteilsfeststellungen aufdrängte. Immerhin geht das AG davon aus, daß der Angekl. in Klein-Asien politischer Verfolgung ausgesetzt war und unmittelbar aus einem Gebiet in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, in dem Leben oder Freiheit bedroht sind. Wenn dies so ist, drängt sich die Prüfung auf, ob der Angekl. in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für eines der in § 34 StGB genannten Rechtsgüter gehandelt hat, um diese Gefahr von sich abzuwenden und ob daraus eine Rechtfertigung i. S. d. § 34 StGB folgt. Im Rahmen dieser Prüfung wären zum einen die Feststellungen, die das Gericht im Hinblick auf Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention getroffen hat, zu berücksichtigen. Denn in den Rahmen der Prüfung des § 34 StGB können die Überlegungen, die der Sachlage des Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention zugrundeliegen, ohne weiteres eingestellt werden. Dabei hätte es mithin der Prüfung bedurft, welche Art von Repressalien der Angekl. zu befürchten hatte sowie der Bewertung des Gewichts dieser Situation anhand der Voraussetzungen den § 34 StGB.
Hierzu erscheinen weitergehende Feststellungen auch heute noch möglich. Zum einen ist nicht ausgeschlossen, daß der Angekl. in einer neuen Hauptverhandlung persönlich oder durch seinen Verteidiger dazu Erklärungen abgeben kann. Da den Feststellungen des Urteils zu entnehmen ist, daß der Angekl. einen Asylantrag gestellt hat, ist ferner anzunehmen, daß er im Asylverfahren nähere Angaben zu den Gründen gemacht hat, die ihn bewogen haben, sich in der festgestellten Weise zu verhalten.
Da das Urteil eine Auseinandersetzung mit der Frage des rechtfertigenden Notstandes insgesamt vermissen läßt und dies Auswirkungen auf den Schuldspruch haben kann, ist es mit den zugrundeliegenden Feststellungen insgesamt aufzuheben. Ein Freispruch - wie der von der StA bei dem OLG Frankfurt/M. beantragt - im Durchgriff (§ 354 Abs. 1 StPO) kann angesichts des Umstands, daß die Voraussetzungen des § 34 StGB nicht ausreichend geklärt sind, nicht stattfinden. Weder lassen die Feststellungen des angefochtenen Urteils als einzig mögliches Ergebnis einer neuen Verhandlung die Annahme eines rechtfertigenden Notstands erwarten noch erscheint ausgeschlossen, daß in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen auch und insbes. zu Gunsten des Angekl., getroffen werden können. ..." (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 28.10.1996 - 32/96, StV 1997, 78 f).
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?... Damit stand für den Fall der Wiedererlangung des Schlüssels infolge der selbst eingeräumten Alkoholisierung der Angekl. ein Angriff auf das Rechtsgut der Sicherheit des Straßenverkehrs unmittelbar bevor. ..." (OLG Frankfurt, Urteil vom 28.08.1995 - 3 Ss 116/95, NStZ-RR 1996, 136)
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Das Hausrecht ist kein notwehrfähiges Rechtsgut (hier: Widerrechtliche Durchsetzung eines Hausverbots im Selbstbedienungsladen; OLG Frankfurt, Entscheidung vom 01.10.1993 - 10 U 181/92, NJW 1994, 946).
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Auch gegen den Willen des Sorgeberechtigten kann die Tetanusimpfung eines Kindes nach § 34 StGB gerechtfertigt sein (AG Nordenham, Urteil vom 08.06.2007 - 5 Cs 135 Js 59229/04 (241/05)).
2. Notstandshandlung
3. Eignung und Erforderlichkeit der Notstandshandlung
Für das Erfordernis der Geeignetheit der Notstandshandlung reicht es aus, dass die erfolgreiche Abwendung des drohenden Schadens nicht ganz unwahrscheinlich ist. Die Frage, wie hoch die Erfolgswahrscheinlichkeit sein muss, um die Beeinträchtigung des Eingriffsguts zu rechtfertigen, ist im Rahmen der Interessenabwägung zu beantworten (OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.06.2004 - 3 Ss 187/03, StV 2005, 273).
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?... 2. Die Tat des Angekl. ist nicht gerechtfertigt. Rechtfertigungsgründe greifen zu seinen Gunsten nämlich nicht ein.
a) Der Angekl. selbst hält sein Handeln durch einen rechtfertigenden Notstand gem. § 34 StGB für gerechtfertigt. Das ist indessen nicht der Fall.
aa) Es ist bereits sehr zweifelhaft, ob der Angekl. die Tat zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben anderer begangen hat. (Wird ausgeführt.)
bb) Die Frage, ob von einem Castor-Transport eine Gefahr für Leib und Gesundheit der Bevölkerung ausgeht, kann letztlich als entscheidungsunerheblich dahinstehen. Bei dem Mittel, das der Angekl. zur Abwendung der Gefahr ergriffen hat, nämlich öffentlich zur Demontage der Schienen vor dem betroffenen Atomkraftwerk aufzurufen, handelt es sich nämlich nicht um ein solches, durch das die Gefahr nicht anders abwendbar ist. In dem Tatbestandsmerkmal des rechtfertigenden Notstandes, daß die Gefahr nicht anders als durch das gewählte Mittel abwendbar sein darf, sind zwei Grundsätze enthalten, nämlich daß das Mittel zur Abwendung der Gefahr geeignet sein und es sich dabei um das relativ mildeste Mittel handeln muß (vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 25. Aufl., § 34 Rdnr. 18).
Es unterliegt bereits erheblichen Zweifeln, ob das vom Angekl. gewählte Mittel zur Abwendung der Gefahr geeignet ist. Denn durch die Demontage von Schienen, zu der er aufgerufen hat, ließe sich der Castor-Transport allenfalls vorübergehend verhindern. Selbst wenn bei den Aktionen, woran sich zu beteiligen der Angekl. aufgerufen hat, die Demontage von Schienen gelungen wäre, hätte der Schienenstrang jederzeit wieder hergestellt werden können mit der Folge, daß auf ihnen der Castor-Transport letztlich doch hätte durchgeführt werden können.
Darauf, daß die Schienen vor dem Atomkraftwerk Gundremmingen bei den Aktionen vom 3. 3. und 28. 4. 1996 demontiert wurden, kam es dem Angekl. letztlich auch gar nicht an, sondern vielmehr darauf, eine möglichst breite Öffentlichkeit auf den bevorstehenden Castor-Transport und die damit - wie mit der Atomkraft überhaupt - für die Bevölkerung verbundenen Gefahren aufmerksam zu machen und Mitstreiter im Kampf gegen die Atomkraft zu gewinnen. Durch die Aktionen sollte ein deutliches Zeichen der Präsenz der Atomkraftgegner gesetzt und auf ein Umdenken der Verantwortlichen hingewirkt werden. Um sich deren Aufmerksamkeit zu versichern, hat der Angekl. bewußt ein nach der Rechtsordnung verbotenes Mittel - den Aufruf zum Eingriff in fremdes Eigentum - eingesetzt wohlwissend, daß sich dadurch der konkrete Castor-Transport letztlich nicht würde verhindern lassen, jedoch erneut ein Zeichen dafür gesetzt werden könnte, daß die Atomkraftgegner in ihrem Kampf gegen dieselbe nicht müde werden würden. Das vom Angekl. gewählte Mittel stellt sich danach nicht als geeignet, den konkreten Castor-Transport zu verhindern, sondern vielmehr nur als Setzen eines Zeichens im Kampf gegen die Atomkraft dar.
Jedenfalls kann das vom Angekl. gewählte nicht als das relativ mildeste Mittel zur Abwendung der von einem Castor-Transport im besonderen und der Atomkraft im allgemeinen ausgehenden Gefahren angesehen werden. Innerhalb der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland stehen dem Angekl. viele Möglichkeiten zur Erreichung seines Zieles zur Verfügung. Er kann seine Meinung zur Atomkraft jedermann gegenüber in vielfältiger Weise kundtun und von der Richtigkeit seiner Meinung zu überzeugen versuchen. Er kann seine Meinung über Medien verbreiten und öffentlich die Auseinandersetzung mit politisch Andersdenkenden suchen. Er kann eine Partei gründen oder sich einer anschließen, in der er seine politischen Ziele am besten vertreten sieht und dafür kämpfen, daß diese gegebenenfalls in Koalition mit anderen - die politische Mehrheit erreicht und die aus seiner Sicht notwendige Entscheidung zu einem Ausstieg aus der Kernenergie trifft. Er kann sich auch außerhalb der politischen Parteien anderweitigen Institutionen anschließen, in denen er seine Ziele vertreten sieht oder auf besondere Aktionen mit demonstrativem Charakter, die nicht in die Rechtsgüter anderer eingreifen, setzen. Der Angekl. hat es mit anderen Worten - zusammen mit politisch Gleichgesinnten - in der Hand, auf politischem Wege inner- und außerhalb des Parlaments für die von ihm für notwendig gehaltene Stillegung der Atomkraftwerke zu kämpfen. Diese Möglichkeiten muß der Angekl. - wie umgekehrt diejenigen, die für eine weitere Nutzung der Kernenergie eintreten - vorrangig ausschöpfen. Sie sind gegenüber dem von ihm gewählten die relativ milderen Mittel, auf die er zur Erreichung seines Ziels von Rechts wegen beschränkt ist (vgl. zur ähnlich gelagerten Problematik bei der Stationierung von Pershing II-Raketen in der Bundesrepublik Deutschld. Lenckner, JuS 1988, 349 (354)). Darauf, daß Aktionen der vom Angekl. gewählten Art, die einen Eingriff in fremde Rechtsgüter beinhalten, möglicherweise eher in der Lage sind, das Gewissen der Entscheidungsträger anzusprechen als legale Demonstrationen, kommt es nicht an. Selbst wenn dies so wäre, was der Angekl. durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens eines Friedens- und Konfliktforschers unter Beweis gestellt hat, wären Verstöße gegen Tatbestände materieller Strafrechtsnormen nicht gerechtfertigt (vgl. BVerfG, NJW 1993, 2432). Daß jedes andere Ergebnis indiskutabel ist, zeigt sich, wenn man die sich daran knüpfenden Folgen betrachtet. Wäre dem Angekl. die Schienendemontage bzw. der Aufruf zu derselben durch Notstandsrechtfertigung erlaubt, zöge dies auf Seiten des betroffenen Atomkraftwerks bzw. der Deutschen Bahn AG eine Duldungspflicht mit der Folge nach sich, daß diese sich gegen die Schienendemontage nicht wehren dürfte. Die von ihnen zum Schutz ihrer Anlagen hinzugerufenen Polizeibeamten würden zu rechtswidrigen Angreifern, wenn sie die Demonstranten an dem Demontieren der Schienen hinderten. Daß hierdurch die Rechtsordnung auf den Kopf gestellt würde, liegt auf der Hand (vgl. Lenckner, JuS 1988, 349 (354)).
Dem Angekl. ist zuzugeben, daß er - außerhalb der legalen, auf die er verwiesen bleiben muß - zu einem an der untersten Schwelle einer Rechtsverletzung liegenden Gewaltmittel gegriffen hat. Er hat zum Demontieren von Schienen vor den Augen der Öffentlichkeit quasi in einem Festakt aufgerufen, wodurch Schaden an den Gleiskörper nur dann einzutreten drohte, wenn - was allerdings nicht abschließend vorauszusehen war - die Polizei die Demonstranten nicht daran hinderte. Das bleibt, wie aufgezeigt, aber Unrecht. Schäden am Gleiskörper werden bei dieser Fallgestaltung nur dadurch verhindert, daß die Demonstranten durch ein großes Polizeiaufgebot in Schach gehalten werden, dessen Bereitstellung die Allgemeinheit viel Geld kostet. Wenn dem Angekl., was ihm die Kammer ohne weiteres abgenommen hat, auch fern liegt, daß durch die Aktionen, zu denen er aufgerufen hat, Personen zu Schaden kommen oder größerer Sachschaden als durch die Aktion notwendig entsteht, so muß er sich doch fragen lassen, ob sich durch seinen Aufruf nicht auch Personen zum - heimlichen, weil mehr Erfolg versprechenden - Demontieren von Schienen ermutigt fühlen können oder er gewaltbereite Personen, die sich nicht an die von ihm bzw. der Mahnwache Gundremmingen ausgegebenen Regeln zu halten bereit sind, mit anzieht und es so durch seine Aufrufe letztlich doch zu Personen- und größeren Sachschäden, möglicherweise gar einem Castor-Unfall, kommen kann. ..." (LG Dortmund, Urteil vom 14.10.1997 - Ns 70 Js 90/96, NStZ-RR 1998, 139 ff)
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?... 2. Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an der Rechtswidrigkeit seines Tuns, denn die Tat des Angekl. ist durch einen rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) gerechtfertigt.
Nach § 34 StGB handelt nicht rechtwidrig, wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für eines der dort genannten Rechtsgüter eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
a) Die oben unter II. beschriebenen erheblichen gesundheitlichen Beschwerden stellen eine ?gegenwärtige Gefahr für Leib" des Angekl. dar.
b) Diese Gefahr ist auch ?nicht anders abwendbar". Zwar könnten die Schmerzen des Angekl. mit Schmerzmitteln behandelt werden. Jedoch verbietet sich hier - wie auch der Sachverständige betont hat - eine Anwendung dieser Mittel. Der Wirkstoff ASS würde die Magenbeschwerden des Angekl. eher verstärken. Opiate sind auf Grund der latent weiter vorhandenen Suchtproblematik des Angekl. ebenfalls kontraidiziert.
Das THC-haltige Medikament Dronabinol kommt aus mehreren Gründen nicht in Frage. Zum einen ist es derart teuer, dass es vom Angekl. nicht finanziert werden kann (ca. 585 EUR pro Monat !). Wie bereits von Sozialgerichten entschieden worden ist, kommt eine Übernahme durch die Krankenkassen nicht in Betracht (vgl. LSG Baden Württemberg, Urt. v. 25. 4. 2003 - L 4 KR 3828/01). Zum anderen führt die Anwendung von Dronabinol bei dem Angekl. zu erheblichen Hautreizungen, die vermutlich - wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat - durch die chronische Leberzirrhose und die damit einhergehende vermehrte Ausschüttung von Gallensäuren, die sich in der Haut anreichern, verursacht werden. Auf Grund dieser nicht hinzunehmenden Nebenwirkungen kommt eine Medikation mit Dronabinol nicht in Betracht. Weitere legale Behandlungsmöglichkeiten sind nicht bekannt.
c) Bei Abwägung der hier widerstreitenden Interessen ist festzustellen, dass das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Das beeinträchtigte Interesse ist hier die Volksgesundheit, denn (nur) sie soll durch die Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes geschützt werden (vgl. BGHSt 37, 179 = NJW 1991, 307 = NStZ 1991, 392; OLG Karlsruhe, NJW 2003, 598 mwN). Hierbei handelt es sich um ein abstraktes Rechtsgut. Es besteht kein durchgreifender Anhaltspunkt dafür, dass durch die Tat des Angekl. eine konkrete Gefährdung oder Schädigung der Volksgesundheit eintritt. Weder konnte festgestellt werden, dass der Angekl. die von ihm aufgezogenen Betäubungsmittel an andere weitergibt bzw. mit ihnen zusammen nutzt. Noch besteht sonst ein Anhaltspunkt, dass die Betäubungsmittel anders als nur durch den Angekl. selbst verbraucht werden. Auch ist nicht feststellbar, dass der Angekl. selbst - und damit die Volksgesundheit - durch die Nutzung der Betäubungsmittel konkret geschädigt wird. Zwar kann der Konsum von Cannabis nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen durchaus zu körperlichen Schäden führen. Jedoch ist hier zu bedenken, dass der Angekl. durch die Nutzung der von ihm angebauten Betäubungsmittel eine Linderung seiner Beschwerden erfährt. Konkret betrachtet wird die Volksgesundheit in diesem Ausnahmefall also eher positiv als negativ beeinflusst. Spätestens die Abwägung der widerstreitenden Interessen führt dazu, dass das Interesse des Angekl. als erheblich höherrangig angesehen werden muss. Gegenüber der - wie vorstehend ausgeführt - lediglich abstrakten Gefahr für die Volksgesundheit überwiegt das Interesse des Angekl. an der Linderung seiner konkreten und erheblichen gesundheitlichen Beschwerden bei weitem. Vor diesem Hintergrund stellt der Anbau der Cannabispflanzen zum Zwecke der Selbstmedikation ein angemessenes Mittel zur Gefahrenabwehr dar (§ 34 S. 2 StGB). Angesichts des unvermeidbar hohen Verbrauchs der Betäubungsmittel bei der Herstellung u.a. von Sitzbädern ist dem Angekl. hier auch nicht vorzuwerfen, Umgang mit einer über das unbedingt Notwendige hinausgehenden Menge Betäubungsmittel gehabt zu haben (anders als z.B. in dem Urt. des erkennenden SchöffenGer. vom 7. 1. 2004 - [284] 6 Op Js 980/02 Ls [100/02] - sowie dem Urt. der Abt. 283 vom 27. 11. 2003 - [283] 4 Op Js 143/00 Ls [168/00]). ..." (AG Berlin-Tiergarten, Urteil vom 28. 4. 2004 - (284) 6 Op Js 2234/02 Ls (26/03), NStZ 2004, 281 f).
4. Interessenabwägung - wesentliches Überwiegen
?... 7 a) Die Sicherheit des Lufttransports, die durch § 27 IV 1 Nr. 1 LuftVG, § 11 I Nr. 1 LuftsicherheitsG geschützt wird (BT-Dr 13/9513 v. 18. 12. 1997, S. 30), ist ein anderes Rechtsgut i.S. von § 34 S. 1 StGB. Die aufgedeckten Sicherheitsmängel mögen auch eine gegenwärtige Dauergefahr (vgl. BGHSt 48, 255, 258f. = NJW 2005, 2464 = NStZ 2005, 482 = BGHR StGB § 35 I Gefahr, gegenwärtige 3, zu den inhaltsgleichen Merkmalen des § 35 I 1 StGB) für die Sicherheit des Lufttransports gewesen sein. Ob diese Gefahr nicht anders als durch Taten abwendbar (vgl. BGHSt 48, 255, 260f. = NJW 2005, 2464 = NStZ 2005, 482 = BGHR StGB § 35 I Gefahr, abwendbare 2) war, die einen Straftatbestand erfüllten, ist unklar, kann aber offen bleiben. Die konkret ausgeführten Taten waren jedenfalls nicht gerechtfertigt, weil der Angekl. den angestrebten Erfolg - verbesserte Sicherheitskontrollen - durch geringere Rechtsverletzungen hätte erreichen können.
8 b) Sicherheitskontrollen finden nur beim Zutritt zu den nicht allgemein zugänglichen Bereichen auf Flugplätzen statt; vor oder im Flugzeug wird nicht mehr kontrolliert. Dieser jedem Flugreisenden bekannte Umstand war ein Grund, die ?waffenfreie Zone" des § 27 IV 1 LuftVG durch das 11. Änderungsgesetz zum Luftverkehrsgesetz (BGBI I 1998, 2432, 2436) ab März 1999 auf die nicht allgemein zugänglichen Bereiche auf Flugplätzen zu erweitern (BT-Dr 13/9513, S. 31). Der Sicherheitsmangel, um den es dem Angekl. ging, war demnach aufgedeckt, sobald er die Sicherheitskontrolle am Eingang des nicht allgemein zugänglichen Bereichs mit dem Messer passiert hatte. An dieser Stelle (zu diesem Zeitpunkt) hätte der Angekl. die Aktion abbrechen können und müssen. Dass - worauf das LG schon zutreffend hingewiesen hat - die ?journalistische Brisanz" des späteren Sendeberichts dadurch verstärkt wurde, dass der Angekl. mit dem Messer die Flüge tatsächlich angetreten und beendet hat, steht außer Frage. Dieser Teil war aber nicht mehr notwendig, um die (unterstellte) Dauergefahr abzuwenden, die der Sicherheit des Lufttransports durch - aus der Sicht des Angekl. - zu laxe Sicherheitskontrollen drohte. Er hat die Gefahr, die es nach Ansicht des Angekl. abzuwenden galt, sogar vergrößert, denn es liegt auf der Hand, dass eine Waffe in der Luft eine größere Bedrohung darstellt als am Boden.
9 c) Dem steht nicht entgegen, dass der Straftatbestand vollständig verwirklicht war, sobald der Angekl. die Sicherheitskontrolle am Eingang des nicht allgemein zugänglichen Bereichs mit dem Messer passiert hatte. Das verbotene Mitführen oder Ansichtragen einer Waffe ist ein Dauerdelikt, das mit dem Zutritt zu der ?waffenfreien Zone" vollendet, aber erst mit dem Verlassen des nicht allgemein zugänglichen Bereichs (hier: auf den 4 Zielflughäfen) beendet ist. Der strafrechtliche Vorwurf bezieht sich bei einer solchen Tat sowohl auf die Herbeiführung als auch auf die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes (BGHSt 36, 255, 257 = NJW 1990, 194; LK-Rissing-van Saan 11. Aufl., Vorb. §§ 52ff. Rn 35; S/S-Stree 26. Aufl., Vorb. §§ 52ff. Rn 81). Ein zunächst gerechtfertigtes Dauerdelikt wird demnach rechtswidrig, wenn und sobald der rechtfertigende Grund wegfällt. Wer etwa einen Angreifer einsperren muss, um ihm zu entfliehen, begeht eine durch Notwehr gerechtfertigte Freiheitsberaubung. Die Rechtfertigung endet aber, sobald die Flucht gelungen ist. Deshalb kann offen bleiben, ob der Angekl. die Gefahr nicht anders als durch das Einschleusen des Messers in den nicht allgemein zugänglichen Bereich abwenden konnte. Die anschließenden Flüge mit dem Messer waren jedenfalls rechtswidrig. ..." (OLG Düsseldorf, Urteil vom 25. 10. 2005 - III-5 Ss 63/05 - 33/05 I, NStZ 2006, 243 f)
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Angesichts der für den Lebenspartner bestehenden Lebensgefahr ist der Arzt im Rahmen der von ihm vorzunehmenden Güterabwägung (vgl. § 34 StGB) zur Durchbrechung seiner ärztlichen Schweigepflicht verpflichtet (OLG Frankfurt, Urteil vom 05.10.1999 - 8 U 67/99, NStZ 2001, 149).
Im Einzelfall kann die Abwägung der Beeinträchtigungen, die einerseits der durch geschützten Ehre, andererseits der Meinungsfreiheit des Art. 5 GG drohen, die nicht verifizierbaren und nicht bewußt unwahren tatsächlichen Bestandteile einer zur Rechtsverteidigung gemachten Äußerung in einem Anwaltsschriftsatz gem. § 193 StGB gerechtfertigt erscheinen lassen (OLG Bremen, Beschluss vom 26.08.1999 - Ss 16/99, StV 1999, 534).
Der behandelnde Arzt kann sich dann nicht auf seine Schweigepflicht berufen, wenn er feststellt, daß sein Patient an Aids erkrankt ist und ihm verbietet, dies seiner Lebensgefährtin, die ebenfalls Patientin dieses Arztes ist, zu offenbaren. Die von ihm vorzunehmende Güterabwägung verpflichtet ihn angesichts der für seine Patientin bestehenden Lebensgefahr, dem Rechtsgut Leben gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse des Erkrankten den Vorzug zu geben (vgl. § 34 StGB; OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.07.1999 - 8 U 67/99, NJW 2000, 875).
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?... Damit stand für den Fall der Wiedererlangung des Schlüssels infolge der selbst eingeräumten Alkoholisierung der Angekl. ein Angriff auf das Rechtsgut der Sicherheit des Straßenverkehrs unmittelbar bevor. Diesen Angriff durfte der Nebenkl. bis zum Eintreffen der Polizei verhindern. Im vorliegenden Fall überwog nämlich das Rechtsgut der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs angesichts der hohen Alkoholisierung der Angekl. ihr Rechtsgut auf freie Willensbetätigung und körperliche Unversehrtheit, zumal der Eingriff des Nebenkl. bei der Angekl. nur eine leichte Körperverletzung verursachte. Darüberhinaus hatte sich ein Zeuge zur Verständigung der Polizei bereit erklärt (vgl. hierzu OLG Koblenz, NJW 1963, 1991). Das Festhalten der Angekl. zur Verhinderung der Wiedererlangung des Schlüssels war auch ein notwendiges und geeignetes Mittel zur Verhinderung einer weiteren Trunkenheitsfahrt der Angekl. Es war dem Nebenkl. nach den Feststellungen nämlich nicht zuzumuten, sich mit dem Schlüssel in sein Fahrzeug zu setzen und zu verbarrikadieren, weil dies die Gefahr von Angriffen der Angekl. auf das Fahrzeug des Nebenkl. nach sich gezogen hätte. Auch das Wegwerfen des Schlüssels war nicht das notwendige geeignete Mittel, weil angesichts der herrschenden Dunkelheit (Tatzeit: 0.30 Uhr) und des Umstandes, daß sich an dem Schlüsselbund noch weitere Schlüssel außer dem Fahrzeugschlüssel befunden hatten, ein Wiederauffinden der Schlüssel beim Eintreffen der Polizei nahezu unmöglich gewesen wäre. Insbesondere hätte der Abtransport des Fahrzeugs der Angekl. von der Unfallstelle zusätzliche Bemühungen und Kosten erfordert,wenn der Fahrzeugschlüssel nicht vorhanden gewesen wäre. Die Angekl. kann sich nach den bisher getroffenen Feststellungen auch nicht auf Putativnotwehr berufen. Feststellungen dazu, daß die Angekl. irrtümlich von einem rechtswidrigen Angriff des Nebenkl. oder seiner Frau auf ihre körperliche Unversehrtheit ausgegangen wäre, enthält das Urteil nicht. ..." (OLG Frankfurt, Urteil vom 28.08.1995 - 3 Ss 116/95, NStZ-RR 1996, 136)
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?... Der Senat sieht nämlich den Eingriff in das Fernmeldegeheimnis des Angekl. jedenfalls durch rechtfertigenden Notstand (in Form der ?Nothilfe") nach § 34 StGB als gerechtfertigt an. Nach herrschender Meinung ist § 34 StGB auf hoheitliche Eingriffe in Individualrechtsgüter anwendbar (vgl. dazu LK-Hirsch 10. Aufl., § 34 Rn 6 mwN). Den hiergegen von Hirsch (aaO, Rn 7 f.) erhobenen Einwendungen vermag der Senat jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht zu folgen.
Die von Hirsch vertretene Interessenabwägungstheorie (zu Einzelheiten vgl. Hirsch aaO, Rn 53 ff.) spricht vorliegend für die Anwendung des § 34 StGB: Das Interesse an der Identifizierung des die Nebenklägerin belästigenden Anrufes lag allein bei dieser. Weder Strafverfolgungsbehörden noch Bundespost hatten mangels eines eigenen Interesses irgendeinen Anlaß, von sich aus hoheitlich tätig zu werden. Vielmehr war ausschließlich die Nebenklägerin mangels jeder anderen Möglichkeit, die Anonymität des Anrufers zu durchbrechen und eine Fortsetzung der telefonischen Beleidigungen zu unterbinden, darauf angewiesen, sich der Bundespost als der Inhaberin der technischen Möglichkeiten zur Feststellung der Herkunft der Anrufe und damit der Identifizierung des Anrufers zu bedienen. Deswegen schlagen die Bedenken Hirschs, die er z. B. bezüglich des unter Hinweis auf § 34 StGB als zulässig angesehenen Lauschangriffs (aaO, Rn 14) erhebt, hier nicht durch. Zum einen hat die Bundespost im Gegensatz zum Lauschangriff keine Kenntnis vom Inhalt der Gespräche nehmen können; zum anderen besteht bei einer Konstellation wie der hier zu beurteilenden keineswegs die von ihm beschworene Gefahr, § 34 StGB könne zu einer öffentlichrechtlichen Supernorm (so aaO, Rn 9) werden. Vielmehr läßt sich vorliegend die Eingriffsbefugnis klar begrenzen: Nur im Interesse der durch einen bestimmten Sachverhalt, nämlich die Erfüllung des Tatbestandes der Beleidigung und die Gefahr der Fortsetzung dieser die Nebenklägerin beeinträchtigenden Rechtsverletzung verstößt die Bundespost sozusagen als deren Werkzeug, ohne selbst an einer Aufklärung der Sache oder an einem Eindringen in das Fernsprechgeheimnis des Revisionsführers interessiert zu sein, objektiv gegen § 354 I StGB und teilt die ihr daraus bekannt gewordene Herkunft der Anrufe der Nebenklägerin mit. Sowohl die tatsächlichen Voraussetzungen des Eingriffs im alleinigen Interesse einer ansonsten schutzlos gestellten Privatperson als auch der Umfang der daraus gewonnenen Erkenntnis und deren alleinige Verwendung zum Zwecke des auf andere Weise nicht zu bewerkstelligenden Rechtsschutzes dieser Privatperson sind somit eindeutig begrenzt.
Wägt man das Interesse des Revisionsführers an der Wahrung des Fernsprechgeheimnisses, soweit es sich auch darauf bezieht, ob von seinem Anschluß zu bestimmten Zeiten ein bestimmter anderer Anschluß angewählt worden ist, ab gegen das Interesse der Nebenklägerin an der nur über die Auflösung der Anonymität des Anrufers zu unterbindenden Fortsetzung der Ehrverletzung, so überwiegt dieses Interesse das des Revisionsführers wesentlich. ..." (OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 27.12.1990 - Ss 40/90, NStZ 1991, 386)
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Ein Ehegatte, der glaubt, sein Partner unterhalte ein ehebrecherisches Verhältnis, handelt unbefugt, wenn er, um Beweismittel für ein beabsichtigtes Scheidungsverfahren zu erlangen, das Telefon des verdächtigten Dritten mit einem Abhörgerät abhört und Gespräche auf einen Tonträger aufnimmt (OLG Stuttgart, Beschluss vom 20.04.1977 - 3 Ss (5) 202/77, NJW 1977, 1546).
5. Sozialethische Angemessenheit des Mittels
6. Gefahrabwendungswille
Außerdem muss der Verteidiger mit Gefahrabwendungswille handeln. Er muss die rechtfertigende Sachlage kennen und aufgrund der ihm dadurch verliehenen Befugnis handeln.Tötet ein Angehöriger heimtückisch handelnd einen äußerst gewalttätigen ?Familientyrannen', von dem eine Dauergefahr (i. S. d. § 35 Abs. 1 StGB) für die Familienmitglieder ausgeht, so hat der Tatrichter grundsätzlich die weiteren Voraussetzungen des entschuldigenden Notstandes zu prüfen. Bei der Prüfung der anderweitigen Abwendbarkeit der Gefahr (§ 35 Abs. 1 StGB) ist regelmäßig vom Täter zu verlangen, dass er zunächst die Hilfe Dritter, namentlich staatlicher Stellen, in Anspruch nimmt. Für die Straffindung ist eine etwaige obligatorische Milderung nach § 35 Abs. 2, § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB der Milderung wegen Vorliegens außergewöhnlicher Umstände beim Heimtücke (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB analog, gemäß BGHSt 30, 105) vorgreiflich (BGH StV 2003, 665 ff).
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Alternative Rüge der Verletzung der §§ 261, 244 II StPO
?... Es kann dahinstehen, ob eine Verfahrensrüge - jedenfalls in Ausnahmefällen, in denen der Akteninhalt ohne weiteres die Unrichtigkeit der Urteilsfeststellungen beweist (vgl. BGHSt 43, 212, 215 f.; BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 36; BGH NJW 2000, 1962, 1963) - alternativ darauf gestützt werden kann, entweder habe das Tatgericht einen Widerspruch zwischen dem Inhalt des Urteils und demjenigen der Akten unter Verletzung seiner Aufklärungspflicht nicht in die Hauptverhandlung eingeführt, oder es habe unterlassen, ihn in den Urteilsgründen zu erörtern (ablehnend etwa BGH NStZ 2007, 115; 1997, 294); denn einen derartigen Widerspruch zwischen Akteninhalt und Urteilsgründen legt die Revision nicht dar. Die zur Begründung der Rüge mitgeteilten Angaben des Angeklagten B. im Ermittlungsverfahren stehen den beanstandeten Ausführungen der Strafkammer nicht entgegen, die Glaubhaftigkeit der Einlassung des B. werde durch ihre Konstanz gestützt, weil sie im Wesentlichen mit dem übereinstimme, was dieser im Rahmen seiner polizeilichen und ermittlungsrichterlichen Vernehmung bekundet habe. Diese Bewertung hat das Landgericht in dem Abschnitt der Beweiswürdigung vorgenommen, in dem es seine Überzeugung allein davon begründet hat, dass P. als Haupttäter das Opfer R. erschlug. Sie bezieht sich nach ihrem eindeutigen Wortlaut (?Die Glaubhaftigkeit der Einlassung des Angeklagten B. bezüglich der Haupttäterschaft des Angeklagten P. ?') ausschließlich hierauf und nicht darüber hinaus auch auf den weiteren Inhalt der Einlassung des B. . Einen anderen Haupttäter als P. hat B. indes auch in den im Ermittlungsverfahren durchgeführten polizeilichen und ermittlungsrichterlichen Vernehmungen nicht benannt.
Soweit die Revision mit Blick auf den dargelegten Umstand meint, in Anbetracht der Entwicklung der übrigen Einlassung des B. - dieser hat das schließlich vom Landgericht festgestellte konkrete Tatgeschehen erst nach und nach eingeräumt und insbesondere seinen eigenen Tatbeitrag und denjenigen des Angeklagten A. nicht von Anfang an konstant geschildert - wäre die abstrahierende Berücksichtigung allein eines Aussageelements aussageanalytisch verfehlt, denn das Landgericht habe die Zuverlässigkeit der Angaben B. s nicht in der von ihm gewählten'schlanken' Form bejahen dürfen (vgl. die Revisionsbegründung von Rechtsanwalt V. , S. 35), beanstandet sie nicht die Aktenwidrigkeit der Urteilsgründe; ihre diesbezüglichen Ausführungen liegen deshalb außerhalb der Angriffsrichtung der erhobenen Alternativrüge. Eine sonstige Verfahrensrüge, mit deren Stoßrichtung der geltend gemachte Gesichtspunkt in Einklang steht, erhebt die Revision nicht. Sachlichrechtlich ist gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts nichts zu erinnern; dies gilt insbesondere auch hinsichtlich seiner auf zahlreiche Umstände gestützte Überzeugung von der Haupttäterschaft des Angeklagten P ..." (BGH, Beschluss vom 05.05.2009 - 3 StR 57/09)
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?... Der Senat hält sie nach eingehender Prüfung für unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Einer Erörterung bedarf allein die auch von der Generalbundesanwältin in ihrem Terminsantrag zur Diskussion gestellte und in der Hauptverhandlung erörterte Rüge der alternativen Verletzung der §§ 261, 244 Abs. 2 StPO.
Die Revision beanstandet, dass sich die Urteilsausführungen nicht damit befassen, dass nach dem schriftlichen Gutachten an einem - beweiserheblichen - neben dem Bett des Tatopfers aufgefundenen Latexstück nicht nur DNA-Spuren des Opfers und des Angeklagten gesichert wurden, sondern in einigen STR-Systemen zusätzlich eine Minimalstbeimengung vorhanden war, welche für Abgleiche jedoch zu geringfügig war.
Diese Rüge hat keinen Erfolg. Widersprüche zwischen dem Inhalt des Urteils und den Akten sind, wenn sie sich nicht aus den Urteilsgründen selbst ergeben, für sich allein revisionsrechtlich unerheblich. Die Rüge kann nicht alternativ darauf gestützt werden, entweder habe der Tatrichter den Widerspruch unter Verletzung seiner Aufklärungspflicht nicht in die Hauptverhandlung eingeführt, oder aber er habe es unterlassen, ihn in den Urteilsgründen zu erörtern (seit BGH NStZ 1992, 506 st. Rspr.; vgl. auch u.a. BGH, Beschluss vom 9. März 1995 - 4 StR 60/95 und BGH, Urteil vom 12. Dezember 1996 - 4 StR 499/96). Die Entscheidung des Senats vom 29. Mai 1991 (NStZ 1991, 448) betraf zum einen eine etwas andere Fallkonstellation, zum anderen ist sie durch die Änderung der Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer Alternativrüge überholt. Gerade im vorliegenden Fall würde die Rüge auf eine unzulässige Rekonstruktion der Hauptverhandlung hinauslaufen. Denn das Revisionsgericht erfährt hier ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung nicht, wie die Sachverständige sich mündlich geäußert hat. Möglicherweise hat sie - wie die Revision im Übrigen selbst in den Raum stellt (Revisionsrechtfertigungsschrift vom 19. April 2006 S. 41) erklärt, dass doch ?Spuren von ausschließlich zwei Personen an dem Beweisstück detektiert werden konnten' und damit die vermeintlichen Unklarheiten beseitigt.
Der Senat kann im vorliegenden Fall zudem ausschließen, dass der Tatrichter, wenn er diesen Punkt ausdrücklich in den Urteilsgründen erörtert hätte, zu einem anderen Beweisergebnis gekommen wäre. Denn für seine Überzeugungsbildung, dass der Angeklagte zur Tatzeit am Tatort war, war entscheidend, dass sich DNA-Spuren gerade des Angeklagten an dem Latexstück fanden, und nicht, ob zusätzlich eine Minimalstbeimengung anderen Spurenmaterials vorhanden war. ..." (BGH, Urteil vom 13.09.2006 - 2 StR 268/06)
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?... 1. Die Rüge, das LG habe, indem es ?das Gutachten des LKA Rheinland-Pfalz vom 11. 6. 1996 in der Hauptverhandlung verlesen hat, dessen begutachtete Betäubungsmittelmengen jedoch nicht identisch sind mit den sichergestellten Betäubungsmittelmengen, gegen die ihr obliegende Aufklärungspflicht gemäß § 244 II StPO sowie gegen §§ 250 , 256 , 261 StPO verstoßen" (Revisionsbegründung Rechtsanwältin H v. 7. 8. 1996), dringt nicht durch.
a) Das LG hat die Feststellungen zu den Mengen der gehandelten Betäubungsmittel und den jeweiligen Wirkstoffgehalt auf das Gutachten des LKA Rheinland-Pfalz vom 11. 6. 1996 gestützt. Hiergegen wendet die Revision ein, tatsächlich seien lediglich 456 g Kokain und 461 g Heroin sichergestellt worden. Dies ergebe sich aus einem Lichtbild, das beide bei dem Scheinkauf sichergestellten Rauschgiftmengen zeige und entsprechende Gewichtsangaben enthalte. Dieses Lichtbild sei in der Hauptverhandlung ?zum Gegenstand der Augenscheinseinnahme gemacht und mit dem ermittelnden Kriminalbeamten, dem Zeugen Br -, erörtert worden". Ferner bezieht sich der Bf. auf ein Sicherstellungsprotokoll vom 15. 1. 1996. Ein Verfahrensfehler wird hiermit nicht aufgezeigt ...
c) Aber auch ein Verstoß gegen § 261 StPO ist nicht dargetan. Zwar kann hiernach beanstandet werden, daß eine verlesene Urkunde oder Erklärung unvollständig oder unrichtig im Urteil gewürdigt worden sei (BGHSt 29, 18, 21; BGH StV 1993, 459; BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 17). Darum geht es hier aber nicht; die Revision trägt selbst nicht vor, daß das in der Hauptverhandlung verlesene Gutachten unvollständig oder falsch verwertet worden sei.
Der Hinweis der Revision auf die von den Feststellungen abweichenden Mengenangaben in dem Sicherstellungsprotokoll sowie auf dem in Augenschein genommenen Lichtbild führt zu keinem anderen Ergebnis. Dieses Vorbringen belegt für sich selbst allenfalls einen Widerspruch zwischen dem Inhalt des Urteils und den Akten. Wie der BGH wiederholt entschieden hat, ist ein solcher Widerspruch, wenn er sich nicht aus den Urteilsgründen selbst ergibt, für sich allein regelmäßig revisionsrechtlich unerheblich; ist der Widerspruch nämlich nicht aus dem Urteil selbst zu entnehmen, läuft die Rüge, der Tatrichter habe es unterlassen, den Widerspruch aufzuklären (§ 244 II StPO) oder in den Urteilsgründen zu erörtern (§ 261 StPO), im Ergebnis auf die unzulässige Rüge der Aktenwidrigkeit der Urteilsgründe hinaus (BGH NStZ 1992, 506; StV 1995, 175; Urt. v. 3. 11. 1994 - 1 StR 470/94).
Das gilt auch hier; denn der vom Bf. behauptete Widerspruch kann in der Hauptverhandlung schon durch die Vernehmung der Angeklagten, die beide den festgestellten äußeren Sachverhalt eingeräumt haben, insbesondere aber durch den als Zeugen vernommenen ermittelnden Kriminalbeamten - zumal im Zusammenhang mit der Inaugenscheinnahme des Lichtbildes von den sichergestellten Rauschgiftmengen - erörtert und ausgeräumt worden sein. Einer Auseinandersetzung damit in den Urteilsgründen bedurfte es dann nicht (BGH StV 1995, 175). ..." (BGH, Urteil vom 12.12.1996 - 4 StR 499/96, NstZ 1997, 294 f)
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?... Das LG hat den Angekl. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 2 Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, unter Einbeziehung einer anderweitig verhängten Strafe zu der Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Die Revision des Angekl. blieb ohne Erfolg. ...
I. 1. Die Rüge, das LG habe es unter Verletzung seiner Aufklärungspflicht unterlassen, den Vernehmungsbeamten B als Zeugen zu hören (§ 244 II StPO), greift nicht durch.
a) Der Angekl. hat eine Tatbeteiligung bei der zweiten Einkaufsfahrt nach Holland zum Ankauf und zur Einfuhr von 1 kg Heroin bestritten. Die Überzeugung von der Täterschaft des Angekl. stützt das LG auf die Aussage des Zeugen W und zusätzlich auf die des Zeugen G, der in der Hauptverhandlung Einzelheiten (auch die Tatbeteiligung des Angekl.) bekundete, die er von dem ebenfalls an der Einkaufsfahrt beteiligten Rauschgifthändler Kö erfahren habe.
Die Revision ist der Auffassung, diese Aussage stehe im Widerspruch zur Aussage des Zeugen G im Ermittlungsverfahren, wo er die Einkaufsfahrt beschrieben, aber den Angekl. als Mittäter nicht erwähnt habe. Das LG hätte deshalb zur Klärung des Widerspruchs den Vernehmungsbeamten B als Zeugen hören müssen.
b) Etwaige Widersprüche zwischen der Aussage in der Hauptverhandlung und früheren Aussagen waren zunächst mit dem in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen G selbst zu klären. Die Rüge, das sei nicht in ausreichendem Maße geschehen, läuft darauf hinaus, der Tatrichter habe ein von ihm benutztes Beweismittel nicht ausgeschöpft. Eine solche Beanstandung mag ausnahmsweise dann statthaft sein, wenn sich aus den Urteilsgründen ergibt, daß der Richter bestimmte sich aufdrängende Vorhalte unterlassen hat (vgl. BGHSt 17, 351, 352 f.). Das ist hier nicht der Fall.
Die Revision trägt selbst vor, dem Zeugen G seien die Vorhalte gemacht worden, die der Aufklärungsrüge entsprechen, und das Protokoll der Hauptverhandlung ergibt, daß die Prozeßbeteiligten auf die Einvernahme des Vernehmungsbeamten verzichtet haben. Warum sich gleichwohl dessen Vernehmung aufgedrängt habe, wird nicht mitgeteilt.
2. Die Revision vermißt die Erörterung der polizeilichen Aussage des Zeugen G in den Urteilsgründen. Der Senat sieht keinen Verstoß gegen § 261 StPO.
Die Revision kann grundsätzlich nicht mit der Behauptung gehört werden, das Tatgericht habe sich mit einer bestimmten Aussage einer Beweisperson nicht auseinandergesetzt, wenn diese Aussage sich nicht aus dem Urteil selbst ergibt. Denn es ist allein Sache des Tatrichters, die Ergebnisse der Beweisaufnahme festzustellen und zu würdigen; der dafür bestimmte Ort ist das Urteil. Was in ihm über das Ergebnis der Verhandlung zur Schuld- und Straffrage festgehalten ist, bindet das RevGer. (BGHSt 21, 149, 151; 29, 18, 20; BGH StV 1991, 548; s. ferner jeweils mwN LR-Hanack 24. Aufl., § 337 Rn 77; KK-Herdegen 2. Aufl., § 244 Rn 40; KK-Pikart § 337 Rn 3). Hier ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, daß sich der Zeuge G in einem Ermittlungsverfahren in einer Weise geäußert hat, die zu seiner Aussage in der Hauptverhandlung in (nicht lösbarem) Widerspruch steht.
3. Die Revision kann auch nicht mit dem Vortrag Erfolg haben, das LG habe es entweder unter Verletzung seiner Aufklärungspflicht unterlassen, die frühere Aussage in die Hauptverhandlung einzuführen (s. oben 1.), oder aber es habe sich fehlerhaft mit einer in die Hauptverhandlung eingeführten wesentlichen Tatsache in den Urteilsgründen nicht auseinandergesetzt (s. oben 2.). Diese Argumentation läuft auf die unzulässige Rüge der ?Aktenwidrigkeit" der Urteilsgründe hinaus.
Demgegenüber ist festzuhalten, daß die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung erfolgt und danach die Feststellungen zu treffen und die Glaubwürdigkeit eines Zeugen zu beurteilen sind. Das geschieht unter Berücksichtigung entgegenstehender oder übereinstimmender Umstände, die sich aus den Akten ergeben und die durch Verlesung, Vorhalt oder Aussagen von Vernehmungsbeamten in die Hauptverhandlung eingeführt werden können. Maßgebend ist dann aber der Eindruck in der Hauptverhandlung - Widersprüche zwischen dem Inhalt des Urteils und den Akten sind, wenn sie sich nicht aus den Urteilsgründen ergeben, für sich allein revisionsrechtlich unerheblich. Sie können eine solche Erklärung gefunden haben, daß für den Tatrichter, dem die Entscheidung hierüber zusteht, kein Anlaß bestand, sie als wesentliche Punkte in der Beweiswürdigung zu erörtern. Ein Erörterungsmangel i. S. des § 261 StPO liegt daher nur dann vor, wenn sich ein Widerspruch aus dem Urteil selbst ergibt und in den Urteilsgründen nicht ausgeräumt wird.
Das Herausgreifen und Beurteilen eines Aktendetails, das im Urteil keine Stütze findet, kann ohne Berücksichtigung des gesamten Akteninhalts und ohne Kenntnis dessen, was in der Hauptverhandlung im einzelnen geschehen ist, zu falschen Ergebnissen führen. Die Überprüfung der Alternative ?entweder Aufklärungsmangel oder Verstoß gegen § 261 StPO" müßte deswegen regelmäßig den gesamten Akteninhalt und den Inhalt der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung berücksichtigen und rekonstruieren. Solches widerspricht der Ordnung des Revisionsverfahrens (vgl. BGHSt 17, 351, 352).
Daß die von der Revision vorgetragene Alternative eine Rekonstruktion der Beweisaufnahme erfordert (sowie leicht zu Eingriffen in die tatrichterliche Beweiswürdigung und zur Aufhebung des Urteils auf Verdacht führen kann), zeigt der vorliegende Fall beispielhaft: Betraf die von der Revision mitgeteilte umfangreiche Aussage auch die hier interessierende Einkaufsfahrt, dann hat der Zeuge den Angekl. tatsächlich nicht als Beteiligten erwähnt. Aus einer Nebenbemerkung ergibt sich aber, daß es sich nur um eine ergänzende Vernehmung des Zeugen handelte, und es findet sich der Hinweis des Zeugen, ?die in meiner ersten Vernehmung geschilderten Fahrten ... stimmen so, wie ich sie angegeben habe". Also kann der Zeuge die zweite dem Angekl. angelastete Fahrt dort im einzelnen dargelegt haben; es kann auch sein, daß der Name des Angekl. bei der vorgelegten ergänzenden Vernehmung nicht erwähnt wurde, weil seine Beteiligung klar war oder weil bei dieser Vernehmung die Person eines anderen Beteiligten (hier des Kö) im Vordergrund stand. Hier wie allgemein kann nur eine umfassende Überprüfung aller Aussagen, die dem RevGer. nicht möglich ist, ein zutreffendes Bild ergeben.
Die Entscheidungen des 2. Strafsenats des BGH, auf die sich der GBA beruft, stehen der hier getroffenen Entscheidung nicht entgegen. Dort handelte es sich um eine Aussage, die in der Hauptverhandlung wörtlich protokolliert worden war (StV 1991, 548), und um den besonderen Fall, daß das Tatgericht selbst die frühere Aussage herangezogen und sich auf Aussagekonstanz gestützt hatte, obwohl sich die Aussagen widersprochen haben sollen (StV 1992, 2) ... " (BGH, Urteil vom 02.06.1992 - 1 StR 182/92, NStZ 1992, 506 ff)
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Weichen die Bekundungen eines Zeugen in der Hauptverhandlung stark von denjenigen im Ermittlungsverfahren ab, so kann das Gericht seine Aufklärungspflicht dadurch verletzen, daß es unterläßt, dem Zeugen die abweichenden früheren Bekundungen zur Klärung der Widersprüche vorzuhalten. Darauf kann auch die Revision gestützt werden, wenn sich der Mangel des Vorhalts aus dem angefochtenen Urteil selbst ergibt (BGH, Urteil vom 03.07.1962 - 1 StR 157/62, NJW 1962, 1832).
Amphetaminabhängigkeit
Siehe unter ?Verminderte Schuldfähigkeit".
Amtsanmaßung § 132 StGB
Wer unbefugt sich mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes befaßt oder eine Handlung vornimmt, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Leitsätze/Entscheidungen:
Ein Notar macht sich weder der Falschbeurkundung im Amt noch der Amtsanmaßung schuldig, wenn er außerhalb seines Amtsbezirks eine Beurkundung vornimmt und dabei wahrheitswidrig angibt, dies sei am Ort seines Amtssitzes geschehen (BGH, Urteil vom 27.08.1998 - 4 StR 198/98, NJW 1998, 3790).
Wegen Amtsanmaßung macht sich nach § 132 Alt. 2 StGB nur strafbar, wer eine Handlung vornimmt, die den Anschein einer Amtshandung hervorruft (BGH, Entscheidung vom 09.12.1993 - 4 StR 416/93, NJW 1994, 1228).
Wer dem Verkäufer von Waren vorspiegelt, er sei Beamter und bestelle im Namen seiner Behörde, begeht keine Amtsanmaßung (BGH, Urteil vom 19.08.1958 - 5 StR 338/58, NJW 1958, 1692).
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Eine Strafbarkeit wegen Amtsanmaßung gem. § 132 StGB setzt in beiden gesetzlich genannten Tatvarianten ein Handeln voraus, das sich als amtliche Tätigkeit darstellt. Der Tatbestand ist daher nicht erfüllt, wenn der Täter es dabei belässt, sich als Amtsinhaber auszugeben, ohne eine Diensthandlung vorzunehmen (KG, Beschluss vom 19.01.2007 - (2/5) 1 Ss 111/06 (51/06), NJW 2007, 1989).
Die ?Ämter" eines ?Reichspräsidenten", eines ?Präsidenten der Nationalversammlung" oder ?Präsidenten des Deutschen Reiches" stellen keine öffentlichen Ämter i. S. d. § 132 1. Altern. StGB dar. Nach § 132 2. Altern. StGB macht sich nicht schuldig, wer im Namen des ?Deutschen Reiches" Personalausweise oder Führerscheine herstellt, die in keiner Weise den Anschein amtlicher Dokumente erwecken (OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.04.2006 - 4 Ws 98/06, Die Justiz 2006, 307).
Handelt ein Polizeibeamter im Rahmen seiner Allgemeinzuständigkeit im Sinne des Art. 3 I POG, so scheidet der Straftatbestand der Amtsanmaßung selbst dann aus, wenn er die konkrete Handlung im Hinblick auf innerdienstliche Weisungen oder sonstige nur im Einzelfall wirkende rechtliche Hindernisse nicht hätte vornehmen dürfen. Dies gilt sogar dann, wenn die konkrete Handlung in treuwidriger Ausnutzung der Dienststellung geschehen ist (BayObLG, Urteil vom 19.11.2002 - 2 St RR 103/02, JR 2004, 73).
Für die Anmaßung des Amtes ist auch eine allgemein gehaltene Kennzeichnung als Funktionsträger der Staatsgewalt - vorliegend: ?Hier ist die Kriminalpolizei" - ausreichend. Auf eine förmliche Bezeichnung oder überhaupt auf eine ausdrückliche Hervorhebung von Namen und Art des öffentlichen Amtes kommt es nicht an. Für die Frage, ob nach dem äußeren Anschein vom Täter hoheitliche Tätigkeit ausgeübt wird, ist auf den Empfängerhorizont abzustellen. Dabei ist unerheblich, ob der Betroffene den Sachverhalt hätte durchschauen können oder der Täter die ?Amtshandlung" auch als Privatmann hätte vornehmen können (hier: Befragung einer ?Zeugin" nach Adresse und Telefonnummer einer anderen ?Zeugin"; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03.04.2002 - 1 Ss 13/01, NStZ-RR 2002, 301).
Das Abhören von Telefongesprächen im Beitrittsgebiet vor der Wende zu politischen und geheimdienstlichen Zwecken durch das Ministerium für Staatssicherheit verwirklichte den Tatbestand der Anmaßung staatlicher Befugnisse nach § 224 DDR-StGB. Die Strafbarkeit blieb nach dem Wirksamwerden des Beitritts der DDR nach Art. 315 EGStGB, § 132 StGB bestehen (OLG Dresden, Entscheidung vom 22.03.1993 - Ws 100/92, DtZ 1993, 287).
Eine Amtsanmaßung i. S. von § 132 StGB liegt nicht vor, wenn der Täter sich gegenüber seinem verfeindeten Nachbarn telefonisch über Lärmbelästigungen beschwert und zu Beginn des Telefongespräches erklärt: "Hier ist die Kriminalpolizei." (OLG Koblenz, Entscheidung vom 09.03.1989 - 1 Ss 81/89, Krüger, NStZ 1989, 477).
Amtsanmaßung in der Tatbestandsform der unbefugten Amtsausübung wird nicht dadurch begangen, daß der Täter beim Abschluß eines privatrechtlichen Vertrages den Anschein erweckt, namens und im Auftrag einer Behörde und damit als Träger eines Amtes zu handeln, selbst wenn die Gegenstände später zu wirklichen oder unbefugten hoheitlichen Tätigkeiten verwendet werden sollen (OLG Oldenburg, Entscheidung vom 05.02.1987 - Ss 29/87, MDR 1987, 604).
Wenn ein Privatmann als Gläubiger seinen Schuldnern auf amtlichen Vordrucken Schriftstücke übersendet, die alle wesentlichen Erfordernisse von Zahlungsbefehlen enthalten, so erweckt er nicht den Anschein von Amtshandlungen, sondern übt unbefugt Handlungen aus, die Gegenstand eines öffentlichen Amtes sind. Ob der wahre Sachverhalt von den Schuldnern durchschaut werden konnte, spielt keine Rolle (OLG Frankfurt, Urteil vom 06.03.1963 - 2 Ss 1192/62, NJW 1964, 61 ff).
Auch ein Kriminalbeamter, der im Bereich einer anderen Polizeibehörde eine Durchsuchung und Beschlagnahme vornimmt, um das Beschlagnahmte für sich zu behalten, kann Amtsanmaßung (neben Diebstahl oder Betrug) begehen. Der § 132 schützt nicht nur die staatliche Organisationsgewalt, sondern auch die Privatperson vor Übergriffen (OLG Hamm, Urteil vom 14.12.1950 - 2 Ss 400/50, NJW 1951, 245 f).
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Mit der Herstellung und Verbreitung eines Aufrufs zur Rückgabe der Volkszählungsbögen, welcher in seiner Aufmachung den Eindruck erweckt, daß er von einer städtischen Behörde verfaßt worden ist, wird sowohl der Tatbestand der Amtsanmaßung als auch der Urkundenfälschung erfüllt (LG Paderborn, Entscheidung vom 15.10.1987 - 15 Ns 21 JS 454/87, NJW 1989, 178).
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Amtsanmaßung ist dann tatbestandsmäßig erfüllt, wenn eine Handlung vorgenommen wird, die den Anschein des Handelns einer Dienststelle des Bundes, des Landes oder eines sonstigen Organs staatlicher Verwaltung hervorruft (AG Göttingen, Entscheidung vom 18.01.1983 - 31 Ls 6 Js 130/82 - 193/82, NJW 1983, 1209).
Amtspflichtwidrigkeit eines Haftbefehlsantrags
? ... Nach der Rspr. des Senats sind bestimmte Maßnahmen der StA, zu denen auch der Antrag auf Erlaß eines Haftbefehls gehört, im Amtshaftungsprozeß nicht auf ihre ?Richtigkeit', sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie - bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege - vertretbar sind (vgl. nur Senatsurt. v. 21. 4. 1988 - III ZR 255/86 - NJW 1989, 96, 29. 4. 1993 - III ZR 3/92 - NJW 1993, 2927, 2928 und 18. 5. 2000 - III ZR 180/99 - NJW 2000, 2672, 2673). Bei der haftungsrechtlichen Beurteilung eines Haftbefehlsantrags kann aus dem Umstand, daß der Erlaß eines Haftbefehls mangels hinreichenden Tatverdachts abgelehnt oder - wie im Streitfall geschehen - ein erlassener Haftbefehl aufgehoben worden ist, nicht ohne weiteres auf ein pflichtwidriges Verhalten der antragstellenden StA geschlossen werden; pflichtwidriges Handeln ist ihr nur anzulasten, wenn sie bei einer sachgerechten Würdigung des zur Beurteilung stehenden Sachverhalts nicht der Annahme sein durfte, die beantragte Maßnahme - der Erlaß des Haftbefehls - könne gerechtfertigt sein (BGHZ 27, 338, 350 f.; Beschl. v. 22. 2. 1989 - III ZR 51/89 - in juris dokumentiert). ...
a) Die StA durfte den Haftbefehl gegen den Kl. nur beantragen (§ 125 Abs. 1 StPO), wenn er der ihm vorgeworfenen Tat dringend verdächtig und ein Haftgrund gegeben war (§ 112 Abs. 1 S. 1 StPO). Dringender Tatverdacht besteht, wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, daß der Besch. Täter oder Teilnehmer einer Straftat ist (BVerfG NJW 1996 1049 f.; BGH, NJW 1992, 1975 f; KK-Boujong, StPO, § 112 Rdnr. 3; Hilger in LR, StPO 25. A., § 112 Rdnr. 16 ff.; Meyer-Goßner StPO 46. A., § 112 Rdnr. 5). Die Prüfung erfolgt auf der Grundlage des gegenwärtigen Standes der Ermittlungen. Maßgebend ist das aus den Akten ersichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme.
b) Vorliegend kommt es für die Beurteilung, ob der Haftbefehlsantrag gegen den Kläger ?vertretbar' war, nicht entscheidend darauf an, ob die Kriminalpolizei bzw. die StA nach dem damaligen Stand der Ermittlungen aufgrund einer umfassenden Prüfung des gesamten Beweismaterials in vertretbarer Weise zu einer Bejahung des dringenden Tatverdachts gelangen durften.
Der entscheidende Vorwurf an den das Ermittlungsverfahren lenkenden StA bzw. die Kriminalpolizei als das Ermittlungsorgan der StA (§ 161 StPO, § 152 GVG) geht hier dahin, daß im Zusammenhang mit dem Haftbefehlsantrag gegen den Kl. dem Haftrichter die Ermittlungsergebnisse nicht vollständig vorgelegt wurden.
aa) Allerdings ist die Ermittlungsbehörde - worauf die Revision im Ansatz zutreffend hinweist - befugt, vor der Vorlage an den Haftrichter Zeugenaussagen und die sonstigen erarbeiteten Ermittlungsergebnisse zu sichten und zu gewichten, auch Nebensächliches auszusondern. Es kann insoweit auch die Vorlage eines Aktenauszuges genügen. Was die Auswahl des Materials angeht, so mag - wie die Revision geltend macht - der Ermittlungsbehörde auch ein gewisser, gerichtlich nicht nachprüfbarer, Beurteilungsspielraum zustehen.
Für eine Beschränkung der gerichtlichen Nachprüfung der Art und Weise der Zusammenstellung des Aktenmaterials für den Haftrichter im Amtshaftungsprozeß auf bloße ?Vertretbarkeit' gibt es jedoch - anders als bei der Beurteilung der vom StA auf der Grundlage des gesamten Prüfungsstoffs jew. zu treffenden Entscheidung - keinen Grund.
Das vorgelegte Aktenmaterial muß jedenfalls so beschaffen sein, daß der Haftrichter sich ein vollständiges Bild über das Ermittlungsergebnis zu der Straftat, zum Tatverdacht gegen den Besch. und über das Vorliegen eines Haftgrundes (§ 112 Abs. 1, 2 StPO) machen kann. Die im Zeitpunkt der Haftentscheidung vorliegenden und in den Akten ausgewiesenen gerichtsverwertbaren Ermittlungsergebnisse sind Beurteilungsgrundlage für den Haftrichter. Dieser hat wegen der einschneidenden Folgen eines Haftbefehls die Akten trotz aller etwa gebotenen Eile sorgfältig und genau durchzuarbeiten, ehe er sich entschließen darf, einen Haftbefehl zu erlassen (BGHZ 27, 338, 348 f.). Bei der Prüfung des dringenden Tatverdachts tritt er in eine freie Beweiswürdigung (§ 261 StPO) des von der Ermittlungsbehörde zusammengetragenen Tatsachenmaterials ein und entscheidet hiernach, ob der Besch. mit großer Wahrscheinlichkeit die ihm zur Last gelegte Tat begangen hat (KK-Boujong a. a. O., § 112 Rdnr. 5, 7; Hilger a. a. O., § 112 Rdnr. 21). Es liegt auf der Hand, daß auch der StA und die ihn unterstützende Kriminalpolizei bei der Auswahl des Verfahrensstoffs im Zusammenhang mit einem Haftbefehlsantrag Belastung und Entlastung des Besch. gleichermaßen zu berücksichtigen haben (vgl. Meyer-Goßner a. a. O., vor § 141 GVG Rdnr. 8), damit der Haftrichter seine eigene verantwortliche Entscheidung treffen kann.
bb) Die mit dem Haftbefehlsantrag im Oktober 1997 nicht vorgelegte Aussage des Zeugen H. v. 19. 1. 1994 wäre nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts geeignet gewesen, die Annahme der Brandstifter sei allein in der Familie der Kläger zu suchen, zu erschüttern. Mithin konnte der Haftrichter ohne Kenntnis dieser Aussage bei der Beurteilung des Haftantrags v. 21. 10. 1997 den Sachverhalt - einschließlich des Zwischenberichts der Polizei v. 21. 4. 1994 - nicht umfassend würdigen und kein vollständiges Bild vom Tatverdacht gegen den Kl. gewinnen. Eine derartige (einseitige) Beschränkung des für den Erlaß eines Haftbefehls maßgeblichen Prüfungsstoffs durch die Ermittlungsbehörden - mochten diese auch, wie die Revision anführt, bei der Zusammenstellung des Ermittlungsergebnisses die Aussage des Zeugen H. als ?unbeachtlich' angesehen haben - hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei als pflichtwidrig eingestuft. ..." (BGH, Urteil v. 23. 10. 2003 - III ZR 9/03)
Amtspflichtwidrige Anklageerhebung
Zur Frage der Amtspflichtwidrigkeit (Unvertretbarkeit) einer Anklage der Staatsanwaltschaft wegen Brandstiftung. Vom Schutzzweck der Amtspflicht der Staatsanwaltschaft, keine unzulässige Anklage zu erheben, ist, wenn es um den Vorwurf der Brandstiftung geht, auch die Vermeidung von Vermögensschäden des Angeschuldigten umfaßt, die dadurch entstehen, daß der Feuerversicherer ihm die Brandschadenentschädigung infolge der Anklageerhebung nicht auszahlt. Hat eine amtspflichtwidrige Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft gegen die Geschäftsführer und einzigen Gesellschafter einer GmbH wegen Brandstiftung zur Folge, daß der Feuerversicherer die Zahlung der Entschädigung für den Brandschaden der versicherten GmbH (weiter) zurückhält, so ist bezüglich der dadurch eingetretenen Vermögenseinbußen die GmbH geschützter ?Dritter" der Amtspflicht der Staatsanwaltschaft, keine unzulässige Anklage zu erheben (BGH StV 2001, 579 ff).
Ein Beamter, der der Staatsanwaltschaft dienstlich erlangte Verdachtsmomente für eine Straftat mitteilt, ohne zu überprüfen, ob die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen einer Straftat vorliegen, begeht keine Amtspflichtverletzung. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft gemäß StPO § 152 Abs. 2, der Umfang und die Dauer der Ermittlungen sowie die Entschließung zur Anklageerhebung nach StPO § 170 Abs. 1 können im Staatshaftungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur darauf überprüft werden, ob sie vertretbar sind. Bei der Bejahung des hinreichenden Tatverdachtes darf die Aufklärung von tatsächlichen Widersprüchen der Hauptverhandlung überlassen bleiben. Ebenso kann es der Staatsanwaltschaft nicht verwehrt werden, ihre vertretbare strafrechtliche Auffassung der Klärung durch richterliche Entscheidung zuzuführen. Die Einlegung der Berufung gegen ein strafgerichtliches Urteil durch die Staatsanwaltschaft ist ebenfalls nur auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen. Eine schuldhaft amtspflichtwidrige Anklageerhebung ist in der Regel zu verneinen, wenn ein Kollegialgericht gemäß StPO § 203 die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen und damit die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat. In diesem Fall ist auch eine pflicht- und rechtswidrige Handlung im Sinne des StGH § 1 Abs. 1 ausgeschlossen. Die Entschließung über die Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß StPO §§ 203, 209 Abs. 1 stellt ein ?Urteil in einer Rechtssache' im Sinne des BGB § 839 Abs. 2 dar (OLG Dresden StV 2001, 582 ff).
Amtsträger
Der Geschäftsführer einer GmbH, deren einziger Gesellschafter das bayerische Rote Kreuz als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, ist kein Amtsträger i. S. d. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB (BGH StV 2003, 389).
Anfangsverdacht
Es gilt das Legalitätsprinzip. Haben die Ermittlungsbehörden den Verdacht einer verfolgbaren Straftat, so sind sie verpflichtet ein Strafverfahren einzuleiten (§ 152 II StPO).
Ein Anfangsverdacht besteht, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen. Voraussetzung ist das Vorliegen konkreter Tatsachen, die es als Möglich erscheinen lassen, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt. Bloße Vermutungen reichen nicht aus.
Anfechtbarkeit von Entscheidungen und Maßnahmen der Vollzugsanstalt § 119 a StPO
(1) Gegen eine behördliche Entscheidung oder Maßnahme im Untersuchungshaftvollzug kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Eine gerichtliche Entscheidung kann zudem beantragt werden, wenn eine im Untersuchungshaftvollzug beantragte behördliche Entscheidung nicht innerhalb von 3 Wochen ergangen ist.
(2) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann jedoch vorläufige Anordnungen treffen.
(3) Gegen die Entscheidung des Gerichts kann auch die für die vollzugliche Entscheidung oder Maßnahme zuständige Stelle Beschwerde erheben.
Leitsätze/Entscheidungen:
Welche Kriterien und Methoden die Vollzugsbehörde im Einzelnen anlegt bzw. anwendet, um den der Übersichtlichkeit des Haftraums des Untersuchungsgefangenen dienenden ?angemessenen Umfang' (§ 16 ThürUVollzG) seiner Ausstattung konkret zu bestimmen, obliegt grundsätzlich ihrem Ermessen und kann von den Gerichten lediglich auf Ermessensfehler überprüft werden. Dabei ist es grundsätzlich nicht ermessensfehlerhaft, wenn die JVA ein standardisiertes System wie das REFA-System zur Bemessung der Angemessenheit der Haftraumausstattung im Untersuchungshaftvollzug anwendet. Dies entbindet jedoch nicht von der Überprüfung des Ergebnisses mit Rücksicht auf eine etwaige besondere Interessenlage des Gefangenen (z.B. umfangreiches Aktenmaterial zur Vorbereitung auf die Hauptverhandlung; OLG Thüringen, Beschluss vom 23.08.2010 - 1 Ws 296/10):
?... I. Der Angekl. befindet sich seit dem 17.09.2008 in U-Haft. Er ist am 02.06.2010 durch - noch nicht rechtskräftiges - Urteil der 2. StrK des LG Gera wegen schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen, wegen Sachbeschädigung und wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 J. verurteilt worden.
Am 25.05.2010 wurde im Rahmen einer Haftraumkontrolle festgestellt, dass die Gesamtpunktzahl für die im Haftraum des Angekl. befindlichen Gegenstände von 3.200 die erlaubte Gesamtpunktzahl von 2.400 nach dem REFA-System überschritt, worauf es in der Folgezeit zu einer erzwungenen Reduzierung der Gegenstände im Haftraum des Angekl. kam.
Mit Datum v. 31.05.2010 hat der Angekl. beim LG Gera beantragt, ihn v. REFA-System zu befreien, hilfsweise die ihm danach erlaubte Gesamtpunktzahl zu erhöhen. Zu diesem Antrag hat der Leiter der JVA T mit Datum v. 15.06.2010 Stellung genommen und u.a. mitgeteilt, dass er dem Angekl. - was unstreitig ist - auf seinen Antrag hin bereits eine Erhöhung der Gesamtpunktzahl auf 2.650 bewilligt und ihm eine weitere bei Darlegung von Gründen in Aussicht gestellt habe. Hierauf hat der Angekl. mit an das LG Gera gerichtetem Schreiben v. 27.06.2010 sinngemäß vorgetragen, das für den Strafvollzug entwickelte REFA-System dürfe überhaupt nicht auf Untersuchungsgefangene angewendet werden. Insbesondere sei es unzulässig, die von Untersuchungsgefangenen zur Vorbereitung ihrer Verteidigung benötigten Akten und sonstigen Unterlagen nach dem REFA-System zu bepunkten. Dessen Anwendung in der JVA T benachteilige im Übrigen die dortigen Gefangenen, da es in anderen Thüringer JVA nicht angewendet werde.
Mit Beschl. v. 29.06.2010 hat der Vors. der 2. StrK des LG Gera den Antrag des Angekl. auf Befreiung v. REFA-System abgelehnt. Zur Begründung wird ausgeführt, der Zweck des REFA-Systems, aus Sicherheitsgründen die Übersichtlichkeit des Haftraums zu gewährleisten, gelte auch für Untersuchungsgefangene. Soweit der Angekl. zur Vorbereitung auf ein gegen ihn anhängiges weiteres Strafverfahren Akten und Schriftstücke in seiner Zelle benötige, sei dem durch die vorgenommene Erhöhung der erlaubten Gesamtpunktzahl Rechnung getragen worden.
Hiergegen hat der Angekl. mit am 12.07.2010 beim LG Gera eingegangenem Schreiben Beschwerde eingelegt. Er hat vorgetragen, die bewilligte Erhöhung um 250 Punkte sei unzureichend, da die von ihm benötigten Akten und Unterlagen schon mit 870 REFA-Punkten zu bewerten seien. Im Übrigen sei er gegenüber anderen Gefangenen benachteiligt, die ?2.400 Punkte für Annehmlichkeiten ihrer Wahl' zur Verfügung hätten.
Mit Verfügung v. 12.07.2010 hat der Vors. der 2. StrK des LG Gera der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Mit Stellungnahme v. 22.07.2010 hat die Thüringer GStA die Verwerfung der Beschwerde beantragt.
II.1. Die Beschwerde des Angekl. ist zulässig.
a) Nach § 119a Abs. 1 Satz 1 StPO kann gegen eine behördliche Entscheidung oder Maßnahme im Untersuchungshaftvollzug gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dieser Regelung ist nach Übertragung der Gesetzgebungszuständigkeit für den Untersuchungshaftvollzug auf die Länder, von der der Freistaat Thüringen durch Erlass des am 01.01.2010 in Kraft getretenen Thüringer Untersuchungshaftvollzugsgesetzes - ThürUVollzG - v. 08.07.2009 (GVBl. S. 553) Gebrauch gemacht hat, ein Rechtsweg gegen Entscheidungen und Maßnahmen geschaffen worden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der JVA - in der Regel von dieser selbst - getroffen werden. Dabei ist der bisherige Rechtsweg zu den OLG nach §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 25 Abs. 1 EGGVG dadurch ersetzt worden, dass nunmehr nach § 126 Abs. 1 Satz 1 StPO der zuständige Haftrichter - im vorliegenden Fall nach § 126 Abs. 2 StPO das LG - die gerichtliche Entscheidung nach § 119a Abs. 1 Satz 1 StPO zu treffen hat (vgl. Meyer-Goßner, 53. Aufl., § 119a Rn. 1). Gegen dessen Entscheidung ist, wie sich auch § 119a Abs. 3 StPO entnehmen lässt, nach § 304 Abs. 1 StPO die Beschwerde - hier zum OLG - gegeben.
b) Eine behördliche (Ausgangs-)Entscheidung der nach § 65 Abs. 1 ThürUVollzG hierfür zuständigen JVA T über den Antrag des Angekl. v. 31.05.2010, mit dem dieser eine vollständige Befreiung vom REFA-System und hilfsweise eine Erhöhung der danach zulässigen Gesamtpunktzahl erstrebt, liegt vor. Zwar hat der Angekl. seinen Antrag unmittelbar an den Vors. der 2. StrK des LG Gera als zuständiges Gericht i.S.d. § 119 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO gerichtet, worauf dieser mit dem angefochtenen Beschl. eine Befreiung des Angekl. vom REFA-System abgelehnt hat. Jedoch liegt insoweit eine vorhergehende, den Rechtsweg nach § 119a Abs. 1 Satz 1 StPO eröffnende Entscheidung des Leiters der JVA T nach § 65 Abs. 1 ThürUVollzG vor, als dieser auf den Antrag des Angekl. die erlaubte Gesamtpunktzahl nach dem REFA-System um 250 erhöht, in seiner Stellungnahme v. 15.06.2010 eine weitere Erhöhung in Aussicht gestellt und im Übrigen hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass eine vollständige Befreiung vom REFA-System nicht in Betracht kommt. Damit ist eine Ablehnung des vom Angekl. in erster Linie verfolgten Begehrens und ein Eingehen auf das von ihm hilfsweise Verlangte verbunden.
2. Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
a) Der Angekl. ist nicht deshalb gänzlich v. REFA-System zu befreien, weil grundsätzliche Bedenken gegen die Anwendung dieses Systems im Untersuchungshaftvollzug bestünden.
Nach § 16 ThürUVollzG darf der Untersuchungsgefangene seinen Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten, wobei solche Sachen ausgeschlossen sind, deren Überlassung eine verfahrenssichernde Anordnung entgegensteht oder die geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt zu gefährden. Der ?angemessene Umfang' ist ein unbestimmter, von der Vollzugsbehörde im Einzelfall unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben auszufüllender und gerichtlich voll überprüfbarer Rechtsbegriff. Dabei ist vor allem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, der für den Untersuchungshaftvollzug u.a. in den §§ 4 und 42 ThürUVollzG seine einfachgesetzliche Ausprägung gefunden hat. Danach dürfen den als unschuldig geltenden Untersuchungsgefangenen nur zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder der Ordnung der Anstalt Beschränkungen auferlegt werden, die zudem in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen müssen und die Untersuchungsgefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen dürfen. Dementsprechend dient auch die Beschränkung der Haftraumausstattung mit eigenen Sachen des Untersuchungsgefangenen auf einen ?angemessenen Umfang' bei verfassungskonformer Auslegung nur dem Zweck, die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt (auch) dadurch aufrecht zu erhalten, dass die Übersichtlichkeit der Hafträume gewahrt wird. Dieser Zweck ist im Zusammenhang mit § 44 Abs. 1 Satz 1 ThürUVollzG zu sehen, nach dem die Untersuchungsgefangenen, ihre Sachen und die Hafträume mit technischen Mitteln abgesucht und durchsucht werden dürfen. Die Durchsuchbarkeit des Haftraumes insbes. nach versteckten Waffen, Ausbruchswerkzeugen und Drogen und damit seine Übersichtlichkeit ist ein wichtiger Bestandteil der Anstaltssicherheit und -ordnung. Auch darf der Zustand eines Haftraumes nicht so zeitraubende Kontrollen erzwingen, dass die Vollzugsbediensteten in unangemessener Weise von der Erfüllung ihrer anderen Aufgaben abgehalten werden, wodurch letztlich die Sicherheit und Ordnung der Anstalt an anderer Stelle gefährdet wird (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.12.2000, 1 Ws 605/00, bei juris m.w.N.).
Welche Kriterien und Methoden die Vollzugsbehörde im Einzelnen anlegt bzw. anwendet, um den der Übersichtlichkeit des Haftraums dienenden ?angemessenen Umfang' seiner Ausstattung konkret zu bestimmen, obliegt grundsätzlich ihrem Ermessen und kann von den Gerichten lediglich auf Ermessensfehler überprüft werden. Dabei ist es grundsätzlich nicht ermessensfehlerhaft, wenn die JVA - wie hier - ein standardisiertes System wie das REFA-System zur Bemessung der Angemessenheit der Haftraumausstattung auch im Untersuchungshaftvollzug anwendet, wobei die Entscheidung, ob ein solches System zur Anwendung kommt oder nicht, jeder einzelnen JVA überlassen bleibt. Nach dem REFA-System werden sämtliche - erlaubten - Gegenstände im Haftraum mit einer vorgegebenen Punktzahl versehen, die der Zeitdauer entspricht, welche die Kontrolle des jeweiligen Gegenstandes regelmäßig in Anspruch nimmt (1 Minute = 10 Punkte). Die Gesamtpunktzahl für die im Haftraum befindlichen Gegenstände darf in der Regel 2.400 nicht überschreiten, was einem Zeitaufwand von insgesamt 4 Stunden für die Haftraumkontrolle entspricht. Innerhalb dieses Rahmens kann der Gefangene wählen, mit welchen Gegenständen er seinen Haftraum ausstattet. Das ursprünglich im rheinland-pfälzischen Strafvollzug entwickelte und angewendete REFA-System ist prinzipiell eine taugliche Methode zur Feststellung, ob konkrete Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung des Sicherheitsinteresses oder des Ordnungsgefüges der Anstalt vorliegen (vgl. OLG Zweibrücken, a.a.O.), die zudem im Vergleich zu einer bloßen optischen Einschätzung der Übersichtlichkeit von Hafträumen durch die jeweiligen Vollzugsbediensteten zu objektivierbareren Ergebnissen führt. Insbesondere ist die dem REFA-System zugrunde liegende Annahme vertretbar, dass ab einem Gesamtaufwand von 4 Stunden für die Kontrolle einzelner Zellen regelmäßig von einer Beeinträchtigung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt auszugehen ist, weil deren Bediensteten dann nicht mehr genügend Zeit für die ordnungsgemäße Wahrnehmung ihrer sonstigen Aufgaben verbleibt (vgl. OLG Zweibrücken, a.a.O.). Auch ist weder erkennbar noch v. Angekl. vorgetragen, dass die vorgegebene, am jeweiligen Kontrollaufwand orientierte Bepunktung verschiedener Gegenstände nach dem REFA-System ermessensfehlerhaft wäre. Gründe, die der Anwendung des REFA-Systems im Untersuchungshaftvollzug prinzipiell entgegenstünden, vermag der Senat auch unter Berücksichtigung der besonderen Stellung der Untersuchungsgefangenen nicht zu erkennen. Durch die Anwendung des REFA-Systems werden die Untersuchungsgefangenen nicht in einer Weise belastet, die den durch das ThürUVollzG als verhältnismäßig vorgegebenen Rahmen überschreitet. Auch ist das Interesse an der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Untersuchungshaftvollzug nicht geringer zu veranschlagen als im Strafvollzug. Überdies sind Untersuchungsgefangene in Thüringen zwar räumlich getrennt von Strafgefangenen, mit diesen aber regelmäßig in einer Anstalt untergebracht, so dass Sicherheitsdefizite im Untersuchungshaftvollzug auch auf den Strafvollzug ?durchschlagen' können.
b) Allerdings entbindet die Überschreitung der höchstzulässigen Gesamtpunktzahl nach dem REFA-System die JVA nicht davon, die Richtigkeit ihrer Entscheidung, auf eine Reduzierung der Anzahl der im Haftraum befindlichen Gegenstände durch den Gefangenen hinzuwirken bzw. diese zwangsweise zu reduzieren, in jedem konkreten Einzelfall zu überprüfen und kritisch zu reflektieren (vgl. OLG Zweibrücken, a.a.O.). Liegen besondere Umstände vor, die diese Entscheidung ausnahmsweise unangemessen erscheinen lassen, muss die Behörde prüfen, auf welche Weise sie diesen Rechnung tragen kann. Solche Umstände sind etwa - wie hier - gegeben, wenn ein Untersuchungsgefangener umfangreiche Akten und sonstige Unterlagen, wie beispielsweise Verteidigerkorrespondenz, zum Zwecke der Vorbereitung auf eine anstehende Hauptverhandlung in seinem Haftraum verwahrt. Bei dieser Sachlage hat die Vollzugsbehörde das Interesse des Untersuchungsgefangenen an der Vorbereitung seiner Verteidigung zu berücksichtigen, wobei es grundsätzlich ihrem Ermessen überlassen ist, wie sie diesem Anliegen im Rahmen der jeweiligen personellen und örtlichen Gegebenheiten der JVA bestmöglich Rechnung trägt. So ist es denkbar, dass die Anstalt dem Gefangenen trotz Überschreitung der höchstzulässigen Gesamtpunktzahl nach dem REFA-System seine Habe ausnahmsweise ungeschmälert belässt und den erhöhten Kontrollaufwand im Einzelfall hinnimmt, indem sie ihn entweder völlig v. REFA-System befreit oder die von ihm zu seiner Verteidigung benötigten Akten und Unterlagen nicht danach bepunktet. Dies dürfte dann in Betracht kommen, wenn die allein auf Verfahrensakten und sonstige -unterlagen entfallende Punktzahl einen so erheblichen Teil der erreichten Gesamtpunktzahl ausmacht, dass der Gefangene praktisch keine Möglichkeit mehr hätte, neben diesen Gegenständen und der Einrichtung seines Haftraums dort noch persönliche Gegenstände aufzubewahren. Vorstellbar ist auch, unter diesen Umständen die Ausstattung des Haftraums des Gefangenen weiterhin ohne Einschränkung nach dem REFA-System zu bewerten und ggf. auf das zulässige Maß zu reduzieren, dem Gefangenen aber einen nicht belegten Haftraum zur Verfügung zu stellen, in dem er (nur) benötigte Verfahrensakten und -unterlagen aufbewahren und in zeitlich angemessenen Umfang studieren kann. Soweit der damit verbundene Verwaltungsaufwand zu hoch erscheint, kann die JVA auch die nach dem REFA-System höchstzulässige Gesamtpunktzahl für den Gefangenen unter Berücksichtigung der konkret vorhandenen Ausstattung seines Haftraums und seiner Verteidigungsbedürfnisse angemessen erhöhen, mit der Folge, dass der Gefangene nach einer verhältnismäßig geringfügigen und zumutbaren Reduzierung der Gegenstände in seinem Haftraum dort ungehindert die zu seiner Verteidigung notwendigen Unterlagen aufbewahren kann.
Diese Prüfung im Einzelfall hat der Leiter der JVA T vorgenommen, indem er die nach dem REFA-System höchstzulässige Gesamtpunktzahl für den Angekl. um 250 erhöht und deren weitere Erhöhung bei konkreter Darlegung eines entsprechenden Bedarfs durch den Angekl. in seiner Stellungnahme v. 15.06.2010 angeboten hat. Eine solche Darlegung ist nach Auffassung des Senats bisher nicht erfolgt. Allein aus dem Vorbringen des Angekl., dass ?alleine Aktenordner und Schriftstücke v. Gericht mit 870 Punkten zu Buche schlagen' und ?andere Gefangene 2.400 Punkte für Annehmlichkeiten ihrer Wahl zur Verfügung haben', ergibt sich noch nicht, dass die JVA angesichts der sonstigen, dem Senat nicht bekannten Haftraumausstattung des Angekl. bislang eine weitere Erhöhung der Gesamtpunktzahl ermessensfehlerhaft unterlassen hat, zumal der Angekl. nach eigenem Vorbringen nach der vorgenommenen Erhöhung der Gesamtpunktzahl wieder sämtliche von ihm benötigten Unterlagen in seinem Haftraum übernommen hat. Im Übrigen gebietet es auch der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht, dass dem Angekl. ohne Berücksichtigung der von ihm benötigten Verfahrensakten ?2.400 Punkte für Annehmlichkeiten' zur Verfügung stehen. ..."
Angaben gegenüber einem Mithäftling
Siehe unter ?Verbotene Vernehmungsmethoden".
Angaben gegenüber einem Sachverständigen
Siehe unter ?Verlangen des Sachverständigen auf Zeugen- oder Beschuldigtenvernehmung".
Angebotsschreiben
Siehe unter ?Betrug".
Anhörung in der Hauptverhandlung § 33 StPO
(1) Eine Entscheidung des Gerichts, die im Laufe einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach Anhörung der Beteiligten erlassen.
(2) Eine Entscheidung des Gerichts, die außerhalb einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach schriftlicher oder mündlicher Erklärung der Staatsanwaltschaft erlassen.
(3) Bei einer in Absatz 2 bezeichneten Entscheidung ist ein anderer Beteiligter zu hören, bevor zu seinem Nachteil Tatsachen oder Beweisergebnisse, zu denen er noch nicht gehört worden ist, verwertet werden.
(4) Bei Anordnung der Untersuchungshaft, der Beschlagnahme oder anderer Maßnahmen ist Absatz 3 nicht anzuwenden, wenn die vorherige Anhörung den Zweck der Anordnung gefährden würde. Vorschriften, welche die Anhörung der Beteiligten besonders regeln, werden durch Absatz 3 nicht berührt.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... 1. Die inhaltsgleich erhobenen Verfahrensrügen zu §§ 33, 261 StPO greifen nicht.
a) Ihnen liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Bereits im Vorfeld der Hauptverhandlung wurden telefonische Gespräche zwischen dem Vorsitzenden, dem Verteidiger des Angeklagten T. und einem der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft über die Möglichkeit einer verfahrensbeendenden Absprache geführt. In diesen stellte der Verteidiger ein Geständnis des Angeklagten T. bei Zusage einer Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren und elf Monaten in Aussicht. Über das Ergebnis dieser Vorgespräche liegen unterschiedliche dienstliche Äußerungen vor. Unmittelbar nach Beginn der Hauptverhandlung am 18. August 2005 fand im Beratungszimmer eine Besprechung statt, an der die Mitglieder der Strafkammer, sämtliche Verteidiger sowie die beiden Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft teilnahmen. Zu Beginn des Gespräches gab der Vorsitzende bekannt, dass in Anbetracht der schwierigen Beweislage seitens der Strafkammer für die Angeklagten A. , T. und M. im Falle eines umfassenden Geständnisses Strafobergrenzen von jeweils zwei Jahren und elf Monaten angedacht seien. Die Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft waren hiermit nicht einverstanden. Sie hielten gestaffelte Strafobergrenzen zwischen fünf Jahren und fünf Jahren und sechs Monaten für sachgerecht; eine Einigung kam nicht zustande. In der Fortsetzungsverhandlung vom 25. August 2005, vor Eintritt in die Beweisaufnahme, baten die Verteidiger der Angeklagten um Mitteilung der ?Strafmaßvorstellungen' der Strafkammer für den Fall eines Geständnisses. Nach einer Unterbrechung der Hauptverhandlung gab der Vorsitzende bekannt, dass angesichts der . Eine Erklärung der Staatsanwaltschaft hierzu erfolgte nicht. Im Anschluss gaben die Angeklagten sodann über ihre Verteidiger geständige Einlassungen ab. In der fortgesetzten Hauptverhandlung vom 29. August 2005 erklärte die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft, dass die vom Gericht genannten Strafen nicht den Vorstellungen der Staatsanwaltschaft entsprächen, sie seien daher ?nicht Gegenstand einer Absprache'. nach Aktenlage ?für die Angeklagten nicht in allen Anklagepunkten ungünstige Beweislage' ein Geständnis zu einer nicht unerheblichen Strafmilderung führen würde, wobei die Strafkammer folgende Strafobergrenze nicht überschreiten würde: zwei Jahre zehn Monate hinsichtlich des Angeklagten A. , drei Jahre zwei Monate hinsichtlich des Angeklagten T. und drei Jahre hinsichtlich des Angeklagten M.
b) Die Rüge der Staatsanwaltschaft, das Landgericht habe gegen § 33 StPO verstoßen, da ihr vor Bekanntgabe der Strafobergrenzen in der Hauptverhandlung vom 25. August 2005 keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden sei, geht bei diesem Geschehensablauf schon im Ansatz fehl. Die Beschwerdeführerin hatte bereits anlässlich der Besprechung vom 18. August 2005 Gelegenheit, ihre Vorstellungen zu den bei Geständnissen der Angeklagten in Betracht kommenden Strafrahmen zu äußern und hat hiervon auch ganz konkret Gebrauch gemacht. Darüber hinaus stand es den Sitzungsvertretern der Staatsanwaltschaft frei, nachdem die Verteidigung in der Hauptverhandlung ihre Bitte um Bekanntgabe der Strafobergrenzen vorgetragen hatte und bevor das Gericht dem entsprach, ihren Standpunkt hierzu nochmals darzulegen. Schließlich hätte es sich schon aus Gründen der Verfahrensfairness angeboten, jedenfalls nach der Bekanntgabe der Strafmaßvorstellungen des Gerichts und vor Abgabe der geständigen Einlassungen der Angeklagten, klarzustellen, dass seitens der Staatsanwaltschaft mit einer verfahrensbeendenden Absprache auf der Basis der mitgeteilten Strafobergrenzen kein Einverständnis besteht. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt hier grundlegend von dem, der der Entscheidung BGHSt 38, 102 zugrunde lag, auf die sich die Beschwerdeführerin maßgeblich stützt. Dort war außerhalb der Hauptverhandlung eine Verständigung zwischen Gericht und Verteidigung erfolgt, an der die Staatsanwaltschaft nicht beteiligt war und von der sie auch in der Folgezeit nicht unterrichtet wurde.
c) Zudem ist nicht erkennbar, dass hier bereits die Bekanntgabe der Strafobergrenzen in der Hauptverhandlung geeignet war, einen Vertrauenstatbestand zu schaffen, der in Anwendung des Grundsatzes des § 33 StPO die vorherige Anhörung der Beschwerdeführerin hätte erforderlich machen können (vgl. BGHSt 38, 102, 105; 42, 46, 49/50). Ungeachtet der Frage, ob überhaupt eine (wirksame) Verständigung ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft oder gar gegen ihren Widerspruch getroffen werden kann (vgl. hierzu BGH StV 2003, 481; Meyer/Goßner StPO 49. Aufl. vor § 213 Rdn. 12; vgl. auch § 257 c Abs. 3 Satz 2 des Referentenentwurfes des Bundesministeriums der Justiz für ein Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren [Stand 18. Mai 2006]: keine Wirksamkeit bei Widerspruch der Staatsanwaltschaft), hat vorliegend der Vorsitzende lediglich auf Bitten der Verteidiger als Ergebnis einer Zwischenberatung mitgeteilt, dass die erkennende Strafkammer im Fall von Geständnissen bestimmte Strafobergrenzen nicht überschreiten werde. Darin wird regelmäßig nur ein Vorschlag des Gerichts an die Verfahrensbeteiligten zur inhaltlichen Ausgestaltung einer (möglichen) Verständigung zu sehen sein, zu dem diese sich äußern können, den sie annehmen, ablehnen oder aber auch inhaltlich modifizieren können und der nicht zur vorherigen Anhörung der Beteiligten zwingt (vgl. auch BGH NStZ 2005, 395, 396). ... (BGH, Urteil vom 13.07.2006 - 4 StR 87/06)
***
Der Anspruch des von einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Betroffenen auf rechtliches Gehör beinhaltet die Information über entscheidungserhebliche Beweismittel. Ist zum Zweck der so genannten Rückgewinnungshilfe ein dinglicher Arrest angeordnet, muss dem Betroffenen jedenfalls vor einer ihm nachteiligen Letztentscheidung über eine hiergegen gerichtete Beschwerde Akteneinsicht gewährt werden. Die Übermittlung polizeilicher Ermittlungsberichte, die keine hinreichende Unterrichtung über die von den Gerichten für die Entscheidung herangezogenen Tatsachen und Beweismittel ermöglichen, reicht insoweit ebenso wenig aus wie eine genaue Bezeichnung oder Beschreibung der in oder bei den Ermittlungsakten verwahrten Beweisstücke in den Gründen einer im Ermittlungsverfahren ergehenden Gerichtsentscheidung (BVerfG 3. Kammer des 2. Senats, Beschluss vom 19.01.2006 - 2 BvR 1075/05).
Anhörungsbogen
Siehe unter ?Personalien - Falsche Namensangabe".
Anklageerhebung oder Einstellung
(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.
(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.
Hinweise:
Sind die Ermittlungen abgeschlossen, so erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage. Dazu wird bei dem zuständigen Gericht eine Anklageschrift eingereicht. Die Anklage wird erhoben, wenn die Staatsanwaltschaft der Meinung ist, dass die Ermittlungen genügenden Anlass zur Erhebung der Klage bietet. Das ist der Fall, wenn ein hinreichender Tatverdacht besteht.
Ein hinreichender Tatverdacht wird in der Regel bejaht, wenn nach dem gesamten Akteninhalt bei vorläufiger Tatbewertung die Verurteilung des Beschuldigten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.
Verneint die Staatsanwaltschaft das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachtes, so stellt sie das Verfahren gem. § 170 II StPO ein.
Leitsätze/Entscheidungen:
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Verfahrensrecht in seiner Auslegung und Anwendung durch die Fachgerichte grundsätzlich keinen Rechtsschutz gegen die Einleitung und Fortführung eines Ermittlungsverfahrens durch die StA gewährt (BVerfG, Beschluss vom 02.10.2003 - 2 BvR 660/03).
Siehe auch unter ?Amtspflichtwidrige Anklageerhebung".
Anklageschrift - Tatbegriff - Umgrenzungsfunktion § 200 StPO
(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen genügt in den Fällen des § 68 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 die Angabe der ladungsfähigen Anschrift. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.
(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.
Hinweise:
Die Anklageschrift hat eine wichtige Funktion. Sie soll den Angeschuldigten über den gegen ihn erhobenen Vorwurf informieren. Darüber hinaus soll der Gegenstand, über den das Gericht im Eröffnungsverfahren zu entscheiden hat, in persönlicher und sachlicher Hinsicht eingegrenzt werden.
Der Inhalt der Anklageschrift ist vorgeschrieben. Die Einzelheiten ergeben sich aus § 200 StPO. Zunächst enthält die Anklageschrift die Angaben des Angeklagten zu seiner Person. Es folgen Ort und Zeit der Tatbegehung. Anschließend folgt der konkrete Anklagesatz. Dieser besteht zunächst aus einer Wiederholung des Wortlautes der verletzten Strafvorschrift. Im Anschluss daran wird der Sachverhalt mitgeteilt, der nach Ansicht der Staatsanwaltschaft das Strafgesetz verletzt hat. Anschließend werden die Beweismittel aufgeführt. Anschließend teilt die Staatsanwaltschaft das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen mit. Dort wird im Einzelnen begründet, warum die Staatsanwaltschaft das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachtes bejaht. Außerdem enthält das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen eine Beweiswürdigung. Der Umfang der Beweiswürdigung hängt jedoch von den konkreten Umständen, insbesondere von dem Umfang des Verfahrens ab.
Wird eine Anklage beim Strafrichter erhoben, muss die Anklageschrift kein wesentliches Ergebnis der Ermittlungen enthalten (§ 200 II 2 StPO).
Leitsätze/Entscheidungen:
?... 2. Denn das Urteil verfällt schon deshalb der Aufhebung, da das Landgericht das Tatgeschehen, die angeklagte Tat im Sinne von § 264 StPO, nicht unter allen tatsächlichen und strafrechtlichen Gesichtspunkten gewürdigt hat; es hat seiner Kognitionspflicht nicht genügt.
Dies ist auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts hin zu berücksichtigen. Ob es einer Verfahrensrüge bedurft hätte, wenn der nicht beachtete Teil gemäß § 154a StPO ausgeschieden gewesen wäre, kann dahinstehen (Sachrüge genügt: BGH, Urteil vom 18. Juli 1995 - 1 StR 320/95; Verfahrensrüge erforderlich: BGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 - 4 StR 370/95 -, BGHR StPO § 154a III Wiedereinbeziehung 3). Denn eine Teileinstellung ist hier nicht erfolgt, auch nicht - in Verkennung der Rechtslage - gemäß § 154 StPO (die dann als Beschränkung gemäß § 154a StPO anzusehen wäre).
Die bisherigen Feststellungen begründen den hinreichenden Verdacht, dass sich der Angeklagte eines versuchten (§ 22 StGB) Vergehens des Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG oder gar eines versuchten Verbrechens gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG (Sich-Verschaffen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführung eines Gegenstandes, der seiner Art nach zur Verletzung von Menschen geeignet und bestimmt ist) schuldig gemacht hat. Die Vorgänge im Zusammenhang mit dem Versuch des Erwerbs von Betäubungsmitteln und der Messerstich zur Abwehr des Angriffs mit dem Schlagring bilden einen einheitlichen Lebenssachverhalt.
Die Tat als Gegenstand der Urteilsfindung (§ 264 Abs. 1 StPO) ist der geschichtliche Vorgang, auf den Anklage und Eröffnungsbeschluss hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Hierbei handelt es sich um einen eigenständigen Begriff; er ist weiter als derjenige der Handlung im Sinne des sachlichen Rechts. Zur Tat im prozessualen Sinn gehört - unabhängig davon, ob Tateinheit (§ 52 StGB) oder Tatmehrheit (§ 53 StGB) vorliegt - das gesamte Verhalten des Täters, soweit es nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang darstellt. Somit umfasst der Lebensvorgang, aus dem die zugelassene Anklage einen strafrechtlichen Vorwurf herleitet, alle damit zusammenhängenden und darauf bezüglichen Vorkommnisse, selbst wenn diese Umstände in der Anklageschrift nicht ausdrücklich erwähnt sind. Bei der Beurteilung des Tatumfangs kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Entscheidend ist, ob zwischen den in Betracht kommenden Verhaltensweisen - unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung - ein enger sachlicher Zusammenhang besteht; selbst zeitliches Zusammentreffen der einzelnen Handlungen ist weder erforderlich noch ausreichend (vgl. zu allem BGH, Urteil vom 17. März 1992 - 1 StR 5/92 -, BGHR StPO § 264 I Tatidentität 21; BGH, Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98 -, BGHSt 45, 211, 212 f. = BGHR StPO § 264 I Tatidentität 30; BGH, Urteil vom 14. März 2001 - 3 StR 446/00 -, BGHR StPO § 264 I Tatidentität 32; BGH, Urteil vom 9. August 2011 - 1 StR 194/11 - Rn. 16 f.; BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 - 1 StR 412/11 -, Rn. 13; BVerfG, Beschluss vom 28. August 2003 - 2 BvR 1012/01).
Gemessen hieran, besteht zwischen der Herbeiführung der Stichverletzung und dem versuchten Erwerb der Betäubungsmittel eine ausreichende Verknüpfung.
Die körperliche Auseinandersetzung stellt sich als Eskalation des Geschehens um den versuchten Erwerb von 200 Gramm Marihuana dar. Sie ist noch dessen Teil. W. wollte mit dem Faustschlag die Rückgabe des als Pfand für den Kaufpreis übergebenen Mobiltelefons gewaltsam durchsetzen. Auch wenn der Versuch, sich Betäubungsmittel zu verschaffen, mit der Rückkehr des W. ohne das bestellte Marihuana auch für den Angeklagten erkennbar endgültig gescheitert war, ist der Kampf um das Handy mit dem Erwerbsversuch situativ, d.h. sachlich, räumlich, persönlich und zeitlich so eng verbunden, dass von Tatidentität und sogar von natürlicher Handlungseinheit im Sinne von § 52 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2007 - 4 StR 576/07 - Rn. 3, Wegnahme eines Handys nach vollendeter schwerer räuberischer Erpressung) auszugehen ist. Die Mitteilung über das Scheitern der - angeblichen - Bemühungen, an Marihuana zu kommen und den behaupteten Verlust des Geldes ging unmittelbar in die gewaltsame Auseinandersetzung um das Mobiltelefon über. Die Aburteilung in verschiedenen erstinstanzlichen Verfahren würde den hier zu beurteilenden Lebenssachverhalt unnatürlich aufspalten.
Das Landgericht hätte deshalb - wie von der Revision vorgetragen - nach einem Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts (§ 265 StPO) gemäß § 264 StPO von Amts wegen, also auch ohne einen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft und ohne Bindung an die Einschätzung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, den Unrechtsgehalt der prozessualen Tat auch im Hinblick auf das Betäubungsmittelgeschäft ausschöpfen müssen. Innerhalb derselben prozessualen Tat ist der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft grundsätzlich unteilbar (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2001 - 3 StR 446/00 -, BGHR StPO § 264 I Tatidentität 32).
3. Da mit dem möglichen Betäubungsmitteldelikt - sogar materiell rechtliche - Tatidentität besteht, führt die aufgezeigte Verletzung der Kognitionspflicht zwingend zur Aufhebung des Freispruchs vom Vorwurf des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Denn wenn der Freispruch in Rechtskraft erwachsen würde, stünde dies der weiteren Verfolgung der Tat unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Drogendelikts wegen des Verbots aus Art. 103 Abs. 3 GG entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96 -, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1; BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 4 StR 239/09 - Rn. 12; BGH, Urteil vom 17. Januar 2001 - 2 StR 437/00).
Auch Feststellungen können im vorliegenden Fall nicht aufrecht erhalten bleiben.
Dies gilt zunächst für diejenigen zum versuchten Erwerb von Marihuana. Ohne Hinweis darauf, dass auch die Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz in Betracht kommt unter Aufzeigung der Tatsachen, auf denen diese Möglichkeit beruht, konnte und musste der Angeklagte seine Verteidigung nicht hierauf ausrichten. Auch konnte er sich revisionsrechtlich gegen diese Feststellungen nicht zur Wehr setzen.
Feststellungen zu den Grundlagen des Freispruchs können in der hier gegebenen Konstellation (Freispruch unter Außerachtlassung eines tateinheitlichen strafrechtlich relevanten Geschehens) zwar grundsätzlich bestehen bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 1983 - 4 StR 535/83 -, BGHSt 32, 84, 86 ff. [Der 4. Strafsenat hat dort entschieden, dass die rechtsfehlerfreien Feststellungen, auf deren Grundlage der Tatrichter den dortigen Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Totschlages freigesprochen hatte, von der Urteilsaufhebung nicht mit umfasst werden, wenn die Staatsanwaltschaft mit ihrer erfolgreichen Revision allein geltend macht, dass es der Tatrichter unter Verstoß gegen § 264 StPO unterlassen hatte, den zuvor gemäß § 154a Abs. 2 StPO aus den Verfahren ausgeschiedenen Vorwurf eines Verstoßes gegen das Waffengesetz wieder einzubeziehen, nachdem er zu dem Ergebnis gelangt war, dass eine Verurteilung wegen versuchten Totschlages nicht in Betracht kommt.]; vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. November 2000 - 3 StR 472/00 -, BGHR StPO § 353 II Teilaufhebung 2). Es muss dann aber sicher sein, dass die aufrechterhaltenen Feststellungen im neuen tatgerichtlichen Verfahren nicht - auch nur teilweise - Grundlage einer Verurteilung werden könnten. Denn diese den Angeklagten dann belastenden Feststellungen konnte er bei einem Freispruch revisionsrechtlich nicht beanstanden. Außerdem dürfen die in Frage stehenden strafrechtlich relevanten Vorgänge nicht so eng mit einander verbunden sein, dass bei teilweiser Aufrechterhaltung die Gefahr widersprüchlicher Erkenntnisse im neuen Verfahren besteht. Die Aufrechterhaltung von Feststellungen bei Freispruch unter Verletzung der Kognitionspflicht hinsichtlich derselben Tat gemäß § 264 StPO wird daher nur in seltenen Fällen in Betracht kommen. Eine Überdehnung des § 353 Abs. 2 StPO seitens des Revisionsgerichts berührt auch das Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 2006 - 2 BvR 1765/05). Im vorliegenden Fall kann wegen des engen Zusammenhangs des den Freispruch betreffenden Teils der Tat mit dem möglichen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz nur mit einer umfassenden Aufhebung der Weg zu insgesamt widerspruchsfreien Feststellungen eröffnet werden. Die nunmehr zur Entscheidung berufene Jugendkammer wird deshalb den dem Angeklagten zur Last gelegten Sachverhalt in eigener tatrichterlicher Verantwortung in vollem Umfang erneut zu prüfen und darüber zu entscheiden haben. ..." (BGH, Urteil vom 07.02.2012 - 1 StR 542/11)
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Die Umgrenzungsfunktion der Anklageschrift gebietet auch bei Bandentaten oder "uneigentlichen Organisationsdelikten" nicht, dass für die Bestimmtheit des Anklagevorwurfs i.S.d. § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO mehr an Substanz verlangt wird als materiell-rechtlich für einen Schuldspruch erforderlich ist ( BGH, Beschluss vom 24.01.2012 - 1 StR 412/11 zu §§ 200 I 1 StPO, 264 StPO).
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Zu den Anforderungen an die Fassung des Anklagesatzes bei einer Vielzahl gleichartiger Einzelakte, die zu gleichartiger Tateinheit und damit auch prozessual zu einer Tat verbunden sind (BGH, Urteil vom 02.03.2011 - 2 StR 524/10):
?... Das LG hat das Verfahren gegen den Angekl. gem. § 260 Abs. 3 StPO mit der Begründung eingestellt, die Anklageschrift genüge nicht den an sie gem. § 200 Abs. 1 S. 1 StPO zu stellenden Anforderungen. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge formellen Rechts gestützte Revision hat hinsichtlich der Fälle 1) - 8) der Anklage Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Die Anklage der StA Frankfurt/M. v. 21.07.2008 legt dem Angekl. Betrug in zehn Fällen in der Zeit v. 01.07.2000 bis 30.04.2003 zur Last. Der wegen Betruges vorbestrafte Angekl. habe als faktischer Geschäftsführer verschiedener Firmen von ihm selbst verfasste ?Informationsbriefe' mit einem Umfang zwischen 12 und 26 Seiten über einen Fax-Abruf vertrieben, bei dem der Besteller durch Anwahl einer bestimmten Nummer den Versand des Briefes auf sein eigenes Faxgerät bewirkte. Zuvor habe der Angekl. seine Informationsbriefe über massenhaft verschickte Werbefaxe und über das Internet beworben. Die Abwicklung sei über bei einem Telefondienstleister angemietete Rufnummern erfolgt. Da der Angekl. jeweils den teuersten Tarif gewählt habe, sei den Bestellern des Fax-Briefes eine Gebühr von 3,63 DM bzw. 1,86 Euro pro Minute berechnet worden, von der dem Angekl. nach den Vereinbarungen mit dem Telefondienstleister ca. 60 bis 67 ? zugestanden habe. Im Interesse eines maximalen Gewinns habe der Angekl. auf verschiedene Weise - etwa durch die typografische bzw. grafische Gestaltung der Faxbriefe und die Wahl der langsamsten Übertragungsrate - dafür gesorgt, dass die Übertragungsdauer auf ein Vielfaches der üblichen Zeit verlängert worden sei. Der Angekl. habe zwar in seinen Werbefaxen auf den Minutenpreis von 3,63 DM und später 1,86 Euro hingewiesen. Die durch die verlängerte Übertragungsdauer entstandenen unerwartet hohen Kosten seien für die Besteller jedoch nicht zu erkennen gewesen. So dauerte etwa der Abruf eines 24seitigen Faxbriefes ca. 72 Minuten und kostete den Besteller ca. 276 DM bzw. 138 ?.
Der Angekl. habe die Abnehmer in seinen zu Werbezwecken verschickten Faxen aber vor allem über den Inhalt und den praktischen Nutzen der angebotenen Fax-Abrufe getäuscht. Die Informationsbriefe zu Themen wie z.B. ?Banken ohne Schufa', ?Traumjob Fotomodell', ?Verlieben online', ?Heimverdienst', ?Gesunde Ernährung', ?Sexlinks ohne Ende' und ?Fabrikverkauf - Umgehen Sie den Einzelhandel' hätten Banalitäten enthalten, die für die meisten bzw. nahezu alle Abnehmer ohne Wert gewesen seien. Die Einnahmen des Angekl. hätten sich im Tatzeitraum auf insgesamt 2.555.833 Euro belaufen.
2. Das LG hat die Einstellung des Verfahrens gem. § 260 Abs. 3 StPO damit begründet, dass die Anklageschrift die einzelnen Taten nicht hinreichend konkretisiere. Es sei schon nicht erkennbar, an welchen Orten, zu welchen Zeiten und mit welchem Inhalt die Werbefaxe, in denen der Angekl. über den Inhalt und den Nutzen der Informationsbriefe getäuscht und bei denen er gebotene Angaben unterlassen haben soll, versandt worden seien. Außerdem bezeichne die Anklageschrift bis auf wenige beispielhaft genannte Personen die geschädigten Kunden nicht namentlich, und es sei nicht erkennbar, welche konkreten Werbemaßnahmen bzw. Manipulationen an der Übertragungszeit jeweils mit welchen Auswirkungen auf Vorstellungsbild und Motivlage einzelner Geschädigter in strafrechtlichem Zusammenhang stünden. Der Umgrenzung der Einzelakte im Verhältnis zu anderen Einzelakten komme vorliegend auch keine nur untergeordnete Bedeutung zu, da bezogen auf einen betrügerischen Geschäftsbetrieb ein einheitliches ?uneigentliches' Organisationsdelikt nicht angenommen werden könne.
3. Die Revision der StA ist hinsichtlich der Fälle 1) bis 8) der Anklageschrift begründet. In diesen - nicht verjährten (vgl. den auf die Revision des Angekl. ergangenen Senatsbeschl. vom heutigen Tage - 2 StR 524/10) - Fällen hat die Anklage Bestand, weil sie die notwendigen Angaben zur Bestimmung des Prozessgegenstandes enthält und damit ihrer Umgrenzungsfunktion genügt.
a) Eine Anklage ist nur dann unwirksam mit der Folge, dass das Verfahren wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung einzustellen ist, wenn etwaige Mängel ihre Umgrenzungsfunktion betreffen. Mängel der Informationsfunktion berühren ihre Wirksamkeit dagegen nicht (BGHSt 44, 153, 156 [= StV 1998, 580]; LR-Stuckenberg 26. Aufl. § 200 StPO Rn. 80). Die Umgrenzungsfunktion der Anklage dient dazu, den Prozessgegenstand festzulegen, mit dem sich das Gericht aufgrund seiner Kognitionspflicht zu befassen hat. Sie erfordert neben der Bezeichnung des Angeschuldigten Angaben, welche die Tat als geschichtlichen Vorgang unverwechselbar kennzeichnen. Es darf nicht unklar bleiben, über welchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der StA urteilen soll (BGHSt 40, 44 f. [= StV 1994, 226]; LR-Stuckenberg 26. Aufl. § 200 StPO Rn. 18 m.w.N.). Jede einzelne Tat muss sich als historisches Ereignis von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen des Angeschuldigten unterscheiden lassen, damit sich die Reichweite des Strafklageverbrauchs und Fragen der Verfolgungsverjährung eindeutig beurteilen lassen. Die Umstände, welche die gesetzlichen Merkmale der Straftat ausfüllen, gehören dagegen - wie sich auch aus dem Wortlaut von § 200 Abs. 1 S. 1 StPO ergibt - nicht zur Bezeichnung der Tat. Wann die Tat in dem beschriebenen Sinne hinreichend umgrenzt ist, kann nicht abstrakt, sondern nur nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalles festgelegt werden.
Bei einer Vielzahl gleichartig begangener Betrugsdelikte müssen zu deren Konkretisierung grundsätzlich auch die Geschädigten der einzelnen Fälle benannt und diese so dargestellt werden, dass sie von etwaigen weiteren Fällen durch nähere Einzelheiten oder Begleitumstände unterscheidbar sind (vgl. BGH StV 2007, 171 f.; KK-Schneider 6. Aufl. § 200 StPO Rn. 11 m.w.N.). Dies gilt jedoch nur, wenn die Serienstraftaten je für sich prozessual als selbständige Taten zu werten sind, etwa weil sie auch materiell-rechtlich in Realkonkurrenz stehen (vgl. BGH NJW 2008, 2131, 2132; NStZ 2008, 352). Wird dagegen eine Vielzahl gleichartiger Einzelakte durch dieselbe Handlung des Besch. zu gleichartiger Tateinheit und damit auch prozessual zu einer Tat verbunden, genügt die Anklage ihrer Umgrenzungsfunktion, wenn die Identität dieser Tat klar gestellt ist. Einer individualisierenden Beschreibung ihrer Einzelakte bedarf es bei einer solchen Fallgestaltung nicht, um den Prozessgegenstand unverwechselbar zu bestimmen. Darüber hinausgehende Angaben, die den Tatvorwurf näher beschreiben, können zwar erforderlich sein, um der Informationsfunktion der Anklageschrift zu genügen (dazu unten 5.); ihr Fehlen lässt jedoch deren Bestand unberührt.
b) Nach diesen Maßstäben erfüllt die Anklage in den Fällen 1) bis 8) ihre Funktion, den Verfahrensgegenstand zu umgrenzen. Die allg. Schilderung des ?Geschäftsmodells' des Angekl., die Bündelung einer Vielzahl von Einzelakten und Geschädigten zu einzelnen prozessualen Taten sowie die Festlegung des Zeitraums, in dem die Faxbriefe jeweils versandt wurden, reichen aus, um die dem Angekl. vorgeworfenen Straftaten so zu bestimmen, dass die Identität des jeweils gemeinten geschichtlichen Vorgangs hinreichend klargestellt wird und die einzelne Tat sich von anderen strafbaren Handlungen des Angekl. unterscheiden lässt. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass die Anklage das umfangreiche Gesamtgeschehen mit Tausenden von Geschädigten zu wenigen prozessualen Taten zusammengefasst hat, die sich an den jeweils unterschiedlichen Inhalten der vom Angekl. verfassten Faxbriefe orientieren. Insofern geht die Anklage vertretbar davon aus, dass die jeweils auf einem Tatentschluss des Angekl. beruhende Einrichtung der Faxseiten zu einem bestimmten Thema materiell-rechtlich als eine (Täuschungs-)Handlung zu werten ist, die sukzessive eine Vielzahl gleichartiger Erfolge ausgelöst hat. Durch diese Form der Handlungseinheit werden die Einzelakte, die im Gebrauch der Abrufe durch die Geschädigten bestehen, auch prozessual zu jeweils einer Tat verbunden.
Deshalb ist es entgegen der Auffassung des GBA unschädlich, dass die Anklage nur wenige Geschädigte ausdrücklich benennt. Der Umgrenzungsfunktion der Anklage ist in den Fällen 1) bis 8) bereits dadurch genügt, dass der zur Aburteilung gestellte Lebenssachverhalt durch die Einrichtung des jeweiligen Faxabrufs und die Angabe der Dauer seines Betriebes inhaltlich und zeitlich unverwechselbar gekennzeichnet ist. Zweifel über Fragen der Verjährung oder den Umfang des Strafklageverbrauchs können insoweit nicht aufkommen. Demgegenüber sind die Bezeichnung der Geschädigten sowie Ausführungen zu den Vorstellungen, die diese sich beim Abruf der vom Angekl. angebotenen Inhalte gemacht haben, für die Individualisierung des zur Aburteilung gestellten Sachverhaltes nicht erforderlich, sondern konkretisieren lediglich die gesetzlichen Merkmale des Betrugs hinsichtlich der gleichartigen Teilakte der jeweiligen prozessualen Taten. Insofern ist die Unterrichtung des Angekl. über die Einzelheiten des Schuldvorwurfs und damit die Informationsfunktion der Anklage betroffen (dazu unten 5.). Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich damit von Seriendelikten mit einer Vielzahl von auf jeweils neuen Tatentschlüssen beruhenden Handlungen, die prozessual als selbständige und in der Anklageschrift - ggf. auch im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen - deshalb unverwechselbar zu kennzeichnende Taten zu werten sind (vgl. BGH NJW 2008, 2131, 2132; NStZ 2008, 352; Beschl. v. 12.01.2011 - GSSt 1/10).
4. In den Fällen 9) und 10) erfüllt die Anklage v. 21.07.2008 dagegen ihre Umgrenzungsfunktion nicht. Im Fall 9) bleibt mit Rücksicht auf den bloßen Hinweis ?ab Anfang 04.2002' bereits unklar, wie lange der betreffende Faxabruf eingerichtet war und genutzt wurde. Diese Lücke kann auch nicht durch Rückgriff auf das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen geschlossen werden. Die genaue Festlegung des Tatzeitraumes ist jedoch unabdingbar, um das dem Gericht zur Aburteilung gestellte Geschehen, Fragen der Verfolgungsverjährung sowie die Reichweite der Rechtskraft unverwechselbar zu bestimmen.
Im Fall 10) ist für den Faxabruf ?Gratisurlaub! Für alle Altersgruppen' keinerlei Tatzeit angegeben. Insoweit gilt das zu Fall 9) Ausgeführte. Im Übrigen besteht der Anklagesatz im Fall 10) aus Angaben zu erzielten Erlösen aus der Versendung von Informationsbriefen zu unterschiedlichsten Themen, die zum überwiegenden Teil bereits Gegenstand der angeklagten Taten 1) - 8) sind. Insoweit wird nicht deutlich, welcher hiervon unterschiedene geschichtliche Vorgang zur Aburteilung gestellt werden soll. Es mag unter Berücksichtigung der sonstigen Struktur der Anklage naheliegend erscheinen, jeweils eigenständige prozessuale Taten anzunehmen, wenn nach einer zeitlichen Zäsur von dem Angekl. Faxabrufe zu bestimmten Themen neu aufgelegt wurden. In der Fassung der Anklageschrift kommt dies aber nicht zum Ausdruck.
5. Der Senat weist für das weitere Verfahren auf folgendes hin: Die Anklage genügt in den Fällen 1) bis 8) den nach § 200 Abs. 1 S. 1 StPO zu stellenden Anforderungen an ihre Informationsfunktion nicht. Wenngleich dies - wie dargelegt - keine Auswirkungen auf ihren Bestand hat, muss der Angekl. jedoch so über die Einzelheiten des Tatvorwurfs unterrichtet werden, dass er in die Lage versetzt wird, sein Prozessverhalten hierauf einzustellen (BGHSt 40, 44, 47 f. [= StV 1994, 226]; BGH, Beschl. v. 12.01.2011 - GSSt 1/10). Die Anklageschrift muss deshalb auch bei massenhaft begangenen Seriendelikten die mehrgliedrigen Voraussetzungen des Tatbestandes des § 263 StGB, erforderlichenfalls hinsichtlich jedes - möglicherweise zu gleichartiger Tateinheit zusammenzufassenden - schädigenden Einzelaktes konkret bezeichnen (Senat NStZ 2010, 103, 104 [= StV 2010, 363]). Aus einem - nicht notwendigerweise in der Hauptverhandlung zu verlesenden (BGH, Beschl. v. 12.01.2011 - GSSt 1/10) - Teil der Anklageschrift müssen sich die individuellen Merkmale der Einzeltaten ergeben; es muss daher ausgeführt werden, durch welche Tatsachen oder Vorstellungen der gesetzliche Straftatbestand jeweils erfüllt ist (§ 200 Abs. 1 S. 1 StPO). Mit Rücksicht auf die Informationsfunktion der Anklageschrift darf dabei insbes. nicht aus dem Blick verloren werden, dass der Betrug ein gegen das Vermögen einzelner privater oder juristischer Personen gerichteter Straftatbestand ist (Senat NStZ 2010, 103, 104 [= StV 2010, 363]).
Dem wird die Anklage in den Fällen 1) bis 8) nicht gerecht. Die mehreren tausend Personen, die sich des Faxabrufes des Angekl. bedient haben, werden nicht als nach § 263 StGB geschädigte Einzelne, sondern als - weitestgehend anonym bleibende - Gruppe behandelt. Die Anklageschrift nennt nur einige wenige Geschädigte namentlich (je eine Person zu den Fällen 1, 5 und 6, zwei Personen zu Fall 2, je fünf Personen zu den Fällen 3 und 4 und sechs Personen zu Fall 8). Zum Fall 7 wird kein einziger Geschädigter mitgeteilt. Eine Individualisierung der Tatopfer und ihre Zuordnung zu einzelnen Teilakten kann danach nicht vorgenommen werden. Diese Angaben wären aber erforderlich, um dem Angekl. die Möglichkeit zu geben, sein Prozessverhalten auf den Anklagevorwurf in seiner Gesamtheit einzustellen.
Außerdem wird bei keinem der angegebenen Geschädigten klar, wann er auf das Angebot des Angekl. eingegangen ist, welche Vorstellungen er sich dabei gemacht hat und welcher konkrete Schaden ihm entstanden ist. Trotz des Seriencharakters der angeklagten Betrugsstraftaten darf der Vorstellungshorizont der durch die Einzelakte Geschädigten nicht offen bleiben. Der Anklage ist zu entnehmen, dass die jeweiligen Abnehmer umfangreiche Informationsbriefe erhielten, deren Inhalte sich jedenfalls auf den zuvor beworbenen Themenkreis bezogen. Vor diesem Hintergrund versteht sich die Annahme der Anklage, der Angekl. habe ?vor allem ... über den Inhalt und den praktischen Nutzen der angebotenen Faxseiten' getäuscht, zumindest nicht für jeden Abnehmer von selbst. Dies zeigt sich auch an einschränkenden Formulierungen in der Anklage wie zu Fall 3, wonach die Informationen ?für nahezu alle', und zu Fall 8, wonach sie ?für die meisten' Abnehmer wertlos gewesen seien. Für welche Abnehmer dies gelten soll, lässt sich an Hand der Anklageschrift nicht nachvollziehen. Dies gilt gleichermaßen für den Vorwurf, der Angekl. habe die Übertragungszeiten bewusst verzögert. Da die Anklageschrift ausführt, dass es auch Faxabrufe mit normaler Übertragungszeit gab, ist auch insoweit eine konkrete Zuordnung möglicherweise tatbestandlich relevanter Verhaltensweisen des Angekl. zu bestimmten Einzelakten und durch diese geschädigten Personen nicht möglich.
Schließlich lässt sich der Anklage auch der Schadensumfang, von dem die StA ausgeht, nicht hinreichend deutlich entnehmen. Der angenommene Gesamtschaden in Millionenhöhe, der sich aus einer Gleichsetzung mit den gesamten Einnahmen des Angekl. im Tatzeitraum ergeben soll, kann nicht mit dem Hinweis auf einzelne namentlich genannte Geschädigte belegt werden, die ?um die Übertragungskosten geschädigt' sind, zumal diese bei keinem Geschädigten konkret beziffert werden und die Übertragungszeit nicht bei allen Abnehmern verlängert war.
Der neue Tatrichter wird den dargelegten Unzulänglichkeiten der Informationsfunktion der Anklageschrift durch Hinweise nach § 265 Abs. 1 StPO, ggf. nach entsprechenden Nachermittlungen der StA, Rechnung zu tragen haben. ..."
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Dem Großen Senat für Strafsachen wird gemäß § 132 Abs. 2 und 4 GVG folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt: Genügt, wenn einem Angeklagten eine große Zahl von Vermögensdelikten zur Last gelegt wird, die einem einheitlichen modus operandi folgen, der Anklagesatz den Anforderungen des § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO i.V.m. § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO, wenn in diesem, der allein in der Hauptverhandlung nach § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO zu verlesen ist, neben der Schilderung der gleichartigen Tatausführung, die die Merkmale des jeweiligen Straftatbestandes erfüllt, die Gesamtzahl der Taten, der Tatzeitraum sowie der Gesamtschaden bezeichnet werden und die Einzelheiten der Taten, d.h. die konkreten Tatzeitpunkte, die Tatorte, die Tatopfer und die jeweiligen Einzelschäden, ergänzend in einem anderen nicht zu verlesenden Teil der Anklageschrift detailliert beschrieben sind? (BGH, Beschluss vom 24.02.2010 - 1 StR 260/09)
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Die Anklageschrift hat die einem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen, daß die Identität des geschichtlichen Vorgangs dargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist; sie muß sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen des selben Täters unterscheiden lassen (Umgrenzungsfunktion). Zwar dürfen bei der Prüfung, ob die Anklage die gebotene Umgrenzung leistet, die Ausführungen im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zur Ergänzung und Auslegung des Anklagesatzes herangezogen werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch stets, daß sich aus dem Anklagesatz zumindest Grundlagen einer Tatbeteiligung ergeben. Fehlende Angaben können dann aus dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen entnommen werden, wenn sie dort eindeutig benannt sind und daraus deutlich wird, daß sich der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft hierauf erstreckt. Zur Frage, inwieweit zur Beurteilung der Umgrenzungsfunktion der Anklage auf das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen zur Prüfung der Frage zurückgegriffen werden kann, gegen welchen von mehreren Angeklagten sich ein bestimmter Vorwurf richtet. Voraussetzung hierfür ist, dass sich aus dem Anklagesatz zumindest Grundlagen einer Tatbeteiligung ergeben. Daran fehlt es, wenn die Person des in Frage stehenden Angeklagten im Zusammenhang mit dem in Frage stehenden Tatkomplex überhaupt nicht erwähnt wird (BGH, Urteil vom 28.10.2009 - 1 StR 205/09 zu StPO §§ 200 I 1, 264 I, 266, NJW 2010, 308 ff).
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Bei einer Vielzahl gleichartiger Wirtschaftsstraftaten genügt der Anklagesatz regelmäßig dann sowohl der Umgrenzungs- als auch der Informationsfunktion, wenn über die Angabe der Zahl der Taten, des Gesamtschadens und des gesamten Tatzeitraums hinaus die gleichartigen Taten gruppiert bezeichnet werden und wenn die Einzelheiten im wesentlichen Ermittlungsergebnis detailliert (etwa tabellarisch) aufgelistet werden (BGH, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 StR 596/07).
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?... Die Verurteilung im Fall 5. hat keinen Bestand, weil es hinsichtlich der abgeurteilten Tat an einer wirksamen Anklage fehlt. Nach der zugelassenen Anklage soll der Angeklagte (auch) diese Tat, einen Geschlechtsverkehr, bei dem er das Tatopfer vorsätzlich mit dem HI-Virus infiziert haben soll, in dem Zeitraum zwischen August 2001 und September 2003 begangen haben; nach den Urteilsgründen hat er die Tat dagegen möglicherweise schon im Februar 1998 begangen. Die Tatschilderung in der Anklage und im Urteil beschränkt sich auf die Darstellung der den Tatbestand erfüllenden Umstände. Weitere Besonderheiten, die das Geschehen derart prägten, dass schon daraus die Identität von angeklagter und abgeurteilter Tat belegt würde, werden nicht mitgeteilt. Unter diesen Umständen muss angesichts der unterschiedlichen Angaben zum Tatzeitpunkt davon ausgegangen werden, dass es sich um verschiedene Taten handelt. Dementsprechend war das Verfahren einzustellen. Dies steht der Erhebung einer neuen, den verfahrensrechtlichen Anforderungen entsprechenden Anklage nicht entgegen (vgl. BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 13 m. w. N.). ..." (BGH, Beschluss vom 18.10.2007 - 3 StR 248/07)
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Wird durch den Eröffnungsbeschluß die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen, so führen schwere Mängel des Anklagesatzes zur Unwirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses. Zur Unwirksamkeit der Anklage mangels Konkretisierung der Einzeltaten bei einer Vielzahl von Verstößen gegen das BtMG. Die an eine Anklageschrift zu stellenden Anforderungen können auch nicht unter dem Gesichtspunkt abgeschwächt werden, daß der Angeklagte aufgrund von geständigen Angaben verurteilt wird:
?... Das Landgericht hat den Angeklagten wegen einer Serie von Betäubungsmittelstraftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat einen vorläufigen Erfolg.
1. Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung hat ergeben, dass es mangels ausreichender Konkretisierung und Individualisierung der Tatvorwürfe an der Verfahrensvoraussetzung wirksamer Anklageerhebung und demzufolge auch an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss fehlt. Der Senat stellt daher das Verfahren ein.
Wird durch den Eröffnungsbeschluss die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen, so führen schwere Mängel des Anklagesatzes zur Unwirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses. Solche Mängel liegen vor, wenn unklar bleibt, auf welchen konkreten Sachverhalt sich die Anklage bezieht und welchen Umfang die Rechtskraft eines daraufhin ergehenden Urteils haben würde (st. Rspr.; vgl. z. B. BGHSt 10, 137; BGH NStZ 1984, 133; 1985, 464, 465 m. w. N.).
So ist es hier: Die Anklage legt dem Angeklagten 18 Fälle der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (in Tateinheit mit Handeltreiben in nicht geringer Menge und mit Abgabe an Minderjährige) sowie 3 Fälle des Bestimmens eines Minderjährigen zum Handeltreiben zur Last (unzutreffend ist deshalb bereits die Angabe, der Angeklagte habe 22 Taten begangen). Im konkreten Anklagesatz wird hinsichtlich der Einfuhrtaten lediglich eine Tat geschildert (Einfuhr von 500 g Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von ?weit über 7,5 g THC', Weiterverkauf dieser Menge, soweit nicht Abgabe an einen Minderjährigen in Form täglicher Konsumeinheiten). An der Konkretisierung der verbleibenden 17 Taten fehlt es. Dass der Angeklagte dabei jeweils eine der ersten Tat vergleichbare Tat begangen haben soll, bei der lediglich der genaue Zeitpunkt im Unklaren geblieben ist, kann ausgeschlossen werden: Unter den Taten sollen auch Drogenankäufe in Deutschland sein, demnach kann die angeklagte Einfuhr in einer unklaren Zahl von Fällen gar nicht stattgefunden haben. Wegen der ?Größenordnung von jeweils 100 Gramm' der ?Weichdroge' und der fehlenden Angabe eines Wirkstoffgehalts ist nicht klar, ob der Angeklagte eine nicht geringe Menge von Betäubungsmitteln eingeführt oder mit ihr Handel getrieben hat. Soweit die Anklage einzelne (mehr als 80) Betäubungsmittelverkäufe des Angeklagten auflistet, handelt es sich dabei um Veräußerungsgeschäfte, die Teilmengen des zuvor erworbenen Rauschgifts betreffen. Diese tragen zur Konkretisierung der Ankaufstaten nicht bei. Als Einzelverkäufe sind sie nicht angeklagt. Auch bezüglich der drei Taten des Bestimmens eines Minderjährigen zum Handeltreiben fehlt es an der Konkretisierung.
Diese an eine Anklageschrift zu stellenden Anforderungen können auch nicht unter dem Gesichtspunkt abgeschwächt werden, dass der Angeklagte aufgrund von geständigen Angaben nun wegen 21 Betäubungsmittelstraftaten zu einer für den dort festgestellten Schuldumfang angemessen erscheinenden Strafe verurteilt worden ist.
Der Senat stellt wegen der gravierenden Mängel der Anklage das Verfahren auch insoweit ein, als der Anklage eine Einfuhrtat als hinreichend konkretisiert entnommen werden kann. Damit kann dem Verfahren insgesamt eine neue, tragfähige Grundlage geschaffen werden. Das Aussageverhalten des Angeklagten wird die beschleunigte Erhebung einer neuen Anklage und Durchführung einer erneuten Hauptverhandlung ermöglichen. ..." (BGH, Beschluss vom 14.02.2007 - 3 StR 459/06).
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Auch wenn trotz nicht genügender Konkretisierung der angeklagten Taten in der Anklageschrift diese nicht so schwere Mängel aufweist, daß dies ein Verfahrenshindernis begründet, kann § 243 Abs. 3 S. 1 StPO mit der Folge verletzt sein, daß das Urteil aufgehoben werden muß. Dies gilt dann, wenn wegen nicht hinreichender Konkretisierung der Tat im Anklagesatz die Anklage ihrer Informationsfunktion nicht gerecht wird:
?... Der Rüge der Verletzung des § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO, weil der in der Hauptverhandlung verlesene Anklagesatz keine ausreichende Konkretisierung der einzelnen Tatvorwürfe und Tatumstände enthalte, ist hingegen begründet.
a) Die Anklageschrift vom 16. November 2001 warf dem Angeklagten vor, in der Zeit vom 4. Juli 1999 bis zum 24. August 2000 in A. , B. und an anderen Orten gemeinschaftlich handelnd in 104 Fällen als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach § 263 StGB verbunden hat, gewerbsmäßig in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen anderer dadurch beschädigt zu haben, dass er durch Vorspiegelung falscher Tatsachen einen Irrtum erregte und in 38 Fällen tateinheitlich hierzu entgegen § 17 Nr. 5 LMBG Lebensmittel unter irreführender Angabe in den Verkehr gebracht zu haben. Der Anklagesatz beschrieb allgemein den Tatplan und die Tatausführung und teilte mit, dass mit Kunden der Firma E. des mitangeklagten Schwagers des Angeklagten 38 Verträge über Speisegetreide und 74 Verträge über Futterware aus kontrolliert biologischem Anbau geschlossen worden waren, tatsächlich aber in 1058 Einzelpartien 28.670.034 kg Ware aus konventionellem Anbau zu einem Gesamtpreis von 11.192.953,35 DM geliefert worden war. Die notwendigen Einzelheiten zu den Verträgen, den Vertragspartnern oder zu den Lieferungen, wie zum Beispiel wann mit wem welcher Vertrag über welches Erzeugnis zu welchem Preis geschlossen worden ist und durch welche Einzellieferungen (Produkt, Menge, Zeitpunkt) die Verträge erfüllt wurden, enthielt erst das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen. Dieses ist aber gerade nicht nach § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO zu verlesen.
b) Dieser Anklagesatz genügt nicht den Anforderungen des § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO. Danach ist die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs dargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist; sie muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen des Täters unterscheiden lassen. Dabei muss die Schilderung umso konkreter sein, je größer die allgemeine Möglichkeit ist, dass der Angeklagte verwechselbare weitere Straftaten gleicher Art verübt hat (st. Rspr., vgl. BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 3, 7, 20; Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. § 200 Rdn. 7; Tolksdorf in KK-StPO 5. Aufl. § 200 Rdn. 3; Rieß in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 200 Rdn. 13). Danach ist, um der Informationsfunktion der Anklage gerecht zu werden, bei einer Serie von Straftaten erforderlich, dass die dem Angeklagten im einzelnen vorgeworfenen Tathandlungen nach Tatzeit, Tatort, Tatausführung und anderen individualisierenden Merkmalen ausreichend beschrieben und dargelegt werden (Rieß aaO § 200 Rdn. 14 b). So genügt es grundsätzlich nicht, den Tatzeitraum nach Beginn und Ende einzugrenzen, die in allen Fällen gleichartige Begehungsweise allgemein zu schildern und dabei den betrügerisch herbeigeführten Gesamtschaden zu beziffern (vgl. BGH NStZ 1986, 275, 276; vgl. aber auch OLG Düsseldorf, NStZ-RR 1996, 275, 276). Eine Ausnahme wird, beispielsweise bei Serienfällen sexuellen Kindesmissbrauchs nach der Rechtsprechung nur dann zugelassen, wenn eine Individualisierbarkeit nach genauer Tatzeit und genauem Geschehensablauf bei der Begehung einer Vielzahl gleichartiger Taten nicht möglich ist und dies zu gewichtigen Lücken in der Strafverfolgung führen würde und wenn es im Rahmen der Anklageerhebung wenigstens gelingt, das Tatopfer, die Grundzüge der Art und Weise der Tatbegehung, einen bestimmten Tatzeitraum und die (Höchst-)Zahl der vorgeworfenen Straftaten, die Gegenstand der Anklage sein sollen, mitzuteilen (vgl. BGHSt 40, 44, 46; Rieß aaO § 200 Rdn. 14 b, 14 c m.w.N.).
c) Die danach erforderliche hinreichende Konkretisierung der Tat muss sich grundsätzlich schon aus dem Anklagesatz ergeben, um der Informationsfunktion der Anklage gerecht zu werden. Der Zweck der Verlesung des Anklagesatzes (§ 243 Abs. 3 Satz 1 StPO) geht dahin, diejenigen Richter - insbesondere die Schöffen -, denen der Inhalt der Anklage noch nicht bekannt ist, sowie die Öffentlichkeit darüber zu unterrichten, auf welchen geschichtlichen Vorgang sich das Verfahren bezieht, und ihnen zu ermöglichen, während der ganzen Verhandlung ihr Augenmerk auf die Umstände zu richten, auf die es in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ankommt. Den Prozessbeteiligten soll Gewissheit darüber vermittelt werden, auf welche Tat sie ihr Angriffs- und Verteidigungsvorbringen einzurichten haben (vgl. BGHR StPO § 243 Abs. 3 Anklagesatz 2; BGH NJW 1982, 1057; Tolksdorf aaO § 243 Rdn. 23; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 243 Rdn. 50 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügte der Anklagesatz hier nicht.
d) Ein Beruhen des Urteils auf dem Gesetzesverstoß vermag der Senat in Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt nicht auszuschließen. Zwar kann in Ausnahmefällen der Verhandlungsverlauf es trotz mangelhaftem oder überhaupt nicht verlesenem Anklagesatz allen Verfahrensbeteiligten gestatten, den Tatvorwurf im erforderlichen Umfang zu erfassen und ihre Prozessführung entsprechend einzurichten, nämlich dann, wenn die Sach- und Rechtslage einfach und überschaubar ist oder wenn die Prozessbeteiligten auf andere Weise über den Gegenstand des Verfahrens unterrichtet worden sind (vgl. BGH NStZ 2000, 214; bei Miebach NStZ 1991, 28; BGHR StPO § 243 Abs. 3 Anklagesatz 2; Gollwitzer aaO § 243 Rdn. 107; Meyer-Goßner aaO § 243 Rdn. 38). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier angesichts des Umfangs des Prozessstoffs (1058 Einzellieferungen, 139 Hauptverhandlungstage) jedoch ersichtlich nicht vor. ..." (BGH, Beschluss vom 28.04.2006 - 2 StR 174/05 zu StPO §§ 200, 243 Abs. 3 S. 1, 260 Abs. 3, 337).
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Wenn - wie im Falle des sexuellen Mißbrauchs von Kindern und Schutzbefohlenen - bei einem langen Tatzeitraum verschiedene Tatmodalitäten mit rechtlich unterschiedlicher Wertung in Betracht kommen, muß die Anklage erkennen lassen, wie viele Taten welcher Tatmodalität welchen Altersstufen des Opfers zuzuordnen sind und welcher strafrechtlichen Einordnung sie unterliegen. Hierbei muß die Zahl der den Gegenstand des jeweiligen Vorwurfs bildenden Straftaten mitgeteilt werden (BGH, Urteil vom 16.12.2004 - 3 StR 387/04).
*** (OLG)
Entspricht eine Anklageschrift den Vorgaben des § 200 Abs. 1 StPO kommt ihre Rückgabe an die Staatsanwaltschaft nur noch dann in Betracht, wenn die zugrunde liegenden Ermittlungen so unzureichend sind, dass über eine Eröffnung des Hauptverfahrens nicht sachgerecht entschieden werden kann und die vorhandenen Defizite auch durch die Anordnung einzelner Beweiserhebungen nach § 202 StPO nicht mehr ausgeglichen werden können (OLG Nürnberg, Beschluss vom 22.02.2011 - 1 Ws 47-48/11 H zu StPO §§ 200 Abs. 1, 202, 203, 204, 207 Abs. 2 Nr. 1).
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Eine nachträgliche Heilung der den Tatvorwurf nicht hinreichend umgrenzenden und durch den Eröffnungsbeschluß unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage ist ausgeschlossen. Der Angeschuldigte muß schon vor der Eröffnungsentscheidung Gelegenheit erhalten, umfassend informiert zu werden, um eventuell seine Gründe darlegen zu können, warum das Hauptverfahren nicht eröffnet werden darf. Eine Verschiebung der Mängelbeseitigung vom Zwischenverfahren in das Hauptverfahren würde zu einer den zwingenden Erfordernissen des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs zuwiderlaufenden Aushöhlung des § 200 StPO führen (OLG Oldenburg, Beschluss vom 12.11.2009 - 1 Ss 192/09 zu StPO §§ 200, 265).
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Mit der Zurücknahme der Anklage wird das Verfahren in den Stand des Ermittlungsverfahrens zurückversetzt. Sofern die Staatsanwaltschaft das Verfahren nicht einstellt, muß sie erneut Anklage erheben. Die bloße Bezugnahme auf die durch die vorherige Klagerücknahme gegenstandslos gewordene Anklageschrift genügt den Formerfordernissen an eine ordnungsgemäße Anklage nicht, so daß das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses nach § 206a einzustellen ist. Die Einstellung wegen des Verfahrenshindernisses ist nach § 357 Satz 1 StPO auf den Nichtrevidenten zu erstrecken (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.11.2009 - III - 2 Ss 215/09 - 148/09 I zu StPO §§ 200, 357).
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Ein Strafverfahren ist wegen Nichteinhaltung der Umgrenzungsfunktion einer Anklage von Amts wegen einzustellen, wenn bei Serienstraftaten die Teilakte nicht zureichend nach Tatzeit, Tatort, Ausführungsart und anderen individualisierbaren Merkmalen gekennzeichnet sind, obwohl bei Anklageerhebung hierzu die Möglichkeit bestand (OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.4.2004 - 1 Ss 189/04, StV 2005, 598 f).
Der Grundsatz des fairen Verfahrens ist verletzt, wenn dem der deutschen Sprache nicht kundigen Angeklagten entgegen Art. 6 Abs. 3 MRK keine in seine Heimatsprache übersetzte Anklageschrift übermittelt worden ist; dies muß regelmäßig vor der Hauptverhandlung geschehen sein und zwar auch bei einem leicht verständlichen Sachverhalt und rechtlich und tatsächlich einfachem Verfahrensgegenstand. Die Übersetzung der Anklageschrift in der Hauptverhandlung ist nicht geeignet, diesen Verfahrensmangel zu heilen (OLG Hamm StV 2004, 364 ff).
Nur die Mitteilung der Anklageschrift vor der Hauptverhandlung gemäß § 201 Abs. 1 StPO wahrt das Recht des Angeschuldigten aus Art. 6 Abs. 3 lit. b MRK, über ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu verfügen. Die Anklageschrift ist deshalb einem Ausländer, der die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrscht, zugleich mit einer Übersetzung in eine ihm verständliche Sprache - in aller Regel seine Muttersprache - bekannt zu geben. Dies ist zwingend erforderlich und folgt sowohl aus dem Recht des Angeschuldigten aus Art. 6 Abs. 3 lit. a MRK, unverzüglich in einer für ihn verständlichen Sprache über die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen in Kenntnis gesetzt zu werden, als auch aus seinem Anspruch aus Art. 6 Abs. 3 lit. b MRK, seine Verteidigung gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Dolmetschers ausreichend vorbereiten zu können. Die unterbliebene Übersetzung im Zwischenverfahren kann auch nicht durch deren Übersetzung in der Hauptverhandlung geheilt werden. Hat der Angeklagte einen Verteidiger, so kann von diesem erwartet werden, dass er den Verfahrensmangel der fehlenden Übersetzung in der Hauptverhandlung rügt und Vertagung beantragt. Unterläßt er das, so kann der Angeklagte sich auf diesen Mangel im Revisionsverfahren nicht berufen. Hatte der Angeklagte keinen Verteidiger, ist er mit der Rüge des Verstoßes gegen das Gebot des fairen Verfahrens nicht ausgeschlossen (OLG Stuttgart StV 2003, 490).
Für einen Strafbefehlsantrag gelten die gleichen Voraussetzungen wie für eine Anklageschrift. Erfüllt der Strafbefehlsantrag nicht die gebotene Umgrenzungsfunktion, um dem Angeklagten eine sachgerechte Verteidigung zu ermöglichen, macht dies die öffentliche Klage unwirksam. Daraus folgt ein Prozeßhindernis, das zur Einstellung des Verfahrens führt, wenn der Strafbefehl erlassen und auf den Einspruch des Angeklagten eine Hauptverhandlung durchgeführt und der Angeklagte verurteilt wurde (BayObLG StV 2002, 356 f).
Ist der des fortgesetzten sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit fortgesetztem sexuellen Mißbrauch einer Schutzbefohlenen Angeklagte allein wegen einer außerhalb des angeklagten Tatzeitraumes liegenden Einzeltat verurteilt worden und fehlt es im übrigen an einer genügenden Konkretisierung der ihm zur Last gelegten Tat in Anklage und Eröffnungsbeschluß, so ist das Verfahren in der Revisionsinstanz insgesamt einzustellen (OLG Hamm NStZ-RR 1997, 139).
Siehe auch unter ?Gegenstand des Strafurteils" und ?Tatbegriff.".
Anklageschrift - Mitteilung § 201 StPO
(1) Der Vorsitzende des Gerichts teilt die Anklageschrift dem Angeschuldigten mit und fordert ihn zugleich auf, innerhalb einer zu bestimmenden Frist zu erklären, ob er die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens beantragen oder Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens vorbringen wolle.
(2) Über Anträge und Einwendungen beschließt das Gericht. Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Leitsätze/Entscheidungen:
Einem Angeklagten, der die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrscht, ist die Anklageschrift mit einer Übersetzung in eine ihm verständliche Sprache bekanntzugeben. Auf die Revision des Angeklagten ist ein Urteil aufzuheben, wenn nicht auszuschließen ist, dass der in der Hauptverhandlung unverteidigte und sich nicht zur Sache einlassende Angeklagte eine andere und erfolgreichere Verteidigungsstrategie gewählt hätte, wenn ihm die Anklageschrift schon vorher mit einer Übersetzung in seine Muttersprache bekanntgegeben worden wäre (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.05.2010 - 2 Ss 45/10 zu StPO §§ 201, 337; MRK Art. 6 Abs. 3 lit. a und b).
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Einem ausländischen Beschuldigten, der die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrscht, ist die Anklageschrift mit einer Übersetzung in eine ihm verständliche Sprache vor der Hauptverhandlung bekanntzumachen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.10.2000 - 2b Ss 268/00-75/00 I).
Zu den Anforderungen an die Rüge einer Beschränkung der Verteidigung, wenn der Tatrichter einem Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung keine Folge gegeben hat, obwohl dem Angeklagten die Anklageschrift entgegen § 201 Abs. 1 StPO nicht mitgeteilt worden war. Veranlaßt der Tatrichter anstelle der gebotenen Zustellung nur eine formlose Übersendung der Anklageschrift an den Angeklagten, gehen bei der Entscheidung über die zu Ziff. 1 genannte Verfahrensrüge verbleibende Zweifel an der Mitteilung der Anklageschrift nicht zu Lasten des Angeklagten (OLG Celle StV 1998, 531 f).
Anknüpfungstatsachen
Anknüpfungstatsachen (Basistatsachen) sind Umstände (Tatsachen), die ein Sachverständiger seiner sachverständigen Bewertung zugrunde legt. Dabei kann es sich um Fakten handeln, die ihm vom Auftraggeber (z. B. dem Gericht) vorgegeben worden sind. Der Sachverständige kann aber auch ermächtigt werden, Anknüpfungstatsachen selbst zu erheben. Der in der Hauptverhandlung tätige Sachverständige darf seiner gutachterlichen Würdigung nur solche Umstände zugrunde legen, die Gegenstand er Hauptverhandlung waren (Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 5. A., Rz. 1603).
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Der Tatrichter darf sich auch mangels genügender eigener Kenntnisse auf dem für die Urteilsfindung maßgeblichen Wissensgebiet darauf beschränken, sich der Beurteilung des Sachverständigen hinsichtlich der einschlägigen Fachfragen anzuschließen, wenn er die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen im Urteil so wieder gibt, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit und sonstiger Rechtsfehlerfreiheit erforderlich ist (BGH, Urteil vom 15.01.2003 - 5 StR 223/02 zu § 267 StPO).
Ist dem Richter bei einer schwierigen medizinischen Frage - hier fortbestehende Gefährlichkeit des Täters aufgrund einer psychotischen Erkrankung - eine eigene Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gutachtens eines Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, nicht möglich, so genügt es für die Beweiswürdigung, daß er sich dem Gutachten anschließt. Es müssen aber die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen so wiedergegeben werden, daß dies zum Verständnis des Gutachtens erforderlich ist (BGH, Beschluss vom 07.05.1996 - 1 StR 170/96, NStZ-RR 1996, 258).
Hält der Tatrichter die Zuziehung eines Sachverständigen für erforderlich, so hat er dessen Ausführungen in einer zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrundeliegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlußfolgerungen widerzugeben, um dem Revisionsgericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (BGH, Beschluss vom 24.04.1996 - 3 StR 131/96, StV 1997, 63).
Stellt das Gericht auf Umstände ab, die dem gehörten Sachverständigen unbekannt waren und zu denen sich dieser deshalb nicht äußern konnte, so ist es grundsätzlich im Interesse einer umfassenden Sachaufklärung verpflichtet, dem Sachverständigen Gelegenheit zu geben, sich mit den abweichenden Anknüpfungstatsachen auseinanderzusetzen und sie in seine Begutachtung einzubeziehen (BGH, Entscheidung vom 27.10.1994 - 1 StR 597/94, StV 1995, 114 zu § 244 II StPO).
Bestreitet der Angeklagte den Vorwurf sexuellen Mißbrauchs von Kindern in einer Vielzahl von Fällen, darf sich das Gericht bei einer Verurteilung nicht mit der Angabe des Sachverständigen begnügen, Aussagen zur Schuldfähigkeit seien angesichts des Bestreitens reine Spekulation; vielmehr hätte das Gericht in Wahrnehmung seiner Pflicht zur Wahrheitsforschung die Tätigkeit des Sachverständigen durch Mitteilung der festgestellten Anknüpfungstatsachen leiten und ihn veranlassen müssen, sich mit diesen im Rahmen seines Auftrages auseinanderzusetzen und sie in seine Beurteilung einzubeziehen (BGH, Entscheidung vom 29.09.1994 - 4 StR 494/94, StV 1995, 113 zu § 244 II StPO).
Wenn der Tatrichter bei einer Zeugin, die infolge der Nachwirkungen der Tat geraume Zeit in der Hauptverhandlung nicht vernommen werden konnte und die in der Tatnacht in wesentlichen Punkten zur Vorgeschichte und der Tat und zum Kerngeschehen andere Angaben gemacht hat als in den später durchgeführten Vernehmungen, es für erforderlich hält, ein Glaubwürdigkeitsgutachten einzuholen, muß er in jedem Fall - gleichgültig ob er ihm folgt oder nicht - die Ausführungen des Sachverständigen in einer, wenn auch nur gedrängten zusammenfassenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlußfolgerungen wiedergeben. Vor allem dann, wenn der Tatrichter eine Frage, für die er glaubt, des Rates eines Sachverständigen zu bedürfen, im Widerspruch zu dessen Gutachten bewantworten will, muß er die Darlegungen des Gutachtens wiedergeben und seine Gegenansicht begründen (BGH, Entscheidung vom 26.01.1994 - 3 StR 629/93, StV 1994, 359 zu § 267 StPO).
Auch wenn die Feststellung der Anknüpfungstatsachen für eine Blutalkoholberechnung schwierig ist, entheben lückenhafte Angaben zu Trinkmengen und -zeiten den Tatrichter nicht in jedem Fall von der Verpflichtung, eine Berechnung der Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit anzustellen. Vielmehr ist dieser aufgrund von Schätzungen unter Berücksichtigung des Zweifelsatzes auch dann vorzunehmen, wenn die Einlassung des Angeklagten sowie gegebenenfalls die Bekundungen von Zeugen zwar keine sichere Berechnungsgrundlage ergeben, jedoch eine ungefähre zeitliche und mengenmäßige Eingrenzung des Alkoholgenusses ermöglichen (BGH, Entscheidung vom 13.05.1993 - 4 StR 183/93, StV 1993, 519).
Es ist nicht ausreichend, wenn das Gericht lediglich das Ergebnis des über das Opfer eingeholten Glaubwürdigkeitsgutachtens pauschal mitteilt, ohne die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Sachverständigen wiederzugeben (BGH, Entscheidung vom 16.10.1992 - 3 StR 455/92, StV 1993, 235)
Stützt sich ein Urteil auf ein Sachverständigengutachten, muß es die Ausführungen des Sachverständigen in einer zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrundeliegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlußfolgerungen wiedergeben. Bei einem morphologischen Identitätsgutachten darf sich das Urteil nicht darauf beschränken, die von dem Sachverständigen gefundenen morphologischen Übereinstimmungen zu beschreiben; vielmehr muß auch das der Begutachtung zugrundeliegende Bildmaterial beschrieben werden (BGH, Entscheidung vom 20.03.1991 - 2 StR 610/90, StV 1991, 339).
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Der Tatrichter muss, wenn er sich einem Sachverständigengutachten anschließt, dem er Beweisbedeutung beimisst, in der Regel dessen Ausführungen in einer zusammenfassenden Darstellung, die zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil widergegeben (OLG Köln, Beschluss vom 18.08.2005 - 81 Ss-OWi 31/05 - DAR 2005, 699).
Das Gericht darf sich dem Gutachten eines Sachverständigen nicht einfach nur pauschal anschließen. Will es seinem Ergebnis ohne Angabe eigener Erwägungen folgen, müssen die Urteilsgründe die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen wiedergeben. Der allgemeine Hinweis auf die Ausführungen des Sachverständigen in der Hauptverhandlung reicht dazu nicht aus (OLG Koblenz, Beschluss vom 12.08.2005 - 1 Ss 141/05, DAR 2006, 101).
Stützt sich der Tatrichter auf das Gutachten eines Sachverständigen, so genügt es nicht, lediglich das Ergebnis des Gutachtens mitzuteilen und sodann einfach kommentarlos übernehmen. Vielmehr muss der Tatrichter auch dann, wenn er sich dem Gutachten eines Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer (wenn auch nur gedrängten) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem RevGer. die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (BGHSt 12, 311, 314 f.; BGH NStZ 1991, 596; BGH NStZ 1998, 83). Der Umfang der Darlegungspflicht richtet sich danach, ob es sich um eine standardisierte Untersuchungsmethode handelt, sowie nach der jeweiligen Beweislage und der Bedeutung, die der Beweisfrage für die Entscheidung zukommt (vgl. BGHSt 39, 291, 296 f.; BGHR StPO § 261 Sachverständiger 6; OLG Koblenz, Beschluss vom 19.01.2005 - 1 Ss 349/04, NJOZ 2005, 3441).
Stützt der Tatrichter den Schuldspruch auf ein Sachverständigengutachten, so ist in den Urteilsgründen eine verständliche und in sich geschlossene Darstellung der dem Gutachten zu Grunde liegenden Anknüpfungstatsachen, der wesentlichen Befundtatsachen und der das Gutachten tragenden fachlichen Begründung erforderlich (OLG Hamm, Beschluss vom 02.09.2004 - 2 Ss OWi 470/04 - DAR 2005, 42).
Ermöglicht die in einem Sachverständigenbeweisantrag zur Schuldfrage genannte Anknüpfungstatsache allein noch keine abschließende Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten, rechtfertigt dies nicht in jedem Fall die Beurteilung des Beweismittels als völlig ungeeignet. Ist nämlich ein qualifizierter Sachverständiger auf Grund der Beweisbehauptung in Verbindung mit den weiteren tatrichterlichen Feststellungen in der Lage, weitere indizielle Anknüpfungstatsachen zu ermitteln und damit Entscheidungsrelevantes zur Beweisbehauptung der Verteidigung auszusagen, dann ist dieses Beweismittel lediglich relativ ungeeignet und dessen Ablehnung nach § 244 III 2 StPO folglich unzulässig (BayObLG, Beschluss vom 10.07.2003 - 5 St RR 176/03 , StV 2004, 6 zu § 244 III StPO).
Der Beweisantrag, dass die von dem Geschädigten einer Körperverletzung bekundete Verletzungshandlung nicht mit einer ärztlich attestierten Verletzung zu vereinbaren sei, kann nicht wegen völliger Ungeeignetheit des als Beweismittel benannten Sachverständigen zurückgewiesen werden, wenn als Anknüpfungstatsache für die Beweistatsache das ärztliche Attest über die fragliche Verletzung zur Verfügung steht (OLG Celle, Beschluss vom 17.02.2003 - 21 Ss 6/03, StV 2003, 431 zu § 244 III StPO).
Bei der Bewertung voeinander abweichender Gutachten muss der Tatrichter die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen beider Sachverständiger wiedergeben und näher begründen, weshalb er nicht dem einen, sondern dem anderen Sachverständigen folgt (BayObLG, Beschluss vom 19.08.2002 - 1 St RR 83/02, ZfS 2003, 41).
Stützt der Tatrichter den Schuldspruch auf ein Sachverständigengutachten, so ist in den Urteilsgründen eine verständliche, in sich geschlossene Darstellung der dem Gutachten zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen, der wesentlichen Befundtatsachen und der das Gutachten tragenden fachlichen Begründung erforderlich (OLG Hamm, Beschluss vom 13.08.2001 - 2 Ss 710/01, StV 2002, 404).
Stützt das Gericht seine Auffassung, die für den Betroffenen maßgebliche Geschwindigkeitsanzeige im Messzeitpunkt lasse sich nicht zuverlässig feststellen auf das Gutachten eines Sachverständigen, dann muss der Tatrichter, der dem Gutachten Beweisbedeutung beimisst, auch wenn er sich dem Gutachten anschließt, regelmäßig die Ausführungen des Sachverständigen in einer (wenn auch nur gedrängten) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zu Grunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben. Anders könnte es sich nur verhalten, wenn das Gutachten auf einem allgemein anerkannten und weithin standardisierten Verfahren beruht hätte, was einem systemanalytischen Gutachten über ein Verkehrsleitsystem zur Regelung der Höchstgeschwindigkeit nicht der Fall ist (BayObLG, Beschluss vom 05.12.2000 - 1 ObOWi 573/00, DAR 2001, 174 zu § 267 I StPO).
Die richterliche Aufklärungspflicht gebietet es, dem Sachverständigen Gelegenheit zu geben, sich mit neuen Anknüpfungstatsachen zu befassen, bevor das Gericht selbst wegen veränderter Tatsachengrundlagen von dem erstatteten Gutachten abweicht (OLG Zweibrücken, Urteil vom 17.09.1999 - 1 Ss 201/99, StV 2000, 126).
Anleitung zu Straftaten § 130 a StGB (Internet)
(1) Wer eine Schrift (§ 11 Abs. 3), die geeignet ist, als Anleitung zu einer in § 126 Abs. 1 genannten rechtswidrigen Tat zu dienen, und nach ihrem Inhalt bestimmt ist, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine solche Tat zu begehen, verbreitet, öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
1. eine Schrift (§ 11 Abs. 3), die geeignet ist, als Anleitung zu einer in § 126 Abs. 1 genannten rechtswidrigen Tat zu dienen, verbreitet, öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht oder
2. öffentlich oder in einer Versammlung zu einer in § 126 Abs. 1 genannten rechts widrigen Tat eine Anleitung gibt, um die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine solche Tat zu begehen.
(3) § 86 Abs. 3 gilt entsprechend.
Leitsätze/Entscheidungen:
Leider gibt es zu dieser Bestimmung aus dem politischen Strafrecht nur eine gerichtliche Entscheidung. Die praktische Relevanz ist mithin sehr gering.
(1) Schriften und andere Darstellungen
(1.1) Anleitung zur Begehung einer Katalogtat nach § 126 StGB
(1.2) Eignung zur Anleitung
(1.3) Bestimmung zur Tatförderung (Abs. I)
(2) Tathandlungen
(2.1) Verbreitung, öffentliche Ausstellung, Vorführung oder sonstiges Zugänglichmachen (Abs. I)
(2.2.1) Verbreitung, öffentliche Ausstellung, Vorführung oder sonstiges Zugänglichmachen - neutraler Schriften (Abs. II Nr. 1)
(2.2.2) Anleitung öffentlich oder in einer Versammlung (Abs. II Nr. 2)
(2.2.3) Absicht, zur Förderung oder Weckung der Bereitschaft (Abs. II)
(3) Vorsatz
Das bloße Weiterbestehen eines Links, der auf eine Homepage verweist, die nach der Installation desselben verändert wird und dann rechtswidrige Informationen beinhaltet, kann eine Strafbarkeit jedenfalls dann nicht begründen, wenn nicht positiv festgestellt werden kann, daß die Angeklagte den Link bewußt und gewollt in Kenntnis des Inhaltes der Homepage weiter aufrecht erhielt. Eine Strafbarkeit wegen Unterlassens ist nur mit der Feststellung einer Garantenstellung, möglicherweise aus Ingerenz, zu begründen; fraglich ist allerdings, in welchen Zeitabständen die Überprüfung des Links vorzunehmen wäre (AG Berlin-Tiergarten CR 98, 111).
(4) Soziale Adäquanz (§ 86 III StGB)
Siehe dazu unter ?Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen".
Anonyme Quellen
Beruht der Vorwurf einer strafbaren Handlung allein auf der Aussage eines anonymen Polizeibeamten, können die Verteidigungsrechte des Angeklagten dadurch verletzt sein, daß die richterliche Vernehmung des Zeugen in Abwesenheit der Verteidigung und des Angeklagten erfolgte (EGMR, Urteil vom 23.4.1997 - 55/1996/674/861 - 864 - Rechtssache van Mechelen u. a. ./. Niederlande).
Siehe unter ?Zeuge vom Hörensagen - anonyme Quellen".
Anonyme Zeugen
Der Begriff Zeuge in Art. 6 III lit. d EMRK ist autonom auszulegen. Die Vorschrift erfasst jede Aussage, die wesentliche Grundlage für eine Verurteilung sein kann, unabhängig davon, ob sie von einem Zeugen vor Gericht oder außerhalb des Gerichts oder von einem Mitbeschuldigten gemacht wurde. Grundsätzlich müssen Beweise in Anwesenheit des Angeklagten in der mündlichen Verhandlung erhoben werden. Ausnahmen sind möglich, dürfen aber die Rechte der Verteidigung nicht beeinträchtigen. Das bedeutet in der Regel, dass der Angeklagte die Möglichkeit haben muss, Belastungszeugen in angemessener und ausreichender Weise zu befragen, entweder während der Vernehmung oder später. Die Justizbehörden müssen darauf hinwirken, dass dies geschehen kann. Wenn das trotz sorgfältiger Bemühungen nicht möglich ist, zwingt das nicht zu einer Einstellung des Verfahrens. Zeugenaussagen müssen dann aber besonders sorgfältig gewürdigt werden. Jedenfalls darf die Verurteilung nicht ausschließlich auf die Aussagen eines solchen Zeugen gestützt werden. Bei Verwertung von Aussagen anonymer Zeugen verlangt der Grundsatz eines fairen Verfahrens weiter, dass die Interessen der Verteidigung und der Zeugen oder Opfer insbesondere wegen ihres in der Konvention garantierten Rechts auf Leben und Freiheit, gegeneinander abgewogen werden. Die Behörden müssen stichhaltige und ausreichende Gründe für die Geheimhaltung der Identität von Zeugen vorbringen. Bleiben Belastungszeugen anonym, müssen die dadurch entstehenden Nachteile der Verteidigung im Verfahren hinreichend ausgeglichen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, in welchem Maße die anonyme Aussage für die Verurteilung entscheidend ist. Im Verfahren gegen die Bf. hat es viele Beweise vom Hörensagen gegeben. Die deutschen Gerichte haben aber angemessene Anstrengungen unternommen, mündliche Zeugenaussagen zu erhalten, und die Angaben anonymer Zeugen sorgfältig gewürdigt. Die Verurteilung ist auf mehrere andere Beweismittel gestützt worden. Deswegen sind die Rechte der Verteidigung nicht in einem Maße eingeschränkt worden, dass Art. 6 I, III lit. d EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) verletzt werden (EGMR, Urteil vom 17.11.2005 - 73047/01).
Die Zulässigkeit von Beweisen ist in erster Linie eine Angelegenheit, die vom innerstaatlichen Recht zu regeln ist. Grundsätzlich kommt es den innerstaatlichen Gerichten zu, die ihnen vorliegenden Beweise zu würdigen. Grundsätzlich müssen alle Beweise in Gegenwart des Angeklagten in öffentlicher Verhandlung mit Blickrichtung auf eine contradiktorische Argumentation erhoben werden. Dies bedeutet jedoch nicht, daß Zeugenaussagen stets in öffentlicher Gerichtsverhandlung gemacht werden müssen, um als Beweis verwertet werden zu können: Im Vorverfahren erlangte Aussagen als Beweise zu verwenden, ist für sich allein betrachtet nicht unvereinbar mit Art. 6 Abs. 1 MRK u. 3 d MRK, vorausgesetzt, daß die Verteidigungsrechte gewahrt wurden. In der Regel verlangen diese Rechte, daß der Angeklagte eine angemessene und geeignete Gelegenheit erhält, die Glaubwürdigkeit eines gegen ihn aussagenden Zeugen grundsätzlich in Frage zu stellen sowie an ihn Fragen zu stellen, sei es in dem Zeitpunkt, in dem der Zeuge seine Aussage ablegt, sei es zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens (EGMR, Urteil vom 270.9.1990 - 25/1989/185/245 - Windisch ./. Österreich).
Grundsätzlich müssen alle Beweise in Gegenwart des Angeklagten in öffentlicher Verhandlung mit Blickrichtung auf eine kontradiktorische Argumentation erhoben werden. Dies bedeutet jedoch nicht, daß Zeugenaussagen stets in öffentlicher Gerichtsverhandlung gemacht werden müssen, um als Beweis verwertet werden zu können: Im Vorverfahren erlangte Aussagen als Beweis zu verwenden, ist für sich allein betrachtet nicht unvereinbar mit den Abs. 3 lit d und 1 des Art. 6, vorausgesetzt, daß die Verteidigungsrechte gewahrt wurden. In der Regel verlangen diese Rechte, daß der Angeklagte eine angemessene und geeignete Gelegenheit erhält, einen gegen ihn aussagenden Zeugen in Frage zu stellen und zu befragen, sei es in dem Zeitpunkt, in dem der Zeuge seine Aussage ablegt, sei es zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens (EGMR, Urteil vom 20.11.1989 - EGMR Nr. 10/1988/154/208).
Anordnung des Berufsverbots § 70 StGB
(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er unter Mißbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so kann ihm das Gericht die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren verbieten, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen läßt, daß er bei weiterer Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art begehen wird. Das Berufsverbot kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht.
(2) War dem Täter die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges vorläufig verboten (§ 132 a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Verbotsfrist um die Zeit, in der das vorläufige Berufsverbot wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.
(3) Solange das Verbot wirksam ist, darf der Täter den Beruf, den Berufszweig, das Gewerbe oder den Gewerbezweig auch nicht für einen anderen ausüben oder durch eine von seinen Weisungen abhängige Person für sich ausüben lassen.
(4) Das Berufsverbot wird mit der Rechtskraft des Urteils wirksam. In die Verbotsfrist wird die Zeit eines wegen der Tat angeordneten vorläufigen Berufsverbots eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. Die Zeit, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist, wird nicht eingerechnet.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... III. Schließlich weist auch die Entscheidung des Landgerichts, von der Anordnung eines Berufsverbots nach § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB abzusehen, keinen Rechtsfehler auf. Die in das Ermessen des Gerichts gestellte Maßregel der Besserung und Sicherung ?Berufsverbot' soll die Allgemeinheit vor den Gefahren schützen, die von der Ausübung eines Berufs durch hierfür nicht hinreichend zuverlässige Personen ausgehen. Sie kann unter anderem gegen denjenigen angeordnet werden, der wegen einer rechtswidrigen Tat verurteilt wurde, die er unter Missbrauch seines Berufs oder unter grober Verletzung der damit verbundenen Pflichten begangen hat, wenn eine Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen lässt, dass er bei weiterer Ausübung dieses Berufs erhebliche rechtswidrige Straftaten begehen wird (vgl. BGH, Urt. vom 20. Januar 2004 - 1 StR 319/03).
Eine solche Gefahr hat die Strafkammer nicht festgestellt. Sie hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verhängung eines Berufsverbots verneint, weil sie bei der von ihr vorgenommenen Gesamtwürdigung des Angeklagten und der Taten zu dem Ergebnis gelangt, es lasse sich keine Gefahr erkennen, dass der Angeklagte bei weiterer Ausübung seines Berufes erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde. Sie sei davon überzeugt, dass es zur Einwirkung auf den Angeklagten ausreiche, im Rahmen ?einer Auflage bzw. Weisung im Bewährungsbeschluss anzuordnen, dass der Angeklagte sich während der Dauer von drei Jahren jeglicher Tätigkeit im Bereich der Herstellung und Verarbeitung sowie Bearbeitung von Fleisch- und Wurstwaren zu enthalten hat" (UA S. 38). Hiergegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Der Senat vermag keinen Ermessensfehler in der von der Strafkammer angestellten Gesamtwürdigung zu erkennen. Der Gesetzgeber hat dem Tatrichter bewusst einen weiten Ermessensspielraum zur Verfügung gestellt, um unbillige Ergebnisse bei dieser schwerwiegenden Rechtsfolge zu vermeiden (vgl. BGH, Urt. vom 20. Januar 2004 - 1 StR 319/03; Urt. vom 24. April 2007 - 1 StR 439/06). Die Kammer ist unter Würdigung der Person des Angeklagten und seiner Taten zu der - revisionsrechtlich ohnehin nur eingeschränkt überprüfbaren - Prognose gelangt, dass dieser in Verbindung mit seinem bisher ausgeübten Beruf im Bereich des (Wild-)Fleischhandels künftig keine erheblichen Rechtsverletzungen begehen werde. Die Strafkammer ist jedenfalls davon überzeugt, dass die im Bewährungsbeschluss angeordnete Weisung zur Einwirkung auf den Angeklagten ausreicht. Diese Erwägungen der Kammer sind nachvollziehbar und lassen einen Ermessensfehler nicht erkennen.
Es kann dahinstehen, ob die Weisung, zeitweise im Bereich der Herstellung, Ver- und Bearbeitung von Fleisch- und Wurstwaren nicht tätig zu sein, zulässig ist (so BGHSt 9, 258, 260; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 56c Rdn. 24; Groß in MK-StGB § 56c Rdn. 12, 23) oder ob dies nur unter den in § 70 StGB angegebenen Voraussetzungen angeordnet werden darf (so Ostendorf in NK 2. Aufl. § 56c Rdn. 4; Stree in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 56c Rdn. 1; Horn in SK-StGB 41. Lfg. § 56c Rdn. 7; OLG Hamm NJW 1955, 34), weil es einem zeitigen Berufsverbot gleichkomme. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB verneint. Die Frage, ob die im Bewährungsbeschluss nach § 268a Abs. 1 StPO angeordnete Weisung zulässig ist, unterliegt nicht der revisionsrechtlichen Kontrolle (Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 268a Rdn. 10). ..." (BGH, Urteil vom 07.11.2007 - 1 StR 164/07)
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?... Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt und ihm auf Lebenszeit die Ausübung eines Heilberufes und der damit verbundenen Hilfstätigkeiten verboten. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat nur hinsichtlich des Berufsverbots Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Anordnung des Berufsverbots hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat den Maßregelausspruch darauf gestützt, dass der Angeklagte, ein gelernter Krankenpfleger und Rettungsassistent, im Krankenhaus Medikamente entwendet habe. Seine im Rahmen seines Berufes erworbenen Kenntnisse habe er dazu genutzt, seine Freundinnen zu bewegen, wegen bei ihnen angeblich bestehenden Krankheiten Überdosierungen dieser Medikamente einzunehmen, so dass sie sich in dem dadurch hervorgerufenen Zustand gegen seine sexuellen Übergriffe nicht zur Wehr setzen konnten.
Diese Begründung ist nicht geeignet, das verhängte Berufsverbot zu tragen. Ein Missbrauch von Beruf oder Gewerbe im Sinne des § 70 StGB liegt nur dann vor, wenn der Täter unter bewusster Missachtung der ihm gerade durch seinen Beruf oder sein Gewerbe gestellten Aufgaben seine Tätigkeit ausnutzt, um einen diesen Aufgaben zuwiderlaufenden Zweck zu verfolgen. Dazu genügt ein bloß äußerer Zusammenhang in dem Sinne, dass der Beruf des Täters lediglich die Möglichkeit gibt, Straftaten zu begehen, nicht. Die strafbare Handlung muss vielmehr Ausfluss der jeweiligen Berufs- oder Gewerbetätigkeit sein und einen berufstypischen Zusammenhang erkennen lassen (std. Rspr., z. B. BGHSt 22, 144; Beschluss vom 6. Juni 2003 - 3 StR 188/03 m. w. N.). Daran fehlt es hier. Aus den der Verurteilung zugrunde liegenden Taten kann nicht auf den erforderlichen ?berufstypischen' Zusammenhang geschlossen werden. Wenn auch der Angeklagte die Medikamente im Krankenhaus entwendet hat, haben die Diebstähle, deretwegen er am 21. Oktober 2004 aus seiner Anstellung dort entlassen wurde, nur einen äußeren Bezug zu seiner Tätigkeit gerade als Krankenpfleger. Der Angeklagte hat weder seinen Beruf als solchen missbraucht noch spezielle Berufspflichten verletzt, sondern Gelegenheiten, die ihm seine Tätigkeit bot, zur Begehung von Diebstählen ausgenutzt. Die Unzuverlässigkeit des Angeklagten gerade in seinem Beruf oder ein Anlass, die Allgemeinheit vor den mit der weiteren Berufsausübung des Angeklagten drohenden Gefahren zu schützen, werden durch die Taten nicht erkennbar. Durch ein Berufsverbot lässt sich die Ausnutzung der medizinischen Kenntnisse des Angeklagten, die er zu Straftaten gegenüber einer Frau aus seinem privaten Umfeld eingesetzt hat, auch nicht verhindern. Die Maßregel ist demgemäß aufzuheben, sie entfällt. Der Senat entscheidet insoweit selbst in der Sache, da unter den gegebenen Umständen ausgeschlossen ist, dass in neuer Verhandlung weitere Feststellungen, die das Berufsverbot rechtfertigen würden, getroffen werden könnten. ..." (BGH. Beschluss vom 01.06.2007 - 2 StR 182/07)
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?... Schließlich hält auch die Entscheidung, von der Anordnung eines Berufsverbots nach § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB abzusehen, rechtlicher Überprüfung stand. Die ins Ermessen des Gerichts gestellte Sicherungsmaßregel ?Berufsverbot' soll die Allgemeinheit vor den Gefahren schützen, die von der Ausübung eines Berufs durch hierfür nicht hinreichend zuverlässige Personen ausgehen (vgl. Hanack in LK 11. Aufl. § 70 Rdn. 1, 18). Sie kann u.a. gegen denjenigen angeordnet werden, der wegen einer rechtswidrigen Tat verurteilt wurde, die er unter Mißbrauch seines Berufs oder unter grober Verletzung der damit verbundenen Pflichten begangen hat, wenn eine Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen läßt, daß er bei weiterer Ausübung dieses Berufs vergleichbare Straftaten begehen werde. Entsprechend dem Gefahrenabwehrzweck des § 70 Abs. 1 StGB muß der Mißbrauch oder die Pflichtverletzung in einem inneren Zusammenhang mit der Berufsausübung oder deren regelmäßiger Gestaltung stehen und so symptomatisch die Unzuverlässigkeit des Täters in seinem Beruf erkennen lassen (vgl. zum Schutzzweck des § 70 StGB BVerfG, Dritte Kammer des Zweiten Senats , Beschl. v. 30. Oktober 2002 - 2 BvR 1837/00 ; Hanack a.a.O. § 70 Rdn. 18; Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl., § 70 Rdn. 6 f.; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 70 Rdn. 3).
Eine solche generelle Unzuverlässigkeit im Arztberuf hat die Strafkammer nicht festgestellt. Sie hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verhängung eines Berufsverbots verneint, weil weder die einzelnen noch die Gesamtheit der festgestellten Behandlungs- und Aufklärungsfehler Hinweise darauf geben, daß der Angeklagte seinen Beruf bewußt und planmäßig zur Begehung von Körperverletzungsdelikten mißbraucht hat (Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 70 Rdn. 3 m.w. Nachw.). Der Senat vermag auch im übrigen keinen Ermessensfehler in der von der Strafkammer angestellten Gesamtwürdigung zu erkennen. Der Gesetzgeber hat dem Tatrichter bewußt einen weiten Ermessensspielraum zur Verfügung gestellt, um unbillige Ergebnisse bei dieser schwerwiegenden Rechtsfolge zu vermeiden (vgl. BT-Drucks. V/4095, S. 38; Sander in Sonderheft für Gerhard Schäfer, S. 57, 59). Die Kammer ist unter Würdigung des der Person und der Stellung des Angeklagten als Chefarzt einer Universitätsklinik und seiner Taten zu der - revisionsrechtlich ohnehin nur eingeschränkt überprüfbaren - Prognose gelangt, daß dieser in Verbindung mit seinem Arztberuf künftig keine vergleichbaren Rechtsverletzungen mehr begehen werde. Ob die berufliche Karriere des Angeklagten dabei tatsächlich, wie von der Strafkammer angenommen (UA S. 64), beendet ist oder etwa als niedergelassener Arzt fortgesetzt werden kann, kann letztlich dahinstehen. Die Strafkammer ist jedenfalls davon überzeugt, daß das durchgeführte Strafverfahren mit der Verurteilung und allen seinen Begleiterscheinungen den Angeklagten deutlich beeindruckt und ihm die Folgen der eigenen Überschätzung seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten drastisch vor Augen geführt haben. Die Kammer hat dabei auch die Schwere der von der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit den beiden Eingriffen beim Patienten E. festgestellten Pflichtverletzungen innerhalb des Operationsteams gesehen. Sie hat deshalb die verfahrensgegenständlichen Behandlungs- und Aufklärungsfehler als situativ bedingte Fehlleistungen des ansonsten qualifizierten Angeklagten angesehen. Die dafür maßgeblichen Erwägungen, daß die festgestellte Selbstüberschätzung in diagnostischer Hinsicht und der Mangel an Selbstzweifeln auf eine zu schnelle und steile Karriere zurückzuführen sind und der Angeklagte in seiner damaligen Situation als jüngster C-4-Professor und Ärztlicher Direktor unter erheblichem Profilierungsdruck stand, dem er im Ergebnis nicht gewachsen war, sind nachvollziehbar und lassen einen Ermessensfehler nicht erkennen (UA S. 60, 64). ..." (BGH, Urteil vom 20.01.2004, 1 StR 319/03).
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?... Die Anordnung des Berufsverbots hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen gelang es dem als Fahrlehrer angestellten Angeklagten durch Vorspiegelung seiner Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit, von fünf Fahrschülern sowie einem ehemaligen Fahrschüler Bargeldbeträge zwischen 2.500,00 DM und 4.000,00 DM zu erhalten, die er entgegen seiner jeweils schriftlichen Zusage bis heute nicht zurückbezahlte.
Das Landgericht hat den Maßregelausspruch darauf gestützt, dass der Angeklagte die Betrugstaten unter "Missbrauch seines Berufes als Fahrschullehrer begangen" sowie dabei "seine Vertrauensstellung als Fahrschullehrer ausgenutzt und noch jungen Menschen erheblichen finanziellen Schaden ... zugefügt" habe.
Diese Begründung ist nicht geeignet, das verhängte Berufsverbot zu tragen. Ein Missbrauch von Beruf oder Gewerbe im Sinne von § 70 StGB liegt nur dann vor, wenn der Täter unter bewusster Missachtung der ihm gerade durch seinen Beruf oder sein Gewerbe gestellten Aufgaben seine Tätigkeit ausnutzt, um einen diesen Aufgaben zuwiderlaufenden Zweck zu verfolgen. Dazu genügt ein bloß äußerer Zusammenhang in dem Sinne, dass der Beruf des Täters lediglich die Möglichkeit gibt, Straftaten zu begehen, nicht. Die strafbare Handlung muss vielmehr Ausfluss der jeweiligen Berufs- oder Gewerbetätigkeit sein und einen berufstypischen Zusammenhang erkennen lassen (st. Rspr., z.B. BGHSt 22, 144; BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 1, 2, 6, 7). Daran fehlt es hier. Aus den der Verurteilung zu Grunde liegenden Taten kann nicht auf den erforderlichen "berufstypischen" Zusammenhang geschlossen werden. Wenn auch der Angeklagte als Fahrschullehrer seiner Opfer tätig war, haben die Betrugstaten doch nur einen äußeren Bezug zu dieser Tätigkeit. Der Angeklagte hat weder seinen Beruf als solchen missbraucht noch spezielle Berufspflichten verletzt, sondern Gelegenheiten, die ihm seine Tätigkeit bot, zur Begehung von Betrugsstraftaten ausgenutzt. Die Unzuverlässigkeit des Angeklagten gerade in seinem Beruf oder ein Anlass, die Allgemeinheit vor den mit der weiteren Berufsausübung des Angeklagten drohenden Gefahren zu schützen, werden durch die Taten nicht erkennbar. Die Maßregel ist demgemäß aufzuheben. Sie fällt weg; der Senat entscheidet insoweit selbst in der Sache, da unter den gegebenen Umständen ausgeschlossen erscheint, dass in neuer Verhandlung weitere Feststellungen, die das Berufsverbot rechtfertigen würden, getroffen werden könnten. ..." (BGH, Beschluss vom 06.06.2003, 3 StR 188/03)
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Für den Fall, daß ein Angeklagter ausschließlich wegen Straftaten zum Nachteil weiblicher Patienten verurteilt wird, fehlt für die Befürchtung, daß von ihm auch Gefahren für Personen männlichen Geschlechts ausgehen könnten, jeglicher Anhalt, so daß der Maßregelausspruch über ein Berufsverbot auf die medizinische Behandlung von Personen weiblichen Geschlechts zu beschränken ist (BGH, Beschluss vom 16.01.2003 - 3 StR 454/02 - StV 2004, 653 f).
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?... Die Rüge, das Landgericht habe es fehlerhaft unterlassen, die Voraussetzungen für die Verhängung eines Berufsverbots gegen den Angeklagten gemäß § 70 Abs. 1 StGB zu prüfen, hat Erfolg.
Der Angeklagte hat die ihm durch seinen Lehrerberuf gegebenen Möglichkeiten bei seiner Berufstätigkeit bewußt und planmäßig dazu benutzt, fortlaufend sexuelle Mißbrauchshandlungen an unter 14 Jahre alten Schülerinnen zu begehen. Trotz der erstmaligen Verurteilung des Angeklagten liegt eine Wiederholungsgefahr nahe. Der Angeklagte hat eine Vielzahl solcher Mißbrauchstaten über nahezu den gesamten Zeitraum seiner Festanstellung als Lehrer begangen. Zuletzt hat er das sexuelle Verhältnis mit der Geschädigten Petra J. fortgesetzt, auch nachdem seine Ehefrau hiervon Kenntnis erlangt hatte, und noch nach Außervollzugsetzung des Haftbefehls am 30. Mai 2000 hat er entgegen dem angeordneten Kontaktverbot erneut mit Petra J. Kontakt aufgenommen.
Die Verhängung eines Berufsverbots wird nicht dadurch gehindert, daß der Angeklagte Beamter ist. Zwar tritt § 70 StGB grundsätzlich hinter der Bestimmung des § 45 StGB über den Verlust der Amtsfähigkeit und den einschlägigen Bestimmungen der Beamtengesetze über den Verlust der Beamtenrechte - hier Art. 46 BayBG - zurück (BGH NJW 1987, 2686, 2687 [BGH 29.04.1987 - 2 StR 500/86] ; Hanack in LK 11. Aufl. § 70 StGB Rdn. 32). Dies gilt jedoch nur hinsichtlich der Beamtenstellung als solcher und muß sich nicht auf berufsfachliche Fähigkeiten erstrecken, aufgrund derer der Beamte tätig geworden ist. Hat ein Beamter bei der Begehung einer rechtswidrigen Tat die Möglichkeiten einer speziellen fachlichen Qualifikation genutzt, von der er auch in nichtamtlicher Eigenschaft in gefährlicher Weise Gebrauch machen könnte, so sind darauf gerichtete Berufsverbote zulässig (Hanack aaO Rdn. 33; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 70 Rdn. 3; vgl. auch BGH wistra 2000, 459 und BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 7). Insoweit steht die Beamteneigenschaft dem Verbot einer seinem Fach entsprechenden Berufsausübung nicht entgegen. Es kann daher zum Beispiel einem beamteten Lehrer oder einem Amtsarzt gemäß § 70 StGB untersagt werden, privat als Lehrer oder Arzt tätig zu werden. Da das Beamtenverhältnis des Angeklagten mit der Rechtskraft seiner Verurteilung gemäß Art. 46 Satz 1 Nr. 1 BayBG endet und der Angeklagte, der keine andere Ausbildung als die für das Lehramt besitzt, den Beruf als Lehrer selbst als "Traumberuf" bezeichnet hat, liegt hier sogar die Annahme nahe, daß der Angeklagte versuchen wird, als Privatlehrer tätig zu werden.
Der neue Tatrichter wird daher die Frage der Verhängung eines Berufsverbots nach § 70 StGB noch zu prüfen haben. Dabei wird zu beachten sein, daß das Berufsverbot im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip und den auf die Gefahrenabwehr zugeschnittenen Charakter der Maßregel nur in dem gegenständlichen Umfang ausgesprochen werden darf, in dem dies erforderlich ist, um die Begehung weiterer Straftaten zu verhindern (vgl. BGHR StGB § 70 Abs. 1 Umfang, zulässiger 2). ..." (BGH, Urteil vom 04.12.2001 - 1 StR 428/01)
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?... Dagegen kann der Ausspruch über das Berufsverbot nicht bestehen bleiben. Die Verhängung der Maßregel nach § 70 StGB setzt voraus, daß der Täter den Beruf oder das Gewerbe, bei dem ihm Mißbrauch oder grobe Pflichtverletzung vorgeworfen wird, bei Begehung der Straftat tatsächlich ausübt (BGHSt 22, 144, 145 f. ). Nach der Rechtsprechung reicht es demgemäß nicht aus, daß die vom Angeklagten begangenen Betrugstaten nur im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder vorgetäuschten Berufs- oder Gewerbetätigkeit standen (BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 4; Senats beschluß vom 16. März 1999 - 4 StR 26/99 ; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 70 Rdn. 3 m. w. N. ). So liegt es hier: Die Feststellungen ergeben nicht, daß sich der Angeklagte überhaupt ernsthaft im Bereich der ?Schuldenregulierung' und Vermögensverwaltung betätigte. Vielmehr diente - wie das Landgericht ausdrücklich feststellt - die Gründung der NF - ebenso wie die Gründung der HVB durch die Mitangeklagte P. - der Begehung des abgeurteilten Betruges. Danach hat der Angeklagte die Vermittlungstätigkeit der NF aber nur vorgetäuscht, um die Geschädigten zu Zahlungen an ihn zu veranlassen. Das genügt für die Anordnung des Berufsverbots nicht. Der Senat läßt deshalb den Maßregelausspruch entfallen. ..." (BGH, Urteil vom 19.07.2001 - 4 StR 457/00)
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?... Keinen Bestand kann auch die Anordnung eines Berufsverbotes für die Angeklagten G. und Kr. haben. Die Verhängung einer Maßregel nach § 70 StGB setzt voraus, daß der Täter den Beruf, bei dem ihm Mißbrauch oder grobe Pflichtverletzung vorgeworfen wird, bei Begehung der Straftat tatsächlich ausübt; es genügt nicht, daß Betrügereien nur im Zusammenhang mit einer vorgetäuschten Berufstätigkeit stehen (BGHSt 22, 144, 145; BGHR StGB § 70 I Pflichtverletzung 4; BGH wistra 1999, 222). So liegt es aber hier. Die Angeklagten haben sich tatsächlich nicht als Anlagevermittler betätigt, sondern als schlichte Betrüger, die von vornherein das ertrogene Geld nicht anlegen, sondern für sich verwenden wollten. ..." (BGH, Beschluss vom 23.11.2000 - 3 StR 225/00).
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?... Der Maßregelausspruch läßt keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen. Er kann bestehen bleiben, weil die ihn tragenden Überlegungen durch die Änderung des Schuldspruchs und den geringeren Schadensumfang nicht entfallen. Der Angeklagte hat die Taten unter Mißbrauch seines Berufs und unter grober Verletzung der mit ihm verbundenen Pflichten begangen. Der Angeklagte war als Rechtsanwalt nach der vorläufigen Amtsenthebung des Anwaltsnotars M. zu dessen Vertreter bestellt worden ( § 39 Abs. 2 Satz 1 , Abs. 3 Satz 2 BNotO ). Die Vertretertätigkeit beruhte gerade auf der beruflichen Stellung des Angeklagten als Rechtsanwalt, ohne die er nicht zum Vertreter hätte bestellt werden können. Der Angeklagte übte damit im Sinne von § 70 StGB bei seinen strafbaren Handlungen auch das Amt eines Rechtsanwalts aus (vgl. BGH StV 1987, 20). Hinzu kommt, daß die Tathandlungen des Angeklagten in einem inneren Zusammenhang sowohl mit der Ausübung des Anwalts- als auch des Notarberufes stehen, daß sie sich in beiden Fällen ?als ein Ausfluß aus der Berufstätigkeit selbst oder doch wenigstens als ein mit der regelmäßigen Gestaltung der Berufsausübung in Beziehung gesetztes Verhalten darstellen' (Hanack in LK 11. Aufl. § 70 Rdn. 18 m. w. Nachw. ). Sowohl der Rechtsanwalt (vgl. insoweit § 43 a Abs. 5 BRAO ) als auch der Notar (vgl. insoweit § 23 BNotO ) sind zur sorgfältigen Verwahrung von Geld zuständig und verpflichtet. Beiden Berufen bringt die zur Abwicklung von Vermögensgeschäften Rat und Unterstützung suchende Bevölkerung Vertrauen entgegen.
Soweit die Kammer darauf abhebt, die ?Schuldeinsicht' des die Taten bestreitenden Angeklagten sei ?gering', stehen dieser Erwägung zwar Bedenken entgegen (vgl. BGHR StGB § 70 I Dauer 1; StGB § 46 II Nachtatverhalten 4); diese gefährden das Berufsverbot hier aber nicht. Angesichts der Anzahl der Taten und des Schadensumfangs hat das Landgericht, das bei tatnäherer Aburteilung die Verhängung eines lebenslangen Berufsverbotes erwogen hätte, auf ein Berufsverbot von drei Jahren erkannt. Für eine weitere Verkürzung sah es neben der bisherigen Unbestraftheit des Angeklagten und der aufschiebenden Wirkung der Strafvollstreckung keine weiteren Gründe, insbesondere hatte es nicht die Möglichkeit, ein etwa einsichtiges Verhalten des Angeklagten zu dessen Gunsten zu berücksichtigen. Daß das Landgericht das die Tatvorwürfe bestreitende Prozeßverhalten des Angeklagten nicht zu dessen Nachteil werten durfte, hat es erkannt (vgl. UA S. 248 - ?strafprozessual nicht zu beanstandende . . . Uneinsichtigkeit'). ..." (BGH, Urteil vom 14.07.2000 - 3 StR 53/00)
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Ist ein Beschuldigter seit mehr als 2 Jahren in strafrechtlich relevanter Weise nicht mehr auffällig geworden, steht dies der Verhängung eines vorläufigen Berufsverbots auch dann entgegen, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, daß im Falle einer Verurteilung ein Berufsverbot angeordnet werden wird (OLG Brandenburg StV 2001, 106 zu StPO 132 a; StGB § 70).
Berufverbot - Vorläufiges Berufsverbot durch den Richter § 132 a StPO
(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß ein Berufsverbot angeordnet werden wird (§ 70 des Strafgesetzbuches), so kann der Richter dem Beschuldigten durch Beschluß die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges vorläufig verbieten. § 70 Abs. 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.
(2) Das vorläufige Berufsverbot ist aufzuheben, wenn sein Grund weggefallen ist oder wenn das Gericht im Urteil das Berufsverbot nicht anordnet.
Leitsätze/Entscheidungen:
Allein das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen von § 132a StPO rechtfertigt auf Grund der überragenden Bedeutung des Art. 12 I GG die Verhängung eines vorläufigen Berufsverbots nicht. Hinzukommen muss, dass die Anordnung erforderlich ist, um bereits vor rechtskräftigem Abschluss des Hauptverfahrens Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter abzuwehren, die aus einer Berufsausübung durch den Beschuldigten resultieren können (BVerfG, Beschluss vom 15.12.2005 - 2 BvR 673/05).
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Allein das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 70 StGB i.V.m. § 132a StPO rechtfertigt ein vorläufiges Berufsverbot noch nicht. Wegen der überragenden Bedeutung von Art. 12 Abs. 1 GG muss hinzukommen, dass die als Präventivmaßnahme mit Sofortwirkung ausgestaltete Anordnung wegen ihrer erheblichen Intensität und irreparablen Wirkung erforderlich ist, um bereits vor rechtskräftigem Abschluss des Hauptverfahrens konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter abzuwehren, die aus einer Berufsausübung durch den Angeklagten resultieren können (OLG Nürnberg, Beschluss vom 26.07.2011 - 1 Ws 310/11).
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Die Anordnung eines Berufsverbots setzt voraus, dass nach einer Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte in Ausübung des Berufs weitere erhebliche rechtswidrige Straftaten begehen wird. Dabei müssen die rechtswidrigen Taten unter Missbrauch des Berufs des Täters begangen werden, d. h. er muss die durch den Beruf gegebenen Möglichkeiten bewusst und planmäßig zu Straftaten ausnutzen. Hingegen reicht die äußerliche Möglichkeit zur Begehung von Taten anlässlich der Berufsausübung nicht aus. Vielmehr muss die strafbare Handlung Ausfluss der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit selbst sein oder mindestens ein mit der regelmäßigen Gestaltung der Berufsausübung in Beziehung gesetztes Verhalten betreffen. Bei einem Täter, der erstmalig wegen einer Anlasstat straffällig geworden ist, sind an die Annahme seiner weiteren Gefährlichkeit ganz besonders strenge Anforderungen zu stellen. Insbesondere ist zu prüfen, ob nicht bereits die Verurteilung zu Strafe den Täter von weiteren Taten abhalten wird (OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.10.2002 - 3 Ws 593/02, NStZ-RR 2003, 113).
Anordnung einer Auskunftspflicht über Telekommunikationsverbindungsdaten § 100 g StPO (n.F)
(1) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass jemand als Täter oder Teilnehmer
1. eine Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung, insbesondere eine in § 100a Abs. 2 bezeichnete Straftat, begangen hat, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat oder durch eine Straftat vorbereitet hat oder
2. eine Straftat mittels Telekommunikation begangen hat,
so dürfen auch ohne Wissen des Betroffenen Verkehrsdaten (§ 96 Abs. 1, § 113a des Telekommunikationsgesetzes) erhoben werden, soweit dies für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten erforderlich ist. Im Falle des Satzes 1 Nr. 2 ist die Maßnahme nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos wäre und die Erhebung der Daten in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht. Die Erhebung von Standortdaten in Echtzeit ist nur im Falle des Satzes 1 Nr. 1 zulässig.
(2) § 100a Abs. 3 und § 100b Abs. 1 bis 4 Satz 1 gelten entsprechend. Abweichend von § 100b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 genügt im Falle einer Straftat von erheblicher Bedeutung eine räumlich und zeitlich hinreichend bestimmte Bezeichnung der Telekommunikation, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
(3) Erfolgt die Erhebung von Verkehrsdaten nicht beim Telekommunikationsdiensteanbieter, bestimmt sie sich nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs nach den allgemeinen Vorschriften.
(4) Über Maßnahmen nach Absatz 1 ist entsprechend § 100b Abs. 5 jährlich eine Übersicht zu erstellen, in der anzugeben sind:
1. die Anzahl der Verfahren, in denen Maßnahmen nach Absatz 1 durchgeführt worden sind;
2. die Anzahl der Anordnungen von Maßnahmen nach Absatz 1, unterschieden nach Erst- und Verlängerungsanordnungen;
3. die jeweils zugrunde liegende Anlassstraftat, unterschieden nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2;
4. die Anzahl der zurückliegenden Monate, für die Verkehrsdaten nach Absatz 1 abgefragt wurden, bemessen ab dem Zeitpunkt der Anordnung;
5. die Anzahl der Maßnahmen, die ergebnislos geblieben sind, weil die abgefragten Daten ganz oder teilweise nicht verfügbar waren.
Leitsätze/Entscheidungen:
In der Zuordnung von Telekommunikationsnummern zu ihren Anschlussinhabern liegt ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Demgegenüber liegt in der Zuordnung von dynamischen IP-Adressen ein Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber muss bei der Einrichtung eines Auskunftsverfahrens sowohl Rechtsgrundlagen für die Übermittlung, als auch für den Abruf von Daten schaffen. Das automatisierte Auskunftsverfahren der §§ 112, 111 TKG ist mit der Verfassung vereinbar. § 112 TKG setzt dabei für den Abruf eigene Ermächtigungsgrundlagen voraus. Das manuelle Auskunftsverfahren der §§ 113 Abs. 1 Satz 1, 111, 95 Abs. 1 TKG ist in verfassungskonformer Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar. Zum einen bedarf es für den Abruf der Daten qualifizierter Rechtsgrundlagen, die selbst eine Auskunftspflicht der Telekommunikationsunternehmen normenklar begründen. Zum anderen darf die Vorschrift nicht zur Zuordnung dynamischer IP-Adressen angewendet werden. Die Sicherheitsbehörden dürfen Auskünfte über Zugangssicherungscodes (§ 113 Abs. 1 Satz 2 TKG) nur dann verlangen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Nutzung gegeben sind (BVerfG, Beschluss vom 24.01.2012 - 1 BvR 1299/05).
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?... I. Die Beschwerdeführerinnen wenden sich gegen die Verpflichtung zur Auskunft über eine Internetprotokoll-Adresse ohne vorherige Einholung einer richterlichen Anordnung gemäß § 100g, § 100b StPO.
1. a) Die Beschwerdeführerin zu 2) ist ein Unternehmen, das eine Vielzahl von IT-Dienstleistungen für Banken erbringt, insbesondere die Bereitstellung und den technischen Betrieb des ?Online-Bankings". Die Beschwerdeführerin zu 1) ist Leiterin der Rechtsabteilung im Unternehmen der Beschwerdeführerin zu 2). In einem Ermittlungsverfahren wegen Computerbetruges zum Nachteil eines Online-Banking-Nutzers (sogenanntes Phishing) forderte die Staatsanwaltschaft Baden-Baden die Beschwerdeführerin zu 2) mit Schreiben vom 12. Oktober 2009 auf, die Internetprotokoll-Adresse (im Folgenden: IP-Adresse) des Auftraggebers eines näher bezeichneten Überweisungsvorgangs mitzuteilen. Das Auskunftsersuchen stützte die Staatsanwaltschaft auf die allgemeine Ermittlungsgeneralklausel des § 161 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 15 Abs. 5 Satz 4, § 14 Abs. 2 des Telemediengesetzes (TMG). Zur Begründung führte sie aus, im Rahmen der von der Beschwerdeführerin zu 2) erbrachten Dienstleistungen stehe das Online-Banking als Telemediendienst im Vordergrund, weshalb diese keine Telekommunikationsdienste im Sinne des Telekommunikationsgesetzes (TKG) erbringe und daher dem Fernmeldegeheimnis des Art. 10 Abs. 1 GG, § 88 TKG nicht unterliege. Eine richterliche Anordnung gemäß § 100g, § 100b StPO sei nicht erforderlich.
b) Der Aufforderung zur Auskunft kam die Beschwerdeführerin zu 2) nicht nach. Die Staatsanwaltschaft Baden-Baden lud daraufhin am 19. Oktober 2009 die Beschwerdeführerin zu 1) als Zeugin, damit diese über die IP-Adresse Auskunft gebe. Die Beschwerdeführerin zu 1) erschien zum Termin, verweigerte jedoch die Aussage mit dem Hinweis, bei Erteilung der Auskunft ohne Erlass einer richterlichen Anordnung gemäß § 100g, § 100b StPO gegen das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG, § 88 TKG zu verstoßen und sich gemäß § 206 StGB strafbar zu machen.
c) Mit Bescheid vom 27. Oktober 2009 setzte die Staatsanwaltschaft Baden-Baden daraufhin ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 Euro gegen die Beschwerdeführerin zu 1) fest. Den hiergegen erhobenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 161a Abs. 3 Satz 1 StPO wies das Amtsgericht Baden-Baden mit Beschluss vom 16. April 2010 zurück. Auf eine Dienstaufsichtsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1) gegen das Auskunftsverlangen, die Zeugenladung und den Ordnungsgeldbescheid teilte die Generalstaatsanwaltschaft in Karlsruhe unter dem 6. Mai 2010 mit, dass die angegriffenen Maßnahmen durch das Beschwerdevorbringen nicht in Frage gestellt würden. In den Begründungen wurde die Auffassung der Staatsanwaltschaft Baden-Baden aufgegriffen und im Wesentlichen darauf abgestellt, dass im Vordergrund der von der Beschwerdeführerin zu 2) erbrachten Dienstleistungen das Online-Banking als Telemediendienst stehe, das Fernmeldegeheimnis folglich nicht berührt sei.
2. Mit der fristgerecht eingegangenen Verfassungsbeschwerde wenden die Beschwerdeführerinnen sich gegen die vorgenannten Anordnungen und Entscheidungen.
Die Beschwerdeführerin zu 1) sieht sich insbesondere in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 und Abs. 2 GG verletzt. Bei dem Auskunftsgegenstand, der IP-Adresse eines unbekannten Nutzers, handle es sich um ein Verbindungsdatum, das dem Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG unterfalle; für Auskünfte darüber bestehe von Verfassungs wegen ein Richtervorbehalt. Die Beschwerdeführerin zu 2) werde bei der Durchführung des Online-Bankings auch als Erbringerin von Telekommunikationsdienstleistungen tätig; die IP-Adressen der Online-Banking-Nutzer erhebe sie ausschließlich in dieser Eigenschaft, nämlich bei der Bereitstellung des Internet-Zugangs und zum Aufbau der Telekommunikationsverbindung zum jeweiligen Nutzer, nicht dagegen für die Anwendung und Durchführung des Online-Bankings.
Ferner rügen die Beschwerdeführerinnen Verletzungen der Art. 103 Abs. 2, Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 19 Abs. 4, Art. 12 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 GG.
II. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 (24 ff.); 96, 245 (248 ff.)).
1. Soweit die Beschwerdeführerin zu 1) einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 und Abs. 2 GG rügt, ist die Verfassungsbeschwerde mangels einer den gesetzlichen Anforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechenden substantiierten Begründung unzulässig.
Mit der Verhängung des Ordnungsgelds gegen die Beschwerdeführerin zu 1) ist ein Eingriff in ihre allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG verbunden, dessen Rechtsgrundlage sich aus § 161a Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 70 Abs. 1 Satz 2 StPO ergibt. Die Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften im Einzelfall prüft das Bundesverfassungsgericht nicht umfassend nach; die verfassungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich vielmehr auf die Frage, ob spezifisches Verfassungsrecht verletzt wurde (stRspr, vgl. nur BVerfGE 18, 85 (92 f.)). Letzteres ist der Fall, wenn eine gerichtliche Entscheidung auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Grundrechte beruht, deren Verletzung geltend gemacht wird, oder wenn das Auslegungsergebnis selbst die geltend gemachten Grundrechte verletzt (vgl. BVerfGE 30, 173 (188)). Nach diesen Maßstäben hat die Beschwerdeführerin eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts nicht hinreichend dargelegt. Auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens ist insbesondere nicht zu entscheiden, ob die angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts Baden-Baden Bedeutung und Tragweite von Art. 10 GG verkennt.
a) Offen erscheint bereits, ob mit der staatlich angeordneten Auskunftserteilung ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG verbunden ist.
aa) Das Fernmeldegeheimnis gewährleistet die Vertraulichkeit der individuellen Kommunikation, wenn diese wegen der räumlichen Distanz zwischen den Beteiligten auf eine Übermittlung durch andere angewiesen ist und deshalb in besonderer Weise einen Zugriff Dritter - einschließlich staatlicher Stellen - ermöglicht. Die Beteiligten sollen weitgehend so gestellt werden, wie sie bei einer Kommunikation unter Anwesenden stünden. Das Grundrecht ist entwicklungsoffen und umfasst nicht nur die bei Entstehung des Gesetzes bekannten Arten der Nachrichtenübertragung, sondern auch neuartige Übertragungstechniken (BVerfGE 46, 120 (144); 115, 166 (182)). Der Schutzbereich erfasst neben den Kommunikationsinhalten alle näheren Umstände des Fernmeldeverhältnisses und bezieht sich sowohl auf die Tatsache der Kommunikation als auch auf die Verbindungsdaten über Teilnehmer, Anschlüsse und Nummern, unter welchen die Teilnehmer miteinander in Kontakt treten (BVerfGE 107, 299 (312); 113, 348 (364 f.); 115, 166 (183); 120, 274 (307); 124, 43 (54); BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris, Rn. 189). Hierzu zählen auch IP-Adressen.
Demgegenüber unterfallen solche Verbindungsdaten, die nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs beim Telekommunikationsteilnehmer aufgezeichnet und gespeichert werden, nicht dem Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG, sondern werden durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützt (BVerfGE 115, 166 (183 ff.); 120, 274 (307 f.); 124, 43 (54)). Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses endet in dem Moment, in dem die Nachricht bei dem Empfänger angekommen und der Übertragungsvorgang beendet ist. Die spezifischen Gefahren der räumlich distanzierten Kommunikation bestehen im Herrschaftsbereich des Empfängers, der eigene Schutzvorkehrungen treffen kann, nicht. Die Nachricht ist mit Zugang beim Empfänger nicht mehr den erleichterten Zugriffsmöglichkeiten Dritter ausgesetzt, die sich aus der fehlenden Beherrschbarkeit und Überwachungsmöglichkeit des Übertragungsvorgangs durch die Kommunikationsteilnehmer ergeben. Die gespeicherten Inhalte und Verbindungsdaten unterscheiden sich dann nicht mehr von Datenbeständen, die der Nutzer selbst angelegt hat (BVerfGE 115, 166 (185)).
Die Einordnung einer Leistung unter das Regelungsregime des Telekommunikationsgesetzes oder des Telemediengesetzes bestimmt nicht über die Reichweite des Schutzbereichs des Art. 10 Abs. 1 GG. Art. 10 Abs. 1 GG folgt nicht dem rein technischen Telekommunikationsbegriff des Telekommunikationsgesetzes, sondern knüpft personal an den Grundrechtsträger und dessen Schutzbedürftigkeit aufgrund der Einschaltung Dritter in den Kommunikationsvorgang an
(BVerfGE 124, 43 (55 f.); BVerfGK 9, 62 (75)).
bb) Die Beschwerdeführerinnen haben nicht hinreichend dargelegt, dass die in Rede stehende IP-Adresse von der Beschwerdeführerin zu 2) als Erbringerin von Telekommunikationsleistungen während eines laufenden Telekommunikationsübertragungsvorgangs erhoben wurde und damit außerhalb des Herrschaftsbereichs der Kommunikationsteilnehmer anfiel. Die Beschwerdeführerinnen behaupten zwar, die Beschwerdeführerin zu 2) stelle selbst einen - verschlüsselten - Internetzugang für die Bank her. Dem Beschwerdevortrag ist aber nicht eindeutig zu entnehmen, dass mit den von der Beschwerdeführerin zu 2) erbrachten Leistungen die Tätigkeit eines gesonderten ?Internet Service Providers" auf Seiten der Bank tatsächlich entbehrlich wird. Insbesondere verhält sich der Beschwerdevortrag auch nicht dazu, auf welchem Wege der Bank beziehungsweise der Stelle tätig werdenden Beschwerdeführerin zu 2) eine IP-Adresse zugeteilt wird; dieser Frage kommt für die Einordnung der Tätigkeit der Beschwerdeführerin aber Bedeutung zu. Auch der Hinweis auf die Verschlüsselung der Verbindung durch die Beschwerdeführerin zu 2) führt nicht weiter, da nicht deutlich wird, inwieweit es sich bei der Verschlüsselung um eine Maßnahme handelt, die nicht auch ein gewöhnlicher Internetnutzer unter Verwendung entsprechender Technik durchführen könnte.
b) Ebenso wenig lässt sich auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens sagen, ob ein möglicher Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG gerechtfertigt wäre oder ob die den angefochtenen Entscheidungen zugrunde liegende Rechtsauffassung, wonach eine richterliche Anordnung für die Auskunftserteilung über die IP-Adresse nicht erforderlich ist, die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage verkennt.
aa) Die Schrankenbestimmung des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG sieht - anders als die durch Art. 13 GG gewährleistete Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung - das Erfordernis eines Richtervorbehalts für Eingriffe nicht ausdrücklich vor und stellt dem Wortlaut nach auch im Übrigen keine qualifizierten Anforderungen an die Ausgestaltung der Ermächtigungsgrundlagen.
Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann, wenn sich der Eingriff im Einzelfall als so schwerwiegend darstellt, dass den Anforderungen an die Wahrung der Verhältnismäßigkeit und die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nur im Wege einer vorherigen richterlichen Kontrolle Rechnung getragen werden kann (BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris, Rn. 248). Für die Abfrage und Übermittlung von Telekommunikationsdaten kann dies der Fall sein, wenn diese über einen längeren Zeitraum in großem Umfang gespeichert werden und im Falle ihrer Auswertung detaillierte Rückschlüsse auf das Kommunikations- und Bewegungsverhalten einer Person zulassen würden (BVerfGE 107, 299 (319 f.); BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris, Rn. 227).
Für die Frage, welches Gewicht dem in der Datenabfrage und Verwendung der Daten liegenden Eingriff in die Privatsphäre einer Person zukommt, ist daher neben dem Zweck der Verwendung und der Art und Weise der Abfrage - heimlich oder offen - auch der Anlass und Umfang der Speicherung von Bedeutung. Die Abfrage von Verbindungsdaten aus einem Datensatz, der aufgrund einer anlasslosen systematisch über einen längeren Zeitraum vorgenommenen Speicherung erstellt wurde, stellt einen intensiveren Eingriff dar als die Abfrage von Daten, die ein Telekommunikationsanbieter in Abhängigkeit von den jeweiligen betrieblichen und vertraglichen Umständen - etwa zu Abrechnungszwecken gemäß §§ 96, 97 TKG - kurzfristig aufzeichnet. Bei der längerfristigen Aufzeichnung einer Gesamtheit von Daten kann aufgrund der möglichen Rückschlüsse auf die Privatsphäre einer Person nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Rückgriff auf diese Daten grundsätzlich geringer wiegt als eine inhaltsbezogene Telekommunikationsüberwachung (BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris, Rn. 227).
bb) Das Beschwerdevorbringen enthält keine näheren Aussagen darüber, auf welcher Rechtsgrundlage, zu welchem Zweck und wie lange die Beschwerdeführerin zu 2) die IP-Adressen speichert und inwiefern im Zusammenhang mit den IP-Adressen weitere Daten erhoben werden. Damit ist eine Beurteilung der Schwere des in der Abfrage liegenden Eingriffs ebenso wenig möglich wie eine nähere Konkretisierung der Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit für den Abruf und die Verwendung der abgefragten Daten.
Als Rechtsgrundlage für eine Speicherung der IP-Adressen kommen sowohl die Vorschriften des Telekommunikations- als auch des Telemediengesetzes in Betracht. Nach § 96 Abs. 2 TKG dürfen Verkehrsdaten über das Ende der Verbindung hinaus nur verwendet werden, wenn dies zum Aufbau weiterer Verbindungen oder für die in §§ 97, 99, 100 und 101 TKG genannten Zwecke - Abrechnungszwecke, Störungsbeseitigung und Missbrauchsbekämpfung - erforderlich ist; im Übrigen sind sie nach Beendigung der Verbindung unverzüglich zu löschen. Die §§ 113a, 113b TKG, nach denen Telekommunikationsdienste zur Speicherung von Verkehrsdaten über einen Zeitraum von sechs Monaten verpflichtet waren, hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 2. März 2010 (1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris) für nichtig erklärt. Zuvor waren die Anbieter von Telekommunikationsdiensten zur Speicherung der Daten verpflichtet; allerdings wurde die Pflicht zur Übermittlung an die ersuchenden Behörden vom Bundesverfassungsgericht ab dem 11. März 2008 einstweilen ausgesetzt (einstweilige Anordnung vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08, BGBl I S. 659; wiederholt und erweitert mit Beschluss vom 28. Oktober 2008, BGBl I S. 2239; zuletzt wiederholt mit Beschluss vom 15. Oktober 2009, BGBl I S. 3704). Da das Auskunftsverlangen der Staatsanwaltschaft Baden-Baden vom 12. Oktober 2009 datiert, erscheint eine Speicherung der vorliegend interessierenden Daten auf dieser Grundlage jedenfalls nicht ausgeschlossen. Soweit die Speicherung der IP-Adresse allein für die Herstellung einer verschlüsselten Verbindung unter Nutzung fremder Telekommunikationsdienste erforderlich wäre, kommen als Rechtsgrundlage §§ 14, 15 TMG in Betracht.
Auch unter Berücksichtigung der im Urteil zur Vorratsdatenspeicherung aufgestellten Grundsätze (BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris, Rn. 227, 247) lässt sich nicht sagen, dass die Herausgabe einer einzelnen IP-Adresse losgelöst von den angesprochenen Fragen in jedem Fall einen derart schwerwiegenden Eingriff in den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG darstellen würde, dass eine auf die allgemeine Ermittlungsgeneralklausel des § 161 Abs. 1 StPO gestützte Auskunftserteilung in jedem Fall unzulässig wäre (zur Reichweite des § 161 Abs. 1 StPO vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Februar 2009 - 2 BvR 1372/07, 2 BvR 1745/07 -, NJW 2009, S. 1405 (1407)).
2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen. ..." (BVerfG, 2 BvR 1124/10 vom 13.11.2010, Absatz-Nr. (1 - 24), www.bverfg.de/entscheidungen/rk20101113_2bvr112410.html)
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Eine sechsmonatige, vorsorglich anlaßlose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten durch private Diensteanbieter, wie sie die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15. 03. 2006 (ABl L 105 v. 13. 04. 2006, S. 54; im folgenden: Richtlinie 2006/24/EG) vorsieht, ist mit Art. 10 GG nicht schlechthin unvereinbar; auf einen etwaigen Vorrang dieser Richtlinie kommt es daher nicht an. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, daß die gesetzliche Ausgestaltung einer solchen Datenspeicherung dem besonderen Gewicht des mit der Speicherung verbundenen Grundrechtseingriffs angemessen Rechnung trägt. Erforderlich sind hinreichend anspruchsvolle und normenklare Regelungen hinsichtlich der Datensicherheit, der Datenverwendung, der Transparenz und des Rechtsschutzes. Die Gewährleistung der Datensicherheit sowie die normenklare Begrenzung der Zwecke der möglichen Datenverwendung obliegen als untrennbare Bestandteile der Anordnung der Speicherungsverpflichtung dem Bundesgesetzgeber gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG. Demgegenüber richtet sich die Zuständigkeit für die Schaffung der Abrufregelungen selbst sowie für die Ausgestaltung der Transparenz- und Rechtsschutzbestimmungen nach den jeweiligen Sachkompetenzen. Hinsichtlich der Datensicherheit bedarf es Regelungen, die einen besonders hohen Sicherheitsstandard normenklar und verbindlich vorgeben. Es ist jedenfalls dem Grunde nach gesetzlich sicherzustellen, daß sich dieser an dem Entwicklungsstand der Fachdiskussion orientiert, neue Erkenntnisse und Einsichten fortlaufend aufnimmt und nicht unter dem Vorbehalt einer freien Abwägung mit allgemeinen wirtschaftlichen Gesichtspunkten steht. Der Abruf und die unmittelbare Nutzung der Daten sind nur verhältnismäßig, wenn sie überragend wichtigen Aufgaben des Rechtsgüterschutzes dienen. Im Bereich der Strafverfolgung setzt dies einen durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht einer schweren Straftat voraus. Für die Gefahrenabwehr und die Erfüllung der Aufgaben der Nachrichtendienste dürfen sie nur bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für eine gemeine Gefahr zugelassen werden. Eine nur mittelbare Nutzung der Daten zur Erteilung von Auskünften durch die Telekommunikationsdiensteanbieter über die Inhaber von Internetprotokolladressen ist auch unabhängig von begrenzenden Straftaten- oder Rechtsgüterkatalogen für die Strafverfolgung, Gefahrenabwehr und die Wahrnehmung nachrichtendienstlicher Aufgaben zulässig. Für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten können solche Auskünfte nur in gesetzlich ausdrücklich benannten Fällen von besonderem Gewicht erlaubt werden (BVerfG, Urteil vom 02.03.2010 - 1 BvR 256/08, 263/08, 586/08 zu GG Art. 10 Abs. 1; StPO § 100g Abs. 1 S. 1 Nr. 1; TKG §§ 113a, 113b).
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Die Übermittlung einer von den Ermittlungsbehörden geheimgehaltenen Maßnahme, insbesondere einer bevorstehenden Verhaftung, durch den Verteidiger an seinen Mandanten begründet den Verdacht der Strafvereitelung jedenfalls für den Fall der unzulässigen, beispielsweise täuschungsbedingten Kenntniserlangung vom Bestehen des von den Ermittlungsbehörden geheimgehaltenen Haftbefehls. Als taugliche Anlaßtat für eine Maßnahme gem. § 100 g Abs. 1 S. 1 StPO kommt jede beliebige Straftat in Betracht, wenn diese durch eine Endeinrichtung i. S. d. § 3 Nr. 3 TKG begangen wurde und dem Rechtseingriff Gründe der Verhältnismäßigkeit nicht entgegenstehen. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber die Voraussetzungen für ein Auskunftsverlangen gem. § 100 g I 1 StPO (Straftat "mittels einer Endeinrichtung" [§ 3 Nr. 3 TKG] abgesenkt hat. Das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG) umfasst nicht nur den Kommunikationsinhalt, sondern schützt auch die Kommunikationsumstände. Dazu gehört insbesondere, ob, wann und wie oft zwischen welchen Personen oder Fernmeldeanschlüssen Fernmeldeverkehr stattgefunden hat oder versucht worden ist. Auch insoweit kann der Staat grundsätzlich keine Kenntnis beanspruchen. Die Nutzung des Kommunikationsmediums soll in allem vertraulich sein. Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses sind zwar gem. Art. 10 II GG möglich. Sie bedürfen aber, wie jede Grundrechtseinschränkung, einer gesetzlichen Regelung, die einen legitimen Gemeinwohlzweck verfolgt und im Übrigen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt. Zwangsmaßnahmen, die einen erheblichen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre der Betroffenen enthalten, stehen von vornherein unter dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG, Beschluss vom 17.06.2006 - 2 BvR 1085/05 u. 2 BvR 1189/05).
Die nach Abschluß des Übertragungsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeicherten Verbindungsdaten werden nicht durch Art. 10 Abs. 1 GG, sondern durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützt. §§ 94 ff. und §§ 102 ff. StPO genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen auch hinsichtlich der Sicherstellung und Beschlagnahme von Datenträgern und den hierauf gespeicherten Daten und entsprechen der vor allem für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geltenden Vorgabe, wonach der Gesetzgeber den Verwendungszweck der erhobenen Daten bereichsspezifisch, präzise und für den Betroffenen erkennbar bestimmen muß. Dem wird durch die strenge Begrenzung aller Maßnahmen auf den Ermittlungszweck Genüge getan (vgl. Beschl. des 2. Senats des BVerfG v. 12. 4. 2005 - 2 BvR 1027/02 [= StV 2005, 363]). Beim Zugriff auf die bei dem Betroffenen gespeicherten Verbindungsdaten ist auf deren erhöhte Schutzwürdigkeit Rücksicht zu nehmen. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung muß dem Umstand Rechnung tragen, daß es sich um Daten handelt, die außerhalb der Sphäre des Betroffenen unter dem besonderen Schutz des Fernmeldegeheimnisses stehen und denen im Herrschaftsbereich des Betroffenen ein ergänzender Schutz durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zuteil wird (BVerfG, Urteil vom 02.03.2006 - 2 BvR 2099/04 zu GG Art. 10 Abs. 1, 2 Abs. 1; StPO §§ 94 ff., 102 ff., 100 a, 100 g, 100 h).
Besteht die begründete Vermutung, dass strafrechtlichen Ermittlungen dienliche Verbindungsdaten bei dem Beschuldigten aufgezeichnet oder gespeichert sind, etwa in Einzelverbindungsnachweisen der Rechnungen des Telekommunikationsdienstleisters oder in elektronischen Speichern der Kommunikationsgeräte, so darf eine Beschlagnahme dieser Datenträger, der Rechnungen und Geräte nur unter den Voraussetzungen der §§ 100g, 100h StPO erfolgen. Eine unterhalb der Schwelle dieser Vorschriften vorgenommene Beschlagnahme des Mobiltelefons zum Zwecke des Auslesens der auf der SIM-Karte gespeicherten Daten ist daher unzulässig (BVerfG, Beschluss vom 04.02.2005 - 2 BvR 308/04).
*** (BGH)
Telekommunikationsdaten, die vor dem 2. März 2010 auf der Grundlage der einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008 im Verfahren 1 BvR 256/08 (BGBI. I 2008, 659, wiederholt und erweitert mit Beschluss vom 28. Oktober 2008 - BGBI. I 2008, 2239 -, zuletzt wiederholt mit Beschluss vom 15. Oktober 2009 - BGBI. 2009, 3704) rechtmäßig erhoben und an die ersuchenden Behörden übermittelt wurden, bleiben auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 zu §§ 113a, 113b TKG, 100g StPO (1 BvR 256/08 u.a. - BGBI. I 2010, 272) in einem Strafverfahren zu Beweiszwecken verwertbar (BGH, Beschluss vom 18.01.2011 - 1 StR 663/10).
***
Das Urteil des BVerfG v. 02.03.2010 (1 BvR 256/08 u.a.) hat der Erhebung von Telekommunikationsdaten und deren Übermittlung zum Zweck der Strafverfolgung während der Geltungsdauer und nach Maßgabe der einstweiligen Anordnung v. 11.03.2008 nicht nachträglich die Rechtsgrundlage entzogen. Die Verwendung solcher Daten im Strafverfahren durch ihre Einführung in die Hauptverhandlung und Verwertung im Rahmen der Urteilsfindung bleibt auch nach dem 02.03.2010 rechtmäßig (BGH, Urteil vom 13.01.2011 - 3 StR 332/10 zu StPO § 100g; TKG §§ 113a, 113b).
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Zur Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus einer während der Geltungsdauer einer einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts nach deren einschränkenden Vorgaben gerichtlich angeordneten und vollzogenen Ermittlungsmaßnahme (hier: Anforderung und Übermittlung von Telekommunikations-Verkehrsdaten), wenn das Bundesverfassungsgericht in seiner späteren Hauptsacheentscheidung die Verfassungswidrigkeit der Rechtsgrundlage für die Ermittlungsmaßnahme feststellt (BGH, Beschluss vom 04.11.2010 - 4 StR 404/10):
?... Das Landgericht war weder aus Gründen des einfachen Rechts noch von Verfassungs wegen gehindert, aus den erhobenen Daten Erkenntnisse zu gewinnen und für die Beweiswürdigung zu verwerten.
a) Das Amtsgericht Münster hat seinen Beschluss vom 16. Januar 2009 rechtsfehlerfrei auf § 100g Abs. 1 StPO in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3198) nach Maßgabe der bis zur Entscheidung in der Hauptsache und damit im Beschlusszeitpunkt geltenden einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08, BGBl. I S. 659; BVerfGE 121, 1) und der dort getroffenen (einschränkenden) Übergangsregelung gestützt.
aa) Gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dies umfasst nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch die Befugnis, im Wege einer solchen einstweiligen Anordnung das Inkrafttreten eines Gesetzes hinauszuzögern, ein bereits in Kraft getretenes Gesetz - ganz oder teilweise - wieder außer Kraft zu setzen oder dessen Anwendbarkeit einzuschränken (vgl. nur BVerfGE 104, 23, 27 f.; 112, 284, 292; 117, 126, 135; 122, 342, 361 f.; BVerfG, Beschluss vom 14. September 2010 - 1 BvR 872/10, Tz. 2). Wird eine gesetzliche Regelung, wie im vorliegenden Fall, durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG vorläufig modifiziert, bedeutet dies für die Zeit ihrer Geltung regelmäßig eine endgültige Regelung der Rechtslage. Eine nachträgliche Korrektur für den Geltungszeitraum der einstweiligen Anordnung scheidet aus (vgl. dazu Graßhof in Maunz, BVerfGG, § 32 Rn. 8 f. [Stand: Juli 2002] m.w.N.; Volkmer NStZ 2010, 318, 320). Zwar wird die Gesetzeskraft einer solchen Entscheidung, anders als bei der Hauptsacheentscheidung (vgl. § 31 Abs. 2 BVerfGG), nicht ausdrücklich gesetzlich angeordnet; eine der Gesetzeskraft zumindest entsprechende Wirkung der nach § 32 Abs. 1 BVerfGG angeordneten Anwendungseinschränkung ergibt sich aber - für die Geltungsdauer der Anordnung - aus ihrer Funktion als Modifikation eines Gesetzes im formellen Sinne und wird vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung angenommen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 28. August 2003 - 2 BvR 1012/01, NJW 2004, 279, Tz. 15 zur Zulässigkeit der Informationsweitergabe gem. § 3 Abs. 5 Satz 1 G 10 auf der Grundlage einer im Wege einstweiliger Anordnung ausgesprochenen Übergangsregelung trotz in der Hauptsacheentscheidung festgestellter Unvereinbarkeit mit Art. 10 GG). Dementsprechend ordnet das Bundesverfassungsgericht bei Erlass einer einstweiligen Anordnung, die in die Geltung eines Gesetzes eingreift, regelmäßig die Veröffentlichung der Entscheidungsformel im Bundesgesetzblatt an; dies ist auch im vorliegenden Fall geschehen (vgl. BGBl. I 2008 S. 659).
bb) Die Verkehrsdaten wurden im vorliegenden Fall in Übereinstimmung mit den einschränkenden Vorgaben der ergangenen einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008 (1 BvR 256/08, BVerfGE 121, 1) übermittelt und konnten deshalb im angefochtenen Urteil verwertet werden.
Aus der Entscheidungsformel der einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008 (1 BvR 256/08, BVerfGE 121, 1) ergibt sich, dass eine Verpflichtung zur Datenübermittlung an die ersuchende Behörde auf Grund eines Beschlusses nach § 100g Abs. 1 StPO für die Dauer der Geltung der Anordnung nur bestand, wenn Gegenstand des Ermittlungsverfahrens eine Katalogtat im Sinne des § 100a Abs. 2 StPO war und die Voraussetzungen des § 100a Abs. 1 StPO vorlagen.
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat, sind diese Maßgaben im vorliegenden Fall eingehalten worden. Zum Zeitpunkt des Beschlusses des Amtsgerichts Münster vom 16. Januar 2009 wurde gegen die Beschwerdeführerin wegen des Verdachts schwerer Bandendiebstähle gemäß § 244a StGB ermittelt; diese Straftat ist Katalogtat gemäß § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. j StPO.
b) Eine andere rechtliche Beurteilung der gerichtlich angeordneten Übermittlung der entscheidungserheblichen Verkehrsdaten ergibt sich auch nicht daraus, dass das Bundesverfassungsgericht in der am 2. März 2010 ergangenen Hauptsacheentscheidung die §§ 113a, 113b TKG sowie § 100g Abs. 1 Satz 1 StPO wegen Verstoßes gegen Art. 10 Abs. 1 GG teilweise für nichtig erklärt hat. Die ex-tunc-Wirkung dieser Entscheidung lässt die selbständige Legitimierungsfunktion der einstweiligen Anordnung im Rahmen der dort näher umschriebenen einschränkenden Maßgaben als sog. normvertretendes Übergangsrecht (vgl. dazu Graßhof aaO, § 32 Rn. 8, 190; Berkemann in Mitarbeiterkommentar zum BVerfGG, 2. Aufl., § 32 Rn. 369 f.) unberührt. Dies ergibt sich im Übrigen auch unmittelbar aus den Gründen des Urteils vom 2. März 2010: Das Bundesverfassungsgericht hat eine sechsmonatige anlasslose Speicherung von Telekommunikations-Verkehrsdaten - für eine qualifizierte Verwendung - im Rahmen der Strafverfolgung nicht für schlechthin unvereinbar mit Art. 10 Abs. 1 GG angesehen (BVerfG aaO, S. 615, Tz. 213). Es hat ferner ausgeführt, dass lediglich die aufgrund der einstweiligen Anordnung erhobenen, aber einstweilen nicht an die ersuchenden Behörden übermittelten, sondern gespeicherten Verkehrsdaten unverzüglich zu löschen sind und nicht an die Behörden übermittelt werden dürfen (BVerfG aaO, S. 623, Tz. 306). Auf diejenigen Verkehrsdaten, die unter den Vorgaben der einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008 (1 BvR 256/08, BVerfGE 121, 1) bereits übermittelt wurden, bezieht sich das Gebot der unverzüglichen Löschung gerade nicht. ..."
*** (OLG)
Ein Webhosting-Unternehmen, das für Unternehmen und Privatpersonen Speicherplatz auf Webservern zur Verfügung stellt, ist nicht dazu verpflichtet, eine Vorratsdatenspeicherung zu ermöglichen. Sofern dem Endkunden lediglich die eigenverantwortliche Einrichtung und Verwaltung eines E-Mail-Postfachs durch Nutzung des Webhosters erleichtert wird, ist dieser nicht selbst als Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen zu qualifizieren und damit auch nicht zur Vorratsdatenspeicherung verpflichtet (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.12.2009 - 11 S 32.09 zu TKG §§ 110 Abs. 1, 113a Abs. 1, Abs. 3; GG Art. 12; EGRichtl-24/2006).
Die Anordnung des Auskunfterteilung über Telekommunikationsverbindungen eines Presseangehörigen in einem nicht gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen ist mit Art. 5 I 2 GG unvereinbar und deshalb rechtswidrig (OLG Dresden, Beschluss vom 11.09.2007 - 2 Ws 164/07 zu Art. 5 I 2, 19 IV GG; §§ 100 g, 100 h StPO; § 353 b StGB, NJW 2007, 3511, 3512).
*** (LG)
Verkehrsdaten, die aufgrund der vom BVerfG für nichtig erklärten §§ 113a und 113b TKG vor der Entscheidung des BVerfG erhoben wurden, unterliegen einem Beweiserhebungs- bzw. Beweisverwertungsverbot (LG Verden, Beschluss vom 03.05.2010 - 7 KLs 2/10).
***
Läßt die gerichtliche Anordnung der Herausgabe von Telekommunikationsverbindungsdaten durch den Mobildienstanbieter keine Eignung dieser Maßnahme zur Ermittlung von Verdächtigen erkennen, ist im Hinblick auf das grundrechtlich geschützte Fernmeldegeheimnis ein Verwertungsverbot von auf diese Weise gewonnenen Ermittlungsergebnissen gegeben (LG Stade, Beschluss vom 22.02.2005 - 10 Ks 131 Js 6944/04, StV 2005, 434 ff).
Die Anordnung einer sog. Funkzellenabfrage richtet sich nach §§ 100 g, 100 h StPO. Die Anwendung des § 100 a S. 2 StPO scheidet aus, weshalb keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorliegen müssen, daß ein Mobiltelefon im Zusammenhang mit einer erheblichen Straftat benutzt worden sei (LG Rottweil, Beschluss vom 05.08.2004 - 3 Qs 105/04, StV 2005, 438 f).
Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes in § 100g Abs. 1 S. 1 StPO können Auskünfte über Telekommunikationsverbindungsdaten von Telekommunikationsdiensten nur gerichtlich angeordnet werden, wenn es um Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere um solche der in § 100a S. 1 StPO aufgeführten Taten geht. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da es in einem Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Ausspähung von Daten gemäß § 202a StGB darum geht, dass ein unbekannter Täter von dem am Arbeitsplatz des Geschädigten befindlichen PC mit Internetzugang unter missbräuchlicher Verwendung seiner Personaldaten und unter Verwendung eines passwortgeschützten e-mail-Kontos eine Kontaktanzeige aufgegeben haben soll (LG Dortmund, Beschluss vom 18.03.2002 - 14 (III) Qs 6/02).
Anordnung längerfristiger Observationen § 163 f StPO (n.F.)
(1) Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen worden ist, so darf eine planmäßig angelegte Beobachtung des Beschuldigten angeordnet werden, die
1. durchgehend länger als 24 Stunden dauern oder
2. an mehr als zwei Tagen stattfinden
soll (längerfristige Observation).
Die Maßnahme darf nur angeordnet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre. Gegen andere Personen ist die Maßnahme zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit dem Täter in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, dass die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters führen wird und dies auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre.
(2) Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.
(3) Die Maßnahme darf nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die Anordnung der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungspersonen tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Werktagen von dem Gericht bestätigt wird. § 100b Abs. 1 Satz 4 und 5, Abs. 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(4) (weggefallen)
Leitsätze/Entscheidungen:
Werden für längerfristige Observationen technische Mittel i.S. des § 100c I Nr. 1 lit. b StPO verwendet, so sind zusätzlich die Anordnungsvoraussetzungen des § 163f StPO zu beachten. Bis zum In-Kraft-Treten dieser Vorschrift (1.11.2000) bestand keine richterliche Anordnungskompetenz (BGH, Urteil vom 24.01.2001 - 3 StR 324/00).
***
Eine längerfristige Observation gemäß § 163f Abs. 1 StPO liegt nicht nur dann vor, wenn diese von vornherein auf eine Überschreitung der in § 163f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 StPO genannten Fristen gerichtet ist, sondern auch, wenn sich während einer zunächst kurzfristig angelegten Beobachtung herausstellt, dass die Fristen des § 163f Abs. 1 StPO überschritten werden müssen. Die Anordnung der Staatsanwaltschaft gemäß § 163f Abs. 3 StPO ist einzuholen, sobald sich die Notwendigkeit der Fristüberschreitung ergibt. Entsteht dagegen im Laufe eines Ermittlungsverfahrens in nicht vorhersehbarer Weise mehrfach die Notwendigkeit einer nur vorübergehenden und kurzfristigen Observation, so handelt es sich nicht um eine solche im Sinne des § 163f StPO. Eine unter Verstoß gegen das staatsanwaltliche Anordnungserfordernis gemäß § 163f Abs. 3 StPO durchgeführte Observation hat nicht stets die Unverwertbarkeit der aus der Observation gewonnenen Erkenntnisse zur Folge. Ein Beweisverwertungsverbot stellt die Ausnahme dar und ist nur anzunehmen, wenn nach Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall der Verfahrensverstoß so schwer wiegt, dass das Interesse an der Wahrheitserforschung zurückzutreten hat (OLG Hamburg, Beschluss vom 29.06.2007 - 3 - 30/07 (Rev), 3 - 30/07 (Rev) - 6104 Js 513/05).
Die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit (der Anordnung und Durchführung) von Ermittlungsmaßnahmen mit tiefgreifendem Grundrechtsrechtseingriff, gegen deren Anordnung der Beschuldigte typischer Weise vor ihrer Vollziehung keinen Rechtsschutz erlangen kann - hier die Anordnung der längerfristigen Observation (§ 163f StPO) und der Telefonüberwachung (§ 100a StPO) - obliegt grundsätzlich dem anordnenden Gericht. Nach Erhebung der Anklage geht die Zuständigkeit auf das erkennende Gericht über. Es hat sowohl die gerichtliche Überprüfung der von den Ermittlungsbehörden angeordneten Maßnahmen gem. § 98 II StPO analog vorzunehmen, als auch die Rechtswidrigkeit der vom Ermittlungsrichter angeordneten Maßnahmen festzustellen. Art. 19 IV GG fordert nicht sofortigen Rechtsschutz, sondern nur Rechtsschutz in angemessener Zeit. Von daher sind verfassungsrechtliche Hindernisse, die Entscheidung der Kammer erst in zeitlicher Nähe zur Urteilsfällung zu erlassen, nicht zu erkennen. Gegen die Entscheidung des erkennenden Gerichts ist die Beschwerde nach § 304 I StPO eröffnet. Fehlt es an einer Sachentscheidung des erkennenden Gerichts, weil dieses seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint hat, so kann das ihm übergeordnete Beschwerdegericht die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverweisen. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts lässt die Frage der Verwertbarkeit der Ergebnisse aus den Ermittlungsmaßnahmen unberührt. Hierüber entscheiden allein das erkennende Gericht und gegebenenfalls die Berufungs- und/oder Revisionsinstanz (OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.12.2005 - 3 Ws 972/05, 1021/05, NStZ-RR 2006, 44 - web2.justiz.hessen.de/migration/rechtsp.nsf/A9434850EEBCECC7C12570E600515B13/$file/03ws972+102105.pdf).
Im Auslieferungsverfahren ist für die Anordnung einer längerfristigen Observierung nach § 163 StPO nicht das Oberlandesgericht sondern die Staatsanwaltschaft zuständig (OLG Hamm, Beschluss vom 15.12.2003 - (2) 4 Ausl. A 32/03 (157,158/03), NStZ-RR 2004, 145).
Anordnung und Ausführung einer Durchsuchung § 105 StPO
(1) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Hilfsbeamten (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Durchsuchungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 ordnet der Richter an; die Staatsanwaltschaft ist hierzu befugt, wenn Gefahr im Verzug ist.
(2) Wenn eine Durchsuchung der Wohnung, der Geschäftsräume oder des befriedeten Besitztums ohne Beisein des Richters oder des Staatsanwalts stattfindet, so sind, wenn möglich, ein Gemeindebeamter oder zwei Mitglieder der Gemeinde, in deren Bezirk die Durchsuchung erfolgt, zuzuziehen. Die als Gemeindemitglieder zugezogenen Personen dürfen nicht Polizeibeamte oder Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft sein.
(3) Wird eine Durchsuchung in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Durchsuchung von Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.
Siehe auch unter ?Durchsuchung einer Wohnung oder einer Person" und ?Durchsuchungsbeschluss".
Leitsätze/Entscheidungen:
Es kann nicht hingenommen werden, daß in einer Stadt der Größe Münchens am frühen Abend gegen 18.00 Uhr eine Wohnung allein aufgrund der Anordnung von Polizeibeamten ohne Gefahr im Verzug und ohne den Versuch, einen richterlichen Durchsuchungsbeschluß zu erwirken, durchsucht wird (BVerfG, Beschluss vom 28.09.2006 - 2 BvR 876/06).
***
Die Verfassungsbeschwerde (Vb) des Beschwerdeführers (Bf), der sich gegen die Durchsuchung seiner Wohnung durch die Polizei und die anschließende Beschlagnahme seines Mobiltelefons wandte, war erfolgreich. Die 3. Kammer des Zweiten Senats hob die angegriffenen Beschlüsse des Amtsgerichts (AG) und Landgerichts (LG) auf und verwies die Sache an das LG zurück.
Sachverhalt: Die Polizei ermittelte in einer Serie von Einbruch- und Autodiebstählen. Vor dem Haus, in dem der Bf eine von 15 Wohnungen bewohnte, wurde ein Fahrzeug aufgefunden, das mit einem gestohlenen Kennzeichen versehen war. Aufgrund des Hinweises eines Hausbewohners suchten Polizeibeamte gegen 17.00 Uhr den Bf in seiner Wohnung auf, der eine Verbindung zu dem Fahrzeug abstritt. Bei der Sicherstellung des Fahrzeugs stellte die Polizei fest, dass das Fahrzeug bei der Diebstahlsserie entwendet worden war. Gegen 19.00 Uhr suchten die Polizeibeamten den Bf erneut auf. Sie durchsuchten seine Wohnung und beschlagnahmten sein Mobiltelefon, um eventuell geführte Gespräche in der Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Aufsuchen zu ermitteln. Nach Auswertung der in dem Mobiltelefon und der SIM-Karte gespeicherten Daten gab die Polizei das Gerät dem Bf zurück. Der Tatverdacht bestätigte sich nicht.
Das AG erklärte die Durchsuchung und Beschlagnahme für rechtmäßig. Auf die Beschwerde des Bf hin bestätigte das LG die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung. Zur Beschlagnahme stellte es fest, dass hierüber nachträglich nicht mehr entschieden werden könne, da mit der Herausgabe des Mobiltelefons das Rechtsschutzbedürfnis entfallen sei. Die Vb des Bf hatte Erfolg.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Bf in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und 2 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung) und seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG (Gewährung effektiven Rechtsschutzes).
Wohnungsdurchsuchung: Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die für eine Wohnungsdurchsuchung grundsätzlich erforderliche Anordnung durch einen Richter wegen Gefahr im Verzug entbehrlich gewesen sein könnte. In der Dokumentation der Polizeibeamten, die nicht einmal den Versuch unternommen haben, einen richterlichen Beschluss zu erwirken, finden sich keine Erwägungen zur besonderen Dringlichkeit der Durchsuchung. Auch die nach dem ersten Aufsuchen neu gewonnenen Erkenntnisse ließen die Dringlichkeit der Durchsuchung nicht offenkundig erscheinen. Im Gegenteil: Gerade wenn die Polizeibeamten den Bf nun einem organisierten Täterkreis zurechneten, hätte sich ihnen die Überlegung aufdrängen müssen, dass er auf das erste Aufsuchen gegen 17.00 Uhr reagieren und Beweismittel beiseite schaffen würde, so dass eine Durchsuchung als zwecklos und unverhältnismäßig erscheinen musste.
Beschlagnahme des Mobiltelefons: Um dem Bf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) zu gewähren, hätte das LG über die Frage der Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme seines Mobiltelefons entscheiden müssen. Wegen des Gewichts des Eingriffs muss die Möglichkeit einer nachträglichen Kontrolle offen stehen.
Die von den Polizeibeamten vorgenommene Aufzeichnung der in dem Gerät gespeicherten Verbindungsdaten berührt den Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG). Eingriffe in dieses Grundrecht bedürfen einer gesetzlichen Grundlage (Art. 10 Abs. 2 GG). Eine solche findet sich in den §§ 100g und 100h StPO, die die Kenntnisnahme von Telekommunikationsverbindungsdaten regeln. Danach können die geschäftsmäßigen Telekommunikationsdienstleister zur Auskunft über die Verbindungsdaten verpflichtet werden. Voraussetzung hierfür ist, dass es um die Ermittlung einer Straftat von erheblicher Bedeutung geht. Außerdem bedarf es eines richterlichen Beschlusses, der bei Gefahr im Verzug durch eine Anordnung der Staatsanwaltschaft ersetzt werden kann.
Die in den §§ 100g und 100h StPO geregelten Schranken dürfen nicht dadurch umgangen werden, dass in anderer Weise als durch ein an den Telekommunikationsdienstleister gerichtetes Auskunftsverlangen auf Verbindungsdaten des Betroffenen zurückgegriffen wird. Auch dann gelten die Anforderungen der §§ 100g und 100h StPO. Sind also beim Beschuldigten Verbindungsdaten aufgezeichnet oder gespeichert, etwa in Einzelverbindungsnachweisen der Telefonrechnungen oder in elektronischen Speichern der Kommunikationsgeräte, so darf die Beschlagnahme und Auswertung dieser Datenträger nur unter den Voraussetzungen der §§ 100g und 100h StPO erfolgen. Die Beschlagnahme ist daher auf Ermittlungsverfahren beschränkt, die sich auf Straftaten von erheblicher Bedeutung richten. Sie bedarf eines richterlichen Beschlusses, der bei Gefahr im Verzug durch eine Anordnung der Staatsanwaltschaft, nicht aber der Polizei, ersetzt werden kann (BVerfG, Beschluss vom 04.02.2005 - 2 BvR 308/04 - Pressemitteilung Nr. 21/2005 vom 01.03.2005).
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Das verfassungswidrige Begründungsdefizit eines mit der Beschwerde angefochtenen Durchsuchungsbeschlusses kann von dem Beschwerdegericht nicht mit dem Hinweis, dieser sei im Ergebnis zutreffend, als unbeachtlich bezeichnet werden, weil das Beschwerdegericht dadurch seine eigene Rechtsschutzaufgabe verletzt (BVerfG, Beschluss vom 08.04.2004 - 2 BvR 1821/03).
Ein gerichtlicher Durchsuchungsbeschluss muss den Tatvorwurf so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Ein Durchsuchungsbefehl, der keinerlei tatsächliche Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs enthält und der zudem den Inhalt der konkret gesuchten Beweismittel nicht erkennen lässt, wird rechtsstaatlichen Anforderungen jedenfalls dann nicht gerecht, wenn solche Kennzeichnungen nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ohne Weiteres möglich und den Zwecken der Strafverfolgung nicht abträglich sind (BVerfG, Beschluss vom 08.03.2004 - 2 BvR 27/04).
Eine wirksame gerichtliche Nachprüfung einer nichtrichterlichen Durchsuchungsanordnung wegen Gefahr in Verzug setzt voraus, daß der handelnde Beamte vor oder jedenfalls unmittelbar nach der Durchsuchung seine für den Eingriff bedeutsamen Erkenntnisse und Annahmen in den Ermittlungsakten dokumentiert. Dies ist Voraussetzung für die gerichtliche Nachprüfung der zutreffenden Annahme des Tatbestandsmerkmals ?Gefahr im Verzug' durch den handelnden Beamten (BVerfG, Beschluss vom 12.02.2004 - 2 BvR 1687/02 - StV 2004, 633 f).
Fehlen nach freibeweislicher Erhebung der nahe liegenden Beweise Anhaltspunkte dafür, dass zur Zeit der behördlichen Durchsuchungsanordnung tragfähige Gründe für eine zutreffende Annahme von Gefahr im Verzug vorgelegen hatten, muss davon ausgegangen werden, dass Gefahr im Verzug zu Unrecht angenommen war (BVerfG, Beschluss vom 03.12.2002 - 2 BvR 1845/00).
Durch den Richtervorbehalt und die Einräumung einer Beschwerdemöglichkeit wird dem von der Durchsuchung Betroffenen grundsätzlich auch gem. Art. 19 Abs. 4 GG effektiver Rechtsschutz gewährt. In Fällen einer behördlichen Durchsuchungsanordnung ist nachträglich ein Rechtsbehelf entsprechend § 98 Abs. 2 S. 2 StPO gegeben (vgl. Asbrock, StV 2001, S. 322 [323] m. w. N.] und die hierauf ergehende richterliche Entscheidung kann mit der Beschwerde gem. § 304 Abs. 1 StPO angefochten werden. Die Gerichte dürfen diese Rechtsbehelfe und Rechtsmittel nicht ineffektiv machen und für den von der Durchsuchung Betroffenen ?leer laufen' lassen (vgl. BVerfGE 96, 27 [39]). Auch für die nachträgliche gerichtliche Überprüfung gilt das Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. Amelung, NStZ 2001, S. 337 [340]). Diese Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes ist nur dann erfüllt, wenn der zur nachträglichen Überprüfung der behördlich angeordneten Maßnahme berufene Richter die Voraussetzungen der Anordnung einer Durchsuchung vollständig eigenverantwortlich nachprüft (vgl. BVerfGE 96, 44 [51]; 103, 142 [156]) Dies gilt auch für die Überprüfung der Kompetenz der StA und ihrer Hilfsbeamten zur Anordnung der Durchsuchung wegen Gefahr im Verzug. Ein gerichtlich nicht überprüfbarer Auslegungs-, Ermessens- oder Beurteilungsspielraum für die Behörden besteht bei der Durchsuchungsanordnung wegen Gefahr im Verzug nicht (vgl. BVerfGE 103, 142 [156 ff.]). Nur eine uneingeschränkte gerichtliche Kontrolle des Merkmals der Gefahr im Verzug wird der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG für den Schutz der persönlichen Lebenssphäre des Einzelnen und der grundrechtssichernden Funktion von Art. 13 Abs. 2 GG gerecht (vgl. BVerfGE 103, 142, 158; BVerfG StV 2002 348 f).
Der Begriff ?Gefahr im Verzug" in Art. 13 Abs. 2 GG ist eng auszulegen; die richterliche Anordnung einer Durchsuchung ist die Regel, die nichtrichterliche die Ausnahme. ?Gefahr im Verzug" muß mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen sind. Reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder lediglich auf kriminalistische Alltagserfahrung gestützte, fallunabhängige Vermutungen reichen nicht aus. Gerichte und Strafverfolgungsbehörden haben im Rahmen des Möglichen tatsächliche und rechtliche Vorkehrungen zu treffen, damit die in der Verfassung vorgesehene Regelzuständigkeit des Richters auch in der Masse der Alltagsfälle gewahrt bleibt. Auslegung und Anwendung des Begriffs ?Gefahr im Verzug" unterliegen einer unbeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Die Gerichte sind allerdings gehalten, der besonderen Entscheidungssituation der nichtrichterlichen Organe mit ihren situationsbedingten Grenzen von Erkenntnismöglichkeiten Rechnung zu tragen. Eine wirksame gerichtliche Nachprüfung der Annahme von ?Gefahr im Verzug" setzt voraus, dass sowohl das Ergebnis als auch die Grundlagen der Entscheidung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Durchsuchungsmaßnahme in den Ermittlungsakten dargelegt werden (BVerfG StV 2001, 322 ff).
*** (BGH)
Die Strafverfolgungsbehörden dürfen mit dem Antrag auf richterliche Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung nicht solange zuwarten, bis die Gefahr eines Beweismittelverlusts tatsächlich eingetreten ist und damit die von Verfassungs wegen vorgesehene Regelzuständigkeit des Richters unterlaufen. Das Fehlen einer richterlichen Durchsuchungsanordnung führt zu einem Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der bei der Durchsuchung gewonnenen Beweismittel, wenn das Unterlassen eines Antrags auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses nicht nachzuvollziehen ist. Dem Aspekt eines möglichen hypothetisch rechtmäßigen Ermittlungsverlaufs kann bei einer groben Verkennung des Richtervorbehalts keine Bedeutung zukommen, weil bei Duldung grober Missachtungen des Richtervorbehalts gar ein Ansporn entstünde, die Ermittlungen ohne Einschaltung des Ermittlungsrichters einfacher und möglicherweise erfolgversprechender zu gestalten (BGH, Beschluss vom 30.08.2011 - 3 StR 210/11 zu StPO §§ 102, 105; GG Art. 13 Abs. 2).
***
Auch wenn sich die zur Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen von Beweiserhebungs- oder Beweisverwertungsverboten erforderlichen Beweiserhebungen nach dem Grundsatz des Freibeweises richten, ändert dies nichts an der Aufklärungspflicht des Gerichts. Mit der Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht kann deshalb im Revisionsverfahren beanstandet werden, dass der Tatrichter einem als Beweisantrag bezeichneten Beweisbegehren zwecks Ermittlung zu einem Beweisverwertungsverbot nicht nachgegangen ist. Das Revisionsgericht ist auch im Rahmen der Beruhensprüfung nicht gehindert, selbst im Freibeweis Ermittlungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen eines Beweisverwertungsverbots anzustellen, wenn der Rechtsfehler zunächst lediglich darin besteht, dass der Tatrichter die gebotene Aufklärung unterlassen hat (BGH, Beschluss vom 03.05.2011 - 3 StR 277/10 - KG zu StPO §§ 244 Abs. 2, 102, 105, 337, 344 Abs. 2 S. 2, 349 Abs. 2).
***
?... Die Staatsanwaltschaft München I führt gegen die Beschuldigten V. , K. und G. ein Ermittlungsverfahren. V. wird vorgeworfen, in einem gegen den Polizeiobermeister K. anhängigen Disziplinarverfahren uneidlich falsch ausgesagt zu haben, wozu ihn dieser unter Mithilfe seines Rechtsanwalts G. angestiftet haben soll. Die Staatsanwaltschaft hat gegen Rechtsanwalt G. , der sich als Verteidiger des Polizeiobermeister K. gemeldet hat, die Ausschließung als Verteidiger beantragt.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht München diesem Antrag entsprochen, da Rechtsanwalt G. verdächtig sei, Polizeiobermeister K. bei der Anstiftung des Beschuldigten V. zur uneidlichen Aussage beratend unterstützt zu haben (§ 138 a Abs. 1 Nr. 1 StPO).
II. Die sofortigen Beschwerden des Beschuldigten K. und seines Verteidigers, des Mitbeschuldigten Rechtsanwalt G. , gegen diesen Beschluss sind zulässig (§ 138 d Abs. 6 Satz 1 StPO), jedoch nicht begründet.
1. Zu Recht hat das Oberlandesgericht Rechtsanwalt G. von der Mitwirkung als Verteidiger im Verfahren gegen den Beschuldigten K. ausgeschlossen; der ausgeschlossene Rechtsanwalt ist der Beteiligung an der Tat, die den Gegenstand der Untersuchung bildet, in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grade verdächtig (§ 138 a Abs. 1 Nr. 1 StPO). Dass und weshalb gegen ihn hinreichender Tatverdacht der Beihilfe zur uneidlichen Falschaussage besteht, hat das Oberlandesgericht u. a. unter Würdigung des Beweisgehalts des im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung bei dem Beschuldigten K. beschlagnahmten E-Mail-Verkehrs umfassend gewürdigt. Dieser Darlegung, die in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht zutrifft und keiner Ergänzung bedarf, schließt sich der Senat an; sie wird durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet oder auch nur in Frage gestellt.
2. Der Erörterung bedarf nur, ob die den Tatverdacht gegen Rechtsanwalt G. begründenden, anlässlich der Wohnungsdurchsuchung gewonnenen Beweismittel einem Verwertungsverbot unterliegen, sollten sie unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt der §§ 98 Abs. 1, 105 Abs. 1 StPO bzw. der inhaltsgleichen Regelung der Art. 52 Satz 2 BayDO erlangt worden sein.
a) Dem liegt folgender Geschehensablauf zugrunde:
Im Jahre 2003 leitete das Polizeipräsidium München gegen den Polizeiobermeister K. ein förmliches Disziplinarverfahren ein wegen des Vorwurfs, ohne Genehmigung eine Nebentätigkeit ausgeübt zu haben. Mit der Untersuchung wurde die Ständige Untersuchungsführerin für Disziplinarverfahren bei der Landesanwaltschaft Bayern, die Oberlandesanwältin S. , beauftragt.
Am Morgen des 20.4.2005 fand im Beisein des Beschuldigten K. und seines Verteidigers Rechtsanwalt G. die zeugenschaftliche Vernehmung des V. statt. Dieser gab nach Belehrung gemäß § 57 StPO eine schriftliche, den Beschuldigten K. wahrheitswidrig entlastende Stellungnahme ab und erklärte auf Nachfrage, mit K. vor seiner Vernehmung keinen Kontakt gehabt zu haben sowie sich nicht mehr erinnern zu können, wo und wann er das übergebene, von ihm nicht unterschriebene Schriftstück verfasst habe. Zur Beantwortung weiterer Fragen war er nicht bereit.
Die Oberlandesanwältin, die zu Recht eine Anstiftung des Zeugen V. zur Falschaussage durch den Beschuldigten K. vermutete, beantragte - um in dieser Sache überhaupt weiter tätig werden zu können - im Anschluss an die Vernehmung bei der Einleitungsbehörde, dem Polizeipräsidium München, die Ausdehnung der Untersuchung gemäß Art. 56 Abs. 2 BayDO auf den Vorwurf der Anstiftung zur Falschaussage. Diesem Antrag wurde seitens des Polizeipräsidiums München entsprochen, was ihr am Folgetag, dem 21.4.2005 gegen 8.40 Uhr per Fax mitgeteilt wurde. Daraufhin fertigte die Oberlandesanwältin gestützt auf Art. 52 BayDO wegen Gefahr in Verzug einen Durchsuchungsbeschluss, u. a. betreffend die Wohnräume des Polizeiobermeisters K. , der um 9.40 Uhr bei der Polizei einging und um 11.00 Uhr vollstreckt wurde. Bei Sichtung des privaten PC's wurde der die Beschuldigten K. und Rechtsanwalt G. belastenden E-Mail-Verkehr zwischen beiden sichergestellt.
Die Annahme von Gefahr in Verzug hatte die Oberlandesanwältin in dem Durchsuchungsbeschluss selbst wie folgt begründet:
?Sowohl Durchsuchung als auch Sicherstellung sind verhältnismäßig. Aufgrund der Eilbedürftigkeit und der Gefahr, dass noch auf der Festplatte vorhandene Spuren endgültig gelöscht werden, ist kein milderes Mittel vorhanden. Es besteht die Gefahr, dass Herr K. das auf seinem PC erstellte Dokument löscht bzw. schon gelöscht hat. In diesem Fall würde das auf der Festplatte gespeicherte Dokument zum Überschreiben freigegeben werden. Die Gefahr, dass diese Stelle auf der Festplatte überschrieben wird und damit auch normalerweise rekonstruierbare Teile des Dokuments vernichtet werden, wächst mit der Anzahl der Dokumente, die neu erstellt werden. Unter diesen Umständen rechtfertigt sich die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung durch die Untersuchungsführerin gem. Art. 52 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BayDO.'
b) Ohne Erfolg machen die Beschwerdeführer geltend, es bestünde für die aufgefundenen, sie belastenden Beweismittel ein Verwertungsverbot, weil die Durchsuchung am 21.4.2005 unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt aus Art. 52 BayDO erfolgt sei.
aa) Art. 52 Satz 2 BayDO bestimmte, dass Beschlagnahmen sowie Durchsuchungen nur auf Anordnung des örtlich zuständigen Verwaltungsgerichts, bei Gefahr im Verzug auch auf Anordnung des Untersuchungsführers durchgeführt werden durften. Sachlich zuständig für den Erlass des Durchsuchungsbeschlusses wäre nach Art. 43 Abs. 1 BayDO vorrangig die Kammer für Disziplinarsachen des Verwaltungsgerichts München gewesen und zwar in der Besetzung mit einem Berufsrichter als Vorsitzendem und zwei ehrenamtlichen Richtern. Eine Anfrage des Senats bei dem Präsidenten des Bayerischen Verwaltungsgerichts München hat ergeben, dass sich die spontane Ladung der aus verschiedenen Regierungsbezirken stammenden ehrenamtlichen Richter für eine Beschlussfassung außerhalb der mündlichen Hauptverhandlung regelmäßig äußerst schwierig gestaltete und innerhalb von 24 Stunden kaum realisierbar war. Ein Eildienst, wie bei den Amtsgerichten für Ermittlungsrichter eingerichtet, bestand wegen der zwingenden Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter, für die ein Bereitschaftsdienst ausgeschlossen war, nicht. Art. 29 BayDG, der Art. 43 Abs. 1 BayDO abgelöst hat, sieht deshalb nunmehr eine Alleinentscheidungsbefugnis des Vorsitzenden für Anträge auf Beschlagnahme und Durchsuchungen vor.
Vor diesem Hintergrund ist die Annahme von Gefahr im Verzug durch die Oberlandesanwältin, der als Ständiger Untersuchungsführerin der Landesanwaltschaft Bayern die durch die damalige Gesetzeslage bedingte faktische Nichterlangbarkeit einer gerichtlichen Eilentscheidung der Kammer für Disziplinarsachen bekannt war, nicht zu beanstanden. Erst ab dem 21.4.2005 um 8.40 Uhr, als ihr von der Einleitungsbehörde die entsprechende Erweiterung des förmlichen Disziplinarverfahrens mitgeteilt worden war, war sie befugt, nach Art. 52 Satz 2 BayDO einen Durchsuchungsbeschluss, dessen sachliche Voraussetzungen unzweifelhaft vorlagen, zu erwirken bzw. einen solchen selbst zu erlassen. Rechtsfehlerfrei hat sie - um einen drohenden Beweismittelverlust zu verhindern - in diesem Moment wegen Gefahr in Verzug unmittelbar ihre Eilkompetenz in Anspruch genommen und von einer zeitaufwändigen Anrufung des Verwaltungsgerichts abgesehen. Auf Grund der am Vortag im Beisein der Beschuldigten K. und G. erfolgten Zeugenvernehmung, bei der die zweifelhafte Urheberschaft des von V. übergebenen Schriftstücks erörtert worden war, lag es nämlich nahe, dass der Beschwerdeführer K. alsbald Verdacht schöpfen und durch Manipulationen an seinem PC Vertuschungsversuche unternehmen würde. Unter diesen Umständen war sofortiges Handeln geboten.
bb) Zuzustimmen ist den Beschwerdeführern darin, dass es der Oberlandesanwältin theoretisch möglich gewesen wäre, ohne die ihre Befugnis nach Art. 52 BayDO begründende Entscheidung der Einleitungsbehörde abzuwarten, den Vorgang noch am 20.4.2005 der Staatsanwaltschaft zuzuleiten in der Hoffnung, diese werde einen hinreichenden Tatverdacht annehmen, umgehend ein Ermittlungsverfahren einleiten und sofort einen Durchsuchungsbeschluss beim zuständigen Ermittlungsrichter erwirken.
In dem Umstand, dass die Oberlandesanwältin diese theoretische Möglichkeit einer von ihr nicht zu beeinflussenden Durchsuchung außerhalb des förmlichen Disziplinarverfahrens nicht erwogen hat, liegt aber jedenfalls keine Willkür. Eine bewusste Missachtung oder gleichgewichtig grobe Verkennung des für Wohnungsdurchsuchungen bestehenden Richtervorbehalts, die ein Verwertungsverbot rechtfertigen könnten (vgl. BGH NStZ 2007, 601), ist darin nicht zu erkennen. ..." (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2008 - 2 ARs 452/07)
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Zuständig für die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung einer Durchsuchung wegen des Verdachts, eine Sendeanlage ohne Frequenzzuteilung genutzt zu haben, ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Verfolgungsbehörde oder ihre den Antrag stellende Zweigstelle ihren Sitz hat (BGH, Beschluss vom 16.04.2008 - 2 ARs 74/08 zu StPO §§ 102, 105, 162 Abs. 1; TKG § 55 Abs. 1, § 127 Abs. 6, 7; §§ 127, 129, 149).
Ein Beweisverwertungsverbot ist grundsätzlich nur dann Folge einer fehlerhaften Durchsuchung, wenn die zur Fehlerhaftigkeit der Ermittlungsmaßnahmen führenden Verfahrensverstöße schwerwiegend waren oder bewusst bzw. willkürlich begangen wurde. Es ist zwar nicht akzeptabel, dass in einer größeren Stadt um die Mittagszeit eines Feiertags kein Bereitschaftsrichter, der als zuständiger Richter (§ 162 I 2 StPO) den Durchsuchungsbeschluss erlassen könnte, erreichbar ist. Ordnet statt seiner der ermittelnde Staatsanwalt die Durchsuchung an und sind eine gezielte Umgehung des Richtervorbehalts sowie eine willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug nicht erkennbar, sind die aufgefundenen Beweismittel verwertbar (BGH, Beschluss vom 25.04.2007 - 1 StR 135/07 zu §§ 7 I, 12 I, 13 I, 102 ff., 162 I 2 StPO - Beweisverwertungsverbot bei fehlerhafter Durchsuchung).
Eine bewusste Missachtung oder gleichgewichtig grobe Verkennung der Voraussetzungen des für Wohnungsdurchsuchungen bestehenden Richtervorbehalts kann die Annahme eines Verbots der Verwertung bei der Durchsuchung gewonnener Beweismittel rechtfertigen (BGH, Urteil vom 18.04.2007 - 5 StR 546/06 - siehe unter ?Verwertungsverbot - Wohnungsdurchsuchung").
Eine richterlich angeordnete oder gestattete Durchsuchung wird nicht dadurch rechtswidrig, daß sie unzureichend dokumentiert worden ist. Eine unzureichende Dokumentation der richterlichen Entscheidung führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot (BGH, Beschluss vom 13.01.2005 - 1 StR 531/04).
Für die Überprüfung der Art und Weise des Vollzugs einer nach § 105 Abs. 1 S. 1 StPO richterlich angeordneten abgeschlossenen Durchsuchung kann der Betroffene die richterliche Entscheidung entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO jedenfalls dann beantragen, wenn die beanstandete Art und Weise des Vollzugs nicht ausdrücklicher und evidenter Bestandteil der richterlichen Anordnung war (BGH, Beschluss vom 25.08.1999 - 5 AR (VS) 1/99, StV 1999, 634).
*** (OLG)
Ist zwischen dem Zeitpunkt, in dem die Anordnung einer Durchsuchungsmaßnahme erforderlich wurde und dem Zeitpunkt ihrer Durchführung soviel Zeit verstrichen, daß eine richterliche Entscheidung zwischenzeitlich unschwer hätte herbeigeführt werden können, zieht dieser schwerwiegende Verstoß gegen den Richtervorbehalt ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der bei der Durchsuchung sichergestellten Beweismittel nach sich (OLG Köln, Urteil vom 27.10.2009 - 81 Ss 65/09 zu StPO §§ 105 Abs. 1 S. 1, 98):
?... I. Mit der am 28. 05. 2008 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage v. 15. 04. 2008 wird dem Angekl. der unerlaubte Besitz von BtM in einer nicht geringen Menge zur Last gelegt: Er habe am 29. 09. 2007 in Köln vier Hanfpflanzen und vier Tüten Marihuana mit einem Gesamtnettogewicht von 640,58 g und einem Wirkstoffgehalt von 41,21 g THC besessen. Ferner habe er über ca. 130 Hanfsamen, 1,47 g Psylocibinpilze und 4 Ecstasytabletten verfügt.
Aufgrund dieses Sachverhalts hat das AG - SchöG - Köln den Angekl. mit Urt. v. 22. 10. 2008 wegen ?Besitzes von Marihuana in nicht geringer Menge' zu einer Freiheitsstrafe von 1 J. 2 M. verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Angekl. hat das LG Köln ihn durch Urt. v. 29. 04. 2009 freigesprochen. In tatsächlicher Hinsicht hat es dazu festgestellt:
?Während der Zeit des Frühdienstes zwischen 6.30 Uhr und 13.30 Uhr am 29. 09. 2007, einem Samstag, meldete Herr K. sich bei der Polizei und teilte mit, daß er den Verdacht habe, daß sein Nachbar auf dem Balkon Cannabis anpflanze. Darauf fuhren die uniformierten Polizeibeamten Herr G. und Frau R. mit dem Streifenwagen zu der Wohnung von Herrn K. und begaben sich dort auf den Balkon. Von dort aus konnten sie auf dem Balkon der Nachbarwohnung die Spitzen von Pflanzen erkennen und vermuteten, daß es sich um Hanfpflanzen handele. Die beiden Polizeibeamten begaben sich sodann zu dem Hauseingang des Nachbarhauses und klingelten vergeblich bei dem Angekl., verschafften sich aber Zutritt zu dem Treppenhaus des Mehrfamilienhauses durch einen Nachbarn des Angekl. Sodann klingelten und klopften sie mehrfach an der Wohnungstür des Angekl. und riefen, ?aufmachen, Polizei'. Damit wollten die Polizeibeamten zunächst auf freiwilliger Basis versuchen, die Pflanzen auf dem Balkon näher in Augenschein zu nehmen. Nachdem keine Reaktion erfolgte und die Beamten davon ausgingen, daß der Wohnungsinhaber nicht anwesend sei, setzten sich die Polizeibeamten mit dem Dienstgruppenleiter in Verbindung, um die weitere Vorgehensweise zu beraten. Der Dienstgruppenleiter Herr A. hielt seinerseits Rücksprache mit dem Bereitschaftsstaatsanwalt Herrn T. und teilte diesem den Sachverhalt mit. StA T. ordnete die Durchsuchung der Wohnung des Angekl. wegen Gefahr im Verzug an, ohne Kontakt mit dem zuständigen Bereitschaftsrichter aufzunehmen, der zu dieser Zeit, ca. 12.00 Uhr mittags, noch den Eildienst im Polizeipräsidium in Köln wahrnahm, und vermerkte dazu unter dem 16. 01. 2008:
?Ich habe die Durchsuchung am 29. 09. 2007 im Rahmen meines Bereitschaftsdienstes angeordnet, weil Gefahr im Verzug bestand. Bei Einholung eines Durchsuchungsbeschl. wäre der Ermittlungserfolg gefährdet gewesen. Die Einholung eines richterlichen Beschl. hätte mehrere Stunden in Anspruch genommen. Denn, die Bereitschafts- und Ermittlungsrichter und -richterinnen im Kölner AG-Bezirk entscheiden nur nach Vorlage eines schriftlichen Aktenstückes und erlassen die Beschl. nur in Schriftform. Ein schriftliches Aktenstück hätte noch erstellt werden müssen und dem Richter bzw. der Richterin vorgelegt werden müssen. Der Besch. wußte bereits, daß die Polizei vor Ort war und einen Verdacht gegen ihn hatte, denn die Polizei war durch einen Nachbarn benachrichtigt worden und hatte bereits bei dem Besch. geklingelt. Hätte die Polizei sich zur Einholung eines Durchsuchungsbeschl. zunächst wieder entfernt, hätte der Besch. genügend Zeit gehabt, Beweismittel beiseite zu schaffen. Ich hatte den Polizeibeamten gebeten, die vorgenannten Gründe in einem kurzen Vermerk niederzulegen. Offensichtlich ist dies versehentlich nicht oder nur verkürzt erfolgt.'
Die Polizeibeamten R. und G. riefen sodann per Diensthandy einen Schlüsseldienst hinzu. Nach dem dieser eintraf und sich an der Tür zu schaffen gemacht und dadurch Geräusche verursacht hatte, öffnete der Angekl. die Wohnungstür von Innen. Er ließ die Beamten in die Wohnung, nachdem diese ihm mitgeteilt hatten, daß eine Durchsuchung beabsichtigt sei, und zeigte den Beamten den Balkon mit den Pflanzen und händigte ihnen Beweismaterial aus. In der Strafanzeige v. 29. 09. 2007 vermerkte der Polizeibeamte G.: ?Nach Rücksprache mit dem DGL der K-Wache sowie dem Bereitschaftsstaatsanwalt Hr. T. wurde Gefahr im Verzug bejaht und die Firma ?Guett Dem' zum Öffnen der Tür bestellt'.
Auf der Grundlage dieses Sachverhalts ist das LG von einem Verwertungsverbot für die bei der Durchsuchung erlangten Beweismittel wegen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt aus § 105 Abs. 1 S. 1 StPO ausgegangen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der StA.
II. Die zulässige Revision ist nicht begründet. ... 2. Rechtsfehlerfrei ist die StrK zunächst davon ausgegangen, daß es an der erforderlichen richterlichen Durchsuchungsanordnung fehlt. Die Anordnung durch den StA war nicht geeignet, die Maßnahme zu legitimieren, da die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme seiner Eilkompetenz gem. § 105 Abs. 1 S. 1 StPO nicht vorlagen.
(a) Eine richterliche Durchsuchungsanordnung war nicht etwa unter dem Gesichtspunkt einer freiwilligen Unterwerfung (vgl. dazu Meyer-Goßner a.a.O. § 105 Rn. 1) deshalb entbehrlich, weil der Angekl. die Tür zu seiner Wohnung öffnete, nachdem er die Tätigkeit des Schlüsseldiensts wahrgenommen hatte, in der Folge den Polizeibeamten Zutritt gewährte und das Rauschgift aushändigte. Ein solches Verhalten ist - wie das LG zu Recht ausgeführt hat - im Hinblick auf eine mögliche Gestattung der Durchsuchung ohne Aussagekraft.
(b) Die danach erforderliche Anordnung der Durchsuchung konnte nicht von einem Beamten der StA getroffen werden.
Die entsprechende Kompetenz der StA und - subsidiär (BVerfG NJW 2005, 1637, 1638) - ihrer Hilfsbeamten besteht gem. § 105 Abs. 1 S. 1 StPO nur bei Gefahr im Verzug. Sie liegt vor, wenn die richterliche Anordnung nicht eingeholt werden kann, ohne den Zweck der Maßnahme zu gefährden (statt aller: Meyer-Goßner a.a.O. § 98 Rn. 6 m.w.N.). Dabei ist der Begriff ?Gefahr im Verzug' eng auszulegen; denn die richterliche Anordnung einer Durchsuchung ist die Regel, die nichtrichterliche die Ausnahme.
Die Annahme der ?Gefahr im Verzug' muß mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen sind. Reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder lediglich auf kriminalistische Alltagserfahrung gestützte, fallunabhängige Vermutungen reichen nicht aus (BVerfGE 103, 142 = NJW 2001, 1121 = StraFo 2001, 193 = NStZ 2001, 382 = StV 2001, 207; BVerfG StV 2004, 633; BayObLG NZV 2003, 148 = VRS 104, 294; LR/Schaefer, StPO, 25. Aufl. 2007, § 105 Rn. 21 ff.). Die Inanspruchnahme der Eilkompetenz setzt regelmäßig den - hier nicht unternommenen - Versuch voraus, einen Richter zu erreichen. Nur wenn ausnahmsweise schon die mit dem Versuch, eine richterliche Anordnung zu erlangen, verbundene zeitliche Verzögerung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde, dürfen die Strafverfolgungsbehörden selbst die Anordnung treffen, ohne sich zuvor um eine richterliche Entscheidung bemüht zu haben (BVerfGE 103, 142 = NJW 2001, 1121 = StraFo 2001, 193 = NStZ 2001, 382 = StV 2001, 207).
Davon ausgehend lag hier Gefahr im Verzug nicht vor.
a) Das liegt auf der Hand für den Zeitpunkt, als die Polizeibeamten die (mutmaßlichen) Cannabispflanzen erstmals selbst wahrnahmen. In dieser Situation bestand ein akuter Handlungsbedarf bezüglich eines Zugriffs auf die Tatgegenstände zur Beweissicherung nicht. Denn Anhaltspunkte dafür, daß der Angekl. alsbald versuchen werde, die Beweismittel - durch Vernichten oder Verbringen an einen anderen Ort - der Sicherstellung zu entziehen, lagen ersichtlich nicht vor. Vielmehr glaubte er sich offensichtlich in der Zeit der Aufzucht der Pflanzen unbehelligt, obwohl sie immerhin eine Größe erreicht hatten, die ihre Wahrnehmbarkeit aus einiger Entfernung ermöglichte. Vor diesem Hintergrund konnte davon ausgegangen werden, daß es ohne Gefährdung der Ermittlungen möglich war, selbst noch am folgenden Montag einen richterlichen Durchsuchungsbeschl. zu erwirken und diesen - ggf. nach vorherigem Versuch der Herbeiführung freiwilliger Kooperation des Angekl. - zu vollstrecken.
b) Akuter Handlungsbedarf i.S.d. Inanspruchnahme einer Eilkompetenz bestand aber auch nach der objektiven Faktenlage nicht, nachdem die Polizeibeamten bei dem Angekl. an der Wohnungstür geklingelt und mit der Aufforderung ?Aufmachen, Polizei!' geklopft hatten. Über die Tageszeit (Samstag Mittag) hinaus gab es nämlich keine objektiven Anhaltspunkte dafür, daß nunmehr die Einholung einer richterlichen Entscheidung den Erfolg der beabsichtigten Durchsuchung gefährdet hätte.
(aa) Zum einen bestand kein konkreter Anlaß zu der Besorgnis, daß innerhalb kurzer Zeit mit Maßnahmen des Angekl. zur Vereitelung eines Zugriffs der Strafverfolgungsbehörden auf die in seiner Wohnung befindlichen Beweismittel zu rechnen sei.
Es lagen schon keine Hinweise darauf vor, daß der Angekl. sich in der Wohnung aufhielt und nur aus Furcht vor der Polizei die Wohnungstür nicht öffnete. Entsprechend hat das LG auch lediglich festgestellt, daß der Angekl. später die Wohnungstür öffnete, als sich der herbeigerufene Schlüsseldienst an dieser zu schaffen machte. Das läßt die Möglichkeit offen, daß er zum Zeitpunkt des Läutens der Polizeibeamten nicht in der Wohnung war und sie erst zu einem späteren Zeitpunkt - vor Eintreffen des Schlüsseldienstes - wieder aufgesucht hat. Es fehlte darüber hinaus auch an konkreten Anhaltspunkten dafür, daß damit gerechnet werden mußte, der nicht in seiner Wohnung aufhältige Angekl. werde von Nachbarn über den Polizeieinsatz informiert werden. Beide Annahmen erweisen sich vielmehr als bloße Mutmaßungen, mit denen die Inanspruchnahme der Eilkompetenz gerade nicht gerechtfertigt werden kann (BVerfGE 103, 142 = NJW 2001, 1121 = StraFo 2001, 193 = NStZ 2001, 382 = StV 2001, 207; BVerfG, StV 2004, 633; BayObLG NZV 2003, 148 = VRS 104, 294; LR-StPO/Schaefer, 25. Aufl. 2007, § 105 Rn. 21 ff.). Der Umstand, daß der Angekl. in der Zeit zwischen dem erstmaligen Erscheinen der Polizeibeamten an der Wohnungstür und der Rückkehr mit dem Schlüsseldienst tatsächlich die in der Wohnung aufbewahrten Drogen (Hanfsamen, Pilze, Ecstasy-Tabletten) nicht beseitigt hat und auch die Hanfpflanzen an ihrem ursprünglichen Ort belassen hat, spricht vielmehr dafür, daß er bis zu diesem Zeitpunkt nicht mit einem polizeilichen Zugriff rechnete und nicht von der Notwendigkeit ausging, die BtM noch vor ihrer Entdeckung und Sicherstellung beseitigen zu müssen.
Darüber hinaus bestand die - bereits vom LG zutreffend erwogene - Möglichkeit, für den Zeitraum, den der Versuch der Einholung einer richterlichen Durchsuchungsanordnung in Anspruch genommen hätte, die weitere Beobachtung der Hanfpflanzen vorzunehmen. So hätte man feststellen können, ob der Angekl. sich möglicherweise anschicken würde, die Pflanzen zu beseitigen. In diesem Fall hätten die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Eilkompetenz vorgelegen und es hätte davon sogleich Gebrauch gemacht werden können. Gefahr im Verzug kann schließlich - entgegen der in der Revisionsbegründung geäußerten Auffassung - auch nicht mit der Erwägung begründet werden, daß neben den vier Hanfpflanzen in der Wohnung des Angekl. weitere BtM aufgefunden worden sind. Anhaltspunkte für deren Vorhandensein bestanden nicht. Die Revisionsbegründung spricht selbst von einer ?Vermutung' und läßt so ihrerseits die Verkennung der Bedeutung des Richtervorbehalts besorgen.
(bb) Zum anderen ist davon auszugehen, daß eine richterliche Entscheidung innerhalb eines vertretbaren zeitlichen Rahmens hätte herbeigeführt werden können.
Der Eilrichter des AG Köln hielt sich zum fraglichen Zeitpunkt noch im Polizeipräsidium auf. Ihm hätte der überschaubare Sachverhalt mit geringem Aufwand unterbreitet werden können. Das gilt selbst dann, wenn er auf einer schriftlichen Vorlage bestanden hätte, wie es einer unter den Ermittlungsrichtern des AG Köln verbreiteten Praxis entspricht. Der Ermittlungsstand ließ sich in wenigen Sätzen schriftlich niederlegen und mit den verfügbaren technischen Übertragungsmöglichkeiten - etwa per Telefax - übermitteln. Daß die Einholung einer richterlichen Entscheidung ?mehrere Stunden' in Anspruch genommen hätte oder gar - wie dies die StA Köln in ihrer Revisionsbegründung meint - am 29. 09. 2007 überhaupt nicht mehr möglich gewesen wäre, ist unter diesen Umständen auszuschließen.
3. Im vorliegenden Fall zieht der Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 105 Abs. 1 S. 1 StPO (Beweiserhebungsverbot) auch ein Beweisverwertungsverbot nach sich.
Insofern gehen die Strafgerichte in gefestigter, vom BVerfG gebilligter Rspr. davon aus, daß dem Strafverfahrensrecht ein allg. geltender Grundsatz, wonach jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist und daß die Frage der Verwertbarkeit verbotswidrig erlangter Erkenntnisse jew. nach den Umständen des Einzelfalls, namentlich nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden ist. Insbes. die willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug oder das Vorliegen eines besonders schwer wiegenden Fehlers können danach ein Verwertungsverbot begründen (BVerfG, Beschl. v. 02. 07. 2009 - 2 BvR 2225/08 -, zitiert nach juris, Rn. 16; BVerfG NJW 2008, 3053; BGHSt 51, 285 = NJW 2007, 2269 = NStZ 2007, 601 = StV 2007, 337; BGH, Beschl. v. 15. 05. 2008 - 2 ARs 452/07 - Rn. 15; OLG Hamm NJW 2009, 3109, 3111).
Das Vorliegen eines besonders schwer wiegenden Fehlers ist in der Rspr. in Anwendung der vorstehenden Grundsätze insbes. dann angenommen worden, wenn zwischen dem Zeitpunkt, in dem die Anordnung der Maßnahme erforderlich wurde und dem Zeitpunkt ihrer Durchführung so viel Zeit verstrichen war, daß die richterliche Entscheidung zwischenzeitlich unschwer hätte herbeigeführt werden können (BGHSt 51, 285 = NJW 2007, 2269 = NStZ 2007, 601 = StV 2007, 337; für den Fall der Blutentnahme gem. § 81a StPO: LG Berlin, DAR 2008, 534; weitere Fallbeispiele bei Wohlers StV 2008, 434, 436 f.). Eine solche Sachgestaltung legt die bewußte Umgehung des Richtervorbehalts nahe.
a) Der Senat verkennt nicht, daß die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung der StA und ihren Ermittlungspersonen nicht schlechthin verboten, sondern jedenfalls in Eilfällen gestattet ist. Weiter wird nicht verkannt, daß die Maßnahme der Klärung eines erheblichen Tatverdachts (eines Verbrechenstatbestands gem. § 29a BtMG) diente. Es kann schließlich davon ausgegangen werden, daß die Zuständigkeit des Richters durch den StA nicht bewußt ignoriert worden ist.
b) Für die vorliegende Fallgestaltung ergibt sich das Vorliegen eines besonders schweren Fehlers gleichwohl aus der Zusammenschau der nachstehend dargestellten Umstände:
aa) Zunächst ist beachtlich, daß - wie im Zusammenhang mit der Frage der Eilkompetenz im einzelnen dargelegt - nach der objektiven Faktenlage eine richterliche Durchsuchungsanordnung unschwer zu erlangen gewesen wäre: Der Eilrichter hielt sich zur Mittagszeit (vgl. dazu a. OLG Celle zfs 2009, 530, 531 m.zust.Anm. Bode) noch im Polizeipräsidium auf, der überschaubare Sachverhalt hätte eine kurzfristige Kommunikation erlaubt; greifbare Anhaltspunkte für ein unmittelbar bevorstehendes Beiseiteschaffen von Beweismitteln, das seinerseits insbes. hinsichtlich der Pflanzen eine gewisse Zeit in Anspruch genommen hätte, lagen nicht vor. Eine komplexe und die Beamten überraschende Verfahrenssituation (hierauf zur Verneinung eines Beweisverwertungsverbots abstellend: KG, Urt. v. 01. 09. 2008 - (4) 1 Ss 220/08 - bei Juris, Rn. 9) bestand gerade nicht.
bb) Zu beachten bleibt weiter, daß die Polizeibeamten aus einer Situation heraus, die sofortiges Eingreifen nicht erforderte, diese ohne Not insoweit ?verschärft' haben, als sie eine Lage schufen, in der der Angekl. jedenfalls auf die Anwesenheit der Polizei aufmerksam werden konnte. Sie haben daher aus objektiver Sicht die Konstellation, die schließlich in die Inanspruchnahme der Eilkompetenz durch den Bereitschaftsstaatsanwalt mündete, selbst herbeigeführt, ohne daß dies von der objektiven Sachlage her geboten war. Die Inanspruchnahme der Eilkompetenz ist damit durch die Strafverfolgungsbehörden gleichsam ?provoziert' worden, was die Annahme einer bewußten Umgehung des Richtervorbehalts nahe legt (vgl. BVerfG NJW 2005, 1637 = StraFo 2005, 156 = NStZ 2005, 337 = StV 2005, 483).
cc) Besonders schwer wiegt aus der Sicht des Senats schließlich der Umstand, daß nach dem Vermerk des Eilstaatsanwalts v. 16. 01. 2008 (?Der Besch. wußte bereits, daß die Polizei vor Ort war und einen Verdacht gegen ihn hatte') eine unzutreffende oder zumindest mißverständliche Information seitens der Polizei zu besorgen ist. Objektive Anhaltspunkte dafür, daß der Angekl. zum Zeitpunkt des Klingelns in der Wohnung war und lediglich nicht öffnete, bestanden nämlich - wie gesehen - nicht. Diese Frage hatte aber für die Inanspruchnahme der Eilkompetenz ersichtlich erhebliche Bedeutung. Wenn insoweit durch die Strafverfolgungsbehörden ein Sachverhalt zugrunde gelegt wird, für den - von Tag und Uhrzeit abgesehen - konkrete Hinweise nicht vorliegen, spricht auch dies deutlich für eine bewußte oder zumindest leichtfertige Mißachtung der (auch verfassungsrechtlichen) Kompetenzordnung, die nicht ohne Sanktion bleiben darf.
dd) Dem Gesichtspunkt eines möglichen hypothetisch rechtmäßigen Ermittlungsverlaufs kann bei der hier vorliegenden Verkennung des Richtervorbehalts keine Bedeutung zukommen. Die Einhaltung der durch Art. 13 Abs. 2 GG und § 105 Abs. 1 S. 1 StPO festgelegten Kompetenzregelung könnte bei Anerkennung des hypothetisch rechtmäßigen Ersatzeingriffs in diesen Fällen stets unterlaufen und der Richtervorbehalt sogar letztlich sinnlos werden (BGHSt 51, 285 = NJW 2007, 2269 = NStZ 2007, 601 = StV 2007, 337).
ee) Insgesamt liegt daher hier ein Sonderfall schwerwiegender Rechtsverletzung vor, der zur Unverwertbarkeit der erlangten Beweismittel führt, weil der Staat aus solchen schwerwiegenden Rechtsverletzungen keinen Nutzen ziehen darf. Eine Verwertung würde hier gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens verstoßen (BGHSt 51, 285 = NJW 2007, 2269 = NStZ 2007, 601 = StV 2007, 337). ..."
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Ein richterlicher Bereitschaftsdienst auch für die Nachtzeit (§ 104 III StPO) ist jedenfalls dann einzurichten, wenn in den in Frage stehenden Zeiträumen einem Richtervorbehalt unterliegende Ermittlungsmaßnahmen nicht nur ausnahmsweise anfallen. Zur Frage, inwieweit der Umstand, dass zur Tatzeit gegen 1 Uhr morgens ein richterlicher Eildienst nicht vorhanden gewesen ist, einen organisatorischen Mangel darstellt, der zur Rechtswidrigkeit einer erfolgten Durchsuchung führt und eine Nichtverwertbarkeit der dabei aufgefundenen Beweismittel nach sich zieht (hier: Beweisverwertungsverbot bejaht). Zum notwendigen Revisionsvorbringen in einem derartigen Fall (OLG Hamm, Urteil vom 18.08.2009 - 3 Ss 293/08 zu GG Art. 13 II; StPO §§ 104 III, 105 I 1, 344 II 2, NJW 2009, 3109 ff).
*** (LG)
Wenn die für eine Durchsuchung erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, kann diese nur mit Einwilligung des Betroffenen erfolgen. Die Bedingungen für eine freie Entscheidung darüber müssen geschaffen werden, was eine ausdrückliche Belehrung erfordert, dass ohne Einwilligung eine Durchsuchung nicht ohne weiteres stattfinden werde. Fehlt es an einem ausdrücklichen Inkenntnissetzen des Betroffenen über die Freiwilligkeit der Durchsuchung, ist diese rechtswidrig. Die bewusste Ausnutzung des Glaubens an die Rechtmäßigkeit einer unzulässigen Durchsuchung führt zu einem Verwertungsverbot der dadurch erlangten Beweismittel (LG Hamburg, Urteil vom 30.06.2010 - 706 Ns 17/10 zu StPO §§ 102, 104, 105).
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Bei einer Beschwerde gegen einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss kann das Beschwerdegericht seine Entscheidung nur auf diejenigen Tatsachen und Beweismittel stützen, die dem Beschuldigten durch Akteneinsicht der Verteidigung bekannt sind. Wird dem Verteidiger gem. § 147 Abs. 2 StPO die Akteneinsicht vollständig verweigert, fehlt jegliche Grundlage, um die angegriffene Entscheidung zu bestätigen (LG Berlin, Beschluss vom 18.02.2010 - 536 Qs 1/10).
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Jede richterliche Durchsuchungsanordnung setzt eine eigenverantwortliche Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen voraus, da eine Durchsuchung schwerwiegend in die grundrechtlich geschützte persönliche Lebenssphäre eingreift. Ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss ist deshalb rechtswidrig, wenn dem zuständigen Richter lediglich ein Antrag auf Erlass zu Grunde liegt, in dem der maßgebliche Sachverhalt zusammengefasst wird und sich der Beschluss darin erschöpft, wesentliche Teile der polizeilichen Zuschrift ohne zusätzliche eigenständige Begründung zu klammern (LG Kiel, Beschluss vom 20.03.2009 - 46 Qs 17/09).
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Zur Feststellung der Rechtswidrigkeit einer vor der Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen erfolgten Ingewahrsamnahme, die ausschließlich dem Zweck diente, das Beiseiteschaffen von Beweismitteln und Vermögenswerten durch den Beschuldigten zu verhindern. Allein die Anordnung eines dinglichen Arrests in das Vermögen des Beschuldigten indiziert nicht die eine Ingewahrsamnahme rechtfertigende Gefahr, der Beschuldigte werde während der Durchsuchung Maßnahmen ergreifen, welche die Vollstreckung der Arrestanordnung vereiteln könnten (LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 26.02.2008 - 5/26 Qs 6/08 zu StPO §§ 102, 105, 106, 127 II, 164; HessSOG § 32 I Nr. 2, NJW 2008, 2201 f):
?... Die StA Frankfurt a.M. ermittelte unter anderem gegen den Besch. wegen des Verdachts des Verstoßes gegen den unlauteren Wettbewerb (Versenden von unverlangten Werbefaxen mit vermeintlichen Sonderangeboten) sowie des Verdachts des Betrugs (Provokation überhöhter Telefongebühren mittels 0190-Nummern). Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens hatte das AG Frankfurt a.M. mit Beschluss vom 15. 10. 2004 die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Besch. als Verantwortlichen der M-GmbH sowie seiner Person, der ihm gehörigen Sachen und der ?von ihm faktisch geführten Firma M" angeordnet. Am 14. 4. 2005 erfolgte die Durchsuchung. Durch Beschluss vom 21. 4. 2005 hat das AG die vorläufige Sicherstellung der am 14. 4. 2005 sichergestellten Gegenstände zum Zwecke der Auswertung bestätigt. Mit Beschluss vom 18. 10. 2006 hat das AG erneut die Durchsuchung der Geschäfts- und Nebenräume der M-GmbH und der der Wohn-, Geschäfts- und Nebenräume des Besch. bzw. der von ihm geführten Firma E-GmbH angeordnet. Durch Beschluss vom 29. 3. 2007 wurde dieser Beschluss bestätigt, wobei die Durchsuchung bei dem Besch. auch zum Zwecke der Vermögensabschöpfung erfolgen sollte. Mit Beschluss vom gleichen Tag ordnete das AG den dinglichen Arrest in das Vermögen des Besch. bis zur Höhe von 1028000 Euro an. Das AG hat sodann mit Beschluss vom 5. 4. 2007 den Durchsuchungsbeschluss vom 18. 10. 2006 auf die Wohnräume des Besch. und mit Beschluss vom 14. 5. 2007 den dinglichen Arrest auf das Vermögen der S-GmbH erweitert. Auf Grund des Verhaltens des Besch. im Zusammenhang mit der ersten Durchsuchung am 14. 4. 2005, bei der er die Polizeibeamten mindestens 15 Minuten vor der Tür hat warten lassen, bis die mehrfach gesicherte Tür geöffnet werden konnte, und bei der in der Wohnung verbranntes Papier und in einer Mauernische in der Sauna versteckte Datenträger sowie im Garten aus dem Fenster geworfene Datenträger gefunden worden waren, wurde auch bei der nunmehr anstehenden Durchsuchung die Vernichtung von Beweismaterial befürchtet. Der Antrag der StA vom 11. 5. 2007 auf Erlass eines Haftbefehls wegen Verdunklungsgefahr wurde von dem Ermittlungsrichter mit der Begründung abgelehnt, dass ein Haftbefehl jedenfalls unverhältnismäßig sein dürfte, da er lediglich die reibungslose Durchführung der beabsichtigten Durchsuchung sichern sollte. Die StA veranlasste daraufhin gleichwohl durch die Polizei die Festnahme des Besch. Er wurde am 30. 5. 2007 gegen 0.45 Uhr vor seiner Wohnung festgenommen und in eine Haftzelle des Polizeipräsidiums verbracht. In der Zeit von 9.20 bis 10.50 Uhr wurden sodann die Geschäftsräume der Fa. M sowie von 9.10 bis 10.55 Uhr die Wohnung und zwei Kfz der Firma S-GmbH durchsucht. Schließlich wurden am selben Tag von 13.15 bis 14.10 Uhr noch die Geschäftsräume der Fa. S-GmbH auf Grund staatsanwaltlicher Anordnung wegen Gefahr im Verzug durchsucht. Der Besch. wurde am 30. 5. 2007 um 15.30 Uhr aus der Haft entlassen. Auf die Beschwerde des Besch. hat das AG mit Beschluss vom 24. 1. 2008 festgestellt, dass die vorläufige Festnahme des Besch. am 30. 5. 2007 in der Zeit von 0.45 Uhr bis zum Beginn der Durchsuchung rechtmäßig, die darüber hinausgehende Ingewahrsamnahme des Besch. aber rechtswidrig war.
Die Beschwerde des Besch. gegen diese Entscheidung des AG war erfolgreich, soweit sie sich auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Festnahme bezog. Die Beschwerde der StA blieb ohne Erfolg. ...
II. Die Festnahme des Besch. am 30. 5. 2007 war rechtswidrig. Die Ingewahrsamnahme des Besch. am Vorabend der Durchsuchung diente allein dem Zweck, das Beiseiteschaffen von Beweismitteln und Vermögenswerten zu verhindern. Eine gesetzliche Eingriffsgrundlage hierfür ist nicht gegeben.
Die Festnahme kann zunächst nicht auf § 105 StPO unmittelbar gestützt werden. Zwar ermächtigt diese Vorschrift auch zur Anwendung unmittelbaren Zwangs, jedoch nur zu solchen Zwangsmaßnahmen, die der Durchsetzung der gegenständlichen Durchsuchung dienen, so bei einer Wohnungsdurchsuchung zum gewaltsamen Öffnen der Wohnung bzw. bei einer Personendurchsuchung gegebenenfalls zur kurzfristigen Festnahme und Durchsuchung der Person auf der Polizeiwache (Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 105 Rdnr. 13; Rudolphi, in: SK-StPO, § 105 Rdnr. 21). Zu weitergehenden Maßnahmen, insbesondere eines ?Stubenarrests" oder gar - wie vorliegend - einer präventiven Ingewahrsamnahme im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung, um das Beiseiteschaffen von Beweismitteln oder Vermögenswerten zu verhindern, berechtigt § 105 StPO nicht. Hierdurch würde nicht nur das Anwesenheitsrecht des Beschuldigten aus § 106 StPO verletzt, vor allem mangelt es an der erforderlichen Bestimmtheit der Vorschrift hinsichtlich eines so schwerwiegenden und eigenständigen Eingriffs in das Grundrecht des Beschuldigten aus Art. 2 II 2 GG (vgl. Eisenberg, in: Festschr. f. Rolinski, S. 165 [174]).
Die Festnahme kann auch nicht auf § 127 II StPO gestützt werden. Gemäß § 127 II StPO sind die StA und die Beamten des Polizeidienstes bei Gefahr in Verzug auch dann zur vorläufigen Festnahme befugt, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls vorliegen. Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen eines Haftbefehls gegeben sind, muss zumindest das Vorliegen von Gefahr im Verzug verneint werden. Gefahr im Verzug besteht dann, wenn die Festnahme infolge der Verzögerung gefährdet wäre, die durch das Erwirken eines richterlichen Haftbefehls eintreten würde. Hier liegt es jedoch so, dass im Vorfeld der Durchsuchungen der von der StA beantragte Haftbefehl vom AG gerade aus Verhältnismäßigkeitsgründen abgelehnt worden war. Diese Ablehnung schließt die vorläufige Festnahme nach § 127 II StPO wegen derselben Straftat nur dann nicht aus, wenn die früheren Ablehnungsgründe durch neue Umstände ausgeräumt sind (Meyer-Goßner, § 127 Rdnr. 19; Boujong, in: KK-StPO, 5. Aufl., § 127 Rdnr. 37). Dies ist jedoch nicht der Fall, da sich keine neuen Gesichtspunkte ergeben hatten.
Auch aus § 164 StPO kann vorliegend keine Ermächtigungsgrundlage für die Festnahme des Besch. entnommen werden. Erforderlich wäre hier eine bereits vorliegende oder unmittelbar bevorstehende Störung. Der Störer muss also störend handeln oder doch unmittelbar zu einer Störungshandlung ansetzen: Die bloße, auch durch Tatsachen gestützte Erwartung, dass es zu einer Störung kommen könne, rechtfertigt noch keine Maßnahmen nach § 164 StPO (Rieß, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 23. Aufl., § 164 Rdnr. 8). Der Besch. hatte jedoch zum Zeitpunkt seiner Festnahme noch nicht einmal Kenntnis von der am nächsten Morgen stattfindenden Durchsuchung. Störungshandlungen gingen von ihm zum Zeitpunkt der Festnahme nicht aus und standen auch nicht unmittelbar bevor.
Auch § 32 I Nr. 2 HessSOG kann die Ingewahrsamnahme nicht rechtfertigen. Eine solche Maßnahme ist nach dem Hessischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung nur zulässig, wenn sie unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit mit erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern. Unabhängig vom Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts ist auch das Merkmal der Unerlässlichkeit der Maßnahme nicht gegeben. Da das Instrument des Gewahrsams während der Zeit des Nationalsozialismus massiv missbraucht wurde, sollte durch die Tatbestandsmerkmale ?unerlässlich" und ?unmittelbar bevorstehend" rechtlich unmöglich gemacht werden, dass die Vorschrift zu einer Ermächtigung zum so genannten Vorbeugegewahrsam (früher: Schutzhaft) ausgeweitet wird (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 18. 6. 2007 - 20 W 221/06, BeckRS 2007, 15767 m.w. Nachw.). Unerlässlich ist nicht gleichbedeutend mit erforderlich, sondern geht darüber hinaus. Eine Maßnahme ist nur dann unerlässlich, wenn die Gefahrenabwehr nur auf diese Weise möglich und nicht durch eine andere Maßnahme ersetzbar ist. Als mildere Mittel wären aber vorliegend die Durchführung der Durchsuchung im unmittelbaren Anschluss an das Antreffen des Besch. auf der Straße oder der Einsatz einer wirksamen Ramme zum Öffnen der Tür denkbar gewesen. Präventiver Freiheitsentzug stellt jedenfalls kein Mittel dar, kriminaltaktische Defizite zu beheben.
Mangels gesetzlich normierter Ermächtigungsgrundlage für den mit der Ingewahrsamnahme einhergehenden erheblichen Grundrechtseingriff in die persönliche Freiheit des Besch. kann aber auch das Argument der StA, der zweifellos vorhandene Arrestgrund habe die Gefahr indiziert, der Besch. werde während der Durchsuchung Maßnahmen ergreifen, welche die Vollstreckung der Arrestanordnung vereiteln könnte, nicht durchgreifen. Hierzu hätten während der Durchsuchung unter Berufung auf § 164 StPO geeignete Gegenmaßnahmen wie zum Beispiel eine Telefonsperre getroffen werden können (vgl. Rengier, NStZ 1981, 375).
Soweit schließlich der Besch. beantragt festzustellen, dass Staatsanwalt Dr. B als Sachbearbeiter abzulösen ist, ist die Beschwerde unzulässig, da es insoweit bereits an einer beschwerdefähigen Entscheidung des AG fehlt, im Übrigen aber auch ein Rechtsanspruch des Besch. auf Beauftragung eines anderen Staatsanwalts nach § 145 I GVG nicht besteht (vgl. Meyer-Goßner, § 145 GVG Rdnr. 6). Der Antrag wird jedoch dem Leiter der StA bei dem LG Frankfurt a.M. vorzulegen sein. ..."
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?... Der Besch. ist Polizeibeamter im bremischen Polizeidienst und war seinerzeit als Polizeikommissar im Polizeirevier G. eingesetzt, wo ihm auch ein Dienstcomputer zur Verfügung stand. Gegen ihn wurde in einem anderen Ermittlungsverfahren der StA wegen des Verdachts der fortgesetzten Unterschlagung ihm anvertrauter Gelder ermittelt. Im Zuge jener Ermittlungen hatte der Verteidiger für seinen Mandanten dem Ermittlungsführer KHK D. erlaubt, eine auf dem dienstlichen Rechner privat gespeicherte Datei ?Oddset' auf dem Laufwerk Z/S 82 G zu sichern. Auf dieser Datei befanden sich Daten von Spieleinsätzen des Beamten im sog. ?Oddset'-Wettsystem, wodurch in jenem anderen Ermittlungsverfahren eine Spielsucht des Beamten belegt werden sollte. Zum Zwecke dieser Datensicherung teilte die Verteidigung dem Ermittlungsbeamten auch das Paßwort (?D1479 Turbo') mit, mit dem der Mandant die Datei ?Oddset' geschützt habe.
Der Ermittlungsführer KHK D. wandte sich daraufhin am 15. 6. 2005 an den zuständigen Domänen-Administrator, den Zeugen POK K., per E-Mail, in der er unter ?Betreff: Datensicherung aus Gründen der Beweissicherung im Ermittlungs- und Disziplinarverfahren' um Sicherung folgender Datei bat: ?Laufwerk Z/S 82 G. Die Datei ist mit der Kennung D1479 Turbo gegen unberechtigten Zugriff gesichert. Die Datei ist überschrieben mit: 'Oddset eigene eingesetzte Gelder'. Es handelt sich bei der Datei um Listen mit Einsatz-, Gewinn- und Verlustdarstellung. Das Einverständnis des betroffenen Beamten liegt vor. Die Datensicherung sollte auch Angaben zur Erstellung der Datei, Veränderungen und letzte Speicherung bzw. letzter Zugriff enthalten.' ...
Bei der Suche nach der Datei ?Oddset' fielen dem Zeugen K. im Unterordner S 82 G Verzeichnisse (= Ordner) wie ?Spiele', ?Sonstiges' und ?Humor' ins Auge. Er teilte daraufhin dem Zeugen KHK D. mit, daß man das gesamte Verzeichnis überprüfen werde, und beauftragte den Zeugen U. am folgenden 16. 6. 2004 damit, ?das gesamte Verzeichnis auf verbotene Inhalte zu kontrollieren'. ...
In einem weiteren Aktenvermerk v. 17. 6. 2004 legte der Zeuge U. unter der Überschrift, ?Verbotene Dateien' nieder, daß es sich bei den im Verzeichnis S 82 G gespeicherten Dateien offensichtlich um fast ausschließlich private Dateien handele. Das Verzeichnis enthalte u. a. Spiele, Powerpoint-Präsentationen, Fotos und private E-Mails. Die Daten mit einem Umfang von 407 MB wurden auf einer CD gesichert, die mit einer Stichprobe des Dateiinhalts dem Ermittlungsführer KHK D. übersandt wurde. Das Verzeichnis S 82 G wurde auf dem Server des Dienstcomputers gelöscht. KHK D. stellte bei der Durchsicht aller Dateien des auf CD gesicherten Ordners S 82 G fest, daß insbes. unter dem Unterordner ?Strafanzeigen' eine Vielzahl von Dateien mit pornografischem Inhalt abgelegt waren, die als private E-Mails empfangen und mit dem E-Mail-Verlauf gespeichert worden waren, aber - insoweit nicht anders nachweisbar - über den E-Mail-Betrieb nicht an andere weitergeleitet worden waren. Da die Ermittler annahmen, daß außer dem früheren Besch. auch alle anderen Beamten das Polizeireviers G. Zugriff auf den Ordner S 82 G und damit die Gelegenheit gehabt hätten, sich den Inhalt aller Dateien auf diesem Laufwerk und mithin auch die pornografischen Darstellungen anzusehen, wurde ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verbreitung pornografischer Schriften gem. § 184 Abs. 1 Ziff. 8 StGB eingeleitet.
II. Mit Schriftsatz seines Verteidigers v. 1. 11. 2004 legte der Besch. Beschwerde gegen die Beschlagnahme und Einsicht seiner privaten E-Mail-Verläufe und E-Mail-Inhalte ein und begehrte darüber die richterliche Entscheidung. Nachdem das neue Verfahren durch Verfügung der StA gem. § 154 Abs. 1 StPO im Hinblick auf die in dem anderen Verfahren zu erwartende Strafe vorläufig eingestellt worden war, begehrt der Besch. nunmehr nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO die richterliche Feststellung, daß die polizeilich vorgenommene Beschlagnahme und Sichtung der über den Dienst-PC in dem keinem anderen als ihm selber zugänglichen Laufwerk gespeicherten privaten Dateien rechtswidrig sei und diese nicht verwertbar seien: Seine Einwilligung zur polizeilichen Sichtung habe lediglich die Datei ?Oddset' umfaßt; alle anderen Dateien im Laufwerk S 82 G seien erkennbar ebenfalls privater Natur und dürften nur aufgrund vorheriger richterlicher Anordnung und dann nur bei triftigem Anlaß aus dem ersten Ermittlungsverfahren geöffnet und überprüft werden; ihre systematische und allumfassende Überprüfung käme einer illegalen Ausspähung gleich und lasse deshalb auch keine Verwertung sog. ?Zufallsfunde' (hier pornografischen Charakters) zu.
Zunächst auf gemeinsamen Antrag der StA und des Besch. stellte das AG fest, daß die am 15. 6. 2004 erfolgte Durchsuchung des dienstlichen PC des Polizeibeamten und die Beschlagnahme von 40 Dateien mit pornografischem Inhalt rechtswidrig sei.
Die Einwilligung des Beamten habe ausschließlich der Öffnung und Verwertung der Datei ?Oddset' gegolten; weitere Zugriffe seien durch die Erlaubnis nicht gedeckt. Die pornografischen Schriften bzw. Bilder seien per E-Mail zugesandt worden, es handele sich damit um elektronisch übersandte Post, die den vorgesehenen Empfänger bereits erreicht hätte, so daß dafür die allgemeinen Beschlagnahmeregeln der §§ 94, 98 StPO gelten, zusätzlich aber auch § 110 StPO, da elektronisch gespeicherte Daten den ?Papieren' gleichgestellt seien. Die Durchsicht dieser Dateien und der anschließende Ausdruck entspreche der Durchsicht von Papieren, die ausschließlich der StA und auf deren Anordnung ihren Ermittlungspersonen zustehe. Weil beide Voraussetzungen nicht gegeben seien und weil mangels Erlaubnis des Inhabers auch nicht die des § 110 Abs. 2 StPO erfüllt seien, habe die Handhabung durch die Polizei hier nicht dem Gesetz entsprochen, seien die Durchsicht und der Ausdruck der Dateien deshalb rechtswidrig und diese Beweismittel unverwertbar.
Zugleich äußerte das AG Zweifel, ob es sich bei der Sicherung der ?Oddset'-Datei überhaupt um eine Durchsuchung im Rechtssinne handele, weil die Zustimmung des Berechtigten zur Dateisicherung einer freiwilligen Herausgabe entspreche, die eine Durchsuchung und Beschlagnahme überflüssig und damit unzulässig gemacht habe und keine ?Zufallsfunde' i. S. d. § 108 StPO mehr zulasse. Im übrigen erwecke das Vorgehen der Polizei hier den Eindruck, daß gezielt nach ?Zufalls-?Funden gesucht worden sei, was unzulässig sei und zur Unverwertbarkeit der Beweismittel führe.
Gegen diesen Beschl. richtet sich die Beschwerde der StA, die nunmehr die Beschlagnahme und Verwertung der Dateien mit pornografischem Inhalt - z. B. in einem gegen den Polizeibeamten deswegen anhängigen Disziplinarverfahren - für rechtens hält und sich dabei auf eine dem angefochtenen Beschl. entgegentretende Entscheidung des VG Bremen v. 21. 12. 2004 in dem Verwaltungsrechtsstreit 6 V 2212/2004 mit vergleichbarer Problematik beruft, wonach die Beschlagnahme und Verwertung auf dienstlichen Laufwerken gespeicherter privater Dateien auch ohne richterliche oder in Notfällen staatsanwaltschaftliche Anordnung grundsätzlich zulässig seien. Dies wird daraus hergeleitet, daß die private Nutzung von dienstlich zur Verfügung gestellter E-Mail-Funktionalität und auch die damit zusammenhängende Speicherung der empfangenen Dateien auf dem Dienst-PC laut wirksamer Dienstanweisung grundsätzlich unzulässig sei und ?daraus rechtlich folge, daß die Polizei Bremen grundsätzlich berechtigt war, alle empfangenen E-Mails wie dienstliche E-Mails zu behandeln'.
Zugleich habe der Dienstherr durch seine Dienstanweisung den Bereich der dienstlichen EDV-Anlagen des Landes und der Stadtgemeinde Bremen aus dem Anwendungsbereich des § 85 a. F. bzw. des § 88 n. F. TKG ausgenommen. Rechtlich geschützten Privatcharakter vermögen diese Dateien auch nicht dadurch zu erhalten, daß sie rechtsmißbräuchlich durch ein Paßwort vor dem ungehinderten dienstlichen Zugriff der Administratoren geschützt worden waren, zumal sie (teilweise) unter dem Ordner ?Strafanzeigen' abgelegt gewesen seien. Ein Verwertungsverbot wegen Gewinnung von Erkenntnissen unter Verstoß gegen das Postgeheimnis des Art. 10 GG sei daher nicht erkennbar.
III. Die Beschwerde der StA mußte erfolglos bleiben. Zu Recht hat das AG die Durchsuchung und datenmäßige Sicherung des gesamten Ordners S 82 G mit allen Unterordnern über die vom Besch. genehmigte Datei ?Oddset' hinaus für rechtswidrig erklärt.
1) Bei der Durchsicht des gesamten Verzeichnisses S 82 G handelte es sich zunächst um eine Durchsuchung i. S. d. § 102 StPO i. V. m. § 110 StPO. § 102 StPO regelt nicht nur die Durchsuchung von Wohnungen, sondern auch die Durchsuchung von - dem Besch. gehörenden - Sachen. Hierzu gehören auch elektronische Datenträger, die faktisch im Gewahrsam oder Mitgewahrsam des Besch. stehen oder die von ihm an seinem Arbeitsplatz benutzt werden, ohne daß es insoweit auf die Eigentumsverhältnisse ankommt (Schäfer in LR StPO, 25. A., § 102 Rdnr. 35, 39; KK-Nack, StPO, 5. A., § 102 Rdnr. 9, 11).
Da der Unterordner ?Oddset', in dessen Durchsicht allein der Besch. eingewilligt hatte, beim Öffnen des Ordners S 82 G sofort erkennbar und auffindbar war, bedurfte es einer weiteren Durchsicht der anderen dort abgelegten Unterordner bzw. Dateien nicht mehr, zumal die Bezeichnungen der übrigen Unterordner keinerlei Hinweise auf irgendeine strafrechtliche Relevanz bezüglich der dem Besch. zur Last gelegten Unterschlagung boten. Jede weitere Überprüfung im Ordner S 82 G außerhalb des Unterordners ?Oddset' stellte sich deshalb nach Wortlaut und Sinn als eine Durchsuchung gem. § 102 StPO dar.
Für eine solche Durchsuchung war gem. § 105 Abs. 1 StPO eine richterliche Anordnung erforderlich, weil der Besch. lediglich in die Durchsicht des Unterordners ?Oddset' eingewilligt hatte. Eine richterliche Anordnung lag aber nicht vor. Dafür, daß Gefahr im Verzug die sofortige Sichtung und Sicherstellung der übrigen Unterordner und Dateien erforderlich gemacht hätte, ist nichts ersichtlich, wird von den Ermittlungsbehörden auch nicht behauptet.
Eine richterliche Anordnung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Dienstcomputer, auf dem die gesicherten Dateien gespeichert waren, von anderen Polizeibeamten mitbenutzt wurde, die Zugang zu den anderen Ordnern und Dateien außerhalb des Ordners S 82 G hatten, und weil der Dienstherr jede private Nutzung dieses Dienstcomputers und des E-Mail-Anschlusses untersagt hatte.
Der Besch. hatte den Ordner S 82 G durch die oben unter I. dargestellten Vorkehrungen für alle anderen Benutzer außer ihm selbst und sogar für seine Domäne-Administratoren gesperrt bzw. deren Zugriff erheblich erschwert. Er hat auf diese Weise und auch durch die meisten von ihm gewählten Namen der dort abgelegten Unterordner oder Dateien auch für die Ermittlungsbeamten deutlich gemacht, daß es sich um rein private Dateien und Ordner handelte. Dies gilt auch, soweit der Besch. den einen Ordner am Ende der Liste mit ?Strafanzeigen' bezeichnet hat. Trotz eines solch offiziell klingenden Ordnernamens war angesichts des Aussperrens anderer Nutzer klar, daß diesem keine dienstliche Funktion zukam.
Daß der Beamte dienstanweisungswidrig die dienstlichen E-Mail-Funktionen bzw. dienstlichen Laufwerke privat genutzt hat, vermag den besonderen strafprozessualen Schutz vor Zugriff ohne vorherige richterliche Anordnung nicht aufzuheben, wie z. B. das VG Bremen meint. Es ist anerkannt, daß auch in öffentlichen oder sonst fremd genutzten Räumen eine räumlich geschützte Privatsphäre bestehen kann. Bei der Frage, ob ein privater Bereich vom Schutzzweck der §§ 102 ff. StPO erfaßt ist, kommt es nicht darauf an, ob der (Mit-) Gewahrsamsinhaber berechtigt oder unberechtigt den (Mit-) Gewahrsam hat, sondern allein auf die faktischen Verhältnisse. So gelten z. B. §§ 102, 105 StPO auch für die Durchsuchung eines von einem sog. Hausbesetzer gegen den Willen des Berechtigten genutzten Raumes (KK-Nack, a. a. O. Rdnr. 109).
Des weiteren war das polizeiliche Vorgehen, wie es oben unter I. dargestellt worden ist, nicht nach § 108 Abs. 1 StPO zu rechtfertigen.
Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob der vom Besch. gebilligte polizeiliche Zugriff auf den Unterordner ?Oddset' überhaupt eine Durchsuchung i. S. d. § 102 StPO war oder nur eine freiwillige Herausgabe darstellte, wie das AG in Erwägung zieht. Auch wenn insoweit von einer mit Einwilligung des Besch. erfolgten Durchsuchung ausgegangen wird, für die infolge der Einwilligung des Besch. keine richterliche Anordnung gem. § 105 StPO erforderlich war, so stellte § 108 StPO keinen Rechtsgrund für den Zugriff auf die übrigen Unterordner dar, weil § 108 StPO nicht das Durchsuchungsrecht, sondern nur das allgemeine Beschlagnahmerecht erweitert (Schäfer a. a. O. § 108 Rdnr. 3). Darüber hinaus boten die beim Zugriff auf das Verzeichnis S 82 G sichtbar gewordenen Ordnernamen mit Ausnahme des Unterordners ?Oddset', auf den der Besch. selbst hingewiesen hatte, also auch der Unterordner ?Strafanzeigen' keinerlei Hinweise auf das gegen den Besch. anhängige Ermittlungsverfahren wegen Unterschlagung oder auf sonstige Straftaten des Besch., so daß auch schon deshalb - wie bereits ausgeführt - Gefahr im Verzug eine Sichtung nicht erforderlich machte.
Das BVerfG hat erst jüngst - Beschl. v. 12. 4. 2005, 2 BvR 1027/02 [= StV 2005, 363] - hervorgehoben. ?Die Ermittlungsmethoden der StPO sind zwar im Hinblick auf die Datenerhebung und den Datenumfang weit gefaßt. Die jeweiligen Eingriffsgrundlagen stehen aber unter einer sehr strengen Begrenzung auf den Ermittlungszweck. Strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen sind nur zulässig, soweit dies zur Vorbereitung der anstehenden Entscheidungen im Hinblick auf die in Frage stehende Straftat nötig ist. Auf die Ermittlung anderer Lebenssachverhalte und Verhältnisse erstrecken sich die Eingriffsermächtigungen nicht. So benennt § 155 Abs. 1 StPO ausdrücklich diese Begrenzung des Ermittlungszwecks ('nur'). Die Zweckbindung an den zu ermittelnden Sachverhalt ist aber auch anderen Vorschriften der StPO zu entnehmen (... § 161 Abs. 1 S. 1 ..., § 163 Abs. 1 Nr. 1 StPO ...). Eine Ermittlung außerhalb dieses Zwecks hat keine gesetzliche Grundlage. Gelegentlich einer strafrechtlichen Ermittlung dürfen daher keine Sachverhalte und persönlichen Verhältnisse ausgeforscht werden, die für die Beurteilung der Täterschaft und für die Bemessung der Rechtsfolgen der Tat nicht von Bedeutung sind (§ 244 Abs. 3 S. 2 Variante 3 StPO). Dem entspricht es, daß gem. § 483 StPO auch die sich an die Datenerhebung anschließende Datenverarbeitung auf den Zweck des Strafverfahrens beschränkt ist.
Mit dieser strengen Begrenzung sämtlicher Ermittlungen und damit auch der Datenerhebung auf den Zweck der Aufklärung der begangenen Tat begrenzt die StPO die Eingriffe in das Recht an den eigenen Daten grundsätzlich auf diejenigen, die für die Strafverfolgung im konkreten Anlaßfall von Bedeutung sind. Die strafprozessualen Ermächtigungen erlauben damit zwar grundsätzlich einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, finden ihre Grenze aber in der Zweckbestimmung für das jeweilige Strafverfahren' (Rdnr. 104 f.)
Legt man diese Maßstäbe an das systematische Vorgehen der Ermittlungsbehörden an, so wie es die Zeugen K. und U. in ihren Vermerken v. 15. und 17. 6. 2004 dargelegt haben, so ähneln diese Zusatzermittlungen weit mehr einem gezielten Ausforschen privater Dateien außerhalb des Untersuchungszwecks als der zufälligen Wahrnehmung eines maßgeblichen strafbaren Verhaltens anläßlich der Verfolgung eines ganz anderen Ermittlungszwecks.
Die Durchsicht der Unterordner im Verzeichnis S 82 G mit Ausnahme des Unterordners ?Oddset', in dessen Durchsicht der Besch. eingewilligt hatte, war deshalb ohne richterliche Anordnung rechtswidrig.
2) Auch die Beschlagnahme der im Verzeichnis S 82 G gespeicherten Dateien mit Ausnahme der im Unterordner ?Oddset' gespeicherten Datei, in deren Sicherstellung der Besch. eingewilligt hatte, ist rechtswidrig und deshalb aufzuheben.
Die Sicherstellung der Dateien erfolgte wie vorstehend ausgeführt auf Grund einer rechtswidrigen Durchsuchung. Dies allein führt aber noch nicht dazu, daß die Beschlagnahme der Dateien weiterhin unzulässig ist und die Dateien unverwertbar sind. In Fällen wie dem vorliegenden ist vielmehr eine Abwägung vorzunehmen, die nur dann zu einem Verwertungsverbot führt, wenn der prozessuale Verfahrensverstoß so schwerwiegend ist, daß das Interesse an der Tataufklärung vor dem Hintergrund des Gewichts der aufzuklärenden Straftat gegenüber dem Interesse des betroffenen Bürgers am Schutz seiner Privatsphäre zurücktreten muß (OLG Koblenz in NStZ 2002, 660 f, Schäfer a. a. O. § 105 Rdnr. 112; vgl. auch Nack a. a. O., vor § 94 Rdnr. 8 f., § 94 Rdnr. 19 f., § 105 Rdnr. 21 f, Meyer-Goßner, StPO, 48. A., § 94 Rdnr. 21).
Im vorliegenden Fall wurde dem Besch. ein Vergehen der Unterschlagung und somit eine Straftat von höchstens mittlerer Schwere vorgeworfen. Dem steht ein schwerwiegender Verfahrensverstoß entgegen, weil die - wenn auch dienstordnungswidrig - vom Besch. privat gespeicherten Dateien ohne richterliche Anordnung durchsucht wurden. Bei der Abwägung ist auch von wesentlicher Bedeutung, ob ein richterlicher Durchsuchungsbeschl. erlassen worden wäre und das Beweismittel somit auch auf rechtmäßige Weise hätte beschafft werden können (BGH in NStZ 1989, 375 f.; 2004, 449 f., Nack a. a. O. vor § 94 Rdnr. 8 f., § 94 Rdnr. 19 f., § 105 Rdnr. 21 f.). Dies verneint die Kammer aus den bereits genannten Gründen, weil beim Zugriff auf das Verzeichnis S 82 G die angezeigten Unterordner mit Ausnahme des Ordners ?Oddset' keinerlei Bezug zu der dem Besch. zur Last gelegten Unterschlagung oder zu sonstigen Straftaten erkennen ließen. Wenn aber eine richterliche Durchsuchungsanordnung ausgeschlossen war, stellt sich die strafprozessuale Ermittlungsmaßname der Durchsuchung als willkürlich dar mit der Folge, daß auf Grund der vorgeschilderten Gesamtumstände nach Auffassung der Kammer auch die auf Grund willkürlicher Durchsuchung sichergestellten Dateien nicht verwertbar sind und damit ihre Beschlagnahme auch nicht zulässig ist.
Abschließend weist die Kammer darauf hin, daß Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens nur strafprozessuale Maßnahmen sind. Ob und inwieweit die getroffenen Maßnahmen im Rahmen eines gegen den Besch. anhängigen Disziplinarverfahrens zulässig waren bzw. sind, hat das zuständige Disziplinargericht zu entscheiden ..." (LG Bremen, Beschluß vom 22.7.2005 - 11 Qs 112/2005)
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Die photographische Dokumentation einer Wohnung anlässlich einer Durchsuchung kann allein dann zulässig sein, wenn das Dokumentationsinteresse das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen überwiegt, beispielsweise wegen der Bedeutung der Straftat und der voraussichtlichen Bedeutung der Bilder als Beweismittel für den gerichtlichen Augenschein (LG Hamburg StV 2004, 368 ff).
Liegen neben zwei anonymen Anzeigen mit dem Vorwurf des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln keine weiteren Anhaltspunkte dafür vor, daß die erhobenen Beschuldigungen zutreffen könnten, besteht für einen schwerwiegenden Eingriff wie die Anordnung einer Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Beschuldigten nicht der erforderliche Tatverdacht (LG Regensburg StV 2004, 198).
Findet an einem Werktag eine Durchsuchung in der Wohnung des Beschuldigten um 19.50 Uhr statt und verfügten die Ermittlungsbehörden über die dafür maßgeblichen Erkenntnisse bereits seit 14.07 Uhr, hätte eine richterliche Durchsuchungsanordnung ohne weiteres beantragt und erlassen werden können, so daß die auf Gefahr im Verzug gestützte Durchsuchung rechtswidrig ist (LG Koblenz StV 2003, 382 f).
Siehe auch unter ?Unverletzlichkeit der Wohnung"
Anordnung und Durchführung der Beschlagnahme § 98 StPO (n.F)
(1) Beschlagnahmen dürfen nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die Beschlagnahme nach § 97 Abs. 5 Satz 2 in den Räumen einer Redaktion, eines Verlages, einer Druckerei oder einer Rundfunkanstalt darf nur durch das Gericht angeordnet werden.
(2) Der Beamte, der einen Gegenstand ohne richterliche Anordnung beschlagnahmt hat, soll binnen drei Tagen die gerichtliche Bestätigung beantragen, wenn bei der Beschlagnahme weder der davon Betroffene noch ein erwachsener Angehöriger anwesend war oder wenn der Betroffene und im Falle seiner Abwesenheit ein erwachsener Angehöriger des Betroffenen gegen die Beschlagnahme ausdrücklichen Widerspruch erhoben hat. Der Betroffene kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen. Solange die öffentliche Klage noch nicht erhoben ist, entscheidet das nach § 162 Abs. 1 zuständige Gericht. Ist die öffentliche Klage erhoben, entscheidet das damit befasste Gericht. Der Betroffene kann den Antrag auch bei dem Amtsgericht einreichen, in dessen Bezirk die Beschlagnahme stattgefunden hat; dieses leitet den Antrag dem zuständigen Gericht zu. 6Der Betroffene ist über seine Rechte zu belehren.
(3) Ist nach erhobener öffentlicher Klage die Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft oder eine ihrer Ermittlungspersonen erfolgt, so ist binnen drei Tagen dem Gericht von der Beschlagnahme Anzeige zu machen; die beschlagnahmten Gegenstände sind ihm zur Verfügung zu stellen.
(4) 1Wird eine Beschlagnahme in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Beschlagnahme in Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.
Leisätze:
In der Zuordnung von Telekommunikationsnummern zu ihren Anschlussinhabern liegt ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Demgegenüber liegt in der Zuordnung von dynamischen IP-Adressen ein Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber muss bei der Einrichtung eines Auskunftsverfahrens sowohl Rechtsgrundlagen für die Übermittlung, als auch für den Abruf von Daten schaffen. Das automatisierte Auskunftsverfahren der §§ 112, 111 TKG ist mit der Verfassung vereinbar. § 112 TKG setzt dabei für den Abruf eigene Ermächtigungsgrundlagen voraus. Das manuelle Auskunftsverfahren der §§ 113 Abs. 1 Satz 1, 111, 95 Abs. 1 TKG ist in verfassungskonformer Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar. Zum einen bedarf es für den Abruf der Daten qualifizierter Rechtsgrundlagen, die selbst eine Auskunftspflicht der Telekommunikationsunternehmen normenklar begründen. Zum anderen darf die Vorschrift nicht zur Zuordnung dynamischer IP-Adressen angewendet werden. Die Sicherheitsbehörden dürfen Auskünfte über Zugangssicherungscodes (§ 113 Abs. 1 Satz 2 TKG) nur dann verlangen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Nutzung gegeben sind (BVerfG, Beschluss vom 24.01.2012 - 1 BvR 1299/05).
***
Die Verfassungsbeschwerde einer überörtlichen Rechtsanwaltssozietät mit sechs Standorten in Deutschland, die sich gegen die Anordnung von Durchsuchungen an zwei organisatorisch eigenständigen, den inländischen Tätigkeitsmittelpunkt bildenden Standorten wendet, ist wie die von einer inländischen juristischen Person erhobene Verfassungsbeschwerde (Art. 19 III GG) zu behandeln. Es ist mit Art. 13 I GG nicht vereinbar, Kanzleiräume von Rechtsanwälten als nichtverdächtigen Dritten, die den Beschuldigten nach Auffassung der Ermittlungsbehörde hinsichtlich bestimmter steuerrechtlicher Fragestellungen beraten haben sollen, auf der Grundlage von § 103 StPO zu durchsuchen, um Unterlagen über die Beratung von Mandanten, die mit dem Ermittlungsverfahren in keinem Zusammenhang stehen, zu erhalten und um hieraus Rückschlüsse auf den Inhalt der Beratung des Beschuldigten zu ziehen. Die Suche nach Beratungsunterlagen hinsichtlich unverdächtiger Mandanten steht ferner in einem offenkundigen Missverhältnis zu der damit verbundenen Beeinträchtigung des Grundrechts der unverdächtigen Mandanten auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I i.V. mit Art. 1 I GG) und der auch im Interesse der Allgemeinheit liegenden Vertrauensbeziehung zwischen Anwalt und Mandant. Die Verfassungsbeschwerde gegen die Sicherstellung eines Datenbestands zum Zweck der Durchsicht (§ 110 StPO) setzt insbesondere dann grundsätzlich die Erschöpfung des Rechtswegs in entsprechender Anwendung des § 98 II 2 StPO voraus, wenn die Sicherstellung über die thematisch begrenzte Zielvorgabe des Durchsuchungsbeschlusses hinausgeht (BVerfG, Beschluss vom 18.03.2009 - 2 BvR 1036/08, NJW 2009, 2518 ff, www.bverfg.de/entscheidungen/rk20090318_2bvr103608.html).
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn Fachgerichte eine richterliche Entscheidung über die Sicherstellung von Datensicherungsbänden der Server eines privat genutzten Dienstcomputers sowie über die "Beschlagnahme" darauf befindlicher Dateien wegen fehlender Antragsbefugnis des Nutzers gem. § 98 II 2 StPO ablehnen (BVerfG, Beschluss vom 25.07.2007 - 2 BvR 2282/06 zu Art. 1 I, 2 I, 10 I, 13 I, 19 IV GG; §§ 98 II 2 StPO, 184 I StGB, NJW 2007, 3343, 3344 - Verwendung eines Dienstcomputers zur Verbreitung pornografischer Schriften).
In einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss müssen Indiztatsachen zur Belegung des Anfangsverdachts nicht notwendigerweise genannt werden, wenn eine Begrenzung der Vollziehung der Maßnahme im Übrigen gewährleistet ist. Insoweit können anfängliche Mängel bei der Prüfung der Verdachtslage durch eine nachträgliche Entscheidung des Beschwerdegerichts geheilt werden. Auch für den Fall einer Durchsuchung bei anderen Personen i. S. des § 103 StPO reicht die eingegrenzte, aber gattungsmäßige Bestimmung der gesuchten Gegenstände aus; sind im Einzelfall ausreichende Gründe dafür gegeben, dass Beweisgegenstände einer bestimmten Kategorie auch bei einem Nichtverdächtigen zu finden sind, kann in zugleich ergehenden Durchsuchungsbeschlüssen nach § 102 und § 103 StPO eine Auffindevermutung bezüglich derselben Beweismittel zu Grunde gelegt werden (BVerfG, Beschluss vom 28.04.2003 - 2 BvR 358/03).
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde, weil die Gerichte Bedeutung und Tragweite von Art. 13 I, II i. V. mit Art. 19 IV GG bei der nachträglichen Überprüfung einer wegen Gefahr im Verzug von der Kriminalpolizei angeordneten Wohnungsdurchsuchung verkannt haben (im Anschluss an BVerfGE 103, 142 = NJW 2001, 1121; BVerfG, Beschluss vom 22.01.2002 - 2 BvR 1473/01).
*** (BGH)
Das erkennende Gericht ist auch dann nicht von der grundsätzlichen Pflicht entbunden, die Verwertbarkeit der durch eine Durchsuchung gewonnenen Beweise zu prüfen, wenn der Angeklagte die Rechtsschutzmöglichkeit entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genutzt hat. Ein Stufenverhältnis oder ein Vorrang dieses Rechtsbehelfs besteht auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht (BGH, Beschluss vom 16.06.2009 - 3 StR 6/09).
***
Die Rückgabe einer in einem Strafverfahren beschlagnahmten Sache hat an dem Ort zu erfolgen, an welchem diese aufzubewahren war; die zuständigen Justizbehörden sind nicht verpflichtet, die Sache dem Berechtigten an dessen Wohnsitz zu bringen (BGH, Urteil vom 03.02.2005 - III ZR 271/04).
*** (OLG)
Der Beschluss des Vorsitzenden einer Großen Strafkammer, einen ihm im Rahmen der haftrichterlichen Briefkontrolle vorgelegten Brief wegen dessen möglicher Bedeutung für die Untersuchung und wegen versuchter Einflussnahme auf das Aussageverhalten einer Zeugin zu ?beschlagnahmen', beinhaltet neben einer Beschlagnahme gemäß § 94 StPO auch einen Beförderungsausschluss gemäß § 119 Abs. 3 StPO. Die haftrechtliche Anordnung tritt nicht hinter der Sachaufklärungsanordnung zurück. Für die Entscheidung über die Beschlagnahme ist die voll besetzte Kammer zuständig; eine Zuständigkeitskonzentration bei dem zur haftrichterlichen Entscheidung über den Briefbeförderungsausschluss berufenen Kammervorsitzenden tritt nicht ein. Der Beschlagnahmebeschluss des unzuständigen Vorsitzenden leidet an einem derart schwerwiegenden Rechtsmangel, dass das Beschwerdegericht insoweit nicht selbst abschließend in der Sache entscheidet, sondern ausnahmsweise an die Vorinstanz zurückverweist (OLG Hamburg, Beschluss vom 28.04.2009 - 2 Ws 85-86/09; 2 Ws 90/09 zu StPO §§ 94, 98 Abs. 2 S. 3, 4, 119 Abs. 3, 126 Abs. 2 S. 1, § 309 Abs. 2; GVG § 76 Abs. 1).
***
Zum Verwertungsverbot bei anlässlich einer grob rechtswidrigen Durchsuchung aufgefundenen Beweismitteln (LG Berlin, Beschluss vom 28.06.2008 - 525 Qs 102/08 zu StPO §§ 98, 102):
?... Die Polizei ermittelte in einem Mehrparteienwohnhaus wegen des Verdachts einer sog. Scheinehe. Der Verdacht erhärtete sich nicht. Die befragten Wohnungsnachbarn gaben jedoch an, dass in einer anderen Wohnung ?Illegale' verkehren würden. Auf das Klingeln der Beamten an der Wohnungstür wurde nicht geöffnet. Da Stimmen zu hören waren, klopften die Beamten an die Wohnungstür, worauf geöffnet wurde. Auf die Frage der Beamten, ob man die Wohnung betreten dürfe, wurden sie eingelassen. Dort sahen ?sie sich aus Gründen der Eigensicherung um' und entdeckten in der Speisekammer den späteren Besch., der im Begriff war, Btm in einem Toastbrot zu verstecken. ...
Die StA legt dem Angeschuldigten mit Anklage v. 16.04.2007 zur Last, in Berlin am 01.11.2007 unerlaubt Btm besessen zu haben ... Er soll gegen 19.15 Uhr des Tattages in der Speisekammer der Wohnung ... Berlin ... 4,327 g Kokaingemisch mit einem Kokainhydrochloridgehalt von 1,231 g, weitere 131 mg - gemeint sind offensichtlich 231 mg - Kokaingemisch, 1,979 g Cannabis sowie zwei Tabletten Ecstasy mit einem Gesamtgewicht von 436 mg verwahrt haben.
Mit dem angefochtenen Beschl. hat das AG Tiergarten die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen abgelehnt. Hiergegen richtet sich die nach § 210 Abs. 2 StPO statthafte sofortige Beschwerde der StA, die zulässig ist, in der Sache jedoch keinen Erfolg hat.
Das AG hat die Eröffnung der Hauptverfahrens mit Recht abgelehnt.
Die in der Anklageschrift unter IV. aufgeführten Überführungsstücke - insbes. die sichergestellten und zum Gegenstand des Anklagevorwurfs gemachten Btm - sind nicht verwertbar, weil die Wohnungsdurchsuchung grob rechtswidrig war.
Zwar hat die Wohnungsinhaberin den Polizeibeamten den Zutritt in den Flur der Wohnung entgegen den Ausführungen im amtsgerichtlichen Beschl. gestattet, was offensichtlich dem Umstand geschuldet war, dass sie den Anlass des Polizeieinsatzes nicht im Hausflur vor den Nachbarn besprechen wollte. Dass sie damit zugleich in die weitere Durchsuchung der Wohnung, die in der nach der Befragung der Wohnungsinhaberin erfolgten, wenn auch nur kurzen Nachschau in allen Räumlichkeiten zu sehen ist, eingewilligt hat, ist jedoch nicht ersichtlich. Die stillschweigende Duldung genügt insoweit nicht (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 105 Rn. 1). Vielmehr hätte - was hier nicht geschehen ist - über die Freiwilligkeit belehrt werden müssen, da - wie das AG zutreffend ausgeführt hat - die Voraussetzungen der §§ 102 ff. StPO nicht vorliegen. Auch aus Sicht der Kammer sind die vagen Angaben der Nachbarn, die Wohnung werde von ausländischen Personen frequentiert, bei diesen könne es sich nur um Illegale handeln, nicht geeignet, einen auf Tatsachen gestützten Anfangsverdacht für das Vorliegen einer Straftat zu begründen. Daran ändert auch nichts, dass die Polizeibeamten durch die geschlossene Wohnungstür ein Gespräch zwischen einer weiblichen und einer männlichen Person gehört hatten, die Wohnungsinhaberin, darauf angesprochen, die Frage nach dem Aufenthalt einer illegalen Person in der Wohnung aber verneinte, was sich bezogen auf den von den Polizeibeamten sodann in der Speisekammer angetroffenen Angeschuldigten auch als zutreffend erwies. Dies gilt um so mehr, als sich das Belauschen der Wohnung allein auf der Grundlage der von den Nachbarn geäußerten vagen Vermutungen als ein fragwürdiges ?Herumschnüffeln' darstellt.
Eine Verurteilung des Angesch. kann auch nicht auf seine geständigen Angaben in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung gestützt werden. Die Kammer teilt insoweit die Auffassung des AG, dass diese Angaben in unmittelbarem Zusammenhang mit der nicht verwertbaren, weil rechtswidrigen Sicherstellung der Btm stehen und deswegen ihrerseits nicht verwertbar sind. ..."
***
Aufzeichnungen des Beschuldigten, die dieser sich erkennbar zu seiner Verteidigung in dem gegen ihn laufenden Strafverfahren gemacht hat, dürfen weder beschlagnahmt noch gegen den Widerspruch des Beschuldigten verwertet werden. Dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger des Beschuldigten erklärt hatte, die Aufzeichnungen könnten zum Akteninhalt gemacht werden. In der Verteidigererklärung liegt kein Einverständnis des Beschuldigten, wenn dieser nicht selbst sein Einverständnis erteilt (OLG Naumburg, Beschluss vom 25.11.2003 - 2 b Js 50/02 - 2-2 StE 8/03-2, StV 2004, 529 f).
Bei einer erledigten Ermittlungsmaßnahme ist der Antrag auf Feststellung deren Rechtswidrigkeit zwar dann zulässig, wenn durch sie tiefgreifend in die Grundrechte des Betroffenen eingegriffen wird und sich ihre direkte Belastung nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung, einschließlich der Beschwerdeentscheidung in der Regel nicht erlangen kann. Bei Beschlagnahmemaßnahmen steht jedoch regelmäßig ein Zeitrahmen zur Verfügung, der dem Betroffenen die Ausschöpfung des Instanzenzuges ohne weiteres ermöglicht. Selbst bei fortwirkenden Beeinträchtigungen der Beschlagnahme eröffnet Art. 19 IV GG nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens und Wegfall der strafprozessualen Beschwer der Beschlagnahme dem Verurteilten nicht die Möglichkeit, einen bereits durchlaufenen Rechtszug erneut beschreiten zu können. Eine gem. § 98 II 7 StPO nicht oder nicht ordnungsgemäß erfolgte Belehrung kann allenfalls dann die Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme bewirken, wenn sie zu einer Vereitelung oder zumindest Beeinträchtigung der effektiven gerichtlichen Kontrolle der ermittlungsbehördlichen Maßnahme geführt hat. Verfahrensfehler bei der Durchsuchung führen nicht grundsätzlich zur Unverwertbarkeit der dabei aufgefundenen Beweise, lassen also die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme regelmäßig unberührt. Dies gilt namentlich für solche Verfahrensfehler, welche die Beweiserlangung bei hypothetisch rechtmäßiger Vorgehensweise nicht hindern (OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.04.2003 - 3 Ws 301/03, NStZ-RR 2003, 175).
*** (LG)
Räumt der Provider eines E-Mail-Accounts eines Beschuldigten den Ermittlungsbehörden im Hinblick auf eine bestimmte E-Mails betreffende Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung einen ?Gastzugang' ohne zeitliche oder inhaltliche Beschränkung ein, handelt es sich bei der Sicherstellung von durch den Beschluss nicht erfasste Straftaten betreffende E-Mails um rechtmäßige Zufallsfunde (LG Mannheim, Beschluss vom 12.10.2010 - 24 Qs 2/10 zu StPO §§ 94, 98, 103, 108, 110).
***
Ein Beschlagnahmebeschluss, der in seinen rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen nicht einmal ansatzweise über die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts des § 94 StPO hinausgeht, verletzt die dem Gericht als Kontrollorgan den Strafverfolgungsbehörden gegenüber obliegende Pflicht, durch geeignete Formulierungen im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren sicherzustellen, dass der Eingriff in die grundrechtlich geschützte Sphäre des Bürgers geschützt bleibt. Ein Beschlagnahmebeschluss verletzt das rechtliche Gehör, wenn das Gericht eine ausführliche inhaltliche Stellungnahme des Beschuldigten, die zu den tatsächlichen und rechtlichen Aspekten nähere Angaben macht, bei der Bestätigung der Beschlagnahme entweder nicht zur Kenntnis nimmt oder mit keinem Wort bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt (LG Berlin StV 2002, 67 f).
Der Ermittlungsrichter muß bei einer Beschlagnahmeanordnung regelmäßig in der Lage sein zu überblicken, welche Beweismittel bei einer Durchsuchung vorgefunden werden. Durch eine bloße Umschreibung der Beweismittel darf es nicht dem ausführenden Beamten überlassen bleiben, welche konkreten Unterlagen er als beweiserheblich ansieht. Diese Entscheidung ist dem Richter vorbehalten (LG Koblenz StV 2001, 501 f).
Siehe auch unter ?Anordnung und Ausführung einer Durchsuchung".
*** (AG)
?... Durch Beschluss vom 30.11.2011 wurde vom Amtsgericht Reutlingen die Beschlagnahme von Datenbeständen des Beschuldigten beschlossen, die sich auf Festplatten bei einem (Host)Provider befinden. Dort, bei der Fa. ? wurden in Vollziehung des Beschlusses Speicherträger (vier Festplatten) beschlagnahmt. Hiergegen wendet sich der Beschuldigte mit einer Beschwerde unter Datum 02.12.2011.
Der Beschwerde ist (teilweise) abzuhelfen. Der der Durchsuchung und Beschlagnahme zugrunde liegende Anfangsverdacht gegen den Beschuldigten besteht - nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens - unvermindert fort. Auch war die Fa. ? nicht gehalten oder gar ermächtigt, den Beschuldigten über die strafprozessuale Zwangsmaßnahme zu informieren.
Datenträger jeder Art sind, sofern sie nicht freiwillig herausgegeben werden, zu beschlagnahmen, um der gespeicherten Daten, dem eigentlichen Beweisgegenstand, habhaft zu werden. Handelt es sich dabei um (fest eingebaute) Festplatten o.ä. (Massespeicher), kann die ansonsten erforderliche Beschlagnahme des gesamten Computers bzw. Computersystems in der Weise durch den Beschuldigten abgewendet werden, dass er sich mit der Anfertigung einer Kopie der entsprechenden Dateien oder des gesamten Datenträgers (?Image') vor Ort auf externe Datenträger einverstanden erklärt. Sofern diese forensische Datensicherung aus tatsächlichen Gründen vor Ort nicht möglich ist, ist eine Mitnahme von Datenträgern unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes möglich. Die Herstellung von 1:1 Kopien, die beweissichere Anfertigung eines Datenträgerabbilds (forensische Duplikation) nur mittels anerkannter forensisch-technischer Verfahren und entsprechender Software und ?Toolkits' (vgl. nur: BSI-Leitfaden zur IT-Forensik, S. 26 ff. m.w.N.), hat unverzüglich zu geschehen.
Vorliegend ist - einzig und alleine - die Fortdauer der Beschlagnahme mit diesen Grundsätzen zeitlich nicht mehr vereinbar. Die Festplatten bzw. die Festplatte (mitgeteilt sind lediglich 750 GB) befinden sich seit mehr als drei Werktagen in behördlichem Gewahrsam. Der Beschuldigte lässt unwiderlegt anwaltlich vortragen, dass die Festplatten, offenbar Teil eines ?Dedicated-to-customer'-Servers bei der Fa. ? technisch besehen nicht nur seiner Datenverarbeitung dienen, sondern dass von ihm vorgehaltene ?Server'- und Datenspeicherkapazitäten und wohl auch Rechenleistung, insbesondere für Datenbankanwendungen, Dritten gewerblich überlassen wurden. Damit ist zwar keineswegs ausgeschlossen, dass sich auf dem sichergestellten Speichermedium auch die gesuchten Beweisgegenstände befinden, z.B. als eigenständige Datenbank, Teil eines File-Systems oder eines Mailservers. Das wird auch eingeräumt. Der tatsächliche (physikalische) Zugriff auf solche Server-Hardware ist freilich wegen der möglichen Betroffenheit Dritter unbedingt auf ein Minimum zu beschränken, soweit durch den tatsächlichen Zugriff auf die Festplatten und andere Hardware die Funktion des Servers beeinträchtigt oder unterbunden wird.
Nicht verwiesen werden kann die Ermittlungsbehörde darauf, einzelne Dateien oder Festplattenpartitionen o.a., gar vor einer Durchsicht, nur teilweise zu sichern. Weder genügt ein solches Vorgehen den Anforderungen an anerkannte forensischen Verfahren zur Datensicherung (u.a. eines ?physischen Sektorabbildes'), noch ist es zweckmäßig und unterliegt im Übrigen nur eingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle, solange die Grenzen sachlich, also bezogen auf das Beweisthema, nicht überschritten werden.
Auch wenn nach derzeitigem Wissenstand nicht nachvollziehbar ist, warum der Beschuldigte, als ?EDV-Berater', offensichtlich in grob fahrlässiger Weise die gebotenen Datensicherungsmaßnahmen (vgl. BSI IT-Grundschutz Empfehlungen, M 6.32, G 5.22 etc.) unterlassen hat, möglicherweise aus Kostengründen, ist die Beschlagnahme angesichts der eher geringen Datenmenge mit Ablauf von drei Werktagen, nach Anhörung des Finanzamtes Reutlingen, zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit aufzuheben. ..." (AG Reutlingen, Beschluss vom 05.12.2011 - 5 Gs 363/11)
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Unabhängig von der Dauer einer Beschlagnahme ist ein tiefgreifender Grundrechtseingriff als Voraussetzung des erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses für die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Beschlagnahme bereits dann gegeben, wenn dem Verteidiger über einen Zeitraum von mehr als fünf Wochen keine Akteneinsicht gewährt und dem Beschuldigten dadurch die Möglichkeit genommen wurde, noch während der Dauer der Beschlagnahme gerichtliche Entscheidung zu beantragen. Einer gerichtlichen Anordnung der Beschlagnahme bedarf es auch dann, wenn Gegenstände, die nach gerichtlicher Anordnung in einem Verfahren beschlagnahmt wurden, für die sie nicht mehr benötigt werden, nunmehr als Beweismittel für ein anderes Verfahren in amtlichem Gewahrsam verbleiben sollen (AG Bremen, Beschluss vom 23.05.2011 - 91a Gs 224/11 zu StPO §§ 98 II, 147; GG Art. 2 I).
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Anordnungsbefugnis - Überwachung der Telekommunikation § 100 b StPO (n.F.)
(1) Maßnahmen nach § 100a dürfen nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch das Gericht angeordnet werden. Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung auch durch die Staatsanwaltschaft getroffen werden. Soweit die Anordnung der Staatsanwaltschaft nicht binnen drei Werktagen von dem Gericht bestätigt wird, tritt sie außer Kraft. Die Anordnung ist auf höchstens drei Monate zu befristen. Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als drei Monate ist zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung unter Berücksichtigung der gewonnenen Ermittlungsergebnisse fortbestehen.
(2) Die Anordnung ergeht schriftlich. 2In ihrer Entscheidungsformel sind anzugeben:
1. soweit möglich, der Name und die Anschrift des Betroffenen, gegen den sich die Maßnahme richtet,
2. die Rufnummer oder eine andere Kennung des zu überwachenden Anschlusses oder des Endgerätes, sofern sich nicht aus bestimmten Tatsachen ergibt, dass diese zugleich einem anderen Endgerät zugeordnet ist,
3. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme unter Benennung des Endzeitpunktes.
(3) Auf Grund der Anordnung hat jeder, der Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und ihren im Polizeidienst tätigen Ermittlungspersonen(§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) die Maßnahmen nach § 100a zu ermöglichen und die erforderlichen Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Ob und in welchem Umfang hierfür Vorkehrungen zu treffen sind, bestimmt sich nach dem Telekommunikationsgesetz und der Telekommunikations-Überwachungsverordnung. 3§ 95 Abs. 2 gilt entsprechend.
(4) Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, so sind die auf Grund der Anordnung ergriffenen Maßnahmen unverzüglich zu beenden. Nach Beendigung der Maßnahme ist das anordnende Gericht über deren Ergebnisse zu unterrichten.
(5) Die Länder und der Generalbundesanwalt berichten dem Bundesamt für Justiz kalenderjährlich jeweils bis zum 30. Juni des dem Berichtsjahr folgenden Jahres über in ihrem Zuständigkeitsbereich angeordnete Maßnahmen nach § 100a. Das Bundesamt für Justiz erstellt eine Übersicht zu den im Berichtsjahr bundesweit angeordneten Maßnahmen und veröffentlicht diese im Internet.
(6) In den Berichten nach Absatz 5 sind anzugeben:
1. die Anzahl der Verfahren, in denen Maßnahmen nach § 100a Abs. 1 angeordnet worden sind;
2. die Anzahl der Überwachungsanordnungen nach § 100a Abs. 1, unterschieden nach
a) Erst- und Verlängerungsanordnungen sowie
b) Festnetz-, Mobilfunk- und Internettelekommunikation;
3. die jeweils zugrunde liegende Anlassstraftat nach Maßgabe der Unterteilung in § 100a Abs. 2.
Leitsätze/Entscheidungen:
In der Zuordnung von Telekommunikationsnummern zu ihren Anschlussinhabern liegt ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Demgegenüber liegt in der Zuordnung von dynamischen IP-Adressen ein Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber muss bei der Einrichtung eines Auskunftsverfahrens sowohl Rechtsgrundlagen für die Übermittlung, als auch für den Abruf von Daten schaffen. Das automatisierte Auskunftsverfahren der §§ 112, 111 TKG ist mit der Verfassung vereinbar. § 112 TKG setzt dabei für den Abruf eigene Ermächtigungsgrundlagen voraus. Das manuelle Auskunftsverfahren der §§ 113 Abs. 1 Satz 1, 111, 95 Abs. 1 TKG ist in verfassungskonformer Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar. Zum einen bedarf es für den Abruf der Daten qualifizierter Rechtsgrundlagen, die selbst eine Auskunftspflicht der Telekommunikationsunternehmen normenklar begründen. Zum anderen darf die Vorschrift nicht zur Zuordnung dynamischer IP-Adressen angewendet werden. Die Sicherheitsbehörden dürfen Auskünfte über Zugangssicherungscodes (§ 113 Abs. 1 Satz 2 TKG) nur dann verlangen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Nutzung gegeben sind (BVerfG, Beschluss vom 24.01.2012 - 1 BvR 1299/05).
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?... I. Die Beschwerdeführerinnen wenden sich gegen die Verpflichtung zur Auskunft über eine Internetprotokoll-Adresse ohne vorherige Einholung einer richterlichen Anordnung gemäß § 100g, § 100b StPO.
1. a) Die Beschwerdeführerin zu 2) ist ein Unternehmen, das eine Vielzahl von IT-Dienstleistungen für Banken erbringt, insbesondere die Bereitstellung und den technischen Betrieb des ?Online-Bankings". Die Beschwerdeführerin zu 1) ist Leiterin der Rechtsabteilung im Unternehmen der Beschwerdeführerin zu 2). In einem Ermittlungsverfahren wegen Computerbetruges zum Nachteil eines Online-Banking-Nutzers (sogenanntes Phishing) forderte die Staatsanwaltschaft Baden-Baden die Beschwerdeführerin zu 2) mit Schreiben vom 12. Oktober 2009 auf, die Internetprotokoll-Adresse (im Folgenden: IP-Adresse) des Auftraggebers eines näher bezeichneten Überweisungsvorgangs mitzuteilen. Das Auskunftsersuchen stützte die Staatsanwaltschaft auf die allgemeine Ermittlungsgeneralklausel des § 161 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 15 Abs. 5 Satz 4, § 14 Abs. 2 des Telemediengesetzes (TMG). Zur Begründung führte sie aus, im Rahmen der von der Beschwerdeführerin zu 2) erbrachten Dienstleistungen stehe das Online-Banking als Telemediendienst im Vordergrund, weshalb diese keine Telekommunikationsdienste im Sinne des Telekommunikationsgesetzes (TKG) erbringe und daher dem Fernmeldegeheimnis des Art. 10 Abs. 1 GG, § 88 TKG nicht unterliege. Eine richterliche Anordnung gemäß § 100g, § 100b StPO sei nicht erforderlich.
b) Der Aufforderung zur Auskunft kam die Beschwerdeführerin zu 2) nicht nach. Die Staatsanwaltschaft Baden-Baden lud daraufhin am 19. Oktober 2009 die Beschwerdeführerin zu 1) als Zeugin, damit diese über die IP-Adresse Auskunft gebe. Die Beschwerdeführerin zu 1) erschien zum Termin, verweigerte jedoch die Aussage mit dem Hinweis, bei Erteilung der Auskunft ohne Erlass einer richterlichen Anordnung gemäß § 100g, § 100b StPO gegen das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG, § 88 TKG zu verstoßen und sich gemäß § 206 StGB strafbar zu machen.
c) Mit Bescheid vom 27. Oktober 2009 setzte die Staatsanwaltschaft Baden-Baden daraufhin ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 Euro gegen die Beschwerdeführerin zu 1) fest. Den hiergegen erhobenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 161a Abs. 3 Satz 1 StPO wies das Amtsgericht Baden-Baden mit Beschluss vom 16. April 2010 zurück. Auf eine Dienstaufsichtsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1) gegen das Auskunftsverlangen, die Zeugenladung und den Ordnungsgeldbescheid teilte die Generalstaatsanwaltschaft in Karlsruhe unter dem 6. Mai 2010 mit, dass die angegriffenen Maßnahmen durch das Beschwerdevorbringen nicht in Frage gestellt würden. In den Begründungen wurde die Auffassung der Staatsanwaltschaft Baden-Baden aufgegriffen und im Wesentlichen darauf abgestellt, dass im Vordergrund der von der Beschwerdeführerin zu 2) erbrachten Dienstleistungen das Online-Banking als Telemediendienst stehe, das Fernmeldegeheimnis folglich nicht berührt sei.
2. Mit der fristgerecht eingegangenen Verfassungsbeschwerde wenden die Beschwerdeführerinnen sich gegen die vorgenannten Anordnungen und Entscheidungen.
Die Beschwerdeführerin zu 1) sieht sich insbesondere in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 und Abs. 2 GG verletzt. Bei dem Auskunftsgegenstand, der IP-Adresse eines unbekannten Nutzers, handle es sich um ein Verbindungsdatum, das dem Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG unterfalle; für Auskünfte darüber bestehe von Verfassungs wegen ein Richtervorbehalt. Die Beschwerdeführerin zu 2) werde bei der Durchführung des Online-Bankings auch als Erbringerin von Telekommunikationsdienstleistungen tätig; die IP-Adressen der Online-Banking-Nutzer erhebe sie ausschließlich in dieser Eigenschaft, nämlich bei der Bereitstellung des Internet-Zugangs und zum Aufbau der Telekommunikationsverbindung zum jeweiligen Nutzer, nicht dagegen für die Anwendung und Durchführung des Online-Bankings.
Ferner rügen die Beschwerdeführerinnen Verletzungen der Art. 103 Abs. 2, Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 19 Abs. 4, Art. 12 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 GG.
II. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 (24 ff.); 96, 245 (248 ff.)).
1. Soweit die Beschwerdeführerin zu 1) einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 und Abs. 2 GG rügt, ist die Verfassungsbeschwerde mangels einer den gesetzlichen Anforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechenden substantiierten Begründung unzulässig.
Mit der Verhängung des Ordnungsgelds gegen die Beschwerdeführerin zu 1) ist ein Eingriff in ihre allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG verbunden, dessen Rechtsgrundlage sich aus § 161a Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 70 Abs. 1 Satz 2 StPO ergibt. Die Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften im Einzelfall prüft das Bundesverfassungsgericht nicht umfassend nach; die verfassungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich vielmehr auf die Frage, ob spezifisches Verfassungsrecht verletzt wurde (stRspr, vgl. nur BVerfGE 18, 85 (92 f.)). Letzteres ist der Fall, wenn eine gerichtliche Entscheidung auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Grundrechte beruht, deren Verletzung geltend gemacht wird, oder wenn das Auslegungsergebnis selbst die geltend gemachten Grundrechte verletzt (vgl. BVerfGE 30, 173 (188)). Nach diesen Maßstäben hat die Beschwerdeführerin eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts nicht hinreichend dargelegt. Auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens ist insbesondere nicht zu entscheiden, ob die angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts Baden-Baden Bedeutung und Tragweite von Art. 10 GG verkennt.
a) Offen erscheint bereits, ob mit der staatlich angeordneten Auskunftserteilung ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG verbunden ist.
aa) Das Fernmeldegeheimnis gewährleistet die Vertraulichkeit der individuellen Kommunikation, wenn diese wegen der räumlichen Distanz zwischen den Beteiligten auf eine Übermittlung durch andere angewiesen ist und deshalb in besonderer Weise einen Zugriff Dritter - einschließlich staatlicher Stellen - ermöglicht. Die Beteiligten sollen weitgehend so gestellt werden, wie sie bei einer Kommunikation unter Anwesenden stünden. Das Grundrecht ist entwicklungsoffen und umfasst nicht nur die bei Entstehung des Gesetzes bekannten Arten der Nachrichtenübertragung, sondern auch neuartige Übertragungstechniken (BVerfGE 46, 120 (144); 115, 166 (182)). Der Schutzbereich erfasst neben den Kommunikationsinhalten alle näheren Umstände des Fernmeldeverhältnisses und bezieht sich sowohl auf die Tatsache der Kommunikation als auch auf die Verbindungsdaten über Teilnehmer, Anschlüsse und Nummern, unter welchen die Teilnehmer miteinander in Kontakt treten (BVerfGE 107, 299 (312); 113, 348 (364 f.); 115, 166 (183); 120, 274 (307); 124, 43 (54); BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris, Rn. 189). Hierzu zählen auch IP-Adressen.
Demgegenüber unterfallen solche Verbindungsdaten, die nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs beim Telekommunikationsteilnehmer aufgezeichnet und gespeichert werden, nicht dem Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG, sondern werden durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützt (BVerfGE 115, 166 (183 ff.); 120, 274 (307 f.); 124, 43 (54)). Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses endet in dem Moment, in dem die Nachricht bei dem Empfänger angekommen und der Übertragungsvorgang beendet ist. Die spezifischen Gefahren der räumlich distanzierten Kommunikation bestehen im Herrschaftsbereich des Empfängers, der eigene Schutzvorkehrungen treffen kann, nicht. Die Nachricht ist mit Zugang beim Empfänger nicht mehr den erleichterten Zugriffsmöglichkeiten Dritter ausgesetzt, die sich aus der fehlenden Beherrschbarkeit und Überwachungsmöglichkeit des Übertragungsvorgangs durch die Kommunikationsteilnehmer ergeben. Die gespeicherten Inhalte und Verbindungsdaten unterscheiden sich dann nicht mehr von Datenbeständen, die der Nutzer selbst angelegt hat (BVerfGE 115, 166 (185)).
Die Einordnung einer Leistung unter das Regelungsregime des Telekommunikationsgesetzes oder des Telemediengesetzes bestimmt nicht über die Reichweite des Schutzbereichs des Art. 10 Abs. 1 GG. Art. 10 Abs. 1 GG folgt nicht dem rein technischen Telekommunikationsbegriff des Telekommunikationsgesetzes, sondern knüpft personal an den Grundrechtsträger und dessen Schutzbedürftigkeit aufgrund der Einschaltung Dritter in den Kommunikationsvorgang an
(BVerfGE 124, 43 (55 f.); BVerfGK 9, 62 (75)).
bb) Die Beschwerdeführerinnen haben nicht hinreichend dargelegt, dass die in Rede stehende IP-Adresse von der Beschwerdeführerin zu 2) als Erbringerin von Telekommunikationsleistungen während eines laufenden Telekommunikationsübertragungsvorgangs erhoben wurde und damit außerhalb des Herrschaftsbereichs der Kommunikationsteilnehmer anfiel. Die Beschwerdeführerinnen behaupten zwar, die Beschwerdeführerin zu 2) stelle selbst einen - verschlüsselten - Internetzugang für die Bank her. Dem Beschwerdevortrag ist aber nicht eindeutig zu entnehmen, dass mit den von der Beschwerdeführerin zu 2) erbrachten Leistungen die Tätigkeit eines gesonderten ?Internet Service Providers" auf Seiten der Bank tatsächlich entbehrlich wird. Insbesondere verhält sich der Beschwerdevortrag auch nicht dazu, auf welchem Wege der Bank beziehungsweise der Stelle tätig werdenden Beschwerdeführerin zu 2) eine IP-Adresse zugeteilt wird; dieser Frage kommt für die Einordnung der Tätigkeit der Beschwerdeführerin aber Bedeutung zu. Auch der Hinweis auf die Verschlüsselung der Verbindung durch die Beschwerdeführerin zu 2) führt nicht weiter, da nicht deutlich wird, inwieweit es sich bei der Verschlüsselung um eine Maßnahme handelt, die nicht auch ein gewöhnlicher Internetnutzer unter Verwendung entsprechender Technik durchführen könnte.
b) Ebenso wenig lässt sich auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens sagen, ob ein möglicher Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG gerechtfertigt wäre oder ob die den angefochtenen Entscheidungen zugrunde liegende Rechtsauffassung, wonach eine richterliche Anordnung für die Auskunftserteilung über die IP-Adresse nicht erforderlich ist, die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage verkennt.
aa) Die Schrankenbestimmung des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG sieht - anders als die durch Art. 13 GG gewährleistete Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung - das Erfordernis eines Richtervorbehalts für Eingriffe nicht ausdrücklich vor und stellt dem Wortlaut nach auch im Übrigen keine qualifizierten Anforderungen an die Ausgestaltung der Ermächtigungsgrundlagen.
Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann, wenn sich der Eingriff im Einzelfall als so schwerwiegend darstellt, dass den Anforderungen an die Wahrung der Verhältnismäßigkeit und die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nur im Wege einer vorherigen richterlichen Kontrolle Rechnung getragen werden kann (BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris, Rn. 248). Für die Abfrage und Übermittlung von Telekommunikationsdaten kann dies der Fall sein, wenn diese über einen längeren Zeitraum in großem Umfang gespeichert werden und im Falle ihrer Auswertung detaillierte Rückschlüsse auf das Kommunikations- und Bewegungsverhalten einer Person zulassen würden (BVerfGE 107, 299 (319 f.); BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris, Rn. 227).
Für die Frage, welches Gewicht dem in der Datenabfrage und Verwendung der Daten liegenden Eingriff in die Privatsphäre einer Person zukommt, ist daher neben dem Zweck der Verwendung und der Art und Weise der Abfrage - heimlich oder offen - auch der Anlass und Umfang der Speicherung von Bedeutung. Die Abfrage von Verbindungsdaten aus einem Datensatz, der aufgrund einer anlasslosen systematisch über einen längeren Zeitraum vorgenommenen Speicherung erstellt wurde, stellt einen intensiveren Eingriff dar als die Abfrage von Daten, die ein Telekommunikationsanbieter in Abhängigkeit von den jeweiligen betrieblichen und vertraglichen Umständen - etwa zu Abrechnungszwecken gemäß §§ 96, 97 TKG - kurzfristig aufzeichnet. Bei der längerfristigen Aufzeichnung einer Gesamtheit von Daten kann aufgrund der möglichen Rückschlüsse auf die Privatsphäre einer Person nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Rückgriff auf diese Daten grundsätzlich geringer wiegt als eine inhaltsbezogene Telekommunikationsüberwachung (BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris, Rn. 227).
bb) Das Beschwerdevorbringen enthält keine näheren Aussagen darüber, auf welcher Rechtsgrundlage, zu welchem Zweck und wie lange die Beschwerdeführerin zu 2) die IP-Adressen speichert und inwiefern im Zusammenhang mit den IP-Adressen weitere Daten erhoben werden. Damit ist eine Beurteilung der Schwere des in der Abfrage liegenden Eingriffs ebenso wenig möglich wie eine nähere Konkretisierung der Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit für den Abruf und die Verwendung der abgefragten Daten.
Als Rechtsgrundlage für eine Speicherung der IP-Adressen kommen sowohl die Vorschriften des Telekommunikations- als auch des Telemediengesetzes in Betracht. Nach § 96 Abs. 2 TKG dürfen Verkehrsdaten über das Ende der Verbindung hinaus nur verwendet werden, wenn dies zum Aufbau weiterer Verbindungen oder für die in §§ 97, 99, 100 und 101 TKG genannten Zwecke - Abrechnungszwecke, Störungsbeseitigung und Missbrauchsbekämpfung - erforderlich ist; im Übrigen sind sie nach Beendigung der Verbindung unverzüglich zu löschen. Die §§ 113a, 113b TKG, nach denen Telekommunikationsdienste zur Speicherung von Verkehrsdaten über einen Zeitraum von sechs Monaten verpflichtet waren, hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 2. März 2010 (1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris) für nichtig erklärt. Zuvor waren die Anbieter von Telekommunikationsdiensten zur Speicherung der Daten verpflichtet; allerdings wurde die Pflicht zur Übermittlung an die ersuchenden Behörden vom Bundesverfassungsgericht ab dem 11. März 2008 einstweilen ausgesetzt (einstweilige Anordnung vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08, BGBl I S. 659; wiederholt und erweitert mit Beschluss vom 28. Oktober 2008, BGBl I S. 2239; zuletzt wiederholt mit Beschluss vom 15. Oktober 2009, BGBl I S. 3704). Da das Auskunftsverlangen der Staatsanwaltschaft Baden-Baden vom 12. Oktober 2009 datiert, erscheint eine Speicherung der vorliegend interessierenden Daten auf dieser Grundlage jedenfalls nicht ausgeschlossen. Soweit die Speicherung der IP-Adresse allein für die Herstellung einer verschlüsselten Verbindung unter Nutzung fremder Telekommunikationsdienste erforderlich wäre, kommen als Rechtsgrundlage §§ 14, 15 TMG in Betracht.
Auch unter Berücksichtigung der im Urteil zur Vorratsdatenspeicherung aufgestellten Grundsätze (BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, juris, Rn. 227, 247) lässt sich nicht sagen, dass die Herausgabe einer einzelnen IP-Adresse losgelöst von den angesprochenen Fragen in jedem Fall einen derart schwerwiegenden Eingriff in den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG darstellen würde, dass eine auf die allgemeine Ermittlungsgeneralklausel des § 161 Abs. 1 StPO gestützte Auskunftserteilung in jedem Fall unzulässig wäre (zur Reichweite des § 161 Abs. 1 StPO vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Februar 2009 - 2 BvR 1372/07, 2 BvR 1745/07 -, NJW 2009, S. 1405 (1407)).
2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen. ..." (BVerfG, 2 BvR 1124/10 vom 13.11.2010, Absatz-Nr. (1 - 24), www.bverfg.de/entscheidungen/rk20101113_2bvr112410.html)
*** (BGH)
? ... Der Revision ist allerdings dahingehend uneingeschränkt zuzustimmen, dass die Begründungen der richterlichen Entscheidungen zu den Abhörmaßnahmen, die der Revisionsrüge zugrunde liegen, in keiner Weise den an diese inhaltlich zu stellenden Anforderungen genügen. Die - gemäß § 34 StPO - zu begründenden Beschlüsse, die die Überwachung der Telekommunikation anordnen beziehungsweise gestatten (§ 100b Abs. 1 Satz 1 StPO) oder bestätigen (§ 100b Abs. 1 Satz 3 StPO) müssen zumindest eine knappe Darlegung der den Tatverdacht begründenden Tatsachen und der Beweislage enthalten, um die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme zu ermöglichen, wobei in geeigneten Fällen auch eine konkrete Bezugnahme auf Aktenteile genügen kann (BGHSt 47, 362 [366]). Keinesfalls darf sich der Richter mit der formelhaften Zitierung des Gesetzestextes begnügen und dabei gar - wie hier in einem Fall - den zugrunde liegenden Straftatbestand verschweigen (?Katalogtat").
Entsprechendes gilt für die Eilanordnungen des Staatsanwalts. Zu beanstanden ist dabei zudem das Fehlen jeglicher - auch nicht nachträglicher - Dokumentation der tatsächlichen Grundlagen, die es gerechtfertigt erscheinen ließen, davon auszugehen, dass eine richterliche Entscheidung ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks nicht rechtzeitig zu erlangen war. Dabei hätte es auch einer Darstellung dazu bedurft, welche Versuche unternommen wurden, den zuständigen Richter zu erreichen, oder weshalb wegen besonderer Eibedürftigkeit selbst hierzu keine Zeit war (vgl. BVerfG NJW 2001, 1121 [1124]). Denn dies versteht sich an einem Werktag am Vormittag, aber auch um die Mittagszeit keineswegs von selbst.
b) Die ungenügende Fassung der richterlichen oder staatsanwaltschaftlichen Anordnungen der Überwachung der Telekommunikation begründet jedoch nicht per se die Rechtswidrigkeit dieser Maßnahmen mit der Folge der Unverwertbarkeit der hieraus gewonnenen Erkenntnisse. Entscheidend sind vielmehr die tatsächlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Überwachung der Telekommunikation, d.h. ob danach die Gestattung der Überwachung und, soweit es sich um staatsanwaltschaftliche Eilanordnungen handelte, auch die Annahme von Gefahr im Verzug, vertretbar war. Inwieweit die Strafkammer in diesem Fall das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen zur vertretbaren Anordnung der Überwachung der Telefongespräche - während der Verfahrensvorbereitung oder während der Hauptverhandlung - überprüfte, ist offen. Von Amts wegen muss dies jedenfalls im Grundsatz nicht geschehen (vgl. Senat, Beschluss vom heutigen Tag - 7. März 2006 - 1 StR 316/05 Rdn. 8 ff.; dass der Kernbereich privater Lebensführung betroffen ist, liegt hier fern). Der Darstellung einer entsprechenden Überprüfung - wenn sie gleichwohl während der Hauptverhandlung erfolgte - und deren tatsächlicher Grundlagen in den Urteilsgründen bedarf es nicht. Zur Vermeidung der Überfrachtung der schriftlichen Urteilsgründe ist dies regelmäßig sogar tunlichst zu vermeiden. § 267 Abs. 1 Satz 2 StPO gebietet auch unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Darstellung der Beweiswürdigung nicht die Darstellung des Gangs der Ermittlungen oder der Voraussetzungen einzelner Maßnahmen während des Ermittlungsverfahrens. Werden insoweit - mittels einer Verfahrensrüge - Fehler geltend gemacht, die den Bestand des Urteils in Frage stellen, so wird der entsprechende Vortrag (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), sofern er schlüssig ist, hinsichtlich der behaupteten tatsächlichen Grundlagen vom Revisionsgericht im Freibeweisverfahren überprüft.
c) Dessen bedürfte es - sofern die Rüge in zulässiger Form erhoben worden wäre - hier aber schon deshalb nicht, da der Verwertung der Gespräche, auf die sich die Revisionsrüge bezieht, weder bis zu dem gemäß § 257 StPO maßgebenden Zeitpunkt - und auch nicht während der weiteren Hauptverhandlung - widersprochen wurde. Dies wäre jedoch notwendig gewesen, schon weil das Verwertungsverbot für den Angeklagten disponibel ist (vgl. Senat, Beschluss vom 7. März 2006 - 1 StR 316/05 Rdn. 8). ...
d) Letztlich kommt es aber auch hierauf nicht an. Wäre der Antrag als Widerspruch gegen die Verwertung wegen fehlender Voraussetzungen der Anordnung der Überwachung der Telekommunikation zu werten, so beträfe dies nur die drei von der Verfügung des Vorsitzenden erfassten Gespräche vom 21. und 22. September 2004. Das Abhören der elf Gespräche aus der Zeit vom 8. Oktober bis zum 5. November 2004, das die Revision angreift, wurde jedoch erst mit dem danach verkündeten Beschluss angeordnet. Gegen dessen Vollzug, also auch gegen das Anhören der elf aufgezeichneten Gespräche, auf die sich die Revisionsrüge bezieht, erhob der Angeklagte beziehungsweise sein Verteidiger dann keinen Einwand. Auch nach dem Vorspielen der Gespräche, nach der Verlesung von Anordnungen zur Überwachung der Telekommunikation und auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung wurde die Möglichkeit der Verwertung der angehörten Telefonate nie auch nur in Frage gestellt, geschweige denn, wurde ein förmlicher Widerspruch gegen deren Verwertung erhoben.
e) Abschließend sei auf Folgendes hingewiesen: Aufgrund der in der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft zur Revisionsbegründung mitgeteilten tatsächlichen Grundlagen - teilweise unter Hinweis auf die entsprechenden Aktenteile - für die Anordnung der Überwachungsmaßnahmen zum Anordnungszeitpunkt bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese Anordnungen nicht zumindest rechtlich vertretbar waren. Ferner wird in dieser Gegenerklärung hinsichtlich der beiden beanstandeten Eilanordnungen des Staatsanwalts auch der Zwang zum sofortigen Handeln ausreichend belegt. ..." (BGH, Beschluss vom 07.03.2006 - 1 StR 534/05)
Anrechnung § 51 StGB
(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.
(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.
(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.
(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.
(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111 a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Anrechnung verfahrensfremder Untersuchungs- oder Auslieferungshaft ist verfassungsrechtlich immer dann geboten, wenn zwischen der die Haft auslösenden Tat und der Tat, die der Verurteilung zugrunde liegt, ein funktionaler Zusammenhang besteht oder zwischen ihnen ein irgendwie gearteter sachlicher Bezug bestanden hat. Die Annahme einer Verfahrenseinheit ist bei einer Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO verfassungsrechtlich geboten. Dies gilt auch dann, wenn die Untersuchungshaft bereits beendet war, bevor die später abgeurteilten Taten begangen wurden. Dies gilt auch bei Überhaftnotierung. Dabei spielt es keine Rolle, daß die Untersuchungshaft, um deren Berücksichtigung es geht, zu dem Zeitpunkt, als die funktionale Verbindung durch den Erlaß eines neuen - nicht vollzogenen - Haftbefehls hergestellt worden ist, bereits beendet war und - formal gesehen - sogar auf einem anderen, zwischenzeitlich aufgehobenen Haftbefehl beruhte. Entscheidend ist, daß durch die wechselseitige Sicherungsfunktion zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Verknüpfung beider Verfahren entstanden ist, die die Anrechnung rechtfertigt (BVerfG, Beschluss vom 15.05.1999 - 2 BvR 116/99).
***
?... 2. Das Landgericht hat indes entgegen § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB im Urteil keine Bestimmung über den Maßstab getroffen, nach dem die in der Schweiz aus Anlass der abgeurteilten Taten erlittene Freiheitsentziehung auf die erkannte Freiheitsstrafe anzurechnen ist. Dabei kann dahinstehen, ob diese Freiheitsentziehung in Form von Auslieferungs- oder zusätzlich auch noch in Form von Abschiebehaft erfolgt ist (vgl. einerseits Urteilsabdruck UA 3, andererseits UA 4). In beiden Fällen hat die unterbliebene Anrechnung zu erfolgen, wenn, was hier der Fall ist, die Freiheitsentziehung "aus Anlass der Tat" erfolgte (BGH, Beschluss vom 10. April 1997 - 5 StR 674/96, NStZ 1997, 385; MünchKommStGB/Franke, § 51 Rn. 21). In entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO kann der Senat im vorliegenden Fall den Anrechnungsmaßstab selbst bestimmen, da nur eine Anrechnung im Verhältnis von 1 : 1 in Betracht kommt (BGH, Beschluss vom 15. April 2008 - 1 StR 166/08, Beschluss vom 5. August 2010 - 2 StR 254/10). ..." (BGH, Beschluss vom 05.06.2012 - 4 StR 58/12)
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Bei der Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe ist ein Härteausgleich für erledigte, an sich gesamtstrafenfähige Vorstrafen im Wege der Vollstreckungslösung zu gewähren (BGH, Beschluss vom 20.01.2010 - 2 StR 403/09 zu StGB §§ 51, 54, 55, 57 a, 57 b).
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Erschwernisse während einer in Australien vollzogenen Auslieferungshaft - fortwährende Bedrohungen des Angeklagten durch Mithäftlinge, woran auch Beschwerden beim Anstaltspersonal nichts geändert haben; Bedrohung und Einschüchterung durch einen Vollzugsbeamten; teilweise Unterbringung in Räumen ohne Tageslicht; nicht funktionierende und videoüberwachte Toiletten mit der Folge, dass bei dem Angeklagten Depressionen und Angstzustände eintraten und er zweimal in Hungerstreik trat - rechtfertigen es, die in Australien erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 2:1 anzurechnen (BGH, Beschluss vom 13.08.2009 - 3 StR 255/09).
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?... Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Das mit der Sachrüge begründete Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen den Schuldspruch und die lebenslange Freiheitsstrafe richtet.
Die gebotene Prüfung des angefochtenen Urteils führt aber zur Nachholung der Festsetzung des Anrechnungsmaßstabs für die in der Tschechischen Republik im Auslieferungsverfahren erlittene Freiheitsentziehung. Solches ist entsprechend § 51 Abs. 3, Abs. 4 Satz 2 StGB auch bei der hier verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe geboten, weil die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung auch auf die durch § 57a Abs. 1 Nr. 1 StGB festgesetzte Mindestverbüßungszeit anzurechnen ist (BGHR StGB § 51 Abs. 4 Anrechnung 4).
Der Senat hat den Anrechnungsmaßstab entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst im Verhältnis 1:1 bestimmt (vgl. BGHR aaO). Dafür war ausschlaggebend, dass der Angeklagte seit Mai 1997 bis zu seiner Festnahme am 4. April 2005 in der Tschechischen Republik gelebt hat und dass Anhaltspunkte für eine andere Anrechnung weder ersichtlich noch vorgetragen sind (vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. August 2001 - 1 StR 322/01). ..." (BGH, Beschluss vom 06.04.2006 - 5 StR 99/06)
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Weichen die Bedingungen in Mazedonien erlittener Auslieferungshaft erheblich von in Deutschland erlittener Untersuchungshaft ab, kann die in Mazedonien erlittene Haft im Verhältnis von 1:3 angerechnet werden (LG Verden (Aller), Urteil vom 06.07.2006 - 2-1/06).
Die Zeit in brasilianischer Auslieferungshaft ist mit einem Umrechnungsfaktor von 2,5 anzurechnen, wenn der Beschuldigte in einer Zelle mit 9 qm freier Fläche, die für 6 Personen ausgelegt ist, mit 14 bis 17 Mitinsassen untergebracht wurde, als Toilette ein Loch im Boden diente, die Zelle fensterlos und ohne Frischluft war, die Temperatur zeitweise bei 40 Grad Celcius lag und das verabreichte Essen unzureichend und teilweise verdorben war (LG München II StV 2001, 19 f).
Anspruch auf Übersetzung
Ein der deutschen Sprache nicht mächtiger Bürger kann verlangen, dass ihm Übersetzungen der Anklageschrift, des Bußgeldbescheides, des Haftbefehls und des Strafbefehls vorgelegt werden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann er erfolgreich beantragen, wenn er Fristen versäumt, weil er keine Übersetzung des Bußgeldbescheides, der Ladung, der Rechtmittelbelehrung und des Strafbefehls erhalten hat (vgl. Schmidt, Verteidigung von Ausländern, 2 A.. 2005, Rz 232 ff, 243).
Anstiftung § 26 StGB
Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.
Hinweise:
Anstiftung ist das ursächliche Hervorrufen des Tatentschlusses durch eine Willensbeeinflussung im Wege des geistigen Kontaktes zwischen dem Anstifter und dem Angestifteten.
Nach § 30 I StGB ist auch eine versuchte Anstiftung strafbar. Eine versuchte Anstiftung kommt in Betracht, wenn eine vollendete Anstiftung nicht vorliegt. Das kommt in Betracht, wenn die Haupttat gar nicht oder unabhängig von dem Einfluss des Anstifters begangen worden ist. Die in Betracht kommende Haupttat müsste ein Verbrechen sein.
Leitsätze/Entscheidungen:
Anstiftung i.S. des § 26 StGB ist die vorsätzliche Bestimmung eines anderen zur Begehung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Tat. Unter Bestimmen ist die Einflußnahme auf den Willen eines anderen zu verstehen, die diesen zu dem im Gesetz beschriebenen Verhalten bringt. In welcher Form und durch welche Mittel die Einflußnahme erfolgt, ist gleich (st.Rspr.; vgl. BGH Urteil vom 20.01.2000 - 4 StR 400/99).
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Grundsätzlich bestehen Bedenken dagegen, daß ein in staatlichem Auftrag handelnder Lockspitzel den von ihm in strafbares Tun verwickelten Täter durch weitere Geschäfte tiefer in Schuld und Unrecht verstrickt, als es zur Überführung und Bestrafung erforderlich ist. Im Hinblick auf den schuldmildernden Umstand der Anstiftung durch einen polizeilichen Lockspitzel muß das Gericht prüfen, ob und in welchem Umfang gegen den Angeklagten ein Verdacht bestand, der den Einsatz eines Lockspitzels rechtfertigen konnte. Zur Strafzumessung bei Betäubungsmitteldelikten, wenn ein polizeilicher Lockspitzel auf den Täter eingewirkt hat (BGH, Entscheidung vom 19.05.1987 - 1 StR 202/87).
Bleibt zweifelhaft, ob der Angeklagte den Täter zu dessen Tat angestiftet oder ob er ihm nur Hilfe geleistet hat, so ist er wegen Beihilfe zu verurteilen (BGH, Urteil vom 28.10.1982 - 4 StR 480/82).
(1) Fremde Haupttat (Täterschaft - Teilnahme)
?... Im Rahmen der Teilnahmelehre ist anerkannt, dass sich der Vorsatz des Anstifters oder Gehilfen in jedem Fall auf eine vollendete Haupttat erstrecken muss (Hoyer in SK-StGB vor § 26 Rdn. 59 m. w. N.). Wenn die Haupttat objektiv nicht über das Versuchsstadium hinausgelangt, genügt für die Annahme einer strafbaren Beteiligung an dieser versuchten Tat dementsprechend nicht, dass der Teilnehmer den Vorsatz hatte, dass es durch seine Anstiftungs- oder Unterstützungshandlung jedenfalls zu dem tatsächlich begangen Versuch kommen wird. Vielmehr kommt eine strafbare Teilnahme erst in Betracht, wenn er eine vollendete Tat angestrebt hat oder - zumindest mit bedingtem Vorsatz - von einer Vollendung ausgegangen ist. ..." (BGH, Beschluss vom 24.10.2006 - 3 StR 392/06)
***
?... 1. Die Verneinung von Mittäterschaft der Angekl. S hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Der Tatrichter hat zwar die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme erörtert (vgl. hierzu auch Senatsurt. v. 16. 7. 2003 - 2 StR 68/03). Seine wertende Betrachtung beruht jedoch auf einem zu engen Verständnis der Beurteilungsgrundlage. Auch wird seine Annahme, die Angekl. S habe die Tat nicht als eigene gewollt, sie habe keinen eigenständigen Tatbeitrag geleistete und keine Herrschaft über die konkrete Tatausführung gehabt, von den getroffenen Feststellungen nicht getragen.
Im Rahmen der erforderlichen Gesamtbewertung durfte das LG bei der rechtlichen Einordnung der Tatbeiträge der Angekl. S nicht ausschließlich auf die Ausführung der eigentlichen Tötungshandlung und den Handlungsantrieb in dieser konkreten Situation abstellen (vgl. BGH, NStZ 1996, 434, [435]).
Mittäterschaft (§ 25 II StGB) erfordert - auf der Grundlage gemeinsamen Wollens - einen die Tatbestandserfüllung fördernden Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränken oder in einer geistigen Mitwirkung liegen kann. Gemeinschaftliche Begehung der tat setzt also nicht voraus, dass jeder Mittäter selbst ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal verwirklicht hat. Hat ein Beteiligter einen wesentlichen Beitrag geleistet, so ist er als Mittäter anzusehen, wenn er die Tat als eigene wollte. Das bedeutet eine Einstellung des Mitwirkenden, die seinen Tatbeitrag nicht als bloße Förderung fremden Tuns erscheinen lässt, sonder als Teil der Tätigkeit aller. Ob er ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Bedeutsame Anhaltspunkte für eine Beteiligung als Mittäter können sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft. Diesen Kriterien wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Nach den Feststellungen des LG brachte die Angekl. S den K dazu, dass man sich darüber einig wurde, dass K den N erschließen sollte. Hieran hatte die S ein starkes eigenes Interesse, da sie sich durch N erheblich belästigt fühlte. Die Angekl. S ging auch auf den Vorschlag des N ein, sich zu treffen, um - je nach Ausgang des Gesprächs - dem K zu ermöglichen, den N zu erschließen. Danach ist die Annahme des LG, die Angekl. S. habe die Tötung des N nicht als eigene Tat gewollt, nicht nachzuvollziehen. Die Angekl. S hatte im Übrigen auch insoweit Tatherrschaft, als sie die Tötung durch de Mitangekl. K unschwer hätte verhindern können. Auf die Eigenhändigkeit bei der Tatbegehung selbst, auf die der Tatrichter entscheidend abstellt, kommt es nicht ausschlaggebend an.
Dass sie vom konkreten Geschehensablauf ?unwiderlegbar' überrascht und erschreckt war, wie das LG meint, versteht sich - wen man dem Bedeutung beimessen will - ebenfalls nicht von selbst. Diese Einlassung der Angekl. war nicht ohne weiteres als glaubhaft zu Grunde zu legen, da sie wusste, dass K die Schusswaffe zum Töten des N dabei hatte und die Bedingung hierfür (nicht Freigeben der Angekl. S durch N) eingetreten war. ..."
(2) Vorsätzliche Haupttat
(3) Rechtswidrige Haupttat
(4) Anstifterhandlung
Für den Begriff "Bestimmen" in § 30a II Nr. 1 BtMG gelten die allgemeinen, zu § 26 StGB entwickelten Grundsätze (BGHSt 45, 373 = NStZ 2000, 321). Zwar kann der zu einer konkreten Tat bereits fest Entschlossene nicht mehr zu ihr "bestimmt" werden. So verhält es sich jedoch nicht, wenn ein Minderjähriger erst durch die Übergabe des Rauschgifts mit der Anweisung, dieses zu bestimmten Bedingungen zu verkaufen, zu konkreten Taten des unerlaubten Handeltreibens veranlasst worden ist. In einem solchen Fall "benutzt" der Täter einen Minderjährigen zum Betäubungsmittelverkehr auch dann, wenn dieser hierzu von vornherein (allgemein) bereit war und die Bereitschaft dem Täter gegenüber auch aufgezeigt hat (BGH, Urteil vom 17.08.2000 - 4 StR 233/00).
Die Bejahung einer Anstiftung setzt weder voraus, dass der Tatbeitrag ?allein" entscheidend war, noch, dass der Täter ein eigenes Interesse am Taterfolg hat (BGH, Urteil vom 22. 3. 2000 - 3 StR 10/00).
Anstiftung i.S. des § 26 StGB ist die vorsätzliche Bestimmung eines anderen zur Begehung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Tat. Unter Bestimmen ist die Einflußnahme auf den Willen eines anderen zu verstehen, die diesen zu dem im Gesetz beschriebenen Verhalten bringt. In welcher Form und durch welche Mittel die Einflußnahme erfolgt, ist gleich (st.Rspr.; vgl. BGH Urteil vom 20.01.2000 - 4 StR 400/99).
Ein zu einer Tat bereits Entschlossener ("omnimodo facturus") kann nicht mehr angestiftet werden, jedoch liegt in einer Bestärkung seines Entschlusses psychische Beihilfe. Wird dagegen der spätere Täter veranlaßt, anstelle der Tat, zu der er entschlossen war, eine andere Tat zu begehen, so handelt es sich um eine als Anstiftung zu bewertende ?Umstiftung" (BGH, Beschluss vom 08.08.1995 - 1 StR 377/95).
(5) Anstiftervorsatz - bestimmte Haupttat
Für die Anstiftung zum Heimtückemord genügt bedingter Vorsatz des Anstifters, der auch gegeben sein kann, wenn der Anstifter aus Gleichgültigkeit mit jeder eintretenden Möglichkeit der Tatausführung einverstanden ist. Ist bei dem Täter einer bezahlten Auftragstötung das Handeln aus Habgier neben anderen Motiven nicht bewußtseinsdominant, kommen auch sonstige niedrige Beweggründe als Mordmerkmal in Betracht. Fehlt beim Anstifter der Vorsatz hinsichtlich des tatsächlich vorliegenden Mordmerkmals der Heimtücke, stellt sich der Anstifter jedoch vor, der Täter werde aus Habgier handeln, so ist tateinheitlich zur Anstiftung zum Totschlag eine versuchte Anstiftung zum Mord gegeben (BGH, Urteil vom 12.01.2005 - 2 StR 229/04).
***
?... Die Verneinung einer Anstiftung zum Mord weist ebenfalls Rechtsfehler auf. Das LG hat eine Verurteilung wegen Anstiftung zum Mord abgelehnt, weil der Angekl. S nicht nachzuweisen sei, dass die konkrete Begehungsweise der Tötung des N abgesprochen gewesen sei. Die Angekl. S habe sich vielmehr unwiderlegbar und glaubhaft dahingehend eingelassen, dass sie von dem Knall erschreckt war und konkret mit dieser Art und Weise der Tatbegehung in diesem Moment nicht gerechnet habe.
Der Tatrichter hat rechtsfehlerhaft nicht erörtert, ob die Angekl. S die Möglichkeit einer heimtückischen Tatbegehung durch K vorhergesehen und billigend in Kauf genommen hat (vgl. dazu Senatsurt. v. 16. 7. 2003 - 2 StR 68/03; BGH, NStZ 1996, 434 [435]). Der Anstiftervorsatz muss die fremde Haupttat nicht in allen Einzelheiten, sondern nur in ihren Hauptmerkmalen erfassen. In diesem Zusammenhang hätte der Tatrichter darauf eingehen müssen, dass der Mitangekl. K mit Wissen und Wolen der Angekl. S versteckt einen Revolver mit sich führte, um gegebenenfalls den N zu erschließen. Die getroffenen Feststellungen legen nahe, dass auch die Angekl. S sich bewusst war, dass N grundsätzlich ahnungslos war. Dass die Angekl. S zum Zeitpunkt der Schlussabgabe ?konkret mit dieser Art und Weise der Tatbegehung in diesem Moment nicht gerechnet hatte' - wobei die StrK ohnehin nach den getroffenen Feststellungen die Einlassung der Angekl. nicht ohne nähere Begründung als unwiderlegbar und glaubhaft ansehen durfte - schließt keinesfalls aus, dass sie die - eher naheliegende - Möglichkeit einer heimtükischen Tatbegehung durch K vorhergesehen und billigend in Kauf genommen hat. Dass sie vom Knall erschreckt war, besagt ebenfalls nichts über ihre Vorstellung zur Tatausführung. Durch die aufgezeigten Rechtsfehler werden die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen nicht berührt und können daher bestehen bleiben. ..." (BGH, Urteil vom 15. 10. 2003 - 2 StR 300/03)
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?... Auch für diese Angeklagten als Anstifter ist der Fehler der Täter C und M bei der Zuordnung des Fahrzeugs zu einem bestimmten Tatopfer rechtlich unbeachtlich. Diese Rechtsfolge für einen Anstifter hat der BGH bereits entschieden (BGHSt 37, 214, 218f.; hierzu Geppert Jura 1992, 163ff.; Küpper JR 1992, 294ff.; J. Müller MDR 1991, 830f.; Puppe NStZ 1991, 124ff.; Schlehofer GA 1992, 207ff.; Stratenwerth aaO, S. 57ff.; Streng JuS 1991, 910f.; Weßlau ZStW 104 (1992), 105ff.; abl. bes. Bemmann in FS Stree/Wessels, 1993, S. 397ff.; Roxin JZ 1991, 680f. und in FS Spendel, 1992, S. 289ff.). Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der erhobenen Kritik fest. Die dazu aufgeworfene Frage, wie die Strafbarkeit des Anstifters zu beurteilen wäre, wenn der Täter nach der Personenverwechslung auch noch das seinem Auftrag entsprechende Opfer angreifen würde, bedarf hier keiner Entscheidung.
Für die Anstifter lag hier jedenfalls die Verwechslung ebenso wie für die Täter ?in der Streubreite des ... gesehenen Risikos" (AKStGB- Zielinski aaO). Dem früheren Mitangekl. L hatten sie die Wohnungen der vorgesehenen Tatopfer gezeigt, aber keine genauere Bestimmung des Tatopfers getroffen; den später angestifteten Tätern C und M haben sie keine Vorgaben für das Erkennen der ?richtigen" Tatopfer gemacht, sondern nur Namen und Adressen mitgeteilt. Schließlich waren sie auch mit der Verwendung der in ihrer Wirkung auf beliebige Opfer unbeherrschbaren Handgranaten einverstanden. Auch ihr Vorsatz war demnach nur auf die nächsten Fahrzeugbenutzer konkretisiert. ..." (BGH, Urteil vom 07.10.1997 - 1 StR 635/96 - error in persona)
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?... Richtig ist zwar die Annahme des LG, daß Anstiftung nur in Betracht kommt, wenn ein Tatbeteiligter den Vorsatz hat, einen anderen zu einer bestimmten Tat zu veranlassen (BGHSt 34, 63ff. mit Anm. Herzberg JuS 1987, 617ff. und Roxin JZ 1986, 908ff.; für den Gehilfenvorsatz BGH Urt. v. 18. 4. 1996 - 1 StR 14/96; BayObLG JR 1992, 427 mit Anm. Wolf). Der Anstiftervorsatz muß jedoch die fremde Haupttat nicht in allen Einzelheiten, sondern nur in ihren Hauptmerkmalen erfassen. Ausreichend konkretisiert ist er zumindest dann, wenn er Umstände umfaßt, aus denen sich die durch die eigene Anstiftungshandlung verursachte fremde rechtswidrige Tat so weit erkennen läßt, daß sie dem Tatbestand einer Strafnorm zugeordnet werden kann. Ob auch verwandte Tatbestände mit gleicher Angriffsrichtung, Qualifikationen der Tat oder zusammengesetzte Tatbestände dem Anstiftervorsatz zuzurechnen sind, hängt sodann davon ab, ob die Rahmenvorstellung des Anstifters vom nachfolgenden Tatgeschehen dies umfaßt. ..." (BGH, Urteil vom 07.05.1996 - 1 StR 168/96)
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Der Irrtum des Täters über die Person des Tatopfers ist für den Anstifter unbeachtlich, es sei denn, daß die Verwechslung des Opfers durch den Täter außerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren liegt (BGH, Entscheidung vom 25.10.1990 - 4 StR 371/90 - error in persona).
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?... Der Vorsatz des Anstifters muß sich auf eine bestimmte Haupttat beziehen. Welche Anforderungen dabei an die Bestimmtheit zu stellen sind, ist in Schrifttum und Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Übereinstimmung herrscht darüber, daß es nicht ausreicht, wenn der Wille des Anstifters nur darauf gerichtet ist, den Täter ohne weitere Konkretisierung überhaupt zu strafbaren Handlungen oder zu Straftaten einer lediglich dem gesetzlichen Tatbestand nach beschriebenen Art (z. B. Diebstählen) zu veranlassen (RsprRGSt 9, 107 f.; RGSt 26, 361; 34, 327 f.; v. Olshausen, StGB, 11. Aufl., § 48 Anm. 7; Schäfer, in: Dalcke-Fuhrmann-Schäfer, StrafR und Strafverfahren, 37. Aufl., § 48 StGB Anm. 2a; Dreher-Tröndle, StGB, 42. Aufl., § 26 Rdnr. 6; SS-Cramer, StGB, 22. Aufl., § 26 Rdnr. 24; LK-Roxin, 10. Aufl., § 26 Rdnr. 9 und § 30 Rdnr. 24; Baumann-Weber, StrafR AT, 9. Aufl., S. 563). Damit ist der vorliegende Fall jedoch nicht entschieden; denn hier hat sich der Angekl. nicht darauf beschränkt, dem Täter überhaupt eine Straftat anzusinnen; auch hat er sich nicht damit begnügt, den zu verwirklichenden Deliktstatbestand (schwerer Raub oder schwere räuberische Erpressung) erkennbar zu machen: vielmehr waren in seinem Vorschlag bereits die in Frage kommenden Tatobjekte nach allgemeinen Artmerkmalen (?Bank oder Tankstelle') festgelegt. Darin besteht die Besonderheit, die den gegebenen Sachverhalt aus der Reihe der - soweit ersichtlich - bislang höchstrichterlich entschiedenen Fälle heraushebt.
An der Bestimmtheit der Tat fehlt es aber auch dann, wenn diese nur nach der Gattung der in Betracht kommenden Tatobjekte umrissen ist. Zum gegenteiligen Ergebnis würde allerdings die von Roxin vertretene Auffassung führen. Danach soll es genügen, wenn in der Vorstellung des Anstifters außer einem bestimmten Tatbestand die ?wesentlichen Dimensionen des Unrechts' fixiert sind, wie sie sich ?durch Auslegung des Verhaltens des Anstifters aus dem Gesamtbild der Anstiftungssituation' ergeben. Nach diesem Kriterium ist beispielsweise die Aufforderung, der andere möge seinen Lebensunterhalt durch Diebstähle bestreiten oder sich das Geld durch Diebstähle beschaffen, hinreichend bestimmt, wenn nur die Größenordnung der Beträge zwischen den Beteiligten einigermaßen feststeht (Roxin, aaO; ders., JA 1979, 169, 172) ..." (BGH, Urteil vom 21.04.1986 - 2 StR 661/85)
(6) Strafzumessung
Bei einer Verurteilung wegen Anstiftung verstößt es gegen das Doppelverwertungsverbot, wenn strafschärfend verwertet wird, dass der Angeklagte, der eigentliche Initiator der Taten war. Denn Anstiftung setzt voraus, dass ein anderer zur Begehung der vorsätzlichen rechtswidrigen Tat bestimmt wird, der Anstifter also den Entschluss zur Tat hervorruft (BGH, Beschluss vom 13.09.2001 - 4 StR 322/01).
Antrag auf gerichtliche Entscheidung - Klageerzwingung
Siehe unter ?Beschwerderecht des Verletzten".
Antragsberechtigte § 77 StGB
(1) Ist die Tat nur auf Antrag verfolgbar, so kann, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, der Verletzte den Antrag stellen.
(2) Stirbt der Verletzte, so geht sein Antragsrecht in den Fällen, die das Gesetz bestimmt, auf den Ehegatten, den Lebenspartner und die Kinder über. Hat der Verletzte weder einen Ehegatten, oder einen Lebenspartner noch Kinder hinterlassen oder sind sie vor Ablauf der Antragsfrist gestorben, so geht das Antragsrecht auf die Eltern und, wenn auch sie vor Ablauf der Antragsfrist gestorben sind, auf die Geschwister und die Enkel über. Ist ein Angehöriger an der Tat beteiligt oder ist seine Verwandtschaft erloschen, so scheidet er bei dem Übergang des Antragsrechts aus. Das Antragsrecht geht nicht über, wenn die Verfolgung dem erklärten Willen des Verletzten widerspricht.
(3) Ist der Antragsberechtigte geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig, so können der gesetzliche Vertreter in den persönlichen Angelegenheiten und derjenige, dem die Sorge für die Person des Antragsberechtigten zusteht, den Antrag stellen.
(4) Sind mehrere antragsberechtigt, so kann jeder den Antrag selbständig stellen.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Nach den Feststellungen des LG fühlte sich der Angekl., der im Jahr 2001 wegen gefährlicher Körperverletzung in 2 Fällen zu Lasten seiner früheren Ehefrau rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden war, insoweit zu Unrecht verurteilt und als Opfer einer ?Verschwörung" zwischen seiner früheren Ehefrau, deren Lebensgefährten und mehrerer Bekannten sowie einer ?Nötigung" zu einem unwahren Geständnis durch das erkennende Gericht in jenem Verfahren. Teils aus Rache, teils um die angebliche Verschwörung aufzudecken und seine Rehabilitierung zu betreiben, erstattete er aus der Strafhaft Strafanzeigen gegen mehrere in jenem Verfahren als Zeugen vernommene Personen wegen angeblicher Falschaussagen; darüber hinaus richtete er eine Vielzahl von Schreiben teils wirren, überwiegend beleidigenden Inhalts an Verfahrensbeteiligte und Behörden.
Das LG hat den Angekl. wegen Verleumdung in 3 Fällen, Beleidigung in 3 Fällen, übler Nachrede in Tateinheit mit Beleidigung, versuchter Nötigung, falscher Verdächtigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Seine hiergegen eingelegte Revision hat überwiegend Erfolg. ...
c) Der Verurteilung wegen Beleidigung in den Fällen II. 8 und II. 10 liegt zu Grunde, dass der Angekl. bei einer Anhörung durch die StVK sowie in einem Beschwerdeschreiben gegen die Einstellung der auf seine Anzeigen eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen Falschaussagen jeweils - neben zahlreichen weiteren Personen - eine Staatsanwältin beleidigte, indem er sie u.a. als ?geisteskrank" bezeichnete. Die Geschädigte war Sitzungsvertreterin der StA in der im Jahr 2001 gegen den Angekl. geführten Hauptverhandlung. Sie war auch Sachbearbeiterin des dem angefochtenen Urteil zu Grunde liegenden Ermittlungsverfahrens und in der Hauptverhandlung wiederum Sitzungsvertreterin der StA; schließlich begründete sie die - später zurückgenommene - Revision der StA. Es mangelt insoweit an der Feststellung der Verfahrensvoraussetzung wirksamer Strafanträge. Ein Strafantrag des Dienstvorgesetzten gemäß § 194 III 1 StGB ist nicht gestellt worden. Zwar könnte, wie der GBA erwogen hat, im Einzelfall in der Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durch einen selbst durch die Tat geschädigten Staatsanwalt eine konkludente Antragstellung gesehen werden. Voraussetzung für eine solche - bedenkliche - Auslegung wäre aber jedenfalls, dass dem betreffenden Staatsanwalt nicht schon durch - landesrechtliche - gesetzliche Regelung, Verwaltungsvorschrift oder Weisung die Führung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer ihn selbst betreffenden Tat untersagt ist. Hierzu verhält sich das angefochtene Urteil nicht; der Senat sieht hier keinen Anlass, die Verfahrensfrage selbst aufzuklären. ..." (BGH, Beschluss vom 14.03.2003 - 2 StR 7/03).
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Stirbt das Opfer einer Körperverletzung, so geht seine Nebenklagebefugnis nach der Änderung des Rechts der Nebenklage durch das Opferschutzgesetz vom 18.12.1996 nicht mehr auf seine in § 77 II StGB bezeichneten Angehörigen über (Aufgabe von BGHSt 33, 114 = NJW 1985, 1175 = NStZ 1985, 407; BGH, Beschluss vom 13.05.1998 - 3 StR 148/98).
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Der Strafantrag eines Minderjährigen ist nicht allein deshalb wirksam, weil der Minderjährige noch vor Ablauf der Strafantragsfrist volljährig geworden ist (BGH, Entscheidung vom 25.01.1994 - 1 StR 770/93):
?.... ... 2. Der Schuldspruch wegen Entführung wider den Willen der Entführten kann dagegen nicht bestehen bleiben:
a) Eine Verurteilung gemäß § 237 StGB erfordert gemäß § 238 StGB einen Strafantrag. Der Strafantrag ist eine Prozeßvoraussetzung, deren Vorliegen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen an Hand der Akten geprüft und deren Fehlen von Amts wegen beachtet werden muß (BGHSt 6, 155, 156; KK-Wache 3. Aufl., § 158 Rn 33 - jew. mwN). Die dementsprechend vom Senat vorgenommene Prüfung hat folgendes ergeben:
Tattag war der 1. 4. 1992. Tatopfer war die am 21. 6. 1974 geborene Daniela D. Daniela D hat am 30. 4. 1992 zu Protokoll der Polizeiinspektion Straubing erklärt, sie wolle, daß der Beschuldigte wegen der zu ihrem Nachteil begangenen Tat bestraft werde.
Zu diesem Zeitpunkt war Daniela D noch minderjährig (§ 2 BGB). Der Strafantrag eines Minderjährigen ist unwirksam. § 77 III StGB ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht dahin auszulegen, daß neben dem Minderjährigen auch dessen gesetzlicher Vertreter ein Strafantragsrecht hätte, also auch ein Strafantrag des Minderjährigen wirksam sein könnte, sondern dahin, daß bei einer zum Nachteil eines Minderjährigen begangenen Straftat nur der gesetzliche Vertreter einen wirksamen Strafantrag stellen kann (BGH NStZ 1981, 479 mwN). Der Strafantrag der Geschädigten ist daher unwirksam.
b) Der Senat hat erwogen, ob sich an diesem Ergebnis etwas ändert, weil die Geschädigte noch vor Ablauf der Strafantragsfrist (§ 77b I 1 StGB) volljährig geworden ist (zur Fristberechnung bei dieser Fallgestaltung vgl. Dreher/Tröndle 46. Aufl., § 77 Rn 18), sie selbst also einen wirksamen Strafantrag hätte stellen können. Dies war zu verneinen.
Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß ein von einem nicht Antragsberechtigten gestellter und daher unwirksamer Strafantrag wirksam werden kann, wenn der Antragsberechtigte innerhalb der Antragsfrist diesen Antrag billigt, mag auch die Billigungserklärung für sich genommen nicht den Formerfordernissen des § 158 II StPO genügen (vgl. BGH NJW 1953, 1479: Billigung des Strafantrags, den ein nicht personensorgeberechtigter Elternteil gestellt hat, durch den personensorgeberechtigten Elternteil; OLG Stuttgart Justiz 1976, 437: Billigung des Strafantrags, den ein hierzu nicht befugter Unterbezirkssekretär einer politischen Partei gestellt hat, durch den zuständigen Kreisvorsitzenden; BayObLGSt 1980, 64, 65: Billigung eines Strafantrags gemäß § 119 BetrVG, den ein hierzu nicht befugter Gewerkschaftsangestellter gestellt hat, durch den zuständigen Vorstand).
Die Übertragung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt aber nur, daß die Geschädigte nach Eintritt ihrer Volljährigkeit ihren zuvor gestellten Strafantrag hätte billigen und damit wirksam machen können, auch ohne an die Form des § 158 II StPO gebunden zu sein.
Aus Gründen der Rechtsklarheit ist jedoch erforderlich, daß die Billigung eines unwirksamen Strafantrags in irgendeiner Weise deutlich erkennbar nach außen tritt. Dies ist hier nicht geschehen. Die bloße Annahme, daß der Strafverfolgungswille eines Minderjährigen auch noch nach Eintritt der Volljährigkeit fortbesteht, genügt nicht. Bloßer Zeitablauf kann eine unwirksame Rechtshandlung nicht nachträglich wirksam machen.
Erhärtet wird dieses Ergebnis durch den Rechtsgedanken von § 108 III BGB. Auch eine zivilrechtlich bedeutsame Rechtshandlung eines Minderjährigen wird nicht automatisch mit dem Eintritt der Volljährigkeit wirksam. Erforderlich ist vielmehr zusätzlich eine Genehmigung des volljährig Gewordenen. Diese Genehmigung kann zwar konkludent erfolgen, setzt aber ein äußerlich erkennbares schlüssiges Verhalten voraus: überdies ist erforderlich, daß der frühere Minderjährige wußte oder zumindest für möglich hielt, daß seine als Minderjähriger abgegebene Erklärung für sich allein genommen nicht wirksam war (vgl. Palandt-Heinrichs 52. Aufl., § 108 Rn 4; RGRK-Krüger-Nieland 12. Aufl., § 108 Rn 11; Jauernig BGB, 6. Aufl., § 108 Anm. 1 - jew. mwN).
3. Eine Strafantragsfrist ist eine Ausschlußfrist, so daß es aus Rechtsgründen ausgeschlossen ist, der Geschädigten - die von keiner Stelle auf die Unwirksamkeit ihres Strafantrags hingewiesen worden war - für die Stellung eines wirksamen Strafantrags Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (vgl. OLG Bremen NJW 1956, 392; Dreher/Tröndle aaO, § 77b Rn 2). ..."
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Sind bei einer fortgesetzten Tat Einzelakte nur auf Antrag verfolgbar, so können nur diejenigen Einzelakte in die Strafverfolgung einbezogen werden, hinsichtlich derer ein wirksamer Antrag gestellt worden ist (BGH, Entscheidung vom 26.02.1987 - 1 StR 5/87).
***
Der nichteheliche Vater, der im Unterhaltsprozeß des Kindes den Geschlechtsverkehr mit der Kindesmutter wahrheitswidrig bestritten hat, kann nur dann wegen Prozeßbetrugs verfolgt werden, wenn das Kind Strafantrag gestellt hat (BGH, Beschluss vom 16.04.1985 - 4 StR 31/85):
?... Die vom RevGer. von Amts wegen vorzunehmende Prüfung des Vorliegens der Verfahrensvoraussetzungen (Pikart, in: KK, § 337 Rdnr. 25) ergeben, daß der für die Strafverfolgung wegen versuchten Betruges gemäß §§ 263 IV, 247 StGB erforderliche Strafantrag (§ 77 StGB) fehlt:
Der Angekl. hatte in dem Rechtsstreit, in dem ihn P. S auf Feststellung der Vaterschaft und auf Zahlung des Regelunterhalts vom Tage der Geburt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres verklagt hatte, Abweisung der Klage beantragt, obwohl er, wußte, daß er mit der Kindesmutter während der Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt hatte ... und damit rechnete, der Vater" des Klägers zu sein. Der nichteheliche Vater, der im Unterhaltsprozeß des Kindes den Geschlechtsverkehr mit der Kindesmutter wahrheitswidrig bestritten hat, kann aber nur dann wegen Prozeßbetrugs verfolgt werden, wenn das Kind als geschädigter Angehöriger (§ 11 I Nr. 1a StGB) Strafantrag gestellt hat (BGHSt 7, 245).
P. S hat jedoch keinen Strafantrag gestellt. Die Strafanzeige -mit Strafantrag - wurde von K. S, dem früheren Ehemann der Angekl. M. - T. S, erstattet. Zwar ist bei der Verletzung materieller Rechtsgüter auch eine Vertretung des Verletzten bei der Antragstellung im Willen (und nicht nur in der Erklärung) möglich (RGSt 51, 84; 68, 263 [265]). Dies setzt aber voraus, daß der Vertretene den Vertreter - allgemein oder im Einzelfall - mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt, ihm diese also übertragen hatte (RGSt 61, 45 [46 f.]; Jähnke, in: LK, 10. Aufl., § 77 Rdnr. 52 f. m.w. Nachw.; Stree, in: Schönke-Schröder, StGB, 21. Aufl., § 77 Rdnr. 27). Eine solche Beauftragung des K. S durch den - bei dessen Antragstellung bereits volljährigen - P. S ist jedoch weder aus der von K. S erstatteten Strafanzeige noch aus den nachträglich erholten Äußerungen von S und S zu entnehmen. Der fehlende Strafantrag läßt sich auch nicht durch Erwägungen, was der Antragsberechtigte bei voller Kenntnis der Rechts- und Sachlage wohl getan haben würde, ersetzen (vgl. BGH, Urt. v. 15. 2. 1977 - 5 StR 577/76).
Der Senat stellt daher das Strafverfahren bezüglich des Angekl. K. S wegen Fehlens des erforderlichen und wegen Fristablaufs (§ 77b StGB) nicht mehr nachholbaren Strafantrags gemäß § 354 I i.V. mit § 260 III StPO ein. ..."
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Die Nebenklagebefugnis hinsichtlich einer vorsätzlichen Körperverletzung kann beim Tode des Verletzten auf die in § 77 II StGB bezeichneten nahen Angehörigen des Verletzten übergehen. In einem solchen Fall kann ein Rechtsmittel eines als Nebenkläger auftretenden Angehörigen darauf gestützt werden, daß der Angeklagte nicht wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist (BGH, Urteil vom 09.01.1985 - 3 StR 502/84).
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Das Strafantragsrecht nach § 22 I UWG steht auch dem Dienstherrn oder Auftraggeber des Bestochenen zu, wenn das dem Tatbestand des § 12 UWG erfüllende Verhalten ihm gegenüber "unlauter", er Verletzter ist (BGH, Entscheidung vom 18.01.1983 - 1 StR 490/82).
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Wird ein im Eigentum eines Parteikreisverbandes stehendes Wahlplakat überklebt, so ist der von einem Mitarbeiter der Kreisgeschäftsstelle im Auftrag des Kreisvorsitzenden gestellte Strafantrag wirksam (BGH, Urteil vom 19.08.1982 - 4 StR 387/82):
?... I. Verfahrensvoraussetzungen.
Der nach § 303 III StGB erforderliche Strafantrag ist entgegen der Ansicht der Revision form- und fristgerecht gestellt worden.
1. Antragsberechtigt ist der FDP-Kreisverband Siegerland-Wittgenstein. Denn dieser war Eigentümer des überklebten Plakates, er hatte es - das ergibt sich aus dem Schreiben des Kreisvorsitzenden vom 18. 2. 1980 - ?zusammen mit einer Reihe weiterer Wahlkampfmittel gekauft". Das Plakat ist auch nach dem Aufbringen auf dem Plakatträger, da dieser ebenfalls im Eigentum des genannten Kreisverbandes stand, in dessen Eigentum geblieben (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 1979, 2056; OLG Oldenburg, StrVert 1982, 347, 348 m.w. Nachw.). Als Eigentümer ist der Kreisverband Verletzter i.S. des § 303 III StGB und somit antragsberechtigt (vgl. Dreher-Tröndle, StGB, 40. Aufl., § 77 m.w. Nachw.).
Der Hinweis der Revision auf § 3 ParteienG geht fehl. Diese Vorschrift betrifft ausschließlich die Aktiv- und Passivlegitimation politischer Parteien und ihrer Gebietsverbände der jeweils höchsten Stufe in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (vgl. Seifert, Erläuterung zu § 3 ParteienG, in: Das dt. BundesR; vgl. auch LG Bonn, NJW 1976, 810; LG Frankfurt, NJW 1979, 1661). Sie berührt jedoch nicht das einem Kreisverband als Eigentümer einer beschädigten Sache zustehende Antragsrecht nach § 303 III StGB.
2. Der FDP-Kreisverband Siegerland-Wittgenstein hat mit Schreiben vom 5. 11. 1980 wirksam Strafantrag gestellt.
b) Auch sonst erfüllt das genannte Schreiben die Anforderungen, die § 77 StGB und § 158 StPO an einen Strafantrag stellen. Die Ansicht der Revision, das Schreiben enthalte schon deswegen keinen wirksamen Strafantrag, weil es nicht vom Kreisvorsitzenden, der nach § 8 IV der Satzung des genannten Kreisverbandes den Kreisvorstand nach innen und außen vertritt, sondern von der auf der Kreisgeschäftsstelle angestellten Frau G unterzeichnet ist, geht fehl. Frau G hat von dem Kreisvorsitzenden, wie aus dessen Schreiben vom 18. 2. 1981 hervorgeht, ?den ausdrücklichen Auftrag erhalten, den Strafantrag zu stellen". Sie hat somit für diesen als Vertreter in der Erklärung gehandelt, ihre Unterschrift genügt deshalb (vgl. BGH, Urt. v. 22. 2. 1973 - 4 StR 504/72; RGSt 61, 45 [46, 47]). Daß der Nachweis ihrer Bevollmächtigung erst dem genannten Schreiben des Kreisvorsitzenden, das nach Ablauf der Antragsfrist des § 77b StGB eingegangen ist, zu entnehmen war, ändert nichts an der Wirksamkeit des Antrags. Denn ein rechtzeitig für den Berechtigten gestellter Strafantrag ist auch dann wirksam, wenn der Nachweis der Bevollmächtigung erst nach Ablauf der Antragsfrist erbracht wird (vgl. RGSt 60, 281 [282]; 61, 45 [47]). Es beeinträchtigt ebenfalls nicht die Wirksamkeit des Strafantrags, daß der Wille, im Namen des Kreisvorsitzenden zu handeln, aus dem Antragsschreiben selbst nicht erkennbar hervorgeht (vgl. RGSt 61, 45 [47]). ..."
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Ist die durch eine Straftat nach § 237 StGB Geschädigte noch nicht 18 Jahre alt, können allein die gesetzlichen Vertreter einen wirksamen Strafantrag stellen (BGH, Beschluss vom 15.09.1981 - 4 StR 417/81).
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Die Ermächtigung zur Verfolgung der verfassungsfeindlichen Verunglimpfung eines Mitglieds einer Regierung kann nicht durch dessen Amtsnachfolger erteilt werden (BGH: Beschluss vom 10.06.1980 - 3 StR 42/80).
*** (OLG)
Der Insolvenzverwalter ist antragsberechtigt im Verfahren nach § 111g II StPO und auch im Adhäsionsverfahren (entgegen OLG Frankfurt a.M., NStZ 2007, 168 = NJW 2007, 1223 L; NStZ-RR 2006, 342 = NStZ 2007, 587 L; OLG Celle: Beschluss vom 08.10.2007 - 2 Ws 296/07).
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Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der durch die Tat geschädigten juristischen Person ist nicht Verletzter i.S. der §§ 111g, 111h StPO. Er kann jedenfalls dann, wenn nach Lage der Akten eine Fortführung des in Insolvenz geratenen Unternehmens nicht in Betracht kommt, auch deren Befugnisse nach diesen Vorschriften nicht ausüben (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 09.06.2006 - 3 Ws 508/06):
?... Das LG hat den Antrag zu Recht zurückgewiesen, weil der Ast. nicht Verletzter i.S. von §§ 111g und 111h StPO ist.
§ 111g StPO trägt dem Grundgedanken von § 73 I 2 StGB Rechnung, dass dem Verletzten im Strafverfahren die Durchsetzung seiner Ansprüche ermöglicht werden soll (vgl. Nack, in: KK-StPO, 5. Aufl., § 111g Rn 1; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl., § 111g Rn 1). Der Begriff des Verletzten i.S. von § 111g StPO entspricht daher auf Grund dieses Regelungszusammenhangs demjenigen des § 73 I 2 StGB. Verletzt ist danach die durch die Tat im prozessualen Sinn geschädigte natürliche oder juristische Person als Trägerin des geschützten Individualrechtsgutes, in das der Täter durch die verbotene Handlung unmittelbar eingegriffen hat (BGHSt 31, 207 [210] = NJW 1983, 1910; Lackner/Kühl, StGB, 25. Aufl., § 73 Rn 6 und § 77 Rn 6; Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., § 73 Rn 13 und § 77 Rn 2). Dies war hier allein die Schuldnerin, nicht aber der Insolvenzverwalter über ihr Vermögen.
Der Insolvenzverwalter ist auch nicht kraft seiner Stellung berechtigt, anstelle der Schuldnerin deren Rechte als Verletzte i.S. des § 111g StPO geltend zu machen. Dies ergibt sich aus der Systematik des § 77 StGB. Dort hat der Gesetzgeber für den Strafantrag ausdrücklich zwischen dem Antragsrecht des originär Verletzten (§ 77 I StGB), Fällen in denen ein Antragsberechtigter dieses Antragsrecht ausübt (§ 77 III StGB) und Fallgestaltungen unterschieden, in denen das Antragsrecht (ausnahmsweise) auf bestimmte Angehörige übergeht (§ 77 II StGB). Dazu ist anerkannt, dass der Insolvenzverwalter kraft seines Amtes für den Schuldner das Antragsrecht ausüben kann (vgl. Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., § 77 Rn 24; Lackner/Kühl, § 77 Rn 11; RGSt 33, 433; 35, 149). Dies macht ihn indessen nicht selbst zum Verletzten. Die Möglichkeit, Befugnisse des Verletzten wahrzunehmen, bedeutet kein eigenes Antragsrecht (BGHR StGB § 77 III Antragsrecht 1; vgl. auch BGHR StGB § 77 I Verletzter 1). Die Verletzteneigenschaft ist vielmehr an die juristische Person der Schuldnerin gebunden und geht weder auf die Insolvenzmasse noch auf den Insolvenzverwalter über (vgl. Senat, Beschl. v. 15. 5. 2006 - 3 Ws 466 + 507/06; OLG Hamm, NStZ-RR 1996, 11; OLG Koblenz, NJW 1988, 3275).
Eine dem § 77 III StGB entsprechende Regelung, kraft deren der Insolvenzverwalter berechtigt wäre, die Vollziehung des Arrestes für die verletzte Schuldnerin geltend zu machen, fehlt für § 111gff. StPO. Die Interessenlage spricht auch nicht dafür, den Anwendungsbereich von § 111g StPO über den Wortlaut hinaus i.S. des § 77 III StGB dahin auszudehnen, dass nicht nur der Verletzte selbst, sondern auch der Insolvenzverwalter über sein Vermögen den Antrag stellen kann. Die Privilegierung des Verletzten in § 111g StPO findet ihren Grund im persönlichen Opferschutz und der Durchsetzung der Ansprüche des Geschädigten. Demgegenüber besteht der Hauptzweck des Insolvenzverfahrens - jedenfalls in Fällen, in denen wie hier nach Lage der Akten eine Fortführung des in Insolvenz geratenen Unternehmens fern liegt - in der bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger (vgl. Senat, Beschl. v. 15. 5. 2006 - 3 Ws 466 + 507/06).
Der Insolvenzverwalter ist dadurch nicht rechtlos gestellt, denn vor den Zivilgerichten bleibt er voll handlungsfähig. ..."
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Der (nur) für die Aufgabenkreise Vertretung bei Behörden und Vermögenssorge bestellte Betreuer ist nicht berechtigt, Strafantrag gegen einen Angehörigen des Betreuten zu stellen (OLG Köln, Beschluss vom 20.05.2005 - 8 Ss 66/05).
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Der Strafantrag kann auch wegen einer künftigen Straftat gestellt werden, wenn diese bereits bezeichnet werden kann und ihre Begehung unmittelbar bevorsteht (OLG Düsseldorf: Entscheidung vom 09.01.1987 - 5 Ss 414/86 - 310/86 I).
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Setzt jemand den von Hausbesetzern geschaffenen rechtswidrigen Zustand durch seinen Einzug in das fremde Besitztum gemeinsam mit ihnen fort, so erstreckt sich der vom Berechtigten vor Einzug gegen Unbekannt gestellte Strafantrag auch gegen diese Person (OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 28.06.1982 - 2 Ss 258/82-179/82 II).
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In Nordrhein-Westfalen kann der Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs von dem Sachbearbeiter des Rechtsamts der Verwaltung einer Großstadt, soweit er nach deren Organisationsrecht dazu befugt ist, wirksam für die Gemeinde gestellt werden (OLG Köln, Urteil vom 10.06.1982 - 1 Ss 738/81).
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Der Leiter einer Straßenmeisterei ist Organ des jeweiligen Straßenbauamtes und deshalb berechtigt, innerhalb des ihm zugewiesenen Wirkungskreises das Strafantragsrecht auszuüben (OLG Celle, Urteil vom 17.11.1980 - 2 Ss 239/80):
?... Auch der Strafantrag des Leiters der Straßenmeisterei Hermannsburg ist vom AG zutreffend für rechtswirksam gehalten worden. Es fehlt zwar an einer ausdrücklichen Ermächtigung des Straßenmeisters durch den Leiter des zuständigen Straßenbauamtes, Strafantrag zu stellen, seine Strafantragsbefugnis ergibt sich jedoch aus den vom Niedersächsischen Landesverwaltungsamt als oberer Landesbehörde verfügten ?Dienstaufgaben der Straßenmeistereien und Autobahnmeistereien der niedersächsischen Straßenbauverwaltung" vom 17. 8. 1973 und der ?Dienstvorschrift für die Leiter der Straßenmeistereien und Autobahnmeistereien der niedersächsischen Straßenbauverwaltung" vom 5. 7. 1973. Danach vertritt der Leiter der Straßenmeisterei die niedersächsische Straßenbauverwaltung gegenüber Dritten im Rahmen der ihm übertragenen Dienstgeschäfte. Ihm sind zur selbständigen Erledigung alle erforderlichen Anordnungen und Maßnahmen, die für den Betrieb der Straßenmeisterei und seiner Dienstaufgaben erforderlich sind, übertragen worden. U. a. ist er für die Verwaltung, Unterhaltung und Verkehrssicherheit der Straßen des überörtlichen Verkehrs seines Bezirks einschließlich des Zubehörs und der Nebenanlagen verantwortlich.
Im Rahmen seiner Organerrichtungsgewalt konnte das Landesverwaltungsamt diese Regelung verfügen, ohne daß es einer förmlichen Errichtung durch Gesetz oder Verordnung bedurfte (Wolff-Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Aufl., § 78 IIc 5, § 78 IIIa 2 bis 4). Auch bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen die generelle Ermächtigung. Als Außenstellen sind die Straßenmeistereien Abteilungen der jeweiligen Straßenbauämter mit selbständigen Tätigkeitsmerkmalen (OLG Oldenburg, Beschl. v. 7. 9. 1979 - Ss 438/79; Weber, Das Organisationsgefüge des Landes Niedersachsen, Neues Archiv f. Nds., Sonderh. Mai 1968). Der Leiter einer Straßenmeisterei ist damit Organ des jeweiligen Straßenbauamtes und deshalb berechtigt, innerhalb des ihm zugewiesenen Wirkungskreises das Strafantragsrecht auszuüben. (Zum Strafantragsrecht bei juristischen Personen vgl. RG, GA 1963, 116; Stree, in: Schönke-Schröder, StGB, 20. Aufl., § 77 Rdnr. 14.) Mit dieser Auffassung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu der Auffassung des OLG Oldenburg (aaO). Das OLG Oldenburg hatte die Frage einer generellen Ermächtigung des Leiters einer Straßenmeisterei nicht zu entscheiden. In dem dort entschiedenen Fall lag eine ausdrückliche Ermächtigung des Leiters des Straßenbauamtes vor. ..."
Anwaltlicher Beistand § 68 b StPO
Zeugen, die noch keinen anwaltlichen Beistand haben, kann für die Dauer der Vernehmung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn ersichtlich ist, daß sie ihre Befugnisse bei der Vernehmung nicht selbst wahrnehmen können und ihren schutzwürdigen Interessen auf andere Weise nicht Rechnung getragen werden kann. Hat die Vernehmung
1. ein Verbrechen,
2. ein Vergehen nach den §§ 174 bis 174 c, 176, 179 Abs. 1 bis 4, §§ 180, 180 b, 182, 225 Abs. 1 oder 2 des Strafgesetzbuches oder
3. ein sonstiges Vergehen von erheblicher Bedeutung, das gewerbs- oder gewohnheitsmäßig oder von einem Bandenmitglied oder in anderer Weise organisiert begangen worden ist,
zum Gegenstand, so ist die Beiordnung auf Antrag des Zeugen oder der Staatsanwaltschaft anzuordnen, soweit die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen. Für die Beiordnung gelten § 141 Abs. 4 und § 142 Abs. 1 entsprechend. Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Die Verfassungsbeschwerde betrifft den Ausschluss eines anwaltlichen Beistands von der Zeugenvernehmung.
1. In einem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Gummersbach, welches Korruptionsvorwürfe in der Energiewirtschaft zum Gegenstand hatte, wurde der Beschwerdeführer als Zeuge geladen. Er erschien mit einem zuvor mandatierten Rechtsanwalt. Ausweislich des Sitzungsprotokolls gestaltete sich der Verfahrensablauf wie folgt:
Aufruf des Zeugen G. Der Zeuge G. erschien in Begleitung seines Zeugenbeistands Rechtsanwalt Dr. V. Herr Rechtsanwalt Dr. V. erklärte, dass sein Mandant, Herr Rechtsanwalt G., eine Unterstützung bei seiner Aussage im Hinblick auf § 55 StPO benötige und wünsche. Es wurde Gelegenheit zu Stellungnahmen gegeben. Die Staatsanwaltschaft sah unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung und des § 55 StPO keine Veranlassung, Herrn Rechtsanwalt Dr. V. als Zeugenbeistand zuzulassen. Das Gericht zog sich um 10:09 Uhr zur Beratung zurück. Die Sitzung wurde um 10:18 Uhr mit allen Prozessbeteiligten wie vor der Unterbrechung fortgesetzt. Es erging folgender Gerichtsbeschluss: b.u.v. Es wird festgestellt, dass der Zeuge nicht berechtigt ist, einen Zeugenbeistand zu seiner Vernehmung hinzuzuziehen. Rechtsanwalt Dr. V. beantragte zu diesem Beschluss rechtliches Gehör. Das rechtliche Gehör wurde Herrn Rechtsanwalt Dr. V. gewährt, er gab eine Erklärung ab. Die Erklärung wurde durch das Gericht zur Kenntnis genommen. Herr Rechtsanwalt Dr. V. erklärte für den Zeugen, dass dieser sich das Recht vorbehalte, Verfassungsbeschwerde einzulegen. Rechtsanwalt Dr. V. nahm im Zuschauerraum des Sitzungssaales Platz. Einvernahme des Zeugen G.: ?
2. Die hiernach eingelegte Beschwerde verwarf das Landgericht Köln durch Beschluss vom 14. April 2009 als unzulässig.
3. Durch Urteil des Amtsgerichts Gummersbach vom 27. April 2009 wurden die vier Angeklagten des Ausgangsverfahrens wegen Vorteilsannahme und Beihilfe zur Vorteilsannahme und in Einzelfällen wegen Untreue zu Geldstrafen verurteilt. Das Berufungsverfahren ist vor dem Landgericht Köln anhängig.
4. Mit der fristgerecht eingereichten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Er sei deshalb mit einem Rechtsanwalt erschienen, da er befürchtete, sich oder seiner Arbeitgeberin durch seine Aussage zu dem Problemkomplex ?Korruptionsverdacht in der Energiewirtschaft" ungewollt zu schaden. Die Frage des Vorsitzenden, ob er sich durch die bevorstehende Vernehmung konkret der Gefahr ausgesetzt sehe, von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen zu müssen, habe der Beschwerdeführer aus Angst, ein de-facto-Geständnis potentieller eigener Straftaten abzugeben, durch seinen Rechtsanwalt verneinen lassen. Der Schutz des fairen Verfahrens sei jedoch nicht auf die Fälle beschränkt, in denen der Zeuge erwäge, sich auf § 55 StPO zu berufen. Für den Ausschluss des Zeugenbeistands fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Dieser sei zudem zur Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig gewesen. Es habe keine Gefahr bestanden, dass der Beistand seine Rechte missbrauchen werde.
5. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen, der Bundesgerichtshof sowie der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Generalbundesanwalt hält die Verfassungsbeschwerde nach dem vorgetragenen Sachverhalt für zulässig und begründet.
Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung der Kammer sind gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum Recht eines Zeugen auf Zuziehung eines anwaltlichen Beistands hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. BVerfGE 38, 105; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. April 2000 - 1 BvR 1331/99 -, NStZ 2000, S. 434 (435)). Danach ist die zulässige Verfassungsbeschwerde in einem die Entscheidungskompetenz der Kammer eröffnenden Sinn offensichtlich begründet.
Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein faires Verfahren, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
Die diesem immanente Forderung nach verfahrensmäßiger Selbständigkeit des in ein justizförmiges Verfahren hineingezogenen Bürgers bei der Wahrnehmung ihm eingeräumter prozessualer Rechte und Möglichkeiten gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten gebietet es, auch dem Zeugen grundsätzlich das Recht zuzubilligen, einen Rechtsbeistand seines Vertrauens zu der Vernehmung hinzuzuziehen, wenn er das für erforderlich hält, um von seinen prozessualen Befugnissen selbständig und seinen Interessen entsprechend sachgerecht Gebrauch zu machen. Die Lage des Zeugen, der sich in Erfüllung seiner allgemeinen staatsbürgerlichen Zeugenpflichten der Gefahr eigener Verfolgung aussetzt, weist enge Bezüge zu der Situation des Beschuldigten auf (vgl. BVerfGE 38, 105 (112)). Im Gegensatz zu diesem unterliegt der Zeuge jedoch grundsätzlich der Aussage- und Wahrheitspflicht mit den sie sichernden Zwangsmitteln und Strafandrohungen. Er darf Belastendes nicht bloß verschweigen, sondern muss ausdrücklich ablehnen, ihm gefährlich erscheinende Fragen zu beantworten mit den damit verbundenen ungünstigen Auswirkungen gegenüber Verfahrensbeteiligten und Öffentlichkeit. Frei vom Aussagezwang ist dieser Zeuge erst, wenn er selbständig und sachgerecht über die Ausübung oder Nichtausübung des Auskunftsverweigerungsrechts entscheiden kann (vgl. BVerfGE 38, 105 (113)).
Das Recht auf ein faires Verfahren gewährleistet dem Zeugen jedoch nicht schlechthin ein allgemeines Recht auf Rechtsbeistand. Mit dem Postulat der Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen, wirksamen Rechtspflege ist es nicht vereinbar, die Mitwirkung eines Rechtsbeistands in jedem Fall und ohne jede Einschränkung zu dulden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt vielmehr eine Abwägung zwischen dem Anspruch des Zeugen und dem öffentlichen Interesse an der Effizienz des Strafprozesses, die die Behörden und Gerichte unter Beachtung aller persönlichen und tatsächlichen Umstände des Einzelfalles vorzunehmen haben. Für die Hinzuziehung eines Rechtsbeistands bedarf es daher einer besonderen rechtsstaatlichen Legitimation, die sich in unterschiedlicher Ausprägung aus der jeweiligen besonderen Lage des Zeugen, insbesondere aus den ihm im eigenen Interesse eingeräumten prozessualen Befugnissen bei der Erfüllung der allgemeinen staatsbürgerlichen Zeugenpflichten ergibt (vgl. BVerfGE 38, 105 (118)).
Diesen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses eines Zeugenbeistands entspricht die angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts Gummersbach nicht.
Es fehlt an einer Abwägung zwischen den Interessen des Zeugen und denen des Staates an der Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege. Unabhängig von der Frage, wie sich bereits das Fehlen einer expliziten Rechtsgrundlage für den Ausschluss eines Zeugenbeistands (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. April 2000 - 1 BvR 1331/99 -, NStZ 2000, S. 434 (435); zur Untauglichkeit des § 68b StPO a.F. als Rechtsgrundlage vgl. BTDrucks 13/7165, S. 8; 16/12098, S. 10, 15; Ignor/Bertheau, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2008, § 68b Rn. 1) im Rahmen der Prüfung des fairen Verfahrens auswirkt, ist vorliegend nicht ersichtlich, dass die Zurückweisung des Beistands zur Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen, wirksamen Rechtspflege erforderlich war. Ein Anwalt kann von der Vertretung des Zeugen dann ausgeschlossen werden, wenn seine Teilnahme erkennbar dazu missbraucht wird, eine geordnete und effektive Beweiserhebung zu erschweren oder zu verhindern und damit das Auffinden einer materiell richtigen und gerechten Entscheidung zu beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 38, 105 (120)). Anhaltspunkte hierfür sind in der angegriffenen Entscheidung nicht aufgezeigt.
a) Eine Abwägung ist nicht deshalb entbehrlich, weil der Zeuge vor Beginn seiner Vernehmung keine näheren Angaben zum Grund der Hinzuziehung eines Beistands machte, sondern sich zunächst lediglich pauschal auf § 55 StPO berief. Nicht der Zeuge muss deren Notwendigkeit darlegen; der Ausschluss des Beistands bedarf der Rechtfertigung (vgl. auch Rogall, in: Systematischer Kommentar zur StPO, 62. Lieferung [Juli 2009], Vor § 48 Rn. 108; vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. April 1983 - 2 BvR 307/83 -, NStZ 1983, S. 374 (375)). Maßgebend ist, ob der Zeuge die Mitwirkung des Beistands für erforderlich hält, um seine prozessualen Rechte wahrzunehmen. Diese sind vielgestaltig: neben dem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO fallen hierunter auch das Beanstandungsrecht bei Fragen, die unter § 68a StPO fallen sowie solchen, die unzulässig, ungeeignet sind oder nicht zur Sache gehören, § 241 Abs. 2 StPO. Ferner Anträge auf Ausschluss der Öffentlichkeit, §§ 171b, 172 GVG, z.B. zur Wahrung eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses, Anträge auf Ausschluss des Beschuldigten, § 247 StPO, das Recht auf Abgabe eines zusammenhängenden Berichts, § 69 Abs. 1 Satz 1 StPO, die Einflussnahme bei der Protokollierung sowie generell die Vermeidung von Aussagefehlern und Missverständnissen (vgl. BVerfGE 38, 105 (117); Thomas, NStZ 1982, S. 489 (492); Krey, in: Gedächtnischrift für Karlheinz Meyer, 1990, S. 239 (260f.)). Diese weiteren Rechte des Zeugen lassen sich als zukünftiges prozessuales Geschehen zwar nahezu immer abstrakt, höchst selten aber konkret vorhersehen (vgl. Thomas, a.a.O.). Selbst wenn der Zeuge seine Rechte kennt, kann er sich somit in der Mehrzahl der Fälle vor seiner Vernehmung lediglich pauschal hierauf berufen, wodurch eine konkrete Begründungspflicht regelmäßig keine nähere Sachverhaltsaufklärung ermöglicht. Vom Zeugen entsprechende Ausführungen zum Grund des Erscheinens in Begleitung eines Rechtsbeistands zu verlangen, würde ihn auch der Gefahr aussetzen, solche Angaben zu machen, vor deren Offenbarung im Rahmen der Vernehmung ihn § 55 StPO gerade schützen will (vgl. Lüdeke, Der Zeugenbeistand, 1995, S. 56).
Den Interessen an einer effektiven Strafverfolgung und einem geordneten, auf die Wahrheitsfindung fokussierten Ablauf der Hauptverhandlung ist dann Rechnung getragen, wenn der Beistand bei einer Gefährdung dieser Ziele ausgeschlossen werden kann. Um dies zu ergründen, ist das Gericht durchaus befugt, die Umstände der Hinzuziehung eines Zeugenbeistands aufzuklären und entsprechende Fragen sowohl an den Zeugen als auch an dessen Beistand zu stellen, da es erst hierdurch in die Lage versetzt wird, etwaige Ausschlussgründe - jetzt gemäß § 68b Abs. 1 StPO - zu prüfen. Demgegenüber trifft den Zeugen grundsätzlich keine Rechtfertigungspflicht für das Erscheinen in Begleitung eines Rechtsbeistands. Eine Beeinträchtigung der effektiven Strafverfolgung besteht in der Regel nicht bereits dann, wenn der Zeuge keine Angaben zur eigentlichen Erforderlichkeit der Mitwirkung eines Beistands macht (vgl. König, in: Festschrift für Riess, 2002, S. 243 (245); BGH, Urteil vom 20. April 1989 - 4 StR 69/89 -, juris, Rn. 8).
b) Die Verneinung der Frage, ob der Beschwerdeführer davon ausgehe, sich im Rahmen der bevorstehenden Vernehmung auf § 55 StPO zu berufen, vermag einen Ausschluss des Zeugenbeistands nicht zu rechtfertigen (vgl. Rogall, in: Systematischer Kommentar zur StPO, 62. Lieferung [Juli 2009], Vor § 48 Rn. 108). Bei § 55 Abs. 1 StPO handelt es sich nicht um ein generelles Aussageverweigerungs-, sondern um ein auf einzelne Fragen beschränktes Auskunftsverweigerungsrecht. Es gibt dem Zeugen die situative Befugnis, einzelne Fragen nicht zu beantworten (vgl. Rogall, in: Systematischer Kommentar zur StPO, 62. Lieferung [Juli 2009], § 55 Rn. 20, zur Ausnahme s. Rn. 51; Ignor/Bertheau, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2008, § 55 Rn. 5). Zwar ist es möglich, dass der Zeuge schon vor seinem Bericht (§ 69 Abs. 1 StPO) allein anhand des ihm mitgeteilten Beweisthemas die Gefahr einer Selbstbelastung erkennen und die Auskunft über einzelne Tatsachen, Sachverhaltskomplexe oder in Gänze verweigern kann. Vom letzteren Fall abgesehen, wird der Zeuge im Verhör (§ 69 Abs. 2 StPO) jedoch erst im Einzelfall je nach dem Inhalt an ihn gestellter Fragen entscheiden können, ob er sich durch deren Beantwortung der Gefahr eigener strafrechtlicher Verfolgung aussetzt (vgl. Rogall, in: Systematischer Kommentar zur StPO, 62. Lieferung [Juli 2009], § 55 Rn. 34). Es ist ihm daher grundsätzlich unmöglich, ex ante ein etwaiges Eingreifen des Auskunftsverweigerungsrechts zu prognostizieren. Inwiefern im vorliegenden Fall, auch mit Blick auf die Profession des Beschwerdeführers als Rechtsanwalt, etwas anderes gelten könnte, hat das Amtsgericht nicht dargelegt. ..." (BVerfG, Beschluss vom 10.03.2010 - 2 BvR 941/09)
*** (OLG)
Eine - im Rahmen des Beschwerdeverfahrens allein überprüfbare - Gesetzeswidrigkeit einer Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht liegt vor, wenn eine solche im Gesetz nicht vorgesehen, unverhältnismäßig oder unzumutbar ist. Auch hat die Strafvollstreckungskammer in ihren Weisungen das verbotene oder verlangte Verhalten genau zu bestimmen. Hingegen findet eine Überprüfung der Zweckmäßigkeit im Beschwerdeverfahren nicht statt. Im übrigen kommen die Vorschriften und Rechtsgrundsätze des einfachen Beschwerdeverfahrens uneingeschränkt zur Anwendung. Ist der Verurteilte aufgrund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht in der Lage, die bei einer Vorstellungsanweisung in einer Forensischen Ambulanz entstehenden Reisekosten zu tragen, muß die Staatskasse für diese aufkommen. Aus Gründen der Klarstellung und der Fürsorgepflicht ist es angezeigt, daß die Strafvollstreckungskammer in ihrem die Führungsaufsicht ausgestalteten Beschluss den Verurteilten ausdrücklich darauf hinweist, ob sie die ihm erteilten Weisungen - strafbewehrt - auf § 68b Abs. 1 StGB oder - nicht strafbewehrt - auf § 68b Abs. StGB stützt (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.08.2010 - 1 Ws 107/10 zu + StGB § 68b ff.; StPO §§ 453 Abs. 2, 454 Abs. 2, 463 Abs. 2).
***
Die im Rahmen der Führungsaufsicht erteilte Weisung an den Verurteilten, ?eine Verhaltenstherapie zur Auseinandersetzung und Behandlung eines latenten Gewaltpotentials durchzuführen', genügt ihrem Inhalt nach nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz. Das Gericht hat, soweit dies im Zeitpunkt der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer bereits möglich ist und anderenfalls, sobald eine geeignete Einrichtung gefunden ist, nicht nur die Art der Therapie, sondern auch die betreffende Therapieeinrichtung sowie den Zeitpunkt des Therapiebeginns zu bezeichnen (OLG Naumburg, Beschluss vom 26.02.2010 - 1 Ws 78/10).
***
Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht müssen in der Sache überprüfbar sein. Erst die genaue Bestimmung gibt § 145a StGB, für den die Weisung die Funktion einer Blankettausfüllung hat, die Kontur und gewährleistet so seine Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz. Die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts nach § 68b StGB ohne individuelle Konkretisierung für den Einzelfall genügt nicht (OLG Dresden, Beschluss vom 27.10.2009 - 2 Ws 509/09).
***
Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht nach § 68b StGB unterliegen immanenten Schranken, die sich sowohl aus dem spezialpräventiven Zweck der Führungsaufsicht als auch aus dem notwendig inneren Bezug der Weisung zur jeweils zugrundeliegenden Straftat ergeben; das Überschreiten dieser immanenten Beschränkung stellt einen Weisungsfehlgebrauch dar und führt zur Gesetzeswidrigkeit (OLG Dresden, Beschluss vom 11.09.2009 - Ws 409/09).
***
Nach § 68 b StPO ist auch die eine Beiordnung ablehnende Entscheidung unanfechtbar (OLG Hamm StV 2001, 103).
Siehe auch unter" Zeugenbeistand".
Anwendbarkeit Deutschen Rechts
Siehe unter ?Deutsches Recht - Anwendbarkeit".
Anwendung - Jugendstrafrecht
Siehe unter ?Jugendstrafrecht - Anwendung".
Anwesenheitspflicht des Angeklagten
Siehe unter ?Entbindung des Angeklagten von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung" und ?Pflicht des Angeklagten zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung".
Anwesenheit des Dolmetschers in der Hauptverhandlung
Siehe unter ?Dolmetscher".
Anwesenheit des Sachverständigen in der Hauptverhandlung
Die ständige Anwesenheit eines Sachverständigen in der Hauptverhandlung im Rahmen eines Sicherungsverfahrens wird vom Gesetz nicht gefordert. Soll mit der Revision beanstandet werden, daß der Sachverständige einem wesentlichen Teil der Hauptverhandlung nicht beigewohnt hat, der ihm ein zutreffendes Bild von der Persönlichkeit des Beschuldigten und dessen Zustand vermittelt hätte, muß diesbezüglich eine Aufklärungsrüge erhoben werden (BGH StV 1999, 470).
Anwesenheit des Verteidigers in der Hauptverhandlung
Der Pflichtverteidiger ist verpflichtet, der gesamten Dauer der Hauptverhandlung beizuwohnen. Er darf sich nicht entfernen. Eine zeitweilige Vertretung durch einen anderen Rechtsanwalt ist möglich.
Begibt sich der Verteidiger nach Ablehnung eines Entpflichtungsantrags unter Ablegung der Robe in den Zuschauerraum, gibt er eindeutig zu erkennen, daß er sich weigert, die Verteidigung weiter zu führen. Der Angekl. ist von diesem Zeitpunkt an nicht mehr verteidigt, so daß das Verfahren nicht zu Ende geführt werden kann (BGH StV 1993, 566 f).
Anwesenheitsrechte
Der Verteidiger ist nicht berechtigt, gelegentlich der polizeilichen Vernehmung seines Beschuldigten Mandanten anwesend zu sein. Er wird deshalb den von ihm vertretenen Beschuldigten nicht anraten, bei der Polizei auszusagen. Etwas anderes mag gelten, wenn ihm durch die Polizei die Anwesenheit bei der Vernehmung gestattet wird. Befleißigt sich der vernehmende Beamte einer Vernehmungstaktik, die dazu nur dazu bestimmt und geeignet ist, dass sich der verteidigte Beschuldigte massiv belastet, ohne dass die Bereitschaft besteht, entlastende Umstände zur Kenntnis zu nehmen, so rät der Verteidiger zum sofortigen Schweigen. Entsprechendes gilt, wenn der vernehmende Beamte anordnet, dass sich der Verteidiger während der Vernehmung jeglicher Intervention zum Schutze des Beschuldigten zu enthalten hat und nicht ?dazwischen reden" soll. Im übrigen wissen gut ausgebildete Kriminalisten die ?aktive" Mitwirkung eines erfahrenen Verteidigers bei der Vernehmung durchaus zu schätzen.
Eine Einlassung des Beschuldigten kommt schon eher bei einer staatsanwaltlichen Vernehmung in Betracht. Hier hat der Verteidiger ein Anwesenheitsrecht (§§ 163 a III 1, 168 c I StPO).
***
Ehegatten, gesetzliche Vertreter und Erziehungsberechtigte haben das Recht, in der Hauptverhandlung als Beistand zugelassen und auf Verlangen gehört zu werden (§ 67 I JGG und § 149 StPO). Die entsprechende Beteiligung im polizeilichen Ermittlungsverfahren zulässig und möglich, u.U. sogar hilfreich.
Zeugen oder Geschädigten kann gestattet werden, eine Person ihres Vertrauens hinzuzuziehen (Nr. 19 a RiStBV). Allerdings darf dadurch nicht der Untersuchungszweck gefährdet werden. Bei sexuellen Gewaltdelikten gegen Frauen ist dem Opfer stets eine Person des Vertrauens zur psychischen Unterstützung zuzulassen; wobei allerdings stets an die Gefahr unlauterer Absprachen des Aussageverhaltens zu denken ist.
Anwesenheitsrecht bei richterlichen Ermittlungshandlungen § 168 c StPO
(1) Bei der richterlichen Vernehmung des Beschuldigten ist der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet.
(2) Bei der richterlichen Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen ist der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet.
(3) Der Richter kann einen Beschuldigten von der Anwesenheit bei der Verhandlung ausschließen, wenn dessen Anwesenheit den Untersuchungszweck gefährden würde. Dies gilt namentlich dann, wenn zu befürchten ist, daß ein Zeuge in Gegenwart des Beschuldigten nicht die Wahrheit sagen werde.
(4) Hat ein nicht in Freiheit befindlicher Beschuldigter einen Verteidiger, so steht ihm ein Anspruch auf Anwesenheit nur bei solchen Terminen zu, die an der Gerichtsstelle des Ortes abgehalten werden, wo er in Haft ist.
(5) Von den Terminen sind die zur Anwesenheit Berechtigten vorher zu benachrichtigen. Die Benachrichtigung unterbleibt, wenn sie den Untersuchungserfolg gefährden würde. Auf die Verlegung eines Termins wegen Verhinderung haben die zur Anwesenheit Berechtigten keinen Anspruch.
Leitsätze/Entscheidungen:
Aus dem Prozessgrundrecht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren lässt sich kein Rechtssatz des Inhalts ableiten, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnen Beweise stets unzulässig wäre. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass bei polizeilichen Vernehmungen Anwesenheitsrechte von Verteidigern und weiteren Beschuldigten nicht vorgesehen sind; Gleiches gilt für die an dem Gesetzeswortlaut des § 168c II StPO orientierte Auslegung, nach der ein derartiges Anwesenheitsrecht auch bei der richterlichen Vernehmung einer anderen Person als der eines Zeugen im Vorverfahren, namentlich eines Beschuldigten, grundsätzlich nicht besteht. Zu den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen, unter denen trotz Nichtgewährung des Konfrontationsrechts Zeugenaussagen bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden dürfen (BVerfG, Beschluss vom 05.07.2006 - 2 BvR 1317/05).
*** (BGH)
Allein das Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 168c Abs. 3 StPO macht die Benachrichtigung des Beschuldigten vom Termin zur richterlichen Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen nicht entbehrlich, denn sie dient der Wahrung seiner Rechte auch über ein Ermöglichen des Erscheinens hinaus (BGH, Beschluss vom 03.03.2011 - 3 StR 34/11):
?... Soweit das LG seine Überzeugung, der Angekl. habe sich vor dem Haftrichter wahrheitsgemäß eingelassen, auch mit dem Inhalt der Aussage der Geschädigten bei ihrer Vernehmung durch den Zeugen Richter am AG S. begründet, ist das Urt. nicht frei von Rechtsfehlern.
1. Die Beweiswürdigung begegnet bereits sachlich-rechtlichen Bedenken. Sachverständig beraten hat das LG die Geschädigte für glaubwürdig und ihre vom Zeugen wiedergegebene Aussage für glaubhaft erachtet. Gleichwohl hat es sich nicht davon überzeugen können, dass der Angekl. mit der Geschädigten - wie von ihr geschildert - auch in den Fällen II. 2. und 3. der Urteilsgründe den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog. Weshalb es den Angaben der Geschädigten in diesen Fällen nur teilweise, im Falle II. 1. dagegen insgesamt gefolgt ist, legt es nicht dar. Diesen Widerspruch aufzulösen hätte es sich indes veranlasst sehen müssen. Hat der Tatrichter Zweifel an der Glaubhaftigkeit einzelner Teile einer Zeugenaussage, so muss er dem Revisionsgericht die Überprüfung ermöglichen, ob seine Annahme, dies lasse deren Beweiswert im Übrigen unberührt und stelle deren Tauglichkeit nicht insgesamt in Frage, auf rechtsfehlerfreien Erwägungen beruht.
2. Darüber hinaus rügt die Revision zu Recht, dass das LG diese Aussage nach § 252 StPO nicht hätte verwerten dürfen. Die Geschädigte hat in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO) Gebrauch gemacht. Der Behandlung ihrer Vernehmung durch Richter am AG S. als richterliche - und damit dessen Vernehmung zum Inhalt der Aussage - steht entgegen, dass der Bf. von dem Termin nicht gem. § 168c Abs. 5 Satz 1 StPO benachrichtigt worden ist; Raum für eine Abwägung, ob die Umstände des Einzelfalles die Annahme eines Verwertungsverbots gebieten, verbleibt in einem solchen Falle nicht (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 168c Rn. 6 m.w.N.). Allein das Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 168c Abs. 3 StPO macht die Benachrichtigung des Besch. vom Termin zur richterlichen Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen nicht entbehrlich, denn sie dient der Wahrung seiner Rechte auch über ein Ermöglichen des Erscheinens hinaus (LR-Erb, StPO, 26. Aufl., § 168c Rn. 37). Ob etwas anderes dann gilt, wenn der Besch. bereits ausgeschlossen worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 03.11.1982 - 2 StR 434/82, BGHSt 31, 140, 142 [= StV 1983, 51]), kann offen bleiben. Dass nicht nur die Anwesenheit des Bf. bei der Vernehmung, sondern auch schon dessen Benachrichtigung vom Termin den Untersuchungserfolg gefährdet hätte (§ 168c Abs. 5 Satz 2 StPO), legt das LG in seinem den Widerspruch gegen die Verwertung zurückweisenden Beschluss nicht dar. ..."
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Der Verstoß gegen die Benachrichtigungspflicht aus § 168c Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 StPO führt nicht zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich eines Mitbeschuldigten (BGH, Beschluss vom 17.02.2009 - 1 StR 691/08).
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Nach dem am 2. 2. 2006 in Kraft getretenen Art. 4 Abs. 1 EU-RhÜbK gilt in den betreffenden Vertragsstaaten bei in Erledigung von Rechtshilfeersuchen durchgeführten Vernehmungen das Recht des ersuchenden Staates. Demnach ist eine gemäß französischem Verfahrensrecht ohne Benachrichtigung des Verteidigers zulässige richterliche Zeugenvernehmung in Erledigung eines deutschen Rechtshilfeersuchens nicht verwertbar, wenn die richterliche Vernehmung ohne Benachrichtigung des Verteidigers erfolgte (BGH, Beschluss vom 15.03.2007 - 5 StR 53/07 zu StPO §§ 251 Abs. 2, 168 c Abs. 5; EU-RhÜbK Art. 4 Abs.).
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?... Die Revisionen machen mit Recht geltend, dass infolge von Fehlern im Ermittlungsverfahren das Recht der Angeklagten auf konfrontative Befragung der Geschädigten nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK verletzt wurde. Da die Angaben der Geschädigten nicht durch gewichtige Gesichtspunkte außerhalb ihrer Aussage gestützt werden, kann das Urteil keinen Bestand haben.
1. Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK garantiert - als eine besondere Ausformung des Grundsatzes des fairen Verfahrens nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK - das Recht des Angeklagten, ?Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen'. Die Befragung des Zeugen hat dabei grundsätzlich, aber nicht zwingend in der Hauptverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten zu erfolgen. Ist ein Zeuge lediglich im Ermittlungsverfahren oder sonst außerhalb der Hauptverhandlung vernommen worden, muss dem Angeklagten entweder zu dem Zeitpunkt, in dem der Zeuge seine Aussage macht, oder in einem späteren Verfahrensstadium die Gelegenheit gegeben werden, den Zeugen selbst zu befragen, unter Umständen über seinen Verteidiger befragen zu lassen. Selbst wenn der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt die Gelegenheit zur konfrontativen Befragung des Zeugen hatte, verstößt dies jedoch nicht ohne weiteres gegen Art. 6 Abs. 3 Buchst. d i.V.m. Abs. 1 Satz 1 MRK. Entscheidend ist vielmehr, ob das Verfahren in seiner Gesamtheit einschließlich der Art und Weise der Beweiserhebung und -würdigung fair war (st. Rspr.; vgl. EGMR, Urteile vom 19. Dezember 1990 - Nr. 26/1989/186/246 - Delta gegen Frankreich = ÖJZ 1991, 425, 426; vom 28. August 1992 - Nr. 39/1991/291/362 - Artner gegen Österreich = EuGRZ 1992, 476; vom 7. August 1996 - Nr. 48/1995/554/640 - Ferrantelli und Santangelo gegen Italien = ÖJZ 1997, 151, 152; vom 14. Dezember 1999 - Nr. 37019/97 - A.M. gegen Italien = StraFo 2000, 374, 375; vom 18. Oktober 2001 - Nr. 37225/97 - N.F.B. gegen Deutschland = NJW 2003, 2297; vom 20. Dezember 2001 - Nr. 33900/96 - P.S. gegen Deutschland = NJW 2003, 2893, 2894; vom 23. November 2005 - Nr. 73047/01 - Haas gegen Deutschland = JR 2006, 289, 291; BGHSt 46, 93, 94 ff. m. w. Nachw.; BGH NStZ 2004, 505, 506; 2005, 224, 225; NStZ-RR 2005, 321).
Bei der Prüfung, ob insgesamt ein faires Verfahren vorlag, kommt es nach der Rechtsprechung des EGMR insbesondere auch darauf an, ob der Umstand, dass der Angeklagte keine Gelegenheit zur konfrontativen Befragung hatte, der Justiz zuzurechnen ist (EGMR [Ferrantelli & Santangelo] ÖJZ 1997, 151, 152; [Haas] JR 2006, 289, 291). Zwar muss die Justiz auch aktive Schritte unternehmen, um den Angeklagten in die Lage zu versetzen, Zeugen zu befragen oder zumindest befragen zu lassen. Allerdings ist sie nicht zu Unmöglichem verpflichtet (impossibilium nulla est obligatio). Vorausgesetzt, dass ihr keine mangelnde Sorgfalt bei den Bemühungen vorzuwerfen ist, dem Angeklagten die konfrontative Befragung von Zeugen zu ermöglichen, ist im Fall deren Unerreichbarkeit die fehlende Gelegenheit zur Befragung hinzunehmen (EGMR [Haas] aaO m. w. Nachw.).
Davon, ob die unterbliebene konfrontative Befragung eines Zeugen der Justiz zuzurechnen ist, ist nach der Rechtsprechung des EGMR der Beweiswert der Angaben dieses Zeugen abhängig. So hat der EGMR entschieden, dass im Fall ausreichender, jedoch fehlgeschlagener Bemühungen seitens der Justiz eine Verurteilung aufgrund der Angaben eines nicht kontradiktorisch vernommenen Zeugen - bei äußerst sorgfältiger (?extreme care') Würdigung - möglich ist, solange sie nicht einzig und allein (?solely') auf diesen Angaben beruht (EGMR [Artner] EuGRZ 1992, 476; [Haas] JR 2006, 289, 291). Insbesondere bei Vorliegen von Verfahrensfehlern hat er demgegenüber bereits dann einen Konventionsverstoß angenommen, wenn sich die Verurteilung zwar nicht allein, aber in einem entscheidenden Ausmaß (?to a decisive extent') auf Angaben eines solchen Zeugen stützt (EGMR [Delta] ÖJZ 1991, 425, 426; [A.M.] StraFo 2000, 374, 375; [P.S.] NJW 2003, 2893, 2894).
Bei der Anwendung des deutschen Strafprozessrechts ist die MRK in der Auslegung, die sie durch Rechtsprechung des EGMR erfahren hat, zu berücksichtigen (BVerfG NJW 2004, 3407; BGHSt 45, 321, 328 f.). Daher gilt für die tatrichterliche Beweiswürdigung: Ist die unterbliebene konfrontative Befragung eines Zeugen der Justiz zuzurechnen, kann eine Verurteilung auf dessen Angaben nur gestützt werden, wenn diese durch andere gewichtige Gesichtspunkte außerhalb der Aussage bestätigt werden (BGHSt 46, 93, 106; BGH NStZ 2005, 224, 225; NStZ-RR 2005, 321; vgl. auch BGH NJW 2003, 3142, 3144; NStZ 2004, 505, 506 f.).
2. Dass die Angeklagten keine Gelegenheit hatten, die Geschädigte zu befragen, beruht, wie die Strafkammer zutreffend festgestellt hat, auf Fehlern im Ermittlungsverfahren. Ob sie die Unerreichbarkeit der Geschädigten in der Hauptverhandlung mit Recht bejaht hat, braucht der Senat daher nicht zu entscheiden.
a) Entgegen § 168c Abs. 5 Satz 1 StPO wurde der Verteidiger des Angeklagten S. K. nicht von der ermittlungsrichterlichen Vernehmung der Geschädigten am 16. August 2005 benachrichtigt. Dies beruht auf einem Verschulden der Justiz, da die am 4. August 2005 bei den Justizbehörden in München eingegangene schriftliche Verteidigungsanzeige erst am 19. August 2005 der sachbearbeitenden Staatsanwältin und erst am 24. August 2005 dem zuständigen Ermittlungsrichter vorgelegt wurde. Für den Rechtsverstoß macht es keinen Unterschied, ob die erforderliche Benachrichtigung absichtlich, versehentlich oder unter Verkennung der gesetzlichen Voraussetzungen unterblieben ist (BVerfG [Kammer] NJW 2006, 672, 673; BGH NJW 2003, 3142, 3143 m. w. Nachw.).
Weiterhin wurde der - zunächst anwesende - Angeklagte S. K. selbst nach Unmutsäußerungen der Geschädigten und ihrem Versuch, den Vernehmungsraum zu verlassen, von der weiteren ermittlungsrichterlichen Vernehmung ausgeschlossen, bevor er von seinem Fragerecht hätte Gebrauch machen können. Nach der Würdigung der Strafkammer war indessen ein - hier auch fern liegender - Ausschlussgrund nach § 168c Abs. 3 StPO nicht gegeben. Der Ausschluss des Angeklagten drängte im Übrigen auch dazu, die Wahrnehmung seines Fragerechts durch einen Verteidiger sicherzustellen (BGHSt 46, 93, 97 ff.).
b) Der Angeklagte D. Ko. wurde von der ermittlungsrichterlichen Vernehmung der Geschädigten ebenfalls entgegen § 168c Abs. 5 Satz 1 StPO nicht benachrichtigt. Obwohl das Ermittlungsverfahren formal nicht gegen ihn geführt wurde, hatte er bereits den Status eines Beschuldigten. Da die Geschädigte ihn bei den polizeilichen Vernehmungen am 2. und 3. August 2005 belastet hatte, wurde er Beschuldigter spätestens durch den Antrag der Staatsanwaltschaft auf ihre ermittlungsrichterliche Vernehmung, weil dieser auf die Sicherung der Aussage auch ihn betreffend gerichtet war. Ein Verdächtiger wird zum Beschuldigten, wenn die Ermittlungsbehörden faktisch Maßnahmen ergreifen, die erkennbar darauf abzielen, gegen ihn wegen einer Straftat vorzugehen (BGHR StPO § 55 Abs. 1 Verfolgung 3; BGH NJW 2003, 3142, 3143). Dass gegen den Angeklagten D. Ko. ebenfalls wegen der von der Geschädigten geschilderten Straftaten ermittelt werden sollte, ergibt sich zudem aus dem gegen den Angeklagten S. K. erlassenen Haftbefehl vom 3. August 2005, in dem der Angeklagte D. Ko. als anderweitig Verfolgter bezeichnet ist. Die Staatsanwaltschaft hätte daher auch auf die Benachrichtigung dieses Angeklagten hinwirken müssen.
Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Benachrichtigung nach § 168c Abs. 5 Satz 2 StPO lagen in Anbetracht der nach §§ 168e, 58a StPO getrennt durchgeführten Vernehmung fern und wurden von der Strafkammer infolgedessen nicht geprüft (hierzu BGH NJW 2003, 3142, 3144), zumal dann wiederum die Beiordnung eines Pflichtverteidigers erforderlich geworden wäre.
3. Die Strafkammer ist zwar - auf der Grundlage von BGHSt 46, 93, 103 ff. - im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass der Tatnachweis voraussetzt, dass die Angaben der Geschädigten durch gewichtige Gesichtspunkte außerhalb der Aussage bestätigt werden. Sie legt diesbezüglich aber nicht die hier gebotenen strengen Maßstäbe an, so dass das Urteil sich im Ergebnis als rechtsfehlerhaft erweist.
Die Strafkammer hat eine fachkundige - für sich genommen rechtsfehlerfreie - Aussageanalyse vorgenommen. Schon hierbei wäre allerdings zu bedenken gewesen, dass gerade den Merkmalen, dass die Angaben ?detailreich' und ?in einen vielschichtigen Kontext eingebunden' sind, infolge des Fehlens einer kontradiktorischen Erörterung ein geringeres Gewicht zukommt (Senat, Urteil vom 25. Juli 2000 - 1 StR 169/00 - Umdr. S. 27 f., in BGHSt 46, 93 nicht abgedruckt).
Die weiteren Beweismittel, die das Urteil zur Bestätigung der Aussage anführt, genügen hier im Hinblick darauf, dass die unterbliebene konfrontative Befragung der Justiz zuzurechnen ist, den sich daraus ergebenden besonderen Beweiswürdigungs- und Begründungsanforderungen nicht. Die Überzeugung der Kammer stützt sich wesentlich auf die ?Entstehungsgeschichte' der Aussage, die Auseinandersetzung in der Trambahn und die ersten zeitnah erfolgten Äußerungen der Geschädigten; beides wird durch Zeugen- und Sachverständigenbeweis bestätigt. Was die Auseinandersetzung in der Trambahn anbelangt, so ließe sie sich jedoch auch mit einem vom Angeklagten - gleichfalls zeitnah - behaupteten Beziehungsstreit in Einklang bringen. Dies gilt umso mehr, als nach den Urteilsfeststellungen die Geschädigte selbst aussagte, sie habe etwa vor den Familienmitgliedern so getan, als habe sie eine Beziehung mit dem Angeklagten S. K. . Dass die Auseinandersetzung bei den beiden Fahrgästen nicht den ?Eindruck eines Beziehungsstreits erweckte', ist indessen nicht ausreichend mit Tatsachen belegt und stellt ein bloßes Werturteil dieser Zeugen dar. Die ersten Äußerungen der Geschädigten gegenüber der Polizei sprechen zwar - als wichtiger Teil der Aussagegenese - für die Glaubhaftigkeit der Aussage; es handelt sich hierbei aber nicht um Gesichtspunkte, die außerhalb der Aussage liegen. Die auf eine Schwangerschaft der Geschädigten hindeutenden Umstände (Milchausfluss und Schmierblutungen) sind zudem nicht aussagekräftig bezüglich der Feststellung, dass der Geschlechtsverkehr nicht einvernehmlich stattfand.
Soweit sich die Überzeugung der Strafkammer darauf stützt, dass die Angaben der Geschädigten von Zeugen insofern bestätigt wurden, als sie von einer Fahrt des Angeklagten D. Ko. nach Polen im Juni 2005 sowie von ihrem Besuch in einer Gaststätte etwa am 25. Juli 2005 berichtete, fehlt es an einem hinreichenden Bezug zu den festgestellten Taten. Auch teilt das Urteil nicht mit, ob und wie sich die Angeklagten bei ihren polizeilichen Vernehmungen hierzu eingelassen hatten.
Augenzeugen, die Angaben zum Kerngeschehen machen konnten, standen dem Landgericht nicht zur Verfügung. Auch objektive Beweismittel, mit denen die von der Geschädigten geschilderten Taten bestätigt worden wären, waren nicht vorhanden (vgl. Senat aaO S. 28).
4. Auf dem Rechtsfehler beruht das angegriffene Urteil (§ 337 Abs. 1 StPO). Ein Freispruch durch den Senat selbst kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil eine erneute Vernehmung der Geschädigten, die dem Fragerecht der Angeklagten nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK Rechnung trägt, nicht auszuschließen ist. ..." (BGH, Beschluss vom 29.11.2006 - 1 StR 493/06)
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Der Bestellung eines Pflichtverteidigers zur Gewährleistung des Rechts des Angeklagten auf Konfrontation mit einem Hauptbelastungszeugen anläßlich dessen richterlicher Vernehmung bedarf es nicht deshalb, weil der nicht verhinderte Wahlverteidiger an der Vernehmung nicht teilnimmt (BGH, Beschluss vom 27.01.2005 - 1 StR 396/04).
Auch die Rüge der Nichtbenachrichtigung des Verteidigers bzw. der Erziehungsberechtigten eines jugendlichen Beschuldugten vom Termin seiner richterlichen Vernehmung setzt die vollständige Mitteilung des bei der richterlichen Vernehmung vorgelesenen und von dem Beschuldigten bestätigten Protokolls seiner polizeilichen Vernehmung voraus. Ergibt sich während der Vorführung des Beschuldigten die Notwendigkeit der Bestellung eines Verteidigers und wird erst durch diese dessen Berechtigung zur Teilnahme an der richterlichen Vernehmung des Beschuldigten begründet, erscheint zweifelhaft, ob § 168 c Abs. 5 S. 1 StPO unter diesen Umständen es gebietet, mit der förmlichen Vernehmung innezuhalten, um den Verteidiger von der stattfindenden Vernehmung zu benachrichtigen (BGH, Urteil vom 13.1.2005 - 4 StR 469/04).
Die Benachrichtigung des Beschuldigten und seines Verteidigers vom Termin einer richterlichen Zeugenvernehmung kann auch bei der Vernehmung eines Zeugen, dem von den Strafverfolgungsbehörden Vertraulichkeit zugesichert worden war, nur unter der Voraussetzung des § 168 c Abs. 5 S. 2 StPO unterbleiben (BGH, Urteil vom 24.7.2003 - 3 StR 212/02, 2003, 540 ff).
Aus der Tatsache, dass ein Beschuldigter anlässlich der richterlichen Vernehmung eines Mitbeschuldigten nicht anwesend war, ergibt sich kein Verbot für die Verwertung der Aussage des Mitbeschuldigten (BGH StV 2002, 584 ff).
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?... Diese Beweiserhebung im Ermittlungsverfahren war entgegen der Auffassung der Verteidigung nicht rechtsfehlerhaft. Deshalb fehlt die Grundlage für die Annahme eines Verwertungsverbots hinsichtlich der Verlesung des richterlichen Vernehmungsprotokolls durch das LG (vgl. dazu Schomburg in Schomburg/Uhlig/Lagodny, IRG 2. A. vor § 68 Rdnr. 37 m.w.N.).
aa) Der Untersuchungsrichter des Kantons Bern hat durch Unterlassen einer Benachrichtigung der Verteidiger nicht rechtsfehlerhaft gehandelt. Gemäß Art. 3 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. 4. 1959 (BGBl. 1976 II 1799 i. d. Fassung der Bekanntmachung vom 11. 3. 1986 ?nur die Schweiz betreffend': BGBl. 1986 II 544) läßt ein um Rechtshilfe ersuchter Staat das Ersuchen grundsätzlich in der in seinen Rechtsvorschriften vorgesehenen Form erledigen. Nach Art. 4 Satz 1 dieses Übereinkommens wird der ersuchende Staat von Zeit und Ort der Erledigung nur auf ausdrückliches Verlangen benachrichtigt. Gemäß Art. III des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Ergänzung des Übereinkommens und die Erleichterung seiner Anwendung vom 13. 11. 1969 (BGBl. II 1171; 1976 II 1818) wird die Anwesenheit von Prozeßbeteiligten bei der Vornahme von Rechtshilfehandlungen im ersuchten Staat gestattet, auch wenn dessen Recht die Anwesenheit von Prozeßbeteiligten bei Untersuchungshandlungen nicht vorsieht, dies aber nach den innerstaatlichen Vorschriften des ersuchenden Staates zulässig ist. Damit beantwortet sich im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz die Frage der Anwesenheit von Prozeßbeteiligten ausnahmsweise nach dem Recht des ersuchenden Staates (vgl. Nagel, Beweisaufnahme im Ausland 1988, 163). Der schweizerische Untersuchungsrichter hatte nur auf Antrag der deutschen Behörden aufgrund des deutschen Strafprozeßrechts die Anwesenheit von Prozeßbeteiligten bei der Zeugenvernehmung zu gestatten und die dazu erforderlichen Benachrichtigungen vorzunehmen. Da kein derartiger Antrag vorlag, hat er nicht gegen Rechtsnormen verstoßen.
bb) Für die Frage des Vorliegens eines Rechtsfehlers bei der Beweiserhebung im Ermittlungsverfahren ist daher entscheidend, ob die deutschen Strafverfolgungsbehörden den Antrag auf Ermöglichung der Anwesenheit der Verteidiger bei der Zeugenvernehmung zu Unrecht unterlassen haben. Dies ist hier jedoch auszuschließen, da ein Ausnahmefall nach § 168 c Abs. 5 S. 2 StPO vorlag.
Alles spricht dafür, daß wegen Gefährdung des Untersuchungszwecks die sofortige Vernehmung des zufällig angetroffenen Zeugen geboten war. Nach § 168 c Abs. 5 S. 2 StPO ist in einem solchen Fall von der Benachrichtigung des Verteidigers abzusehen. Zwar kann das Revisionsgericht grundsätzlich die Voraussetzungen des § 168 c Abs. 5 S. 2 StPO dann nicht selbst überprüfen, wenn weder der (deutsche) Ermittlungsrichter - hier in der besonderen Lage des vorliegenden Falles die deutschen Hilfsbeamten der StA - noch das Tatgericht sich damit ausdrücklich befaßt haben. Das Revisionsgericht ist grundsätzlich auf die Prüfung beschränkt, ob die Entscheidung frei von Rechtsmängeln, insbesondere Ermessensfehlern ist (BGHSt 29, 1, 3; 31, 140, 143 [= StV 1983, 51]). Hier allerdings war aus der Sicht der deutschen Hilfsbeamten der (zum unmittelbaren Verkehr der Justizbehörden untereinander vgl. Art. VIII des oben erwähnten deutsch-schweizerischen Zusatzvertrages vom 13. 11. 1969) zur Zeit der Beantragung der Untersuchungshandlung am 2. 11. 1993 keine andere Beurteilung möglich als diejenige, daß der Untersuchungserfolg bei einer zeitlichen Zurückstellung der Zeugenvernehmung zur Ermöglichung der Anwesenheit der Verteidiger gefährdet gewesen wäre.
Nach den ihnen am 15. 7. 1993 mitgeteilten Erkenntnissen der Kantonspolizei Bern hatte sich der Zeuge Gr. am 13. 11. 1992 nach den USA abgemeldet. Am 18. 6. 1993 war dieser für das Kreiskommando Thun zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben worden. In einem im Juli 1993 gegen ihn geführten Strafverfahren des Richteramtes Thun wegen eines Straßenverkehrsdelikts hatte er danach zwar noch seine vormalige Adresse in Einingen angegeben; dort hatte er aber tatsächlich keine Wohnung. Wie die deutschen Beamten bei der Durchsuchung feststellten, befanden sich dort die Wohnung des Zeugen Gl. und die Geschäftsräume der Firma F. Für die Firma F. war der Zeuge Gr. als Mitinhaber aufgetreten, ohne jedoch ins Handelsregister eingetragen zu sein. Über das Vermögen seiner früheren Firma GT. AG war im Januar 1993 der Konkurs eröffnet worden.
Auf diese Tatsachen hatte sich bereits vor dem Ersuchen der deutschen Ermittlungsbehörde um internationale Rechtshilfe deren Annahme der Unerreichbarkeit des Zeugen Gr. gestützt, weshalb das Ersuchen die Durchsuchung der Geschäftsräume der Firma F. und die Befragung von Zeugen aus dem Umfeld von Gr. begehrt hatte. Der Zeuge Gr. wurde dabei nur durch Zufall angetroffen. Der schweizerische Untersuchungsrichter sah ersichtlich keinen Grund für eine freiheitsentziehende Maßnahme gegen ihn; in der Schweiz war er nur wegen geringfügiger Vergehen verfolgt und von der Vollziehung der Untersuchungshaft in Deutschland in einem Verfahren wegen versuchter räuberischer Erpressung im Jahre 1992 nach vorläufiger Festnahme wieder verschont worden. Bei seinem Antreffen in den Büroräumen der Firma F. gab er als Wohnsitz eine Adresse in Bratislava an. Die anwesenden deutschen Ermittlungsbeamten hatten keine Möglichkeit, ihn am 2. 11. 1993 bis zu einem möglichen Eintreffen der Verteidiger auf schweizerischem Boden festhalten zu lassen. Ihre Ermittlungen waren im übrigen auch deshalb besonders eilbedürftig, weil diese neben der versuchten Anstiftung zum Mord durch die Angeklagten zugleich auch einen Handgranatenanschlag auf einen Ermittlungsbeamten und ein weiteres Attentat auf den Tatzeugen S. durch unbekannte Täter zum Gegenstand hatten. Vor dem Hintergrund dieser Taten war dem Verteidiger des Angekl. He. am 7. 10. 1993 bereits die Akteneinsicht verweigert worden, weil sie den Untersuchungszweck gefährden konnte.
Unter allen diesen Umständen war das Entschließungsermessen der Hilfsbeamten der StA bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefährdung des Untersuchungserfolges bei Unterlassen der möglichen sofortigen Vernehmung des Zeugen Gr. ohne Benachrichtigung der Verteidiger i. S. d. § 168 c Abs. 5 S. 2 StPO auf Null reduziert. Daher kann der Senat ausnahmsweise die Frage der Anwendung des § 168 c Abs. 5 S. 2 StPO selbst beantworten, obwohl weder die Entscheidung der deutschen Ermittlungsbehörden hierüber ausdrücklich in den Akten vermerkt ist noch sich das Tatgericht damit befaßt hat. Die in BGHSt 29, 1 und 31, 140 abgedruckten Urteile stehen dem nicht entgegen. Das vorliegende Prozeßgeschehen unterscheidet sich wesentlich von den dort entschiedenen Fällen.
cc) Im übrigen würde auch aus einem Verstoß gegen § 168 c Abs. 5 S. 1 StPO im vorliegenden Fall kein Beweisverwertungsverbot folgen. Dessen Entstehung ist davon abhängig, daß der Verteidiger im Rahmen des Äußerungsrechts nach § 257 StPO der Verwertung sofort widerspricht; denn es darf zur Vermeidung unüberschaubarer Prozeßlagen für die nachfolgenden Beweiserhebungen und Prozeßhandlungen nicht unklar bleiben, ob die vorherige Beweisaufnahme nach dem Willen des Widerspruchsberechtigten verwertbar ist oder nicht. Für Fälle des Verstoßes gegen die §§ 136 Abs. 1 S. 2, 137 StPO ist dies anerkannt (BGHSt 38, 214, 225 f [= StV 1992, 212]; 39, 349, 352 [= StV 1994, 4]; BGH Urt. v. 12. 1. 1996 - 5 StR 756/ 94 [= StV 1996, 187], zum Abdruck in BGHSt bestimmt). Entsprechendes hat der Senat bereits zuvor auch für den Fall des § 168 c Abs. 5 S. 1 StPO angenommen (NStZ 1987, S. 132, 133).
Im vorliegenden Fall hat der Verteidiger den Widerspruch verspätet erhoben, so daß dieser kein Beweisverwertungsverbot auslösen konnte. Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob mit dieser Annahme von Entscheidungen des 2. und 5. Strafsenats (BGHSt 31, 140 ff. [= StV 1983, 51], BGH StV 1985, 397, 398) abgewichen wird, welche jedoch nicht ausdrücklich darauf eingegangen sind, kann offenbleiben. Sie ist hier nicht entscheidungserheblich. ..." (BGH StV 1997, 244 ff).
*** (OLG)
Eine Videoaufzeichnung der richterlichen Vernehmung eines minderjährigen Zeugen unterliegt im Falle des Widerspruchs des Angeklagten einem Beweisverwertungsverbot, wenn der zu der richterlichen Vernehmung kurzfristig geladene Verteidiger wegen anderweitiger beruflicher Verpflichtungen an einer Teilnahme verhindert war und seine Bitte um Terminsverlegung unbeachtet blieb, obwohl einer kurzfristigen Terminsverlegung keine Gründe entgegengestanden hätten (OLG München StV 2000, 352 f).
*** (LG)
Allein der Umstand, dass ein Zeuge in einem Parallelverfahren seine Aussage zu Unrecht verweigert hat, rechtfertigt nicht die Annahme, der Zeuge werde anlässlich seiner richterlichen Vernehmung in Gegenwart des Beschuldigten nicht die Wahrheit sagen (LG Bielefeld, Beschluss vom 24.09.2010 - Qs 91/10 II):
?... Die StA ermittelte gegen den Besch. Ö.wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das BtMG. Dem Besch. wird vorgeworfen, gemeinsam mit weiteren Personen unerlaubt gewerbsmäßig mit Btm gehandelt zu haben. Dabei steht K. in Verdacht, Mittäter des Ö. zu sein. A. wird verdächtigt, als Bunkerhalter fungiert zu haben.
Mit Beschl. v. 15.02.2010 schloss das AG die Besch. A. und Ö. von der ermittlungsrichterlichen Vernehmung des gesondert verfolgten, mittlerweile rechtskräftig wegen Betäubungsmitteldelikten verurteilten K. als Zeugen aus. Es sei zu befürchten, dass der Zeuge in Anwesenheit des Besch. nicht bzw. nicht die Wahrheit aussagen werde.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Besch. Ö. gegen den Ausschluss von der richterlichen Vernehmung des Zeugen K. Es sei im Gegenteil zu befürchten, dass der Zeuge in Abwesenheit des Besch. nicht wahrheitsgemäß aussagen werde.
II. Die zulässige Beschwerde des Besch. ist begründet.
Nach § 168c Abs. 2 StPO ist dem Besch. bei der richterlichen Vernehmung des Zeugen die Anwesenheit gestattet. Nach § 168c Abs. 3 StPO kann der Richter einen Besch. von der Anwesenheit bei der Verhandlung ausschließen, wenn dessen Anwesenheit den Untersuchungszweck gefährden würde, insbes. wenn zu befürchten ist, dass ein Zeuge in Gegenwart des Besch. nicht die Wahrheit sagen werden.
Das Anwesenheitsrecht des Besch. dient der Absicherung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör und ist gleichzeitig eine Ausprägung des Grundsatzes der Waffengleichheit zwischen Besch. und StA, die ebenfalls ein Anwesenheitsrecht bei der richterlichen Vernehmung von Zeugen hat. Ein Ausschluss des Besch. ist vor diesem Hintergrund nur dann möglich, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Zeuge in Gegenwart des Besch. nicht die Wahrheit sagen werde oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass der Besch. seine Anwesenheit oder seine bei der Vernehmung erlangten Kenntnisse mißbräuchlich verwenden wird, um die Ermittlungen - etwa durch Beeinflussung von Zeugen oder Manipulation von Beweismitteln - zu beeinträchtigen.
Im vorliegenden Verfahren ist nicht erkennbar, dass ein solcher Ausschlussgrund vorliegt. Allein der Umstand, dass der Zeuge K. in einem Parallelverfahren seine Zeugenaussage zu Unrecht verweigert hat, lässt nicht erkennen, dass dies gerade auf der Anwesenheit des Besch. Ö. beruhte. Dass der Zeuge K. die Aussage zu Unrecht verweigert hat und damit das Risiko von gerichtlichen Maßnahmen gegen ihn auf sich nimmt, lässt eher darauf schließen, dass er generell keine Aussage machen will, unabhängig von der Anwesenheit des Zeugen. Es sind keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte erkennbar, dass sich der Zeuge K. in Abwesenheit des Besch. Ö. zu einer Aussage entschließt, zumal der Verteidiger des Besch. nicht von der Vernehmung ausgeschlossen werden kann. Entsprechende Ankündigungen des K. sind nicht bekannt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Besch. den Zeugen bedroht oder anderweitig beeinflusst hat. ..."
*** (AG)
Hat ein Angeklagter in keinem Stadium des Verfahrens Gelegenheit, den wesentlichen Belastungszeugen selbst zu befragen, und ist ein Verteidiger vor der ermittlungsrichterlichen Vernehmung dieses Zeugen nicht bestellt worden, obwohl die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung vorlagen und mit der Möglichkeit zu rechnen war, daß ein späterer Rückgriff auf den Ermittlungsrichter als Zeugen nötig werden könnte, unterliegt die ermittlungsrichterliche Vernehmung einem Beweisverwertungsverbot (AG Hamburg StV 2004, 11 ff).
Anwesenheit von Zeugen in der Hauptverhandlung
Siehe unter ?Einzelvernehmung, Gegenüberstellung" und ?Gang der Hauptverhandlung".
Arglosigkeit
Siehe unter ?Heimtücke als Mordmerkmal".
Atemalkoholmessgerät - Verwertbarkeit
Eine Verfassungsbeschwerde gegen die Verurteilung wegen fahrlässigen ordnungswidrigen Führens eines Kraftfahrzeuges unter Alkoholeinwirkung gem. § 24a I Nr. 1 und III StVG (in der bis zum 31.3.2001 geltenden Fassung) wird nicht zur Entscheidung angenommen, obwohl bei Feststellung der Atemalkoholkonzentration keine Sicherheitsabschläge vom Mesergebnis vorgenommen wurden (BVerfG, Beschluss vom 03.12.2001 - 2 BvR 1956/01).
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Bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration i. S. v. § 24 a Abs. 1 StVG unter Verwendung eines Atemalkoholmessgerätes, das die Bauartzulassung für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs erhalten hat, ist der gewonnene Meßwert ohne Sicherheitsabschläge verwertbar, wenn das Gerät unter Einhaltung der Eichfrist geeicht ist und die Bedingungen für ein gültiges Messverfahren gewahrt sind (BGH StV 2001, 347).
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Bei einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen § 24a StVG, der eine so genannte Atemalkoholmessung zu Grunde liegt, muss den tatrichterlichen Feststellungen hinreichend deutlich zu entnehmen sein, dass der Zeitablauf seit Trinkende mindestens 20 Minuten betragen hat (OLG Hamm zfs 2002, 402).
Bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration mit Hilfe des Geräts Alcotest 7110 Evidential MK III der Firma Dräger handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren. Wenn kein Verfahrensbeteiligter die Funktionstüchtigkeit des Messgerätes in Zweifel zieht, müssen in den Entscheidungsgründen lediglich Messmethode und Atemalkoholwerte mitgeteilt werden (OLG Hamm NZV 2002, 198).
Die tatrichterliche Feststellungen bei einer Atemalkoholmessung sind lückenhaft, wenn der Tatrichter nicht feststellt, dass das verwendete Messgerät im Zeitpunkt der Messung noch gültig geeicht war. Dafür ist der Verweis auf eine Bescheinigung für die Ersteichung des Gerätes durch die Herstellerfirma nicht ausreichend (OLG Hamm zfs 2001, 474).
Bei der Analyse der Atemalkoholkonzentration (AAK) des Betroffenen mit dem Gerät Dräger Alcotest 7110 Evidential MK III handelt es um ein standardisiertes Messverfahren. Die Zuverlässigkeit und die Messprinzipien des Geräts sind grundsätzlich anerkannt. Grundsätzlich genügt deshalb in den Urteilsgründen die Angabe des Messverfahrens und des Messergebnisses; der Mitteilung eines Toleranzwertes bedarf es nicht. Allerdings ist die Mitteilung der beiden Einzelmessergebnisse erforderlich, damit eine zuverlässige Mittelwertbildung durch Aufrundung ausgeschlossen und die Einhaltung der nach DIN VDE 0405 höchst zulässigen Differenz zwischen beiden Einzelwerten der AAK überprüft werden. Die Festlegung eigener Grenzwerte für die AAK in der Atemluft in § 24a I StVG und ihre Verknüpfung mit denselben Rechtsfolgen, die für die ihnen gegenübergestellten BAK-Grenzwerte bestimmt sind, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Bedenken gegen die Messgenauigkeit des verwendeten Geräts Alcotest 7110 Evidential MK III bestehen nicht. Den mit dem Alcotest 7110 Evidential MK III gemessenen Einzelwerten sind ebensowenig Sicherheitszuschläge hinzuzurechnen, wie dem aus ihnen (ohne Aufrundung) zu errechnenden Mittelwert. Eine Beeinflussung des Messergebnisses etwa durch Fremdsubstanzen in der Atem- oder Umgebungsluft, durch die Atemtechnik (Hypo-/Hyperventilation), durch die Körper- oder Umgebungstemperatur bzw. durch Mundalkohol wird durch die Gerätetechnik zuverlässig ausgeschlossen (BayObLG, Beschluss vom 12.05.2000 - 2 ObOWi 598/99 - ZfS 2000, 313).
Atemalkoholwert
Aus einem bestimmten Atemalkoholwert darf nicht auf die Höhe der Blutalkoholkonzentration geschlossen werden. Hat die Bestimmung des Atemalkoholwertes eine über dem tatbestandlichen Gefahrengrenzwert liegende Alkoholisierung ergeben, kann diese Messung grundsätzlich nicht durch das günstigere Ergebnis einer nachfolgenden Blutalkoholbestimmung infrage gestellt werden (OLG Zweibrücken ZfS 2002, 200).
Eine gemessene Atemalkoholkonzentration von 0,94 mg/l ist als alleiniges Indiz nicht geeignet, die absolute Fahruntüchtigkeit zu erweisen, insbesondere kann sie nicht rechtsfehlerfrei auf eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,1 Promille umrechnet werden (OLG Naumburg ZfS 2001, 136).
Zuverlässige Schlüsse von einer durch Draeger-Testgerät bestimmten Atemalkoholkonzentration auf eine bestimmte Blutalkoholkonzentration sind nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft nicht möglich (OLG Hamm NJW 1995, 2425).
Aufenthaltsgesetz
Siehe unter ?Einschleusen von Ausländern" und ?illegaler Aufenthalt".
Aufforderung zum Verlassen des Sitzungssaales
Siehe unter ?Einzelvernehmung, Gegenüberstellung".
Aufhebung des Haftbefehls § 120 StPO
(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Er ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt wird.
(2) Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten werden.
(3) Der Haftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es vor Erhebung der öffentlichen Klage beantragt. Gleichzeitig mit dem Antrag kann die Staatsanwaltschaft die Freilassung des Beschuldigten anordnen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen verliert seine Bedeutung nicht durch den Erlass eines erstinstanzlichen Urteils. Die floskelhafte Feststellung, dass vermeidbare Verfahrensverzögerungen von besonderem Gewicht nicht erkennbar seien, genügt bei einer Haftdauer von 14 Monaten nicht den Anforderungen an die darzulegende Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Beschuldigten und dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch, wenn sich aus den Verfahrensakten die Möglichkeit vermeidbarer Verfahrensverzögerungen ergibt (BVerfG, Beschluss vom 13.05.2009 - 2 BvR 388/09).
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?... 1. Bei der Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten. Grundsätzlich darf im Rechtsstaat nur einem rechtskräftig Verurteilten vollständig die Freiheit entzogen werden. Der Freiheitsentzug eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung, die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist (vgl. BVerfGE 19, 342 (347); 74, 358 (371)), nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen ständig der Freiheitsanspruch des noch nicht verurteilten Beschuldigten als Korrektiv entgegen gehalten werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. grundlegend BVerfGE 19, 342 (347), sowie BVerfGE 20, 45 (49 f.); 36, 264 (270); 53, 152 (158 f.)). Zwischen beiden Belangen muss abgewogen werden.
2. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht nur für die Anordnung, sondern auch für die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung. Er verlangt, dass die Dauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur erwarteten Strafe steht und setzt ihr auch unabhängig von der Straferwartung Grenzen (BVerfGE 20, 45 (49 f.)). Außerdem vergrößert sich regelmäßig das Gewicht des Freiheitsanspruchs gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft (vgl. BVerfGE 36, 264 (270); 53, 152 (158 f.)).
3. Zu beachten ist das verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verankerte Beschleunigungsgebot in Haftsachen (vgl. BVerfGE 46, 194 (195)), das verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen (vgl. BVerfGE 20, 45 (50); 36, 264 (273)). An den zügigen Fortgang des Verfahrens sind dabei umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger die Untersuchungshaft schon andauert (BVerfGK 7, 421 (427)). Das Beschleunigungsgebot verliert seine Bedeutung auch nicht durch den Erlass des erstinstanzlichen Urteils. Es ist auch darüber hinaus bei der Prüfung der Anordnung der Fortdauer von Untersuchungshaft zu beachten (BVerfGK 5, 109 (117)). Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und einer Sicherstellung der späteren Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft deshalb nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verfahrensverzögerungen verursacht ist (BVerfGE 20, 45 (50); 36, 264 (270 ff.); 53, 152 (161 f.)). Von dem Beschuldigten nicht zu vertretende, sachlich nicht gerechtfertigte und vermeidbare erhebliche Verfahrensverzögerungen stehen regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegen.
4. Der Grundrechtsschutz beeinflusst auch das Verfahrensrecht. Das Verfahren der Haftprüfung und Haftbeschwerde muss so ausgestaltet sein, dass nicht die Gefahr einer Entwertung der materiellen Grundrechtsposition besteht (vgl. hierzu BVerfGE 53, 30 (65); 63, 131 (143)). Dem ist durch eine verfahrensrechtliche Kompensation (vgl. BVerfGE 17, 108 (117 ff.); 42, 212 (219 f.); 46, 325 (334 f.)) des mit dem Freiheitsentzug verbundenen Grundrechtseingriffs, insbesondere durch erhöhte Anforderungen an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen, Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 103, 21 (35 f.)). Die mit Haftsachen betrauten Gerichte haben sich bei der zu treffenden Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft mit deren Voraussetzungen eingehend auseinanderzusetzen und diese entsprechend zu begründen. Zu berücksichtigen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens, die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehenden Straferwartung und - unter Berücksichtigung einer etwaigen Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 57 StGB - das hypothetische Ende einer möglicherweise zu verhängenden Freiheitsstrafe sowie Verzögerungen des Verfahrens. Die zugehörigen Ausführungen müssen in Inhalt und Umfang eine Überprüfung des Abwägungsergebnisses am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für das die Anordnung treffende Fachgericht im Rahmen einer Eigenkontrolle gewährleisten und in sich schlüssig und nachvollziehbar sein (BVerfGK 7, 421 (429 f.); 8, 1 (5)).
II. Diesen sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ergebenden Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts nicht gerecht.
1. Sie lassen die gebotene Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Beschuldigten und dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch nicht erkennen. Das Landgericht begründet die Verhältnismäßigkeit lediglich damit, dass eine Strafaussetzung zum Halbstrafenzeitpunkt gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht in Betracht komme und die Erwägungen des Verteidigers zur Haftentlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Strafe gemäß § 57 Abs. 1 StGB zu ab-strakt seien. Das Oberlandesgericht verweist ausschließlich floskelhaft darauf, dass der Beschwerdeführer mit einer erheblichen Gesamtfreiheitsstrafe zu rechnen habe und der zu erwartende Strafrest erheblich sei. Konkrete Überlegungen zu der Höhe der noch zu verbüßenden Reststrafe werden nicht niedergelegt. Die Gerichte gehen weder auf den Verfahrensablauf noch auf mögliche Verzögerungen sowie deren Ursachen ein. Den angegriffenen Entscheidungen fehlen sowohl die notwendigen Feststellungen wie auch die darauf aufbauenden Bewertungen, so dass eine nachvollziehbare und sachgerechte Abwägung nicht gewährleistet ist. Sie können schon deshalb keine tragfähige Grundlage für die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft sein.
2. Bei der vorzunehmenden Abwägung wird das Oberlandesgericht zu berücksichtigen haben, dass sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Untersuchungsgefangenen gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse des Staates mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft erhöht (vgl. BVerfGE 19, 342 (347); 36, 264 (270); 53, 152 (158 f.)). Der Vollzug der Untersuchungshaft von mehr als einem Jahr bis zum Beginn der Hauptverhandlung oder dem Erlass des Urteils wird nur in ganz besonderen Ausnahmefällen zu rechtfertigen sein (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. September 1999 - 2 BvR 1775/99 -, NStZ 2000, S. 153; BVerfGK 7, 140 (156); BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07 -, StV 2008, 198 (199)).
Zwar hat sich mit der Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Amtsgericht das Gewicht des staatlichen Strafanspruchs vergrößert; denn die Begehung der Straftat ist nach der Beweisaufnahme als erwiesen angesehen worden. Der Umstand, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, führt zu keiner anderen Beurteilung; denn die eingelegte Berufung beseitigt nicht die Existenz des angegriffenen Urteils und damit den Umstand, dass auf der Grundlage eines gerichtlichen Verfahrens bereits ein Schuldnachweis gelungen ist (BVerfGK 5, 109 (122); 7, 140 (161)). Das rechtfertigt es aber grundsätzlich nicht, einen Verurteilten bis zum Zeitpunkt der Vollverbüßung der ausgesprochenen Strafe in Untersuchungshaft zu halten. Dem steht schon der Resozialisierungszweck der Strafhaft entgegen; denn wird die verhängte Freiheitsstrafe durch Anrechnung der Untersuchungshaft zum überwiegenden Teil oder gar vollständig verbüßt, so können die im Rahmen des Vollzugs der Strafhaft möglichen Maßnahmen zur Resozialisierung nur in geringem Ausmaß oder überhaupt keine Wirkung entfalten (BVerfGK 5, 109 (122); 7, 140 (162)). Dieser Rechtsgedanke erfordert es auch, dass bei der Ermittlung der Dauer der zu erwartenden Strafhaft eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 57 StGB jedenfalls dann berücksichtigt werden muss, wenn sie im konkreten Fall zu erwarten ist (vgl. BVerfGK 7, 140 (162); OLG Celle, Beschluss vom 22. April 2002 - 2 StE 6/01 -, NStZ-RR 2002, S. 254; OLG Hamm, Beschluss vom 5. November 1992 - 3 Ws 540/92 -, JURIS; OLG Bamberg, Beschluss vom 19. April 1989 - Ws 148/89 -, StV 1989, S. 486; OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. Juni 1986 - 1 Ws 146/86 -, NStZ 1986, S. 568; LG Köln, Beschluss vom 24. Juni 1998 - 110-13/97 -, StraFo 1998, S. 351; LG Zweibrücken, Beschluss vom 29. September 1994 - 1 Qs 135/94 -, StV 1994, S. 589; Boujong, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. 2003, § 112 Rn. 48; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl. 1996, § 120 Rn. 10; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. 2006, § 120 Rn. 4).
Das Oberlandesgericht hat daher in seine Abwägungsentscheidung den noch konkret zu erwartenden Strafrest einzubeziehen. Dabei wird es auch eine mögliche Aussetzung zur Bewährung gemäß § 57 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen haben, zumal der Beschwerdeführer zuvor nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Dass über den Beschwerdeführer noch keine Erkenntnisse aus der Strafhaft vorliegen, die die Prüfung der Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB ermöglichen, und dass auch ein Sachverständigengutachten nach § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO, § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB noch nicht erstellt wurde, rechtfertigt nicht den völligen Wegfall der Prognoseentscheidung (vgl. auch BVerfGK 7, 140 (162)).
3. Neben der zeitlichen Begrenzung der Untersuchungshaft durch die zu erwartende Strafe nehmen mit der Dauer der Untersuchungshaft die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache zu. Im Rahmen der Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch und dem Strafverfolgungsanspruch kommt es auf die durch objektive Kriterien bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer an, wobei mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft höhere Anforderungen an das Vorliegen eines sie rechtfertigenden Grundes zu stellen sind (BVerfGE 36, 264 (270); 53, 152 (158 f.)). Dies bedingt eine auf den Einzelfall bezogene Analyse des Verfahrensablaufs. Entsprechend dem Gewicht der zu ahndenden Straftat können zwar kleinere Verfahrensverzögerungen die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen. Allein die Schwere der Tat und die sich daraus ergebende Straferwartung können aber bei erheblichen, vermeidbaren und dem Staat zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen nicht zur Rechtfertigung einer ohnehin schon lang andauernden Untersuchungshaft herangezogen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat dabei bei einer Dauer der Untersuchungshaft von 18 Monaten im Einzelfall schon eine Verzögerung von sechs Wochen als Verletzung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen angesehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. September 1999 - 2 BvR 1775/99 -, NStZ 2000, S. 153 (154)).
Insoweit begegnet die Verfahrensbehandlung vor dem Amtsgericht Bedenken. Dabei ist zu beachten, dass der Grundsatz der Beschleunigung in Haftsachen auch dann gilt, wenn der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt ist (vgl. BVerfGE 53, 152 (159 f.)). Dem Beschleunigungsgebot ist - sofern nicht besondere Umstände vorliegen - nur dann Genüge getan, wenn innerhalb von drei Monaten nach Eröffnung des Hauptverfahrens mit der Hauptverhandlung begonnen wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Februar 2007 - 2 BvR 2563/06 -, NStZ-RR 2007, 311 (313)). Das Oberlandesgericht wird deshalb im Einzelnen zu erwägen haben, ob die Verschiebung der Hauptverhandlung nach Zulassung der Anklage am 31. Oktober 2006 vom ursprünglich vorgesehenen Termin am 5. Dezember 2006 auf den 24. Juli 2007 aufgrund der Nachermittlungen und dem Verteidigerverhalten gerechtfertigt war. Es wird zu berücksichtigen haben, dass in der Zeit von Ende Dezember 2006 bis 26. März 2007 keine verfahrensfördernden Handlungen vorgenommen wurden, obwohl die Stellungnahme der Sachverständigen H. zum Antrag vom 23. November 2006 bereits am 18. Dezember 2006 dem Gericht vorlag und die polizeilichen Nachermittlungen bereits am 21. Dezember 2006 abgeschlossen waren.
III. Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG durch das Oberlandesgericht und das Landgericht festzustellen. Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts ist unter Zurückverweisung der Sache aufzuheben (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Das Oberlandesgericht hat unverzüglich unter Berücksichtigung der angeführten Gesichtspunkte erneut eine Entscheidung über die Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 19. Februar 2008 herbeizuführen. ..." (BVerfG, 2 BvR 806/08 vom 11.6.2008, Absatz-Nr. (1 - 44), www.bverfg.de/entscheidungen/rk20080611_2bvr080608.html)
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Bei absehbar umfangreichen Verfahren, in denen sich der Angeklagte in Untersuchungshaft befindet, fordert das Beschleunigungsgebot in Haftsachen stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlungsplanung mit mehr als nur einem durchschnittlichen Hauptverhandlungstag pro Woche. Wird aber durch ein angeordnetes Selbstleseverfahren im Ergebnis eine Konzentration des Prozeßstoffes erreicht, der derjenigen einer zweimal wöchentlichen Verhandlung entspricht, liegt eine Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes fern. Insoweit kommt es in diesem Verfahrensstadium nicht darauf an, ob die Belastungssituation des Gerichts eine höhere Verhandlungsdichte zugelassen hätte (BVerfG, Beschluss vom 17.07.2006 - 2 BvR 1190/06).
Hält ein in Untersuchungshaft befindlicher Angeklagter die rechtliche Vertretung durch einen Verteidiger seines Vertrauens gegenüber der Einhaltung des Beschleunigungsgrundsatzes für vorrangig mit der Folge, daß die zur Wahrung des Beschleunigungsgrundsatzes ins Auge gefaßte Terminierung der Strafsache wegen Verhinderung des Verteidigers nicht realisiert werden könnte, muß bei anderweitiger Gewährleistung der Verteidigung der Wunsch des Angeklagten zurückstehen, wenn weitere Personen angeklagt sind, die sich ebenfalls in Untersuchungshaft befinden (BVerfG, Beschluss vom 02.03.2006 - 2 BvQ 10/06 zu StPO §§ 141, 120 Abs. 1; GG Art. 2, 20 Abs. 3).
Die fachgerichtliche Rechtsprechung, wonach es der Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen in Umfangsverfahren grundsätzlich gebietet, zumindest an 2 Tagen in der Woche Termin zur Hauptverhandlung anzuberaumen, trägt den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundrechts der persönlichen Freiheit Rechnung. Mit dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot in Haftsachen ist eine Vorgehensweise nicht vereinbar, die die Urteilserstellung von vornherein auf das zeitlich fixierte Ende der Frist des § 275 Abs. 1 StPO ausrichtet. Ebenso wie sich aus dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen die Pflicht des Gerichtspräsidenten ableitet, durch Ergreifen geeigneter organisatorischer Maßnahmen die beschleunigte Bearbeitung von Haftsachen sicherzustellen, folgt daraus zugleich, daß solche gerichtsorganisatorischen Maßnahmen zu unterlassen sind, die einer beschleunigten Bearbeitung von Haftsachen zuwiderlaufen (hier: Abziehen von Berufsrichtern aus einer Strafkammer während laufender Urteilsabsetzungsfrist). In der vermeidbaren Verzögerung von 6 Wochen bei der Urteilszustellung zu einem Zeitpunkt, in dem die Untersuchungshaft bereits mehr als 5 Jahre angedauert hat, liegt eine erhebliche, den Strafverfolgungsbehörden zuzurechnende Verfahrensverzögerung, die das Beschleunigungsgebot verletzt. Die nicht rechtskräftig verhängte Freiheitsstrafe stellt grundsätzlich nur ein Indiz für das Gewicht der zu verfolgenden Straftat im Zusammenhang mit der Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft dar. Sie kann deshalb nicht ohne weiteres als Maßstab für die mögliche Länge der Untersuchungshaft dienen, weil dies mit dem Resozialisierungszweck der Strafhaft in ein Spannungsverhältnis tritt (BVerfG, Beschluss vom 29.12.2005 - 2 BvR 2057/05).
Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot bei Aufhebung eines erstinstanzlichen Urteils nach fast 2-jähriger Hauptverhandlung und fast 25-monatiger Dauer des Revisionsverfahrens (BVerfG, Beschluss vom 05.12.2005 - 2 BvR 1964/05).
Eine Haftsache ist auch dann wie eine Haftsache zu behandeln, wenn der Haftbefehl nicht vollzogen wird, weil er außer Vollzug gesetzt ist. Kommt es aufgrund vermeidbarer Fehler der Justizorgane zu einer erheblichen Verzögerung, so steht dies der Aufrechterhaltung des Haftbefehls regelmäßig entgegen. Der inhaftierte Beschuldigte hat es insbesondere nicht zu vertreten, wenn seine Strafsache nicht binnen angemessener Frist zum Abschluß gebracht werden kann, weil familiär bedingte personelle Veränderungen auf der Richterbank mit einer ordnungsgemäßen Bewältigung des Geschäftsanfalls in Haftsachen kollidieren. Es handelt sich insoweit weder um einen unvorhersehbaren Zufall noch um ein schicksalhaftes Ereignis (BVerfG, Beschluss vom 29.11.2005 - 2 BvR 1737/05).
Verfassungswidrigkeit der Fortdauer der Untersuchungshaft nach erstinstanzlichem Urteil wegen erheblicher Verfahrensverzögerung im Revisionsverfahren (BVerfG, Beschluss vom 22.02.2005 - 2 BvR 109/05).
Der verfassungsrechtliche Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen gilt nicht nur für den vollstreckten Haftbefehl, sondern ist darüber hinaus von Bedeutung, wenn sich ein Inhaftierter in anderer Sache in Straf- oder Untersuchungshaft befindet oder wenn der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt wurde. Eine kurzfristige und unvermeidbare Überlastung des Strafgerichts kann Verfahrensverzögerungen in Haftsachen rechtfertigen. Das für die Haftprüfung zuständige Gericht hat in seiner Begründung die Tatsachen festzustellen, die zur Verzögerung führen. Eine Berücksichtigung des Beschleunigungsgrundsatzes lediglich dem Wortlaut nach ohne nähere Feststellungen zu den Verzögerungstatsachen lässt eine unrichtige Anschauung von Bedeutung und Tragweite des Freiheitsgrundrechtes erkennen (BVerfG, Beschluss vom 13.09.2002 - 2 BvR 1375/02).
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Wird ein Haftbefehl wegen nicht mehr vorliegenden dringenden Tatverdachts während laufender Hauptverhandlung aufgehoben, unterliegt die Beurteilung des dringenden Tatverdachts im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht. Der Prüfungsumfang ist insbesondere dann erheblich eingeschränkt, wenn die Beweisaufnahme abgeschlossen ist oder unmittelbar vor dem Abschluß steht und sich auf Beweismittel erstreckt hat, deren - potentielle - Beweisbedeutung dem Beschwerdegericht aus den Akten nicht ersichtlich ist (BGH, Beschluss vom 19.12.2003 - StB 21/03).
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Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen hat Vorrang vor gerichtlichen Bemühungen um eine Verfahrensverbindung. Der wegen bestimmter Tatvorwürfe in Untersuchungshaft gehaltene Angeschuldigte hat ein Recht darauf, dass - unabhängig von anderen gegen ihn gerichteten Strafverfahren - die Haftsache mit größtmöglicher Beschleunigung betrieben wird (OLG Oldenburg, Beschluss vom 24.03.2011 - 1 Ws 128/11).
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Vergeht nach Eingang einer ausschließlich auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision beim Tatrichter ein Zeitraum von 6 Monaten bis zur Übersendung der Akten durch die Staatsanwaltschaft an das Revisionsgericht, ist die Fortdauer einer ohnehin schon lange andauernden Untersuchungshaft nicht mehr gerechtfertigt (KG, Beschluss vom 10.09.2007 - 3 Ws 465/07).
Ist wegen eines identischen Tatvorwurfs der Vollzug eines Haftbefehls gegen einen Mitbeschuldigten im Hinblick auf die Verletzung des Beschleunigungsgebots ausgesetzt worden, erfordert der auch innerhalb eines Strafverfahrens im Verhältnis der Angeschuldigten zueinander zu beachtende Grundsatz der Gleichbehandlung aus Art. 3 GG die Aufhebung der Untersuchungshaftanordnung gegen einen anderen Mitbeschuldigten, wenn dieser von der Verletzung des Beschleunigungsgebots in gleicher Weise belastet ist (OLG Dresden, Beschluss vom 25.05.2007 - 2 Ws 218/07).
Eine zur Aufhebung des Haftbefehls wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemäß § 120 Abs. 1 StPO führende Verletzung des Beschleunigungsgebotes in Haftsachen (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) kann auch gegeben sein, wenn notwendige Ermittlungshandlungen zur Aufklärung des Sachverhaltes unterlassen und die Ermittlungsakten über einen Zeitraum von ca. 2 Monaten lediglich der Bearbeitung von Haftbeschwerden zugeführt werden (OLG Brandenburg, Beschluss vom 27.04.2007 - 1 Ws 89/07).
Kann ein Hauptverhandlungstermin nicht durchgeführt werden, weil es seitens der JVA versäumt wurde, den in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten vorzuführen, und wird die Hauptverhandlung daraufhin ausgesetzt, ohne den Versuch zu unternehmen, sie an den verbleibenden anberaumten Hauptverhandlungsterminen abzuschließen mit der Folge, dass mit der Hauptverhandlung erst nach weiteren 6 Monaten begonnen werden kann, führt dies wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots zur Aufhebung des Haftbefehls (OLG Hamm, Beschluss vom 29.03.2007 - 2 Ws 88/07).
Kommt es auch innerhalb von 3 Monaten trotz des bei der Festnahme des Beschuldigten abgelegten Geständnisses und vorliegender Aussagen der Geschädigten der vorgeworfenen Straftaten sowie weiterer Ermittlungen, die eine unverzügliche Anklage ermöglicht hätten, nicht zur Anklageerhebung, ist das Beschleunigungsgebot in Haftsachen verletzt (OLG Naumburg, Beschluss vom 19.03.2007 - 1 Ws 132/07).
Das auch nach Erlaß eines erstinstanzlichen Urteils Geltung beanspruchende Beschleunigungsgebot in Haftsachen ist verletzt, wenn die Verfahrensakten 7 Monate nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist noch nicht auf den Weg zu dem Revisionsgericht gebracht worden sind. Die Bearbeitung von Kostenfestsetzungsanträgen sollte in Haftsachen entweder bis zur Entscheidung des Revisionsgerichts zurückgestellt werden oder in einem separaten Kostenheft erfolgen (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 16.02.2007 - 1 Ws 31/07).
Auch wenn ein Angeklagter im erstinstanzlichen Verfahren zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden ist, ist ein Haftbefehl wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots aufzuheben, wenn sich der Angeklagte im Zeitpunkt des Eingangs der Akten beim Berufungsgericht bereits fast 6 Monate in Untersuchungshaft befunden und das Berufungsgericht die Sache während weiterer 5 Monate nicht ordnungsgemäß gefördert hat (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 02.02.2007 - 1 Ws 9/07).
Finden nach Festnahme und Inhaftierung eines Beschuldigten für einen Zeitraum von 3 Monaten keine weiteren Ermittlungen oder andere Maßnahmen zur Durchführung des Verfahrens statt, ist der Haftbefehl im Hinblick auf die Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, insbesondere in Form des Beschleunigungsgebots, aufzuheben (OLG Brandenburg, Beschluss vom 18.01.2007 - 2 Ws 12/07).
Wird ein Urteil erst mehr als 6 Monate nach der Urteilsverkündung zugestellt, führt die darin liegende Verletzung des Beschleunigungsgebots zur Aufhebung eines Haftbefehls wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und anderer Taten (Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren) auch dann, wenn die verspätete Urteilszustellung darauf zurückzuführen ist, daß das Hauptverhandlungsprotokoll infolge Ausscheidens von Kammermitgliedern aus dem Justizdienst nicht früher fertiggestellt werden konnte (OLG Naumburg, Beschluss vom 07.11.2006 - 1 Ws 533/06).
Bei der Prüfung der Frage, ob die Fortdauer der U-Haft noch verhältnismäßig ist, sind alle Fehler der Justiz zu berücksichtigen, die den rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens erheblich verzögern. Dazu zählt auch die Notwendigkeit der Aufhebung eines Urteils durch das Revisionsgericht wegen eines Verfahrensfehlers jedenfalls dann, wenn es nach der Entscheidung des Revisionsgerichts zu weiteren der Justiz zuzurechnenden Verzögerungen gekommen ist (OLG Koblenz, Beschluss vom 11.09.2006 - 1 Ws 472/06).
Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen gilt auch nach Erlaß eines erstinstanzlichen Urteils im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit der Folge, daß ein erheblicher Verstoß dagegen der Fortdauer der Untersuchungshaft entgegenstehen kann. Der Verzögerung des Verfahrens beim Tatgericht durch Haft- oder sonstige Beschwerdeentscheidungen oder die Gewährung von Akteneinsicht ist durch Anlegung und/oder Verwendung von Duplo-Akten zu begegnen (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 19.07.2006 - 1 Ws 72/06).
Haftsachen haben Vorrang vor Nichthaftsachen (OLG Hamm, Beschluss vom 30.3.2006 - 2 Ws 71/06, StV 2006, 319 ff).
Im Haftbefehl nicht bezeichnete weitere Taten sind für die Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft ohne Bedeutung. Das gilt auch, wenn der Haftbefehl auf die weiteren Taten hätte erweitert werden können, aber nicht erweitert worden ist. Die Aufklärung vermuteter weiterer Straftaten rechtfertigt keine Verzögerung einer Haftsache. Die Justizbehörden haben die polizeilichen Ermittlungen in einer Haftsache so zu steuern, daß sie nicht unangemessen lange dauern (hier: über 2 Monate bis zur Aktenübersendung an die Staatsanwaltschaft trotz glaubhaften und ausreichenden Geständnisses des Beschuldigten bei der Verhaftung und der Haftbefehlsverkündung; OLG Oldenburg, Beschluss vom 22.03.2006 - 1 Ws 170/06).
Findet nach Eingang der Akte beim Landgericht infolge Berufungseinlegung gegen das erstinstanzliche Urteil durch den Angekl. für die Dauer von 3 Monaten keine Befassung mit der Sache statt mit der Folge, daß die Berufungshauptverhandlung erst über 6 Monate nach Eingang der Akten beim Berufungsgericht stattfinden kann, stellt dies einen nicht vertretbaren Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot mit der Folge dar, daß der Haftbefehl aufzuheben ist, weil die Fortdauer der Untersuchungshaft als nicht mehr verhältnismäßig anzusehen wäre (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.01.2006 - 1 Ws 142/05).
Das Recht der Untersuchungshaft enthält keine eigenständige Regelung zum Begriff und zu den Folgen einer Haftunfähigkeit. In entsprechender Anwendung der in § 455 Abs. 4 StPO aufgestellten Grundsätze ist der Vollzug der Untersuchungshaft nicht zulässig, wenn er wahrscheinlich zu einer konkreten Lebensgefährdung oder zu erheblichen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen bei dem Untersuchungsgefangenen führen kann. Soweit sich eine medizinische Betreuung als notwendig erweist, kann diese in der Haft erfolgen. Es bedarf im Einzelfall einer Abwägung zwischen den Belangen des Beschuldigten sowie den staatlichen Interessen, wie sie in den jeweiligen Haftgründen ihren Ausdruck finden (OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.12.2005 - 1 Ws 1348/05, StV 2006, 314 f).
Kommt es infolge eines Ladungsfehlers zur Aussetzung der Hauptverhandlung und ist absehbar, daß es innerhalb der nächsten Monate nicht zu einer neuen Hauptverhandlung kommen wird, steht die zu erwartende Verfahrensverzögerung im Falle ihrer Unabwendbarkeit einer bereits eingetretenen Verzögerung gleich, was zur Unverhältnismäßigkeit der weiteren Anordnung der Untersuchungshaft führen kann (OLG Bremen, Beschluss vom 13.06.2005 - Ws 69/05, StV 2005, 445 f).
Ist seit Erlass eines Haftbefehls keine Förderung des Ermittlungsverfahrens zu erkennen, sind insbesondere keine weiteren Ermittlungstätigkeiten vorgenommen, Beweismittel benutzt oder ausgewertet worden, kann dies die Aufhebung des Haftbefehls wegen Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch dann gebieten, wenn der Beschuldigte noch nicht 6 Monate inhaftiert ist, weil auch vor Erreichen der Sechsmonatsgrenze dem Verfahren zügig Fortgang gegeben werden muss (OLG Schleswig, Beschluss vom 26.07.2004 - 2 Ws 229/04, StV 2005, 140).
Ist seit Erlaß eines Haftbefehls keine Förderung des Ermittlungsverfahrens zu erkennen, sind insbesondere keine weiteren Ermittlungstätigkeiten vorgenommen, Beweismittel benutzt oder ausgewertet worden, kann dies die Aufhebung des Haftbefehls wegen Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch dann gebieten, wenn der Beschuldigte noch nicht 6 Monate inhaftiert ist, weil auch vor Erreichen der Sechsmonatsgrenze dem Verfahren zügig Fortgang gegeben werden muß (OLG Schleswig, Beschluß vom 26.7.2004 - 2 Ws 229/04, StV 2005, 140 f).
Ein eklatanter Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot durch Nichtbearbeitung eines Verfahrens über mehr als ein Jahr muß zur Aufhebung eines - fast zwei Jahre außer Vollzug gesetzten - Haftbefehls führen (OLG Dresden StV 2004, 495 f).
Die Haftfortdauer ist bei einem jugendlichen Straßenhändler (Kokain) unverhältnismäßig, wenn dieser sich erstmalig und länger als zwei Monate in Haft befindet, allein mit einer Bewährungsstrafe zu rechnen hat und zudem das Verfahren gegen ihn nicht mit der gebotenen Beschleunigung gefördert worden ist. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn dem sprachunkundigen Angeklagten entgegen Art. 6 Abs. 3 MRK bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens keine in seine Heimatsprache übersetzte Fassung der Anklageschrift zugestellt worden ist (OLG Hamm StV 2004, 328 f).
Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot durch von einem Angeklagten nicht zu vertretende Verfahrensverzögerung können auch nach dem Erlaß des erstinstanzlichen Urteils den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen und dem Fortbestehen des Haftbefehls bzw. dem weiteren Vollzug der Untersuchungshaft entgegenstehen (OLG Koblenz StV 2004, 329 f).
Auch die mit einer Außervollzugsetzung eines Haftbefehls verbundenen freiheitsbeschränkenden Auflagen können eine so erhebliche Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit darstellen, daß erhebliche Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot zur Aufhebung des Haftbefehls führen können (OLG Düsseldorf StV 2004, 82 f).
Bleibt seit Zustellung der Revisionsbegründung durch den Angeklagten die Akte knapp 5 Monate unbearbeitet bei der Staatsanwaltschaft, erfordert die Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes die Aufhebung des Haftbefehls auch dann, wenn der seit ca. 13 Monaten in U-Haft befindliche Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden ist (LG Berlin StV 2002, 608).
Wird gegen einen in anderer Sache in Strafhaft befindlichen Angeklagten Hauptverhandlungstermin nach Ende der Strafhaft anberaumt, verstößt es gegen den Beschleunigungsgrundsatz gem. Art. 6 MRK, wenn zur Sicherung der bevorstehenden Hauptverhandlung am Ende der Strafhaft Haftbefehl erlassen wird, anstelle einen früheren Hauptverhandlungstermin anzuberaumen (OLG München StV 2002, 555).
Die aufgrund vorläufiger Bewertung des bisherigen Ergebnisses der Beweisaufnahme durch das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung ergangene Haftentscheidung (hier: Aufhebung des Haftbefehls nach Entfallen des dringenden Tatverdachts) ist im Beschwerdeverfahren nicht auf ihre Richtigkeit überprüfbar, sondern nur darauf, ob sich das erkennende Gericht mit den bisher gewonnenen Beweisergebnissen, die den dringenden Tatverdacht begründen könnten, umfassend auseinander gesetzt hat und zu einer vertretbaren Wertung gelangt ist (KG StV 2001, 689 f).
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Hat sich ein Beschuldigter anläßlich seiner Festnahme umfänglich geständig eingelassen und finden für einen Zeitraum von 3 Monaten keine weiteren verfahrensgegenständlichen Ermittlungen statt, ohne daß das Ermittlungsverfahren durch eine Anklageerhebung, einen Antrag auf Durchführung eines beschleunigten Verfahrens oder auf Erlaß eines Strafbefehls abgeschlossen wird, ist der Beschleunigungsgrundsatz mit der Folge verletzt, daß der Haftbefehl aufgehoben werden muß (LG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 04.04.2007 - 21 Qs 63/07).
Unabhängig von der Höhe einer zu erwartenden Strafe ist auch ein außer Vollzug gesetzter Haftbefehl aufzuheben, wenn infolge einer vom Angeklagten nicht zu vertretenden Verletzung des Beschleunigungsgebots das Verfahren bereits längere Zeit nicht gefördert wurde und darüber hinaus ungewiß ist, wann Termin zur Hauptverhandlung anberaumt werden kann (LG Frankfurt am Main, Beschluß vom 14.12.2006 - 5/30 KLs-6350 Js 208763/03).
Werden während eines Zeitraums von 2 1/2 Monaten, in denen sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft befindet, wegen der im Haftbefehl zugrundeliegenden Taten keine Ermittlungen durchgeführt bzw. erscheinen solche auch nicht als erforderlich, kann bei einem Vorwurf des Verstoßes gegen das AuslG der weitere Vollzug der Untersuchungshaft nicht mehr als verhältnismäßig angesehen werden (LG Cottbus, Beschluß vom 20.10.2004 - 24 Qs 402/04, StV 2005, 141 f).
Auch wenn ein Haftbefehl gegen Auflagen und Weisungen ausgesetzt ist, muß das Beschleunigungsgebot für Haftsachen in abgemilderter Form Anwendung finden. Dies gilt insbes., wenn bis zur Haftverschonung nahezu 6 Monate Untersuchungshaft vollstreckt wurden (LG Leipzig, Beschluss vom 12.11.2004 - 5 KLs 806 Js 85862/03, StV 2005, 141).
Die Anordnung des Vorsitzenden des erkennenden Gerichts, den Verurteilten nach Aufhebung des Haftbefehls nicht aus dem Sitzungssaal zu entlassen, sondern ihn zunächst in die Justizvollzugsanstalt zurückzuführen, ist rechtswidrig (LG Berlin StV 2001, 690).
Siehe auch unter ?Beschleunigungsgebot".
Aufhebung einer Aussetzungsmaßnahme § 123 StPO
(1) Eine Maßnahme, die der Aussetzung des Haftvollzugs dient ( § 116 ), ist aufzuheben, wenn
1. der Haftbefehl aufgehoben wird oder
2. die Untersuchungshaft oder die erkannte Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird.
(2) Unter denselben Voraussetzungen wird eine noch nicht verfallene Sicherheit frei.
(3) Wer für den Beschuldigten Sicherheit geleistet hat, kann deren Freigabe dadurch erlangen, dass er entweder binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Frist die Gestellung des Beschuldigten bewirkt oder die Tatsachen, die den Verdacht einer vom Beschuldigten beabsichtigten Flucht begründen, so rechtzeitig mitteilt, dass der Beschuldigte verhaftet werden kann.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Aufrechnung mit angefallenen Gerichtskosten gegen den Herausgabeanspruch bezüglich einer vom Angeklagten geleisteten Kaution ist nicht zulässig. Die Sicherheitsleistung dient allein dazu, dass sich der Beschuldigte dem weiteren Verfahren stellt, während sie insbesondere nicht zu der Bezahlung der Gerichtskosten herangezogen werden kann. Daraus wird deutlich, dass die Zulassung einer uneingeschränkten Aufrechnungsbefugnis mit dem Zweck der Hinterlegung unvereinbar ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.02.2000 - 20 W 400/99, StV 2000, 50).
Aufklärungspflicht § 244 II StPO
Gemäß § 244 II StPO hat das Gericht zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Der Sachverhalt muß im Rahmen der angeklagten Tat unter Ausschöpfung aller bekannten oder sich aufdrängenden Erkenntnismittel solange erforscht werden, wie auch nur die entfernte Möglichkeit einer Änderung der bisher begründeten Vorstellung von dem zu beurteilenden Sachverhalt besteht (BGHSt 1, 94, 96; BGHSt 38, 369; BGHSt 40, 3; BGH NStZ-RR 2002,68). Eine Pflicht zur ?ausufernden" Aufklärung besteht nicht. Das Tatgericht ist nicht gehalten, voraussichtlich nutzlose Beweiserhebungen anzustellen.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... I. Der Beschluss des BayObLG verletzt den Bf. in seinem Grundrecht aus Art. 2 II 2 Bf. in seinem Grundrecht aus Art. 2 II 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes, da er der Wirkkraft des Freiheitsgrundrechts für die Sachverhaltsaufklärung und Beweiswürdigung nicht hinreichend Rechnung trägt. Ein Verstoß gegen dieses Grundrecht ist vom Bf. zwar nicht ausdrücklich gerügt worden. Im Wege der Begründetheitserstreckung ist jedoch die Überprüfung einer in zulässiger Weise angegriffenen Entscheidung auf ihre verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit hin unter jedem in Betracht kommenden Gesichtspunkt möglich (vgl. BVerfGE 70, 138 [162] = NJW 1986, 367; BVerfGE 99, 100 [119] = NJW 1999, 2430 L = NVwZ 1999, 753. st. Rspr.).
1. Prüfungsmaßstab für die hier zu entscheidenden Fragen der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die strafrichterliche Aufklärungspflicht und Beweiswürdigung ist vornehmlich Art. 2 II 2 i.V. mit Art. 20 III GG. Die Grundsätze fairen Verfahrens haben insoweit Vorrang vor dem aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ableitbaren Willkürverbot, da sie die stärkere sachliche Beziehung zu dem zu prüfenden Sachverhalt haben (vgl. BVerfGE 13, 290 [296] = NJW 1962, 437; BVerfGE 64, 229 [238f.] = NJW 1983, 2811; BVerfGE 65, 104 [112f.] = NJW 1984, 603; BVerfGE 75, 348 [357] = NJW 1988, 757).
a) Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden (Art. 2 II 2, 104 I GG). Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. ...
b) Straf- und Strafverfahrensrecht tragen diesen Grundsätzen Rechnung, indem sie die Ermittlung des Sachverhalts der richterlichen Aufklärungspflicht, dem ?Gebot bestmöglicher Sachaufklärung' (vgl. BVerfGE 57, 250 [277] = NJW 1981, 1719 = NStZ 1981, 357; Schlüchter, Das Strafverfahren, 2. Aufl., Rdnr. 472), unterstellen (§ 244 II StPO). Dem Tatrichter kommt dabei eine besondere Verantwortung zu, weil seine Feststellungen in der Revision nur mit Hilfe einer von der Rechtsprechung an strenge (verfassungsrechtlich unbedenkliche, vgl. BVerfGE 63, 45 [70] = NJW 1983, 1043 = NStZ 1983, 273) Zulässigkeitsvoraussetzungen gebundenen Aufklärungsrüge (vgl. Herdegen, in: KK-StPO, 4. Aufl. § 244 Rdnr. 36ff.m.w. Nachw.; Kuckein, in: KK-StPO, § 344 Rdnr. 51 m.w. Nachw.) beanstandet werden können (§ 344 II StPO).
Beweisaufnahme und Beweiswürdigung stehen in vielfacher Verschränkung. So wie § 244 II StPO das Gericht verpflichtet, alle bekannten Beweismittel vollständig zu erheben, verpflichtet § 261 StPO, über alle auf der Grundlage des materiellen Rechts entscheidungserheblichen Beweisfragen eine vollständige Beweiswürdigung vorzunehmen und dise dem Urteil zu Grunde zu legen (vgl. Fezer, StV 1995, 95). Dabei müssen nicht nur die unmittelbaren Beweise erhoben, sondern auch die zu ihrer Würdigung erforderlichen Umstände (u.a. zur Glaubwürdigkeit der Zeugen und Glaubhaftigkeit ihrer Angaben) ihrerseits im Rahmen der Beweisaufnahme aufgeklärt und zum Gegenstand der nachfolgenden Würdigung gemacht werden.
In der Revision ist der Inhalt der Beweiswürdigung mit der Sachrüge angreifbar. Die Anforderungen des BGH an die Beweiswürdigung haben sich - mit der Folge einer wirksameren Sicherung der Grundrechte des Beschuldigten, auch der Unschuldsvermutung (vgl. hierzu BVerfGE 74, 358 [370ff.] = NJW 1987, 2427 = NStZ 1987, 421) - stark verändert (vgl. zur Entwicklung Fezer, StV 1995, 95; Schäfer, StV 1995, 147). Während die frühere Rechtsprechung Schlussfolgerungen des Tatgerichts, die nach der Lebenserfahrung möglich sind, genügen ließ (vgl. BGHSt 10, 208 [209] = NJW 1957, 1039; 36, 1 [14] = NJW 1989, 781 = NStZ 1989, 114; Herdegen, in: Festschr.f. Hanack, 1999, S. 311 [313ff.]), wird nunmehr vorausgesetzt, dass der Schuldspruch auf einer tragfähigen Beweisgrundlage aufbaut, die die objektiv hohe Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit des Beweisergebnisses ergibt (vgl. BGH, NStZ-RR 1996, 202; NStZ-RR 1997, 42 [43]; bei Kusch, NStZ 1997, 376 [377]; NStZ-RR 1999, 139 = StV 1999, 136; Herdegen, in: Festschr.f. Hanack, S. 311 [323ff.]; Fezer, StV 1995, 95 [99]; ders., in: Festschr.f. Hanack, S. 331 [340]; Schäfer, StV 1995, 147 [149ff.]; Jähnke, in: Festschr.f. Hanack, S. 355 [360ff.]). Wenngleich die Beweiswürdigung von Gesetzes wegen ?frei', d.h. keinen Beweisregeln unterworfen ist (vgl. Schäfer, StV 1995, 147 [148]), hat die obergerichtliche Rechtsprechung aus den wissenschaftlichen, insbesondere den kriminalistischen, forensischen und aussagepsychologischen Untersuchungen gewonnene Erfahrungsregeln, Grundsätze für die Beweiswürdigung und ihre Darlegung in den Urteilsgründen entwickelt, die bei Nichteinhaltung die Aufhebung in der Revision zur Konsequenz haben. Dies gilt insbesondere für Beweissituationen, die - auch von Verfassungs wegen - erhöhte Anforderungen an die Beweiswürdigung stellen, wie u.a. die Beurteilung der Aussage eines Zeigen vom Hörensagen (vgl. BGH, StV 1985, 45 [47]; StV 1985, 368 [269]; BVerfGE 57, 250 [293] = NJW 1981, 1719 = NStZ 1981, 357; BVerfG, NJW 1996, 448 = NStZ 1995, 600 = StV 1995, 561 [562]), Fälle, in denen Aussage gegen Aussage steht und in denen die Entscheidung davon abhängt, welcher der einander widersprechenden Aussagen das Gericht folgt (vgl. BGH, StV 1995, 115; StV 1996, 249; NStZ 1997, 494; NStZ 2000, 496; NStZ 2001, 161 [162]; NStZ 2002, 161 = StV 2002, 466 [467]; StV 2002, 468; NStZ 2002, 494 = StV 2002, 469; StV 2002, 470 u. 470 [471]; NStZ 2003, 164 [165] u. 165 [166f.]; BGHSt 44, 153 [158f.] = NJW 1998, 3788; BGHSt 44, 256 [257] = NJW 1999, 802), sowie Fälle des Wiedererkennens (vgl. BGH, StV 1993, 234 u. 627 L; BGHSt 40, 66 = NJW 1994, 1807 = NStZ 1994, 295 = StV 1994, 282; BGHR § 261 StPO Identifizierung 1 und 3).
Mit diesen Anforderungen an die Grundlagen einer Entscheidung über die Schuld des Angekl. hat der BGH den Maßstab konkretisiert, der sich aus der freiheitssichernden Funktion des Art. 2 II 2 GG für das faire, rechtsstaatliche Verfahren ergibt. Er hat damit der durch empirische psychologische Untersuchungen gewonnenen Erkenntnis der Unzuverlässigkeit des Zeugenbeweises generell, aber auch und gerade in den genannten Beweissituationen, in denen die Verurteilung wesentlich von der Aussage und dem Wiedererkennen einer einzelnen Person abhängt (vgl. dazu eingehend Eisenberg, BeweisR der StPO, 4. Aufl. [2002], Rdnrn. 1374ff.; ders., Kriminologie, 5. Aufl. [2002]; S. 312ff.; Barton [Hrsg.], Redlich aber falsch, 1995; Bender/Röder/Nack, Tatsachenfeststellung vor Gericht I - Glaubwürdigkeits- u. Beweislehre, 2. Aufl. [1995], S. 1ff.; Meurer/Sporer, in: Zum Beweiswert von Personenidentifizierungen: Neuere empirische Befunde, 1990, S. 1ff.; Holland/Otzen/Sporer, in: Die Beeinflussbarkeit von Zeugenaussagen, 1994, S. 154ff.; Kühne, in: Widmungsschr.f. Manfred Rehbinder, 1995, S. 155ff.; Steller/Vollbert, in: Psychologie im Strafverfahren, 1997, S. 12ff., und Köhnken, S. 63ff.; Zacharias, Der gefährdete Zeuge im Strafverfahren, 1997, S. 47ff.; Schünemann, StV 1998, 391 [393f.]), Rechnung getragen und die besondere Verantwortung der Tatgerichte bei der Sachaufklärung und Beweiswürdigung verdeutlicht.
Nicht jeder Verstoß gegen § 244 II oder § 261 StPO und die hierzu vom BGH aufgestellten Grundsätze rechtfertigt dabei das Eingreifen des BVerfG. Voraussetzung ist vielmehr, dass sich das Tat- und ggf. das RevGer. so weit von der Verpflichtung entfernt haben, in Wahrung der Unschuldsvermutung bei jeder als Täter in Betracht kommenden Person auch die Gründe, die gegen die mögliche Täterschaft sprechen, wahrzunehmen, aufzuklären und zu erwägen, dass der rationale Charakter der Entscheidung verloren gegangen scheint und sie keine tragfähige Grundlage mehr für die mit einem Schuldspruch einhergehenden Freiheitsentziehung sein kann.
2. Um einen derartigen Ausnahmefall handelt es sich bei der Entscheidung des LG, die sowohl in Bezug auf die Aufklärungspflicht als auch in Bezug auf die Beweiswürdigung in verfassungsrechtlich nicht mehr hinzunehmender Weise von den obergerichtlichen Anforderungen abweicht.
a) Die Berufungskammer hat die Aufklärungspflicht (§ 244 II StPO) verletzt, indem sie die von der Revision aufgeführten Beweise nicht erhoben hat. Die von der StA bei dem BayObLG hiergegen vorgebrachten Erwägungen, denen sich das RevGer. offenbar angeschlossen hat (gegenteilige Erkenntnisse lassen sich dem insoweit unbegründeten Beschluss nicht entnehmen), erschöpfen sich in Leerformeln, ohne auf die vorliegende außergerichtliche Fallkonstellation mit zudem zwei besondere Aufmerksamkeit erfordernden Beweiswürdigungsproblemen (Aussage gegen Aussage und Wiedererkennen) einzugehen.
Es handelte sich nicht um den ?Normalfall' des theoretisch in Rede stehenden Alternativtäters, sondern der mögliche Alternativtäter existierte tatsächlich und war zunächst nach der Veröffentlichung eines von der Geschädigten im hiesigen Verfahren gemeinsam mit der Geschädigten im Parallelverfahren erstellten Phantombildes auf Grund von Hinweisen aus der Bevölkerung ermittelt worden. Er hatte eine in allen wesentlichen, die Vorgehensweise kennzeichnenden, Details identische Tat zugegeben. Auch die Ermittlungsbehörden waren deshalb zunächst davon ausgegangen, dass es sich um ein und denselben Täter handelte. Die Geschädigte hatte bei der ersten, ein Jahr nach der zu ihren Lasten begangenen Tat und gemeinsam mit der Geschädigten einer aktuelleren Tat, durchgeführten Lichtbildvorlage eine Ähnlichkeit mit dem Täter festgestellt und, obwohl sie selbst unmittelbar nach der Tat ganz ungenaue Angaben zum Alter und Aussehen des Mannes gemacht und später angegeben hatte, das Alter von Personen nicht gut schätzen zu können, erklärt, der Täter sei älter gewesen.
Die zentrale Frage der Beweiswürdigung war mithin nicht die von der Strafkammer ausführlich dargelegte Glaubhaftigkeit der Tatschilderung durch die Zeugin. Entscheidend war vielmehr ihre Fähigkeit, sich ein Jahr nach der Tat Aussehen und Besonderheiten des Täters in Erinnerung zu rufen und dieses Erinnerungsbild sowohl mit dem Bf. als auch mit seinem Bruder zu vergleichen sowie Kriterien zu benennen, die für eine größere Ähnlichkeit des Erinnerungsbildes mit dem Bf., nicht aber für eine solche mit seinem Bruder sprechen. Hierzu schweigt das Urteil; wichtige, den Bf. entlastende Indizien werden nicht erwähnt:
So fehlt eine Auseinandersetzung damit, dass der Bruder des Bf. bei der Tat im Juni 2001 ebenfalls ein Mountainbike bei sich führte, das er allerdings erst ein halbes Jahr zuvor erworben hatte (ob er vorher ein andersfarbiges Rad besessen oder aber im Sommer 2000 das Rad seines Bruders benutzt hatte, wurde nicht thematisiert, obwohl der Bf. dies schon in seiner ersten polizeilichen Vernehmung behauptet hatte), seiner Einlassung im Ermittlungsverfahren zufolge eine mit der des Bf. identische Schildkappe besitzt, die er bei der Tat getragen hatte, und gleichfalls häufiger Steine zur Garten-Dekoration auf seinem Fahrrad transportiert. Auch weitere, in der Aussage der Geschädigten aufgetretene Widersprüche zu früheren Vernehmungen (betreffend das Alter, die Haarfarbe und die vom Täter getragenen Schuhe sowie die Werkzeugtasche am Fahrrad) und sonstige Ungereimtheiten (Länge der Jeanshose, Nichtauffinden des beschrieben dunkelblauen T-Shirts bei der Durchsuchung) wurden nicht erörtert.
Bei dieser von zahlreichen Unsicherheitsfaktoren geprägten Beweissituation musste sich das Gericht veranlasst sehen, trotz der erlangten, subjektiven Überzeugung alle weiteren erkennbaren Beweismöglichkeiten zu nutzen (vgl. BGH, StV 1996, 249 [250]). Dass hierzu die Vernehmung und Inaugenscheinnahme des möglichen Alternativtäters zählt, liegt auf der Hand, auch wenn es wahrscheinlich ist, dass er von seinem Zeugnisverweigerungs- (§ 52 I Nr. 3 StPO) oder von seinem Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 StPO) Gebrauch machen würde.
Die Verlesung des Urteils (soweit zulässig, vgl. BGH, NStZ 2003, 217) und ggf. die Vernehmung der weiteren Geschädigten hätte die Parallelität und Identität der Sexualstraftaten in zahlreichen ungewöhnlichen Details verdeutlicht und damit die - nicht erfolgte - Dokumentation und Erörterung dieser Umstände auch für die erkennende Kammer unumgänglich gemacht.
Da es entscheidend auf das erste vermeintliche Wiedererkennen des Bf. und die Entstehung der diesbezüglichen Aussage der Geschädigten ankam, hätte dieser Punkt mittels Inaugenscheinnahme des Phantombildes sowie Befragung der Geschädigten und der polizeilichen Zeugen hierzu näherer Aufklärung zugeführt werden müssen.
b) Das LG hat zudem in zweifacher Weise in dem für die Entscheidung ausschlaggebenden Punkt gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen, so dass die Beweiswürdigung auch deshalb fehlerhaft ist und das Urteil hätte aus diesem Grunde ebenfalls aufgehoben werden müssen (vgl. Stuckenberg, in: KMR, StPO, § 261 Rdnrn. 31ff.m.w. Nachw. zur Rspr. des BGH).
Das Gericht ist einerseits einem Zirkelschluss erlegen, indem es die zu beweisende Frage, ob die Geschädigte den Bf. irrtümlich für den Täter gehalten und ihn u.U. mit dem möglichen Alternativtäter - seinem Bruder - verwechselt hat, als bewiesen ansah, weil die Geschädigte die Brüder in den Gegenüberstellungen und Lichtbildvorlagen nicht verwechselt habe. Andererseits hat es dem Wiedererkennen in der Berufungsverhandlung einen hohen Beweiswert zugemessen, ohne zu erkennen zu geben, ob ihm die Gefahr bewusst war, dass die Zeugin den Angekl. in der Hauptverhandlung nicht mit ihrem Erinnerungsbild von dem Täter verglichen hat, sondern mit der von ihr anlässlich der vorhergehenden Lichtbildvorlage und Gegenüberstellung identifizierten Person.
3. In der Entscheidung des BayObLG werden die vom BGH entwickelten Kriterien für die Kontrolle der tatgerichtlichen Beweiswürdigung in Konstellationen von Aussage gegen Aussage und bei Wiedererkennensfragen außer Acht gelassen. Der Strafsenat perpetuiert den Grundrechtsverstoß durch das landgerichtliche Urteil und wird daher selbst dem verfassungsrechtlichen Maßstab nicht gerecht.
Die Revisionsbegründung des Bf. entsprach den Voraussetzungen für die formgerechte Begründung einer Aufklärungsrüge; die Begründetheitsprüfung war dem Strafsenat mithin eröffnet. Bei der gegebenen Sachlage und unter Berücksichtigung der besonderen Konstellation des konkreten Einzelfalls ist es von Verfassungs wegen nicht hinnehmbar, dass das BayObLG die Revision gleichwohl verworfen hat.
Die Würdigung des Zirkelschlusses, der den zentralen Punkt der Beweiswürdigung betraf, mit einem erneuten Zirkelschluss und dahin gehend, es handele sich nur um eine nicht tragende Erwägung, ist sachwidrig und damit objektiv willkürlich. Das LG hatte sich mit der nahe liegenden Möglichkeit einer fehlerhaften Identifizierung des Bf. an Stelle des möglichen Alternativtäters nicht auseinander gesetzt und keine Kontrolle des eigenen Beweisergebnisses daraufhin vorgenommen, welche der festgestellten Indizien auch auf den Bruder des Bf. als möglichen Täter hinwiesen und damit ihren Beweiswert zu Lasten des Bf. verlieren. Es hatte sich so den Blick für die eigentliche Beweisfrage verstellt. Dieser Fehler ist dem Revisionssenat in gleicher Weise unterlaufen.
Die Ausführungen zur Problematik des wiederholten Wiedererkennens gehen gleichfalls am Revisionsvortrag vorbei und sind ebenso wenig nachvollziehbar wie die Entscheidung, das landgerichtliche Urteil beruhe nicht auf den Fehlern. Denn die Fehler lagen hier darin, dass das Tatgericht es bei der Begründung seiner Überzeugungsbildung unterlasen hat, seine Erwägungen bezogen auf sämtliche gegen die Täterschaft des Bf. sprechenden Indizien zu dokumentieren, und ihm zusätzlich zwei Verstöße gegen Denk- und Erfahrungssätze in den entscheidenden Passagen unterlaufen sind. Dies hat regelmäßig und so auch hier unmittelbar Einfluss auf das Urteil.
II. Der Beschluss des BayObLG verletzt den Bf. in seinem Grundrecht aus Art. 2 II 2 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes. Er ist demzufolge aufzuheben, und die Sache ist an das RevGer. zurückzuverweisen. Ob der Verstoß des Revisionssenats gegen die vom BGH aufgestellten Beweisgrundsätze zugleich einen Verstoß gegen Art. 101 I 2 GG bedeutet, kann mithin dahinstehen.
Auch das landgerichtliche Urteil wäre an sich wegen Verstoßes gegen die Grundsätze fairen Verfahrens aufzuheben. Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit jedoch nicht in zulässiger Weise erhoben worden, da sie den Substanziierungserfordernissen der §§ 23 I 2, 92 BVerfGG nicht entspricht. Der Bf. hat nicht erklärt, durch die Berufungsentscheidung in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt zu sein, und seine Angriffe allein auf den behaupteten Verstoß des RevGer. gegen Art. 101 I 2 GG konzentriert; eine verfassungsrechtliche Auseinandersetzung mit dem landgerichtlichen Urteil fehlt völlig. Die Erstreckung der Begründetheit auf dieses Urteil ist also nicht möglich. ..." (BVerfG, Beschluss vom 30.04.2003 - 2 BvR 2045/02)
*** (BGH)
Der Senat hält die Auffassung des 5. Strafsenats (Beschl. v. 04.05.2011 - 5 StR 124/11 = StV 2011, 458 ) für richtig, auch in Fällen einer übereinstimmenden Interessenlage einen die Beweiserhebung nicht selbst beantragenden Mitangeklagten oder sonst Beteiligten auf die Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2 StPO zu verweisen, die je nach Fallgestaltung weitergehenden Vortrags im Sinne des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO bedarf, während ihm die Rüge einer Verletzung der Bestimmungen des § 244 Abs. 3 bis 6 StPO dagegen nicht eröffnet ist (BGH, Beschluss vom 02.08.2011 - 3 StR 217/11 zu StPO §§ 244, 344 Abs. 2 S. 2).
***
Eine gebotene Beweiserhebung darf nicht deshalb abgelehnt werden, weil Staatsanwaltschaft oder Polizei einer Beweisperson Geheimhaltung zugesagt hat. Eine solche Zusicherung der Vertraulichkeit bindet zwar - mit Einschränkungen - die Staatsanwaltschaft und die Polizei. Für das gerichtliche Verfahren hat sie aber keine Bedeutung (BGH, Beschluss vom 26.07.2011 - 1 StR 297/11 zu StPO §§ 96, 244 II).
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Auch wenn sich die zur Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen von Beweiserhebungs- oder Beweisverwertungsverboten erforderlichen Beweiserhebungen nach dem Grundsatz des Freibeweises richten, ändert dies nichts an der Aufklärungspflicht des Gerichts. Mit der Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht kann deshalb im Revisionsverfahren beanstandet werden, dass der Tatrichter einem als Beweisantrag bezeichneten Beweisbegehren zwecks Ermittlung zu einem Beweisverwertungsverbot nicht nachgegangen ist. Das Revisionsgericht ist auch im Rahmen der Beruhensprüfung nicht gehindert, selbst im Freibeweis Ermittlungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen eines Beweisverwertungsverbots anzustellen, wenn der Rechtsfehler zunächst lediglich darin besteht, dass der Tatrichter die gebotene Aufklärung unterlassen hat (BGH, Beschluss vom 03.05.2011 - 3 StR 277/10 - KG zu StPO §§ 244 Abs. 2, 102, 105, 337, 344 Abs. 2 S. 2, 349 Abs. 2).
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Aufklärungsrüge wegen unterlassener Beweiserhebung zu den Voraussetzungen von § 46b StGB (BGH, Beschluss vom 10.11.2010 - 2 StR 523/10):
?... Das LG hat den Angekl. wegen versuchten Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung, weiter in Tateinheit mit Raub und weiter in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 J. verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angekl. führt zur Aufhebung im Strafausspruch aufgrund einer Verfahrensrüge; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Revision macht zu Recht geltend, das LG hätte sich in Erfüllung seiner Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO dazu gedrängt sehen müssen, zum einen StA U. zu vernehmen, der ausgesagt hätte, dass die Strafverfolgungsbehörden ohne die Angaben des Angekl. seines Mittäters D. nicht habhaft geworden wären, und zum anderen das Protokoll der Haftbefehlsverkündung v. 27.05.2010 zu verlesen, aus dem sich ergäbe, dass der Angekl. im Anschluss an die Verkündung des Haftbefehls seinen - noch in der Anklage v. 14.05.2010 als ?namentlich nicht bekannten' - Mittäter als den D. offenbart haben. Dies vor dem Hintergrund, dass die Kammer in dem angefochtenen Urt. zu der Überzeugung gelangt ist, dass es sich bei D. tatsächlich um den Mittäter des Angekl. handelte. Auch sind vorliegend die formellen Voraussetzungen des § 46b StGB, der einen vertypten Strafmilderungsgrund enthält, erfüllt, da sich die Nennung des Mittäters auf eine Katalogtat i.S.d. § 100a Abs. 2 StPO bezog und diese auch vor der Eröffnung des Hauptverfahrens am 07.06.2010 erfolgte.
Es ist nicht auszuschließen, dass der Strafausspruch auf der unterbliebenen Beweiserhebung beruht, denn eine Aufklärungshilfe des Angekl. wäre im Rahmen der Strafzumessung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen gewesen. ..."
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?... a) Die Aufklärungsrügen sind unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Soweit mit der Aufklärungsrüge Nr. 1 geltend gemacht wird, dass eine Gynäkologin und eine Polizeibeamtin hätten vernommen werden sollen, sind diese Beweismittel wegen fehlender ladungsfähiger Adressen nicht genügend bezeichnet (vgl. BGH NStZ 2006, 713). Zudem ermangelt es der von der Revision vorgetragenen erwarteten Beweistatsache der gebotenen Bestimmtheit (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 9 m.w.N.).
Den an eine unterlassene Inaugenscheinnahme des Pkw des Angeklagten anknüpfenden Aufklärungsrügen Nr. 2 und 3 ermangelt es an dem gebotenen Vortrag, dass der Untersuchungsgegenstand zur Zeit der Hauptverhandlung noch zur Verfügung stand (vgl. BGHR aaO Aufklärungsrüge 5) und warum sich das Landgericht vor dem Hintergrund des vom Angeklagten eingeräumten freiwilligen Geschlechtsverkehrs im Pkw zu weiterer Aufklärung gerade durch dieses Beweismittel hätte genötigt sehen müssen (vgl. BGHR aaO Aufklärungsrüge 6).
Soweit mit den Aufklärungsrügen Nr. 4 und 5 vorgetragen wird, drei in der Hauptverhandlung vernommene Zeuginnen hätten bei sachgerechter Erhebung ihrer polizeilichen Aussagen für den Angeklagten Günstigeres bekundet, beruft sich die Revision auf eine unterbliebene vollständige Ausschöpfung erhobener Beweise (vgl. BGHSt 4, 125, 126). Solches kann indes nicht Gegenstand einer Aufklärungsrüge sein, weil sich das Revisionsgericht nicht über das Verbot der Rekonstruktion der Beweisaufnahme hinwegsetzen darf (vgl. BGHSt 43, 212, 214; BGH NJW 2003, 150, 152, insoweit in BGHSt 48, 34 nicht abgedruckt). Nur auf der Grundlage der Kenntnis der vollständigen Aussage der Zeuginnen in der Hauptverhandlung ließe sich beurteilen, ob das von der Revision als sachgerecht erachtete Aufklärungsbegehren erfüllt worden ist. Die Erlangung einer solchen Kenntnis ist indes nach den verfahrensrechtlichen Strukturprinzipien - jenseits von Protokollierungen gemäß § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO - ausgeschlossen. Das Tatgericht ist nämlich zur umfassenden Dokumentation der Beweisaufnahme im Urteil nicht verpflichtet (vgl. BGHSt 15, 347, 348; BGH NStZ 2007, 720), sondern lediglich zur Darstellung seiner - wenn auch rational zu begründenden und tatsachengestützten (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2008 - 5 StR 224/08 Rdn. 16) - Beweisführung (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 267 Rdn. 12a).
b) Die Rüge, das Landgericht habe den Hilfsbeweisantrag auf Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens hinsichtlich der Zeugenaussage der Nebenklägerin zu Unrecht abgelehnt, ist unbegründet. Die Inanspruchnahme eigener Sachkunde ist nach Vernehmung der sachverständigen Zeugin Leinweber, die die Nebenklägerin in der stationären Therapie betreut hatte, im Ergebnis nicht zu beanstanden (UA S. 9 f.; 25; vgl. BGH NJW 1998, 2753, 2754).
c) Auch die Rüge, das Landgericht habe durch Nichtverwertung der in einem Internet-Chat zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin nach der Tat hinterlegten Dialoge Verfahrensrechte des Angeklagten missachtet, versagt.
aa) Der Revisionsvortrag vermag eine (§ 261 StPO; vgl. BGHSt 38, 14, 16 f.; BGH NJW 2007, 92, 95 f.) nicht zu begründen, weil die Nachrichten nicht durch Verlesen gemäß § 249 StPO zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht worden sind.
bb) Er wäre auch als Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) unbegründet. Zwar muss das Gericht von Amts wegen Beweis erheben, wenn ihm aus den Akten oder aus dem Stoff der Verhandlung noch Umstände und Möglichkeiten bekannt oder erkennbar sind, die bei verständiger Würdigung der Sachlage begründete Zweifel an der Richtigkeit der - aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme erlangten - Überzeugung wecken müssen (BGHR StPO § 244 Abs. 2 Aufdrängen 6 m.w.N.). Dies ist indes hier nicht der Fall.
Die Nebenklägerin hat sich nach dem Revisionsvortrag auf Vorhalt zu einem Teil der Dialoge erklärt. Auf Antrag der Verteidigung wurden - zur Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Nebenklägerin - anschließend fünf Zeugen vernommen, unter anderem dazu, ob Nachrichten vom Angeklagten verändert worden sind. Nachdem das Landgericht Letzteres - auch ersichtlich vor dem Hintergrund erkannten eigenen Fehlverhaltens des Angeklagten, fehlender Zuneigung zur Nebenklägerin, der praktizierten Vorwärtsverteidigung und der die Nebenklägerin bedrängenden Anrufe (UA S. 22) - als wahrscheinlich angesehen hat (UA S. 23), drängte die Aufklärungspflicht nicht mehr zu deren Verlesung.
cc) Das vorgetragene Verfahrensgeschehen begründet auch keine Behinderungsrüge (§ 338 Nr. 8 StPO; vgl. BGHSt 49, 317, 328; Meyer-Goßner aaO § 338 Rdn. 59). Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem von der Revision behaupteten Fairnessverstoß und dem Urteil besteht nicht.
Einen solchen sieht die Revision in der mangelnden gerichtlichen Reaktion auf einen Vorspann (?dies vorausgeschickt") in einem Beweisantrag des Verteidigers. Darin wurde als Ergebnis einer Zeugenvernehmung der Nebenklägerin behauptet, diese habe drei ihr zugeschriebene Äußerungen im Internet-Chat mit dem Angeklagten bestätigt. Danach hätte das Gericht ohne ausdrücklichen Hinweis nicht von der Wahrscheinlichkeit einer Manipulation der Gesprächsprotokolle durch den Angeklagten ausgehen dürfen. Dies trifft nicht zu.
Das Gericht war unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, seine Würdigung des Ergebnisses einer Beweiserhebung dem Angeklagten vor der Urteilsverkündung mitzuteilen (vgl. BGHSt 43, 212, 214 f.). Die Verteidigung wurde auch nicht im Unklaren über das Verständnis des Gerichts betreffend die Grundlagen eines von ihr gestellten Antrags gehalten (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 38). Die Darlegungen im Vorspann des Antrags waren mit den unter anderem auf die Vernehmung von fünf Zeugen gerichteten Beweisanträgen inhaltlich keineswegs dergestalt verbunden, dass die Begründungen der Beweisanträge auch Beweisbehauptungen aus dem Vorspann umfasst hätten. Zudem gilt für ein nicht direkt antragsbezogenes bestimmtes Verständnis vom Ergebnis einer vorherigen Beweiserhebung Folgendes: Wenn einem Beweisantrag - wie hier - vollständig stattgegeben wird, macht dies schon im Blick auf die notwendigerweise fehlende Begründung einer solchen Entscheidung die Beweiserwägungen des Gerichts in keiner Hinsicht transparent. Hieraus lässt sich für den Antragsteller kein Vertrauenstatbestand herleiten.
Im Übrigen gibt die im Urteil auf die Zeugenaussage der Mutter der Nebenklägerin gestützte Feststellung, wonach die Nebenklägerin den ihr vom Angeklagten übersandten Blumenstrauß aus dem Fenster warf, Anlass, die im Chat bekundete Freude über die Blumen als unzutreffend anzusehen. ..." (BGH, Urteil vom 09.12.2008 - 5 StR 412/08)
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?... 2. Soweit die Revision geltend macht, durch die Nichtbeiziehung der genannten Akten habe das Landgericht gegen seine Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) verstoßen, ist die Rüge unzulässig; denn sie teilt nicht mit, zu welchen konkreten verfahrensrelevanten Erkenntnissen die Beiziehung der Akten geführt hätte (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; s. demgegenüber den Sachverhalt, der der Entscheidung des Senats NStZ 2008, 109 zugrunde lag). Entgegen der Ansicht der Verteidigung war sie der Notwendigkeit eines entsprechenden Revisionsvorbringens nicht enthoben. Dass das Landgericht die Ermittlungsakten gegen die in der Hauptverhandlung vernommenen Belastungszeugen nicht beigezogen hat, hinderte die Verteidigung grundsätzlich nicht, gemäß § 475 Abs. 1 Satz 1 in diese Einsicht zu nehmen und - soweit vorhanden - den hierdurch aufgedeckten, für das Verfahren gegen den Angeklagten entscheidungserheblichen Beweisertrag in der Revision zu benennen (vgl. BGH StraFo 2006, 500); denn auch die Notwendigkeit, zur ordnungsgemäßen Ausführung einer Revisionsrüge Tatsachen aus einem anderen Verfahren vorzutragen, begründet regelmäßig ein berechtigtes Interesse im Sinne der genannten Vorschrift, die Akten jenes Verfahrens einzusehen. Dass die Verteidigung innerhalb der Revisionsbegründungsfrist entsprechende Bemühungen um Akteneinsicht erfolglos entfaltet hätte, trägt die Revision ebenfalls nicht vor (vgl. BGHSt 49, 317, 327 ff.). ..." (BGH, Beschluss vom 17.07.2008 - 3 StR 250/08)
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?... In der Anklageschrift hat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vorgeworfen, die D. GmbH zur Auszahlung eines Darlehens von 2,4 Mio. DM durch die Täuschung über den Verwendungszweck des Geldes - den Kauf von Geräteteilen zur Herstellung von 20 Kaltlichtbestrahlungsgeräten - veranlasst zu haben. Nach Verlesung der Anklageschrift hat sich der Angeklagte zur Sache nicht eingelassen. In der Hauptverhandlung vom 10. November 2006 (41. Hauptverhandlungstag) hat er beantragt, im Wege des Urkundsbeweises sein an das Landgericht adressiertes, zur Strafakte gelangtes Schreiben vom 3. November 2006 zu verlesen zu dem Beweisthema: ?Die Verlesung wird folgenden Wortlaut der Erklärung ergeben: ?.'. Angefügt war dem Antrag das vierseitige Schreiben im Wortlaut. In ihm hat sich der Angeklagte zur finanziellen Lage der D GmbH geäußert, die bisherige Beweisaufnahme bewertet und insbesondere die Behauptung aufgestellt, es sei zwischen ihm und der durch den Zeugen De. vertretenen D. GmbH tatsächlich ein Kaufvertrag über 20 Kaltlichtbestrahlungsgeräte abgeschlossen worden, der nur zur Beschönigung der Bilanz der GmbH als Darlehensvertrag bezeichnet worden sei; das ausbezahlte Darlehen habe in Wirklichkeit eine Anzahlung auf den Kaufpreis sein sollen. Außerdem hat er in dem Schreiben mehrere Beweisbehauptungen aufgestellt und dafür Beweismittel benannt.
Mit Beschluss vom 20. November 2006 hat die Strafkammer den Verlesungsantrag mit folgender Begründung abgelehnt: ?Soweit der Angeklagte beantragt, seine eigene Erklärung zu verlesen, handelt es sich nicht um einen Beweisantrag, weil es an einer Beweistatsache fehlt. Da der Angeklagte wiederholt ? erklärt hat, er wolle sich nicht einlassen, sieht sich die Kammer daran gehindert, die Erklärung von Amts wegen zu verlesen. Die schriftliche Äußerung des Angeklagten spiegelt seine Auffassung und Meinung zu bestimmten Geschehnissen wieder. Würde sie verlesen, käme dies einer Einlassung insoweit gleich (sog. Einlassungssurrogat). Damit wäre die Möglichkeit zur Bewertung seines Schweigens zu diesen Punkten im Übrigen eröffnet, was der Angeklagte gerade ausdrücklich nicht wünscht.'
2. Die Rüge hat keinen Erfolg. Die Ablehnung des Antrags hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es sich bei dem Begehren des Angeklagten nicht um einen Beweisantrag handelte, der nur unter einer der Voraussetzungen des § 244 Abs. 3 StPO hätte zurückgewiesen werden können.
aa) Das Schreiben des Angeklagten vom 3. November 2006 enthielt - wenn man von den Beweisanträgen absieht, über die das Landgericht gesondert entschieden hat und die nicht Gegenstand der Rüge sind - sowohl seiner Zweckbestimmung als auch seinem Inhalt nach im Kern eine den Vorwurf des Betrugs bestreitende Einlassung zur Sache, auch wenn der Angeklagte wiederholt ausdrücklich erklärt hatte, von seinem Schweigerecht Gebrauch machen zu wollen. Ist ein Angeklagter aber bereit, Angaben zur Sache zu machen, so ist er gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2, § 136 Abs. 2 StPO zu vernehmen. Die Verneh-mung erfolgt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem Zweck der Vorschrift durch eine mündliche Befragung mit mündlichen Antworten (BGH NStZ 2000, 439; Tolksdorf in KK 5. Aufl. § 243 Rdn. 44; Meyer-Goßner aaO § 243 Rdn. 30). Der Angeklagte hat daher keinen Anspruch darauf, dass das Gericht seine schriftliche Einlassung in der Hauptverhandlung verliest (vgl. BGH NJW 1994, 2904, 2906 - insoweit in BGHSt 40, 211 nicht abgedruckt; BGH NStZ 2000, 439; 2004, 163, 164; StV 2007, 622; Tolksdorf aaO § 243 Rdn. 44 m. w. N.; Frister in SK-StPO 54. Lfg. § 243 Rdn. 71). Dies gilt auch dann, wenn der Angeklagte zu dem in § 243 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO vorgesehenen Zeitpunkt der Hauptverhandlung zunächst von seinem Schweigerecht Gebrauch macht, in deren späteren Verlauf jedoch zum Anklagevorwurf Stellung nehmen will (vgl. BGH NStZ 1986, 370).
bb) Diese gesetzlich vorgesehene Form der Einlassung des Angeklagten kann nicht dadurch umgangen werden, dass dieser seine Stellungnahme zur Anklage in einem Schreiben an das Gericht niederlegt und nach dessen Eingang einen Antrag auf Verlesung des Wortlauts im Urkundsbeweis stellt. Die Beweisbehauptung, der Angeklagte habe sich in einem Schriftstück in einer bestimmten Weise zum Tatvorwurf geäußert, betrifft für sich grundsätzlich keine für die Entscheidung über den Schuldspruch oder Rechtsfolgenausspruch relevante Beweistatsache, die im formellen Strengbeweis aufzuklären ist (vgl. BGH NJW 1994, 2904, 2906; NStZ 2000, 439; StV 2007, 622; Meyer-Goßner aaO § 244 Rdn. 18 m. w. N.; aA Schlothauer StV 2007, 623, 625). Anders liegt es nur, wenn gerade der Inhalt des Schriftstückes an sich als Beweisgrundlage für den Urteilsspruch heranzuziehen ist. Im Einzelnen:
Die Sacheinlassung eines Angeklagten ist zwar Teil der Beweisaufnahme im materiellen Sinn, weil sie den Umfang der durchzuführenden formellen Beweisaufnahme bestimmt und über eine Tatsache, die dieser glaubhaft eingestanden hat, kein Beweis erhoben werden muss (vgl. Meyer-Goßner aaO § 244 Rdn. 3; Schlüchter in SK-StPO aaO § 244 Rdn. 26, 28; vgl. auch Frister in SK-StPO aaO § 243 Rdn. 52). Sie gehört jedoch nicht zu der in den §§ 244 - 257 StPO geregelten formellen Beweisaufnahme und ist damit kein Beweismittel im technischen Sinn (vgl. Schlüchter aaO). Dies ergibt sich schon daraus, dass gemäß § 243 Abs. 3 und 4, § 244 Abs. 1 StPO die Vernehmung eines aussagebereiten Angeklagten zur Sache nach Verlesung der Anklageschrift vor Beginn der eigentlichen Beweisaufnahme erfolgt und das Gesetz somit eine Trennung der Einlassung von der formellen Beweisaufnahme vorsieht (Herdegen in KK 5. Aufl. § 244 Rdn. 2).
An dieser gesetzlichen Konzeption ändert sich im Grundsatz nichts dadurch, dass der Angeklagte auf sein Recht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO, sich vor der formellen Beweisaufnahme mündlich zum Tatvorwurf zu äußern, verzichtet und statt dessen rechtliches Gehör in der Weise in Anspruch nimmt, dass er dem Gericht eine schriftliche Stellungnahme zu der Beschuldigung überreicht oder zusendet. Nicht anders als bei einer mündlichen Einlassung nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO erwächst dem Gericht hieraus zunächst lediglich die Verpflichtung, das Vorbringen des Angeklagten zur Kenntnis zu nehmen und zu prüfen, inwieweit dieses nach Maßgabe des § 244 Abs. 2 StPO Anlass gibt, die Sachaufklärung durch formelle Beweisaufnahme auf bestimmte zusätzliche Gesichtspunkte zu erstrecken. Es gilt hier nichts anderes als in den Fällen, in denen sich der Angeklagte schon vor der Hauptverhandlung schriftlich zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf geäußert hat, etwa nach § 136 Abs. 1 Satz 4 StPO, durch Einwendungen im Sinne des § 201 Abs. 1 StPO oder im Zusammenhang mit Anträgen nach § 219 Abs. 1 StPO. Insoweit ist bisher - soweit ersichtlich - nicht ernsthaft vertreten worden, dass derartige schriftliche Äußerungen in der Hauptverhandlung verlesen werden müssen, um gegebenenfalls die gerichtliche Aufklärungspflicht zu aktivieren.
Unterschiede ergeben sich erst dann, wenn gerade der Inhalt der Einlassung des Angeklagten als Grundlage des Urteilsspruchs herangezogen werden soll. Legt der Angeklagte bei seiner Vernehmung nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO etwa ein Geständnis ab, so wird dieses durch seine mündliche Äußerung im Rahmen der materiellen Beweisaufnahme zum Inbegriff der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) und darf daher vom Gericht bei der Urteilsfindung verwertet werden (siehe oben). Anders liegt es bei einem Geständnis, das der Angeklagte dem Gericht in schriftlicher Form zukommen lässt. Hier muss der Wortlaut des Schriftstücks durch Verlesung im formellen Urkundsbeweis in die Hauptverhandlung eingeführt werden, wenn das Geständnis als Grundlage des Urteils herangezogen werden soll (vgl. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 244 Rdn. 33; Meyer-Goßner aaO § 249 Rdn. 13). Es gilt hier nichts anderes als für schriftliche Geständnisse des Angeklagten, die nicht für das Gericht bestimmt waren und etwa durch Sicherstellung oder Beschlagnahme Bestandteil der Verfahrensakten geworden sind. Ebenso liegt es bei einer erheblichen Divergenz zwischen der mündlichen Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung und seiner schriftlichen Stellungnahme zum Tatgeschehen, wenn aus letzterer Schlussfolgerungen dazu gezogen werden sollen, ob die mündliche Einlassung glaubhaft ist (vgl. Frister aaO § 243 Rdn. 72). Wird in diesen Fällen ein Antrag gestellt, die schriftliche Erklärung des Angeklagten zu verlesen, ist dies ein Beweisantrag, der nur unter den Voraussetzungen des § 244 Abs. 3 StPO zurückgewiesen werden kann. Allerdings wird schon die Aufklärungspflicht im Regelfall zur Verlesung des Schriftstückes drängen.
Nach diesen Maßstäben handelte es sich bei dem Beweisbegehren vom 10. November 2006 nicht um einen Beweisantrag. Es war nicht darauf gerichtet, den Wortlaut des Schreibens als solchen dem Urteil zugrunde zu legen; vielmehr wollte der Angeklagte lediglich seine den Tatvorwurf bestreitende Einlassung sowie vor deren Hintergrund seine Bewertung des bisherigen Ergebnisses der Beweisaufnahme strengbeweislich in die Hauptverhandlung eingeführt wissen, obwohl das Gesetz diese Form der Beweiserhebung hierfür gerade nicht vorsieht. Das Gericht hatte den Inhalt des Schreibens auch ohne dessen urkundsbeweisliche Verlesung zur Kenntnis zu nehmen und - soweit durch § 244 Abs. 2 StPO geboten - für die Gestaltung und gegebenenfalls den Umfang der Beweiserhebung zu berücksichtigen, aber auch bei der Beurteilung von deren Ergebnissen in Betracht zu ziehen.
cc) Abschließend bemerkt der Senat zu diesem Punkt:
Das vom Angeklagten mit seinem Vorgehen ersichtlich verfolgte Interesse, nach einer Verlesung seiner schriftlichen Einlassung durch das Gericht im formellen Strengbeweis (§ 249 Abs. 1 StPO) im Revisionsverfahren mit der Rüge einer Verletzung des § 261 StPO beanstanden zu können, das Urteil habe sich mit wesentlichem Entlastungsvorbringen nicht ausreichend auseinandergesetzt, rechtfertigt keine andere Beurteilung (vgl. Frister aaO; Frisch in SK-StPO 37. Aufbau-Lfg. § 337 Rdn. 81 m. w. N.). Zwar handelt es sich bei einer schriftlichen Einlassung um eine grundsätzlich verlesbare Urkunde, weil das Gesetz die Verlesung nicht ausschließt (vgl. BGHSt 39, 305, 306). Jedoch kann ein schweigender Angeklagter das Gericht nicht zur Verlesung einer schriftlichen Einlassung zwingen und damit im Ergebnis wählen, ob er sich mündlich oder schriftlich zur Sache einlassen will. Ein solches Wahlrecht zwischen einer durch das Gericht verlesenen, ihre Sachbehandlung im Urteil inhaltlich revisionsrechtlich voll überprüfbaren schriftlichen Einlassung einerseits und einer in der Hauptverhandlung selbst vorgetragenen, revisionsrechtlich nur mittelbar über deren Wiedergabe im Urteil überprüfbaren Aussage andererseits ist mit der auf die Prinzipien der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit angelegten Konzeption des Strafverfahrens und dem hieran anknüpfenden inhaltlich eingeschränkten System der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht vereinbar (vgl. Geppert in FS für Rudolphi S. 643, 654).
b) Aus dem Gesagten folgt, dass auch die gerichtliche Pflicht zur Amtsaufklärung (§ 244 Abs. 2 StPO) es nicht gebot, das Schreiben des Angeklagten vom 3. November 2006 im Wege des Urkundsbeweises zu verlesen. Daher ist es revisionsrechtlich unerheblich, dass sich das Landgericht nach dem Wortlaut seines Ablehnungsbeschlusses nicht bewusst war, dieses verlesen zu können (vgl. BGHSt 39, 305, 306).
Gemäß § 244 Abs. 2 StPO hat das Gericht die Pflicht, zur Ermittlung des wahren Sachverhalts von Amts wegen die Beweisaufnahme auf alle Tatsachen und zulässigen Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung über den Tatvorwurf von Bedeutung sind und zur Sachaufklärung beitragen können. Deshalb muss es im Rahmen der angeklagten Tat die beweisbedürftigen Tatsachen mit allen zulässigen Beweismitteln feststellen, die für die Schuldfrage oder die in Betracht kommenden Rechtsfolgen erheblich sind (vgl. Gollwitzer aaO § 244 Rdn. 40; Schlüchter aaO § 244 Rdn. 31, 35). Der konkrete Inhalt des Schreibens vom 3. November 2006 enthielt jedoch - wie oben dargestellt - als rein bestreitende Einlassung zum Tatvorwurf kein für den Schuldspruch oder den Rechtsfolgenausspruch wesentliches Vorbringen, aus dem für sich zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten Schlüsse hätten gezogen werden können. Zu seiner Verlesung im Urkundsbeweis drängte daher nichts. Soweit das Schreiben Beweisanträge enthielt, hat das Landgericht darüber entschieden. Eine Verfahrensrüge ist insoweit nicht erhoben.
Dem Anspruch des Angeklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) wurde dadurch Rechnung getragen, dass sein Schreiben Aktenbestandteil geworden ist, das Gericht dessen Inhalt zur Kenntnis genommen hat und unter Aufklärungsgesichtspunkten verpflichtet war, die Beweisaufnahme auf alle nach dem Inhalt des Schreibens sich aufdrängenden Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken. Somit kann eine zur Akte gelangte schriftliche Einlassung den Umfang und den Inhalt der Beweisaufnahme bestimmen. Wenn das Gericht einer nach dem Inhalt einer schriftlichen Einlassung sich aufdrängenden Beweistatsache nicht nachgeht oder ein sich danach aufdrängendes Beweismittel nicht verwendet, beispielsweise einen Tatzeugen oder Alibizeugen nicht vernimmt, verletzt es insoweit seine Aufklärungspflicht. Mit der Aufklärungsrüge kann dann aber nicht die unterlassene Verlesung der Einlassung als solche gerügt werden, sondern nur die unterlassene Erhebung von Beweisen, die sich aufgrund der zum Akteninhalt gewordenen schriftlichen Erklärung aufdrängte.
Darüber hinaus gilt hier: Soweit das im Verlesungsantrag des Angeklagten wiedergegebene Schreiben vom 3. November 2006 Anlass hätte geben können, bestimmten Beweisanregungen nachzugehen, insbesondere den Zeugen De. nochmals zu vernehmen, ist die Aufklärungsrüge unzulässig. Es fehlt an der Mitteilung sowohl des zu erwartenden Beweisergebnisses als auch der Umstände, aufgrund derer sich die Beweiserhebung aufgedrängt hat. Zudem wäre die Aufklärungsrüge auch unbegründet. Die in der schriftlich formulierten Einlassung enthaltenen Behauptungen wurden - soweit bedeutsam - vom Landgericht bei der Beweisaufnahme berücksichtigt und in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert. ..." (BGH, Beschluss vom 27.03.2008 - 3 StR 6/08)
***
?... Die Revision kann nicht mit der Verfahrensrüge gehört werden, die Kammer habe es unter Verstoß gegen die richterliche Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO versäumt, Beweis über die polizeilichen Aussagen des Zeugen Mo. vom 9. September 2006 durch Vernehmung des Zeugen KOK K. zu erheben. Widersprüche zwischen dem Inhalt des Urteils und den Akten sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH revisionsrechtlich unerheblich, wenn sie sich nicht aus dem Urteil selbst ergeben (BGH NStZ 1992, 506). Ergibt sich der Widerspruch nicht aus dem Urteil selbst, so läuft die Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO vielmehr auf die unzulässige Rüge der Aktenwidrigkeit hinaus (vgl. BGH NStZ 1995, 27, 28). So verhält es sich hier. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Widersprüche können in der Hauptverhandlung mit dem Zeugen Mo. unter Vorhalten, insbesondere der Augenscheinseinnahme des Videos vom Tatabend, erörtert und ausgeräumt worden sein.
Entgegen der Auffassung der Revision liegt in dem Schweigen der Urteilsgründe zu dem geltend gemachten Widerspruch auch keine Verletzung der sachlich-rechtlichen Anforderungen an die Beweiswürdigung. Denn der Tatrichter ist nur gehalten, die zum Zeitpunkt der Urteilsfällung wesentlichen beweiserheblichen Umstände in den Urteilsgründen zu erörtern (vgl. BGH a.a.O.). Der Widerspruch zu Bekundungen eines Zeugen im Ermittlungsverfahren kann aber durch seine Aussage in der Hauptverhandlung oder durch sonstige Beweismittel so zweifelsfrei gelöst sein, dass kein Anlass für seine Darlegung in den Urteilsgründen mehr bestand (vgl. BGH StV 1992, 550). ..." (BGH, Beschluss vom 30.04.2008 - 2 StR 82/08)
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?... Schließlich war das Landgericht aus Gründen der Aufklärungspflicht nicht gehalten, einen ?forensischen Ethnologen' zu hören. Die diesem Begehren zugrunde liegende Tatsachenbehauptung, die Nebenklägerin könne vor dem türkisch-kulturellen Hintergrund ?unbewusst bereit' gewesen sein, ?sich durch eine (nach ihrem Verständnis) zusätzliche Erniedrigung - einem vollzogenen Geschlechtsverkehr - zu bestrafen', da sei ?der Angeklagte gerade recht' gekommen, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Jedenfalls hätte sich die Jugendkammer dazu, zumal ein solches Gutachten nicht einmal in der Hauptverhandlung verlangt worden ist, nach dem Maßstab einer Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2 StPO nicht gedrängt sehen müssen. ..." (BGH, Beschluss vom 03.04.2008 - 1 StR 51/08)
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?... Die Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) bleibt auch ohne Erfolg, soweit mit ihr beanstandet wird, das Landgericht habe die Alkoholisierung des Angeklagten zum Tatzeitpunkt nicht ausreichend aufgeklärt. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob sie den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt; denn das vorgetragene Ergebnis der vermissten Beweisaufnahme - der Angeklagte sei hochgradig alkoholisiert gewesen - betrifft keine bestimmte Beweistatsache, sondern eine Wertung. Jedenfalls ist die Rüge unbegründet, weil der zu beurteilende Sachverhalt nicht zur Vernehmung der bei der Tat nicht anwesenden Zeugen über den Alkoholkonsum des Angeklagten drängte. Das sachverständig beratene Landgericht konnte anhand aussagekräftiger psychodiagnostischer Kriterien (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 20 Rdn. 22) zum Nachtatverhalten ausschließen, dass der alkoholgewohnte Angeklagte zum Tatzeitpunkt schuldunfähig war. ..." (BGH, Beschluss vom 27.03.2008 - 3 StR 69/08)
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Ein Rechtssatz des Inhalts, dass der Tatrichter in Kapitalstrafsachen aus Gründen der Aufklärungspflicht stets gehalten ist, einen Sachverständigen mit der Erstattung eines Gutachtens zur Schuldfähigkeit zu betrauen, existiert nicht. Das Revisionsgericht kann vielmehr regelmäßig davon ausgehen, dass der Tatrichter über die notwendige Sachkunde verfügt, um zu beurteilen, ob mit Blick auf das Tatbild und die Person des Angeklagten die Hinzuziehung eines Schuldfähigkeitsgutachters geboten ist (BGH, Beschluss vom 05.03.2008 - 1 StR 648/07 zu StPO §§ 244, 246a, 261).
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?... Die Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet zudem mit einer auf die Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) gestützten Rüge zu Recht, dass es das Landgericht unterlassen hat, durch Verlesung der Urteile Beweis über die den Verurteilungen des Angeklagten durch das Landgericht Mönchengladbach vom 31. Mai 1996 und das Landgericht Essen vom 17. Januar 2001 zu Grunde liegenden Taten zu erheben (vgl. auch BGHSt 43, 106).
Das Landgericht Mönchengladbach hatte den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte im August 1995 in den frühen Morgenstunden eine 18 Jahre alte Frau vom Rad gestoßen, ihr ein Küchenmesser an den Hals gelegt und sie gezwungen, sich vollständig zu entkleiden. Er verlangte von ihr, vor ihm niederzuknien und den Oralverkehr zu vollziehen, und zwang sie, ihm einen Zungenkuss zu geben. Dann griffen Polizeibeamte ein, die von Nachbarn alarmiert worden waren.
Das Landgericht Essen hatte den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen schlug der Angeklagte im Juli 1998 einen damals zwölf Jahre alten Jungen zunächst bewusstlos, packte ihn im Nacken und zerrte ihn in ein Gebüsch. Unter der Drohung, dem Jungen das Genick zu brechen, erzwang der Angeklagte den Oral- und den Analverkehr.
Das Landgericht hätte sich zu der Verlesung dieser Urteile gedrängt sehen müssen, zumal diese - wenn auch nicht durch einen förmlichen Beweisantrag - im Hauptverhandlungstermin vom 20. Februar 2007 von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war. Dass die einschlägigen Vorverurteilungen, insbesondere auch die Feststellungen zu der Vorgehensweise des Angeklagten, für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Nebenklägerin von Bedeutung sein können, liegt auf der Hand. ..." (BGH, Urteil vom 14.02.2008 - 4 StR 317/07)
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?... Hinsichtlich der Aufklärungsrüge, das Landgericht habe sich nur unzureichend bemüht, die Zeugin zur Vernehmung in der Hauptverhandlung herbeizuschaffen, erschöpft sich die Revision letztlich in allgemeinen Hinweisen, in welche Richtung weitere Bemühungen des Gerichts hätten gehen können. Welche konkreten Maßnahmen die Strafkammer hätte unternehmen müssen und welcher Erfolg dem beschieden gewesen wäre, teilt die Revision jedoch nicht mit. Im Übrigen hätte es der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Hauptverhandlung offen gestanden, entweder dem Gericht etwaig vorhandene konkrete Hinweise zum Aufenthalt der Zeugin zu geben und auf deren Beischaffung durch das Gericht hinzuwirken oder aber selbst Maßnahmen zu ergreifen, die Zeugin zur Hauptverhandlung beizubringen (vgl. § 214 Abs. 3 StPO). ..." (BGH, Urteil vom 07.02.2008 - 4 StR 575/07)
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?... d) Die Verfahrensbeanstandung, die Kammer habe durch die Weigerung, alle aufgezeichneten Gespräche in türkischer Sprache ins Deutsche übersetzen zu lassen oder zumindest die unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers für die Verteidigung zu bewilligen, ihre Aufklärungspflicht verletzt (§ 244 Abs. 2 StPO) und die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt unzulässig beschränkt (vgl. § 338 Nr. 8 StPO), greift ebenfalls nicht durch.
Die Aufklärungsrüge ist bereits unzulässig, weil sie kein bestimmtes Beweisergebnis behauptet. Sie wäre auch unbegründet; denn eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch die unterlassene (wörtliche) Übersetzung liegt nicht vor. Es befinden sich Zusammenfassungen in deutscher Sprache über den Inhalt der Telefonate in den Akten, aus denen sich keine Relevanz der in Türkisch geführten Gespräche für die abgeurteilten Taten ergibt. Schon deshalb musste sich die Kammer nicht zur Übersetzung der Telefonate gedrängt sehen. Hinzu kommt, dass das Landgericht auch zur Überprüfung der durch die Ermittlungsbehörden getroffenen Vorauswahl ?relevanter' Telefonate bereits die Aufzeichnungen von mehreren Hundert Gesprächen in Augenschein genommen hatte, ohne dass sich eine von den Angaben in den schriftlichen Zusammenfassungen abweichende Verfahrensrelevanz ergeben hatte.
Auch im Übrigen ist die Rüge unbegründet. Die Verteidigung ist nicht dadurch in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt worden, dass die Kammer nicht alle Telefonate hat übersetzen lassen: Die Vorschrift des § 147 Abs. 1 StPO gibt keinen Anspruch auf eine Übersetzung sämtlicher in einer fremden Sprache aufgezeichneten Gespräche (Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 147 Rdn. 19; OLG Koblenz NStZ 1995, 611).
Den weitergehenden Antrag auf unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers, um der Verteidigung das Abhören der in türkischer Sprache geführten Telefonate zu ermöglichen, hat die Kammer in der vorliegenden Verfahrenssituation, in der bereits deutschsprachige Zusammenfassungen der Gespräche vorlagen, aus denen sich ergab, dass die in türkischer Sprache geführten Telefonate für die Vorwürfe gegen den Angeklagten keine Relevanz aufwiesen, mit rechtsfehlerfreier Begründung abgelehnt. ..." (BGH, Beschluss vom 04.12.2007 - 3 StR 404/07)
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?... a) Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob die Verfahrensrüge die Voraussetzungen einer Beweisantragsrüge nach den von BGHSt 45, 188, 190 aufgestellten Grundsätzen erfüllt, soweit ein ausdrücklicher Antrag zur Durchführung einer Bild-Ton-Vernehmung nach § 247a Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz StPO i.V.m. Art. 10 Abs. 1 und 2 EuRhÜbK für nicht erforderlich gehalten wird. Der Senat neigt zu der Auffassung, dass es einem ausdrücklich zu formulierenden Begehren eines Beweisantragstellers obliegt, ob er sich nach Feststellung der Unerreichbarkeit eines Zeugen für dessen von ihm begehrte Vernehmung in der Hauptverhandlung mit dem bei einer Bild-Ton-Übertragung gegebenen Defizit an Unmittelbarkeit (vgl. BGHSt 45, 188, 196) im Vergleich zur konfrontativen Vernehmung im Gerichtssaal begnügen möchte (vgl. BGHSt 22, 118, 122 zur Pflicht zur Befragung des Antragstellers, ob er sich mit einer kommissarischen Vernehmung begnügt; vgl. ferner BGHSt 46, 73, 78 zur Pflicht gemäß § 247a StPO nach Verlesung eines richterlichen Vernehmungsprotokolls bei - enger als in § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO auszulegender - Unerreichbarkeit des Zeugen nach § 251 StPO). Die Rüge greift jedenfalls als Aufklärungsrüge gemäß § 244 Abs. 2 StPO i.V.m. § 247a Satz 1 2. Halbsatz StPO, Art. 10 Abs. 1 und 2 EuRHÜbK durch.
aa) Die behauptete Beweistatsache ist genügend bestimmt (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 6). Der Antrag auf Vernehmung der unter bekannter Adresse in Österreich wohnhaften Zeugin H. - eines bestimmten Beweismittels (vgl. BGHR aaO) - enthält die Behauptung mangelnder Personenidentität in dem Sinn, dass der Angeklagte nicht am Überfall auf den Bordellbetrieb beteiligt war. Dies stellt eine bestimmte Beweistatsache dar (vgl. BGH NStZ 2006, 585, 586; 2004, 99, 100; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 244 Rdn. 17). Zwar hat der Verteidiger im Tenor seines Antrags vordergründig ein bloßes Beweisziel benannt (vgl. BGHSt 39, 251, 253 f.). Indes ergibt sich vorliegend aus der weiteren Begründung des Antrags, es handele sich um eine - im Übrigen auch nach Auffassung des Landgerichts im ablehnenden Beschluss unverzichtbare - Tat- und Wiedererkennungszeugin und diese Zeugin werde ihre notwendigerweise auf konkrete Körpermerkmale des ihr erinnerlichen Täters gestützte Erinnerungsleistung in einer Weise erbringen, die mit dem (damaligen) Erscheinungsbild des Angeklagten nicht in Einklang zu bringen sei. Dies genügt in der hier vorliegenden, von gesteigertem Aufklärungsbedürfnis gekennzeichneten besonderen Beweissituation des eher komplexen und fehlerträchtigen Wiedererkennens eines Täters durch Zeugen (vgl. BVerfG - Kammer - NJW 2003, 2444, 2445; BGHR StPO § 261 Identifizierung 6; BGH, Urteil vom 17. Juli 2007 - 5 StR 186/07 Rdn. 20) den Anforderungen, die an eine bestimmte Beweisbehauptung zu stellen sind. Der Gegenstand der Zeugenaussage ist hier nämlich in einem solchen Maß auf die Wahrnehmung von dem Zeugenbeweis unmittelbar zugänglichen Wiedererkennungsmerkmalen ausgerichtet, dass deren konkretere Benennung nicht geboten ist, um das Aufklärungsbegehren näher zu präzisieren. Das Erfordernis der Konnexität liegt bei der hier auch gegebenen Opfereigenschaft der Zeugin auf der Hand (vgl. BGH NStZ 2006, 585, 586).
bb) Die Revision macht zu Recht geltend, das Landgericht hätte sich in Erfüllung seiner Aufklärungspflicht dazu gedrängt sehen müssen, die Tat und Wiedererkennungszeugin H. per Ton-Bild-Übertragung zu vernehmen. Die Aufklärungspflicht ist auch verletzt, wenn bei verständiger Würdigung der Sachlage durch den abwägenden Richter die Verwendung einer Aufklärungsmöglichkeit den Schuldvorwurf möglicherweise in Frage gestellt hätte (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 2 Umfang 1; BGH StV 2005, 253, 254). Dies ist bei den hier vorliegenden, nicht eindeutig übereinstimmenden, vom Landgericht zudem auch überwiegend nicht anhand konkreter Körpermerkmale dargelegten Wiedererkennungsleistungen der Zeuginnen der Fall. Das Landgericht konnte sich von seiner Aufklärungspflicht auch nicht mit der Hilfserwägung befreien, es handele sich um eine Behauptung ins Blaue hinein. Eine solche Bewertung ist angesichts des Umstandes, dass die Zeugin den Angeklagten auf Wahllichtbildern nicht erkannt hat und die Strafkammervorsitzende die Zeugin als wichtige Wiedererkennungszeugin betrachtet hat, nicht gerechtfertigt. Zudem liegt es in der Natur der Sache, dass ein Antragsteller die Aussagen der Zeugin im Vorhinein regelmäßig nicht kennt, sondern den behaupteten Inhalt lediglich für möglich hält (vgl. BGHSt 21, 118, 121, 125; BGH NStZ 2006, 585, 586).
b) Die Revision hat ferner dargelegt, dass eine audiovisuelle Vernehmung der Zeugin H. im Wege der Rechtshilfe möglich gewesen wäre. In der Republik Österreich ist das Übereinkommen vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EuRhÜbK) am 23. August 2005 in Kraft getreten (Schomburg/Gleß in Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen 4. Aufl. S. 999). Einer Bewilligung und Durchführung einer solchen in Artikel 10 Abs. 1 und 2 EuRhÜbK vorgesehenen Vernehmung hätten keine Hindernisse entgegengestanden, zumal § 247a Abs. 2 öStPO selbst die audiovisuelle Auslandsvernehmung von Zeugen durch österreichische Gerichte vorsieht (vgl. Kirchbacher in Fuchs/Ratz, Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung 55. Lfg. § 247a Rdn. 6 f.).
Eine Vernehmung der Zeugin H. durch eine Bild-Ton-Übertragung wäre trotz gewisser Einschränkungen der Unmittelbarkeit (vgl. BGHSt 45, 188, 196) auch nicht von vornherein ungeeignet gewesen, um eine Vernehmung über eine Täteridentifizierung durchzuführen, wobei der Zeugin Lichtbilder vom Angeklagten hätten vorgehalten werden können oder auch die Person des anwesenden Angeklagten im Wege der Videosimultanübertragung hätte gezeigt werden können.
c) Der Vorschrift des § 247a Satz 2 StPO lässt sich keine Einschränkung für die hier zu beurteilende Nichtentscheidung über die Bewilligung der audiovisuellen Auslandsvernehmung entgegen bestehender Aufklärungspflicht entnehmen (vgl. auch BGHSt 45, 188, 197).
5. Auf die übrigen beachtlich erscheinenden Verfahrensrügen braucht der Senat nicht mehr einzugehen. Damit erheischt der Umstand keine Entscheidung, ob bei unterlassener Vereidigung von zwei Dolmetschern entgegen § 189 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GVG Russischkenntnisse der Strafkammervorsitzenden, die den Dolmetschern freilich verborgen geblieben waren, zu einer Verneinung des Beruhens des Urteils auf diesem Rechtsfehler führen können (vgl. BGH NStZ 2005, 705, 706), was hier auch eine gewisse Konzentration der Strafkammervorsitzenden auf den schwierigen Übertragungsvorgang erfordert hätte.
Sollte erneut ein - im Einzelnen zu begründender - Ausschluss des Angeklagten von der Hauptverhandlung gemäß § 247 Satz 1 StPO erforderlich werden, wird der neue Tatrichter gehindert sein, den in Abwesenheit des Angeklagten vernommenen Zeugen zu entlassen, bevor der Angeklagte zuvor über den wesentlichen Inhalt der in seiner Abwesenheit erfolgten Aussage unterrichtet worden ist (vgl. BGHR StPO § 247 Abwesenheit 20; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 247 Rdn. 15).
6. Aufgrund der Komplexität und der Fehleranfälligkeit bei einer Überführung aufgrund der Aussage zum Wiedererkennen durch Belastungszeugen wird der neue Tatrichter grundsätzlich gehalten sein, darzulegen, ob und in welchem Grade die Aussagen der Wiedererkennungszeuginnen zur Übereinstimmung zwischen dem Angeklagten und den seinerzeit wahrgenommenen Täter mit den in der Hauptverhandlung gewonnen übrigen Beweisergebnissen in Einklang gebracht werden können oder aber diesen zuwider läuft (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2007 - 5 StR 186/07 Rdn. 20). Diese Pflicht könnte es gebieten, das von der Revision im Rahmen einer Verfahrensrüge vorgetragene Entlastungsindiz - DNA am Slip des Vergewaltigungsopfers ausschließlich von einem anderen Mann stammend - in die Beweiswürdigung mit einzubeziehen. Der Senat weist ferner darauf hin, dass den Darlegungserfordernissen, zumal bei dem hier vorliegenden, bis viermaligen Wiedererkennen (vgl. BGHSt 16, 204, 205 f.; BGH StV 1997, 454 f.), größere Aufmerksamkeit zu widmen sein wird (vgl. dazu näher BGH StV 2004, 58).
Sollte der neue Tatrichter zu gleichen Schuldsprüchen kommen, wäre die Annahme von Tateinheit im Blick auf die identische Gewaltausübung zutreffend (Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 177 Rdn. 105). ..." (BGH, Beschluss vom 09.10.2007 - 5 StR 344/07).
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?... Indes ist die hier - mangels erhobener Verfahrensrügen gemäß § 244 Abs. 2 und/oder § 261 StPO - aufgrund der Sachrüge mögliche und gebotene Prüfung der Beweiswürdigung auf den Inhalt des landgerichtlichen Urteils beschränkt (vgl. BGHSt 35, 238, 241). Die Revision kann grundsätzlich nicht mit der Behauptung gehört werden, das Tatgericht habe sich mit einer bestimmten Aussage einer Beweisperson nicht auseinandergesetzt, wenn sich diese Aussage nicht aus dem Urteil selbst ergibt (vgl. BGH NJW 2003, 150, 152). Danach bleibt - worauf auch der Generalbundesanwalt zu Recht hingewiesen hat - der Vortrag der Revision von vornherein erfolglos, alle geschädigten Zeuginnen hätten aufgrund unvollständiger Wertung ihrer Aussagen durch das Landgericht und nach Maßgabe der richtigen Wertung durch den Revisionsführer den Angeklagten nicht nur nicht wiedererkannt, sondern ihn mitunter sogar als Täter explizit ausgeschlossen. Damit unterliegen die Behauptungen der Revision, die Zeuginnen A. , S. und M. hätten ganz andere Täter beschrieben, das Landgericht hätte die Aussage der Zeugin N. missinterpretiert und die Räumlichkeiten der Grundschule seien - entgegen der Aussage der Zeugin S. (UA S. 13) - hell erleuchtet gewesen, hier nicht der revisionsgerichtlichen Prüfung. Gleiches gilt für den urteilsfremden Vortrag, im Fall 1. d habe der Täter am vermuteten Einstiegsfenster der Grundschule Zigarettenkippen hinterlassen, die - wie auch andere ausgewertete Spuren - den Angeklagten nicht belastet hätten. ..." (BGH, Urteil vom 17.07.2007 - 5 StR 186/07).
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?... 3. Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht durch Unterlassung der Verlesung der schriftlichen Erklärungen der Mitangeklagten (§ 244 Abs. 2 StPO):
Die Rügen, das Landgericht habe sich aufgrund der Aufklärungspflicht jeweils zur Verlesung der ihm übergebenen schriftlichen Erklärungen der beiden Mitangeklagten gedrängt sehen müssen, sind unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil sie wesentliche Verfahrensvorgänge nicht mitteilen. Die Revisionen tragen nicht vor, auf Grund welcher Umstände sich das Landgericht zu der vermissten Verlesung hätte gedrängt sehen müssen. Alle drei Angeklagten sind im Ermittlungsverfahren von dem Kriminalhauptkommissar K. vernommen worden; dieser wurde in der Hauptverhandlung als Zeuge gehört. Das tragen die Revisionen nicht vor. Allein der Vortrag der Tatsache, dass die Mitangeklagten in der Hauptverhandlung von ihrem Recht zu schweigen Gebrauch gemacht hatten, reicht nicht aus, um beurteilen zu können, ob das Tatgericht bei sorgfältiger und verständiger Würdigung dieses Umstands begründete Zweifel an der Richtigkeit der (auf Grund der bisherigen Beweisaufnahme erlangten) Überzeugung haben und deshalb durch die Verlesung der schriftlichen Erklärungen weiteren Erkenntnisgewinn erwarten konnte, so dass es diese Möglichkeit zu weiterer Beweiserhebung nutzen musste.
Das Tatgeschehen in der Wohnung hat das Landgericht aufgrund der Aussagen der Zeugen Michael F. , Nadine Fr. und Marcel Me. festgestellt. Der frühere Mitangeklagte A. hatte die Richtigkeit der gegen ihn und die Mitangeklagten erhobenen Vorwürfe pauschal bestätigt. Aus diesem äußeren Tatgeschehen hat das Landgericht gefolgert, dass Ausführungsart und Zielrichtung der Tat vorher abgesprochen waren, was die Angeklagten in ihren schriftlichen Erklärungen bestritten. Unter diesen Umständen hätten die Revisionen nähere Ausführungen machen müssen, um dem Revisionsgericht die Überprüfung zu ermöglichen, ob sich der Strafkammer die Verlesung der schriftlichen Erklärungen aufdrängen musste, zumal deren Beweiswert grundsätzlich nicht so hoch eingeschätzt werden kann wie derjenige von mündlichen Angaben eines Mitangeklagten, der auf Nachfragen antwortet und dem Vorhalte gemacht werden können. Der Angeklagte M. hatte bei der Polizei Angaben gemacht, der Vernehmungsbeamte K. ist ausweislich der Urteilsgründe dazu vernommen worden. Die Revisionen teilen nicht mit, ob die frühere Aussage des Angeklagten M. mit seiner schriftlichen Erklärung inhaltlich übereinstimmte, so dass seine Angaben inhaltlich bereits Gegenstand der Beweisaufnahme waren. Die Revisionen teilen auch nicht mit, was die Angeklagten D. und R. bei ihren polizeilichen Vernehmungen ausgesagt haben und ob diese Vernehmungen Gegenstand der Hauptverhandlung waren. ..." (BGH, Urteil vom 20.06.2007 - 2 StR 84/07)
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Wird in einer Verfahrensituation, in der Aussage gegen Aussage steht, die Vernehmung eines ?Auslandszeugen' beantragt, durch die die Glaubwürdigkeit der maßgeblichen Belastungszeugin und die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben in Zweifel gezogen werden sollen, drängt die Aufklärungspflicht zur Vernehmung des Zeugen, zumindest aber zur Klärung der Frage, ob der Zeuge existent und ob von ihm ein Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung zu erwarten ist (BGH, Beschluss vom 29.11.2006 - 2 StR 404/06 zu StPO § 244 Abs. 5, Abs. 2):
?... Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und wegen besonders schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt; vom Vorwurf einer weiteren Vergewaltigung hat es ihn freigesprochen. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Aufklärungsrüge Erfolg. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift vom 13. September 2006 ausgeführt:
?Die Revision dringt mit einer Aufklärungsrüge durch. Die Geschädigte R. , deren Aussage einzige Grundlage für den Schuldspruch bildet, hat bestritten, bereits in Rumänien als Prostituierte gearbeitet zu haben. Die entgegenstehende Einlassung des Beschwerdeführers, er habe die Zeugin im April 2004 in Rumänien auf einer Party kennen gelernt, auf der die Zeugin als Prostituierte zum Einsatz gekommen war (UA S. 18), hält die Strafkammer für widerlegt. In der Hauptverhandlung beantragte die Verteidigung unter Angabe ladungsfähiger Anschriften für den Fall der Verurteilung des Beschwerdeführers hilfsweise die Vernehmung der Zeugin H. und des Zeugen D. zum Beweise der Tatsache, dass die Zeugin R. auf der vom Beschwerdeführer erwähnten Party (Betriebsfeier) sich als Prostituierte betätigte. D. sollte nach dem Beweisantrag in seiner Eigenschaft als Veranstalter der Betriebsfeier und Besteller der Prostituierten bei einem Party-Service, die Zeugin H. als Vermittlerin der Zeugin R. an die Freier aussagen.
Die Revision beanstandet zu Recht, dass der Tatrichter diesem Beweisangebot unter Verstoß gegen die Aufklärungspflicht nicht nachgegangen ist, sondern den Beweisantrag abgelehnt hat (UA S. 33). Bei der hier gegebenen Verfahrenssituation, in der Aussage gegen Aussage steht, drängte die Aufklärungspflicht zur Vernehmung der Zeugen, jedenfalls aber zur Klärung der Frage, ob die Zeugen existent sind und ob von ihnen ein Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung zu erwarten war. Dieses wäre auch ohne größeren Zeit- und Arbeitsaufwand möglich gewesen. Denn bei den benannten Zeugen handelt es sich um so genannte ?Auslandszeugen' im Sinne von § 244 Abs. 5 S. 2 StPO, bei denen es zulässig ist, vor ihrer Ladung im Wege des Freibeweises zu klären, ob von ihnen eine sachdienliche Aussage zu erwarten ist (BGH NStZ 1995, 244). Diese Klärung hätte durch Einschaltung des Verbindungsbeamten des Bundeskriminalamtes bei der deutschen Botschaft in Bukarest unschwer erfolgen können. Im Falle der Bestätigung der Beweisbehauptung hätte das zu einer anderen Bewertung der Glaubwürdigkeit der Zeugin R. und der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben führen können. Insbesondere wäre damit der tatrichterlichen Annahme, die Zeugin sei aufgrund der Täuschung durch den Beschwerdeführer in dem Glauben nach Deutschland gekommen, hier als Haushaltshilfe Geld verdienen zu können, möglicherweise der Boden entzogen worden; die Revision weist zutreffend darauf hin, dass für den Beschwerdeführer kein Grund zur Täuschung der Zeugin bestand, wenn diese bereits in Rumänien der Prostitution nachging. Im Falle der Bestätigung der Beweisbehauptung würde auch die Glaubwürdigkeit der Zeugin und die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben im Falle II 1 der Urteilsgründe besonders kritisch zu würdigen sein.'
Dem schließt sich der Senat an, zumal die einzelnen Vernehmungen der Zeugin erhebliche Widersprüche aufweisen, so dass, anders als das Landgericht meint, von einer Aussagekonstanz im Aussageverhalten der Zeugin nicht mehr ausgegangen werden kann. ..." (BGH, Beschluss vom 29.11.2006 - 2 StR 404/06)
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?... Der Freispruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit der Aufklärungsrüge gemäß § 244 Abs. 2 StPO die unterlassene Vernehmung des Zeugen H. I. in der Hauptverhandlung. Diesem habe kein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO zugestanden. Die Rüge greift durch.
a) Ihr liegt folgendes Geschehen zugrunde:
Nachdem der Zeuge H. I. sich in der Hauptverhandlung auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht berufen hatte, wurde ihm dieses zunächst durch Verfügung des Vorsitzenden und schließlich durch Kammerbeschluss zugestanden. In diesem Beschluss wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Ordnungs- und Zwangsmittel gegen den Zeugen zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Zeuge G. habe bekundet, er vermute, H. I. sei wirklich ?groß im Geschäft gewesen' und Y. I. müsse der Chef der ganzen Bande gewesen sein. Da auch der Zeuge Kr. bei seiner Beschuldigtenvernehmung bestätigt habe, H. I. sei ?groß im Geschäft gewesen', bestehe der Verdacht, H. I. habe weitere Straftaten begangen, die noch nicht rechtskräftig abgeurteilt seien. Er müsse demnach damit rechnen, dass der Angeklagte seinerseits Angaben nach § 31 BtMG machen würde, die ihn - den Zeugen - belasten würden. Im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts NJW 2002, 1411, 1412 stehe dem Zeugen bei dieser Sachlage ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zu. Zudem gebe es Differenzen zwischen seinen bisherigen richterlichen Aussagen.
b) Das Landgericht hat ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht des Zeugen H. I. nicht tragfähig begründet.
Das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO kann grundsätzlich nur in dem Umfang greifen, in welchem die Befragung sich auf Vorgänge richtet, die im Verhältnis zu den abgeurteilten Geschehen andere Taten im verfahrensrechtlichen Sinn des § 264 Abs. 1 StPO darstellen würden. Dabei genügt es, wenn der Zeuge über Vorgänge Auskunft geben müsste, die den Verdacht gegen ihn mittelbar begründen, sei es auch nur als Teilstück in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude (BGH NJW 1999, 1413, 1414; BGHR StPO § 55 Abs. 1 Verfolgung 1). Besteht die konkrete Gefahr, dass er durch eine wahrheitsgemäße Aussage zugleich potentielle Beweismittel gegen sich selbst wegen noch verfolgbarer eigener Delikte liefern müsste, so ist ihm die Erteilung solcher Auskünfte nicht zumutbar (BVerfG NJW 2002, 1411, 1412).
Eine solche Gefahr der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Zeugen H. I. hat das Landgericht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt dargetan.
Die pauschalen Bekundungen anderer Zeugen, H. I. sei groß im Rauschgiftgeschäft tätig gewesen, sind keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO zur Einleitung weiterer, über die abgeschlossenen hinausgehenden Verfahren.
Auch die Benennung seines Rauschgiftlieferanten in der Hauptverhandlung begründet keine weitere Gefahr der Strafverfolgung für den Zeugen H. I. , die der Selbstbelastungsfreiheit unterliegt. In der vom Landgericht zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ging es um die erstmalige Preisgabe unbekannter Rauschgiftlieferanten, die nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die Gefahr für den Beschwerdeführer beinhaltete, zumindest mittelbare Ansatzpunkte für eine Strafverfolgung wegen von ihm begangener weiterer, nicht abgeurteilter Betäubungsmitteldelikte zu liefern. Im vorliegenden Fall war der Lieferant des Zeugen H. I. aufgrund seiner eigenen Angaben jedenfalls seit dem Jahre 2002 bekannt. Sollte seine erneute Benennung als Rauschgiftlieferanten durch den Zeugen in der Hauptverhandlung den Angeklagten dazu veranlassen, möglicherweise den Zeugen über die bereits bekannten Taten hinausgehend zu belasten, so ist dies vom Schutzzweck der verfassungsrechtlich verbürgten Selbstbelastungsfreiheit nicht umfasst (BVerfG NJW 2003, 3045, 3046).
Die Gefahr der Strafverfolgung wegen eines Aussagedeliktes hat das Landgericht nicht konkretisiert.
c) Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer zu einer anderen Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gelangt wäre, wenn sie den Zeugen H. I. in der Hauptverhandlung vernommen hätte, weil sie selbst die fehlende Gewinnung eines persönlichen Eindrucks und die fehlende Möglichkeit von Fragestellungen zur Begründung ihrer Zweifel anführt.
Schon aufgrund der Verfahrensrüge muss das Urteil aufgehoben werden. ...." (BGH, Beschluss vom 19.12.2006 - 1 StR 326/06)
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?... Die einzige erhobene Verfahrensrüge, ausdrücklich als Aufklärungsrüge aus § 244 Abs. 2 StPO bezeichnet, ist als solche nicht in zulässiger Weise (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) erhoben, da weder ein bestimmtes Beweisergebnis noch die zu nutzenden Beweismittel benannt werden. Mit der Behauptung, dass das Landgericht ?zu anderen, eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten bejahenden Ergebnissen gelangt wäre', wird eine konkrete Beweistatsache nicht angeführt. Die Bezeichnung des vermissten Verfahrensvorgehens beschränkt sich auf etwa unterbliebene ?Nachfragen' und ?Vorhalte' an den gehörten Sachverständigen G. . Indes kann die Aufklärungsrüge nicht darauf gestützt werden, dass ein Beweismittel nicht ausgeschöpft worden sei, insbesondere bestimmte Fragen nicht gestellt oder bestimmte Vorhalte nicht gemacht worden seien (Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 244 Rdn. 82 m. N. d. Rspr.).
b) Auch eine andere Interpretation der Verfahrensrüge führt nicht zu deren Erfolg. Während eine Rüge aus § 261 StPO nicht ausdrücklich erhoben ist, mag der angebrachten Verfahrensrüge eine entsprechende Intention entnommen werden, weil eine vermeintliche Divergenz zwischen den im Urteil mitgeteilten Bekundungen des Sachverständigen G. einerseits und dessen Ausführungen in seinem vorbereitenden schriftlichen Gutachten andererseits aufgegriffen werden und daran die Folgerung geknüpft wird, damit ?hätte sich die Kammer näher befassen müssen'. Indes ist die Beanstandung, selbst wenn man sie etwa als alternative Rüge der Verletzung von § 244 Abs. 2 StPO oder von § 261 StPO - eine Rüge, die ohnehin nur in Ausnahmefällen statthaft ist (vgl. BGHSt 43, 212, 215; BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 36, 37; Schäfer StV 1995, 147, 154 ff.), verstehen würde - zumindest unbegründet. Es bestand eine unterschiedliche Ausgangslage für die Abfassung des vorbereitenden schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen G. einerseits und für die Erstattung von dessen Gutachten in der Hauptverhandlung andererseits. So hatte das Landgericht durch Beschluss vom 27. September 2004 den Sachverständigen (lediglich) mit der Beantwortung der Frage beauftragt, ob die vom Angeklagten ?vorgeschlagene Strahlenbehandlung und deren Durchführung für den Tod der Patientin Sm. ursächlich war und ob die Patientin bei einer anderen Strahlenbehandlung in geringerer Dosierung bzw. anderer Anwendung länger als bis zum 13. April 1999 - ihrem Todestag - gelebt hätte'. Die relevanten Angaben des Sachverständigen in seinem in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten gehen darüber insoweit hinaus, als der zur Zeit der Behandlung der Patientin aktuelle Stand der strahlenmedizinischen Wissenschaft und Praxis dargestellt worden ist. Zudem lagen dem schriftlichen Gutachten nicht die ?Original-Patientenakte', die erst während der Hauptverhandlung eingeführt wurde, und die schriftliche (ergänzende) Einlassung des Angeklagten hierzu zugrunde. Schon diese Umstände können die etwaigen Differenzen zwischen dem schriftlichen und dem mündlich erstatteten Gutachten möglicherweise erklären. ..." (BGH, Urteil vom 13.12.2006 - 5 StR 211/06)
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?... 1. Die - jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des § 244 Abs. 2 StPO - zulässige Verfahrensrüge, die sich gegen die Ablehnung eines Antrags auf Einholung eines psychologischen Gutachtens über die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin wendet, ist unbegründet. Dem Landgericht musste sich eine solche Begutachtung der als Zeugin vernommenen, zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 20 Jahre alten Nebenklägerin nicht aufdrängen; sie lag nicht einmal nahe.
Die Würdigung von Zeugenaussagen und die Beurteilung ihrer Glaubhaftigkeit ist Aufgabe des Gerichts. Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass Berufsrichter über diejenige Sachkunde bei der Anwendung aussagepsychologischer Glaubwürdigkeitskriterien verfügen, die für die Beurteilung von Aussagen auch bei schwieriger Beweislage erforderlich ist, und dass sie beteiligten Laienrichtern diese Sachkunde jeweils vermitteln können. Ausnahmen können sich ergeben, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Erinnerungsfähigkeit einer Beweisperson aus besonderen, psychodiagnostisch erfassbaren Gründen eingeschränkt ist oder dass besondere psychische Dispositionen oder Belastungen - die auch im verfahrensgegenständlichen Geschehen selbst ihre Ursache haben können - die Zuverlässigkeit der Aussage in Frage stellen könnten, und dass für die Feststellung solcher Faktoren und ihrer möglichen Einflüsse auf den Aussageinhalt eine besondere, wissenschaftlich fundierte Sachkunde erforderlich ist, über welche der Tatrichter im konkreten Fall nicht verfügt (vgl. BGH NStZ 2001, 105). Ob ein solcher Fall vorliegt, unterliegt der richterlichen Beurteilung im Rahmen der Aufklärungspflicht. Besonderheiten im genannten Sinn sind nicht schon allein deshalb anzunehmen, weil Gegenstand der Aussage eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist oder weil eine Beweisperson zur Zeit des geschilderten Vorfalls in kindlichem oder jugendlichem Alter war oder dies zum Zeitpunkt ihrer Aussage ist. Die mit Jugendschutzsachen befassten Spruchkörper verfügen regelmäßig über besondere Sachkunde auch zur Beurteilung der Aussagen kindlicher Zeugen (vgl. BGH, Urt. vom 11. August 1998 - 1 StR 338/98, insoweit in NStZ 1999, 297 nicht abgedruckt; BGH, Urt. vom 27. Januar 2005 - 3 StR 431/04, NStZ 2005, 394 m.w.N.).
Vorliegend zeigt die Revision Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall nicht auf; solche sind auch sonst nicht ersichtlich. Soweit die Revision einzelne Unklarheiten oder Widersprüche in der vom Landgericht wiedergegebenen Aussage der Nebenklägerin hervorhebt, gehen die sich hieraus ergebenden Anforderungen an die Beweiswürdigung ersichtlich nicht über das Maß hinaus, welches vom Tatrichter regelmäßig verlangt wird. Auch aus den von der Revision angesprochenen konstellativen Faktoren ergibt sich nicht, warum die Sachkunde der Jugendschutzkammer hier nicht hätte ausreichen sollen. Das Landgericht hat den Antrag daher zu Recht mit dem Hinweis auf die eigene Sachkunde zurückgewiesen. ..." (BGH, Urteil vom 26.04.2006 - 2 StR 445/05)
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?... Jedenfalls zwei der vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen sind begründet.
a) Zutreffend rügt die Revision, dass das Landgericht einen Antrag der Verteidigung, den rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. B. nochmals ergänzend zu vernehmen, zu Unrecht abgelehnt hat.
aa) Der Sachverständige, der die Sektion der Leiche des getöteten Ali K. vorgenommen hatte, hatte bei seiner Vernehmung ausgesagt, der Tod sei infolge eines Schusses eingetreten, der das Tatopfer von hinten getroffen und eine Hauptschlagader eröffnet hatte. Nach diesem Treffer sei Ali K. angesichts des sofortigen massiven Blutverlusts allenfalls noch sechs bis zehn Sekunden bei Bewusstsein und handlungsfähig gewesen und habe allenfalls noch eine Strecke von zehn Metern laufen können.
Zu einem späteren Zeitpunkt in der Hauptverhandlung wurde der Sachverständige Dr. Sch. vernommen; dieser sagte aus, Blutspuren des Getöteten seien in einer Entfernung von 20 bis 25 Metern von dem Ort aufgefunden worden, an dem K. sich nach den Feststellungen zum Zeitpunkt der Schussabgabe durch den Angeklagten befand. Zeugen hatten darüber hinaus unterschiedliche Abläufe dargestellt, aus denen sich nach Auffassung der Verteidigung ein Laufweg von Ali K. nach der Schussabgabe durch den Angeklagten von ca. 40 Metern ergab. Mit ihrem Antrag beantragte die Verteidigung, den Sachverständigen Prof. Dr. B. im Hinblick auf die vom Sachverständigen Dr. Sch. dargelegten neuen Tatsachen nochmals zu vernehmen. Der Antrag führte aus, das ergänzende Gutachten werde ergeben, dass Ali K. nach dem zur Aufreißung der Brustarterie führenden tödlichen Treffer weder in der Lage gewesen sei, noch einmal aufzustehen, noch dazu, die genannte Strecke zurückzulegen.
Das Landgericht hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, der Sachverständige sei zu dem Beweisthema bereits vernommen worden; es sei nicht zu erwarten, dass eine ergänzende Befragung zu neuen Erkenntnissen führen werde. In den Urteilsgründen hat es ausgeführt, tödlich sei der zweite vom Angeklagten abgegebene Schuss gewesen; dieser habe Ali K. bei einer Ausweichbewegung von hinten getroffen. Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B. stehe den Feststellungen zum Tatablauf nicht entgegen. Seine Ansicht, Ali K. habe nach dem tödlichen Treffer nicht mehr weiter als 10 Meter laufen können, sei ?nicht absolut zu sehen', denn Haltung und körperliche Bewegung des Tatopfers seien nicht rekonstruierbar. Die Schlagader sei möglicherweise erst durch die Laufbewegung weiter aufgerissen; überdies sei Ali K. ein durchtrainierter Sportler gewesen. Der tödliche Schuss könne das Tatopfer nach dem Ergebnis des rechtsmedizinischen Gutachtens nicht erst beim Laufen getroffen haben (UA S. 42, 43).
bb) Mit der zitierten Begründung durfte der Antrag der Verteidigung nicht abgewiesen werden. Dabei kann dahinstehen, ob im Hinblick auf die durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch. eingeführten neuen Anknüpfungstatsachen ein Beweisantrag vorlag, der nur aus den Gründen des § 244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 StPO hätte abgelehnt werden können. Jedenfalls gebot hier die Aufklärungspflicht, deren Verletzung die Revision hilfsweise rügt, die Erhebung des Beweises. Bei den durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch. eingeführten Tatsachen handelte es sich um wesentliche neue Anknüpfungstatsachen, zu denen der Sachverständige Prof. Dr. B. noch nicht gehört worden war. Dem steht nicht entgegen, dass er bereits allgemein zu dem Beweisthema befragt worden war.
Soweit das Landgericht den Widerspruch zwischen den Ergebnissen beider Gutachten dahin gehend relativiert hat, der Befund des Sachverständigen Prof. Dr. B. sei ?nicht absolut' zu sehen, der Sachverständige könne sich bei seiner Bewertung somit auch geirrt haben, weil für die Beurteilung relevante Tatsachen wie Körperhaltung und Blutdruck nicht rekonstruierbar seien, schöpft dies die Beweisbehauptung des Antrags nicht aus. Die Begründung übersieht auch, dass der Sachverständige die Obduktion des Tatopfers selbst vorgenommen hatte. Die Lage der Verletzungen und der Verlauf der Schusskanäle sowie die hieraus möglichen Rückschlüsse auf die Körperhaltung des Opfers und die Position des Schützen bei der Schussabgabe waren ihm daher ebenso bekannt wie der Umstand, dass es sich bei dem Tatopfer um einen sportlich durchtrainierten jungen Mann handelte. Soweit das Landgericht erwogen hat, die von dem Schuss getroffene Schlagader könne erst infolge der Laufbewegung des Tatopfers ?weiter aufgerissen' sein, setzte die Ablehnung der Beweiserhebung mit dieser Begründung voraus, dass eine solche nachträgliche Erweiterung der Verletzung für den obduzierenden Sachverständigen nicht erkennbar gewesen wäre. Es ist nicht ersichtlich, auf Grund welcher Sachkunde das Landgericht mit der erforderlichen Sicherheit zu dieser Annahme gelangen konnte.
Auch angesichts der sonstigen Beweislage, insbesondere der Unzuverlässigkeit der miteinander vielfach unvereinbaren Aussagen von Zeugen, die überwiegend einem der beiden ?Lager' zuzuordnen waren, und des Mangels an objektivierbaren Beweisergebnissen, hätte sich dem Tatrichter aufdrängen müssen, den beantragten Beweis zu erheben, zumal eine ergänzende Befragung des Sachverständigen unschwer möglich gewesen wäre.
Ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler kann nicht ausgeschlossen werden. Hätte der Sachverständige bei Vorhalt der Ergebnisse des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Sch. mit überzeugender oder nicht widerlegbarer Begründung an der Beurteilung festgehalten, das Tatopfer habe nach dem tödlichen Schuss keinesfalls noch weiter als 10 Meter laufen können, so wäre hiermit, da das Landgericht auch das Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch. für überzeugend gehalten hat, jedenfalls der vom Landgericht festgestellte Tatablauf nicht vereinbar. ..." (BGH, Urteil vom 22.03.2006 - 2 StR 585/05).
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?... Zwar kann sich die Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO auch aus Hinweisen in den Akten ergeben (BGH NStZ 1985, 324, 325), sodass die Aufklärungsrüge dem Revisionsgericht gleichsam den Blick in die Akten eröffnet. Andererseits verspricht die Aufklärungsrüge dann keinen Erfolg, wenn ihre Prüfung eine Wertung des Inhalts der Beweisaufnahme erfordert (Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 244 Rdn. 352 m.w.N.).
Ein nach den Urteilsfeststellungen in der Hauptverhandlung nicht aufgeklärter Widerspruch hinsichtlich der Angaben der Nebenklägerin M. zur Tatzeit zwischen den Urteilsfeststellungen und dem Akteninhalt ist hier nicht ersichtlich. Die Revision missversteht das Urteil. Daraus ist allein zu entnehmen, dass die Nebenklägerin M. jedenfalls in der Hauptverhandlung unzweifelhaft und für den Tatrichter überzeugend erklärt hat, die Tat habe nicht im Jahre 1987 sondern 1988 stattgefunden, und zwar an einem Sonnabend, wobei sie am folgenden Wochenende erfahren habe, dass der Angeklagte in Haft sei (UA S. 22 f.), und die festgestellten Hafturlaube nur mit einer Tatzeit im Oktober oder Dezember 1988 korrespondierten. Im Übrigen ist die Urteilspassage, auf die sich die Revision vor allem bezieht (?von einer Tatzeit 1987 sprach diese aber nie' [UA S. 22]), vom vorhergehenden Absatz über die zeitliche Einordnung der Taten seitens des ermittelnden Polizeibeamten abgesetzt. Die Kammer hat ferner die ?Abweichungen während der verschiedenen Aussagen der Geschädigten M. hinsichtlich der genauen Tatzeiten' erkannt und gewürdigt (UA S. 25).
Hinsichtlich der Rüge, es hätte eine Verlesung nach § 253 Abs. 2 StPO erfolgen müssen, ist somit bereits nicht dargetan, dass die Nebenklägerin M. bekundet hat, bei der Aufnahme des Protokolls nicht tatsächlich das im Protokoll Festgehaltene ausgesagt zu haben (BGH NStZ 2002, 46, 47). Die Auseinandersetzung mit Abweichungen bei den Aussagen und das Eingehen auf das gedankliche In-Beziehung-Setzen mit der Vergewaltigung an B. S. seitens der Kammer legt vielmehr nahe, dass der Nebenklägerin M. ihre der Anklageschrift zugrunde liegende polizeiliche Aussage vorgehalten worden ist, sie diese als ihre Aussage anerkannt hat, sich jedoch insbesondere aufgrund der sicheren Erinnerung, dass die Tat während des Hafturlaubs geschah, davon inhaltlich distanziert hat. Sie hat sich (in der Hauptverhandlung) ?nie davon abbringen' lassen, ?dass die Tat 1988 erfolgte, auch wenn die Anklageschrift von 1987 ausging' (UA S. 23).
Auch im Übrigen haben sich keine weiteren Beweiserhebungen aufgedrängt, da das Beweisergebnis zu den Tatzeiten - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat - hinreichend gesichert ist (vgl. dazu BGH StV 1996, 249). Gerade die spontane Erinnerung der Nebenklägerin M. in der Hauptverhandlung daran, dass sie an dem auf die Vergewaltigung folgenden Wochenende vom Bruder des Angeklagten erfahren habe, dass dieser in Haft sei, weil ihn eine andere Frau der Vergewaltigung bezichtigt habe (UA S. 22 f.), stützt das Ergebnis in besonderer Weise. Diese Aussage hat sich zur Überzeugung des Gerichts zusammen mit anderen Beweisanzeichen zu einem in sich geschlossenen Bild gefügt. Dabei ist zusätzlich ein Brief des Angeklagten an die Nebenklägerin vom 27. Dezember 1988 von erheblicher Bedeutung, in dem er diese auf ?blaue Flecken' anspricht, was die Nebenklägerin M. stets als auf die Vergewaltigungstat bezogen verstanden hat.
Soweit die Revision weiterhin behauptet, dass die Taten bereits deshalb nicht Ende 1988 hätten stattgefunden haben können, weil die Nebenklägerinnen K. und M. dann wegen des vorausgegangenen Strafverfahrens misstrauisch gewesen wären, nimmt sie eine eigene Beweiswürdigung vor. Außerdem hat die Nebenklägerin M. ausgesagt, sie habe erst nach der Tat erfahren, dass sich der Angeklagte wegen Vergewaltigung in Haft befinde (UA S. 23). ..." (BGH, Beschluss vom 17.03.2006 - 1 StR 577/05)
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Wird die Aufklärungsrüge darauf gestützt, dass sich dem Gericht eine Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, so erfordert § 344 II 2 StPO die Darlegung der Umstände und Vorgänge, die für die Beurteilung dieser Frage bedeutsam sein könnten. Wird der Aufklärungsmangel aus dem Inhalt früherer, im Ermittlungsverfahren erfolgter Zeugenvernehmungen hergeleitet, so bedarf es daher regelmäßig deren (vollständiger) inhaltlicher Wiedergabe (BGH, Urteil vom 11. 9. 2003 - 4 StR 139/03, NStZ 2004, 690 f):
1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat in Bezug auf die Verurteilung wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und den Maßregelausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angekl. ergeben. Auch der Schuldspruch wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Vergewaltigung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Der Erörterung bedarf insoweit - angesichts des Teilaufhebungsantrags des GBA - nur die zu § 244 II StPO erhobene Verfahrensrüge, mit der der Bf. die Verletzung der Aufklärungspflicht durch Ablehnung der Vernehmung der Zeugen Rolf, Regina und Roland S sowie Johanna A geltend macht.
a) Die Verteidigung hat in der Hauptverhandlung die Vernehmung der vorgenannten Zeugen ?zum Verhalten des Angekl. am 7. 4. 2002' (nach der Tat) und ?zum Verhältnis der Eheleute T' (bei der Geschädigten handelt es sich um die Ehefrau des Angekl.) beantragt. Zur Begründung hat sie im wesentlichen ausgeführt, der Angekl. habe dem Zeugen Rolf S noch am Tattag, den übrigen Zeugen ?kurz danach' von dem Vorfall vom 7. 4. 2002 berichtet. Alle 4 Zeugen seien ?dem Angekl. seit Jahren aufs Engste verbunden' und könnten auch genaue Angaben über das Verhältnis des Angekl. zu seiner Ehefrau und über ein ?mögliches Motiv für eine Falschbeschuldigung' durch diese machen.
Die StrK hat den Antrag durch Beschluss mit der Begründung abgelehnt, mangels bestimmt behaupteter Beweistatsachen liege nur ein Beweisermittlungsantrag vor. Die Vernehmung der angebotenen Zeugen dränge sich im Übrigen bei verständiger Würdigung der Sachlage weder auf noch liege sie nahe.
Der Bf. sieht hierin einen Verstoß gegen § 244 II StPO. Die beantragte Beweiserhebung habe sich dem Gericht aufdrängen müssen, da - wie die Revision durch die Wiedergabe von Ausschnitten aus polizeilichen Vernehmungsprotokollen zu belegen versucht - bei den Angaben der Zeugen, denen die Geschädigte ihrerseits von dem Tatgeschehen berichtet habe, Widersprüchlichkeiten aufgetreten seien. Die Einvernahme der benannten Zeugen hätte demgegenüber ergeben, dass der Angekl. diesen den Tathergang wie bei seiner polizeilichen Vernehmung und in der Hauptverhandlung geschildert habe.
b) Der Rüge bleibt der Erfolg versagt.
aa) Es erscheint bereits zweifelhaft, ob sie den Voraussetzungen des § 344 II 2 StPO genügt, da die polizeilichen Vernehmungsprotokolle, auf Grund derer der StrK sich die beantragte Beweiserhebung nach Auffassung der Revision hätte aufdrängen müssen, in der Begründungsschrift nicht vollständig, sondern nur in Ausschnitten wiedergegeben werden. Nach dieser Bestimmung sind nämlich die die Rüge begründenden Tatsachen so genau und vollständig anzugeben, dass das RevGer. allein auf ihrer Grundlage prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (st.Rspr.; vgl. BGHR StPO § 344 II 2 Aufklärungsrüge 7, 8 mwN). Dies erfordert bei einer Aufklärungsrüge auch die Darlegung der Umstände und Vorgänge, die für die Beurteilung der Frage, ob sich dem Gericht die vermisste Beweiserhebung aufdrängen musste, bedeutsam sein konnten (vgl. BGHR StPO § 344 II 2 Aufklärungsrüge 3, 6 mwN). Wird - wie hier - der Aufklärungsmangel aus dem Inhalt früherer, im Ermittlungsverfahren erfolgter Zeugenvernehmungen hergeleitet, so bedarf es daher regelmäßig deren (vollständiger) inhaltlicher Wiedergabe (vgl. auch BGHR StPO § 344 II 2 Aufklärungsrüge 6).
bb) Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Das LG hat den gestellten Antrag zu Recht als Beweisermittlungsantrag gewertet, da ihm eine bestimmte Beweisbehauptung nicht entnommen werden kann. Es war - entgegen der Auffassung des GBA - auch nicht auf Grund der ihm nach § 244 II StPO obliegenden Aufklärungspflicht gehalten, die beantragten Beweiserhebungen vorzunehmen. Der bloße Umstand, dass der die Vergewaltigung bestreitende Angekl. nach der Tat Dritten den ?Vorfall' geschildert hat, musste hier das Gericht nicht bereits zu deren Vernehmung drängen. Denn auch wenn man unterstellt, dass der Angekl. diesen gegenüber von einer Vergewaltigung nichts berichtet oder eine solche in Abrede gestellt hat, hätte das LG nach Sachlage dem keinen höheren Beweiswert zumessen müssen, als seinem diesbezüglichen Bestreiten im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung selbst. Soweit die benannten Zeugen Angaben über ein ?mögliches Motiv für eine Falschbeschuldigung' hätten tätigen sollen, musste sich mangels jeglicher konkreter Tatsachenangabe dem LG eine entsprechende Beweiserhebung schon deshalb nicht aufdrängen, da es sich bei der Motivation zu einem Handeln oder Unterlassen um einen Vorgang im Inneren eines anderen Menschen handelt, der grundsätzlich nicht tauglicher Gegenstand des Zeugenbeweises sein kann (vgl. hierzu Meyer-Goßner 46. Aufl., vor § 48 Rn 2). Schließlich war die beantragte Vernehmung auch nicht aus Gründen der ?Waffengleichheit' geboten. Soweit das LG Zeugen vernommen hat, denen die Geschädigte von der Tat berichtet hat, geschah dies ersichtlich zur Beurteilung der - vom LG rechtsfehlerfrei bejahten - Glaubwürdigkeit der Zeugin. Dies führt jedoch nicht bereits i.S. eines Automatismus dazu, dass aus Gründen der Amtsaufklärung nunmehr auch all die Personen zu vernehmen sind, denen der Angekl. seinerseits den Tathergang geschildert hat. ..."
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Die Aufklärungspflicht ist auch verletzt, wenn bei verständiger Würdigung der Sachlage durch den abwägenden Richter die Verwendung einer Aufklärungsmöglichkeit den Schuldvorwurf möglicherweise in Frage gestellt hätte (BGH, Beschluss vom 24.11.2004 - 5 StR 480/04).
Grundsätzlich kann die Aufklärungsrüge nicht darauf gestützt werden, ein benutztes Beweismittel sei nicht ausgeschöpft worden. Anders ist die Sachlage nur dann, wenn sich das Aufklärungsdefizit aus den Urteilsgründen selbst ergibt. Beweismittel ist auch die Aussage eines (Mit-)Angeklagten. In einem Fall, in dem im wesentlichen Aussage gegen Aussage steht, erfordert die deshalb gesteigerte Aufklärungs- und Darlegungspflicht, dass das Gericht sämtliche Umstände, die die Entscheidung zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten zu beeinflussen geeignet sind, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Deshalb muß, wenn der Mitangeklagte ?Tatzeuge' des dem Angeklagten vorgeworfenen Sachverhalts war, die Vernehmung des Mitangeklagten zu diesem Sachverhalt und die Darlegung und Würdigung von dessen Aussage in den Urteilsgründen erfolgen. Fehlt es daran, kann dies sowohl die Aufklärungsrüge als auch die allgemeine Sachrüge begründen (BGH StV 2003, 660 f).
Ein Gericht kommt seiner Pflicht zur umfassenden Sachaufklärung regelmäßig nicht ausreichend nach, wenn es zum Nachweis einer vom Anklagten bestrittenen Tat ein sachnäheres Beweismittel nicht heranzieht, obwohl es erreichbar ist. Nur dann, wenn ein Zeuge für seine unmittelbare Vernehmung nicht zur Verfügung steht, ist es unter dem Gesichtspunkt der Amtsaufklärungspflicht unbedenklich, allein das sachfernere Beweismittel zu benutzen (BGH StV 2003, 487 f).
Im Fall eines als ungenügend erachteten Gutachtens kann der Richter zwar aufgrund des ihm in § 83 Abs. 1 StPO eingeräumten Ermessens eine neue Begutachtung anordnen. Eine Pflicht hierzu besteht hingegen nur, wenn dies die Aufklärungspflicht gebietet oder die Voraussetzungen des § 244 IV 2 2. Halbsatz StPO vorliegen. Wird die fehlende Sachkunde des Sachverständigen geltend gemacht, kann ein revisibler Verfahrensfehler nur in einer Verletzung von § 244 II oder § 244 IV StPO liegen (BGH StV 2003, 430).
Bei der Prüfung, ob die Aufklärungspflicht die Ladung eines benannten Zeugen im Ausland gebietet, sind neben dem Gewicht der Strafsache die Bedeutung und der Beweiswert des weiteren Beweismittels vor dem Hintergrund des Ergebnisses der bisherigen Beweisaufnahme einerseits und der zeitliche und organisatorische Aufwand der Ladung und Vernehmung mit den damit verbundenen Nachteilen durch die Verzögerung des Verfahrens andererseits unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit abzuwägen (BGH NJW 2002, 2403 zu § 244 V StPO).
Der Tatrichter kann seine Aufklärungspflicht dadurch verletzen, dass von der persönlichen Vernehmung der einzigen Tatzeugin abgesehen wird, auch wenn diese im Hinblick auf Einschränkungen der Verhandlungs- und Vernehmungsfähigkeit der Zeugin besondere Schwierigkeiten aufgeworfen hätte (BGH StV 2002, 635 ff).
Hält der Tatrichter zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben eines Zeugen die Zuziehung eines Sachverständigen für geboten, wird er sich der Hilfe eines Psychologen bedienen, wenn ?normalpsychologische' Wahrnehmungs-, Gedächtnis- und Denkprozesse in Rede stehen. Das gilt auch für den Fall intellektueller Minderleistung eines Zeugen. Der besonderen Sachkunde eines Psychiaters bedarf es allenfalls dann, wenn die Zeugentüchtigkeit dadurch in Frage gestellt ist, daß der Zeuge an einer geistigen Erkrankung leidet oder sonst Hinweise darauf vorliegen, daß die Zeugentüchtigkeit durch aktuelle psychopathologische Ursachen beeinträchtigt sein kann (BGH StV 2002, 293 f).
Begnügt sich das Tatgericht mit der Sperrerklärung einer unzuständigen Behörde für die Mitarbeiterin des Sozialdienstes und nimmt sie deren Nichterscheinen in der Hauptverhandlung hin, obwohl es sich im Hinblick auf die Beweislage um eine wichtige Zeugin handelte, ist die Aufklärungspflicht verletzt (BGH StV 2001, 349 f).
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Eine Verfahrensrüge ist nur dann in zulässiger Weise erhoben, wenn - neben der Benennung einer bestimmten Beweistatsache und eines bestimmten Beweismittels - diejenigen Umstände und Vorgänge dargelegt werden, die für die Beurteilung der Frage, ob sich dem Gericht die vermißte Beweiserhebung aufdrängen mußte, bedeutsam sein konnten. Das bedeutet für den Fall der vermißten Anhörung eines etwaigen Zeugen, daß zumindest mitgeteilt werden muß, ob und in welcher prozessualen Rolle (als Beschuldigter oder als Zeuge) die Auskunftsperson bereits vernommen worden ist und welche Aussagen dabei gemacht worden sind (BGH, Urteil vom 15.09.1998 - 5 StR 145/98, NStZ 1999, 45 f zu StPO §§ 244 II, 344 II 2):
?... Die Revision macht geltend, das LG habe die Aufklärungspflicht § 244 II StPO) verletzt, indem es die Ehefrau des Angekl. und Mutter der beiden geschädigten Mädchen nicht als Zeugin vernommen hat. Die Rüge ist nicht in der durch § 344 II 2 StPO vorgeschriebenen Form erhoben und daher unzulässig.
Nach der genannten Vorschrift ist eine Verfahrensrüge nur dann in zulässiger Weise erhoben, wenn ?die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben' sind. Diese Angaben haben mit Bestimmtheit und so genau und vollständig zu geschehen, daß das RevGer. allein auf Grund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen zutreffen. Eine Aufklärungsrüge ist nur dann begründet, wenn der Tatrichter es unterlassen hat, eine bestimmte Beweistatsache unter Benutzung eines bestimmten Beweismittels aufzuklären, obwohl sich ihm die unterbliebene Beweiserhebung aufdrängen mußte (BGHR StPO § 344 II 2 Aufklärungsrüge 6 mwN). Eine bestimmte Beweistatsache und ein bestimmtes Beweismittel sind hier von der Revision benannt worden.
Außerdem ist jedoch für eine zulässige Aufklärungsrüge die Darlegung derjenigen Umstände und Vorgänge erforderlich, die für die Beurteilung der Frage, ob sich dem Gericht die vermißte Beweiserhebung aufdrängen mußte, bedeutsam sein konnten (BGHR StPO § 244 II Zeugenvernehmung 4; BGHR StPO § 344 II 2 Aufklärungsrüge 3, 6; LR- Gollwitzer 24. Aufl., § 244 Rn 345; KK- Hanack 24. Aufl., § 344 Rn 94; vgl. auch KK- Pikart 3. Aufl., § 344 Rn 52). Das bedeutet für den Fall der vermißten Anhörung eines etwaigen Zeugen, daß zumindest mitgeteilt werden muß, ob und in welcher prozessualen Rolle (als Beschuldigter oder als Zeuge) die Auskunftsperson bereits vernommen worden ist und welche Aussagen dabei gemacht worden sind (vgl. BGHR StPO § 344 II 2 Aufklärungsrüge 6 mwN). Die Ehefrau des Angekl. ist im vorliegenden Verfahren durch die Polizei als Beschuldigte vernommen worden und hat dabei zur Sache geschwiegen. Zumindest dies bedurfte des - unterbliebenen -Vortrags durch die Revision. Es kommt danach nicht darauf an, ob es auch der Mitteilung bedurfte, daß gegen die Ehefrau des Angekl. nach Abtrennung vom vorliegenden Verfahren ein gesondertes Verfahren geführt wurde und welchen Gang dieses Verfahren inzwischen genommen hat.
Etwas anderes ergibt sich nicht etwa daraus, daß das RevGer. bei zulässig erhobener Aufklärungsrüge die Kompetenz hat, an Hand des Akteninhalts zu untersuchen, ob der Tatrichter alle vorhandenen erheblichen Beweismittel herbeigeschafft und verwertet hat (BGHR StPO § 344 II 2 Aufklärungsrüge 6). ..."
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Die gerichtliche Aufklärungspflicht gebietet es nicht, die Ergebnisse eines vom Angeklagten ohne Wissen des Gerichts eingeholten, unter Einsatz eines Polygraphen (?Lügendetektor') erstellten Glaubwürdigkeitsgutachtens in das Strafverfahren einzuführen (BGH StV 1999, 4).
Je weniger gesichert ein Beweisergebnis erscheint, je gewichtiger die Unsicherheitsfaktoren sind, je mehr Widersprüche bei der Beweiserhebung zutage getreten sind, desto größer ist der Anlaß für das Gericht, trotz der erlangten Überzeugung weitere erkennbare Beweismöglichkeiten zu benutzen. Dies gilt in besonderem Maße in Fällen von Aussage gegen Aussage. Die Anforderungen, die an die Beweiswürdigung in derartigen Fällen zu stellen sind, gelten in vergleichbarer Weise auch für die Anforderungen, die in derartigen Fällen an den Umfang der Aufklärungspflicht zu stellen sind (BGH StV 1996, 249 f).
Die Gerichte sind im Rahmen ihrer Verpflichtungen zu fairer Verfahrensgestaltung gehalten, erkannte Mißverständnisse der Verteidigung (hier: Grundlage eines einen Beweisantrag zurückweisenden Beschlusses) durch entsprechende Hinweise auszuräumen (BGH NStZ 1994, 483).
Wird unter Beweis gestellt, daß der Hauptbelastungszeuge gegenüber der Polizei eine Vielzahl von belastenden Angaben gemacht habe, die nicht der Wahrheit entsprochen hätten, verstößt das Gericht gegen die richterliche Aufklärungspflicht, wenn es diese Behauptungen als wahr unterstellt und es unterläßt, durch Klärung von behaupteten Hilfstatsachen sich ein umfassendes Bild von der Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen zu machen (BGH StV 1990, 98).
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? ... Diese vom LG festgestellten Umstände deuten auf Triebanomalien beim Angekl. hin. Die StrK hätte sich deshalb die Frage stellen müssen, ob die Einsichtsfähigkeit des Angekl. oder - was hier näher liegt - sein Hemmungsvermögen als Folge krankhafter seelischer Störungen oder anderer seelischer Abartigkeiten ausgeschlossen (§ 20 StGB) oder erheblich vermindert waren (§ 21 StGB). Da nicht anzunehmen ist, daß der Tatrichter hinreichende eigene Sachkenntnisse zur Beantwortung dieser auf medizinischem und psychologischem Gebiet liegenden Fragen hat, drängte sich die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Sachverständigen auf. Das LG hat dadurch, daß es davon abgesehen hat, sich sachkundig zu machen, seine Pflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) verletzt, die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind (KK - Herdegen § 244 Rdnr. 32) ..." (BGH StV 1984, 507).
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Hat die Aussage eines in der Hauptverhandlung erscheinenden, aber grundlos die Aussage verweigernden Zeugen für die Überzeugungsbildung des Gerichts erhebliche Bedeutung, gebietet es die Aufklärungspflicht, Anstrengungen zu unternehmen, den Zeugen zu einer Sachaussage zu bringen (BGH StV 1983, 495).
Weichen die Bekundungen eines Zeugen in der Hauptverhandlung stark von denjenigen im Ermittlungsverfahren ab, so kann das Gericht seine Aufklärungspflicht dadurch verletzen, daß es unterläßt, dem Zeugen die abweichenden früheren Bekundungen zur Klärung der Widersprüche vorzuhalten. Darauf kann auch die Revision gestützt werden, wenn sich der Mangel des Vorhalts aus dem angefochtenen Urteil selbst ergibt (BGH, Urteil vom 03.07.1962 - 1 StR 157/62, NJW 1962, 1832).
*** (OLG)
Ungeachtet der gesetzlichen Regelungen über die Verständigung im Strafverfahren, insbesondere § 257c StPO, sind die Tatgerichte nicht berechtigt, einem auf einer Verständigung beruhenden Urteil einen Sachverhalt zugrunde zu legen, der nicht auf einer unter vollständiger Ausschöpfung des Beweismaterials gebildeten Überzeugung beruht. Ein im Rahmen einer Verständigung abgegebenes Geständnis des Angeklagten kann dessen Verurteilung jedenfalls dann nicht tragen, wenn sich dem Geständnis nicht einmal dessen Inhalt und Umfang nachvollziehbar entnehmen lässt (OLG Celle, Beschluss vom 09.11.2010 - 32 Ss 152/10 zu StPO §§ 257c, 244 Abs. 2, 261).
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Ob eine Tat Gegenstand eines bereits vollstreckten Haftbefehls hätte sein können mit der Folge, daß die dafür vollstreckte U-Haft-Zeit auf die Sechsmonatsfrist anzurechnen wäre, richtet sich danach, ob und wann hinsichtlich dieser Tat dringender Tatverdacht bestand, was voraussetzt, daß mit großer Wahrscheinlichkeit von der Täterschaft oder Beteiligung des Beschuldigten auszugehen ist. Dabei kommt es zur Erreichung des Normzwecks nicht darauf an, ob und wann die Staatsanwaltschaft den dringenden Tatverdacht bejaht hat. Entscheidend ist vielmehr der Zeitpunkt, an dem sie ihn hätte bejahen können. Zur Aufhebung eines Haftbefehls wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots (OLG Naumburg, Beschluss vom 02.12.2008 - 1 Ws 674/08 zu StPO §§ 121, 120 Abs. 1):
?... I. Der Angekl. befand sich zunächst aufgrund des von der StA Halle beantragten Haftbefehls des AG Halle (Saale) v. 20. 09. 2007 (303 Ls 270 Js 27620/07), der auf den dringenden Tatverdacht des Betruges in sieben Fällen und den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützt war, v. 08.10. bis 13. 11. 2007 in U-Haft. Zur Vollstreckung des Restes der Ersatzfreiheitsstrafe aus dem Strafbefehl des AG Halle-Saalkreis v. 29. 08. 2003 (350 Ds 601 Js 6333/03) wurde die U-Haft v. 14.11. bis 18. 12. 2007 unterbrochen. Seit dem 19. 12. 2007 befand sich der Angekl. mit Ausnahme des 18. 04. 2008, als ein Tag Erzwingungshaft vollstreckt worden ist, wiederum in jener Sache in U-Haft. Mit Urteil des AG Halle (Saale) v. 12. 06. 2008 wurde gegen ihn wegen Betruges in zwölf Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 J. verhängt und mit Beschl. vom selben Tag der Haftbefehl v. 20. 09. 2007 nach Maßgabe des Urteils aufrechterhalten. Bis zum Erlaß des Urteils hatte der Angekl. beinahe 7 M. U-Haft erlitten. Gegen das Urteil legte der Angekl. das Rechtsmittel der Berufung ein. Mit Beschl. v. 21. 10. 2008 hob die 9. StrK - BerufungsK - des LG Halle den Haftbefehl mit der Begründung auf, daß der Haftgrund der Fluchtgefahr in Wegfall geraten sei, da zum einen die Regelung des § 329 StPO den Fluchtanreiz mildere und zum anderen in anderer Sache gegen den Angekl. inzwischen Haftbefehl erlassen worden sei.
Die in der vorliegenden Sache mit Datum v. 14. 04. 2008 erhobene Anklage der StA Halle (Az.: 170 Js 22053/07), mit welchem dem Angekl. zwei Vergewaltigungen (Tatzeiten: 12.05. und 07.06. 2007) zur Last gelegt werden, hat die 4. gr. StrK des LG Halle nach Eingang der Akten am 26. 05. 2008 mit Beschl. v. 11. 09. 2008 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Der Beginn der Hauptverhandlung ist auf den 16. 01. 2009 bestimmt worden.
Der Angekl. befindet sich seit dem 22. 10. 2008 aufgrund des von der StA am 09. 10. 2008 beantragten und zunächst in Überhaft notierten Haftbefehls der 4. StrK des LG Halle v. 16. 10. 2008 (24 KLs - 170 Js 22053/07 - 8/08), der auf den dringenden Tatverdacht der Vergewaltigung (Tatzeit: 07. 06. 2007) und den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützt ist, in U-Haft.
Der gegen den Haftfehl v. 16. 10. 2008 gerichteten Beschwerde des Angekl. mit Schriftsatz seines Verteidigers v. 17. 11. 2008 hat die StrK nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die hier gem. §§ 121, 122 StPO vorzunehmende Haftprüfung führt zur Aufhebung des Haftbefehls des LG Halle v. 16. 10. 2008.
Das besondere Haftprüfungsverfahren hat Vorrang gegenüber der vom Angekl. eingelegten Haftbeschwerde (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 122, Rn. 18). Auch wenn die Akten dem Senat nicht zur Durchführung der Haftprüfung gem. §§ 121, 122 StPO vorgelegt worden sind, kann über die Haftfortdauer nach § 121 Abs. 1 StPO entschieden werden (Meyer-Goßner, a.a.O., Rn. 1).
Hier ist die Frist des § 121 StPO bereits verstrichen. Die Haftbefehle in den jew. bei der StA Halle geführten Verfahren 270 Js 27620/07 und 170 Js 22053/07 betreffen ?dieselbe Tat' i.S.d. § 121 StPO. Der von dem Tatbegriff des § 264 StPO oder des § 53 StGB abweichende Begriff ?dieselbe Tat' ist nach der in Rspr. und Lit. herrschenden Meinung so zu verstehen, daß ihr alle Straftaten des Besch. von dem Zeitpunkt an zuzurechnen sind, in dem sie angesichts des jew. zu bejahenden dringenden Tatverdachts gegen den Besch. ?bekannt' gewesen sind und daher, einen Haftgrund unterstellt, in einem Haftbefehl hätten aufgenommen werden können (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 121, Rn. 11 f.; OLG Stuttgart, StV 2008, 85 f. m.w.N.). Dies gilt unabhängig davon, ob die Straftaten Gegenstand desselben Verfahrens oder getrennter Verfahren sind. Dies folgt aus dem Normzweck des § 121 StPO, der sicherstellen soll, daß die Dauer der U-Haft aus verfassungsrechtlichen Gründen zeitlich begrenzt wird und die Strafverfolgungsorgane das oder die Strafverfahren beschleunigt betreiben. Dieses Ziel wird allein erreicht, wenn alle Taten, die Gegenstand eines Haftbefehls sein könnten, begrifflich unter § 121 StPO eingeordnet werden (vgl. OLG Zweibrücken, StV 1998, 556 [557]). Nur so kann der Umgehung des von § 121 Abs. 1 StPO gewährten Schutzes des Besch. durch die sog. ?Reservehaltung' von Tatvorwürfen entgegen getreten werden. Der spätere Erlaß eines zweiten Haftbefehls aufgrund der ?in Reserve gehaltenen' Tatvorwürfe hätte zumindest eine zeitliche Verschiebung, wenn nicht gar die vollständige Verhinderung - nämlich nach Erlaß eines auf Freiheitsentziehung lautenden Urteils in dem weiteren Verfahren - der an sich veranlaßten Haftprüfung durch das OLG zur Folge.
Ob eine Tat Gegenstand eines bereits vollstreckten Haftbefehls hätte sein können, richtet sich danach, ob und wann hinsichtlich dieser Tat dringender Tatverdacht bestand, was voraussetzt, daß mit großer Wahrscheinlichkeit von der Täterschaft oder Beteiligung des Besch. auszugehen ist. Dabei kommt es zur Erreichung des Normzwecks nicht darauf an, ob und wann die StA den dringenden Tatverdacht bejaht hat. Entscheidend ist vielmehr der Zeitpunkt, an dem sie ihn hätte bejahen können (vgl. OLG Zweibrücken a.a.O.).
Danach sind vorliegend die Voraussetzungen für die Entscheidung nach §§ 121, 122 StPO gegeben. Die Tat, die Gegenstand des Haftbefehls v. 16. 10. 2008 ist, soll der Angekl. vor Erlaß des Haftbefehls v. 20. 09. 2007 begangen haben. Diese Tat war bei Eingang der Akten am 06. 07. 2007 der StA Halle bis auf die Vernehmung des - damals - Besch. ausermittelt. Nach der Gewährung von Akteneinsicht für den Verteidiger des Besch. am 07. 08. 2007 und dem ergebnislosen Verstreichen der dem Besch. gesetzten Frist zur Einlassung v. 31. 08. 2007 fanden keine weiteren Ermittlungshandlungen statt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war der Tatvorwurf der Vergewaltigung am 07. 06. 2007 der StA im Sinne eines dringenden Tatverdachts bekannt. Aufgrund des bereits damals feststehenden Ermittlungsergebnisses hat die StA unter dem Datum des 14. 04. 2008 Anklage auch wegen der Tat v. 07. 06. 2007 erhoben und am 09. 10. 2008 Haftbefehl gegen den Angekl. beantragt. Die Tat v. 07. 06. 2007 hätte deshalb bereits in den am 20. 09. 2007 vom AG Halle (Saale) erlassenen Haftbefehl aufgenommen werden können.
Anstatt diesen Haftbefehl auch auf die Tat v. 07. 06. 2007 zu erstrecken, hat die StA - was an sich nicht zu beanstanden ist - zwei getrennten Verfahren geführt. Diese Verfahrensweise darf jedoch nicht dazu führen, daß die besondere Haftprüfung des § 121 StPO umgangen wird. Deshalb ist in die zu berechnende Sechs-Monats-Frist sowohl der Zeitraum des U-Haftvollzuges v. 08. 10. 2007 bis zu dem auf Freiheitsentziehung lautenden Urteil des AG Halle (Saale) v. 12. 06. 2008, wovon die Zeiten der Vollzugsunterbrechung v. 14.11. bis 18. 12. 2007 sowie am 18. 04. 2008 in Abzug zu bringen sind, als auch die Zeit des Vollzuges des zweiten Haftbefehls ab dem 22. 10. 2008 nach Aufhebung des ersten Haftbefehls einzurechnen. Nicht zu berücksichtigen ist dagegen die Zeit zwischen dem 12. 06. 2008 und dem 21. 10. 2008, in welcher der die abgeurteilten Taten betreffende Haftbefehl v. 20. 09. 2007 vollzogen worden ist, da dies hinsichtlich dieser Taten nach einem auf Freiheitsentziehung erkennendem Urteil geschah. Unter Abzug dieser Zeiten befindet sich der Angekl. bereits über 8 M. wegen ?derselben Tat' in U-Haft, ohne daß bisher eine Aktenvorlage bzw. eine Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO hinsichtlich der Tat v. 07. 06. 2007 stattgefunden hätte, die nunmehr veranlaßt ist.
Der weitere Vollzug der U-Haft ist unzulässig. Es liegen bereits die allg. Voraussetzungen der U-Haft nach § 112 StPO nicht vor.
Zwar besteht gegen den Angekl. aufgrund der in der Anklageschrift v. 14. 04. 2008 aufgeführten Beweismitteln dringender Tatverdacht bezüglich der allein den Gegenstand des Haftbefehls v. 16. 10. 2008 bildenden Tat v. 07. 06. 2007. Auch mag der dem Haftbefehl zugrunde gelegte Haftgrund der Fluchtgefahr mit der im vorliegenden Verfahren gegebenen Straferwartung unter weiterer Berücksichtigung des dem Angekl. drohenden Strafvollzuges in dem Verfahren 270 Js 27620/07 sowie infolge des zu erwartenden Bewährungswiderrufs bezüglich des Gesamtstrafenbeschl. des AG Blomberg v. 18. 06. 2006 (1 Ds 22 Js 633/05) gerechtfertigt sein.
Der angefochtene Haftbefehl ist jedoch aufzuheben, weil die Fortdauer der U-Haft wegen Verletzung des in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgebots unverhältnismäßig ist, § 120 Abs. 1 S. 1 StPO.
Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen umfaßt das gesamte Strafverfahren (BVerfG, Beschl. v. 22. 02. 2005 - 2 BVR 109/05 -; BVerfG, Beschl. v. 29. 12. 2005 - 2 BVR 2057/05 -). An den zügigen Fortgang des Verfahrens sind dabei umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger die U-Haft schon andauert (vgl. BGHSt 38, 43 [= StV 1991, 525]; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18. 08. 1982 - 1 Ws 607/82 -; Senat, Beschl. v. 07. 11. 2006 - 1 Ws 533/06 -). Dabei kann - je nach Sachlage - bereits eine vermeidbare Verfahrensverzögerung von rund 2 M. mit dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen unvereinbar sein (vgl. BVerfG a.a.O.; OLG Schleswig, Beschl. v. 02. 04. 1992 - 1 HEs 14/92 -; Hans. OLG Hamburg, Beschl. v. 07. 03. 1985 - 2 Ws 90/85 H -; OLG Köln, Beschl. v. 18. 08. 1992 - HEs 136/92 -; OLG Koblenz, Beschl. v. 28. 04. 2000, StV 2000, 515; Senat, Beschl. v. 19. 05. 2008 - 1 Ws 294/08 - m.w.N.).
So liegt es hier. Die StA hat nach der Inhaftierung des Angekl. erst unter dem Datum des 14. 04. 2008 Anklage erhoben, ohne daß für diese Verzögerung ebenso wie für den erst sechs Wochen späteren Eingang der Akten bei Gericht am 26. 05. 2008 ein sachlicher Grund erkennbar wäre. Auch der Eröffnungsbeschl. v. 11. 09. 2008 ist erst dreieinhalb Monate nach Eingang der Akten bei Gericht ergangen. Der Beginn der Hauptverhandlung ist erst für den 16. 01. 2009 und damit mehr als 4 M. nach Erlaß des Eröffnungsbeschl. anberaumt worden. Im Ergebnis ist hier ohne Belang, daß diese Terminierung laut den Ausführungen der Nichtabhilfeentscheidung - neben der Belastung der Kammer - in erster Linie der terminlichen Verhinderung des Verteidigers des Angekl. geschuldet ist. Vielmehr zwingt die in den Verantwortungsbereich der Justiz und nicht des Angekl. fallende insgesamt erhebliche Verfahrensverzögerung zur Aufhebung des angefochtenen Haftbefehls. ..."
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Stellt die Verteidigung sukzessiv immer neue Beweisanträge, nachdem das Gericht sein Beweisprogramm schon abgeschlossen hat, führen die durch die sachgerechte Bearbeitung der Anträge auftretenden, der Justiz grundsätzlich nicht zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen auch bei einer längeren Zeitdauer nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Untersuchtungshaft i.S.v. Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK (KG, Beschluss vom 06.10.2008 - 4 Ws 89/08):
?... Gegen den Bf. ist zurzeit das Hauptverfahren vor dem LG Berlin anhängig. Dem Verfahren liegen betreffend den Bf. zwei (verbundene) Anklagen der StA Berlin zugrunde. Der mit dem Anklagesatz v. 20. 10. 2006 (69 Js 250/05) hinsichtlich der Tatvorwürfe übereinstimmende Haftbefehl des AG Tiergarten v. 02. 08. 2005 (351 Gs 3183/05) legt dem Angekl. zur Last, von März bis Mai 2004 durch zwei selbstständige Handlungen mit BtM jew. in nicht geringer Menge (erster Fall = Fallakte 47: 100 Kilogramm Haschisch und drei Kilogramm Kokain; zweiter Fall: 100 Gramm Kokain) unerlaubt Handel getrieben zu haben und im ersten Fall zugleich vorsätzlich einen anderen zur unerlaubten Einfuhr von BtM in nicht geringer Menge bestimmt zu haben. Aufgrund dieses Haftbefehls befindet sich der Bf. seit dem 08. 09. 2006 in U-Haft. Mit der Anklageschrift v. 18. 09. 2006 (52 Js 389/04) wird dem Bf. vorgeworfen, am 02. 11. 2003 zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde (gefälschter griechischer Reisepaß) gebraucht und hierbei zugleich sich ohne Paß und Ausweisersatz im Bundesgebiet aufgehalten zu haben. Den insoweit erlassenen Haftbefehl v. 01. 07. 2004 (351 Gs 2596/04) hat der Senat durch Beschl. v. 29. 04. 2008 aufgehoben. Für beide Verfahren ist der Bf. am 08. 09. 2006 aus Portugal ausgeliefert worden; er hat sich dort seit dem 16. 08. 2006 in Auslieferungshaft befunden. Die Hauptverhandlung vor dem LG hat am 20. 02. 2007 begonnen, ein Urteil ist bisher nicht ergangen. Mit Beschl. v. 19. 11. 2007 hat das LG den Antrag des Bf. auf Aufhebung der beiden Haftbefehle zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat der Senat mit Beschl. v. 17. 12. 2007 verworfen. Auf erneuten Antrag des Angekl. auf Aufhebung der genannten Haftbefehle hat das LG mit Entscheidung v. 07. 03. 2008 beschlossen, daß die Haftverhältnisse fortdauern. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Angekl. hat der Senat durch Beschl. v. 29. 04. 2008 den Haftbefehl v. 01. 07. 2004 aufgehoben und im übrigen die Beschwerde verworfen. Den Antrag des Angekl. v. 04. 08. 2008, den Haftbefehl v. 02. 08. 2005 aufzuheben, hat das LG durch seinen Beschl. v. 15. 08. 2008 zurückgewiesen. Die Beschwerde des Angekl. hat keinen Erfolg. ...
2. Die Fortdauer der U-Haft ist auch weiterhin noch verhältnismäßig (§ 120 Abs. 1 S. 1 StPO).
Unter Zugrundelegung des bereits im Senatsbeschl. v. 29. 04. 2008, auf den angesichts des vergleichsweise geringen Zeitablaufs verwiesen wird (vgl. VerfGH, Beschl. v. 25. 04. 2008 - VerfGH 164/07, 164 A/07 -), im einzelnen dargelegten Maßstabes und der dortigen Ausführungen, die der verfassungsrechtlichen Überprüfung standgehalten haben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11. 06. 2008 - 2 BvR 1062/08 -) und aufgrund des insoweit ergänzenden, in der Sache aber unwesentlichen Antragsvorbringens nicht abzuändern sind (vgl. auch VerfGH, Beschl. v. 23. 12. 1992 - 38/92 -), gibt auch der weitere Fortgang des Verfahrens keinen Anlaß zu einer Änderung der Haftverhältnisse.
Die nach wie vor geringe Terminierungsdichte hat sachlich nachvollziehbare Gründe und ist der Justiz nicht anzulasten. Seit dem Senatsbeschl. fanden am 30.04., 05., 22., 28. und 30.05., 02.06., 18.07., 07., 15. und 21.08., 10., 16. und 30.09., 02. 10. 2008 Sitzungen statt, wobei an lediglich zwei Terminen länger als vier Stunden verhandelt wurde. Eine Verfestigung der vom Senat in seinem vorgenannten Beschl. festgestellten Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes und eine damit einhergehende Verletzung des Freiheitsgrundrechts des Angekl. gem. Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG ist jedoch aus folgenden zwei Gründen weiterhin nicht gegeben.
Zum einen erklärt sich die weitere Terminierung aus dem Verhalten der Verteidigung, seit August 2007, verstärkt ab dem 08. 10. 2007 - und wie weiterhin angekündigt - sukzessiv Beweisanträge zu stellen. Die StrK hat ihr eigenes Beweisprogramm schon seit langem abgeschlossen und ist in den weiteren Terminen, wie im einzelnen in dem Nichtabhilfebeschl. der Kammer v. 10. 09. 2008 dargestellt und bereits weitgehend im Senatsbeschl. v. 29. 04. 2008 behandelt, Beweisanträgen der Verteidigung nachgegangen. Daß sich in diesem weit fortgeschrittenen Verfahrensstadium aufgrund der von der Kammer anzustellenden Ermittlungen bzw. Verfügungen Verzögerungen ergeben können und eine straffe Terminierung im Gegensatz zum Beginn eines Verfahrens (vgl. KG, Beschl. v. 15. 03. 2007 - 2 Ws 166 - 167/07 -; OLG Hamm, StV 2006, 191 ff; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl., § 120 Rn. 3) nicht ohne weiteres mehr möglich ist, liegt auf der Hand und ist der Justiz bei wie hier sachgerechter Bearbeitung der Anträge nicht anzulasten (vgl. BGH NJW 2005, 2466 ff; Senat, Beschl. v. 27. 12. 2006 - 4 Ws 215/06 -; KG, Beschl. v. 25. 02. 2008 - (3) 1 HEs 9/08 (7/08); KG, Beschl. v. 04. 09. 2003 - 5 Ws 467/03 -; KG, Beschl. v. 29. 06. 1981 - (2) 1 HEs 40/91 (11/81) -; OLG Düsseldorf MDR 1987, 1048; LR-Hilger, StPO 26. Aufl., § 120 Rn. 16b, 34, 38; Meinen in Heghmann/Scheffler, Handbuch zum Strafverfahren, U-Haft, Rn. 226; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl., § 121 Rn. 21; KK-Boujong, StPO 5. Aufl., § 121 Rn. 16, 21; siehe auch die Hinweise des BVerfG, Beschl. v. 23. 01. 2008 - 2 BvR 2652/07 -, zu einem unlauteren, das Verfahren verzögernden Verhalten der Verteidigung, Rn. 56, sowie zum vorgeschlagenen Procedere einer Fristsetzung BGH a.a.O.). Vorliegend ergaben sich notwendigerweise längere Zeitabläufe bereits dadurch, daß für erkennende Richter nebst der Ergänzungsrichterin aus einem Parallelverfahren, zwei Staatsanwälte und einen Polizeibeamten Aussagegenehmigungen, zum Teil erst auf Gegenvorstellungen der StrK hin eingeholt und damit die Verwaltungsentscheidungen anderer Behörden abgewartet werden mußten. Neben Zeugenvernehmungen wurden vor allem die Vernehmungsprotokolle des Hauptbelastungszeugen weiter verlesen - die zu Beschleunigungszwecken vorzugswürdige Einführung im Selbstleseverfahren schied seinerzeit wegen des Mitangekl. G. aus - und weitere Urkunden verlesen. Die Zeugin A. wurde nach Eintritt der Rechtskraft ihres Freispruchs notwendigerweise nachvernommen, sie berief sich in der Hauptverhandlung - wie angekündigt - auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO. Die zunächst zum 28.05. beabsichtigte, infolge Erkrankung alsbald am 02. 06. 2008 nachgeholte Vernehmung der StAin B. erklärt sich aus ihrer vorherigen urlaubsbedingten Abwesenheit. Schließlich ist auch nichts dagegen zu erinnern, daß der Zeuge und Sachverständige M. erst am 21. 08. 2008 vernommen wurde. Zum einen ist sein Gutachten bereits am 30. 05. 2008 verlesen worden und zum anderen war auch dieser Zeuge für einen früheren Termin im August urlaubsbedingt entschuldigt. Die längere Unterbrechung der Hauptverhandlung v. 21.08. bis zum 10. 09. 2008 war bis Ende August den Urlauben der beiden Verteidiger des Angekl., danach dem einwöchigen Urlaub des Vors. (vgl. zum Urlaubsanspruch der Richter BVerfG, Beschl. v. 23. 01. 2008 - 2 BvR 2652/07 -; KG, Beschl. v. 15. 03. 2007 - 2 Ws 166 - 167/07 -) geschuldet.
Daß die Kammer den zügigen Fortgang des Verfahrens betreibt, wird auch daran erkennbar, daß das Verfahren gegen den Mitangekl. G. am 02. 06. 2008 abgetrennt und am 12. 06. 2008 mit seiner Verurteilung beendet werden konnte. Die lediglich noch bis zum 30. 10. 2008 fortgeschriebene Terminierung ist vor dem Hintergrund, daß die Kammer nahezu ausschließlich noch Beweisanträgen der Verteidigung nachgeht und ihr danach jederzeit eine rasche Verfahrensbeendigung möglich wäre, nachvollziehbar. Die weitere Terminierung - vorgesehen sind der 10., 22. und 30. 10. 2008 - genügt dem Beschleunigungsgrundsatz angesichts des Verfahrensstandes und dem noch teilweise offenen Beweisprogramm angesichts nur angekündigter Beweisanträge der Verteidigung und läßt keine absehbare Verfahrensverzögerung erkennen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05. 12. 2005 - 2 BvR 1964/05 -; VerfGH, Beschl. v. 25. 04. 2008 - VerfGH 164/07, 164 A/07 -).
Die zweite wesentliche, der Justiz nicht anzulastende Ursache für die nach wie vor geringe Terminierungsdichte liegt darin, daß sich der Angekl. am 04. 06. 2008 einer schweren Herzklappenoperation unterziehen mußte und das Verfahren durch die anschließende vorübergehende Verhandlungsunfähigkeit gem. § 229 Abs. 3 StPO v. 04.06. bis zum zunächst 07.07., verlängert bis zum 16. 07. 2008 notwendigerweise unterbrochen war (vgl. BVerfGE 36, 264, 274 f.; Senat, Beschl. v. 27. 12. 2006 - 4 Ws 215/06 -; KG, Beschl. v. 08. 02. 2005 - (5) 1 HEs 18/05 (8/05) -). Nach ärztlicher Auskunft war der Angekl. zunächst bis zum 21. 07. 2008 verhandlungsunfähig und erst nach nochmaliger Rücksprache mit dem behandelnden Arzt war eine maximal halb- und später zweistündige, tatsächlich 15-minütige Hauptverhandlung am 18. 07. 2008 und damit noch gerade rechtzeitige Fortsetzung des Verfahrens möglich. Für die weiteren Sitzungen wurde ärztlicherseits eine Verhandlungsfähigkeit von zwei bis drei Stunden bei planmäßigen Genesungsfortschritten attestiert. Die zurückhaltende Terminierung und jew. kurze Sitzungsdauer der StrK ist im August und bis Mitte September daher auch aus diesem Grunde gerechtfertigt. ..."
***
Die richterliche Aufklärungspflicht gebietet es, dem Sachverständigen Gelegenheit zu geben, sich mit neuen Anknüpfungstatsachen zu befassen, bevor das Gericht selbst wegen veränderter Tatsachengrundlagen von dem erstatteten Gutachten abweicht (OLG Zweibrücken StV 2000, 126).
Trotz des Einverständnisses der Verfahrensbeteiligten zur Verlesung polizeilicher Zeugenvernehmungen kann das Gericht verpflichtet sein, die Zeugen persönlich zu hören. Die Verpflichtung des Gerichts, den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären, besteht unabhängig von dem Prozeßverhalten der Beteiligten und erfährt durch die Möglichkeit des § 251 Abs. 2 StPO keine Einschränkung. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Aussage des Zeugen die entscheidende Bedeutung für die Verurteilung des Angeklagten zukommt (OLG Köln StV 1998, 585).
Stützt das Gericht die Verurteilung des Angeklagten auf die Aussage eines Mitangeklagten, verstößt es gegen seine Aufklärungspflicht, wenn es den Mitangeklagten nicht noch einmal als Zeugen vernimmt, nachdem dieser durch Abtrennung des Verfahrens aus dem Verfahren ausgeschieden ist (BayObLG StV 1989, 522 - str.).
Siehe auch unter ?Anknüpfungstatsachen", ?Beschleunigtes Verfahren - beschränkte Beweisaufnahme", ?Geheimhaltungsinteressen" und ?Vernehmung von Zeugen".
Aufklärung weiterer Straftaten und Haft
Siehe unter ?Untersuchungshaft über 6 Monate hinaus".
Aufruf zur Sache
Siehe unter ?Gang der Hauptverhandlung".
Aufschub der Vollstreckung bei erheblichen Nachteilen für den Verurteilten § 456 StPO
(1) Auf Antrag des Verurteilten kann die Vollstreckung aufgeschoben werden, sofern durch die sofortige Vollstreckung dem Verurteilten oder seiner Familie erhebliche, außerhalb des Strafzwecks liegende Nachteile erwachsen.
(2) Der Strafaufschub darf den Zeitraum von vier Monaten nicht übersteigen.
(3) Die Bewilligung kann an eine Sicherheitsleistung oder andere Bedingungen geknüpft werden.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Notwendigkeit, geschäftliche Angelegenheiten vor Beginn des Strafantritts zu ordnen, ohne die ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstehen würde, rechtfertigt es, dem Verurteilten einen Vollstreckungsaufschub von 3 Monaten zu bewilligen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.9.1999 - 2 Ws 227/99, StV 2000, 213 f).
Zu den Voraussetzungen eines vorübergehenden Vollstreckungsaufschubs, wenn der Gewerbebetrieb des Verurteilten ohne diesen nicht fortgeführt werden kann (OLG Frankfurt, Entscheidung vom 17.11.1988 - 3 Ws 1106/88, NStZ 1989, 93).
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Entstehen einem Verurteilten infolge einer einwöchigen Ladungsfrist zum Strafantritt unnötig viele Nachteile in der Abwicklung seiner Wirtschafts- und Lebensbeziehungen, ist ihm ein angemessener Vollstreckungsaufschub (hier: sechs Wochen) zu gewähren, um diese Nachteile abzuwenden (LG Itzehoe, Beschluss vom 23.11.1992 - 9 Qs 179/ 92 VII, StV 1993, 206).
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Wenn der Verurteilte durch sofortige Vollstreckung der Strafe eine arbeitsamtlich geförderte und schon weit fortgeschrittene Umschulungsmaßnahme nicht beenden kann, so liegt darin ein erheblicher, außerhalb des Strafzweckes liegender Nachteil i. S. v. § 456 StPO, der einen Vollstreckungsaufschub rechtfertigt (StA Regensburg, Bescheid vom 13.3.2000 - 132 VRs 95823/99, StV 2000, 383).
Aufschub der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe bei Geisteskrankheit oder anderer Erkrankung § 455 StPO
(1) Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ist aufzuschieben, wenn der Verurteilte in Geisteskrankheit verfällt.
(2) Dasselbe gilt bei anderen Krankheiten, wenn von der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr für den Verurteilten zu besorgen ist.
(3) Die Strafvollstreckung kann auch dann aufgeschoben werden, wenn sich der Verurteilte in einem körperlichen Zustand befindet, bei dem eine sofortige Vollstreckung mit der Einrichtung der Strafanstalt unverträglich ist.
(4) Die Vollstreckungsbehörde kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrechen, wenn
1. der Verurteilte in Geisteskrankheit verfällt,
2. wegen einer Krankheit von der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr für den Verurteilten zu besorgen ist oder
3. der Verurteilte sonst schwer erkrankt und die Krankheit in einer Vollzugsanstalt oder einem Anstaltskrankenhaus nicht erkannt oder behandelt werden kann
und zu erwarten ist, daß die Krankheit voraussichtlich für eine erhebliche Zeit fortbestehen wird. Die Vollstreckung darf nicht unterbrochen werden, wenn überwiegende Gründe, namentlich der öffentlichen Sicherheit, entgegenstehen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Aufschiebung der Vollstreckung - I bis III
?... Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, über den wegen Eilbedürftigkeit ohne Anhörung der Gegenseite entschieden wird, ist zulässig und begründet.
1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde wäre unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 88, 169 (172) [BVerfG 07.04.1993 - 1 BvR 565/93] ; 91, 328 (332); stRspr).
2. Die Verfassungsbeschwerde ist weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Sie wirft in der Hauptsache die Frage auf, ob die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung von § 455 StPO den Grundrechten des Antragstellers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 3 Abs. 1 , Abs. 3 Satz 2 GG sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hinreichend Rechnung getragen haben.
3. Die danach gebotene Folgenabwägung lässt die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe überwiegen.
a) Unterbliebe die einstweilige Anordnung, hätte die Verfassungsbeschwerde später aber Erfolg, so wäre die Vollstreckung der Freiheitsstrafe - bei ihrer Rechtswidrigkeit eine erhebliche Verletzung des Freiheitsrechts des Antragstellers (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 1993 - 2 BvR 1605/92 und 2 BvR 1710/92 -, NStZ 1993, S. 507 = NJW 1994, S. 3087) - nicht rückgängig zu machen. Darüber hinaus könnte es zu faktischen - möglicherweise nicht mehr reversiblen - Beeinträchtigungen des Lebens und der Gesundheit des Antragstellers kommen. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller bei Vollstreckung der Freiheitsstrafe nach den gutachterlichen Feststellungen sein Leben infolge Selbsttötung einbüßen oder jedenfalls schwerwiegende Schäden an seiner Gesundheit nehmen könnte.
b) Sofern die einstweilige Anordnung erlassen würde, die Verfassungsbeschwerde aber später keinen Erfolg hätte, wären das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, die Sicherung des Rechtsfriedens in Gestalt der Rechtspflege und die Pflicht des Staates zur Gewährleistung einer funktionierenden Strafrechtspflege (vgl. BVerfGE 51, 324 (343) [BVerfG 19.06.1979 - 2 BvR 1060/78] ) in Ausführung einer vom Gericht für erforderlich gehaltenen Maßnahme nur auf Zeit beeinträchtigt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe könnte jederzeit nachgeholt werden. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Vollstreckung der Strafe bereits seit nunmehr 7. Mai 1991 ruht.
Der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung erweist sich wegen der aufgezeigten Nachteile im Falle eines Obsiegens des Antragstellers in der Hauptsache als unabweisbar. ..." (BVerfG, Beschluss vom 29.11.2006, 2 BvR 1323/06)
*** (OLG)
Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe darf gem. § 455 Abs. 4 S. 2 StPO nicht unterbrochen werden, wenn ?überwiegende' Gründe entgegenstehen. Zur Nachprüfbarkeit der auf § 455 Abs. 4 S. 2 StPO gestützten ablehnenden Entscheidung der Vollstreckungsbehörde im gerichtlichen Verfahren nach § 458 Abs. 2 StPO auf Ermessensfehler ist es deshalb erforderlich, dass in der Entscheidung die für die Annahme der Voraussetzungen des § 455 Abs. 4 S. 1 StPO maßgeblichen Umstände mitgeteilt werden. Erfolgt keine Angabe über die Schwere der Erkrankung und die Erforderlichkeit und den Umfang der Behandlung, ist die Abwägung zu S. 2 nicht nachvollziehbar (OLG Thüringen, Beschluss vom 11.11.2010 - 1 Ws 406/10).
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Wird eine Strafe nicht vollzogen, so ist für eine Entscheidung nach § 455 Abs. 4 StPO kein Raum. Ein Antrag auf Unterbrechung der Vollstreckung mehrerer nacheinander zu vollziehender Freiheitsstrafen wegen Vollzugsuntauglichkeit ist sachgerecht dahin auszulegen, dass hinsichtlich der nicht vollzogenen Strafen ein Aufschub der Strafvollstreckung erstrebt wird. Zu den Anforderungen an eine nachprüfbare Ermessensentscheidung im Verfahren nach § 455 StPO;
?... I. Der Beschwerdeführer wurde in diesem Verfahren durch die 1. Strafkammer des Landgerichts Meiningen durch Urteil vom 20.02.2002, rechtskräftig seit dem 08.03.2002, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 11 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 10 Monaten verurteilt. Weiterhin wurde die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
Eine Vollstreckung der Strafe in dieser Sache erfolgt gegenwärtig nicht. Vielmehr wird seit dem 03.01.2003 eine Restfreiheitsstrafe im Verfahren 7 Js 10605/96 - 1 Kls auf Grund des Widerrufsbeschlusses des Landgerichts Meiningen vom 06.06.2002 vollstreckt. Strafende ist insoweit auf den 04.07.2004 notiert. Im Anschluss daran sind die Maßregel und die Freiheitsstrafe in vorliegender Sache zu vollziehen.
Unter dem 22.01.2003 hat der Verurteilte durch seine Verteidigerin beantragt, die Strafvollstreckung aus dem Widerrufsbeschluss des Landgerichts Meiningen vom 06.06.2002 im Verfahren 7 Js 100605/96 sowie aus dem Urteil des Landgerichts Meiningen vom 20.02.2002 in vorliegender Sache gem. § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO zu unterbrechen. Der Antrag wurde darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer an Hepatitis C erkrankt sei und dass die damit in Zusammenhang stehende notwendige Interferon-Behandlung nicht, wie zunächst vorgesehen, im Maßregelvollzug Hildburghausen erfolgen könne.
Durch Verfügungen vom 29.01.2003 hat die Staatsanwaltschaft Meiningen diesen Antrag mit folgender gleich lautender Begründung verbeschieden:
Eine Haftunterbrechung gemäß § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO wird abgelehnt.
Der Rechtsbeistand des Verurteilten macht geltend, dass eine Erkrankung an Hepatitis C vorliegt, die in der Haftanstalt nicht behandelt werden könne. Dem ist entgegenzuhalten, dass möglicherweise bald im Landesfachkrankenhaus Hildburghausen eine Behandlung möglich werden wird. Man muss da nur etwas Hartnäckigkeit zeigen.
Eine Strafunterbrechung ist auch deshalb nicht möglich, weil Gründe der öffentlichen Sicherheit entgegenstehen. Der Verurteilte wurde mehrfach wegen Rauschgift-Verbrechen verurteilt. Zu seinem Leben gehört es, mit Rauschgift wie mit einem normalen Lebensmittel umzugehen. Wenn der Verurteilte in seinem jetzigen Zustand in Freiheit entlassen würde, wäre mit Sicherheit ein neuer strafbarer Umgang mit Rauschgift zu erwarten.
Soweit angegeben wird, eine Behandlung mit Interferon könne dem Verurteilten helfen, fehlt im Übrigen seine Erklärung, mit einer solchen Behandlung ggf. einverstanden zu sein. Der Anstaltsarzt T. hat angegeben, eine Interferon-Behandlung sei mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden.
Gegen diese staatsanwaltschaftliche Verfügungen erhob der Verurteilte Einwendungen mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 458 Abs. 2 StPO . Dies geschah hinsichtlich des Verfahrens 7 Js 10605/96 gegenüber dem Landgericht Erfurt und im vorliegenden Verfahren mit Schriftsatz vom 17.03.2003 an die 1. Strafkammer des Landgerichts Meiningen. Die Verteidigerin des Verurteilten ging insoweit davon aus, dass, da der Verurteilte in vorliegender Sache sich nicht in der Unterbringung bzw. im Strafvollzug befunden hat, die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges nach § 264 Abs. 1 StPO i.V.m. § 462 a Abs. 2 StPO gegeben sei.
Über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung in vorliegender Sache hat mit dem angefochtenen Beschluss die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Meiningen entschieden und hat den Antrag vom 17.03.2003, die Vollstreckung aus dem Urteil des LG Meiningen vom 20.02.2002 zu unterbrechen, abgelehnt.
II. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung der landgerichtlichen und der staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen. Über den Antrag des Verurteilten wird erneut zu befinden sein.
Der angefochtene Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Meiningen war schon deshalb aufzuheben, weil die Strafvollstreckungskammer dieses Landgerichts für die zu treffende Entscheidung nicht zuständig ist.
Nach § 462 a Abs. 1 Satz 1 StPO ist dann, wenn gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt wird, für die nach den §§ 453 , 454 , 454 a und 462 StPO zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befasst wird, aufgenommen ist. Diese Regelung gilt nicht nur für den Fall der Erstaufnahme, sondern auch für jede spätere Verlegung mit Ausnahme vorübergehender Verschubungen (vgl. BGHSt 26,165 f. [BGH 08.07.1975 - 2 ARs 181/75] ; BGHSt 36, 229 ff..). Hier wurde der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 458 StPO i.V.m. § 462 StPO mit Schriftsatz vom 17.03.2003 gestellt und ist beim Landgericht Meiningen am 18.03.2003 eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt hat sich der Verurteilte zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Verfahren 7 Js 10605/96 in der JVA Tonna befunden. Diese Anstalt liegt im Bezirk des Landgerichts Erfurt. Zwar hat sich der Verurteilte bis zum 25.06.2002 in der JVA Untermaßfeld und damit in einer Strafanstalt befunden, die im Bezirk des Landgerichts Meiningen liegt. Die damals zuständige Strafvollstreckungskammer wurde aber vor der Verlegung nicht mit der Sache befasst, sodass auch keine Fortwirkungszuständigkeit besteht. Darauf, dass die Vollstreckung der Freiheitsstrafe in einem anderen Verfahren erfolgt ist, kommt es im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung des § 462 a StPO nicht an.
Da somit ein unzuständiges Gericht in der Sache entschieden hat, war der angefochtene Beschluss aufzuheben.
Dies führt allerdings nicht zur Verweisung der Sache an das zuständige Gericht, nämlich die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Erfurt, sondern der Senat kann, da das zuständige Gericht ebenfalls im Bezirk des Thüringer Oberlandesgerichts liegt, in der Sache selbst entscheiden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 309 Rn. 6 m.w.N.).
Die vorzunehmende Sachprüfung führt zur Aufhebung der Verfügung der Staatsanwaltschaft Meiningen vom 29.01.2003 hinsichtlich des vorliegenden Verfahrens 454 Js 13616/01.
Der Verurteilte hat sich zum Zeitpunkt der Antragstellung an die Staatsanwaltschaft Meiningen, dem 22.01.2003, in Strafhaft befunden, und zwar zur Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe aus dem Verfahren 7 Js 10605/96 infolge des Widerrufsbeschlusses des Landgerichts Meiningen vom 06.06.2002. Somit war von vornherein kein Raum für eine Entscheidung in vorliegender Sache über die Unterbrechung der Vollstreckung der nicht vollzogenen Freiheitsstrafe. Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 455 StPO kann nämlich nur eine solche Freiheitsstrafe unterbrochen werden, die vollstreckt wird.
Jedoch muss der Antrag des Verurteilten vom 22.01.2003 sachgerecht dahin ausgelegt werden, dass hinsichtlich der vorliegenden Sache eine Aufschiebung der Strafvollstreckung erstrebt wird. Das Begehren des Verurteilten bezieht sich ohne jeden Zweifel auch auf einen Strafaufschub. Zwar enthält § 455 Abs. 3 StPO keine dem § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO wörtlich entsprechende Regelung. Von § 455 Abs. 3 StPO werden indes aber auch Fälle wie der Vorliegende erfasst, etwa wenn die nötige ärztliche Behandlung in der Vollzugsanstalt nicht möglich wäre (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 455 Rn.6 m.w.N.). Auch wenn hier auf Grund der Dauer der Strafvollstreckung im Verfahren 7 Js 10605/96 der Beginn der Strafvollstreckung in vorliegender Sache erst im Juli 2004 ansteht, ist es grundsätzlich angezeigt, den Strafausstand wegen Vollzugsuntauglichkeit bei einem für mehrere Verfahren gestellten Antrag für jedes Verfahren zu prüfen, und zwar, wenn die Vollstreckung der Freiheitsstrafe noch nicht begonnen hat nach § 455 Abs. 1 bis 3 StPO und wenn die Vollstreckung läuft nach § 455 Abs. 4 StPO .
Dafür spricht auch der Umstand, dass § 455 Abs. 1 bis 3 StPO keine Frist vorsieht, innerhalb derer ein Antrag auf Aufschub der Vollstreckung gestellt bzw. eine gerichtliche Entscheidung nach § 458 StPO beantragt werden kann.
Dass der Antrag des Verurteilten vom 22.01.2003 hinsichtlich dieses Verfahrens als Antrag auf Strafaufschub zu behandeln und zu bescheiden ist, wurde von der Staatsanwaltschaft bei ihrer Entscheidung nicht bedacht. Sie hat vielmehr eine - hier nicht angezeigte - Prüfung nach § 455 Abs. 4 StPO vorgenommen.
Die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde ist schon aus diesem Grunde ermessensfehlerhaft und kann keinen Bestand haben.
Aber auch, wenn man die Verfügung der Staatsanwaltschaft Meiningen vom 29.01.2003 dahin auslegt, dass ein Strafausstand in der möglichen Form des Strafaufschubs abgelehnt werden sollte, entspricht diese Entscheidung nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die Aufhebungsgründe aus dem Beschluss des Senats vom 21.08.2003 1 Ws 264/03 im Parallelverfahren 7 Js 10605/96, auf den verwiesen wird, gelten hier gleichermaßen. Es handelt sich nämlich auch hinsichtlich des vorliegenden Strafvollstreckungsverfahrens nicht um eine nachprüfbare Ermessensentscheidung.
Inwieweit die Krankheit des Verurteilten, die ersichtlich unstreitig ist, jedoch nicht einmal bestimmt angenommen wird, die Kriterien nach § 455 Abs. 3 StPO erfüllt, wird nicht dargelegt. So wird nichts ausgeführt über die Schwere der Erkrankung, die Dauer und die Art und Weise einer erforderlichen Behandlung, die Möglichkeit der Behandlung in einer Vollzugsanstalt oder einem Anstaltskrankenhaus sowie über die Erwartung des Fortbestands der Erkrankung für eine erhebliche Zeit. Die Grundlagen für die Entscheidung hinsichtlich der Prüfung der Voraussetzungen des § 455 Abs. 3 StPO werden in keiner Weise deutlich. Der gebotene Bezug auf (amts-)ärztliche Gutachten bzw. Stellungnahmen wird nicht vorgenommen. Soweit Gründe der öffentlichen Sicherheit zur Versagung des Strafausstands herangezogen werden, ist eine sachgerechte Abwägung nicht möglich, da, wie dargelegt, die maßgeblichen Umstände nach § 455 Abs.3 StPO nicht mitgeteilt werden.
Nach alledem mussten die Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde und der Strafvollstreckungskammer aufgehoben werden.
Die Sache war an die Staatsanwaltschaft Meiningen zurückzugeben, um die gebotene Entscheidung nach § 455 Abs. 3 StPO im vorliegenden Verfahren nachzuholen. Es wird angezeigt sein, auch um den derzeit gegebenen medizinischen Sachstand zu berücksichtigen, eine ergänzende ärztliche Stellungnahme, ggf. eine amtsärztliche Stellungnahme bzw. eine solche des Haftkrankenhauses, beizuziehen.
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?... 1. Die Strafprozessordnung unterscheidet scharf zwischen dem Aufschub ( § 455 Abs. 1-3 StPO ) einer bevorstehenden und der Unterbrechung ( § 455 Abs. 4 StPO ) einer bereits begonnenen Vollstreckung einer Freiheitsstrafe und knüpft diese Maßnahmen, wie sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt, im Falle nicht akut lebensgefährlicher körperlicher Erkrankungen an unterschiedliche Voraussetzungen, die nicht miteinander vermengt werden dürfen.
2. Zwischen beiden Maßnahmen besteht auch ein erheblicher sachlicher Unterschied, der es ausschließt, die Vorschriften über den Aufschub auf die Unterbrechung (oder umgekehrt) entsprechend anzuwenden (LR-Wendisch, StPO, 25. Aufl., § 455 Rdn. 16).
a) § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO folgt dem Grundsatz, dass eine einmal begonnene Strafvollstreckung - auch im Interesse des Verurteilten - konsequent zu Ende geführt werden soll und die Unterbrechung selbst bei schweren körperlichen Erkrankungen nur als letztes Mittel in Betracht kommt. Ist die notwendige medizinische Betreuung in einem Vollzugskrankenhaus möglich, bleibt für eine Unterbrechung kein Raum (OLG Karlsruhe NStZ 91, 53). U. U. kann sogar eine zeitlich befristete und überwachte Verlegung in ein externes Krankenhaus ( §§ 461 StPO , 65 Abs. 2 S. 1 StVollzG ) vorgehen (KK-Fischer, StPO, 4. Aufl., § 455 Rdn. 13). § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO ermöglicht also die Fortsetzung der Vollstreckung trotz zwischenzeitlich eingetretener Vollzugs-untauglichkeit im Sinne des Abs. 3 dieser Vorschrift - die bereits dann vorliegt, wenn die nötige ärztliche Behandlung in der Vollzugsanstalt nicht möglich ist (BGHSt 19, 148, 150) [BGH 19.11.1963 - 5 AR Vs 84/63] -, ist aber keine gesetzliche Grundlage für die Ablehnung eines auf schon bestehende Erkrankungen gestützten Aufschubgesuches.
b) § 455 Abs. 3 StPO folgt demgegenüber dem Gedanken, dass es sowohl in Interesse der Vollzugsanstalt als auch im Interesse der Verurteilten liegen kann, wenn nur Personen die Verbüßung von Freiheitsstrafen antreten, die entweder körperlich gesund sind oder deren körperlichen Erkrankungen mit den einer Vollzugsanstalt zur Verfügung stehenden Mitteln Rechnung getragen werden kann. Einen Strafantritt in einem Vollzugskrankenhaus (oder in einer Vollzugsanstalt zum Zwecke der sofortigen Verlegung in ein [Vollzugs-]Krankenhaus) sieht das Gesetz nicht vor.
3. Hier hätte die Staatsanwaltschaft vor Erlass ihrer Entscheidung aufklären müssen, welche konkreten Maßnahmen im Zusammenhang mit den vielfältigen Gesundheitsstörungen des Beschwerdeführers unerlässlich sind und ob sie in der Justizvollzugsanstalt W....... (oder einer anderen Vollzugsanstalt) durchgeführt werden können. Bei der auf verlässlicher Tatsachengrundlage zu treffenden Entscheidung wären dann u. U. die mit einer anstaltsinternen medizinischen Betreuung verbundenen Belastungen für alle Beteiligten zu berücksichtigen und mit dem staatlichen Vollstreckungsanspruch abzuwägen gewesen.
Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass bei einem ?Vorgealterten' (Attest Bl. 33 d.A.), der heute 72 Jahre alt ist und wahrscheinlich auch unter einer die Psyche beeinträchtigenden hirnorganischen Störung leidet, die vom Amtsarzt ausgesprochene (und von der Strafkammer übernommene) Empfehlung, einer im Raum stehenden Versteifung der Wirbelsäule (Attest Bl. 53 d.A.) solle durch ?ausreichende Sportmöglichkeiten' begegnet werden, realitätsfern und wenig hilfreich erscheint. Und ob die ebenfalls empfohlene Krankengymnastik in einer Justizvollzugsanstalt überhaupt durchgeführt werden kann, wäre zunächst einmal aufzuklären gewesen.
4. Der Senat kann über den Antrag auf Vollstreckungsaufschub entgegen § 309 Abs. 2 StPO nicht abschließend entscheiden. Die Entscheidung steht im Ermessen der Vollstreckungsbehörde und kann gerichtlich nur auf Ermessensfehler überprüft werden (KG NStZ 94, 255). Führt diese Überprüfung wie hier zu der Feststellung, dass das Ermessen aus rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen fehlerhaft ausgeübt wurde, steht es dem Gericht grundsätzlich nicht zu, an Stelle der Vollstreckungsbehörde Vollstreckungsaufschub zu gewähren oder zu versagen. Ein Fall, in dem eine ermessensfehlerfreie Entscheidung von vornherein nur einen ganz bestimmten Inhalt haben könnte, liegt nicht vor.
Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde eine für das Gericht nachvollziehbare Abwägung aller entscheidungserheblichen Umstände beinhalten muss. Ist dies nicht der Fall, unterliegt sie bereits deshalb der Aufhebung (vgl. OLG Hamm, Beschl. vom 6. 2.01 - 5 Ws 35/01 in: www.burhoff.de) ..."(OLG Koblenz, Beschluss vom 25.06.2003, 1 Ws 387/03)
Unterbrechung der Vollstreckung - IV
Ein Konflikt zwischen der grundrechtlich verankerten Pflicht des Staates, rechtskräftig erkannte Freiheitsstrafen auch zu vollstrecken, und dem Interesse des Verurteilten an der Wahrung seiner verfassungsmäßig verbürgten Rechte, namentlich auf Leben und körperliche Unversehrtheit ist durch Abwägung der einander widerstreitenden Interessen zu lösen. Die §§ 56 ff. StVollzG einerseits und § 455 StPO andererseits tragen dem Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht des Staates zur Durchsetzung seines Strafanspruchs und dem Interesse des Verurteilten an der Wahrung seiner Gesundheit hinreichend Rechnung. Das Interesse des Gefangenen an der Wahrung seines Grundrechtes aus Art. 2 II 1 GG überwiegt nur, wenn angesichts seines Gesundheitszustandes zu befürchten ist, dass er wegen der Fortsetzung der Strafvollstreckung sein Leben einbüßen oder schwerwiegenden Schaden an seiner Gesundheit nehmen wird. Allerdings muss bei einer solchen Gefahr nicht stets die Strafhaft unterbrochen werden, denn vom Vollzug droht die Gefahr dann nicht, wenn er Mittel zur Abhilfe bereit hält. Solche Mittel sind nicht nur die in § 455 IV Nr. 3 StPO ausdrücklich genannte Untersuchung und Behandlung in Vollzugseinrichtungen, sondern auch diejenige in einem externen Krankenhaus (§ 65 II StVollzG), die ebenfalls ohne Unterbrechung des Vollzugs vonstatten gehen können. Weigert sich der Gefangene, sich gem. § 65 II StVollzG in einem externen Krankenhaus behandeln zu lassen, obwohl diese Therapie geeignet wäre, seine Erkrankung adäquat zu behandeln, sind die Weigerung der Strafvollstreckungsbehörde, die Verbüßung de Haft zu unterbrechen, und die diese Verfügung bestätigenden gerichtlichen Entscheidungen von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschluss vom 27.06.2003 - 2 BvR 1007/03).
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Das Recht der Untersuchungshaft enthält keine eigenständige Regelung zum Begriff und zu den Folgen einer Haftunfähigkeit. In entsprechender Anwendung der in § 455 Abs. 4 StPO aufgestellten Grundsätze ist der Vollzug der Untersuchungshaft nicht zulässig, wenn er wahrscheinlich zu einer konkreten Lebensgefährdung oder zu erheblichen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen bei dem Untersuchungsgefangenen führen kann. Soweit sich eine medizinische Betreuung als notwendig erweist, kann diese in der Haft erfolgen. Es bedarf im Einzelfall einer Abwägung zwischen den Belangen des Beschuldigten sowie den staatlichen Interessen, wie sie in den jeweiligen Haftgründen ihren Ausdruck finden (OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.12.2005, 1 Ws 1348/05).
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?... Gegen den Verurteilten wird derzeit, bis zum 04.07.2004, der Rest einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Meiningen vom 14.07.1997 - 7 Js .../96 - 1 Kls - vollstreckt; im Anschluss ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aus dem Urteil des Landgerichts Meiningen vom 20.02.2002 - 454 Js .../01 - zu vollziehen, in dem gleichzeitig eine Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 10 Monaten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ausgesprochen worden war.
Mit Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 22.01.2003 hat der Verurteilte im Hinblick auf seine Erkrankung an Hepatitis C und die damit im Zusammenhang stehende notwendige Interferonbehandlung, welche nicht wie zunächst vorgesehen im Maßregelvollzug Hildburghausen erfolgen konnte, die Unterbrechung der Strafvollstreckung beantragt.
Dieser Antrag wurde durch die Staatsanwaltschaft Meiningen mit Verfügung vom 29.01.2003 mit folgender Begründung verbeschieden:
?Eine Haftunterbrechung gemäß § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO wird abgelehnt. Der Rechtsbeistand des Verurteilten macht geltend, dass eine Erkrankung an Hepatitis C vorliegt, die in der Haftanstalt nicht behandelt werden könne. Dem ist entgegenzuhalten, dass möglicherweise bald im Landesfachkrankenhaus Hildburghausen eine Behandlung möglich werden wird. Man muss da nur etwas Hartnäckigkeit zeigen.
Eine Strafunterbrechung ist auch deshalb nicht möglich, weil Gründe der öffentlichen Sicherheit entgegenstehen. Der Verurteilte wurde mehrfach wegen Rauschgift-Verbrechen verurteilt. Zu seinem Leben gehört es, mit Rauschgift wie mit einem normalen Lebensmittel umzugehen. Wenn der Verurteilte in seinem jetzigen Zustand in Freiheit entlassen würde, wäre mit Sicherheit ein neuer strafbarer Umgang mit Rauschgift zu erwarten.
Soweit angegeben wird, eine Behandlung mit Interferon könne dem Verurteilten helfen, fehlt im Übrigen seine Erklärung, mit einer solchen Behandlung ggf. einverstanden zu sein. Der Anstaltsarzt T. hat angegeben, eine Interferon-Behandlung sei mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden.'
Gegen diese staatsanwaltschaftliche Verfügung erhob der Verurteilte Einwendungen mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 458 Abs. 2 StPO . Mit dem angefochtenen Beschluss vom 15.07.2003 wies die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Erfurt die Einwendungen als unbegründet zurück. Die Strafvollstreckungskammer hat in Vorbereitung der Beschlussfassung ergänzende Stellungnahmen, u.a. des Anstaltsarztes der JVA Tonna und des Fachkrankenhauses für Psychiatrie und Neurologie Hildburghausen beigezogen und in vollem Umfang eine eigenständige Sachprüfung vorgenommen. Im Einzelnen wird auf die Gründe dieser Entscheidung verwiesen.
Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung der landgerichtlichen und der staatsanwaltschaftlichen Entscheidung. Über den Antrag des Verurteilten ist erneut zu befinden.
Nach § 455 Abs. 4 StPO kann die Strafvollstreckungsbehörde die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrechen, wenn eine der in Ziff. 1-3 genannten Voraussetzungen gegeben ist.
Die von der Staatsanwaltschaft zu treffende Entscheidung beruht auf Ermessen; die gerichtliche Entscheidung, die auf Einwendungen nach § 458 Abs. 2 StPO zu treffen ist, beinhaltet nur die Überprüfung, ob die Strafvollstreckungsbehörde ermessensfehlerfrei entschieden hat (vgl. KG, Beschluss vom 27.04.2001, 5 Ws 232/01 bei Juris; KK-Fischer, StPO, 5. Aufl., § 456 Rn. 10, § 455 Rn. 10). Die Strafvollstreckungskammer ist bei dieser Prüfung nicht befugt, ihr Ermessen an die Stelle desjenigen der Vollstreckungsbehörde zu setzen.
Die Ermessensüberprüfung setzt jedoch voraus, dass tatsächlich die Vollstreckungsbehörde eine nachprüfbare Ermessensentscheidung getroffen hat. Eine solch nachprüfbare Ermessensentscheidung stellt die Verfügung der Staatsanwaltschaft Meiningen vom 29.01.2003 jedoch nicht dar. Inwieweit die Krankheit des Verurteilten, die ersichtlich unstreitig ist, jedoch nicht einmal bestimmt angenommen wird, die Kriterien nach § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO erfüllt, wird nicht dargelegt. So wird nichts ausgeführt über die Schwere der Erkrankung, die Dauer und die Art und Weise einer erforderlichen Behandlung, die Möglichkeit der Behandlung in einer Vollzugsanstalt oder einem Anstaltskrankenhaus sowie über die Erwartung des Fortbestands der Erkrankung für eine erhebliche Zeit. Die Grundlagen für die Entscheidung hinsichtlich der Prüfung der Voraussetzungen des § 455 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 StPO werden in keiner Weise deutlich. Zwar fordert das Gesetz für die Entscheidung nach § 455 Abs. 4 StPO nicht wie im Fall der Verwaltungsvorschrift des § 45 Abs. 1 StVollzRO die Beiziehung eines amtsärztlichen Gutachtens. Jedoch erscheint dies im Interesse einer rechtsfehlerfreien Entscheidung grundsätzlich angezeigt (so auch Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 455 Rn. 10). Zumindest ist es jedoch erforderlich, Stellungnahmen eines Anstaltsarztes bzw. hinsichtlich der Möglichkeit der Behandlung in einem Vollzugskrankenhaus Stellungnahmen einer solchen Einrichtung nachvollziehbar der Entscheidung zugrunde zu legen.
Dieser Mangel der Entscheidung der Staatsanwaltschaft wird auch nicht dadurch geheilt, dass dargelegt wird, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit, nämlich die Gefahr der Begehung neuer schwerer Straftaten nach dem BtMG , einer Unterbrechung der Strafvollstreckung entgegenstehen. Auch wenn sich die Prüfung nach § 455 Abs. 4 Satz 2 StPO gerade auf die Fälle bezieht, in denen die Voraussetzungen des § 455 Abs. 4 Satz 1 StPO gegeben sind - ansonsten ist für eine Vollstreckungsunterbrechung ohnehin kein Raum - , erfolgt diese Abwägung nicht unabhängig von den Voraussetzungen des Satzes 1. Die Vollstreckung darf bei Vorliegen der Gründe des § 455 Abs. 4 Satz 1 StPO nämlich dann nicht unterbrochen werden, wenn überwiegende Gründe entgegenstehen. Die erforderliche Abwägung setzt damit voraus, dass die Angaben zu den maßgeblichen Umständen nach Satz 1 der Vorschrift mitgeteilt werden. Erfolgt keine Angabe über die Schwere der Erkrankung und die Erforderlichkeit und den Umfang der Behandlung, ist die Abwägung zu Satz 2 der genannten Vorschrift nicht nachvollziehbar.
Soweit in der angefochtenen landgerichtlichen Entscheidung ergänzende Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO erfolgen und das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung trifft, kann dadurch die unzureichende, nicht ohne Ermessensfehler ergangene Entscheidung der Staatsanwaltschaft nicht ersetzt werden. Eine solche Verfahrensweise entspricht nicht der Rechtslage (so bereits Senatsbeschluss vom 29.01.2003, 1 Ws 29/03).
Nach alledem mussten die Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde und der Strafvollstreckungskammer aufgehoben werden.
Die Sache war an die Staatsanwaltschaft Meiningen zurückzugeben, um die gebotene rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung nachzuholen. Es wird angezeigt sein, auch um den derzeit gegebenen medizinischen Sachstand zu berücksichtigen, eine ergänzende ärztliche Stellungnahme, ggf. eine amtsärztliche Stellungnahme bzw. eine solche des Haftkrankenhauses beizuziehen.
Der Beschwerdeführer sei hinsichtlich der nochmaligen Prüfung nach § 455 Abs. 4 StPO darauf hingewiesen, dass es - unabhängig von der Problematik des § 455 Abs. 4 Satz 2 StPO - nicht darauf ankommt, ob er in einem Anstaltskrankenhaus behandelt werden will, sondern, ob seine Krankheit in einer Vollzugsanstalt oder einem Anstaltskrankenhaus behandelt werden kann. ..."(OLG Jena, Beschluss vom 21.08.2003, 1 Ws 264/03)
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?... Das als sofortige Beschwerde zu wertende Rechtsmittel ist gemäß §§ 458 , 462 Abs. 3 Satz 1 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig ( §§ 306 Abs. 1 , 311 Abs. 2 StPO ); in der Sache bleibt es jedoch ohne Erfolg.
Auch nach Ansicht des Senats hat die Staatsanwaltschaft Augsburg bei ihrer Entscheidung vom 07.01.2003, die Strafhaft gemäß § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO zu unterbrechen, im Ergebnis in nicht zu beanstandener Weise von dem ihr in der vorgenannten Vorschrift eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht.
Nach dieser Bestimmung darf u.a. die Unterbrechung der Vollstreckung nur erfolgen, wenn die Krankheit bzw. Vollzugsuntauglichkeit ?voraussichtlich für eine erhebliche Zeit fortbestehen wird'. Wann dies der Fall ist, ist - auch nach dem Willen des Gesetzgebers - eine Einzelfallfrage, die nach Ansicht des Senats vor allem an der Reststrafendauer zu messen und dann zu bejahen ist, wenn bei Nicht Unterbrechung der Verurteilte einen unverhältnismäßig großen Teil der anzurechnenden Straftat außerhalb der Vollzugsanstalt bliebe (KMR, Rdnr 24 zu § 455 StPO). Die ?erhebliche Dauer' i. S. des § 455 Abs. 4 Nr. 3 Satz 1 StPO ist daher bei einem nur noch kurzen Strafrest kürzer zu bemessen als bei einer noch länger zu verbüßenden Freiheitsstrafe (vgl. hierzu auch Loewe-Rosenberg, 25. Auflage, Rdnr 19 zu § 455 StPO). Der Senat vermag daher die in der von der Verteidigung vorgelegten Dissertation von Olaf Helschel vertretene Auffassung der Annahme einer zeitlichen Untergrenze von 3 Monaten der voraussichtlichen Krankheitsdauer als Voraussetzung für eine Strafunterbrechung nicht zu teilen.
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Verurteilte bei Beginn der Haftunterbrechung am 07.01.2003 bereits etwa 2 Monate seiner im Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 09.02.2000 (10 Ds 203 Js 129100/99 ) verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verbüßt gehabt hatte. Ferner ist nach der derzeitigen Aktenlage davon auszugehen, dass der Verurteilte als Erstverbüßer in den Genuss der Regelung des § 57 Abs. 2 StGB kommen wird und er somit lediglich nur noch etwa 4 Monate zu verbüßen hätte, weil der dann noch verbleibende Strafrest von 5 Monaten voraussichtlich zur Bewährung ausgesetzt wird.
Werden nun diese 4 Monate voraussichtlich noch zu verbüßender Reststrafe in Relation zu der zum Zeitpunkt der Haftunterbrechung nach der Stellungnahme der Anstaltsärztin Dr. ... vom 17.12.2002 zu erwartenden Dauer des Krankenhausaufenthalts von mindestens 2 Wochen gesetzt, so war es nach Ansicht des Senats seitens der Vollstreckungsbehörde ermessensfehlerfrei, wenn diese bei der vorliegenden Fallkonstellation von einer ?erheblichen Zeit' i. S. des § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO ausgegangen ist.
Im Übrigen haben sowohl die Staatsanwaltschaft Augsburg als auch die Strafvollstreckungskammer zu Recht unter Bezugnahme auf die vorgenannte ärztliche Stellungnahme darauf hingewiesen, dass bei dem vorgesehenen operativen Eingriff Komplikationen leicht möglich gewesen wären, was zu einem längeren Krankenhausaufenthalt geführt hätte.
Nach alledem spielten bei dieser Sachlage die Bewertung des Gnadengesuchs des Verurteilten vom 09.12.2002 sowie die Fragen der Kostenersparnis für den Justizfiskus und der in der staatsanwaltschaftlichen Nichtabhilfeentscheidung vom 27.01.2003 angesprochene Vorteil der unterbliebenen Überwachung des Verurteilten im Krankenhaus keine Rolle mehr. ..." (OLG München, Beschluss vom 13.06.2003, 2 Ws 387/03)
Aufstellung und Fortschreibung des Vollzugsplans
Siehe unter ?Vollzugplan - Fortschreibung".
Aufzeichnung einer Zeugenvernehmung auf Bild-Ton-Träger § 58 a StPO (n.F.)
(1) Die Vernehmung eines Zeugen kann auf Bild-Ton-Träger aufgezeichnet werden. Sie soll aufgezeichnet werden
1. bei Personen unter sechzehn Jahren, die durch die Straftat verletzt worden sind, oder
2. wenn zu besorgen ist, daß der Zeuge in der Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist.
(2) Die Verwendung der Bild-Ton-Aufzeichnung ist nur für Zwecke der Strafverfolgung und nur insoweit zulässig, als dies zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. § 101 Abs. 8, §§ 147 und 406 e finden entsprechende Anwendung.
Leitsätze/Entscheidungen:
Wird wegen des Verdachts ermittelt, eine noch nicht 16 Jahre alte Jugendliche sei Opfer schwerwiegender Sexualverbrechen geworden, so begründet § 58a I 2 StPO eine grundsätzliche Verpflichtung der Ermittlungsbehörden, die Aussagen der Jugendlichen aufzuzeichnen (BGH, Beschluss vom 03.08.2004 - 1 StR 288/04).
***
Die digitale Tonaufzeichnung der Zeugenvernehmungen in einer Hauptverhandlung zum Zwecke der Verfahrenssicherung verstößt weder gegen § 169 S. 2 GVG noch gegen das Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG, wenn dadurch in einem - ebenfalls in der Hauptverhandlung befindlichen - Parallelverfahren die Vernehmung der Richter des vorliegenden Verfahrens, die deren Ausschluß gem. § 22 Nr. 5 StPO zur Folge hätte, verhindert werden kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die Angeklagten des vorliegenden Verfahrens in U-Haft befinden. Die zur Verfahrenssicherung vorgenommenen Tonaufzeichnungen sind ohne Zustimmung der jeweils betroffenen Verfahrensbeteiligten zulässig. Es ist nicht zu beanstanden, daß die zur Verfahrenssicherung vorgenommenen Tonaufzeichnungen auf einem - mit einem persönlichen Paßwort gesicherten - PC des Kammervorsitzenden gespeichert und nicht in Abschrift zur Akte genommen werden (OLG Bremen, Beschluss vom 10.01.2007 - Ws 233 - 234/06, StV 2007, 177 f).
Für Vernehmungen gemäß § 58a I 2 StPO gilt die Zuständigkeitsregelung des § 162 I 1 StPO auch dann, wenn sich im Bezirk des hiernach zuständigen AG kein Video-Vernehmungszimmer befindet (OLG München, Beschluss vom 17.12.2003 - 2 Ws 1217/03, NStZ 2004, 642).
Die Kopie des Videobandes, auf dem die Vernehmung eines Zeugen aufgezeichnet ist, ist Bestandteil der Akten; sie stellt kein Beweismittel i. S. von § 147 IV 1 StPO dar. Eine Beschwerde gegen die Verfügung des Vorsitzenden, Akteneinsicht an den Verteidiger durch Mitgabe einer Kopie des Videobandes zu gewähren, ist deshalb unzulässig (OLG Stuttgart, Beschluss vom 12.11.2002 - 4 Ws 267/02, StV 2003, 17).
***
Steht fest, dass die Videovernehmung nicht im Bezirk des angerufenen Gerichts vorgenommen werden kann, so ist eine Auslegung des § 162 I 1 StPO dahingehend, dass für die Zuständigkeit bei Zeugenvernehmungen auf den Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthaltsort der Zeugen abzustellen ist, nicht möglich. Vielmehr ist die Staatsanwaltschaft gehalten, den Ermittlungsrichter desjenigen Amtsgerichts anzurufen, welches die technischen Voraussetzungen für Videovernehmung besitzt (LG München II, Beschluss vom 23.03.2003 - 4 Qs 2/05 zu StPO §§ 58a I Nr. 1, 255a, 162, NStZ-RR 2005, 317).
Augenschein
Der Augenschein ist die sinnliche Wahrnehmung der Existenz, Lage oder Beschaffenheit eines Objektes. Gegenstand des Augenscheins sind z.B. Abbildungen, Experimente (z.B. Fahrversuche), Filme, Lichtbilder, Ortsbesichtigungen, Personen, Skizzen, technische Aufzeichnungen, Tonbandaufnahmen, Urkunden, Videoaufnahmen usw.
Siehe unter ?Beweisanträge in der Hauptverhandlung".
Augenschein durch das Gericht § 86 StPO
Findet die Einnahme eines richterlichen Augenscheins statt, so ist im Protokoll der vorgefundene Sachbestand festzustellen und darüber Auskunft zu geben, welche Spuren oder Merkmale, deren Vorhandensein nach der besonderen Beschaffenheit des Falles vermutet werden konnte, gefehlt haben.
Hinweise:
Diese Bestimmung regelt nur die richterliche Augenscheinseinnahme außerhalb der Hauptverhandlung (vgl. §§ 168, 168a, aber auch §§ 118a III 3, 271 bis 273).
Leitsätze/Entscheidungen:
Erläuternde Angaben, die eine "Auskunftsperson" beim gerichtlichen Augenschein macht, dürfen, wenn sie dem besseren Verständnis des Augenschein dienen, in die Niederschrift aufgenommen und mit ihr in der Hauptverhandlung verlesen werden. Zur richterlichen Überzeugungsbildung dürfen sie nicht herangezogen werden; hierfür bedarf es der förmlichen Vernehmung der Auskunftsperson als Zeuge (BGH, Entscheidung vom 09.05.1985 - 1 StR 63/85, StV 1986, 187).
***
Wird in der Hauptverhandlung zur Identifizierung des Täters ein bei der Verkehrsüberwachung gefertigter Videofilm abgespielt und in Augenschein genommen, erstreckt sich der Augenschein auf jedes einzelne der Bilder, aus denen sich der Film zusammensetzt, somit auch auf diejenigen, von denen Abzüge gemacht und zu den Akten genommen worden sind. Auch wenn diese Abzüge nicht ausdrücklich zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden sind, stellt es keinen Rechtsfehler dar, wenn das Gericht zur Darstellung der zur Identifizierung des Betroffenen herangezogen Videobilder auf die inhaltlich mit ihnen übereinstimmenden Abzüge, die sich in den Akten befinden, Bezug genommen hat (BayObLG, Beschluss vom 30.09.1998 - 2 ObOWi 502/98, NStZ-RR 1999, 90).
Augenschein während der Hauptverhandlung
Die Augenscheinseinnahme ist der Teil der Hauptverhandlung. Die Anwesenheit des Angeklagten ist zwingend notwendig.
Das Protokoll über eine kommissarische Augenscheinseinnahme muss den Anforderungen der §§ 86, 168a StPO entsprechen.
Ausbeutung von Prostituierten § 180a StGB
(1) Wer gewerbsmäßig einen Betrieb unterhält oder leitet, in dem Personen der Prostitution nachgehen und in dem diese in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit gehalten werden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
1. einer Person unter achtzehn Jahren zur Ausübung der Prostitution Wohnung, gewerbsmäßig Unterkunft oder gewerbsmäßig Aufenthalt gewährt oder
2. eine andere Person, der er zur Ausübung der Prostitution Wohnung gewährt, zur Prostitution anhält oder im Hinblick auf sie ausbeutet.
Leitsätze/Entscheidungen:
Nach der Neufassung des § 180 a Abs. 1 StGB macht sich nur noch derjenige strafbar, der gewerbsmäßig einen Betrieb unterhält oder leitet, in dem die dort tätigen Prostituierten in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit gehalten werden. Gehalten werden Prostituierte im Abhängigkeitsverhältnis nur dann, wenn der Zustand durch eine gezielte und fortdauernde Einwirkung einseitig, d. h. gegen den freien Willen der Prostituierten herbeigeführt oder aufrechterhalten wird (OLG Düsseldorf StV 2003, 165 ff).
Ausbleiben des Angeklagten § 230 StPO
(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt.
(2) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Ein Eingriff in die persönliche Freiheit kann nur hingenommen werden, wenn und soweit der legitime Anspruch der staatlichen Gemeinschaft auf vollständige Aufklärung der Tat und auf rasche Bestrafung des Täters nicht anders gesichert werden kann. Dieser Grundsatz gilt auch für den Haftbefehl nach § 230 II StPO. Eine Verhaftung des Angeklagten ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht mehr zu vereinbaren, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände die Erwartung gerechtfertigt wäre, dass der Angeklagte zu dem Termin erscheinen wird:
?... Vor dem Amtsgericht war gegen die Beschwerdeführerin ein Strafverfahren wegen zwei Vergehen der uneidlichen Falschaussage anhängig. Nachdem bereits zwei frühere Hauptverhandlungstermine - einer wegen Urlaubs der Beschwerdeführerin - verlegt worden waren, erging auch in der am 17. Oktober 2005 durchgeführten Hauptverhandlung kein Urteil, sondern das Verfahren wurde nach Durchführung von Zeugenvernehmungen ausgesetzt, weil weitere Beweiserhebungen nötig geworden waren.
2. Am 28. November 2005 bestimmte das Amtsgericht neuen Termin auf den 21. Dezember 2005, 13:00 Uhr. Mit Schreiben vom 30. November 2005 ersuchte der Verteidiger der Beschwerdeführerin um Verlegung, weil die Beschwerdeführerin an diesem Tag an einer von ihrer Krankenkasse genehmigten Kur im Bayerischen Wald teilnehme. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2005 lehnte das Amtsgericht eine Verlegung ab. Bei dem von der Beschwerdeführerin belegten Kurs handele es sich lediglich um eine Maßnahme der Gesundheitspflege, die um mehrere Wochen verschoben werden könne. Zwar sei nach telefonischer Mitteilung des Veranstalters bei einer Nichtteilnahme eine Kursgebühr von 69 ? zu bezahlen; es sei der Beschwerdeführerin aber zuzumuten, der Schulung wegen der Hauptverhandlung fernzubleiben und die dadurch anfallenden Gebühren zu entrichten. ...
3. Die Beschwerdeführerin hatte sich am 19. Dezember 2005 in den Bayerischen Wald begeben, um an dem Kurs jedenfalls teilweise teilzunehmen. Am Morgen des 21. Dezember 2005 teilte sie der Geschäftsstelle des Amtsgerichts telefonisch mit, sie sei ?eingeschneit' und könne daher in der Hauptverhandlung nicht erscheinen. Der Amtsrichter unterrichtete den Verteidiger hierüber und teilte seine Absicht mit, das Verfahren gegen die Beschwerdeführerin abzutrennen und gegen sie einen Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO zu erlassen. Ob der Verteidiger in diesem Telefonat zusagte, zur anberaumten Terminsstunde nicht mehr zu erscheinen, ist streitig; jedenfalls wurde er über eine beabsichtigte Verschiebung des Aufrufs der Sache nicht unterrichtet. Der Verteidiger wies das Amtsgericht in einem wenig später eingereichten Telefaxschreiben noch darauf hin, dass das Ausbleiben der Beschwerdeführerin entschuldigt sei und diese sich nicht dem Verfahren entziehen wolle. Als er sich zum vorgesehenen Termin um 13:00 Uhr zum Sitzungssaal begab, musste er feststellen, dass außer einem Zeugen niemand erschienen war. Eine Rückfrage auf der Geschäftsstelle ergab, dass der Termin aufgehoben worden sei.
4. Entgegen der Annahme des Verteidigers hatte das Amtsgericht zwar weitere Zeugen und den Mitangeklagten abgeladen, die Hauptverhandlung aber nicht aufgehoben, sondern deren Beginn lediglich verschoben. Nach Aufruf der Sache um 14:15 Uhr erließ das Amtsgericht gegen die Beschwerdeführerin einen Haftbefehl gemäß § 230 StPO. Telefonische Nachfragen hätten ergeben, dass eine Zu- und Abfahrt von der Klinik möglich sei. Die Beschwerdeführerin habe in Kenntnis des Termins ihre Kur angetreten und nicht das Erforderliche, etwa eine Rückreise am Vortag, unternommen, um ihr Erscheinen im Termin sicherzustellen.
5. Auf Grund des Haftbefehls wurde die Beschwerdeführerin am 13. Januar 2006 (Freitag) verhaftet. Daraufhin bestimmte das Amtsgericht Termin zur Hauptverhandlung auf den 23. Januar 2006. ...
7. In der Hauptverhandlung am 23. Januar 2006 wurde die aus der Haft vorgeführte Beschwerdeführerin freigesprochen; der Haftbefehl wurde aufgehoben.
1. Ein Eingriff in die persönliche Freiheit kann nur hingenommen werden, wenn und soweit der legitime Anspruch der staatlichen Gemeinschaft auf vollständige Aufklärung der Tat und auf rasche Bestrafung des Täters nicht anders gesichert werden kann. Dieser Grundsatz gilt auch für den Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO. Die Bestimmung dient der Sicherung der Weiterführung und Beendigung eines begonnenen Strafverfahrens. Eine Maßnahme nach § 230 Abs. 2 StPO setzt nicht etwa dringenden Tatverdacht und Flucht- oder Verdunklungsgefahr voraus, sondern nur die Feststellung, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung nicht erschienen und sein Ausbleiben nicht genügend entschuldigt ist. Als Mittel, die Anwesenheit des Angeklagten in einem neuen Verhandlungstermin sicherzustellen, sieht § 230 Abs. 2 StPO in erster Linie die Anordnung der Vorführung vor. Erst in zweiter Linie kann der stärker in die persönliche Freiheit eingreifende Haftbefehl in Frage kommen. Nur dies wird dem verfassungsrechtlichen Gebot gerecht, dass bei einer den Bürger belastenden Maßnahme Mittel und Zweck in angemessenem Verhältnis zueinander stehen müssen. Eine Verhaftung des Angeklagten ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht mehr zu vereinbaren, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände die Erwartung gerechtfertigt wäre, dass der Angeklagte zu dem Termin erscheinen wird (vgl.BVerfGE 32, 87 (93 f.)).
2. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts hält verfassungsrechtlicher Prüfung nicht stand. Zwar hat das Oberlandesgericht zutreffend angenommen, dass der Beschwerdeführerin trotz der Erledigung des Haftbefehls ein Rechtsschutzbedürfnis an dessen fachgerichtlicher Prüfung zukam; der Beschluss berücksichtigt jedoch nicht hinreichend Bedeutung und Tragweite des Grundrechts der persönlichen Freiheit der Beschwerdeführerin.
a) Bedenken unterliegt schon die Annahme des Oberlandesgerichts, die Beschwerdeführerin sei der Hauptverhandlung unentschuldigt ferngeblieben. Denn der Haftbefehl erging hier in einem Hauptverhandlungstermin, von dem die Beschwerdeführerin und ihr Verteidiger keine Kenntnis hatten. Zu dem Zeitpunkt, auf welchen die Beschwerdeführerin geladen war - 21. Dezember 2005 um 13:00 Uhr -, fand keine Hauptverhandlung statt. Zwar hatte das Amtsgericht die weiteren Beteiligten telefonisch abgeladen, eine Unterrichtung des Verteidigers aber unterlassen. Der Verteidiger der Beschwerdeführerin und ein Zeuge, die sich zu dieser Zeit am Sitzungssaal eingefunden hatten, erhielten von der Geschäftsstelle die Auskunft, der Termin ?falle aus'. Ein Hinweis darauf, dass der Aufruf der Sache auf 14:15 Uhr verschoben worden war, war am Sitzungssaal nicht angebracht. Von der kurzfristig angesetzten neuen Terminsstunde konnten somit weder die Öffentlichkeit noch der Verteidiger Kenntnis haben; Gleiches gilt für die Beschwerdeführerin selbst, falls sie doch noch versucht hätte, (verspätet) in der Hauptverhandlung zu erscheinen. Einem Termin, dessen Stattfinden nicht bekannt ist, kann man nicht unentschuldigt fernbleiben.
b) Ob noch aus anderen Gründen ein unentschuldigtes Ausbleiben der Beschwerdeführerin vorlag, kann dahinstehen. Das Freiheitsrecht der Beschwerdeführerin ist hier jedenfalls auch deshalb verletzt, weil das Oberlandesgericht die Verhältnismäßigkeit des Haftbefehls nur unzureichend geprüft hat.
aa) Das Oberlandesgericht hat die Erwartung, dass die Beschwerdeführerin zu künftigen Hauptverhandlungsterminen nicht erscheinen werde, zunächst damit begründet, dass sie in Kenntnis der Warnung ihres Verteidigers trotz des in jener Woche anstehenden Hauptverhandlungstermins ihre Kur im Bayerischen Wald angetreten habe. Dabei übersieht das Oberlandesgericht, dass die Beschwerdeführerin trotz der Ablehnung ihres Antrags auf Terminsverlegung nicht verpflichtet war, wegen der Hauptverhandlung am 21. Dezember 2005 gänzlich von dieser Kur Abstand zu nehmen und damit auch eine finanzielle Einbuße zu erleiden. Die Vermutung, dass sie von vornherein beabsichtigt habe, der Verhandlung am 21. Dezember 2005 fernzubleiben, ist nicht belegt; dagegen spricht auch eine vom Verteidiger vorgelegte Bescheinigung der Gemeinde B. über schneebedingte Verkehrsbehinderungen. Auch dass die Beschwerdeführerin nach Ansicht der Fachgerichte bei der Berechnung der Fahrtzeit einen ?Sicherheitszuschlag' hätte einkalkulieren müssen, ließ keine Schlüsse darauf zu, dass ihre Teilnahme an künftigen Terminen nicht zu erwarten sei.
bb) Außerdem hat das Oberlandesgericht wesentliche Gesichtspunkte nicht gewürdigt, welche die Bereitschaft der Beschwerdeführerin, an weiteren Hauptverhandlungsterminen teilzunehmen, nahe legten.
So hat sich das Oberlandesgericht nicht mit der Anwesenheit der Beschwerdeführerin in der früheren Hauptverhandlung am 17. Oktober 2005 auseinandergesetzt. Anlass zur Erörterung hätte hier umso mehr bestanden, als sich die Beweislage in jener Hauptverhandlung offenbar zu Gunsten der Beschwerdeführerin verändert hatte und sie im neuerlichen Termin mit einem - in der Hauptverhandlung im Januar 2006 dann auch erfolgten - Freispruch rechnen konnte. Es kommt hinzu, dass sich die Beschwerdeführerin immerhin beim Amtsgericht gemeldet hatte. Die Fachgerichte haben auch das sonstige Vorbringen der Beschwerdeführerin, sich der Hauptverhandlung - etwa im Hinblick auf die nötige Betreuung ihrer 14-jährigen Tochter - nicht entziehen zu wollen, nicht näher erörtert.
cc) Darüber hinaus hat das Oberlandesgericht sich auch nicht damit auseinandergesetzt, dass das Amtsgericht noch am 22. Dezember 2005 um eine - ersichtlich unverhältnismäßige - Vollstreckung des Haftbefehls ersucht hatte, obwohl die Weihnachtstage bevorstanden und die Durchführung einer Hauptverhandlung nicht absehbar war. Dieses Vorgehen hätte jedenfalls im Zusammenhang mit den Umständen der Durchführung des Termins vom 21. Dezember 2005, in welchem dem Verteidiger objektiv die Möglichkeit genommen war, weiteren Vortrag zu Gunsten der Beschwerdeführerin - etwa auf Grund einer denkbaren zwischenzeitlichen Kontaktaufnahme - zu halten, Anlass zu einer sorgfältigeren Prüfung der Verhältnismäßigkeit geben müssen.
dd) Das Oberlandesgericht hätte ferner die Möglichkeit eines Vorführbefehls als milderes Mittel näher in Betracht ziehen müssen. Diese Maßnahme lag hier nicht nur wegen der Teilnahme der Beschwerdeführerin an der früheren Hauptverhandlung, sondern auch wegen der nicht erheblichen Schwere des Tatvorwurfs und der nicht gravierenden Straferwartung hinsichtlich der nicht vorgeahndeten Beschwerdeführerin nahe.
ee) Schließlich bedurfte auch die Dauer der Inhaftierung näherer Prüfung. Warum es hier erforderlich gewesen sein soll, die Beschwerdeführerin noch vor dem Wochenende 14./15. Januar 2006 zu verhaften und die Haft auf zehn Tage zu erstrecken, ist nicht dargelegt und erschließt sich auch nicht aus sonstigen Umständen.
III. Soweit sie sich unmittelbar gegen den Haftbefehl wendet, ist die Verfassungsbeschwerde mangels eines gegenwärtigen verfassungsprozessualen Rechtsschutzbedürfnisses derzeit unzulässig. Das Oberlandesgericht wird dessen Rechtmäßigkeit unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben nochmals umfassend zu prüfen haben. Somit steht der Beschwerdeführerin insoweit noch ein fachgerichtlicher Rechtsweg, nämlich die vom Oberlandesgericht erneut zu treffende Sachentscheidung, zur Verfügung. ..." (BVerfG, 2 BvR 473/06 vom 27.10.2006, Absatz-Nr. (1 - 29), www.BVerfG.de/entscheidungen/rk20061027_2bvr047306.html)
*** (BGH)
Die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen in Abwesenheit des aus der Hauptverhandlung entfernten Angeklagten betrifft einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung. Dies gilt nicht, wenn der Angeklagte Gelegenheit hat, die Vernehmung über eine Bild-Ton-Übertragung zeitgleich mitzuverfolgen und er vor der Entlassung des Zeugen nach ausdrücklicher Befragung des Vorsitzenden von seinem Fragerecht keinen Gebrauch machen will. Die Zulässigkeit der Verfahrensrüge der unzulässigen Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten setzt voraus, dass in der Revisionsbegründungsschrift die näheren Umstände der Video-Übertragung im Einzelnen vorgetragen werden (BGH, Urteil vom 09.02.2011 - 5 StR 387/10 zu StPO §§ 338 Nr. 5, 230, 247, 344 Abs. 2 S. 2).
***
Die Durchführung eines förmlichen Augenscheins während der Vernehmung eines Zeugen in Abwesenheit des aus dem Sitzungszimmer entfernten Angeklagten kann auch dann nicht als Teil der Vernehmung des Zeugen angesehen werden, wenn er eng mit dieser verbunden ist (BGH, Beschluss vom 05.10.2010 - 1 StR 264/10 zu StPO §§ 338 Nr. 5, 247, 230 Abs. 1).
***
Es erscheint ausgeschlossen, von § 231c StPO im Rahmen eines Strafverfahrens Gebrauch zu machen, das sich gegen mehrere Angeklagte wegen bandenmäßiger Begehung von Straftaten richtet. Die Befugnis zur Einlegung eines Rechtsmittels und zur Erhebung von Verfahrensrügen (hier: Verstoß gegen §§ 230, 231c StPO) bleibt einem Angeklagten uneingeschränkt erhalten, auch wenn dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen ist. Dies folgt aus dem Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. 07. 2009 (BGBl I 2353), das nach einer solchen Verfahrensbeendigung keine Einschränkungen hinsichtlich der Rechtsmittelbefugnis vorsieht (BGH, Beschluss vom 06.08.2009 - 3 StR 547/08).
***
?... b) Die Bewertung der Strafkammer, der Angeklagte sei bei der Fortsetzung der Hauptverhandlung - eigenmächtig - ausgeblieben (§ 231 Abs. 2 StPO) ist nach freibeweislicher (BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 24; BGH NStZ 1999, 418) Überprüfung nicht erschüttert worden und deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt (§ 230 Abs. 1 StPO); der erschienene Angeklagte darf sich aus der Hauptverhandlung nicht entfernen (§ 231 Abs. 1 Satz 1 StPO). Dies dient der Gewährleistung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in jeder Phase der Hauptverhandlung. Zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, zur Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs, ist der Angeklagte im Gegenzug zur Teilnahme an der Hauptverhandlung grundsätzlich verpflichtet und kann dazu auch gezwungen werden (§ 230 Abs. 2, § 231 Abs. 1 Satz 2, § 112 StPO; ein in Untersuchungshaft befindlicher Angeklagter muss vorgeführt werden, auch wenn er lieber ?in Ruhe Mittagessen möchte', BGH NStZ 1993, 446). Ein Angeklagter, der sich der Hauptverhandlung entzieht, hat zwar im Grunde seinen Anspruch auf Gehör verwirkt (zur Verwirkung vgl. Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG 50. Lfg. Art. 103 Abs. 1 Rdn. 18, 83). Wegen der besonderen Bedeutung des Rechts auf Gehör als Voraussetzung für ein faires rechtsstaatliches Verfahren trägt die Strafprozessordnung diesem Gedanken der Verwirkung allerdings nur unter den Voraussetzungen des § 231 Abs. 2 StPO sowie des - hier nicht in Frage stehenden - § 231a StPO (und bei Entfernung des Angeklagten aus der Hauptverhandlung wegen Ungebühr - § 177 GVG -) Rechnung.
Gemäß § 231 Abs. 2 StPO kann die Hauptverhandlung in Abwesenheit eines Angeklagten zu Ende geführt werden, wenn er sich aus dieser entfernt oder zu einem Fortsetzungstermin nicht erscheint, sofern er über die Anklage schon vernommen war und das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet. Über den bloßen Wortlaut hinaus muss der Angeklagte dabei seine Pflicht zum Verbleiben oder Wiedererscheinen eigenmächtig verletzt haben, denn bei genügender Entschuldigung kann sein Erscheinen auch sonst nicht erzwungen werden (vgl. § 230 Abs. 2 StPO). Eigenmächtig handelt der Angeklagte, der ohne Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe wissentlich seiner Anwesenheitspflicht nicht genügt (BGHSt 37, 249, 255; BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 24). Nicht erforderlich ist die Feststellung - wie noch von der früheren Rechtsprechung gefordert (vgl. BGH NStZ 1988, 421, 422) -, dass der Angeklagte versucht habe, im Sinne einer Boykottabsicht den ?Gang der Rechtspflege' zu stören oder ihm ?entgegenzutreten' (vgl. BGHSt 37, 249, 254 f. m.w.N.). Eigenmächtig einem Fortsetzungstermin fern bleibt danach auch der Angeklagte, der sich schon vor dem angesetzten Termin wissentlich und ohne Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund, d.h. ohne Not, in eine Lage begibt, die für ihn vorhersehbar mit dem erheblichen Risiko verbunden ist, zum angesetzten Termin an der Teilnahme der Hauptverhandlung gehindert zu sein. Dem eigenmächtigen Ausbleiben im Sinne von § 231 Abs. 2 StPO steht es deshalb gleich, dass sich der Angeklagte nach der Vernehmung zur Sache - vorher gilt § 231a StPO - in einen seine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt (BGH NStZ 2002, 533, 535 m.w.N.). Dem ist die Situation vergleichbar, wenn ein Angeklagter während einer laufenden Hauptverhandlung in Deutschland im Ausland vorsätzlich eine Straftat von Gewicht begeht, bei deren Entdeckung er mit seiner Verhaftung rechnen muss. Anders als bei einer Inhaftierung in anderer Sache in Deutschland (vgl. hierzu BGH NStZ 1997, 295) steht dann ein Zugriff auf den Angeklagten nicht in der Macht der deutschen Strafverfolgungsorgane. Gelingt die Überstellung des Angeklagten aus dem Ausland zur rechtzeitigen Fortsetzung der Hauptverhandlung in Deutschland nicht, so dass das Verfahren gegen ihn ausgesetzt werden muss, dann hat der Angeklagte durch die Begehung der Straftat hierzu direkt vorsätzlich die Ursache gesetzt. Darauf, dass sich das mit der vorsätzlichen Straftat bewusst eingegangene Risiko der Festnahme und in der Folge der Unmöglichkeit der Teilnahme des Angeklagten an der Fortsetzung der Hauptverhandlung in Deutschland dann auch tatsächlich realisiert, muss sich der direkte Vorsatz nicht beziehen. Auch der Angeklagte, der darauf vertraut, seine (Auslands-)Tat werde nicht entdeckt oder er könne rechtzeitig fliehen, setzt das Verhaftungsrisiko wissentlich im Sinne von § 231 Abs. 2 StPO. Der Absicht der Verfahrenssabotage bedarf es - wie oben ausgeführt - nicht. Nichts anderes kann gelten, wenn ein in Deutschland vor Gericht stehender Angeklagter, der schon früher eine Straftat entsprechenden Gewichts im Ausland begangen hat, wegen der er - wie er weiß - auch mit seiner Verhaftung im Land des Tatorts rechnen muss, sich während des Laufs der gegen ihn gerichteten Hauptverhandlung ohne Not in jenes Land und dort in eine Situation mit hohem Verhaftungsrisiko begibt. So liegt der Fall hier.
Am 19. Oktober 2001 war der Angeklagte wieder auf freien Fuß gekommen. Die Vollstreckung der Reststrafe der aus den Verurteilungen des Landgerichts Tübingen vom 10. November 1998 wegen Wertpapierfälschung (zwei Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe) und des Landgerichts Mannheim wegen Geldfälschung (drei Jahre und vier Monate Freiheitsstrafe) gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten war für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt worden. Der - auch nach Schweizer Recht vorbestrafte - Angeklagte hat dann im April 2002 zusammen mit seinem ?Komplizen' W. - so der Vorwurf - in der Schweiz eine schwerwiegende Betrugsstraftat mit Urkundenfälschung begangen. Er war deswegen im Jahre 2003 in der Schweiz auch schon verhaftet und etwa sechs Wochen lang in Untersuchungshaft genommen worden. Zumindest in diesem Zusammenhang war er in der Schweiz erkennungsdienstlich behandelt, waren also Fingerabdrücke von ihm genommen worden. Sein mutmaßlicher Mittäter W. war im November 2005 in der Schweiz festgenommen worden. Anfang Februar 2006 hatte dieser den Angeklagten Dr. H. den Schweizer Ermittlungsbehörden gegenüber schwer belastet, wie dem Angeklagten Mitte des Jahres 2006 bekannt war. Zum einen hatte der Angeklagte engen Kontakt zu seinem Schweizer Verteidiger im dortigen Verfahren. Zum anderen wurde dem in der Schweiz angeschuldigten Angeklagten in der Hafteinvernahme vom 16. Juli 2006 dies auch unwidersprochen vorgehalten:
?Nach Kenntnisnahme von W. s Verhaftung ließen Sie durch Ihren Anwalt ausrichten, dass vor Ende August bzw. September kein Einvernahmetermin möglich wäre. Weshalb das?'
Darauf erklärte der Angeklagte:
?Ich sprach dem Herrn Sc. , dass ich ab dem 20. Juli 2006 zur Verfügung stehen würde.'
Damit wird ersichtlich auf die Gespräche des Schweizer Verteidigers des Angeklagten mit dem ermittelnden Staatsanwalt in Zürich in der zweiten Junihälfte 2006 angespielt.
Vor diesem Hintergrund musste der Angeklagte jedenfalls seit Juni 2006 damit rechnen und hat auch damit gerechnet, dass ihm nunmehr bei einer Einreise in die Schweiz im Falle seiner Identifizierung die erneute Verhaftung droht. Dem steht nicht entgegen, dass sich der Angeklagte, wie er vorträgt, früher zuweilen unbehelligt in der Schweiz aufhielt, auch um der Vernehmung eines Zeugen beizuwohnen, dass er immer wieder bei seiner Lebensgefährtin an deren Wohnsitz in Basel weilte, dass er Flugreisen von Zürich aus antrat, im März 2005 und schließlich noch nach Johannisburg zum Besuch von Namibia Ende April/Anfang Mai 2006.
Einen Wohnsitz hatte der Angeklagte in der Schweiz nicht. Bei seiner Festnahme nannte er laut Verhaftungsrapport der Kantonspolizei Zürich vom 14. Juli 2006 als Heimatadresse vielmehr Haus Wo. in D- , ca. 40 km von Basel entfernt (laut Homepage der Gemeinde B. ). Bei seiner Hafteinvernahme am 16. Juli 2006 erklärte er ausdrücklich, dass er in der Schweiz keinen festen Wohnsitz hat. Dass der Angeklagte seinen dauernden Aufenthalt eben nicht - wie noch im Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 6. November 2007 behauptet - bei seiner Lebensgefährtin C. und den zwei gemeinsamen Kindern in der Bi. straße in Ba. wählte, sondern diesen zwar nahe, aber in Deutschland nahm, spricht nicht für sein Vertauen auf dauerhafte Freiheit in der Schweiz. Der Angeklagte wurde auch nicht unter der Anschrift seiner Lebensgefährtin unmittelbar zu dem über den Schweizer Verteidiger in der zweiten Junihälfte vereinbarten Anhörungsterminen am 18. August und 20. September 2006 zur Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl geladen, sondern - mangels einer ladungsfähigen Anschrift des Angeklagten in der Schweiz - nur über diese.
Die Gespräche des Schweizer Verteidigers am 22. und 27. Juni 2006 zur Vereinbarung der - hinausgeschobenen - Einvernahmetermine bewerteten die Ermittlungsbeamten in der Schweiz, wie sich aus dem Vorhalt an den Angeklagten in der Hafteinvernahme am 16. Juli 2006 ergibt, als Hinhaltetaktik, nachdem die Verhaftung des mutmaßlichen Mittäters W. bekannt geworden war. Die Fragen des Verteidigers an den ermittelnden Staatsanwalt nach einer beabsichtigten Verhaftung - auf die ein erfahrener Verteidiger niemals eine offene Antwort erwarten durfte - konnten in diesem Zusammenhang nur kontraproduktiv wirken. Sie deuteten darauf hin, dass eine wirkliche Bereitschaft, sich dem Verfahren in der Schweiz freiwillig zu stellen, nicht besteht.
Vor diesem Hintergrund lag es für den - strafprozessual erfahrenen - Angeklagten sehr nahe, dass die Schweizer Ermittlungsbehörden, nach der Verhaftung des W. , nun - ab der zweiten Junihälfte 2006 - ernsthaft versuchen würden, auch seiner - des Dr. H. - in der Schweiz habhaft zu werden. Denn eine Auslieferung aus Deutschland kam nicht in Betracht (Art. 16 Abs. 2 GG).
Beim Antritt der Flugreise nach Bangkok am 14. Juli 2006 war dann in Anbetracht der damit verbundenen Sicherheitsüberprüfungen die Identifizierung des Angeklagten auf dem Flughafen Zürich sicher und - womit er rechnen musste und auch rechnete - dann auch seine Festnahme nahe liegend. Der Angeklagte wurde - von ihm deshalb auch nicht unerwartet - am 14. Juli 2006 um 20.45 Uhr bei der Ausreisekontrolle aufgrund seiner Ausschreibung in Ripol (Recherches informatisées de la police) nach Fingerabdruckvergleich in SwissAfis (Automated fingerprint identification System des Schweizerischen Bundesamts für Polizei) als zur Festnahme ausgeschriebene Person erkannt, anhand seines Passes identifiziert, anschließend festgenommen und am 17. Juli 2006 in Schweizer Untersuchungshaft genommen, in der er jedenfalls bis zur Urteilsverkündung in dieser Sache am 15. November 2006 ununterbrochen verblieb.
Damit hat sich der Angeklagte eigenmächtig der Teilnahme an der Fortsetzung der gegen ihn gerichteten Hauptverhandlung in Stuttgart entzogen. Die Hauptverhandlung konnte in seiner Abwesenheit fort- und zu Ende geführt werden. Der Angeklagte hatte Gelegenheit gehabt, sich zu seinen persönlichen Verhältnissen und zur Sache zu äußern. Dass die Anwesenheit des Angeklagten im weiteren Verfahren nicht erforderlich war, hat die Strafkammer ermessensfehlerfrei bejaht.
Die Rüge eines Verstoßes gegen § 338 Nr. 5 i.V.m. § 230 Abs. 1, § 231 StPO ist deshalb jedenfalls unbegründet.
Darauf, ob es der Angeklagte auf die Behinderung des Verfahrens, auf dessen Boykott abgesehen hatte, kommt es - wie oben dargelegt - nicht an. Allerdings spricht einiges dafür, dass es der Angeklagte unter geschickter Inszenierung der entsprechenden Rahmenbedingungen im Juni 2006 zur Verschleierung seiner wahren Absicht darauf angelegt hatte, mit einer provozierten Inhaftierung in der Schweiz eine Aussetzung der Hauptverhandlung gegen ihn in Stuttgart zu erreichen. Am 19. Juni 2006 waren die Flugscheine nach Bangkok ausgestellt worden, am 22. und 27. Juni 2006 fanden die Gespräche des Schweizer Verteidigers mit dem Staatsanwalt in Zürich statt, die diesen hellhörig machen mussten und ihn - unter diesen Voraussetzungen - dann auch hellhörig machen sollten. Vom 29. Juni 2006 datiert die Rechnung für die Musikreise nach Verona. Damals neigte sich das Stuttgarter Verfahren nach nahezu eineinhalb Jahren Verhandlungsdauer ihrem Ende entgegen. Der Angeklagte musste angesichts des Gewichts der Tatvorwürfe immer noch mit der Verurteilung zu einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe rechnen, trotz der über zehn Jahre zurückliegenden Tatzeit und der konventionswidrigen (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) Verfahrensverzögerung, die die Strafkammer bei der Strafzumessung dann auch angemessen berücksichtigte. Bereits die Anklageerhebung erfolgte - auch unter Berücksichtigung der Komplexität des Sachverhalts und des Umfangs der internationalen Verflechtungen - schon spät am 18. Dezember 2000 (mit Anklageschrift vom 12. Dezember 2000). Die Hauptverhandlung konnte dann aber nach mehr als vier weiteren Jahren sogar erst am 9. Februar 2005 begonnen werden. Der Angeklagte hatte das nicht zu vertreten. Die Ursache lag vielmehr in der Überlastung der Wirtschaftsstrafkammern des Landgerichts Stuttgart, die - wie dem Senat bekannt ist - überproportional unter Personalkürzungen zu leiden hatten. Verfahren, in denen keine Untersuchungshaft vollzogen wird und in denen keine verfahrensabkürzende Absprache zustande kommt, können nicht mehr in angemessener Zeit begonnen und abgeschlossen werden. Daher hätte der Angeklagte nach einer Aussetzung des gegen ihn gerichteten Verfahrens schon deshalb - ganz abgesehen von der Haft in der Schweiz - nicht mit einem baldigen Neubeginn der Hauptverhandlung in Stuttgart und nicht mehr mit einem wirklich belastenden Ausgang dieses Verfahrens rechnen müssen. Demgegenüber war der Gegenstand des Verfahrens in der Schweiz vergleichsweise neu. In diesem Verfahren musste er auf jeden Fall noch mit ernsthafter Verfolgung rechnen, sei es in der Schweiz oder in Deutschland (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB). Sich diesem - zunächst - auszuliefern, um dem älteren deutschen Verfahren - scheinbar unfreiwillig und praktisch endgültig - zu entgehen, lag deshalb nahe. Im Schweizer Verfahren hat der Angeklagte, wie der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz vom 15. Oktober 2007 mitgeteilt hat, inzwischen seine Entlassung gegen Stellung einer Kaution erreicht. ..." (BGH, Beschluss vom 07.11.2007 - 1 StR 275/07)
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?... Nähere Ausführungen sind lediglich zu dem behaupteten Verstoß gegen §§ 338 Nr. 5, 247 Satz 1, 230 Abs. 1 StPO veranlasst.
a) Der Rüge liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:
Am 16. Hauptverhandlungstag wurde der Zeuge He. zu Geschehnissen vernommen, die nicht die angeklagte Tat, sondern einen Vorfall betrafen, der sich 10 Tage zuvor ereignet hatte. Damals war der Zeuge He. u. a. von dem Angeklagten H. , der nach den Urteilsfeststellungen Spaß am Quälen von Menschen hat, über Stunden grausam gefoltert und gedemütigt worden. Der Zeuge He. war nicht bereit, in Anwesenheit des Angeklagten H. und zweier weiterer Angeklagten wahrheitsgemäße Angaben zur Sache zu machen, weil er Angst vor diesen hatte und weil sowohl er als auch seine Familie von diesen bedroht worden waren, weshalb er auch seinen Wohnort gewechselt hatte.
Vor diesem Hintergrund wurden die drei Angeklagten während der Vernehmung des Zeugen He. von der Teilnahme an der Hauptverhandlung ausgeschlossen. Im Rahmen der Vernehmung wurden mit Einverständnis des Zeugen auch dessen als Folge der Folterungen vernarbten Unterarme in Augenschein genommen. Der Augenschein wurde nach Wiederzulassung der Angeklagten nicht wiederholt. Die Kammer hat dem Vorfall mit dem Zeugen He. im Folgenden indizielle Bedeutung beigemessen, insbesondere was die Anführerrolle des Angeklagten H. anbelangt.
b) Der von der Revision behauptete absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 i.V.m. §§ 247 Satz 1, 230 Abs. 1 StPO liegt nicht vor.
Zwar sind, worauf die Revision zutreffend hinweist, während der Abwesenheit des Angeklagten andere Beweisvorgänge, wie z. B. eine Augenscheinseinnahme, untersagt (BGH NStZ 1986, 564; 2001, 262; NJW 2003, 597). Sie müssen daher, wenn sie trotzdem stattgefunden haben, nach Wiedereintritt des Angeklagten wiederholt werden. Ausnahmsweise erstreckt sich eine Ausschließung des Angeklagten gemäß § 247 Satz 1 StPO jedoch neben der Vernehmung eines Zeugen auch auf eine Augenscheinseinnahme und zwar dann, wenn - wie hier - die Augenscheinseinnahme am Körper des zu vernehmenden Zeugen erfolgt, mit dessen Aussage in untrennbaren Zusammenhang steht und deshalb vom Ausschließungsgrund mitumfasst ist (vgl. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 247 Rdn. 19 FN 47; Hanack JR 1989, 255, 257).
Hier war der Angeklagte - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - nur in Abwesenheit der ihn bedrohenden Angeklagten bereit, sich als Beweismittel für ein nicht angeklagtes Geschehen zur Verfügung zu stellen. § 247 StPO lässt im Interesse der Sachaufklärung und des Zeugenschutzes Ausnahmen von der Anwesenheitspflicht des Angeklagten zu (Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 247 Rdn. Nr. 1).
aa) Es liegt auf der Hand, dass der Zeuge von vornherein keine wahrheitsgemäße, den Angeklagten belastende Aussage gemacht hätte, wenn er damit hätte rechnen müssen, nach Beendigung seiner Vernehmung - dann wieder in Anwesenheit des Angeklagten - zum Gegenstand eines Augenscheins gemacht zu werden. Das Vorzeigen von Spuren am Körper des vom Angeklagten misshandelten Zeugen besitzt nämlich den gleichen Erklärungswert wie eine belastende Aussage. Zudem wäre der Zeuge bei der Durchführung des Augenscheins noch sehr viel intensiver der Begegnung mit dem Angeklagten ausgesetzt als bei seiner Vernehmung. Denn auch dem Angeklagten stünde als Prozessbeteiligtem das Recht zu, den Augenschein selbst vorzunehmen und sich zu diesem Zweck dem Zeugen unmittelbar zu nähern. Eine derartige Konfrontation mit dem gemäß § 247 Satz 4 StPO über den Inhalt der Aussage informierten Angeklagten wirkt aber auf einen Zeugen nicht weniger einschüchternd als der Druck, eine belastende Aussage in dessen Gegenwart zu leisten. Die Gefahr, dass der Zeuge schon im Hinblick auf diese von ihm als äußerst bedrohlich empfundene Situation keine wahrheitsgemäße Aussage macht, ist deshalb nicht geringer als bei Vernehmung im Beisein des Angeklagten. Der Ausschluss des Angeklagten nur während der Vernehmung würde daran nichts ändern.
Hier war das Gericht auch nicht gehalten, auf ein weniger sachnahes Beweismittel wie z. B. einen Augenscheinsgehilfen auszuweichen, der später - in Anwesenheit des Angeklagten - als Zeuge oder Sachverständiger hätte vernommen werden können. Die Augenscheinseinnahme am Körper des Zeugen erfolgte nämlich im Rahmen seiner Vernehmung dergestalt, dass sie als deren notwendiger Bestandteil anzusehen ist und deshalb zur Sachaufklärung geboten war. So erklärte der Zeuge He. - wie von der Revision G. vorgetragen (RB 8) - den Prozessbeteiligten die in Augenschein genommenen Narben, was einem Augenscheinsgehilfen in dieser Form nicht möglich gewesen wäre.
bb) Damit kann letztlich dahinstehen, ob - wofür einiges spricht - der Ausschluss des Angeklagten während des Augenscheins an dem Zeugen auch aus Gründen des Opferschutzes, wie er in § 247 Satz 2 StPO zum Ausdruck kommt, geboten war (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 11 sowie BGH NJW 1985, 1478; Diemer in KK 5. Aufl. § 247 Rdn. 8; Pfeiffer, StPO 4. Aufl.§ 247 Rdn. 5). Immerhin liegt es auf der Hand, dass eine zu besorgende gesundheitliche Gefährdung des Folteropfers, die die Abwesenheit des Angeklagten bei der Vernehmung bedingen würde, auch dessen Ausschluss bei der sich anschließenden Augenscheinseinnahme seines Opfers zur Folge haben muss. Anderenfalls würde der Zweck der Maßnahme vereitelt. ..." (BGH, Beschluss vom 12.09.2007 - 2 StR 187/07)
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Findet ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung statt, während der Angeklagte - ohne sein Verschulden - verhandlungsunfähig war, liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO vor (BGH StV 1988, 511).
Für die Beurteilung der Eigenmächtigkeit des Fernbleibens kommt es nicht darauf an, ob das Gericht Grund zu der Annahme hatte, der Angeklagte habe den Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung vorsätzlich nicht wahrgenommen, sondern allein darauf, ob eine solche Eigenmächtigkeit tatsächlich vorlag. Dies ist vom Revisionsgericht selbständig zu prüfen (BGH StV 1982, 153).
*** (OLG)
Die weitere Beschwerde gegen Haftentscheidungen ist auch dann zulässig, wenn der zugrunde liegende Haftbefehl bei Einlegung des Rechtsmittels bereits wieder aufgehoben worden war. In diesem Fall richtet sich das Rechtsmittel auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Haftanordnung mit dem Ziel, ggf. deren Rechtswidrigkeit festzustellen. Ein Haftbefehl gem. § 230 Abs. 2 StPO hat im Regelfall zur Voraussetzung, dass zuvor der Versuch, die angeklagte Person zum Termin vorzuführen, gescheitert ist (OLG Braunschweig, Beschluss vom 20.06.2012 - Ws 162/12):
?... I. Die (jetzt) Verurteilte greift mit ihrer weiteren Beschwerde eine Entscheidung der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Göttingen an, mit der ihre Beschwerde, die sich gegen den gemäß § 230 Abs. 2 StPO am 07.03.2012 erlassenen Haftbefehl des Amtsgerichts Göttingen vom 07.03.2012 richtet, verworfen worden ist.
Dem liegt zugrunde, dass die Verurteilte - als damals Angeklagte - zu dem auf den 06.03.2012 anberaumten Termin der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Göttingen über die Anklage der Staatsanwaltschaft Göttingen vom 15. Januar 2012 nicht erschienen war, so dass der Strafrichter gem. § 230 Abs. 2 StPO Haftbefehl erließ. Daraufhin wurde die Verurteilte am 30.03.2012 aufgrund des Haftbefehls um 07:30 Uhr in ihrer Wohnung festgenommen und zunächst dem Haftrichter vorgeführt, der den Haftbefehl aufrechterhielt, worauf die Verurteilte sogleich im Verlauf des Termins zur Verkündung des Haftbefehls zu Protokoll des Amtsgerichts Haftbeschwerde einlegte. Um 10:45 Uhr wurde sie in der Justizvollzugsanstalt Vechta - Abteilung Hildesheim - aufgenommen und vier Tage später von dort zum nächsten Termin dem Amtsgericht am 03.04.2012 vorgeführt. Die Verhandlung endete mit einer sogleich rechtskräftig gewordenen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten wegen Diebstahls, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Seit der Festnahme am 30.03.2012 und bis zur Aufhebung des Haftbefehls nach Abschluss der Hauptverhandlung am 03.04.2012 war gegen die Verurteilte jedoch nicht Untersuchungshaft, sondern nach einer noch am 30.03.2012 erfolgten Änderung der Vollstreckungsreihenfolge eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt worden, wobei die Haftanordnung aber als sog. ?Überhaft" aufrechterhalten blieb.
Das Landgericht hat die Haftanordnung nicht überprüft, sondern die Haftbeschwerde bereits als unzulässig mit der Begründung verworfen, dass der Haftbefehl im Hinblick auf die vollstreckte Ersatzfreiheitsstrafe niemals vollzogen worden sei.
Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Verurteilten vom 12.04.2012, mit der die Verurteilte geltend macht, dass ihr Ausbleiben im Hauptverhandlungstermin vom 06.03.2012 zum einen aufgrund einer durch ärztliches Attest belegten Erkrankung entschuldigt gewesen und mit der sie zum anderen rügt, dass die Haftanordnung unverhältnismäßig gewesen sei.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die weitere Beschwerde bereits als unzulässig zu verwerfen.
II. Das Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Feststellung, dass die Haftanordnung und die Entscheidung der Strafkammer rechtswidrig waren.
Zunächst ist die weitere Beschwerde zulässig. Die Frage, ob gem. § 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO auf Beschwerde ergangene Beschlüsse des Landgerichts in Haftsachen auch dann weiter angefochten werden können, wenn der zugrunde liegende Haftbefehl bei Einlegung der weiteren Beschwerde bereits wieder aufgehoben worden war, wird in Literatur und Rechtsprechung streitig beurteilt. Während die Oberlandesgerichte Celle (Beschluss vom 21.02.2003 - 2 Ws 39/03; juris) und Düsseldorf (Beschluss vom 12.02.2001 - 1 Ws 33/01; juris) sowie (u.a.) Matt (in: Löwe-Rosenberg, StPO 26. Aufl., Rdnr. 33 zu § 310) die Frage bejahen, wird sie vom Oberlandesgericht Frankfurt (Beschluss vom 24.11.2005 - 1 Ws 126/05; juris), dem Oberlandesgericht Hamm (NJW 1999, 2299) sowie Meyer-Goßner (StPO 54. Aufl., Rdnr. 7 zu § 310) verneint. Der letztgenannten Ansicht liegt auch der Antrag der Generalstaatsanwaltschaft zugrunde.
Der Senat folgt dieser Ansicht nicht. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG NJW 1997, 2163) hatte schon zur Frage des Rechtsschutzes in Fällen erledigter richterlicher Durchsuchungsanordnungen entschieden, dass das aus Art. 19 Abs. 4 GG folgende Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes dem Betroffenen das Recht gibt, in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe die Berechtigung des Eingriffs auch dann gerichtlich klären zu lassen, wenn der Grundrechtseingriff beendet ist. Dies gilt im Hinblick auf das dadurch berührte überragende Rechtsgut der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 GG) auch und gerade für die Untersuchungshaft betreffenden Entscheidungen, wobei die Gewährung von Rechtsschutz im Hinblick auf das bei Freiheitsentziehungen bestehende Rehabilitierungsinteresse weder vom konkreten Ablauf des Verfahrens und dem Zeitpunkt der Erledigung der Maßnahme noch davon abhängt, ob Rechtsschutz typischerweise noch vor Beendigung der Haft erlangt werden kann (BVerfG, Beschluss vom 31.10.2005 - 2 BvR 2233/04; juris). Eine Haftbeschwerde darf in solchen Fällen nicht wegen prozessualer Überholung als unzulässig verworfen werden; vielmehr ist die Rechtmäßigkeit der zwischenzeitlich erledigten Maßnahme zu prüfen und deren Rechtswidrigkeit festzustellen (BVerfG a.a.O.). Da man diesen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht gerecht würde, wenn man die gebotene Überprüfung auf nur eine fachgerichtliche Entscheidung beschränken würde, und das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich eine umfassende Prüfung der Fachgerichte im Rahmen der durch das Prozessrecht vorgesehenen Instanzen einfordert (BVerfG, Beschluss vom 30.04.1997 - 2 BvR 817/90 - Leitsatz Nr. 1), müssen diese Grundsätze auch für die weitere Beschwerde gelten.
Das damit zulässige Rechtsmittel ist auch begründet. Dass der Beschluss des Landgerichts, der die vorstehende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht missachtet hat und zudem auf falsch ermittelter Tatsachengrundlage ergangen ist, deshalb keinen Bestand haben kann, bedarf keiner näheren Begründung zumal es allgemeine Meinung ist, dass eine Haftbeschwerde auch dann zulässig ist, wenn der Haftbefehl wegen ?Überhaft" nicht vollzogen wird (Meyer-Goßner, StPO 54. Aufl., Rdnr. 8 zu § 117). Das Landgericht hätte einer Sachentscheidung daher nicht ausweichen dürfen.
Die eigentlich bereits dem Landgericht gebotene Überprüfung des Haftbefehls hätte aber unschwer dessen Rechtswidrigkeit ergeben. Unabhängig von der Frage, ob das vorgelegte ärztliche Attest das Ausbleiben der Beschwerdeführerin im Termin genügend entschuldigt, hätte die Haftanordnung deshalb nicht ergehen dürfen, weil die Durchführung der Hauptverhandlung ersichtlich auch mit einer Vorführung zum Termin hätte gesichert werden können. Dann aber ist unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dem Vorführungsbefehl, weil gegenüber dem Haftbefehl weniger einschneidend, zwingend der Vorzug zu geben. So liegt es im vorliegenden Fall: Die Beschwerdeführerin hat einen festen Wohnsitz und wohnt dort mit ihrem Lebensgefährten und drei Kindern. Zur Hauptverhandlung konnte sie dort jederzeit ohne Probleme geladen werden und wurde dort bei ihrer Festnahme tatsächlich auch angetroffen. Der Erlass eines Haftbefehls wäre deshalb erst dann zulässig gewesen, wenn ein Vorführungsbefehl keinen Erfolg gehabt hätte. ..."
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Der Erlass eines Haftbefehls gemäß § 230 Abs. 2 StPO setzt nicht voraus, dass das Gericht zugleich einen erneuten Hauptverhandlungstermin innerhalb der Unterbrechungsfrist des § 229 StPO anberaumt. Allerdings kommt im Falle von Hauptverhandlungshaft dem Übermaßverbot - über das allgemeine Haftrecht hinausgehend - besondere Bedeutung zu. Denn § 230 Abs. 2 StPO setzt weder einen dringenden Tatverdacht noch einen Haftgrund nach §§ 112, 112a StPO voraus. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es daher, die Hauptverhandlung in angemessener Zeit nach Festnahme des Angeklagten durchzuführen (OLG Köln, Beschluss vom 11.06.2012 - 2 Ws 428/12).
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§ 230 Abs. 2 StPO lässt auch bei Schuldunfähigen nur Vorführungs- und Haftbefehl zu und nicht die - an andere und strengere Voraussetzungen geknüpfte - einstweilige Unterbringung. Dies trifft auch auf das Sicherungsverfahren nach den §§ 414 ff. StPO zu (OLG Hamburg, 07.03.2012 - 2 Ws 36/12).
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I. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift vom 02.12.2011 den Sach-- und Verfahrensstand wie folgt zusammengefasst:
?Gegen den Angeklagten ist durch Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 20.01. 2011 - 82 Ds-551 Js 681/09-417/10 - wegen Urkundenfälschung in fünf Fällen jeweils in Tateinheit mit Betrug, wobei es hinsichtlich des Betruges in zwei Fällen beim Versuch blieb, eine Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10,00 Euro verhängt worden. Gegen dieses Urteil, das der Staatsanwaltschaft Bonn am 21.03.2011 zugestellt worden ist, hat die Staatsanwaltschaft Bonn unter dem 21.01.2011 Berufung eingelegt, eingegangen beim Amtsgericht Bonn am selben Tag und diese mit Verfügung vom 07.04.2011, eingegangen beim Landgericht Bonn am 13.04.2011, begründet. Der Angeklagte hat gegen dieses Urteil, das seinem Verteidiger am 10.02.2011 zugestellt worden ist, mit Telefax seines Verteidigers vom 20.01.2011, eingegangen beim Amtsgericht Bonn am selben Tag, Revision eingelegt und diese mit weiterem anwaltlichen Telefax vom 11.02.2011, eingegangen beim Amtsgericht Bonn am 14.02.2011, mit der Verletzung materiellen Rechts begründet.
Die 5. kleine Strafkammer des Landgerichts Bonn - 25 Ns-551 Js 581/09-51/11 - hat durch Urteil vom 20.05.2011 die gemäß § 335 Abs. 3 StPO als Berufung anzusehende Revision des Angeklagten verworfen, weil der Angeklagte zu dem anberaumten Hauptverhandlungstermin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen und auch nicht in zulässiger Weise vertreten worden sei. Gegen dieses, dem Verteidiger des Angeklagten am 26.05.2011 zugestellte Urteil hat der Angeklagte mit Telefax seines Verteidigers am 20.05.2011, eingegangen beim Landgericht Bonn am selben Tag, Revision eingelegt, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Revision mit weiterem anwaltlichen Telefax vom 23.05.2011, eingegangen beim Landgericht Bonn am selben Tag, mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet.
Mit Beschluss vom 07.06.2011 hat die 5. kleine Strafkammer des Landgerichts Bonn - 25 Ns-551 Js 581/09-51/11 - den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig verworfen. Der Beschluss wurde dem Verteidiger des Angeklagten am 10.06.2011 zugestellt. Ein Rechtsmittel hiergegen ist nicht eingelegt worden.
Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat die 5. kleine Strafkammer des Landgerichts Bonn - nach Hauptverhandlungsterminen am 01.07.2011 und 05.07.2011 - mit Urteil vom 05.07.2011 - 25 Ns 51/11 - das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 20.01.2011 im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15,00 Euro verurteilt wird. Zu dem Hauptverhandlungstermin am 05.07.2011 war der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer (mündlicher) Ladung am 01.07. 2011 und Hinweises auf die Folgen seines Nichterscheinens nicht erschienen, woraufhin auf Anordnung des Vorsitzenden die Hauptverhandlung gemäß § 231 Abs. 2 StPO ohne die Anwesenheit des Angeklagten fortgesetzt worden war.
Gegen dieses, am 13.07.2011 dem Verteidiger des Angeklagten zugestellte Berufungsurteil vom 05.07.2011 hat der Angeklagte mit anwaltlichem Telefax vom 06.07.2011, beim Landgericht Bonn eingegangen am selben Tag, Revision eingelegt und diese mit weiteren anwaltlichen Telefaxen vom 13.07.2011 und 18.07.2011, jeweils eingegangen beim Landgericht Bonn am selben Tag, mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet."
Zu dem Verwerfungsantrag der Generalstaatsanwaltschaft hat der Verteidiger mit weiteren Schriftsätzen vom 12.12.2011 und 13.12.2011 Stellung genommen.
II. Das Rechtsmittel des Angeklagten vom 06.07.2011 hat insofern (vorläufigen) Erfolg, als es gemäß §§ 353, 354 Abs. 2 StPO zur Aufhebung des Urteils der 5. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bonn vom 05.07.2011 und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts Bonn führt.
1. Die in zulässiger Form erhobene Verfahrensrüge, mit der die Revision einen Verstoß gegen §§ 231 Abs. 2, 230 Abs.1 StPO rügt, ist begründet; sie erfordert gemäß § 338 Nr. 5 StPO die Urteilsaufhebung. Mit der allein durch den Vorsitzenden der Strafkammer getroffenen Anordnung, die Hauptverhandlung vom 05.07.2011 ohne den Angeklagten fortzusetzen, ist gegen § 231 Abs. 2 StPO verstoßen worden.
a) Bleibt der Angeklagte bei der Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung aus, so kann diese nach § 231 Abs. 2 StPO in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden, wenn er über die Anklage schon vernommen war und das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet. Erforderlich ist danach eine Ermessensentscheidung ?des Gerichts". Hat der Vorsitzende eines Kollegialgerichtes die Fortführung der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten verfügt, kann nicht ohne weiteres in der schlichten weiteren Mitwirkung anderer Berufsrichter oder der Schöffen an der Hauptverhandlung eine stillschweigende Billigung dieser Entscheidung gesehen werden. Der Senat folgt insoweit der in der Kommentarliteratur vertretenen Ansicht, wonach dem Schweigen der Schöffen auf das Vorgehen des Vorsitzenden beim Übergang in die Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nicht die Bedeutung eines Votums zukommt, das nach einer Beratung des Kollegiums abzugeben wäre (vgl. KMR-Eschelbach, StPO, 46. EL April 2007, § 231 Rdnr. 26; SK-Schlüchter, StPO, Stand 2007, § 231 Rdnr. 43). Die abweichende Ansicht (vgl. Becker, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 231 Rdnr. 31), die in der Mitwirkung der anderen Richter in aller Regel die stillschweigende Billigung der kompetenzwidrigen Entscheidung des Vorsitzenden sieht, liefe auf eine reine Fiktion hinaus. In jedem Fall, in dem von Seiten der beisitzenden Richter und Schöffen nicht interveniert wird, hätte die Anordnung des Vorsitzenden als Entscheidung des Kollegialgerichts zu gelten, ohne dass gewährleistet ist, dass sich sämtliche Richter überhaupt ihrer Mitwirkungsmöglichkeit und des Charakters der Entscheidung als Ergebnis einer Ermessensausübung bewusst waren. Von daher ist der Ansicht zu folgen, die für eine Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten die entsprechende Entscheidung des Kollegialgerichts fordert, die zweckmäßig durch einen förmlichen Beschluss erfolgen und mit Blick auf die Bedeutung der Entscheidung, die einen absoluten Revisionsgrund eröffnen kann, auch begründet werden sollte.
b) Der Vorsitzende der 5. kleinen Strafkammer hat somit in der Berufungshauptverhandlung vom 05.07.2011 gegen § 231 Abs. 2 StPO verstoßen, indem er ausweislich des Protokolls angeordnet hat, dass die Verhandlung ohne die Anwesenheit des Angeklagten fortgesetzt wird, nachdem dieser trotz ordnungsgemäßer Ladung zum Fortsetzungstermin nicht erschienen war. Dadurch hat er kompetenzwidrig ohne Beteiligung der Schöffen allein entschieden. In der schlichten Mitwirkung der Schöffen an der weiteren Hauptverhandlung liegt aus den genannten Gründen keine stillschweigende Billigung der Verfügung des Vorsitzenden, so dass es an einer Ermessensentscheidung ?des Gerichts" im Sinne des § 231 Abs. 2 StPO fehlt.
c) Hat entgegen § 231 Abs. 2 StPO nicht das Gericht, sondern der Vorsitzende entschieden, begründet dies den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO. Es mangelt in diesem Fall an einer Ausnahmebestimmung zu § 230 Abs. 1 StPO, weshalb die Anforderungen von § 338 Nr. 5 StPO erfüllt sind (vgl. Eschelbach, a.a.O.; Schlüchter, a.a.O.).
2. Da bereits der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt und die sonstigen von dem Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen sowie die allgemeine Sachrüge keiner Entscheidung bedürfen, weist der Senat für die neue Hauptverhandlung auf Folgendes hin:
a) Mit den Erwägungen, die von der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 02.12.2011 dazu angestellt worden sind, dürfte davon auszugehen sein, dass die Staatsanwaltschaft ihre Berufung vom 21.01.2011 gegen das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 20.01.2011 mit der Berufungsbegründung vom 07.04.2011 auf das Strafmaß beschränkt hat. Bei der Auslegung der Erklärung ist nicht am Wortlaut zu haften. Es sind vielmehr unter Berücksichtigung aller Umstände der Sinn der Gesamterklärung, der ge-dankliche Zusammenhang und das Ziel des Rechtsmittels zu erforschen (BGH NJW 1956, 756; BGHSt 29, 359, 365 = NJW 1981, 589; SenE v. 15.05.2001 - Ss 149/01 -; SenE v. 06.07.2001 - Ss 270/01 B - = VRS 101, 218 [219]; SenE v. 18.01.2005 - 8 Ss 476/04 -). Auch Rechtsmittel, die von der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, sind der Auslegung nach den vorstehenden Grundsätzen zugänglich.
b) Die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung dürfte - wiederum entsprechend der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 02.12.2011 - keinen durchgreifenden Bedenken begegnen. Die Gründe des amtsgerichtlichen Urteils lassen den Unrechts- und Schuldgehalt hinreichend abgrenzbar erkennen und bieten eine ausreichende Grundlage für die Überprüfung der Rechtsfolgenentscheidung.
Entgegen den Ausführungen der Revision bleibt danach gerade nicht offen, wer im konkreten Fall überhaupt geschädigt worden sein soll; denn es wird festgestellt, der Vermögensschaden sei bei den betroffenen Apothekern eingetreten. Abgesehen davon dürfte der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht anders zu beurteilen, wenn - entsprechend einer Hilfserwägung des Amtsgerichts - davon auszugehen wäre, dass jedenfalls ein Gefährdungsschaden bei den Apothekern eingetreten ist oder dass die Krankenkassen Geschädigte waren; denn sie könnten gegenüber den Apothekern gleichwohl zur Zahlung verpflichtet sein, wenn diese bei der Aushändigung der Medikamente keine Sorgfaltspflicht verletzt hätten.
Ebenso wenig sollten Bedenken dahin bestehen, dass die konkrete Höhe des erstrebten Vermögensvorteils nicht festgestellt wurde. Das Amtsgericht ist zugunsten des Angeklagten ?von einem geringwertigen Betrag nach § 263 Abs. 4 in Verbindung mit § 248a StGB" ausgegangen. ..." (OLG Köln, Beschluss vom 20.01.2012 - 1 RVs 290/11)
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Ein eigenmächtiges Sich-Entfernen des Angeklagten liegt nicht vor, wenn das Gericht dem Angeklagten im Anschluss an eine Unterbrechung der Hauptverhandlung mitteilt, er brauche zu dem Fortsetzungstermin nicht zu erscheinen. Bleibt der Angeklagte aufgrund dieser Mitteilung im Fortsetzungstermin, in dem das Urteil verkündet wird, aus, darf nicht ohne den Angeklagten verhandelt werden. Wird dennoch das Urteil verkündet, greift der absolute Revisionsgrund nach § 338 Nr. 5 StPO ein (OLG Celle, Beschluss vom 17.05.2011 - 32 Ss 47/11).
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?.. I. Die für den Angeklagten M. angebrachte weitere Beschwerde seines Verteidigers, Rechtsanwalt P. in R., vom 29.03.2011 richtet sich gegen den Beschluss des Landgerichts Schwerin vom 10.03.2011 - 33 Qs 22/11 -, mit dem die Große Strafkammer 3 - als Jugendkammer - die Beschwerde des Angeklagten vom 14.02.2011 gegen den Hauptverhandlungshaftbefehl des Amtsgerichts Schwerin vom 02.11.2010 als unbegründet verworfen hat. Die Strafkammer hat mit Beschluss vom 01.04.2011 der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Die gemäß § 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO statthafte Beschwerde ist formgerecht erhoben (§ 306 StPO), mithin zulässig. Sie erweist sich jedoch als unbegründet.
1.) Dem Rechtsmittel liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
Am 19.02.2010 erhob die Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer und den Mitangeklagten Pa. Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung zum Amtsgericht Schwerin - Jugendrichter - (Bd. I Bl. 117 ff. d. A.). Die Anklageschrift wurde dem Beschwerdeführer unter der im Ermittlungsverfahren bekannt gewordenen Adresse Pl..er Str. xx in xxx Sch. am 25.03.2010 durch Einlegen des Schriftstücks in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt (Bd. I Bl. 122 d. A.).
Die Ladung zu dem für den 14.09.2010 anberaumten Hauptverhandlungstermin wurde dem Beschwerdeführer ebenfalls unter der vorbezeichneten Adresse zugestellt, und zwar am 27.08.2010 wiederum durch dieselbe Postbedienstete durch Einwurf in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten (Bd. I Bl. 148 d. A.).
Zu dem Termin erschien der Beschwerdeführer nicht. Der Mitangeklagte teilte dem Gericht mit, der Beschwerdeführer habe ihn darüber informiert, keine Ladung erhalten zu haben. Das Gericht ordnete daraufhin die Vorführung des Beschwerdeführers zum nächsten Termin am 02.11.2010 an (Bd. I Bl. 152 ff. d. A.). Am 14.09.2010 teilte die Jugendgerichtshilfe Schwerin eine neue Adresse des Beschwerdeführers in xxx A., A. E. xx, mit, woraufhin die zuständige Jugendrichterin am 20.09.2010 die Aufrechterhaltung des Vorführungsbefehls verfügte (Bd. I Bl. 155 d. A.). Die Vorführung des Beschwerdeführers unter der neuen Adresse in A. schlug fehl. Dort konnte lediglich dessen Mutter angetroffen werden, die mitteilte, dass sich ihr Sohn derzeit zu Ausbildungszwecken in M. befinde. Sie habe keinen Kontakt zu ihm, eine Adresse, Telefon-Nummer oder der Name der von ihm besuchten Berufsschule seien ihr nicht bekannt (Bd. I Bl. 165 d. A.). Der Hauptverhandlungstermin am 02.11.2010 wurde wegen Abwesenheit des Beschwerdeführers bereits nach 10 Minuten beendet (Bd. I Bl. 166 f. d. A.). Außerhalb des Hauptverhandlungsprotokolls verfügte die zuständige Jugendrichterin gesondert am selben Tag den Erlass eine Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO (Bd. I Bl. 168, 169 f. d. A.).
Der Haftbefehl konnte bisher nicht vollstreckt werden. Am 25.11.2010 konnte der Beschwerdeführer weder an der bis dahin bekannten Anschrift in Schwerin noch in A. angetroffen werden. Nach Auskunft des Vermieters habe der Beschwerdeführer die Wohnung in Sch. im August 2010 gekündigt und dabei die Adresse in A. als neue Wohnanschrift angegeben.
Mittlerweile hat die Verteidigung eine Bescheinigung des Meldeamtes Sch. vom 28.04.2011 beigebracht, derzufolge der Angeklagte mit Hauptwohnung bis zum 01.07.2010 in Sch., Pl..er Str. xx, in der Zeit vom 01.07.2010 bis zum 30.08.2010 in Sch., Gr. W.str. xx, und ab dem 30.08.2010 in A., A. E. xx gemeldet (gewesen) sei.
2.) Das Landgericht hat die Beschwerde gegen den Haftbefehl zu Recht als unbegründet verworfen. Der Erlass des Haftbefehls am 02.11.2010 war in der Sache gerechtfertigt.
a.) Voraussetzung dafür ist nach § 230 Abs. 2 StPO, dass das Ausbleiben des Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht genügend entschuldigt ist. Dazu ist zu prüfen, ob dem Angeklagten wegen seines Ausbleibens unter Abwägung aller Umstände des Falles billigerweise ein Vorwurf gemacht werden kann (Meyer-Goßner, StPO, 53. Auflage, § 230 Rn. 16 m. w. N.). Eines dringenden Tatverdachts bedarf es ebensowenig wie Haftgründen nach den §§ 112 ff. StPO, erforderlich ist lediglich die Notwendigkeit des Zwangsmittels zur Sicherung der Durchführung der Hauptverhandlung. Ferner ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (L/R-Becker, a. a. O., § 230 Rn. 32 f.).
b.) Eine ausreichende Entschuldigung des Beschwerdeführers für sein Ausbleiben in den Hauptverhandlungsterminen am 14.09. und 02.11.2011 ist nicht ersichtlich.
aa.) Ausweislich der Zustellungsurkunde vom 27.08.2010 war der Beschwerdeführer unter der Adresse Pl.er Straße x in xxx Sch. ordnungsgemäß zum Hauptverhandlungstermin am 14.09.2010 geladen worden.
Als öffentliche Urkunde begründet diese gemäß §§ 182 Abs. 2 Satz 1, 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. Die Beweiskraft erstreckt sich demzufolge auch darauf, dass der Postzusteller die Sendung am 27.08.2010 in einen zur Wohnung des Angeklagten gehörenden Briefkasten eingeworfen hat (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.01.2010 - 3 Ws 21/10 - zitiert nach juris; BVerfG, NJW 1992, 225; NJW-RR 2002, 1008). Auf Grund der Postzustellungsurkunde ist daher von einer ordnungsgemäßen Ladung des Angeklagten auszugehen.
Der Gegenbeweis ist zwar zulässig (§ 418 II ZPO). Hierzu ist indes der volle Beweis der Unrichtigkeit der Zustellungsurkunde erforderlich. Dieser kann nur dadurch geführt werden, dass ein Sachverhalt vorgetragen und bewiesen wird, der jede Möglichkeit der Richtigkeit der beurkundeten Tatsache ausschließt (OLG Frankfurt a. a. O.; OLG Hamm, Beschluss vom 06.10.2009 - 3 Ss 425/09 -, zitiert nach juris; BVerfG, a. a. O; BGH, NJW 2006, 150, 151; Meyer-Goßner, § 37 Rn 27 m. w. N.), indem z.B. bewiesen wird, dass die Zustellungsanschrift in Wirklichkeit nicht (mehr) Wohnung des Angeklagten im hier maßgeblichen Sinne (vgl. dazu KK-Maul, StPO, 6. Auflage, § 37 Rz. 12) zur Zeit der Zustellung gewesen ist.
bb.) Ein solcher Beweis ist hier nicht geführt. Es fehlt vorliegend bereits am substantiierten Antritt eines Gegenbeweises. Durch bloße Zweifel an der Richtigkeit der urkundlichen Feststellungen ist dieser noch nicht erbracht.
(1) Dem Beschwerdevorbringen war dazu, neben nicht näher begründeten Zweifeln an der ordnungsgemäßen Bewirkung der Zustellung, zunächst nur zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer bereits seit dem 01.06.2010 nicht mehr unter der Sch.er Adresse Pl.er Str. x wohnhaft gewesen sei. Bereits am 01.06.2010 habe er sich "anderweitig ordnungsgemäß wohnhaft gemeldet". Tatsächlich erfolgte nach Mitteilung des Vermieters die Kündigung der Wohnung in der Pl.er Str. jedoch erst zum Ende August 2010. Entgegen dem Beschwerdevorbringen hatte sich der Beschwerdeführer auch nicht schon am 01.06.2010, sondern erst am 30.08.2010 bei der zuständigen Ordnungsbehörde A. angemeldet.
Soweit mit Schriftsatz vom 29.04.2011 nunmehr eine Bescheinigung vorgelegt wird, wonach der Angeklagte nur bis zum 01.07.2010 unter der Anschrift Pl.er Str. x, Sch., mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen sei, hernach vom 01.07.2010 bis 30.08.2010 in der G. W.str. xx (nicht, wie noch mit Anwaltsschriftsatz vom 06.04.2011 mitgeteilt, G. W.str. x), Sch. (als "Zwischenadresse"), und danach in A., A. E. xx, ist damit ein Gegenbeweis ebenfalls nicht geführt. Denn eine meldepolizeiliche Adresse ist auch und gerade noch kein hinreichender Beleg, dass unter ihr auch Wohnung im maßgeblichen Sinne genommen worden ist (vgl. dazu KK-Maul a.a.O. § 37 Rz. 11, 12; Meyer-Goßner a.a.O. § 37 Rz. 8), was im Falle des Angeklagten und seinem angeblichen letzten Wohnsitz in A. auch mehr als deutlich zu Tage tritt.
(2) Im Hauptverhandlungstermin am 14.09.2010 hatte das Gericht darüber hinaus keine sicheren Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte an der Adresse, unter der die Zustellung bewirkt worden war, nicht mehr wohnhaft ist. Nach den Angaben des Mitangeklagten hatte der Beschwerdeführer jedenfalls Kenntnis vom Termin, lehnte es aber ab zu kommen, da er angeblich keine Ladung erhalten habe. Den o. g. Anforderungen an einen Gegenbeweis der beurkundeten Zustellung genügte dieses Vorbringen nicht.
c.) Eine Vorführung des Beschwerdeführers an der inzwischen als neuen Wohnanschrift bekannt gewordenen Adresse des Beschwerdeführers in A. konnte nicht realisiert werden. Einer nochmaligen Ladung vor der Vorführung bedarf es regelmäßig nicht (L/R-Becker, a. a. O., § 230 Rn. 28 m. w. N.). Vielmehr wurde bekannt, dass sich der Beschwerdeführer tatsächlich nicht an dieser Adresse, der Anschrift seiner Mutter, aufhält. Diese konnte keinerlei Angaben zum Verbleib ihres Sohnes machen und bestritt, mit diesem noch in Kontakt zu stehen.
Ob von einem Angeklagten in einem Strafverfahren erwartet werden kann, nach einem Umzug seine neue Adresse dem Gericht mitzuteilen, nachdem er bereits von der gegen ihn anberaumten Hauptverhandlung Kenntnis erlangt hat, mag dahinstehen. Vorwerfbar nach dem o. g. Maßstab ist jedenfalls die Mitteilung einer Adresse gegenüber der Ordnungsbehörde und der Jugendgerichtshilfe durch den Beschwerdeführer, an der er sich nicht aufhält und über die ihn offensichtlich auch keine Post bzw. sonstige Nachrichten erreichen.
d.) Soweit die Beschwerde das Unterlassen einer Einwohnermeldeamtsanfrage vor Erlass des Haftbefehls beanstandet, wird nicht ersichtlich, welche Erkenntnisse zum tatsächlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers dadurch hätten gewonnen werden können, die den Erlass eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO entbehrlich machen. Mittels einer solchen Anfrage wäre nach dem Hauptverhandlungstermin am 02.11.2010 allenfalls die neue Anschrift in A. bekannt geworden. Polizeiliche Ermittlungen vor Ort am frühen Morgen des 02.11.2010 hatten aber gerade ergeben, dass sich der Beschwerdeführer unter dieser Anschrift nicht aufhält, ohne das eine neue Adresse ermittelt werden konnte bzw. eine solche bisher mitgeteilt wurde.
3.) Gründe für eine Aufhebung des - bisher noch nicht vollstreckten - Haftbefehls sind nicht ersichtlich. Er ist weiterhin zur Sicherstellung der Durchführung der Hauptverhandlung erforderlich. Es kann nicht erwartet werden, dass der Angeklagte M. zu einem neu anzuberaumenden Hauptverhandlungstermin ohne weiteres erscheinen wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.12.2000 - BvR 1706/00 -, zitiert nach juris). Eine glaubhafte Erklärung in dieser Hinsicht haben weder der Angeklagte noch sein Verteidiger bisher abgegeben. Im Gegenteil lassen das bisherige Verhalten des Angeklagten und das stellenweise zumindest unvollständige und widersprüchliche Beschwerdevorbringen den Schluss zu, dass dieser gerade mittels seiner Unerreichbarkeit eine weitere Verzögerung des Hauptverfahrens anstrebt.
Angesichts der Schwere der Tatvorwürfe und der Bedeutung der Sache ist die Aufrechterhaltung des Haftbefehls auch nicht unverhältnismäßig. ..." (OLG Rostock, Beschluss vom 04.05.2011 - I Ws 101/11)
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Der Erlass eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO setzt bei einem dauerhaft im Ausland lebenden Angeklagten voraus, dass seine Ladung zum Termin nicht nur gemäß § 216 Abs. 1 S. 1 StPO die Warnung auf die Folgen seines unentschuldigten Ausbleibens enthielt, sondern darüber hinaus den eindeutigen Hinweis, dass die Vollstreckung der angedrohten Zwangsmaßnahmen ausschließlich im Geltungsbereich der Strafprozessordnung erfolgt (KG, Beschluss vom 10.11.2010 - 3 Ws 459/10 - 1 AR 1247/10 zu StPO §§ 230 Abs. 2, 216 Abs. 1).
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Ein Angeklagter kann die Unzulässigkeit seiner Entfernung aus der Hauptverhandlung auch dann mit der Verfahrensrüge geltend machen, wenn er oder sein Verteidiger sie in der Hauptverhandlung nicht beanstandet haben. Ein Angeklagter kann die Unzulässigkeit seiner Entfernung aus der Hauptverhandlung auch dann rügen, wenn er den Sitzungssaal freiwillig und ausdrücklich mit Billigung seines Verteidigers verlassen hat. Dies allein reicht zur Annahme einer Rügeverwirkung oder eines Rügeverzichts nicht aus (OLG Hamm, Beschluss vom 17.03.2009 - 2 Ss 94/09 zu StPO §§ 247, 337, 338 Nr. 5, 230).
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Das Anwesenheitsrecht und damit auch die Anwesenheitspflicht eines Angeklagten steht - abgesehen von in der StPO normierten Ausnahmen - nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten und ist demzufolge einer ?konsensualen Regelung' nicht zugänglich (OLG Hamm, Beschluss vom 20.03.2007 - 3 Ss 541/06).
Die Erteilung einer wirksamen Zustellungsvollmacht setzt voraus, daß die betreffende Person mit der Bevollmächtigung einverstanden ist und zur Entgegennahme von Zustellungen bereit ist. Die Zustellungsvollmacht ist aktenkundig zu machen. Fehlt es daran, fehlt es an einer ordnungsgemäßen Zustellung einer Ladung, so daß ein Sicherungshaftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO nicht ergehen darf (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.01.2007 - 1 Ws 274/06).
Der Haftbefehl nach den §§ 230 Abs. 2, 236 StPO erfüllt im Strafbefehlsverfahren nicht den Zweck, den Ungehorsam des Angeklagten zu ahnden. Vor Erlass des Haftbefehls ist daher zu prüfen, ob die Hauptverhandlung trotz Ausbleibens des Angeklagten ohne Einbußen bei der Wahrheitsfindung, der gerechten Beurteilung des Falles und der gebotenen Einwirkung des Verfahrensablaufs auf den Angeklagten durchgeführt werden kann. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der Erlass eines Haftbefehls unverhältnismäßig ( KG Berlin, Beschluss vom 01.03.2007 - 1 AR 272/07 - 4 Ws 26/07, 1 AR 272/07, 4 Ws 26/07, NJW 2007, 2345).
Der Erlaß eines Haftbefehls wegen unentschuldigten Fernbleibens von der Hauptverhandlung gegen einen der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten setzt voraus, daß die mit der Ladung verbundene Warnung in eine ihm verständliche Sprache übersetzt worden ist (OLG Bremen, Beschluss vom 28.04.2005 - Ws 15/05, StV 2005, 433).
Eine Zustellung eines Haftbefehls gem. § 230 Abs. 2 StPO im Ausland durch Einschreiben mit Rückschein (§§ 37 Abs. 1 StPO, 183 ZPO) ist nur wirksam, wenn der unterschriebene Rückschein zu den Gerichtsakten gelangt. Eine Ersatzzustellung durch Niederlegung genügt nicht (OLG Oldenburg, Beschluss vom 21.02.2005 - 1 Ws 73/05, StV 2005, 432).
Auch ein nach § 230 Abs. 2 StPO erlassener Haftbefehl kann in entsprechender Anwendung von § 116 StPO außer Vollzug gesetzt werden. Die Außervollzugsetzung des Haftbefehls unter Verzicht auf die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen ist aber gesetzwidrig und muß zur Aufhebung des Haftbefehls führen, wenn solche Maßnahmen nicht erforderlich sind (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 11.03.2004, StV 2005, 432 f).
Erscheint ein schuldhaft verspäteter Angeklagter noch vor dem Ende der Hauptverhandlung und ist bis zu diesem Zeitpunkt ein Haftbefehl nicht erlassen worden, kann der erkennbar anwesende Angeklagte nunmehr nicht mehr als ausgeblieben behandelt und gegen ihn ein Haftbefehl nach § 230 StPO erlassen werden (KG StV 2002, 607 f).
Ein nach § 230 Abs. 2 StPO erlassener Haftbefehl ist aufzuheben, wenn nach anwaltlicher Beratung der Angeklagte freiwillig bei Gericht erschienen ist und erklärt hat, daß er zur nächsten Hauptverhandlung kommen werde (OLG Düsseldorf StV 2001, 331 f).
Gegen einen Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO bleibt die weitere Beschwerde zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit zulässig, auch wenn sich die Haftanordnung nach Einlegung des Rechtsmittels durch Freilassung des Angeklagten erledigt hat. Der Erlass eines Haftbefehls ist unverhältnismäßig, wenn eine Vorführungsanordnung ausreicht (OLG Düsseldorf StV 2001, 332).
Erklärt der Verteidiger dem Angeklagten, der Berufungshauptverhandlungstermin sei aufgehoben worden, so darf der Angeklagte auf die Auskunft grundsätzlich vertrauen (OLG Hamm NStZ-RR 1997, 208).
§ 411 Abs. 2 StPO läßt das Recht des Angeklagten unberührt, an einer gegen ihn anberaumten Hauptverhandlung persönlich teilzunehmen. Hat er seinen Willen, dieses Recht auszuüben, durch ausdrückliche Erklärung oder schlüssiges Verhalten zum Ausdruck gebracht, darf im Falle seines nicht eigenmächtigen Fernbleibens die Hauptverhandlung auch dann nicht durchgeführt werden, wenn er durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten wird (OLG Karlsruhe StV 1986, 289).
Auch gegen einen betrunkenen Angeklagten hat der Vorführungsbefehl Vorrang vor einem Haftbefehl (OLG Zweibrücken NJW 1996, 737).
*** (LG)
Der Erlass eines Haftbefehls gegen einen dauerhaft im Ausland wohnhaften Angeklagten kommt grundsätzlich nicht in Betracht, weil die dafür erforderliche ordnungsgemäße Ladung gemäß § 216 StPO eine Androhung von Zwangsmitteln voraussetzt, die nach allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts auf dem Gebiet eines fremden Staates unzulässig ist. Dass die Zustellung nicht am Wohnsitz des im Ausland wohnhaften Angeklagten erfolgt ist, sondern an den zum Empfang von Ladungen ausdrücklich bevollmächtigten Verteidiger, führt zu keiner anderen Bewertung (LG Saarbrücken, Beschluss vom 19.07.2010 - 2 Qs 22/10 zu StPO §§ 230 Abs. 2, 216 Abs. 1, 145a Abs. 2).
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Auch der in der Hauptverhandlung erlassene Haftbefehl ist zu begründen (LG Zweibrücken, Beschluss vom 02.03.2009 - Qs 20/09, NJW 2009, 1828 f):
?... Mit Verfügung vom 30. 12. 2008 bestimmte der Vorsitzende des SchöffenGer. des AG P. Termin zu Hauptverhandlung auf Donnerstag, den 26. 2. 2009, 9 Uhr, Saal 27 und lud den Angekl. mit Postzustellungsurkunde zu diesem Termin. Ausweislich der Postzustellungsurkunde wurde die Ladung niedergelegt, da die Einlegung in einen Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung nicht möglich war. Mit Schriftsatz vom 23. 2. 2009 teilte der Verteidiger des Angekl. mit, dass der Angekl. am Hauptverhandlungstermin nicht teilnehmen könne. Die Ladung sei dem Angekl. nicht zugegangen. Er habe auch keine Kenntnis von dem Termin. Im Hinblick hierauf hat der Verteidiger angeregt, das Verfahren auf den 3. 3. 2009 zu vertagen.
In dem Termin vom 26. 2. 2009 erschien der Angekl. nicht. Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls wurde zunächst die sofortige Vorführung des Angekl. angeordnet. Nachdem dieser an seiner Meldeadresse nicht angetroffen werden konnte, verkündete der Vorsitzende nach Beratung des Gerichts - gegen den Angekl. einen Haftbefehl gem. § 230 II StPO. Inhaltlich nimmt der Haftbefehl lediglich Bezug auf § 230 II StPO und führt im Übrigen die dem Angekl. zur Last gelegten Taten - nebst anzuwendenden Strafvorschriften - auf. Die Beschwerde des Angekl. führte zur Aufhebung des Haftbefehls. ...
II. Der im Hauptverhandlungstermin am 26. 2. 2009 verkündete, angefochtene Beschluss ist aufzuheben, weil er den Anforderungen der §§ 230, 114 II Nr. 2 StPO nicht genügt.
§§ 114ff. StPO sind unmittelbar auch auf Haftbefehle nach § 230 II StPO anzuwenden. Es müssen also Angaben zu der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat (Sachverhalt und Strafvorschriften), dem Ausbleiben bei der Hauptverhandlung, der fehlenden oder ungenügenden Entschuldigung und gegebenenfalls der Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes enthalten sein (vgl. BeckOK-StPO, Stand: 2008, § 230 Rdnr. 17). Der Haftbefehl muss eine aus sich selbst heraus verständliche, sichere Grundlage für das durch ihn ausgelöste weitere Verfahren und die dort zu treffenden Haftentscheidungen bilden. Formal muss daher der schriftliche Haftbefehl die Anordnung der Haft nach § 230 II StPO enthalten und den Grund des Ausbleibens ohne genügende Entschuldigung trotz ordnungsgemäßer Ladung dafür bezeichnen, damit eine Überprüfung der Haftanordnung erfolgen kann (Eschelbach, in: Kleinknecht/Müller/Reitberger, StPO, Stand: Apr. 2007, § 230 Rdnr. 45).
Diesen Anforderungen genügt der Haftbefehl vom 26. 2. 2009 nicht. Allein der Umstand, dass ?Untersuchungshaft gem. § 230 II StPO angeordnet wird", gibt keine Tatsachen wieder, aus denen sich der Haftgrund ergibt. Die bloße Angabe der gesetzlichen Vorschrift ermöglicht nämlich dem Angekl. nicht, sich gezielt gegen das Haftargument zu verteidigen. Zwar kann dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 26. 2. 2009 entnommen werden, dass sich das Gericht mit den dem Haftbefehl zu Grunde liegenden Tatsachen befasst hat (ordnungsgemäße Ladung, Verhältnismäßigkeit des Hauptverhandlungshaftbefehls); dies genügt allerdings nicht. Diese Umstände müssen dem Haftbefehl selbst entnommen werden können.
Fehlt die Angabe der Tatsachen, aus denen sich der Haftgrund ergibt, ist der Haftbefehl aufzuheben. Eine Behebung solcher - nicht nur unerheblicher - Mängel durch das BeschwGer. kommt in einem solchen Fall nicht in Betracht (vgl. Hermann, Untersuchungshaft, ZAP, 2008, Rdnr. 495, unter Hinw. auf OLG Oldenburg bei Paeffgen, NStZ 2007, 79 [82]; OLG Celle, StV 1998, 385).
Sollte der Angekl. zum Hauptverhandlungstermin vom 3. 3. 2009 nicht erscheinen, bleibt es dem AG P. unbenommen, einen Hauptverhandlungshaftbefehl unter Angabe der die Haftanordnung rechtfertigenden Haftumstände zu erlassen. ..."
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?... Mit Verfügung vom 16. Februar 2006 bestimmte das Amtsgericht Marburg in dem Verfahren 55 Ds 5 Js 16892/04 - unter gleichzeitiger Verbindung mit den Verfahren 4 Js 15949/05 und 3 Js 16509/05 - Termin zur Hauptverhandlung auf den 06. März 2006, 10.00 Uhr. Die Ladung wurde dem Angeklagten ausweislich der auf Blatt 161 Bd. XXVI d.A. befindlichen Postzustellungsurkunde am 21. Februar 2006 unter der Anschrift Sarnauer Straße 9 in 35094 Lahntal zugestellt, nachdem zuvor eine Zustellung unter der vom Angeklagten angegeben Adresse in der Rosenheimer Straße 16 in 83080 Oberaudorf fehlgeschlagen war. Mit Schreiben vom 24. Februar 2006 teilte Frau Ingrid Speck mit, dass der Angeklagte seit 1999 nicht mehr in der Sarnauer Straße 9, 35094 Lahntal, wohne.
In dem Hauptverhandlungstermin am 06. März 2006 erschien der Angeklagte nicht. Mit Beschluss vom gleichen Tage erließ daraufhin das Amtsgericht Marburg in dem Verfahren Haftbefehl gemäß § 230 Abs.2 StPO gegen den Angeklagten.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Marburg vom 13. April 2006 hob das Amtsgericht Marburg den Haftbefehl vom 06. März 2006 auf. Mit Schreiben vom 25. April 2006 hat der Angeklagte Beschwerde gegen den Haftbefehl vom 06. März 2006 erhoben. Zur Begründung hat er im wesentlichen ausgeführt, dass das im Haftbefehl genannte Aktenzeichen falsch sei, da nur das Verfahren 55 Ds 5 Js 16892/04 angeführt sei, obwohl es sich um insgesamt drei Verfahren gehandelt habe. Zudem sei er zu dem Termin nicht ordnungsgemäß geladen worden, eine förmliche Zustellung der Ladung an ihn sei nicht erfolgt. Schließlich verstoße der Erlass des Haftbefehls gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 117 Abs.2, 304 Abs.1 StPO zulässig und begründet. Der Erlass des Haftbefehls vom 06. März 2006 war rechtswidrig.
Die Beschwerde, die als Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Haftbefehls vom 06. März 2006 auszulegen ist, ist zulässig. Zwar ist der Haftbefehl mit Beschluss des Amtsgerichts Marburg vom 13. April 2006 aufgehoben worden, so dass die Beschwerde an sich mangels Beschwer unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bleibt die Beschwerde nach Art 19 Abs.4 GG aber in Fällen tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriffe, wenn sich die belastende Maßnahme nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung im Beschwerdeverfahren kaum erlangen kann, zulässig. Dies ist auch bei einem Haftbefehl nach § 230 Abs.2 StPO der Fall (Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., vor § 296 RN. 18 a).
Die Beschwerde ist auch begründet. Der Erlass des Haftbefehls gemäß § 230 Abs.2 StPO war rechtswidrig. Haftbefehl nach § 230 Abs.2 StPO kann erlassen werden, wenn der Angeklagte nicht zur Hauptverhandlung erscheint und sein Ausbleiben nicht genügend entschuldigt ist. Das war vorliegend nicht der Fall.
Der Angeklagte ist im Hauptverhandlungstermin am 06. März 2006 ausweislich des Sitzungsprotokolls nicht erschienen. Das Nichterscheinen war jedoch entschuldigt. Nicht entschuldigt ist der Angeklagte, wenn weder er selbst noch ein anderer für ihn eine genügende Entschuldigung vorgebracht hat und auch sonst keine Entschuldigungsgründe bekannt geworden sind (Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 230 RN. 16). Entschuldigt ist der Angeklagte insbesondere, wenn er nicht ordnungsgemäß nach § 216 Abs.1 StPO geladen worden ist. Der auf freiem Fuß befindliche Angeklagte ist durch förmliche Zustellung zu laden (Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 216 RN. 2). Gemäß § 37 Abs.1 StPO gelten §§ 166 - 195 ZPO entsprechend. Laut Postzustellungsurkunde wurde die Ladung im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegung in den zur Wohnung Sarnauer Straße 9, 35094 Lahntal, gehörenden Briefkasten bewirkt. Die Zustellung war jedoch nicht wirksam, denn Wohnung in diesem Sinne ist ohne Rücksicht auf den Wohnsitz oder die po!izeiliche Anmeldung die Räumlichkeit, die der Adressat zur Zeit der Zustellung tatsächlich für eine gewisse Dauer zum Wohnen benutzt (Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 37 RN. 9). Zu Gunsten des Angeklagten muss aber vorliegend davon ausgegangen werden, dass er im Zeitpunkt der Zustellung nicht unter der Anschrift Sarnauer Straße 9, 35094 Lahntal gewohnt hat. Denn aus der Akte und den sonstigen Umständen ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte seine ständige Wohnung, wie auch seine Ehefrau bestätigt hat, nicht mehr dort hatte. Eine ordnungsgemäße Zustellung der Ladung im Sinne des § 216 Abs.1 StPO ist daher nicht erfolgt, so dass das Ausbleiben des Angeklagten genügend entschuldigt war. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls nach § 230 Abs.2 StPO lagen daher nicht vor, vielmehr hätte ein Haftbefehl nach § 112 Abs.1, Abs.2 Nr.1 StPO ergehen müssen. ..." (LG Marburg, Beschluss vom 19.03.2006 - 4 Qs 57/06).
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Die Ungehorsamshaft nach § 230 Abs. 2 StPO, die allein den Zweck hat, die Durchführung der Hauptverhandlung zu sichern, steht unter dem besonderen Gebot des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit der Folge, dass eine Verletzung des Beschleunigungsgebots zur Aufhebung des Haftbefehls führen muß (LG Saarbrücken StV 2001, 344 f).
Siehe auch unter ?Pflicht des Angeklagten zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung" und ?Strafbefehlsantrag nach Eröffnung der Hauptverhandlung"..
Ausbleiben des Angeklagten in der Berufungsverhandlung § 329 StPO
(1) Ist bei Beginn einer Hauptverhandlung weder der Angeklagte noch in den Fällen, in denen dies zulässig ist, ein Vertreter des Angeklagten erschienen und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt, so hat das Gericht eine Berufung des Angeklagten ohne Verhandlung zur Sache zu verwerfen. Dies gilt nicht, wenn das Berufungsgericht erneut verhandelt, nachdem die Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen worden ist. Ist die Verurteilung wegen einzelner von mehreren Taten weggefallen, so ist bei der Verwerfung der Berufung der Inhalt des aufrechterhaltenen Urteils klarzustellen; die erkannten Strafen können vom Berufungsgericht auf eine neue Gesamtstrafe zurückgeführt werden.
(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 kann auf eine Berufung der Staatsanwaltschaft auch ohne den Angeklagten verhandelt werden. Eine Berufung der Staatsanwaltschaft kann in diesen Fällen auch ohne Zustimmung des Angeklagten zurückgenommen werden, es sei denn, daß die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 2 vorliegen.
(3) Der Angeklagte kann binnen einer Woche nach der Zustellung des Urteils die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den in den §§ 44 und 45 bezeichneten Voraussetzungen beanspruchen.
(4) Sofern nicht nach Absatz 1 oder 2 verfahren wird, ist die Vorführung oder Verhaftung des Angeklagten anzuordnen. Hiervon ist abzusehen, wenn zu erwarten ist, daß er in der neu anzuberaumenden Hauptverhandlung ohne Zwangsmaßnahmen erscheinen wird.
Leitsätze/Entscheidungen:
Eine Sicherungsmaßnahme gegen den in der Berufungshauptverhandlung ausbleibenden Angeklagten gem. § 329 Abs. 4 S. 1 StPO darf nur dann angeordnet werden, sofern die Berufung des Angeklagten nicht ohne Verhandlung zur Sache zu verwerfen ist und/oder auf die Berufung der StA nicht ohne den Angeklagten verhandelt werden kann. Eine Verhaftung ist deshalb mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht mehr zu vereinbaren, wenn in der nächsten Hauptverhandlung auch bei unentschuldigtem Fernbleiben des Angeklagten ein Urteil nach Maßgabe des § 329 Abs. 1 u. 2 StPO ergehen könnte oder wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände die Erwartung gerechtfertigt wäre, daß der Angeklagte zu dem Termin erscheinen wird (BVerfG, Beschluss vom 18.12.2000 - 2 BvR 1706/00, StV 2001, 321 f).
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Die Revision gegen ein Berufungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO ist zulässig, auch wenn sie nur eine Sachrüge enthält, mit der behauptet wird, das Amtsgericht habe ein Verfahrenshindernis nicht beachtet, das bereits bei der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils vorgelegen habe (Bestätigung von BGHSt 21, 242; BGH, Beschluss vom 13.12.2000 - 2 StR 56/00, StV 2001, 326 ff).
*** (OLG)
Der Angeklagte und nicht das Gericht bestimmt die Person des Wahlverteidigers. Diesem Umstand ist bei der Entscheidung über einen Terminsverlegungsantrag wegen anderweitiger Verhinderung Rechnung zu tragen (OLG Koblenz, Beschluss vom 27.07.2009 - 1 Ss 102/09 zu StPO §§ 228 Abs. 2, 329, 412):
?... I. Die Revision des Angekl. richtet sich gegen das Urteil des LG Koblenz v. 27. 11. 2008, mit dem seine Berufung gegen das gem. § 412 StPO ergangene Verwerfungsurteil des AG Mayen v. 09. 04. 2008 als unbegründet verworfen wurde. ...
Mit Strafbefehl des AG v. 22. 02. 2008 wird dem Angekl. zur Last gelegt, am 29. 10. 2007 durch die fahrlässige Verursachung eines Verkehrsunfalls drei Menschen teils schwer verletzt zu haben. ...
Bereits am 07. 11. 2007 hatte der Angekl. RA Dr. F. mit seiner Verteidigung beauftragt. Der Verteidiger gehört zwar einer Kanzlei mit zahlreichen Rechtsanwälten an; die Vollmacht ist jedoch auf ihn allein beschränkt. Mit Schriftsatz v. 08. 01. 2008 an die StA hatte er die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO beantragt.
Nachdem der Angekl. gegen den Strafbefehl form- und fristgerecht Einspruch eingelegt hatte, bestimmte das AG - ohne vorherige Kontaktaufnahme mit dem Verteidiger - Hauptverhandlungstermin auf den 09. 04. 2008, 11:30 Uhr.
Die dem Angekl. ordnungsgemäß zugestellte Ladung ging dem Verteidiger an 18. 03. 2008 zu. Dieser teilte mit Faxschreiben v. 19. 03. 2008 mit, er habe am 09. 04. 2008 einen schon seit längerem anberaumten Gerichtstermin bei dem AG H. wahrzunehmen; der Gerichtstermin ?ist daher aufzuheben'. Diese Eingabe blieb beim AG mehr als zwei Wochen unbearbeitet liegen.
Die zuständige Richterin reagierte erst mit Schreiben v. 07. 04. 2008 an den Verteidiger
?... bleibt der Hauptverhandlungstermin vorläufig bestehen.
a) Sie sind eine Anwaltskanzlei mit 23 Anwälten, sodaß ich davon ausgehe, daß einer der Kollegen sicherlich den Termin wahrnehmen kann, insbes. da es sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt handelt.
b) Es muß festgestellt werden, daß bisher in jedem Verfahren, das beim AG - Strafrichter/Jugendrichter - in Mayen anhängig war, von Ihnen ein Antrag auf Aufhebung des anberaumten Termins gestellt wurde.'
Mit Schreiben v. 08. 04. 2008 wies RA F. darauf hin, daß er alleiniger Verteidiger sei und sich nicht teilen könne; die Behauptung, bisher seien in jedem Verfahren Verlegungsanträge gestellt worden, sei unrichtig; tatsächlich gestellte Anträge seien immer sachlich begründet gewesen. Zugleich lehnte er namens seines Mandanten die Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
Obwohl beim AG Mayen bekannt sein mußte, daß RA Dr. F. entweder beim AG H. bzw. auf dem Weg dorthin oder auf dem Weg nach Mayen ist, wurde die dienstliche Erklärung der abgelehnten Richterin am 09. 04. 2008 um 10:27 Uhr mit einer Frist zur Stellungnahme bis 11:15 Uhr per Fax in die Kanzlei des - dort nicht anwesenden - Verteidigers übermittelt. Nach Fristablauf wurde das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen.
Zu Beginn der Hauptverhandlung um 11:32 Uhr waren weder der Angekl. noch sein Verteidiger anwesend. Daraufhin wurde der Einspruch gem. § 412 StPO verworfen.
Gegen die Verwerfung legte der Angekl. ?Rechtsmittel' ein und beantragte außerdem Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er trug u.a. vor, sein Verteidiger habe bereits vor Zugang der Ladung durch das AG Mayen mit einem Richter vom AG H. mehrere Hauptverhandlungstermine für den 09. 04. 2008 von 10:00 Uhr bis 11:30 Uhr abgesprochen gehabt und diese auch wahrgenommen. Er - der Angekl. - sei von seinem Verteidiger dahingehend informiert worden, daß er zum Termin vor dem AG Mayen nicht erscheinen müsse.
Obwohl überhaupt noch keine Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ergangen war - die Entscheidung des AG erging am 02. 02. 2009, die ebenfalls für den Angekl. negative Beschwerdeentscheidung am 16. 04. 2009 -, bestimmte die Vors. der BerufungsK entgegen § 315 Abs. 2 S. 2 StPO Hauptverhandlungstermin auf den 27. 11. 2008. Mit Urteil v. selben Tage wurde die Berufung als unbegründet verworfen. In den schriftlichen Urteilsgründen heißt es:
Der Angekl. ist der Auffassung, sein Fernbleiben in der Hauptverhandlung I. Instanz sei entschuldigt. Sein Verteidiger habe ihm - was dieser im übrigen bestätigt hat - seinerzeit erklärt, er brauche der gerichtlichen Ladung keine Folge leisten, weil das AG verpflichtet sei, den Termin zu verlegen. Auf diese Auskunft habe er vertraut und auch vertrauen dürfen, wenngleich ihm durchaus bekannt gewesen sei, daß der Verlegungsantrag abgelehnt worden sei.
Zu Recht hat das AG den Einspruch gem. § 412 S. 1 StPO verworfen, weil der Angekl. ohne Entschuldigung der Hauptverhandlung ferngeblieben ist. Dem Angekl. ist der Vorwurf der schuldhaften Pflichtverletzung zu machen.
Er durfte nämlich nicht der - fehlerhaften - Auskunft seines Verteidigers vertrauen, sondern wäre vielmehr gehalten gewesen, der gerichtlichen Ladung Folge zu leisten bzw. sich bei dem Gericht danach zu erkundigen, ob die Hauptverhandlung stattfindet und er erscheinen muß. Dies gilt umso mehr, als er wußte, daß das Gericht den Verlegungsantrag abgelehnt und er auch keine Abladung erhalten hatte (vgl. Meyer-Goßner, Kommentar zur StPO, 51. Aufl., § 315 Rn. 29 m.w.N.).'
II. Die hiergegen gerichtete Revision des Angekl. hat Erfolg und die Aufhebung beider bisher ergangener Urteile zur Folge.
1. Der Begriff ?genügende Entschuldigung' darf nicht eng ausgelegt werden. § 329 Abs. 1 S. 1 StPO, der im Strafbefehlsverfahren entsprechend anzuwenden ist (§ 412 S. 1 StPO) enthält eine Ausnahme von der Regelung, daß ohne den Angekl. nicht verhandelt werden darf, und birgt die Gefahr eines sachlich unrichtigen Urteils in sich. Deshalb ist bei der Prüfung der vorgebrachten oder vorliegenden Entschuldigungsgründe eine weite Auslegung zugunsten des Angekl. angebracht. Eine Entschuldigung ist dann genügend, wenn die im Einzelfall abzuwägenden Belange des Angekl. einerseits und seine öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung andererseits den Entschuldigungsgrund als triftig erscheinen lassen, d.h. wenn dem Angekl. unter den gegebenen Umständen ein Erscheinen billigerweise nicht zumutbar war und ihm infolgedessen wegen seines Fernbleibens auch nicht der Vorwurf schuldhafter Pflichtverletzung gemacht werden kann.
Ebenso wie die Berufungsverwerfung nach § 329 Abs. 1 S. 1 StPO dient die Einspruchsverwerfung nach § 412 StPO der Beschleunigung des Verfahrens. Es soll verhindert werden, daß ein Angekl. allein durch sein Ausbleiben die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts hinauszögern kann (KK-Ruß, StPO, 6. Aufl., § 329 Rn. 1 m.w.N.). Das Gesetz nimmt im Interesse der erstrebten Beschleunigung des Verfahrens die Möglichkeit in Kauf, daß ein sachlich unrichtiges Urteil bzw. ein sachlich unrichtiger Strafbefehl nur wegen des nicht genügend entschuldigten Ausbleibens des Angekl. rechtskräftig wird. Die beiden sich widerstreitenden Grundsätze, einerseits das Bedürfnis nach Verfahrensbeschleunigung, andererseits aber das Streben nach einer möglichst gerechten Entscheidung, sind bei der Auslegung im Einzelfall zu beachten und zueinander ins rechte Verhältnis zu setzen.
2. Im konkreten Fall ist, was das Berufungsgericht übersehen hat, zu beachten, daß die Hauptverhandlung vor dem AG überhaupt nicht hätte stattfinden dürfen, weil die Ablehnung des Terminsverlegungsantrags willkürlich gewesen war. Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls war dem Angekl. ein Erscheinen im Termin ohne Verteidiger auch in Kenntnis der Ablehnung des Terminsverlegungsantrags unzumutbar.
a) Vorab ist auf die Selbstverständlichkeit hinzuweisen, daß sich das Verfahren gegen den Angekl. und nicht gegen seinen Verteidiger richtet. Ob sich RA Dr. F. in der Vergangenheit - zu Recht oder zu Unrecht - durch Terminsverlegungsanträge, forsche Formulierungen in Schriftsätzen (?ist daher aufzuheben') oder durch was auch immer den Unmut des Gerichts zugezogen hat, ist somit völlig unerheblich und muß von einem Gericht bei seiner Entscheidung gänzlich ausgeblendet werden. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, daß dann, wenn es in der Vergangenheit tatsächlich zu einer Häufung von Terminsverlegungsanträgen gekommen sein sollte, dem durch Terminsabsprachen entgegengewirkt hätte werden können.
b) Nach § 137 Abs. 1 S. 2 StPO kann sich der Besch. (Angekl.) in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers seiner Wahl bedienen, und zwar unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 140 StPO vorliegen (BayObLG StV 1995, 10; OLG Frankfurt StV 1998, 13). Dieses aus der Verfassung abgeleitete Recht sichert seinen Anspruch auf ein faires Verfahren (BVerfG NJW 1984, 2403 m.w.N.). Zwar bestimmt § 228 Abs. 2 StPO für den Fall der nicht notwendigen Verteidigung, daß die Verhinderung des Verteidigers dem Angekl. keinen Anspruch auf Aussetzung der Hauptverhandlung gibt. Rechtsstaatliche Prinzipien setzen der Anwendbarkeit dieser Vorschrift jedoch Grenzen (BVerfG a.a.O.).
c) Dieses Recht des Angekl. hat das AG bei seiner Entscheidung über den Terminsverlegungsantrag willkürlich mißachtet; sachliche Gründe für eine Ablehnung enthält das Schreiben v. 07. 04. 2008 nicht.
(1) Der Angekl. und nicht das Gericht bestimmt die Person des Wahlverteidigers. Es ist deshalb völlig unerheblich, wie viele Rechtsanwälte in derselben Kanzlei tätig sind wie der Verteidiger. RA Dr. F. war und ist ausweislich der in den Akten befindlichen Vollmacht der einzige Verteidiger des Angekl. und hatte ihn von Anfang an vertreten.
(2) Im konkreten Fall kommt noch hinzu, daß das AG sich mehr als zwei Wochen Zeit gelassen hatte, um dann erst unmittelbar vor dem Termin auf einen rechtzeitig gestellten Terminsverlegungsantrag zu reagieren. Bei einer Ablehnung in der 8. Kalenderwoche wäre es RA Dr. F. eventuell noch möglich gewesen, beim AG H. unter Hinweis auf die Unnachgiebigkeit der Richterin in Mayen um eine Terminsverlegung zu bitten. Am 07. oder 08. 04. 2008 war er dazu nicht mehr gehalten. Auf der anderen Seite war es dem Angekl. nicht zuzumuten, unmittelbar vor der Hauptverhandlung einen anderen, mit der Sache nicht vertrauten RA mit seiner Verteidigung zu beauftragen.
(3) Ein einfach gelagerter Sachverhalt lag bereits deshalb nicht vor, weil es bisher keinerlei Ermittlungen zur Unfallursache gegeben hat. Die Behauptung im Strafbefehl, der Unfall sei für den Angekl. ?vorhersehbar und bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt vermeidbar' gewesen, ist durch keine einzige Tatsache untermauert.
d) Ob dem Angekl. auch vor dem Hintergrund der Richterablehnung, auch wenn er von dem übereilt und prozessual zumindest fragwürdig abgewickelten Zwischenverfahren keine Kenntnis haben konnte, ein Erscheinen vor Gericht ohne Anwalt des Vertrauen unzumutbar war (s. dazu OLG Hamm, StV 1996, 11), kann hier dahinstehen. ..."
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Auf ein etwaiges späteres Erscheinen eines mit einer völlig unzureichenden Entschuldigung der Verhandlung ferngebliebenen Angeklagten muss das Berufungsgericht grundsätzlich nicht warten. Jedenfalls wenn nicht ersichtlich ist, dass der Angeklagte unterwegs zum Gericht ist, besteht auch kein Anlass für einen gerichtlichen Hinweis an den erschienenen Verteidiger, wie im Falle eines verspäteten Erscheinens des Angeklagten verfahren werde (OLG Oldenburg, Urteil vom 26.01.2009 - Ss 472/08, NJW 2009, 1762 f).
Wird mit der Revision gegen ein gem. § 329 I StPO ergangenes Verwerfungsurteil geltend gemacht, dieses gehe zu Unrecht davon aus, dass ein Angeklagter nicht genügend entschuldigt gewesen sei, setzt die Überprüfung die Erhebung einer der Vorschrift des § 344 II 2 StPO genügenden Verfahrensrüge voraus. Es kommt für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 329 I StPO nicht darauf an, dass sich der Angeklagte selbst entschuldigt hat. Das Berufungsgericht muss deshalb von Amts wegen prüfen, ob Umstände ersichtlich sind, die das Ausbleiben des Angeklagten genügend entschuldigen. Bei der Vorlage eines privatärztlichen Attests über die Arbeitsunfähigkeit des Angeklagten kann danach zu den erforderlichen Ermittlungen die fernmündliche Erkundigung beim ausstellenden Arzt über die näheren Umstände des die Arbeitsunfähigkeit begründenden Krankheitsbilds gehören. Die Voraussetzungen hierfür liegen mit der Vorlage des Attests durch den Angeklagten regelmäßig vor, weil der ausstellende Arzt damit konkludent von seiner Schweigepflicht entbunden wird (OLG Nürnberg, Beschluss vom 19.01.2009 - 2 St OLG Ss 259/08, NJW 2009, 1761 f).
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Die im Rahmen einer gegen ein nach § 329 Abs. 1 S. 1 StPO ergangenes Urteil gerichteten Revision erhobene Rüge, das Gericht habe ohne weitere Nachforschungen ein ärztliches Attest über die Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten als nicht ausreichende Entschuldigung angesehen und damit seine Aufklärungspflicht verletzt, genügt nur dann den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO, wenn mitgeteilt wird, was das Ergebnis der unterbliebenen Nachforschung gewesen wäre (im Anschluss an BayObLGSt 1996, 90/93 und OLG Zweibrücken v. 24.11.2000, Az. 1 Ss 165/00; OLG München, Urteil vom 18.11.2008 - 4 St RR 100/08).
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?... Das Amtsgericht Gießen hat den Angeklagten mit Urteil vom 2. März 2006 wegen dreifachen gewerbsmäßigen Diebstahls und Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt. Gegen diese Entscheidung legten der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Zu der auf den 28. August 2006 anberaumten Berufungshauptverhandlung wurde der Angeklagte am 7.9. April 2006 in der JVA Gießen geladen. Am selben Tag wurde er aus der Untersuchungshaft entlassen nach Berchem in Belgien, Ferdinand-Cosemannstr.88. Bereits am 22. März 2006 war gegen den Angeklagten ein Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ergangen, mit dem er unter Abschiebungsandrohung aufgefordert wurde, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Am 27. April 2006 nahm die Staatsanwaltschaft ihre Berufung zurück. Am 15. August 2006 teilte der Verteidiger dem Landgericht mit, der Angeklagte habe nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft die Bundesrepublik Deutschland umgehend verlassen. Er wies zugleich darauf hin, dass das Gericht bei den zuständigen Behörden dafür zu sorgen habe, dass dem Angeklagten die Einreise gestattet werde. In der Hauptverhandlung am 28.08.2006, zu der der Angeklagte nicht erschienen war, legte der Verteidiger eine von ihm verfasste Erklärung vor, wonach sich der Angeklagte in Belgien aufhalte uni unter bestimmten Rufnummern dort Kontakt mit seiner Ehefrau bestanden habe. Er verfüge nicht über eine Einreiseerlaubnis. Die Hauptverhandlung endete mit der Verwerfung der Berufung gemäß § 329 Abs. 1 StPO. Sie wurde damit begründet, dass nicht feststehe, ob sich der Angeklagte tatsächlich in Belgien aufhalte. Außerdem wäre es seine Aufgabe gewesen, dies dem Gericht mit zuteilen, um eine Wiedereinreise zur Teilnahme an der Berufungsverhandlung zu ermöglichen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte, das Landgericht habe den Begriff der genügenden Entschuldigung verkannt.
Die Revision ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und ebenso begründet worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Frankfurt am Hain hat in ihrer Stellungnahme vom 3. November 2006 u.a. ausgeführt:
?Der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Revision des Angeklagten dürfte der Erfolg nicht zu versagen sein. Die hinreichend mit Tatsachen belegte Rüge, das Gericht habe den Begriff der genügenden Entschuldigung verkannt, greift durch.
Nach ständiger Rechtsprechung ist im Rahmen des § 329 Abs. 1 StPO nämlich nicht entscheidend darauf abzustellen, ob sich ein Angeklagter genügend entschuldigt hat, sondern ob er tatsächlich entschuldigt war, wobei grundsätzlich eine weite Auslegung zu seinen Gunsten geboten ist. Dabei ist für die Beurteilung der Frage einer genügenden Entschuldigung auf den Kenntnisstand abzustellen, den das Gericht bei Beginn der Hauptverhandlung aufgrund der Mitteilungen des Angeklagten, des Verteidigers oder anderer Verfahrensbeteiligter sowie eigener Kenntnisse aus den Akten hatte. Die Verwerfung der Berufung ist bei schlüssigem Vorbringen eines Entschuldigungsgrundes daher nicht schon dadurch gerechtfertigt, dass das Gericht Zweifel an der Richtigkeit des Vortrags hegt, es sei denn, das Vorbringen des Säumigen erscheint als völlig unglaubhaft und aus der Luft gegriffen. Denn die Verwerfung der Berufung nach § 329 Abs.1 Satz 1 StPO ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Gericht die sichere Überzeugung erlangt hat, der Angeklagte sei nicht genügend entschuldigt. Bei bestehendem Zweifel, ob das Ausbleiben genügend entschuldigt ist, fehlt es an einer Voraussetzung nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO. Hat daher ein Angeklagter schlüssige Tatsachen für eine Entschuldigung vorgetragen, so ist eine Verwerfung nur möglich, wenn das Gericht diesen Vortrag nach Prüfung im Freibeweisverfahren für widerlegt hält (vgl. OLG Frankfurt, Beschlüsse vom 22.11.2004 - 2 Ss-OWi 402/04 - und vom 07.11.2005 - 1 Ss 240/05; BayObLG NJW 1998, 172 ; OLG Düsseldorf StV 1987, 9(10); Meyer-Goßner StPO, 49. Auflage, Rdnr. 18 ff zu § 329).
Eine solche Prüfung hat im vorliegenden Fall nicht stattgefunden, so dass nicht geklärt war, ob dem Angeklagten ein Erscheinen in der Hauptverhandlung zumutbar war. Wenn er sich aber nach seiner Ausweisung an der angegebenen Adresse in Belgien aufhielt, war dies nicht der Fall, weil ihm wegen seines Fernbleibens der Vorwurf schuldhafter Pflichtverletzung nicht gemacht werden kann. Da der Angeklagte ausgewiesen worden war, durfte er nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin auch nicht aufhalten (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Würde er dennoch einreisen oder sich hier aufhalten, so kann er mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe bestraft werden (§ 95 Abs. 2 Nr. 1 a und b AufenthG), es sei denn, ihm ist ausnahmsweise eine Erlaubnis nach § 11 Abs. 2 AufenthG erteilt worden. Letzteres war nicht der Fall. Dann aber war das Ausbleiben des rechtskräftig ausgewiesenen Angeklagten, der das Bundesgebiet verlassen und keine Ausnahmeerlaubnis hatte, genügend entschuldigt (vgl. OLG Stuttgart NStZ-RR 2004, 338; BayObLG StV 2001, 339; OLG Düsseldorf, StV 1983, 193 ; Gössel in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Auflage, Rdn. 42 zu § 329).
Hieran ändert sich nichts dadurch, dass der Angeklagte sich nicht selbst um eine Betretenserlaubnis zum Zwecke der Durchführung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens bemüht hat. Hierzu war er nämlich nicht verpflichtet (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.; BayObLG a.a.O.). Den Angeklagten trifft insoweit keine ihm billigerweise zumutbare prozessuale Mitwirkungspflicht an der Durchführung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens.
Der Zweck des § 329 Abs. 1 StPO besteht darin, den Beschwerdeführer daran zu hindern, die Sachentscheidung über seine Berufung dadurch zu verzögern, dass er sich der Verhandlung entzieht (Meyer-Goßner a.a.0. Rdnr. 2 zu § 329 m.w.N.). Die der Verfahrensbeschleunigung dienende Vorschrift ist eine aufs engste auszulegende Ausnahmebestimmung von dem Grundsatz, dass gegen einen abwesenden Angeklagten kein Urteil erlassen werden darf (§ 230 Abs. 1, 332 StPO), für die es nicht darauf ankommt, ob der Angeklagte sich ausreichend entschuldigt hat, sondern nur darauf, ob er objektiv entschuldigt ist. Die prozessualen Mitwirkungspflichten des berufungsführenden Angeklagte da haben da ihre Grenzen, wo ihm ein Erscheinen vor Gericht billigerweise nicht zugemutet werden kann. Dies ist auch dann der Fall, wenn die öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen vor Gericht mit seiner durch Ausweisung und Abschiebung begründeten - strafbewehrten - Pflicht, sich von dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland fernzuhalten, kollidieren und diese Kollision auf fehlender Abstimmung zwischen Ausländerbehörde und Gericht beruht, die dem Angeklagten nicht angelastet werden darf (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.; BayObLG a.a.O.; OLG Düsseldorf, StV 1983, 193 ; Gössel in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Auflage, Rdnr. 42 zu § 329). Wird ein Angeklagter von der Ausländerbehörde ohne Rücksicht auf ein gegen ihn laufendes Strafverfahren ausgewiesen, so ist es dem Angeklagten, der sein Recht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung wahrnehmen will, nicht zuzumuten, sich in einem anderen Land über die deutsche Botschaft eine Betretenserlaubnis für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu beschaffen. Vielmehr ist es Sache der Strafverfolgungsbehörden, in Absprache mit der Verwaltungsbehörde zu klären, ob der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs oder dem öffentlichen Interesse an einem Aufenthalt des Ausländers außerhalb des Bundesgebietes der Vorrang einzuräumen ist. Der Angeklagte war auch nicht verpflichtet, seinen Verteidiger mit seiner Vertretung in der Hauptverhandlung zu betrauen. Er hatte vielmehr das Recht, in der Hauptverhandlung selbst anwesend zu sein (vgl. BayObLG a.a.O.; OLG Stuttgart a.a.0.).'
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts Gießen zurückzuverweisen. ..." (OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.11.2006 - 2 Ss 309/06)
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?... Die unzutreffende Beurteilung der Verhandlungsfähigkeit hat zur rechtsfehlerhaften Annahme, der Angekl. sei nicht genügend entschuldigt, geführt.
Nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung ist § 329 I 1 StPO eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift, die sich bei der Frage der genügenden Entschuldigung in Zweifelsfällen zu Gunsten des Angekl. auswirkt (OLG Stuttgart, Justiz 2004, 126 mzN.; BayObLG, StV 2001, 338). Entscheidend ist nicht, ob er sich genügend entschuldigt hat, sondern ob er genügend entschuldigt ist. Für die Klärung dieser Rechtsfrage kommt es allein auf die wirkliche Sachlage an; dem BerGer. steht dabei kein Ermessensspielraum zu (OLG Karlsruhe, StraFo 1999, 25; OLG Düsseldorf, StV 1987, 8; Ruß, in: KK-StPO, 5. Aufl. § 329 Rn 8). Es ist gehalten, bei Anhaltspunkten für ein berechtigtes Fernbleiben von Amts wegen im Wege des Freibeweises, etwa durch Heranziehung eines Sachverständigen, Erkundigungen beim behandelnden Arzt oder durch eine amtsärztliche Untersuchung zu klären, ob das Ausbleiben genügend entschuldigt ist (BayObLG, StV 2001, 338; OLG Hamm, NStZ-RR 1998, 281; OLG Celle, StraFo 1997, 79).
Diesen Grundsätzen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht: Die Ausführungen des LG lassen besorgen, es sei davon ausgegangen, eine Erkrankung entschuldige einen Angekl. erst dann, wenn sie zur Verhandlungsunfähigkeit führt. Dies ist nicht der Fall; es genügt vielmehr, wenn die Teilnahme an der Hauptverhandlung wegen der Erkrankung unzumutbar ist (OLG Düsseldorf, NStZ 1984, 331; StV 1987, 9; OLG Hamm, NStZ-RR 1998, 281; Gössel, in: Löwe/Rosenberg, § 329 Rn 36 mwN). In die Beurteilung dieser Frage hätte das LG die Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten sowie die Bedeutung der Strafsache erkennbar einfließen lassen müssen (OLG Düsseldorf, NJW 1973, 110; OLG Stuttgart, Justiz 1988, 216; Frisch, in: SK-StPO, § 329 Rn 20, 23; Gössel, § 329 Rn 33); diese waren - unabhängig von der voraussichtlichen Hauptverhandlungsdauer - mit Blick auf die oben dargestellten Erwägungen sowie darauf, dass sich das Rechtsmittel gegen die Verhängung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung richtete, nicht gering zu veranschlagen.
Im Übrigen erbrachte die vom LG im Rahmen seiner Aufklärungspflicht eingeholte Auskunft beim Zahnarzt keine weiteren Erkenntnisse. Nahe liegende Kontaktaufnahmen mit dem Hausarzt oder dem Neurologen unterblieben.
Die Verfahrensgeschichte - wie dargelegt handelte es sich um den 4. Verhandlungstermin - enthob das Gericht nicht seiner Pflicht, den Zweifeln an einer genügenden Entschuldigung nachzugehen. Ob ein Absenken der hohen Anforderungen an die tatrichterliche Prüfungspflicht und Überzeugungsbildung, ob ein das Ausbleiben genügend entschuldigender Sachverhalt vorliegt (zusammenfassend Frisch, § 329 Rn 35; Ruß § 329 Rn 8ff; jew. mwN), in Ausnahmefällen, etwa wenn feststeht, dass ein Angekl. wiederholt eine Entschuldigung nur vorgetäuscht hat, in Betracht kommt, braucht der Senat hier nicht zu entscheiden. Regelmäßig wird sich aus dem Verfahrensablauf für die Beantwortung der allein entscheidungserheblichen Frage, ob ein Angekl. am Hauptverhandlungstag entschuldigt ist, nichts herleiten lassen.
So liegt es - entgegen der Auffassung des LG - auch hier. Das Vorbringen des Angekl., zur ersten Verhandlung am 17. 4. 2005 nicht erscheinen zu können, wurde amtsärztlich bestätigt; ein weiterer Hauptverhandlungstermin im August 2005 musste wegen der Mandatsniederlegung des Verteidigers, ein dritter Termin im November 2005 wegen eines akuten Infekts aufgehoben werden. Auch das vom LG verwerteten Treffer Gutachten führt nicht weiter, weil es sich auf die Fragestellung beschränkt, ob die Grunderkrankungen des Angekl. zur Verhandlungsunfähigkeit führen, die davon unabhängigen gewichtigen Hinweise auf aktuell hinzugetretene gravierende Beeinträchtigungen aber nicht behandelt.
Nach allem hätte die StrK das Ausbleiben des Angekl. entweder als genügend entschuldigt ansehen oder im Wege des Freibeweises weiter klären müssen, ob es sich lediglich um zum Zweck der Verfahrensverschleppung vorgeschobene Entschuldigungsgründe handelt. Der Fehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Eine Einstellung des Verfahrens nach § 206a StPO kommt selbst im Falle unterstellter vorübergehender Verhandlungsunfähigkeit des Angekl. nicht in Betracht, da nichts dafür spricht, dass seine Verhandlungsfähigkeit auf Dauer entfallen ist (BGH, NStZ 1996, 242). ..." (OLG Stuttgart, Beschluss vom 19.04.2006 - 1 Ss 137/06, NStZ-RR 2006, 314, 315)
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Die Berufung des in der Hauptverhandlung nicht erschienenen Angeklagten darf nicht verworfen werden, wenn der Angeklagte nicht persönlich geladen wurde und auch eine Zustellung an seinen Verteidiger bzw. im Falle der Aussetzung des Vollzugs eines Haftbefehls an einen Zustellungsbevollmächtigten nicht erfolgt ist. Die Zustellung der Ladung an einen sonstigen Bevollmächtigten ist unwirksam (OLG Dresden, Beschluss vom 21.07.2005 - 2 Ss 362/05, StV 2006, 8).
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?... Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 02.10.02 wegen Diebstahls in fünf Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 160 Tagessätzen verurteilt worden. Die dagegen von dem Angeklagten eingelegte Berufung hat die Kleine Strafkammer I mit dem angefochtenen Urteil gem. § 329 Abs. 1 StPO verworfen, weil der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer - öffentlich zugestellter - Ladung nicht zur Hauptverhandlung erschienen war und sein Ausbleiben nicht entschuldigt hat. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger am 15.07.03 Revision eingelegt und diese nach am 18.07.03 erfolgter Urteilszustellung mit am 01.08.03 eingegangenem Schriftsatz begründet. Der Angeklagte rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts, insbesondere die Verletzung des Art. 6 III c EMRK i.V. m. §§ 244 Abs. 2, 337 StPO sowie des § 329 Abs. 1 StPO.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in der Antragsschrift vom 22.08.03 ausgeführt: ?I. Die Revision ist statthaft (§ 333 StPO), frist- und formgerecht eingelegt (§ 341 StPO) und begründet worden (§§ 344, 345 StPO) und infolge der mit der Verwerfung seiner Berufung für den Angeklagten verbundenen Beschwer damit zulässig.
II. Die Revision erweist sich auch als begründet. Der Angeklagte rügt die Verletzung von § 329 Abs. 1 StPO und beanstandet, dass das Berufungsgericht den Begriff der nicht genügenden Entschuldigung verkannt habe.
1. Die Verfahrensrüge ist zulässig erhoben. Das Revisionsvorbringen genügt in seiner Gesamtheit noch den Erfordernissen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, denn an die Zulässigkeitsanforderungen der Verfahrensrüge werden keine strengen Anforderungen gestellt (OLG Köln StV 1989, 53). Zur formgerechten Begründung der Revision reicht es daher aus, wenn sie unter Angabe der die Entschuldigung begründenden bestimmten Tatsachen schlüssig vorträgt, das Berufungsgericht sei zu Unrecht von einer ungenügenden Entschuldigung ausgegangen (BGHSt 28, 384, 386; BayObLG NStZ-RR 2003, 87). Das Revisionsvorbringen, der Angeklagte sei aufgrund seiner ausländerrechtlichen Verpflichtung in sein Herkunftsland ausgereist und freies Geleit sei ihm für die Durchführung der Berufungshauptverhandlung nicht gewährt worden, genügt in seiner Gesamtheit den an die Erhebung der Verfahrensrüge nach § 329 Abs. 1 StPO zu stellenden Anforderungen.
2. Die Rüge greift auch durch. Nach § 329 Abs. 1 StPO ist, wenn der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung und Belehrung über die Folgen seines Ausbleibens zu der Berufungshauptverhandlung nicht erscheint, die Verwerfung seiner Berufung nur zulässig, wenn das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Angeklagte sich genügend entschuldigt hat, sondern ob er genügend entschuldigt ist (LR-Gollwitzer, StPO, 25. Aufl., § 329 Rdn. 26; KK-Ruß, StPO, 5. Aufl., § 329 Rdn. 7; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 329 Rdn. 18; BGHSt 17, 391, 396). Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass das Fernbleiben des Angeklagten entschuldigt sein kann, so muss das Berufungsgericht dem im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht durch Ermittlungen im Freibeweis nachgehen (Meyer-Goßner, a. a. O., § 329 Rdn. 19; BayObLG NJW 1998, 172; NStZ-RR 1999, 143; StV 2001, 338; NStZ-RR 2003, 87, 88; OLG Zweibrücken StV 2001, 336) und in den Urteilsgründen darlegen, dass die Voraussetzungen des § 329 StPO gegeben waren. Das Revisionsgericht kann nämlich auf die zulässig erhobene Verfahrensrüge nach § 329 Abs. 1 StPO - ähnlich wie bei der Anwendung sachlichen Rechts - nur feststellen, ob das Berufungsgericht die vorliegenden Entschuldigungsgründe überhaupt geprüft, im Urteil genügend dargestellt und den Rechtsbegriff der genügenden Entschuldigung rechtlich richtig gewürdigt hat (LR-Gollwitzer, a. a. O., § 329 Rdn. 102 m. w. N.). Dabei darf das Revisionsgericht nur solche Entschuldigungsgründe berücksichtigen, die dem Berufungsgericht im Zeitpunkt der Entscheidung erkennbar waren und das Revisionsgericht ist an die im Urteil getroffenen Feststellungen gebunden (BayObLG StV 2001, 338; OLG Hamm NStZ-RR 2000, 84, 85). Um dem Revisionsgericht eine Nachprüfung zu ermöglichen, muss das Urteil daher unter lückenloser Angabe der für erwiesen erachteten Tatsachen, vorgebrachter Entschuldigungsgründe, vorgelegter Bescheinigungen und gestellter Aussetzungsanträge unter umfassender Würdigung darlegen, weshalb das Ausbleiben des Angeklagten nicht entschuldigt ist. Auf die umfassende Würdigung des Entschuldigungsvorbringens darf nur dann verzichtet werden, wenn es ganz offensichtlich ungeeignet ist, das Ausbleiben des Angeklagten zu entschuldigen (KG StV 1995, 575)
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Die Urteilsgründe lassen besorgen, dass das Berufungsgericht den von dem Verteidiger in dessen Antrag in der Berufungshauptverhandlung vom 07.07.2003 mitgeteilten möglichen Entschuldigungsgründen keine ausreichende Beachtung geschenkt und in seine Überlegungen nicht mit einbezogen hat, dass der Aufenthalt des serbischen Angeklagten in der Bundesrepublik infolge von dessen Ausreise zur Vermeidung ausländerrechtlicher Maßnahmen unbekannt ist und dass der Angeklagte im Falle einer erneuten Einreise mit seiner Verhaftung rechnen müsste, denn nur dann macht der Antrag des Verteidigers auf Zusicherung sicheren Geleits nach § 295 StPO überhaupt Sinn. Hat ein Ausländer zur Vermeidung seiner drohenden Ausweisung und Abschiebung freiwillig die Bundesrepublik verlassen, so ist er genügend entschuldigt, wenn er nach der Ausreise zu der danach anberaumten Berufungshauptverhandlung nicht erscheint. Der Angeklagte darf in einem solchen Fall nämlich nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten (§ 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG). Im Falle einer erneuten Einreise oder eines Aufenthaltes muss der Angeklagte mit strafrechtlicher Verfolgung wegen eines Vergehens gegen § 92 Abs. 2 Nr. 1a und b AuslG rechnen, es sei denn, dass ihm ausnahmsweise eine Erlaubnis nach § 9 Abs. 3 AuslG erteilt worden ist. Dazu, ob dem Angeklagten eine solche Ausnahmeerlaubnis im Falle erfolgter Ausreise erteilt worden ist, verhält sich das angefochtene Urteil nicht. Auf diesem Darstellungsmangel beruht das angefochtene Urteil. Dem Revisionsgericht ist es aufgrund der bindenden tatsächlichen Feststellungen unmöglich zu prüfen, ob das Gericht den Rechtsbegriff der ?genügenden Entschuldigung' verkannt hat.'
Diesen Ausführungen tritt der Senat aufgrund eigener Prüfung bei und hat gem. § 353 StPO das angefochtene Urteil einschließlich der zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Gem. § 354 Abs. 2 StPO war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts Bremen zurückzuverweisen, die auch die Kostenentscheidung hinsichtlich des Revisionsverfahrens zu treffen hat (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 464 Rn. 3).
Trotz der aus verschiedenen Gründen (u.a. Aktenanforderungen, Aktenbeiziehungen u.a.) unterbliebenen stringenten Bearbeitung liegen die Voraussetzungen für eine Verfahrenseinstellung wegen überlanger Verfahrensdauer nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen (vgl. BVerfG StV 2003, 383, 385; NJW 2004, 2398) erkennbar nicht vor. ..." (OLG Hamburg, Beschluss vom 14.06.2005 - Ss 39/03, StraFo 2005, 381)
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?... Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Das LG hat den Wiedereinsetzungsantrag des Angekl. zu Unrecht als unzulässig verworfen. Denn der Bf. hat gem. § 45 II 1 StPO einen Sachverhalt vorgetragen und glaubhaft gemacht, der sein verspätetes Erscheinen zur Berufungshauptverhandlung entschuldigt. Der Angekl., der um 8.40 Uhr vor dem Eingang in der Turmstraße war, ist rechtzeitig am Gerichtsort erschienen. Obwohl bei den Einlasskontrollen mit einem längeren Zeitaufwand zu rechnen und auch die Suche des Sitzungssaales vom Angekl. in seinen Zeitplan einzukalkulieren ist (vgl. KG, Beschl. v. 26. 1. 2005 - 5 Ws 13/05 -; v. 11. 11. 2004 - 4 Ws 129/04 -; v. 24. 7. 2003 - 4 Ws 124/04 - und v. 27. 5. 2002 - 3 Ws 143/02 -), ergibt vorliegend eine Gesamtschau, dass den Angekl. kein Verschulden trifft. Denn er ist ungefähr 20 Minuten vor dem Termin erschienen und musste nicht damit rechnen, dass er nahezu 25 Minuten benötigen wird, um die Einlasskontrolle zu passieren. Der Angekl., der aktenkundig einen Dolmetscher benötigt, erreichte um 9.13 Uhr den Saal 409. Den dort angebrachten schriftlichen Hinweis, dass die Sitzung in den Saal 220 verlegt wurde, verstand er nicht und wartete zunächst einige Minuten, bevor er den Saal 220 suchte. Unter diesen Umständen hätte es zunächst einmal nahegelegen, den Hinweis auf die Saalverlegung von dem anwesenden Dolmetscher in die russische Sprache übersetzen zu lassen. Hinzu kommt, dass das LG trotz der Saalverlegung und dem für den Angekl. unverständlichen Hinweis lediglich die üblichen 15 Minuten gewartet und bereits um 9.15 Uhr mit der Urteilsverkündung begonnen hat. Da der Angekl. rechtzeitig ins Gericht gekommen ist und mit einer solchen Vorgehensweise nicht rechnen musste, hat er die Säumnis nicht verschuldet. Seinem Wiedereinsetzungsantrag ist daher zu entsprechen. ..." (KG, Beschluss vom 13.05.2005 - 5 Ws 240/05, NStZ-RR 2006, 183)
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Derjenige, der wegen einer fehlenden Zustellung oder eines der Ladung zur Berufungshauptverhandlung anhaftenden Mangels nicht säumig war, aber zu Unrecht als säumig behandelt wird, ist einem schuldlos Säumigen gleichzustellen. Deshalb muss auch demjenigen Angeklagten Wiedereinsetzung gem. § 329 III StPO analog ohne Rücksicht auf sein etwaiges Verschulden gewährt werden, der zwar infolge Trunkenheit verhandlungsunfähig ist, bei dem dieser Sachverhalt sich aber nicht zu Beginn der Hauptverhandlung, sondern erst während der Beweisaufnahme herausstellt und, dennoch eine Verwerfung seiner Berufung nach § 329 StPO erfolgt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.04.2005 - 3 Ws 224/05, NStZ-RR 2005, 174).
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?... Das LG hat darüber hinaus den Begriff der ?genügenden Entschuldigung' gem. § 329 I StPO verkannt. ?
a) Das Ausbleiben eines Angekl. ist entschuldigt, wenn ihm bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles daraus billigerweise kein Vorwurf gemacht werden kann. Als Entschuldigungsgründe können deshalb alle Umstände in Betracht kommen, die den Angekl. am Erscheinen hinderten oder die sein Erscheinen bei Abwägung der widerstreitenden Interessen oder Pflichten als unzumutbar erscheinen lassen (Gössel, § 329 Rn 35). Bei der Verschuldensfrage ist eine weite Auslegung zu Gunsten des Angekl. geboten (OLG Karlsruhe, Justiz 1973, 57 [58]; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 329 Rn 23 mwN).
Im vorliegenden Fall war dem Angekl. unter Berücksichtigung aller Umstände ein Erscheinen in der Hauptverhandlung nicht zumutbar, so dass ihm wegen seines Fernbleibens der Vorwurf schuldhafter Pflichtverletzung nicht gemacht werden kann.
Da der Angekl. ausgewiesen und abgeschoben worden war, durfte er nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin auch nicht aufhalten (§ 8 II 1 AuslG). Würde er dennoch einreisen oder sich hier aufhalten, so kann er mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe bestraft werden (§ 92 II Nr. 1a und b AuslG), es sei denn, ihm ist ausnahmsweise eine Erlaubnis nach § 9 III AuslG erteilt worden. Letzteres war nicht der Fall. Das Ausbleiben des rechtskräftig ausgewiesenen Angekl., der das Bundesgebiet verlassen und keine Ausnahmeerlaubnis hatte, war deshalb genügend entschuldigt (OLG Düsseldorf, StV 1983, 193; Gössel, § 329 Rn 42).
b) Hieran ändert sich nichts dadurch, dass der Angekl. nicht bereit war, sich selbst um eine Betretenserlaubnis zum Zwecke der Durchführung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens zu bemühen. Hierzu war er nicht verpflichtet (so auch BayObLG, StV 2001, 359; a.A. LG Bielefeld, NStZ-RR 1998, 343). Den Angekl. trifft insoweit keine ihm billigerweise zumutbare prozessuale Mitwirkungspflicht an der Durchführung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens.
Der Zweck des § 329 I StPO besteht darin, den Bf. daran zu hindern, die Sachentscheidung über seine Berufung dadurch zu verzögern, dass er sich der Verhandlung entzieht (Meyer-Goßner, § 329 Rn 2 mwN). Die der Verfahrensbeschleunigung dienende Vorschrift ist eine eng auszulegende Ausnahmebestimmung von dem Grundsatz, dass gegen einen abwesenden Angekl. kein Urteil erlassen werden darf (§§ 230 I, 332 StPO), für die es nicht darauf ankommt, ob der Angekl. sich ausreichend entschuldigt hat, sondern nur darauf, ob er objektiv entschuldigt ist.
Kann ein Angekl. zur Berufungshauptverhandlung nicht erscheinen, so hat er die Gründe dafür dem Gericht mitzuteilen. Nach Mitteilung des Hinderungsgrundes ?Krankheit' durch Vorlage eines ärztlichen Attestes obliegt ihm aber bereits keine Mitwirkungspflicht mehr bei der danach möglicherweise vom Gericht für erforderlich gehaltenen weiteren Substantiierung (KG Berlin, Beschl. vom 16. 9. 1999 - (4) 1 Ss 217/99 -, zitiert nach JURIS; Meyer-Goßner, § 329 Rn 19 mwN). Ebenso ist ein Angekl. in der Regel ohne Weiteres entschuldigt, wenn er sich in Haft befindet. Ist er in der Berufungssache inhaftiert, hat der Vorsitzende die Vorführung anzuordnen; dass der Angekl. sie nicht selbst betreibt, stellt kein Verschulden dar (OLG Stuttgart, StV 1988, 72). Befindet sich ein Angekl. in anderer Sache in Haft, obliegt ihm keine Mitwirkungspflicht an der Durchführung des Berufungsverfahrens dahingehend, dass er die Vollzugsanstalt auf die Notwendigkeit seiner Vorführung rechtzeitig hinzuweisen hätte (OLG Braunschweig, NStZ 2002, 163 [164]). Für Zustellungen gerichtlicher Entscheidungen im Berufungsverfahren statuiert § 40 III StPO eine Mitwirkungspflicht des Angekl. dahingehend, dass von ihm verlangt wird, dass er sich um den Fortgang des Verfahrens kümmert und die gesetzlich vorgeschriebenen Zustellungen im Inland für weitere gerichtliche Mitteilungen ermöglicht, wenn er die Rechtsnachteile, insbesondere die Verwerfung seiner Berufung nach § 329 I StPO, vermeiden will. Über diese Informationspflicht über seine Adresse hinaus wollte der Gesetzgeber dem Angekl. offensichtlich aber keine weitere Mitwirkungspflicht auferlegen.
Die prozessualen Mitwirkungspflichten des berufungsführenden Angekl. haben hiernach da ihre Grenzen, wo ihm ein Erscheinen vor Gericht billigerweise nicht zugemutet werden kann. Dies ist auch dann der Fall, wenn - wie vorliegend - die öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen vor Gericht mit seiner durch Ausweisung und Abschiebung begründeten - strafbewehrten - Pflicht, sich von dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland fernzuhalten, kollidieren und diese Kollision auf fehlender Abstimmung zwischen Ausländerbehörde und Gericht beruht, die dem Angekl. nicht angelastet werden darf (BayObLG, StV 2001, 339; OLG Düsseldorf, StV 1983, 193; Gössel, § 329 Rn 42; Rautenberg in: HK-StPO, 3. Aufl., § 329 Rn 22). Wird ein Angekl. von der Ausländerbehörde ohne Rücksicht auf ein gegen ihn laufendes Strafverfahren und damit entgegen dem in Art. 35 I GG statuierten Grundsatz der gegenseitigen Amtshilfe der Behörden des Bundes und der Länder ausgewiesen und abgeschoben, so ist es dem Angekl., der sein Recht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung wahrnehmen will, nicht zuzumuten, sich in seinem Heimatland - oder, wie vorliegend, sogar in einem Drittland, dessen Sprache er unter Umständen nicht mächtig ist - über die deutsche Botschaft eine Betretenserlaubnis für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu beschaffen. Vielmehr ist es Sache der Strafverfolgungsbehörden, in Absprache mit der Verwaltungsbehörde zu klären, ob der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs oder dem öffentlichen Interesse an einem Aufenthalt des Ausländers außerhalb des Bundesgebietes der Vorrang einzuräumen ist. Der Angekl. war auch nicht verpflichtet, seinen Verteidiger mit seiner Vertretung in der Hauptverhandlung zu betrauen. Er hatte vielmehr das Recht, in der Hauptverhandlung selbst anwesend zu sein (so auch BayObLG, StV 2001, 339). ... (OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.08.2004 - 1 Ss 132/04, NStZ-RR 2004, 338 f).
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Zwar kann grundsätzlich ein Urteil nach § 329 StPO in der Revision nur mit der Begründung angegriffen werden, das Gericht habe die Voraussetzungen für eine Verwerfung der Berufung unzutreffend bejaht. Dazu zählt jedoch auch der Fall, daß entgegen § 218 StPO der gewählte Verteidiger nicht zum Termin zur Hauptverhandlung geladen wurde. Allerdings bedingt dieser Verstoß nicht in jedem Fall die Aufhebung des Verwerfungsurteils. Ein Verwerfungsurteil beruht aber dann auf der unterbliebenen Ladung des ordnungsgemäß bestellten Verteidigers, wenn nicht ausgeschlossen ist, daß der Verteidiger im Termin Entschuldigungsgründe für den nicht erschienenen Angeklagten hätte vorbringen können, tatsächlich Entschuldigungsgründe gegeben sein können und dem Verteidiger bekannt waren. Dies muß von der Revision in einer der Form des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechenden Weise vorgetragen werden (BayObLG StV 2002, 356).
Ein Verwerfungsurteil gem. § 329 I StPO darf erst ergehen, wenn das Gericht einen angemessenen Zeitraum seit dem angesetzten Termin gewartet hat. Eine Pflicht, mehr als 15 Minuten zuzuwarten, besteht grundsätzlich nur, wenn der Angeklagte innerhalb der regelmäßigen Wartezeit mitgeteilt hat, dass er sich verspäten, aber noch innerhalb angemessener Zeit erscheinen werde (KG NStZ-RR 2002, 218).
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?... Die Revision ist begründet, denn auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts hätte das LG die Abwesenheit der Angeklagten in der Berufungsverhandlung nicht als unentschuldigt ansehen dürfen.
Grundsätzlich ist ein verhafteter Angekl. vorzuführen und scheidet eine Verwerfung nach § 329 I StPO aus, es sei denn, der Angekl. hätte - was hier gerade nicht der Fall ist - unmissverständlich auf eine Vorführung verzichtet (OLG Stuttgart StV 1988, 72; KK-Ruß 4. Aufl., § 329 Rn 12). Das gilt entgegen der vom LG unter Berufung auf den Kommentar von Kleinknecht/Meyer-Goßner (45. Aufl., § 329 Rn 24) vertretenen Auffassung auch dann, wenn der Angekl. nicht in der zu verhandelnden Sache einsitzt, sondern Strafhaft in anderer Sache verbüßt (KK-Ruß aaO; LR-Gollwitzer 24. Aufl., § 329 Rn 19; Rautenberg in Heidelberger Komm. zur StPO, 3. Aufl., § 329 Rn 23; Pfeiffer StPO, 2. Aufl., § 329 Rn 6; OLG Köln GA 1962, 382 und 1963, 58). Grundsätzlich ist einem inhaftierten Angekl. als Entlastung zugute zu halten, dass er an den Verhandlungstermin gar nicht oder zu spät denkt, weil er die bereits vor der Inhaftierung erhaltene Ladung während der Haft nicht in Händen hat, oder dass er annimmt, die Justizverwaltung, die ihn in Strafhaft genommen hat, werde nötigenfalls selbst dafür sorgen, dass er bei dem anderen Gericht vorgeführt wird, oder dass ein Angekl. annimmt, eine Vorführung könne ganz kurzfristig erfolgen, da ihm - sofern nicht hafterfahren - nicht die allen Justizangehörigen vertrauten Zeiträume bekannt sind, die eine gewöhnlich Verschubung in Anspruch nimmt (vgl. OLG Köln, GA 1963, 58, 59).
Für die Anwendung des § 329 I StPO kommt es nicht darauf an, ob der Angekl. sich ausreichend entschuldigt hat, sondern nur darauf, ob er objektiv entschuldigt ist. Deshalb gelten die oben angestellten Erwägungen zur Entschuldigung des Angekl. auch dann, wenn das BerGer. nicht weiß, dass er in anderer Sache inhaftiert ist. Wenn das BerGer. hiervon nichts weiß und deshalb die Berufung als unzulässig verwirft, so ist das Urteil über § 329 III StPO oder durch die Revision zu korrigieren (KK-Ruß aaO, Rn 12a.E.; LR-Gollwitzer aaO, Rn 20).
Die in dem Kommentar von Kleinknecht/Meyer-Goßner (aaO) vertretene abweichende Auffassung ist schon aus den vorgenannten Gründen abzulehnen; außerdem sind auch die Voraussetzungen für ihre Anwendbarkeit unscharf, wenn es heißt, der Angekl. bleibe ?unentschuldigt aus, wenn er auf die Notwendigkeit seiner Vorführung nicht rechtzeitig hinweise, obwohl er annehmen muss, dass das BerGer. von der Inhaftierung nichts weiß". Der Begriff der ?Rechtzeitigkeit" wird dem Berufungsrichter bei sachgerechter Auslegung nur selten als Instrument zur Verwerfung der Berufung dienen können, da ein nicht gerichtserfahrender Angekl. angesichts der modernen Transportmöglichkeiten regelmäßig wird annehmen dürfen, dass ein Transport zum Gerichtsort innerhalb eines Tages möglich sein wird, ohne dass man ihm aus diesem - für Gerichtskundige offensichtlichen - Irrtum einen Vorwurf wird machen können. Unklar bleibt auch, wann ein Angekl. ?annehmen muss", dass das BerGer. von der Inhaftierung in anderer Sache nichts wisse, da es für eine außerhalb der Justiz stehende Person nicht ohne weiteres verständlich sein wird, dass ein Justizorgan nichts von den Amtshandlungen des anderen Justizorgans wissen soll, obwohl beide aus der Sicht des Außenstehenden zu demselben ?Verwaltungsapparat" gehören. Der Kommentar von Kleinknecht/Meyer-Goßner beruft sich zudem zur Stützung seiner Auffassung auf 2 Gerichtsentscheidungen, die nicht in vollem Umfange einschlägig sind. Das OLG Celle hat in seiner Entscheidung vom 12. 6. 1963 (NdsRpfl 1963, 260) den Begriff des ?unabwendbaren Zufalls" i.S. des § 329 II StPO a.F. zu interpretieren gehabt, der enger ist als der Begriff der ?genügenden Entschuldigung"; das OLG Karlsruhe hat in seiner Entscheidung vom 21. 10. 1968 (NJW 1969, 476) die Verwerfung nach § 329 I StPO schon dann nicht mehr zugelassen, wenn das Gericht - wie im vorliegenden Fall - noch in letzter Minute vor der Entscheidung von der Inhaftierung des Angekl. erfahren hat, wenn dieser sich also nicht ?rechtzeitig", d.h. mit gehörigem Vorlauf, entschuldigt hatte. ..." (OLG Braunschweig, OLG Braunschweig, Beschluss vom 01.11.2001 - 1 Ss 65/01, NStZ 2002, 163 f)
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Wird nach der wirksamen öffentlichen Zustellung einer Ladung des Angeklagten zur Berufungshauptverhandlung dessen inländische Anschrift dem Gericht vor der Verhandlung doch noch bekannt, so muß es ihn nach § 37 StPO zum Termin laden. Die Zugangsfiktion des § 40 Abs. 2 StPO gilt dann nicht mehr (OLG Stuttgart StV 2001, 336).
Die Voraussetzungen für ein Verwerfungsurteil wegen unentschuldigter Abwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung werden im Freibeweisverfahren festgestellt. Ein Beweisantrag muß deshalb nicht gemäß § 244 Abs. 3 StPO und 6 StPO verbeschieden werden, ist jedoch Anregung für die gerichtliche Aufklärung gemäß Abs. 2 der Vorschrift. Auch die Verletzung der Aufklärungspflicht im Freibeweisverfahren kann mit der Aufklärungsrüge beanstandet werden (OLG Zweibrücken StV 2001, 336).
Es ist (entgegen OLG Dresden NJW 2000, 3295) daran festzuhalten, daß die Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO durch rechtsfehlerhafte Annahme der Voraussetzungen für eine Berufungsverwerfung nur Gegenstand einer den Vorschriften des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechenden Verfahrensrüge sein kann und vom Revisionsgericht nicht schon auf Grund einer allgemeinen Sachrüge zu prüfen ist (OLG Köln StV 2001, 336).
Ein Ausbleiben des Angeklagten im Berufungstermin kann unverschuldet sein, wenn der Angeklagte eine die Verhandlungsunfähigkeit beseitigende Therapie wegen erheblicher Eingriffe in seine körperliche Integrität oder seine Persönlichkeitsrechte unterlässt (BayObLG StV 2001, 336 ff).
§ 329 Abs. 1 StPO ist eine eng auszulegende Ausnahmebestimmung, die eine weite Auslegung zugunsten des Angeklagten gebietet. Es kommt nur darauf an, ob der Angeklagte entschuldigt ist, nicht, ob er sich genügend entschuldigt hat. Das Berufungsgericht ist gehalten, bei Anhaltspunkten für ein berechtigtes Fernbleiben im Wege des Freibeweises zu klären, ob das Fernbleiben genügend entschuldigt ist. Hierbei darf das Gericht nur Beweise erheben, die sofort zur Verfügung stehen (BayOblG StV 2001, 338 f).
Ist der Angeklagte ausgewiesen und hat er das Bundesgebiet verlassen und verfügt er über keine Ausnahmeerlaubnis zur Wiedereinreise, ist sein Ausbleiben in der Berufungshauptverhandlung genügend entschuldigt. Er ist auch nicht verpflichtet, sich als ausgewiesener Ausländer bei der Ausländerbehörde um eine kurzzeitige Betretenserlaubnis zum Zwecke der Durchführung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens zu bemühen (BayObLG StV 2001, 339).
Ist der Angeklagte zur Berufungshauptverhandlung nicht wirksam geladen und wird seine Berufung nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen, so ist ihm (auch) von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Verzichtsvermutung des § 342 Abs. 3 StPO gilt für diese Wiedereinsetzung nicht (OLG Hamburg StV 2001, 339 f).
Einer erschöpfenden Mitteilung der der Wertung des Tatrichters zugrunde gelegten Tatsachen und Feststellungen im Verwerfungsurteil bedarf es auch dann, wenn der Tatrichter Entschuldigungsvorbringen des Angeklagten als unglaubhaft bzw. vorgebrachte Umstände als nur vorgeschoben ansieht und deshalb die Berufung des im Berufungshauptverhandlungstermin ausgebliebenen Angeklagten gem. § 329 Abs. 1 StPO verwirft. Eine Autopanne wird in der Regel als genügende Entschuldigung i. S. v. § 329 Abs. 1 StPO anzusehen sein. Der Angeklagte ist auch nicht verpflichtet, bei Gericht nachzufragen, bis wann sein Erscheinen bei Gericht sinnvoll ist, um dann ggf. mit einem Taxi zu dem rund 80 km weit entfernten Gerichtsort zu fahren (OLG Hamm StV 2001, 340 f).
Ein Verwerfungsurteil wegen Nichterscheinens des Angeklagten darf erst dann ergehen, wenn das Gericht mit dem Beginn der Hauptverhandlung 15 Minuten gewartet hat. Die Wartezeit beginnt mit der angesetzten Terminszeit (OLG Düsseldorf NStZ-RR 2001, 303).
Für die Frage, ob das Berufungsgericht seiner Rechtspflicht nachgekommen ist, vor der Verwerfung der Berufung des Angeklagten gem. § 329 I StPO eine angemessene Zeit abzuwarten, ist auf den Beginn der Hauptverhandlung, also den Aufruf der Sache, nicht auf die angesetzte Terminsstunde abzustellen (OLG Frankfurt NStZ-RR 2001, 85).
Die Vorschrift des § 329 I Satz 1 StPO stellt keine Ausnahme vom Recht auf Beistand eines Verteidigers im Sinn der Entscheidung des EGMR vom 21.1.1999 (NJW 1999, 2353) dar (BayObLG NStZ-RR 2000, 307).
Keine Verwerfung der Berufung nach § 329 I StPO, wenn der Angeklagte nicht erschienen ist, weil er sich in anderer Sache in Haft befindet (OLG Braunschweig NStZ 2002, 163).
Das Ausbleiben eines Angeklagten im Berufungstermin kann nicht als entschuldigt angesehen werden, wenn er nach Erhalt der Terminsladung erneut eine Straftat begeht und deswegen im Ausland inhaftiert wird. Sein Ausbleiben beruht in diesem Fall auf eigenem Verschulden (OLG Frankfurt NStZ-RR 1999, 144).
Die Verwerfung der Berufung eines Angeklagten gem. § 329 I StPO, der wegen einer anderen Verurteilung zu Freiheitsstrafe seine Verhaftung befürchtet und deshalb zur Hauptverhandlung nicht erscheint, verstößt nicht gegen Art. 6 IIIc MRK, auch wenn der von dem Angeklagten mit dessen Verteidigung beauftragte Rechtsanwalt im Termin zur mündlichen Verhandlung seine Verteidigungsbereitschaft erklärt (OLG Köln NStZ-RR 1999, 112).
Bestehen Anhaltspunkte für ein alsbaldiges Erscheinen des Angeklagten zum Berufungshauptverhandlungstermin, ist es geboten, länger als die üblichen 15 Minuten zu warten, bevor die Berufung verworfen wird (OLG Frankfurt NStZ-RR 1998, 211).
Hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger in der Hauptverhandlung vortragen lassen, daß er sich erst seit wenigen Tagen in einer Drogentherapie befände, so daß die Gefahr bestünde, daß er die Therapie frühzeitig abbrechen würde, wenn er zur Hauptverhandlung erschiene, muß sich das Gericht damit auseinander setzen, warum es dennoch das Erscheinen des Angeklagten für zumutbar hält und einem Vertagungsantrag nicht stattgibt (KG StV 1995, 575).
Ein ungewöhnlich langer Zeitraum - hier 11 Monate - zwischen dem Zugang der Ladung und der Berufungshauptverhandlung entschuldigt das auf Vergessen des Termins beruhende Ausbleiben des Angeklagten in der Regel allein nicht. Für eine Widereinsetzung in den vorigen Stand in einem solchen Fall ist erforderlich, daß der Angeklagte darlegt (und glaubhaft macht), ob und gegebenenfalls welche zumutbaren Vorkehrungen er gegen das mögliche Vergessen des Termins getroffen hat (OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996, 169).
Ein ärztliches Attest, nach welchem der Angeklagte wegen einer näher bezeichneten Erkrankung nicht reisefähig ist, reicht grundsätzlich aus, um das Ausbleiben des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung genügend zu entschuldigen. Bedenken gegen die inhaltliche Richtigkeit eines solchen Attestes hat die Strafkammer im Wege des Freibeweises von Amts wegen zu klären (OLG Düsseldorf StV 1994, 364 f).
Wegen des Ausnahmecharakters des § 329 Abs. 1 StPO darf nach dieser Vorschrift nicht mehr verfahren werden, wenn der zu Beginn der Hauptverhandlung erschienene Angeklagte sich kurz darauf wieder entfernt oder sich erst in der Beweisaufnahme seine schuldhaft herbeigeführte Verhandlungsunfähigkeit herausstellt (OLG Celle StV 1994, 365).
***
Durch das angefochtene Urteil ist auf die Berufung der StA das Urteil des SchöG im Strafausspruch dahin abgeändert worden, daß die Aussetzung der Vollstreckung der erkannten Strafe entfallen Ist. Die Berufungshauptverhandlung hat in Abwesenheit des derzeit in Strafhaft in der JVA V. aufenthaltsamen Angekl. stattgefunden. Ausweislich der Urteilsausführungen ist sie ?gem. § 329 Abs. II StPO unter Mitwirkung des Verteidigers ohne den Angekl. durchgeführt worden. da der Angekl. nach ordnungsgemäßer Ladung am 19. und am 21. 8. 1985 mitgeteilt hat, daß er an der Berufungshauptverhandlung nicht teilnehmen wolle, seine Verschubung aus der JVA V. verweigert hat und deshalb zum Termin nicht erschienen ist'. Weitere Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 329 Abs. II StPO enthält das angefochtene Urteil nicht. Im Anschluß an die vorstehend zitierten Ausführungen findet sich in den Urteilsausführungen noch der Satz: ?Eine zwangsweise Vorführung des Angekl. zur Berufungshauptverhandlung war zur weiteren verfahrenserheblichen Sachaufklärung nicht mehr erforderlich, zumal die Kammer wie in erster Instanz das SchöG von einem günstigen persönlichen Eindruck des Angeklagten ausgegangen ist.
Wie von der Revision zu Recht gerügt wird, rechtfertigt diese Begründung die Durchführung einer Verhandlung über die Berufung der StA in Abwesenheit des Angekl. gem. § 329 Abs. 11 S. 1 StPO nicht.
Gem. § 329 Abs. 11 S. 1 StPO ist eine Verhandlung über eine Berufung der StA ohne den Angekl., abgesehen von den hier ausscheidenden Fällen einer Anwendbarkeit der auch im Berufungsverfahren gem. § 332 StPO geltenden Vorschriften der §§ 231 Abs. 11 bis 233 StPO oder der nach § 411 Abs. II StPO zulässigen Vertretung des Angekl. durch einen Verteidiger, nur unter den Voraussetzungen des § 329 Abs. 1 S. 1 StPO möglich, d.h. sofern das Ausbleiben des Angekl. nicht genügend entschuldigt ist.
In den Ausführungen des angefochtenen Urteils findet sich eine ausdrückliche Erklärung, daß die StrK das Ausbleiben des Angekl. als nicht genügend entschuldigt angesehen habe, nicht. Aus dem erfolgten Verweis auf § 329 Abs. 2 StPO muß jedoch entnommen werden, daß die StrK diese Erklärung hat abgeben wollen. Damit sind indessen noch nicht die Erwägungen deutlich gemacht worden, aus denen heraus die StrK zur Annahme einer nicht genügenden Entschuldigung des Angekl. gekommen ist. Die den Urteilsgründen allein zu entnehmende Darlegung, der Angekl. sei nicht zum Termin erschienen, nachdem er nach ordnungsgemäßer Ladung am 19. und 21. 8.1985 mitgeteilt habe (wem gegenüber?), daß er an der Berufungshauptverhandlung nicht teilnehmen wolle und seine Verschubung aus der JVA V. verweigert habe, reicht nicht aus, um dem Revisionsgericht die Beantwortung der Frage möglich zu machen, ob die StrK den Rechtsbegriff der ?nicht genügenden Entschuldigung' verkannt haben könnte.
?Genügend' i. S. d. § 329 Abs. 1 S. 1 StPO ist eine Entschuldigung dann, wenn die im Einzelfall abzuwägende Belange des Angekl. einerseits und seine öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen andererseits den Entschuldigungsgrund als triftig erscheinen lassen, d. h. wenn dem Angekl. unter den gegebenen Umständen ein Erscheinen nicht zumutbar war und ihm infolgedessen wegen seines Fernbleibens auch nicht der Vorwurf schuldhafter Pflichtverletzung gemacht werden kann (st. Rspr. des Senats, vgl. Beschl. - Ss 4/82 - v. 24. 2. 1982 m.w.N.; Gollwitzer in LR 23. A. 1978 § 329 StPO Rdnr. 33 ff.).
Ob die Entschuldigung des Angekl. in diesem Sinne ?genügend' war, läßt sich indessen ohne Kenntnis der in dem angefochtenen Urteil nicht mitgeteilten Beweggründe des Angekl. für sein Fernbleiben nicht beurteilen. Bei der Überprüfung eines unter den Voraussetzungen drs § 329 Abs. 1 S. 1 StPO ergangenen Urteils ist das Revisionsgericht an die in diesem Urteil zur Frage der Entschuldigung getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden (BGHSt 28, 384, 387, 388). Der Senat war mithin nicht berecht, die Tatsachen, aus denen sich eine genügende oder ungenügende Entschuldigung des Angekl. ergeben könnte, im Wege des Freibeureises selbst zu ermitteln. Ob die vom Angekl. bei Ausführung seiner Verfahrensrüge der ungenügenden Amtsaufklärung der Voraussetzungen des § 329 Abs. 1 S. 1 StPO hierzu mitgeteilten weiteren Tatsachen, die der StrK bri ihrer Entscheidung bekannt waren, im Urteil aber nicht erwähnt worden sind, vom Revisionsgericht jedenfalls insoweit berücksichtigt werden dürfen, als sich aus ihnen die Unvollständigkeit der im Urteilerwähnten Tatsachen ergibt, läßt der Senat dahingestellt, da es darauf hier nicht mehr ankommt.
Da im vorhegenden Falle nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Voraussetzungen des § 329 Abs. 1 S. 1 StPO vorgelegen haben, war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Aufhebung des Urteils war auf die ihm zugrunde liegenden Feststellungen zu erstrecken (§ 353 StPO). Gem. § 354 Abs. II StPO war die Sache zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der StA gegen das Urteil des SchöG, soweit dieses noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist, an eine andere Große StrK des LG zurückzuverweisen.
Auf die Revisionsrüge, daß die StrK auch dadurch ihre Aufklärungspflicht verletzt habe, daß sie ohne dessen Anwesenheit zwar von einem günstigen persönlichen Eindruck des Angekl. ausgegangen, gleichwohl aber nicht zur Strafaussetzung zur Bewährung gelangt sei, kommt es danach nicht mehr an. Diese Rüge wäre nur dann von verfahrenserheblicher Bedeutung, wenn die StrK grundsätzlich gem. § 329 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 329 Abs. 1 S. 1 StPO in Abwesenheit des Angekl. hätte verhandeln dürfen. Das konnte vom Senat indessen gerade nicht festgestellt werden. ..." (OLG Bremen, Beschluss vom 07.02.1986 - Ss 127/85, StV 1987, 11).
***
Ist in einem Strafbefehlsverfahren der Angeklagte in der späteren Berufungshauptverhandlung durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten, so darf das Rechtsmittel des unentschuldigt ausgebliebenen Angeklagten auch dann nicht nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen werden, wenn dessen persönliches Erscheinen angeordnet war. Die rechtsfehlerhafte Anwendung des § 329 Abs. 1 StPO kann nicht im Wiedereinsetzungsverfahren, sondern nur mit der Revision geltend gemacht werden (OLG Düsseldorf StV 1985, 52).
*** (LG)
Belehrung eines der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten über die Folgen eines unentschuldigten Ausbleibens im Berufungsverfahren bzw. in der Hauptverhandlung nach Einspruch gegen Strafbefehl. Eine wirksame Ladung, die allein zur Verwerfung eines Einspruchs gegen einen Strafbefehl oder einer Berufung gemäß §§ 412 Abs. 1 oder 329 Abs. 1 StPO führen kann, setzt auch voraus, dass die gemäß § 323 Abs. 1 S. 2 StPO vorgeschriebene mit der Ladung verbundene Belehrung über die Folgen eines unentschuldigten Ausbleibens dem der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten auch in einer ihm verständlichen Sprache vorgenommen wurde. Die nichtübersetzte Belehrung steht einer Nichtbelehrung gleich (LG Heilbronn, Urteil vom 17.06.2010 - 5 Ns 44 Js 7003/09 zu StPO §§ 329 Abs. 1, 412 Abs. 1, 323 Abs. 1 S. 2).
Ausbleiben des Verteidigers § 145 StPO
(1) Wenn in einem Falle, in dem die Verteidigung notwendig ist, der Verteidiger in der Hauptverhandlung ausbleibt, sich unzeitig entfernt oder sich weigert, die Verteidigung zu führen, so hat der Vorsitzende dem Angeklagten sogleich einen anderen Verteidiger zu bestellen. Das Gericht kann jedoch auch eine Aussetzung der Verhandlung beschließen.
(2) Wird der notwendige Verteidiger gemäß § 141 Abs. 2 erst im Laufe der Hauptverhandlung bestellt, so kann das Gericht eine Aussetzung der Verhandlung beschließen.
(3) Erklärt der neu bestellte Verteidiger, daß ihm die zur Vorbereitung der Verteidigung erforderliche Zeit nicht verbleiben würde, so ist die Verhandlung zu unterbrechen oder auszusetzen.
(4) Wird durch die Schuld des Verteidigers eine Aussetzung erforderlich, so sind ihm die hierdurch verursachten Kosten aufzuerlegen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die durch die Aussetzung des Verfahrens entstandenen Kosten gem. § 145 IV StPO dem Pflichtverteidiger auferlegt werden, weil dieser das Gericht über das wegen Vermögensverfalls von der Rechtsanwaltskammer eingeleitete Widerrufsverfahren und den sodann ausgesprochenen, sofort vollziehbaren Widerruf seiner Anwaltszulassung so spät informierte, dass das Gericht nicht mehr in der Lage war, rechtzeitig einen neuen Pflichtverteidiger zu bestellen oder die Rechtsanwaltskammer durch Hinweis auf die seit drei Jahren laufende, kurz vor dem Abschluss stehende Hauptverhandlung zu einem Aufschub des Sofortvollzugs zu bewegen. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Beschluss über die Aussetzung des Verfahrens und die Kostentragung gem. § 145 IV StPO von der Strafkammer ohne Schöffen außerhalb der Hauptverhandlung gefasst wird. Zur Frage der Angemessenheit der Wartefrist für das Gericht, wenn sich ein Beschwerdeführer die Begründung seiner Beschwerde vorbehalten hat und das Gericht dafür keine Frist gesetzt hat (BVerfG, Beschluss vom 25. 2. 2009 - 2 BvR 2542/08, NJW 2009, 1582 ff - www.bverfg.de/entscheidungen/rk20090225_2bvr254208.html zu GG Art. 2 I, 20 III, 103 I; StPO § 145 IV).
*** (BGH)
Begibt sich der Verteidiger nach Ablehnung eines Entpflichtungsantrags unter Ablegung der Robe in den Zuschauerraum, gibt er eindeutig zu erkennen, daß er sich weigert, die Verteidigung weiter zu führen. Der Angekl. ist von diesem Zeitpunkt an nicht mehr verteidigt, so daß das Verfahren nicht zu Ende geführt werden kann (BGH StV 1993, 566).
Aus der Tatsache, daß der Strafkammervorsitzende dem Angeklagten das Wort entzogen hat, folgt nicht ohne weiteres, daß es schuldhaft den Anschein einer Standeswidrigkeit begründet, wenn der Rechtsanwalt die Erklärung des Angeklagten mit zum Inhalt eines Ablehnungsgesuches macht. Das eigenmächtige Verlassen der Hauptverhandlung eines zum Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwaltes in einem Fall notwendiger Verteidigung ist nicht standeswidrig, wenn dies eine Reaktion auf eine in ihrer Zulässigkeit rechtlich umstrittene oder rechtswidrige Maßnahme ist, durch die der Vorsitzende oder das Gericht erheblich in die Rechte des Angeklagten oder der Verteidigung eingreift. Ein Handeln aus Gewissenszwang ist zu respektieren, wenn es nicht auf schuldhafter Verkennung der Rechtslage beruht (BGH StV 1991, 133 f).
***
Die Kosten des Verfahrens können dem Pflichtverteidiger nach § 145 Abs. 4 StPO nur in den Fällen des § 145 Abs. 1 StPO auferlegt werden, nicht aber, wenn die Hauptverhandlung aufgrund sonstigen pflichtwidrigen Verhaltens des Verteidigers ausgesetzt werden muß (OLG Köln StV 2001, 389 f).
Die Kostentragungspflicht des Verteidigers ist auf schuldhaft von ihm verursachte Aussetzungen der Hauptverhandlung aus einem der in § 145 StPO genannten Gründe beschränkt (KG NStZ-RR 2000, 189).
Darf der bisherige Pflichtverteidiger darauf vertrauen, daß ein von dem Angekl. beauftragter Wahlverteidiger den Hauptverhandlungstermin wahrnimmt und ist ein von diesem in der Hauptverhandlung gestellter Aussetzungsantrag für ihn nicht vorhersehbar, beruht die Aussetzung der Hauptverhandlung nicht auf seinem Verschulden, weshalb er die Kosten der von ihm verursachten Aussetzung der Hauptverhandlung nicht zu tragen hat (KG StV 2000, 406 f).
Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt, weil der Verteidiger sich darauf beruft, daß das für zwei Tage vor der Hauptverhandlung geplante Verteidigergespräch infolge Erkrankung seines Mandanten nicht habe durchgeführt werden können, rechtfertigt dies nicht, dem Verteidiger die entstandenen Kosten und Auslagen aufzuerlegen (OLG Nürnberg StV 1998, 584 f).
Den Wahlverteidiger trifft die Pflicht, zur Sicherung des Verfahrens beizutragen, neben einem anderweitig bestellten Pflichtverteidiger nicht in gleicher Weise. Daher gilt für ihn eine unbedingte Erscheinungspflicht nicht. Dem Wahlverteidiger können daher auch bei ordnungsgemäßer Ladung die Kosten nicht auferlegt werden, wenn er zur Hauptverhandlung nicht erscheint (OLG Köln StV 1997, 122 f).
Für die Auferlegung der Kosten bei Ausbleiben eines (Pflicht-) Verteidigers nach § 145 Abs. 4 StPO ist nicht der Vorsitzende allein, sondern das Gericht in der Hauptverhandlung zuständig. Hat der (Pflicht-) Verteidiger seine Verhinderung am Erscheinen in der Hauptverhandlung rechtzeitig mitgeteilt und wird darauf vom Vorsitzenden nichts veranlaßt, beruht eine erforderliche Aussetzung der Hauptverhandlung nicht auf einem Verschulden des Verteidigers, so daß ihm nicht gem. § 145 Abs. 4 StPO die Kosten auferlegt werden können (OLG Hamm StV 1995, 514 f).
Die Kostenüberbürdung auf den Verteidiger nach § 145 IV StPO setzt voraus, daß die Aussetzung der Verhandlung durch ein solches Verhalten des Verteidigers notwendig wird, wie es in § 145 I StPO aufgeführt ist. Es genügt für die Aussetzung des § 145 IV nicht, daß sich in einer umfangreichen Hauptverhandlung nach mehrfachem Nichterscheinen des bestellten Verteidigers zu einzelnen Verhandlungstagen und nach insoweit jeweils erfolgter Bestimmung eines anderen Verteidigers gem. § 145 I nachträglich herausstellt, daß die Verteidigung des Angeklagten irreparabel unzulänglich gewesen ist, und deswegen die Aussetzung erfolgt (OLG Hamm NStZ 1983, 186).
Verteidigern, die durch unsachgemäße Erörterung von Ablehnungsanträgen die Verhandlungsunfähigkeit des gesundheitlich geschwächten Angeklagten herbeiführen, können die infolge der Aussetzung entstandenen Kosten auferlegt werden (OLG Hamburg NStZ 1982, 171 f).
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Wird durch das Ausbleiben des (Wahl-)Verteidigers die Aussetzung der Verhandlung erforderlich, so ist eine Auferlegung der hierdurch verursachten Kosten auf den Verteidiger bei einem Verfahren vor dem Amtsgericht nur dann möglich, wenn das Gericht dem Verteidiger zuvor bekannt gemacht hatte, daß ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt (LG Bielefeld StV 2004, 32).
Eine Kostenüberbürdung auf den ausgebliebenen Wahlverteidiger im Verfahren vor dem Schöffengericht kommt nicht in Betracht, wenn kein gerichtlicher Hinweis auf die Notwendigkeit der Verteidigung erfolgte, wenn diese sich aus der Schwere der Tat (§ 140 Abs. 2 StPO) herleitet (LG Berlin StV 1995, 295 f).
Auskunft an den Betroffenen, Akteneinsicht § 185 StVollzG
Der Betroffene erhält nach Maßgabe des § 19 des Bundesdatenschutzgesetzes Auskunft und, soweit eine Auskunft für die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen nicht ausreicht und er hierfür auf die Einsichtnahme angewiesen ist, Akteneinsicht. An die Stelle des Bundesbeauftragten für den Datenschutz in § 19 Abs. 5 und 6 des Bundesdatenschutzgesetzes tritt der Landesbeauftragte für den Datenschutz, an die Stelle der obersten Bundesbehörde tritt die entsprechende Landesbehörde.
Leitsätze/Entscheidungen:
Das Recht eines Gefangenen auf Akteneinsicht in die Akten der Vollzugsbehörde, insbes. in seine Gefangenenpersonalakte gem. § 185 StVollzG, das durch einen Verteidiger ausgeübt werden kann, geht dem eigenen Recht des Verteidigers auf Akteneinsicht gem. § 147 StPO vor (BVerfG StV 2002, 272 f).
Siehe auch unter ?Auskünfte und Akteneinsicht".
Auskünfte und Akteneinsicht § 477 StPO (n.F.)
(1) Auskünfte können auch durch Überlassung von Abschriften aus den Akten erteilt werden.
(2) Auskünfte aus Akten und Akteneinsicht sind zu versagen, wenn der Übermittlung Zwecke des Strafverfahrens oder besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen. Ist eine Maßnahme nach diesem Gesetz nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig, so dürfen die auf Grund einer solchen Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten ohne Einwilligung der von der Maßnahme betroffenen Personen zu Beweiszwecken in anderen Strafverfahren nur zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach diesem Gesetz hätte angeordnet werden dürfen. Darüber hinaus dürfen personenbezogene Daten, die durch eine Maßnahme der in Satz 2 bezeichneten Art erlangt worden sind, ohne Einwilligung der von der Maßnahme betroffenen Personen nur verwendet werden
1. zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit,
2. für die Zwecke, für die eine Übermittlung nach § 18 des Bundesverfassungsschutzgesetzes zulässig ist, sowie
3. nach Maßgabe des § 476.
§ 100d Abs. 5, § 100i Abs. 2 Satz 2 und § 108 Abs. 2 und 3 bleiben unberührt.
(3) In Verfahren, in denen
1. der Angeklagte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren eingestellt wurde oder
2. die Verurteilung nicht in ein Führungszeugnis für Behörden aufgenommen wird und seit der Rechtskraft der Entscheidung mehr als zwei Jahre verstrichen sind,
dürfen Auskünfte aus den Akten und Akteneinsicht an nichtöffentliche Stellen nur gewährt werden, wenn ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der Information glaubhaft gemacht ist und der frühere Beschuldigte kein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat.
(4) Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung trägt der Empfänger, soweit dieser eine öffentliche Stelle oder ein Rechtsanwalt ist. Die übermittelnde Stelle prüft in diesem Falle nur, ob das Übermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben des Empfängers liegt, es sei denn, dass besonderer Anlass zu einer weitergehenden Prüfung der Zulässigkeit der Übermittlung besteht.
(5) Die nach den §§ 474, 475 erlangten personenbezogenen Daten dürfen nur zu dem Zweck verwendet werden, für den die Auskunft oder Akteneinsicht gewährt wurde. Eine Verwendung für andere Zwecke ist zulässig, wenn dafür Auskunft oder Akteneinsicht gewährt werden dürfte und im Falle des § 475 die Stelle, die Auskunft oder Akteneinsicht gewährt hat, zustimmt. Wird eine Auskunft ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts erteilt, so ist auf die Zweckbindung hinzuweisen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Für die Gewährung von Akteneinsicht an Privatpersonen enthalten die §§ 475ff. StPO spezielle Vorschriften, die sowohl dem Schutz der Rechte des Beschuldigten als auch der Sicherung der Zwecke des Strafverfahrens (§ 477 II 1 StPO) dienen. Diese besonderen gesetzlichen Voraussetzungen können nicht unter Berufung auf das allgemeine staatsanwaltliche Ermessen bei der Auswahl der Ermittlungsmaßnahmen (vgl. § 161 I StPO) unterlaufen werden (BVerfG, Beschluss vom 18.03.2009 - 2 BvR 8/08 zu GG Art. 1 I, 2 I; StPO §§ 161 I, 475ff., NJW 2009, 2876 f).
*** (BGH)
Eine Person, die nicht am Ermittlungs- bzw. am Strafverfahren im engeren Sinne beteiligt ist, sondern zufällig als Gesprächspartner von einer heimlichen Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme betroffen ist, hat Anspruch auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung unter Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Zu diesem Zweck sind ihr diejenigen Aktenbestandteile zur Verfügung zu stellen, die für die Überprüfung der Anordnungsbeschl. und der Art und Weise der Durchführung erforderlich sind (BGH, Beschluss vom 22.09.2009 - StB 38/09 zu StPO §§ 101 Abs. 7 S. 2, 475 Abs. 1, 477 Abs. 2; GG Art. 103 Abs. 1).
*** (OLG)
Der Umstand, dass ein Zeuge sich zur Auskunftsverweigerung berechtigt wähnt, begründet für den anwaltlichen Zeugenbeistand keinen Anspruch auf Akteneinsicht. Im Hinblick auf die Unbefangenheit bei der bevorstehenden Vernehmung wäre es nicht sachgerecht, dem Zeugen eine Vorbereitung seiner Aussage durch Akteneinsicht zu ermöglichen (KG, Beschluss vom 20.12.2007 - (1) 2 BJs 58/06 - 2 (22/07) zu StPO §§ 475, 477, 55, 147, 406e):
?... Der GBA führt gegen den Besch. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (?militante Gruppe [mg]'). In diesem Verfahren soll Z. als Zeuge vernommen werden. Mit Beschl. v. 22. 10. 2007 hat der Vors. dem Zeugen für die Dauer seiner Vernehmung RA M. gem. § 68b StPO als Zeugenbeistand beigeordnet. Die ebenfalls beantragte Akteneinsicht ist ihm durch den GBA verweigert und lediglich eine Ablichtung des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des BGH gegen B. v. 01. 08. 2007 übersandt worden. Der hiergegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
1. Über den zulässigen Antrag hat gem. §§ 475, 478 Abs. 3 S. 1 i.V.m. §§ 161a Abs. 3 S. 2 bis 4 StPO, 73 Abs. 1, 120 Abs. 3 GVG der Senat zu entscheiden. Soweit § 478 Abs. 3 S. 2 StPO anordnet, daß die Entscheidung ?des Vors.' unanfechtbar ist, wird damit für den Fall, daß die Entscheidung der StA im Ermittlungsverfahren angefochten wird, keine funktionale Zuständigkeit des Vors. begründet oder vorausgesetzt (vgl. KG, Beschl. v. 19. 04. 2001 - 4 VAs 1/01 -; LG Hildesheim, Beschl. v. 26. 03. 2007 - 25 Qs 17/06 - zitiert nach juris). Denn § 478 Abs. 3 StPO entspricht strukturell § 406e Abs. 4 StPO (vgl. BR-Drucks. 65/99, S. 61 ff., 63; Pfeiffer, StPO 5. Aufl., § 478 Rn. 4). Diese Vorschrift weist dem Vors. ?des mit der Sache befaßten Gerichts' die Zuständigkeit allein für den Fall zu, daß die Akteneinsicht während gerichtlicher Anhängigkeit des Verfahrens begehrt wird (vgl. Pfeiffer a.a.O. § 406 Rn. 4 f.). Eine Erweiterung der Zuständigkeit des Vors. zur Entscheidung über Anträge auf gerichtliche Entscheidungen gegen Verfügungen der StA ist mit § 478 Abs. 3 StPO nicht bezweckt.
2. Dem Antrag des RA auf Gewährung von Akteneinsicht kann nicht stattgegeben werden, weil Zwecke des Strafverfahrens entgegenstehen (§ 477 Abs. 2 S. 1 StPO).
a) Dem anwaltlichen Zeugenbeistand steht im Gegensatz zu dem Verteidiger (§ 147 Abs. 1 StPO) ein eigenes Recht auf Akteneinsicht nicht zu. Die Rechtsstellung des anwaltlichen Zeugenbeistands leitet sich aus der des Zeugen ab. Er hat keine eigenen Rechte als Verfahrensbeteiligter und keine weitergehenden Befugnisse als der Zeuge selbst (vgl. BVerfGE 38, 116; LR-Dahs, StPO 25. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 11; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 11, § 68b Rn. 5; KK-Wache, StPO 5. Aufl., § 161a Rn. 3). Einem Zeugen kommt daher, soweit er nicht Verletzter ist, ein Akteneinsichtsrecht lediglich als ?Privatperson' i.S.d. § 475 StPO zu, so daß auch der anwaltliche Zeugenbeistand ein Akteneinsichtsrecht allein nach dieser Vorschrift wahrnehmen kann (vgl. OLG Düsseldorf NJW 2002, 2806; OLG Hamburg, NJW 2002, 1590 [= StV 2002, 297]).
Aufgabe des Zeugenbeistands, ist es, den Zeugen während der Vernehmung bei der sachgerechten Wahrnehmung seiner prozessualen Rechte, insbes. von Auskunftsverweigerungsrechten gem. § 55 StPO oder Zeugnisverweigerungsrechten nach §§ 52 ff. StPO sowie bei der Verteidigung gegen Ordnungsmittel zu unterstützen. Darüber hinaus soll er bei Zeugen, die in ihrer Aussagefähigkeit beschränkt oder in ihrer Aussagebereitschaft gehemmt sind, dazu beitragen, Aussagefehler und Mißverständnisse zu verhindern. Soweit er im vorliegenden Fall dem Zeugen bei der anstehenden Entscheidung behilflich ist, ob er im Hinblick auf § 55 StPO einzelne Fragen nicht beantwortet, muß die Entscheidung jew. für die tatsächlich gestellte Frage getroffen werden und kann sich nicht danach richten, welche Fragen - aufgrund von Akteneinsicht - vorab als möglich angesehen werden. Zu der anstehenden Entscheidung muß der Beistand nicht den Inhalt der Sachakte kennen. Grundlage der Entscheidung ist vielmehr das Wissen oder die Einschätzung des Zeugen selbst, sich bei der wahrheitsgemäßen Beantwortung einer Verfolgung i.S.v. § 55 StPO auszusetzen (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 2002, 2806, 2807).
Die in der Lit. vertretene Ansicht, die ein Akteneinsichtsrecht des Zeugenbeistandes für den Fall fordert, daß anders wirksamer Beistand nicht möglich sei (vgl. KK-Senge, StPO 5. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 18a m.w.N. und § 68b Rn. 9), begegnet Bedenken.
Hiergegen spricht im vorliegenden Fall schon, daß diese Ansicht nicht auf das Verfahrensstadium abhebt, in dem selbst dem Verteidiger gem. § 147 Abs. 2 StPO die Akteneinsicht versagt werden könnte. Sie übersieht, daß der Gesetzgeber im Falle des Akteneinsichtsbegehrens eines Zeugen, der nicht Verletzter ist, den Strafverfolgungszwecken Vorrang eingeräumt hat (§ 477 Abs. 2 S. 1 StPO). Der Beistand darf den Zeugen nicht in der Aussage vertreten oder auf den Inhalt der Aussage Einfluß nehmen. Gerade dies ist aber nicht auszuschließen, wenn der Zeugenbeistand mit dem Zeugen anhand der durch die Akteneinsicht gewonnenen Kenntnisse inhaltliche Fragen erörtert. Erlaubte man dem Zeugen die Akteneinsicht, wäre nicht mehr nachvollziehbar, ob er Sachverhalte unbefangen aus seiner Erinnerung oder auf Grund der - ihm von seinem Beistand vermittelten Aktenlage darstellt. Vorhalte als Gedächtnisstütze würden ihren Sinn verlieren (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.). Die daraus resultierende Gefahr der Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung kann regelmäßig nicht hingenommen werden. Die Regelungen der §§ 58 Abs. 1 S. 1 und 243 Abs. 2 S. 1 StPO, welche die Unbefangenheit des Zeugen bei seiner Aussage sicherstellen sollen, zeigen, daß dem Gesetzgeber bewußt war, daß Qualität und Beweiswert einer Zeugenaussage ganz erheblich herabgesetzt sind, wenn dem Zeugen die Angaben des Angekl. oder der anderen Zeugen bekannt sind (vgl. von Schlieffen in Krekeler/Löffelmann, AnwK-StPO, Vorbemerkung zu § 48 Rn. 8). Folgerichtig hat die Rspr. wiederholt entschieden, daß der Zeuge seine Aussage ohne Kenntnis dessen machen soll, was Angekl. und andere Beweispersonen bekunden. Dadurch soll seine Unbefangenheit und seine Selbständigkeit der Darstellung erhalten bleiben (vgl. BGHSt 3, 386, 388; BGHR StPO § 338 Nr. 6 Zuhörer 6, 7). Eine Einsicht in die vollständigen Akten, insbes. in die Teile, die die Angaben anderer Zeugen und des Angekl. betreffen, verbietet sich daher grundsätzlich. Den Interessen des Zeugen kann regelmäßig durch Mitteilung des Beweisthemas und ggf. - wie vorliegend geschehen - durch Erteilung von Auskünften aus der Akte ausreichend Rechnung getragen werden.
Soweit der Ast. meint, die Beratung des Zeugen Z. über seine Rechte aus § 55 StPO nur in Kenntnis des Akteninhalts wahrnehmen zu können, ist zu bedenken, daß die Entscheidung über die Verfolgungsgefahr eine Rechtsfrage ist, über die das Gericht, nicht aber der Zeuge oder der Angekl. zu entscheiden hat (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 55 Rn. 10). Der Zeuge, der sich zur Auskunftsverweigerung berechtigt wähnt, ist auch im Ermittlungsverfahren ausreichend dadurch geschützt, daß ihm gem. § 161a Abs. 3 StPO der Weg zu einer gerichtlichen Entscheidung freisteht, - falls er mit Zwangsmitteln zu seiner Aussage bewegt werden soll. Im Falle einer unterlassenen Belehrung oder fehlerhaften Anwendung des § 55 StPO ist er zudem durch ein Verwertungsverbot in einem späteren Verfahren gegen sich geschützt (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Einleitung Rn. 55a und § 55 Rn. 17 m.w.N.).
b) Hinzu kommt, daß die Akteneinsicht durch den Zeugenbeistand in das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgende Recht des Besch. auf informationelle Selbstbestimmung eingreift. Die Vorschrift des § 406e StPO zeigt, daß der Gesetzgeber ?im schwierigen Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz, Verteidigungsinteressen, Wahrheitsfindung, Funktionsinteressen der Strafrechtspflege und dem legitimen, verfassungsrechtlich abzuleitenden Informationsanspruch des Verletzten einen vertretbaren Ausgleich' (LR-Hilger, StPO 25. Aufl., § 406e Rn. 3; vgl. auch BGHSt 39, 112, 116) gesucht hat und nur dem verletzten Zeugen regelmäßig ein Akteneinsichtsrecht zubilligen wollte. Selbst diesem insoweit begünstigten Zeugen kann nach § 406e Abs. 2 StPO im Interesse der Wahrheitsfindung und der Verfahrensökonomie die Akteneinsicht versagt werden. Erst recht ist daher dem nicht durch die Straftat verletzten Zeugen und seinem Beistand die Akteneinsicht zu verweigern, wenn dies die Verfahrenszwecke gefährdet.
c) Im Interesse der Wahrheitsfindung und einer unbeeinflußten Zeugenaussage ist die gem. § 475 Abs. 2 StPO grundsätzlich mögliche Akteneinsicht hier zu versagen, weil Zwecke des Strafverfahrens entgegenstehen (§ 477 Abs. 2 StPO). Im Hinblick auf die Unbefangenheit bei der Vernehmung wäre es nicht sachgerecht, dem Zeugen eine Vorbereitung seiner Aussage durch Akteneinsicht zu ermöglichen. Das dem Zeugen durch die Übersendung des Haftbefehls sowie durch das Schreiben des GBA v. 19. 10. 2007 mitgeteilte Beweisthema - sein enger Kontakt zu dem Besch. - bildet den Rahmen der anstehenden Zeugenbefragung. Der Zeuge hat sich aufgrund des Beweisthemas vorzubereiten und nicht aufgrund der Bewertung der verfahrensgegenständlichen Akten. Den schutzwürdigen Interessen des Zeugen ist durch die ihm gegebenen Informationen hinreichend Genüge getan. ..."
Auskünfte und Ermittlungen jeder Art § 161 StPO
(1) Zu dem in § 160 Abs. 1 bis 3 bezeichneten Zweck ist die Staatsanwaltschaft befugt, von allen Behörden Auskunft zu verlangen und Ermittlungen jeder Art entweder selbst vorzunehmen oder durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen zu lassen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln. Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes sind verpflichtet, dem Ersuchen oder Auftrag der Staatsanwaltschaft zu genügen, und in diesem Falle befugt, von allen Behörden Auskunft zu verlangen.
(2) Ist eine Maßnahme nach diesem Gesetz nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig, so dürfen die auf Grund einer entsprechenden Maßnahme nach anderen Gesetzen erlangten personenbezogenen Daten ohne Einwilligung der von der Maßnahme betroffenen Personen zu Beweiszwecken im Strafverfahren nur zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach diesem Gesetz hätte angeordnet werden dürfen. § 100d Abs. 5 Nr. 3 bleibt unberührt.
(3) In oder aus einer Wohnung erlangte personenbezogene Daten aus einem Einsatz technischer Mittel zur Eigensicherung im Zuge nicht offener Ermittlungen auf polizeirechtlicher Grundlage dürfen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu Beweiszwecken nur verwendet werden (Artikel 13 Abs. 5 des Grundgesetzes), wenn das Amtsgericht (§ 162 Abs. 1), in dessen Bezirk die anordnende Stelle ihren Sitz hat, die Rechtmäßigkeit der Maßnahme festgestellt hat; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Für die Gewährung von Akteneinsicht an Privatpersonen enthalten die §§ 475ff. StPO spezielle Vorschriften, die sowohl dem Schutz der Rechte des Beschuldigten als auch der Sicherung der Zwecke des Strafverfahrens (§ 477 II 1 StPO) dienen. Diese besonderen gesetzlichen Voraussetzungen können nicht unter Berufung auf das allgemeine staatsanwaltliche Ermessen bei der Auswahl der Ermittlungsmaßnahmen (vgl. § 161 I StPO) unterlaufen werden (BVerfG, Beschluss vom 18.03.2009 - 2 BvR 8/08 zu GG Art. 1 I, 2 I; StPO §§ 161 I, 475ff., NJW 2009, 2876 f).
Die Abfrage von Kreditkartendaten durch die StA bei Kreditkartenunternehmen stellt keinen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 I i.V. mit Art. 1 I GG dar, wenn die Kreditkartendaten bei den Unternehmen nur maschinell geprüft, mangels Übereinstimmung mit den Suchkriterien (hier: Abbuchungsbetrag, Zeitraum, Empfängerbank, Merchant-ID) aber nicht als Treffer angezeigt und der StA daher nicht übermittelt wurden. Die Abfrage von Kreditkartendaten, die sich auf eine konkret beschriebene Tathandlung (hier: Verschaffung des Zugangs zu einer Internetseite mit kinderpornografischen Inhalten durch Zahlung eines bestimmten Betrags an einen bestimmten Empfänger auf den Philippinen) beziehen, berührt die Kreditkarteninhaber, welche die Tatkriterien erfüllten und deren Daten daher an die StA übermittelt wurden, in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. § 161 I StPO ist jedoch eine verfassungsgemäße Ermächtigungsgrundlage für diesen Eingriff, der wie alle Ermittlungshandlungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen muss. Eine Rasterfahndung i.S. von § 98a StPO liegt nicht vor, wenn die Strafverfolgungsbehörde von privaten Stellen Auskünfte zu speziellen Täter-Daten erhält, also nicht die Gesamtdateien zum weiteren Abgleich mit anderen Dateien übermittelt bekommt. Kern der Rasterfahndung ist der Abgleich der herausgefilterten Datenbestände mehrerer Speicherstellen, der die Verknüpfung verschiedener Sachbereiche ermöglicht, um ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen (BVerfG, Beschluss vom 17.02.2009 - 2 BvR 1372, 1745/07, NJW 2009, 1405 ff).
*** (BGH)
Verwertungsverbot für verdecktes Verhör eines inhaftierten Beschuldigten durch einen als Besucher getarnten nicht offen ermittelnden Polizeibeamten unter Zwangseinwirkung (BGH, Beschluss vom 18.05.2010 - 5 StR 51/10 zu StPO §§ 110a, 136, 161, 163, MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1).
***
Zur Leitungs- und Kontrollbefugnis der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren - insbesondere bei Tötungsdelikten. Bereits mit Blick auf mögliche Beweisverwertungsverbote wegen fehlender oder nicht rechtzeitiger Belehrung als Beschuldigter nach §§ 136 I 2, 163a IV StPO oder mangels ?qualifizierter" Belehrung nach zunächst zu Unrecht erfolgter Vernehmung als Zeuge erfordert die der Staatsanwaltschaft zugewiesene Verantwortlichkeit, dass sie die ihr zustehenden Leitungs- und Kontrollbefugnisse auch effektiv ausübt. Dazu genügt es nicht, wenn sie lediglich Richtung und Umfang der von der Polizei vorzunehmenden Ermittlungen ganz allgemein vorgibt (BGH, Beschluss vom 27.05.2009 - 1 StR 99/09, NJW 2009, 2612 f):
?... In der Nacht vom 10. auf den 11. 11. 2007 befand sich die einjährige L, das Kind der Lebensgefährtin des Angekl., in ihrem Kinderbett, das sich im Schlafzimmer der Wohnung befand. Auch der Angekl. schlief in diesem Schlafzimmer, während L's Mutter, die Zeugin S, die Nacht im Wohnzimmer verbrachte. Gegen 2.30 Uhr begann L zu schreien, wodurch der Angekl. geweckt wurde. Er fühlte sich durch das Schreien des in dem Kinderbett stehenden, weinenden Kindes ?genervt' und wollte die störende Geräuschquelle um jeden Preis abstellen. Der Angekl. ging zu dem Kinderbett und schlug L mit der Hand zweimal kräftig ins Gesicht, wodurch diese stürzte, im Bett auf dem Rücken zum Liegen kam und weiter weinte. Der Angekl. würgte sie daraufhin so lange mit der rechten Hand am Hals, bis sie kein Lebenszeichen mehr von sich gab, insbesondere nicht mehr atmete und er sich dachte ?jetzt ist sie endlich still'. Sodann nahm er L aus dem Bettchen und vergewisserte sich, dass sie tot war. Anschließend legte er die Kinderleiche in Bauchlage zurück ins Bett und deckte sie zu, da er der Meinung war, so deute nichts auf eine gewaltsame Todesursache hin. Danach schlief der Angekl. in seinem Bett bis 8.30 Uhr. Auf Bitten der Zeugin S sah der Angekl. nach L und erklärte, dass sie sich nicht mehr bewege. Der verständigte Notarzt stellte gegen 9.09 Uhr den Tod des Kindes fest.
Das LG hat den Angekl. im Hinblick auf den hier dargestellten Vorgang wegen Mordes - im Übrigen wegen tatmehrheitlich begangener Misshandlung von Schutzbefohlenen in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung - zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angekl. blieb ohne Erfolg. ...
2. Der Verfahrensrüge liegt folgendes Geschehen zu Grunde: Noch am Tattag, dem 11. 11. 2007, wurde der Angekl. von der Polizei als Zeuge vernommen. Am 13. 11. 2007 wurde er zunächst erneut als Zeuge vernommen. Nachdem ihm eröffnet worden war, dass bei der am Vortag erfolgten, von der StA angeordneten Obduktion Verletzungen des getöteten Kindes festgestellt worden waren, wurde er gem. § 55 StPO belehrt. Anschließend wurde ihm ausdrücklich mitgeteilt, dass auf Grund des Verletzungsmusters der Verdacht bestehe, dass er etwas mit der Beibringung dieser Verletzungen zu tun habe.
Nachdem dem Angekl. auf seinen Wunsch hin eine fünfminütige Zigarettenpause gewährt worden war, erklärte er, er habe L am 11. 11. 2007 einen Schlag ins Gesicht gegeben und diese gewürgt, bis sie ruhig gewesen sei. Im Anschluss hieran wurde er nach §§ 136 I, 163a IV 2 StPO belehrt, allerdings ohne dass auf die Nichtverwertbarkeit seiner früheren Aussagen hingewiesen wurde (?qualifizierte Belehrung' - vgl. dazu BGH, NJW 2009, 1427 = NStZ 2009, 281), woraufhin er den äußeren Tathergang - auch zu den Vorwürfen der Misshandlung von Schutzbefohlenen und der gefährlichen Körperverletzung - detailliert, so wie vom LG festgestellt, schilderte.
Nach erneuter - wiederum nicht qualifizierter - Beschuldigtenbelehrung am Morgen des 14. 11. 2007 bestätigte der Angekl. seine am Vortag gemachten Angaben als vollumfänglich richtig. Bei der Haftbefehlseröffnung durch den Ermittlungsrichter am Nachmittag dieses Tages machte er zur Sache keine Angaben mehr. Zu Beginn der Hauptverhandlung ließ der Angekl. über seinen Verteidiger erklären, dass er das am 13. 11. 2007 abgelegte Geständnis widerrufe und im Übrigen von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch mache. Im Rahmen der Beweisaufnahme widersprach die Verteidigung rechtzeitig der Zeugenvernehmung der beiden polizeilichen Vernehmungsbeamten hinsichtlich der Vernehmungen des Angekl. am 13. und 14. 11. 2007.
3. Das Revisionsvorbringen genügt den Anforderungen des § 344 II 2 StPO jedenfalls deshalb, weil auf Grund der zulässig erhobenen Sachrüge ergänzend auf den Inhalt des Urteils zurückgegriffen werden kann (vgl. Senat, Beschl. v. 18. 7. 2007 - 1 StR 296/07, BeckRS 2007, 14490 [insow. nicht abgedr. in BGHR StPO § 52 Abs. 3 S. 1 Verzicht 1]; BGHSt 46, 189 [190f.] = NJW 2001, 528; BGHSt 45, 203 [204f.] = NJW 2000, 596 = NStZ 2000, 160 L m.w. Nachw.), das den Kern der Aussagen des Angekl. wiedergibt. Die Rüge ist jedoch aus den vom Generalbundesanwalt näher dargelegten Gründen unbegründet, weil das LG auf Grund der vorgenommenen Einzelfallabwägung (vgl. BGH, NJW 2009, 1427 = NStZ 2009, 281 [282]) die vom Angekl. im Rahmen seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung nach Belehrung gem. § 136 I 2 StPO gemachten Angaben - trotz unterbliebener qualifizierter Belehrung - zu Recht als verwertbar angesehen hat. Auch die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat keinen den Angekl. belastenden Rechtsfehler ergeben.
Die Urteilsgründe veranlassen jedoch zu dem Hinweis, dass Verfahrensvorgänge im Urteil grundsätzlich nicht zu erörtern sind. Insbesondere sind Ausführungen zur Verwertbarkeit von Beweismitteln von Rechts wegen nicht geboten. Zur Vermeidung der Überfrachtung der schriftlichen Urteilsgründe sind sie regelmäßig sogar tunlichst zu unterlassen (vgl. Senat, NStZ-RR 2007, 244 m.w. Nachw.).
4. Im Übrigen gibt der vorliegende Fall Anlass, auf Folgendes hinzuweisen:
a) Es ist nicht erst Sache der Hauptverhandlung und des Revisionsverfahrens, der immer größer werdenden praktischen Bedeutung der Beweisverwertungsverbote gerecht zu werden. Diese Aufgabe beginnt vielmehr bereits bei Einleitung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens (vgl. Schlothauer, in: Festschr. f. Lüderssen, 2002, S. 761 [772]).
Die StA leitet das Ermittlungsverfahren und trägt die Gesamtverantwortung für eine rechtsstaatliche, faire und ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens, auch soweit es durch die Polizei geführt wird (vgl. Nr. 1 RiStBV; Erb, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., Vorb. § 158 Rdnr. 21; Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., Einl. Rdnr. 41, § 160 Rdnr. 1, § 163 Rdnr. 3; Griesbaum, in: KK-StPO, 6. Aufl., § 160 Rdnr. 4, § 163 Rdnr. 2, jew. m.w. Nachw.). Auf Grund dieser umfassenden Verantwortung steht der StA gegenüber ihren Ermittlungspersonen ein uneingeschränktes Weisungsrecht in Bezug auf ihre auf die Sachverhaltserforschung gerichtete strafverfolgende Tätigkeit zu, vgl. § 161 I 2 StPO, § 152 I GVG (s. dazu Erb, in: Löwe/Rosenberg, Vorb. § 158 Rdnr. 33, § 161 Rdnr. 46, § 163 Rdnr. 7; Griesbaum, in: KK-StPO, § 163 Rdnrn. 2f.). Dabei kann sie konkrete Einzelweisungen zu Art und Durchführung einzelner Ermittlungshandlungen erteilen, Nrn. 3 II, 11 RiStBV, oder ihre Leitungsbefugnis im Rahmen der Aufklärung von Straftaten unabhängig vom Einzelfall durch allgemeine Weisungen im Voraus in Anspruch nehmen (vgl. Erb, in: Löwe/Rosenberg, § 163 Rdnr. 9; Meyer-Goßner, § 163 Rdnrn. 3f.; Griesbaum, in: KK-StPO, § 163 Rdnrn. 2f. m.w. Nachw.).
b) Bereits mit Blick auf mögliche Beweisverwertungsverbote wegen fehlender oder nicht rechtzeitiger Belehrung als Beschuldigter nach §§ 136 I 2, 163a IV StPO (vgl. dazu BGHSt 51, 367 = NJW 2007, 2706 = NStZ 2007, 653) oder mangels ?qualifizierter' Belehrung nach zunächst zu Unrecht erfolgter Vernehmung als Zeuge (vgl. dazu BGH, NJW 2009, 1427 = NStZ 2009, 281) erfordert die der StA zugewiesene Verantwortlichkeit, dass sie die ihr zustehenden Leitungs- und Kontrollbefugnisse auch effektiv ausübt. Dazu genügt es nicht, wenn sie lediglich Richtung und Umfang der von der Polizei vorzunehmenden Ermittlungen ganz allgemein vorgibt (vgl. Erb, in: Löwe/Rosenberg, Vorb. § 158 Rdnr. 39 m.w. Nachw.).
Jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art, bei denen es um die Aufklärung und Verfolgung von Tötungsdelikten geht, hat daher die StA, der derartige Fälle sofort anzuzeigen sind (vgl. § 159 I StPO), insbesondere den Status des zu Vernehmenden als Zeuge oder Beschuldigter klarzustellen und durch allgemeine Weisungen im Voraus oder durch konkrete Einzelweisungen eine ordnungsgemäße, rechtzeitige Beschuldigtenbelehrung gem. §§ 136 I 2, 163a IV StPO sicherzustellen. Wird ein Tatverdächtiger dennoch zu Unrecht als Zeuge vernommen, so hat sie wegen des Belehrungsverstoßes darauf hin zu wirken, dass dieser bei Beginn der nachfolgenden Vernehmung als Beschuldigter auf die Nichtverwertbarkeit der früheren Angaben hingewiesen wird (?qualifizierte Belehrung' - vgl. dazu BGH, NJW 2009, 1427 = NStZ 2009, 281). ..."
***
Auskunftsverweigerungsrecht § 55 StPO
(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.
(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.
Leitsätze/Entscheidungen:
Aus dem Prozessgrundrecht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren lässt sich kein Rechtssatz des Inhalts ableiten, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnen Beweise stets unzulässig wäre. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass bei polizeilichen Vernehmungen Anwesenheitsrechte von Verteidigern und weiteren Beschuldigten nicht vorgesehen sind; Gleiches gilt für die an dem Gesetzeswortlaut des § 168c II StPO orientierte Auslegung, nach der ein derartiges Anwesenheitsrecht auch bei der richterlichen Vernehmung einer anderen Person als der eines Zeugen im Vorverfahren, namentlich eines Beschuldigten, grundsätzlich nicht besteht. Zu den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen, unter denen trotz Nichtgewährung des Konfrontationsrechts Zeugenaussagen bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden dürfen (BVerfG, Beschluss vom 05.07.2006 - 2 BvR 1317/05).
Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gefahr (erneuter) Strafverfolgung bei einem Zeugen nur dann zu bejahen, wenn eine Ermittlungsbehörde seiner wahrheitsgemäßen Aussage Tatsachen entnehmen könnte, die mittelbar oder unmittelbar einen Anfangsverdacht i.S. des § 152 II StPO begründen und sie zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens veranlassen könnten (BVerfG, Beschluss vom 30.04.2003 - 2 BvR 281/03).
***
Ein Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden. In diese Gefahr geriete er dann, wenn eine Ermittlungsbehörde aus seiner wahrheitsgemäßen Aussage Tatsachen entnehmen könnte - nicht müßte -, die sie zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens veranlassen könnte. Da die Schwelle eines Anfangsverdachts i. S. d. § 152 II StPO niedrig liegt, ist auch das Bestehen einer entsprechenden Gefahr bereits weit im Vorfeld einer direkten Belastung zu bejahen:
?... LG und StA haben bei der Anwendung des § 55 I StPO die Tragweite des rechtsstaatlichen Grundsatzes, dass niemand gezwungen werden darf, gegen sich selbst auszusagen, verkannt und dadurch das Persönlichkeitsrecht des Bf. verletzt. Nach gefestigter Rechtsprechung des BVerfG wäre es mit der Menschenwürde eines Zeugen unvereinbar, wenn er zu einer Aussage gezwungen würde, durch die er die Voraussetzungen für seine eigene strafrechtliche Verurteilung liefern müsste (vgl. BVerfGE 38, 105, 113 = NJW 1975, 103; BVerfGE 56, 37, 49 = NJW 1981, 1431; BVerfG - 3. Kammer des 2. Senats StV 2001, 257). Als Folge dieses rechtsstaatlichen Grundsatzes gewährt § 55 I StPO dem Zeugen das Recht, die Auskunft auf solche Fragen zu verweigern, deren Beantwortung ihm die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden (vgl. BVerfGE 38, 105, 113 = NJW 1975, 103; BVerfG - 3. Kammer des 2. Senats StV 2001, 257). In eine solche Gefahr geriete der Zeuge dann, wenn eine Ermittlungsbehörde aus seiner wahrheitsgemäßen Aussage Tatsachen entnehmen könnte - nicht müsste -, die sie gem.§ 152 II StPO zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens veranlassen könnte (vgl. BGH NJW 1999, 1413; LR-Dahs 25. Aufl., § 55 Rn 10; KK-Senge 4. Aufl., § 55 Rn 4; Kleinknecht/Meyer-Goßner 45. Aufl., § 55 Rn 7; - jew. mwN). Da die Schwelle eines Anfangsverdachts i.S. des § 152 II StPO niedrig liegt, ist auch das Bestehen einer entsprechenden Gefahr bereits weit im Vorfeld einer direkten Belastung zu bejahen (vgl. LR-Dahs aaO). Hiervon geht auch das LG aus, indem es ein Auskunftsverweigerungsrecht i.S. des § 55 I StPO selbst für solche Tatsachen bejaht, die nur mittelbar einen Anfangsverdacht begründen können, und einem Zeugen dieses Recht für Angaben über bereits rechtskräftig abgeurteilte eigene Taten nur dann versagen will, wenn die Gefahr weiterer Verfolgung zweifellos ausgeschlossen ist. Diese Auslegung des § 55 I StPO ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
Jedoch haben LG und StA die Tragweite der durch Art. 2 I GG geschützten Selbstbelastungsfreiheit bei der Anwendung des § 55 StPO verkannt, indem sie dem Bf. ein Auskunftsverweigerungsrecht hinsichtlich der Lieferanten seiner bereits rechtskräftig abgeurteilten Betäubungsmittelgeschäfte mit der Begründung versagt haben, insoweit sei eine Verfolgungsgefahr zweifellos ausgeschlossen. Sowohl LG als auch StA sind davon ausgegangen, dass weitere, nicht vom Strafklageverbrauch umfasste Betäubungsmitteldelikte des Bf. im Raum stehen. Dies ergibt sich bereits aus ihrem Hinweis, es seien keine (unter Umständen für den Bf. gefährlichen) Fragen nach den weiteren Einzelheiten der abgeurteilten Betäubungsmittellieferungen beabsichtigt. Auch hat der Bf. im Ausgangsverfahren selbst eingeräumt, dass ein Teil seiner zurückliegenden Drogengeschäfte von dem amtsgerichtlichen Urteil nicht erfasst und daher noch verfolgbar sein könnten. Hat die StA demnach bereits Anhaltspunkte für weitere, noch nicht rechtskräftig abgeurteilte, Betäubungsmittelstraftaten des Bf., so kann nicht ausgeschlossen werden, dass er durch die von ihm verlangten Auskünfte - wenn auch nur mittelbar - neue Ermittlungsansätze hierzu liefern würde. Denn mit der Benennung seiner (oder seines) Betäubungsmittellieferanten würde er möglicherweise zugleich die (oder den) Beteiligten nicht vom Strafklageverbrauch umfasster Straftaten preisgeben. Da er die schon abgeurteilten Drogengeschäfte jedenfalls zum Teil mit demselben Dealer abgewickelt hatte, ist dies nicht nur denktheoretisch möglich, sondern tatsächlich zu befürchten. Schon hierdurch würde sich der - bislang nur in allgemeiner Form - gegen den Bf. bestehende Verdacht konkretisieren. Sodann müsste er damit rechnen, dass von ihm benannte Betäubungsmittellieferanten ihrerseits gegenüber der StA Angaben über weitere mit ihm abgeschlossene Drogengeschäfte machen und damit den gegen ihn bestehenden Tatverdacht zusätzlich erhärten könnten. Auch diese Gefahr besteht nicht nur theoretisch, weil im Bereich der Betäubungsmitteldelikte § 31 Nr. 1 BtMG dem Täter für eine über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus gehende Aufklärung der Straftat Strafmilderung verspricht (vgl. Körner BtMG, 5. Aufl., § 31 Rn 19) und so einen besonderen Anreiz für belastende Aussagen gegen Tatbeteiligte schafft. Da solche den Bf. belastenden Angaben eines zuvor von ihm selbst als eigenen Lieferanten bezeichneten Zeugen durchaus glaubhaft und nicht nur als eine zur Selbstentlastung erfundene Geschichte erschienen, muss der Bf. befürchten, durch die Benennung seiner (oder seines) Lieferanten Beweismittel gegen sich selbst zu liefern. Besteht die konkrete Gefahr, dass der Bf. der StA durch die Preisgabe seiner (oder seines) Betäubungsmittellieferanten die (oder den) Tatbeteiligten weiterer, noch verfolgbarer, eigener Delikte offenbaren, also Auskünfte über ?Teilstücke in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude" (vgl. BGH, NJW 1999 1413) geben und damit zugleich potenzielle Beweismittel gegen sich selbst liefern müsste, so ist ihm die Erteilung solcher Auskünfte nicht zumutbar. ..." (BVerfG, Beschluss vom 06.02.2002 - Az: 2 BvR 1249/01).
***
Ist über die Berechtigung einer auf § 55 StPO gestützten Auskunftsverweigerung zu entscheiden, muß das Gericht den verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass niemand gezwungen werden kann, gegen sich selbst auszusagen, berücksichtigen und sich in den Gründen der Entscheidung mit der Glaubhaftigkeit der vom Betroffenen abgegebenen Erklärungen auseinander setzen (BVerfG StV 1999, 71).
*** (BGH)
?... Straftaten, die erst durch die Aussage selbst begangen wurden, können ein Auskunftsverweigerungsrecht des Zeugen gemäß § 55 StPO nicht begründen (h.M., vgl. BGHSt 50, 318 ff.; BGH bei Dallinger, MDR 1958, 14; Ignor/Bertheau in LR-StPO, 26. Aufl., § 55 Rn. 12). Dies hat die Strafkammer an sich auch nicht verkannt. Ihre Auffassung, hier gelte anderes, weil die Zeugin durch die Anfertigung der schriftlichen Erklärung den Versuch einer Strafvereitelung zugunsten des Angeklagten begangen habe, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Herstellung eines schriftlichen Textes, den der Zeuge als seine Aussage bei seiner Vernehmung verlesen will und abliest, enthält keinen über die falsche Aussage hinausgehenden Unrechtsgehalt. Bei der Anfertigung der Erklärung handelt es sich also um eine straflose Vorbereitungshandlung (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1982 - 2 StR 314/81, BGHSt 31, 10 ff.; BGH, Urteil vom 18. März 1982 - 4 StR 565/81, JZ 1982, 434 f.).
Die Entscheidungen, auf die sich die Strafkammer zum Beleg ihrer gegenteiligen Auffassung beruft, ergeben nichts anderes. In einem Fall (BayObLG, Beschluss vom 1. April 1999 - 5 St RR 49/99) hatte nicht der Zeuge selbst seine Falschaussage vorbereitet, sondern ein außenstehender Dritter versucht, einen Zeugen zu einer Falschaussage zu veranlassen. In einer weiteren von der Strafkammer herangezogenen Entscheidung (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. November 1992 - 2 Ss 195/92, MDR 1993, 368) hatte ein Bekannter des Angeklagten schriftliche Falscherklärungen angefertigt und diese über die gutgläubige Verteidigerin zu den Akten gegeben, um seine Benennung als Zeuge zu erreichen. Hier liegt der Unterschied zur vorherigen Fallgestaltung darin, dass der Zeuge durch seine inhaltlich falsche schriftliche Erklärung seine Vernehmung erst herbeigeführt hat, während die Zeugin L. ihre ohnehin vorgesehene Vernehmung vorbereitet hat. Die schriftliche Erklärung der Zeugin war für ihre Vernehmung nicht kausal.
Eine versuchte Strafvereitelung könnte daher allenfalls in der Aussage der Zeugin selbst liegen, die, wie dargelegt, ein Auskunftsverweigerungsrecht nicht begründen kann. Auf die Frage, ob die Zeugin durch ihre Aussage vom 16. Dezember 2010 von einem etwaigen Versuch der Strafvereitelung zurückgetreten sein könnte, kommt es daher nicht mehr an. ..." (BGH, Beschluss vom 22.03.2012 - 1 StR 359/11)
***
Beweiswürdigung bei Verurteilung aufgrund von durch Vernehmungsbeamte eingeführte belastende Angaben eines die Auskunft verweigernden Zeugen (BGH, Beschluss vom 20.10.2010 - 2 StR 377/10):
?... Das LG hat den Angekl. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Btm in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 J. und 6 M. verurteilt und im Übrigen freigesprochen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat - ohne dass es auf Verfahrensbeanstandungen ankommt - mit der Sachrüge Erfolg.
I. 1. Das LG hat folgende Feststellungen getroffen:
a) Am 20.08.2009 übersandte der nicht revidierende Mitangekl. W. nach telefonischer Anforderung bei dem Angekl. A. in einem - später sichergestellten Paket - 584 Gramm Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 28,9 Gramm Amphetaminbase an einen unbekannt gebliebenen Abnehmer in Niedersachsen. Dieses in einem Schuhkarton verstaute Rauschgift hatte er zuvor aus der Wohnung des Angekl. A. abgeholt und - nachdem er sich per SMS bei dem ihm ebenfalls bekannten Abnehmer dessen Anschrift besorgt hatte - im eigenen Zuhause versandfertig gemacht.
b) Am Morgen des 28.08.2009 vereinbarte der Angekl. W. telefonisch mit einem Anrufer namens C. die Lieferung von 4 kg Amphetamin und 1 kg Amphetaminpaste, falls letzteres nicht verfügbar sei, 6 kg Amphetamin. Dieses sollte zwischen 18.00 und 18.30 Uhr bei dem Angekl. W. abgeholt werden. Entweder besorgten die beiden Angekl. in den folgenden Stunden das bestellte Rauschgift oder sie hatten es noch in den Kellerräumen des Angekl. A. vorrätig. Gegen 17.00 Uhr klingelte der Mitangekl. W. bei dem Angekl. A. an dessen Haustür, betrat das Haus und kündigte in einem gleichzeitig geführten Telefonat an, dass er nicht in die Wohnung hochkommen wolle. Entsprechend seiner Ankündigung kam der Angekl. A. zu W. herunter, der in der Zwischenzeit das im Keller deponierte Rauschgift an sich gebracht hatte. Kurze Zeit später verließ W. mit einer mit dem Rauschgift gefüllten Sporttasche das Haus und fuhr sodann nach Hause zurück, während der Angekl. A. ebenfalls das Haus verließ und schließlich als Beifahrer mit einem anderen Fahrzeug davonfuhr. Kurz vor 19.00 Uhr erschienen drei Personen bei dem Mitangekl. W., brachten das dort bereit liegende Rauschgift gewaltsam an sich und fuhren in einem mit einer weiteren Person besetzten Kfz davon. Drei der vier Personen konnten später festgenommen werden; 5.271,7 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt von 64,92 Gramm Amphetaminbase wurden sichergestellt.
2. Der Mitangekl. W. hat die Tatvorwürfe überwiegend eingeräumt; hinsichtlich des Mitangekl. A. hat er angegeben, dieser habe im Falle der Versendung der Btm lediglich den Kontakt zu dem Abnehmer vermittelt, jedoch damit nichts zu tun haben wollen und sodann auch nichts von dem besorgten Rauschgift erhalten. Von der geplanten Veräußerung am 28.08.2009 habe der Angekl. A. nichts gewusst: Er sei nur zu ihm gefahren, um dort für ihn bereit gestellte Wäsche abzuholen. Der Angekl. A. hat - abgesehen davon, dass er eingeräumt hat, dem Angekl. W. von dem Ansinnen seines Bekannten nach Lieferung von Amphetamin berichtet zu haben - in einer Verteidigererklärung eine weitere Tatbeteiligung bestritten.
3. Das LG hält die von den getroffenen Feststellungen abweichenden Angaben der Angekl. für nicht plausibel und überzeugend. Die Kammer hat angesichts des Gesamtbildes - obwohl der Angekl. A. nie selbst mit Btm beobachtet worden sei - keinen vernünftigen Zweifel daran, dass der Angekl. A. täterschaftlich unerlaubt mit Btm in nicht geringer Menge Handel getrieben habe. Die Angekl. hätten mehrfach verdeckt über Rauschgift gesprochen. Der Zeuge N. E. K., der in der Hauptverhandlung teilweise von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe, habe im Ermittlungsverfahren Erkenntnisse einer V-Person ?P.' bestätigt, beide Angekl. hätten seit geraumer Zeit im Kilobereich mit Rauschgift gehandelt, wobei als Aufbewahrungsort der zur Wohnung des Angekl. A. zählende Keller gedient habe. Dass in den Kellerräumen bei einer Durchsuchung am 28.08.2009 keine Btm gefunden worden seien, spreche nicht dagegen, eine wirkliche Durchsuchung habe in den zahlreichen Kellerräumen mit weitverzweigten großen Räumlichkeiten nicht stattgefunden. Warum die polizeilichen Ermittler gleichwohl von einer täterschaftlichen Beteiligung des Angekl. A. ausgegangen seien, habe der Zeuge KHK R. hinsichtlich dessen Glaubwürdigkeit wie auch bei den anderen Ermittlungsbeamten keine Bedenken bestünden, anschaulich geschildert. Trotz verschlüsselter Sprechweise in den seit 05.08.2009 überwachten Telefonaten sei sog. ?Ameisenverkehr' (Verkauf von Rauschgift in kleinen Mengen) festgestellt worden; zwischen den Angekl. seien mehrfach zu ihrem arbeitsteiligen Handeln passende Absprachen, wie z.B. Verabredungen zu gemeinsamen mutmaßlichen Drogenbeschaffungsfahrten, getroffen worden. Außerdem habe der Mitangekl. W. sehr häufig bei A. alle mögliche Dinge geholt und sich dabei sehr oft im Keller aufgehalten. Zu diesen, eine Täterschaft des Angekl. A. belegenden Indizien passten neben den ihm vorgehaltenen Verschriftungen der abgehörten Telefonate (insbes. eines v. 28.08.2009, in dem er W. gefragt habe, ob ?der' sich schon gemeldet habe, und dieser darauf geantwortet habe, er schicke jemanden gegen 18.00 Uhr) die strafrechtlichen Vorbelastungen des Angekl. A. Dagegen sprächen indes nicht die Bekundungen der Zeugen Ne. und N. E. K. in der Hauptverhandlung, die beide erkennbar bemüht gewesen seien, nicht ein weiteres Strafverfahren auf sich zu ziehen, und deren Angaben von offensichtlichen Tendenzen zu Gunsten der Angekl. geprägt gewesen seien. Es sei nicht glaubhaft, dass N. E. K. seine im Ermittlungsverfahren gemachten belastenden Angaben nicht aufrechterhalten und sein Bruder Ne. E. K. bekundet habe, nichts von den Drogengeschäften der Angekl. gewusst zu haben.
II. Die Beweiswürdigung des LG, die hinsichtlich der zur Verurteilung führenden Taten nicht differenziert, hält sachlicher Nachprüfung nicht stand. Sie erweist sich aus mehreren Gründen als rechtsfehlerhaft.
1. a) Die Annahme, auch der Angekl. A. sei an den Taten des Mitangekl. W. beteiligt und habe täterschaftlich unerlaubt mit Btm in nicht geringer Menge Handel getrieben, stützt die Kammer vor allem auch auf die Aussage des Zeugen N. E. K. im Ermittlungsverfahren, wonach dieser Erkenntnisse der V-Person ?P.', beide Angekl. handelten seit geraumer Zeit im Kilogrammbereich mit Rauschgift, konkretisiert und bestätigt habe. Diese Angaben hat der Zeuge in der Hauptverhandlung allerdings nicht wiederholt, er hat vielmehr lediglich bekundet, beide Angekl. zu kennen und mit dem Angekl. A. befreundet gewesen zu sein.
Bei diesen wechselnden Aussagen hätte sich das LG eingehend mit der Glaubwürdigkeit des Zeugen auseinandersetzen müssen. Es hätte sich nicht damit begnügen dürfen, auf die Überzeugungskraft der Aussage der Polizeibeamten abzustellen, die den Zeugen im Ermittlungsverfahren vernommen hatten und in der Hauptverhandlung hierüber und über ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angekl. berichteten, und ansonsten lediglich festzustellen, dass die Nichtaufrechterhaltung der Tatvorwürfe nicht glaubhaft sei. Das LG versäumt es nicht nur darzulegen, wie der Zeuge in der Hauptverhandlung seinen Aussagewechsel begründet oder erklärt hat; es sieht darüber hinaus an dieser Stelle nicht, dass der Zeuge im Hinblick auf einen Vorfall v. 20.07.2009, bei dem ihn - wie er berichtet habe - die Angekl. wegen angeblicher Geldforderungen gegen seinen Bruder Ne. E. K. angegriffen hätten, womöglich ein Motiv gehabt haben könnte, den Angekl. A. zu Unrecht zu belasten. Dass die Kammer insoweit feststellt, der vernehmende Beamte habe den Eindruck gehabt, der Angekl. A. sei zwar verärgert gewesen, habe aber aus freien Stücken Angaben zu Beteubungsmittelaktivitäten der beiden Angekl. gemacht, besagt für sich noch nichts für die Frage, ob es sich bei den Angaben im Ermittlungsverfahren um eine zutreffende Belastung gehandelt hat, und entbindet im Übrigen nicht von einer eigenen Glaubwürdigkeitsprüfung durch die Kammer.
b) Daran ändert auch nichts der Umstand, dass die Kammer die Angaben des Zeugen durch weitere Indizien bestätigt sieht. Der pauschale Hinweis auf sog. ?Ameisenverkehr' bei beiden Angekl., der offenbar nicht selbst beobachtet worden ist, lässt offen, aufgrund welcher konkreten Gesprächsinhalte die Kammer zu der Annahme gelangt ist, dass (potentielle) Käufer gerade auch den Angekl. A. aufgesucht und von diesem Rauschgift in kleinen Mengen erworben haben. Die mögliche Kenntnis des Angekl. A. von Drogengeschäften des Mitangekl. W., die sich auch aus dem abgehörten Telefonat v. 28.08.2009 ergibt und die A. im Übrigen gar nicht in Abrede stellt, genügte nicht für eine Verurteilung wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Btm.
Dass Verabredungen zu mutmaßlichen Drogenbeschaffungsfahrten in die Niederlande nicht Grundlage für eine Bestätigung der Angaben des Zeugen N. E. K. im Ermittlungsverfahren sein können, bedarf keiner weiteren Darlegung.
Schließlich kann auch die Beobachtung, dass der Mitangekl. W. sehr häufig bei A. alle möglichen Dinge geholt und sich dabei oft auch im Keller aufgehalten habe, nicht als eine solche Bestätigung angesehen werden. Dass der Angekl. W. bei diesen Gelegenheiten außer ?allen möglichen Dingen' dort auch Btm mitgenommen hat, konnte positiv ersichtlich gerade nicht festgestellt werden. Allein der Aufenthalt im Keller ist aber ein an sich neutrales Verhalten, das seine Bedeutung im vorliegenden Verfahren lediglich vor dem Hintergrund der Angaben des Zeugen N. E. K. gewinnt und deshalb allenfalls eingeschränkt zur Bestätigung von dessen Angaben geeignet ist. Fehlt es aber an einer genügenden Bestätigung der Angaben des Zeugen N. E. K., der lediglich Zeuge vom Hörensagen ist, kann hierauf eine Verurteilung des Angekl. A. nicht gestützt werden (vgl. BGHSt 44, 153, 158; BGH NStZ 2002, 656, 657 [= StV 2002, 588]).
2. Das LG hat die Angekl. in einem weiteren Fall freigesprochen, ohne im Einzelnen die Gründe hierfür darzulegen. Gegenstand der Anklage war insoweit der Vorwurf einer Veräußerung von ca. 2 kg Amphetamin an den Zeugen Ne. E. K., der die Angekl. im Ermittlungsverfahren - anders als in der Hauptverhandlung - entsprechend belastet haben muss. Warum die Kammer nunmehr aufgrund der Angaben des Zeugen in der Hauptverhandlung zu einem Freispruch in diesem Fall gelangt, hinsichtlich der beiden anderen Tatvorwürfe dagegen zu Verurteilungen kommt, obwohl die auch diese Taten betreffenden Angaben des Zeugen wohl auch insoweit ?von offensichtlichen Tendenzen zu Gunsten der Angekl.' geprägt gewesen sind, teilt sie nicht mit. Dies aber wäre erforderlich gewesen, zunächst um festzustellen, ob womöglich eine Fallkonstellation vorliegt, in der das Gericht der Aussage eines Zeugen teils Glauben schenkt, ihn teils für unglaubhaft hält und deshalb besondere Anforderungen an eine Würdigung einer solchen Aussage bestehen (vgl. BGHSt 44, 256, 257; BGH NStZ 2002, 656, 657 [= StV 2002, 588]). ..."
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Zum Umfang des Auskunftsverweigerungsrechts bei Organisationsdelikten (BGH, Beschluss vom 04.08.2009 - StB 37/09):
?... I. Vor dem 2. Strafsenat des OLG Düsseldorf findet zurzeit die Hauptverhandlung gegen den Angekl. E. statt. Diesem wird im wesentlichen vorgeworfen, Mitglied des Zentralkommitees der DHKP-C gewesen zu sein und in dieser Eigenschaft von Deutschland aus in den Jahren 1993 bis 2005 an der Begehung mehrerer Terroranschläge in der Türkei mitgewirkt zu haben bzw. für diese verantwortlich zu sein.
In der Sitzung v. 02. 07. 2009 wurde der Bf. als Zeuge vernommen. Auf die Frage des Sitzungsvertreters des GBA, ob er eine Person namens A. kenne, hat der Zeuge zunächst die Auskunft unter Berufung auf § 55 StPO verweigert und diese Frage nach der Feststellung des Strafsenats, daß er hierzu nicht berechtigt ist, mit ?Ja' beantwortet. Auf die folgende Frage des Sitzungsvertreters, aus welchem Zusammenhang er den A. kenne, hat der Bf. unter Berufung auf § 55 StPO erneut die Antwort verweigert und an dieser Weigerung festgehalten, nachdem der Strafsenat wiederum seine fehlende Berechtigung zur Auskunftsverweigerung festgestellt hatte. Deswegen hat das OLG gegen den Zeugen unter Auferlegung der durch dessen Auskunftsverweigerung verursachten Kosten ein Ordnungsgeld von 500 ?, ersatzweise für je 100 ? einen Tag Ordnungshaft, angeordnet und die Verhängung von Beugehaft angedroht.
Nachdem der Zeuge die Auskunft weiterhin verweigert hatte, hat das OLG zur Erzwingung des Zeugnisses Haft bis zu einer Dauer von 3 M. gegen den Bf. beschlossen und dessen Inhaftnahme sowie Vorführung zum nächsten Hauptverhandlungstermin am 03. 08. 2009 verfügt. Gegen diese Anordnung von Beugehaft richtet sich die Beschwerde des Zeugen, der das OLG nicht abgeholfen hat.
II. Das Rechtsmittel ist gem. § 304 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StPO zulässig und hat Erfolg, weil dem Bf. hinsichtlich der nicht beantworteten Frage ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Abs. 1 StPO zusteht.
1. Die Gefahr einer Strafverfolgung i.S.d. § 55 StPO setzt voraus, daß der Zeuge Tatsachen bekunden müßte, die - nach der Beurteilung durch das Gericht - geeignet sind, unmittelbar oder mittelbar den Anfangsverdacht einer von ihm selbst oder von einem Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) begangenen Straftat zu begründen oder einen bereits bestehenden Verdacht zu bestärken. Bloße Vermutungen ohne Tatsachengrundlage oder rein denktheoretische Möglichkeiten reichen für die Annahme einer Verfolgungsgefahr nicht aus (vgl. BGH NJW 1994, 2839 [= StV 1994, 524]; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 55 Rn. 7). Eine das Recht zur Auskunftsverweigerung begründende Verfolgungsgefahr i.S.d. § 55 Abs. 1 StPO besteht grundsätzlich dann nicht mehr, wenn gegen den Zeugen hinsichtlich der Tat, deren Begehung er sich durch wahrheitsgemäße Beantwortung der Frage verdächtig machen könnte, bereits ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, die Strafklage daher verbraucht ist, oder die Straftat verjährt wäre und deswegen zweifelsfrei ausgeschlossen ist, daß er für diese noch verfolgt werden könnte (vgl. Meyer-Goßner a.a.O. Rn. 8 m.w.N.).
a) Hinsichtlich des Strafklageverbrauchs gelten im Bereich der Organisationsdelikte grundlegende Besonderheiten: Danach werden im Vergleich zu §§ 129, 129a, 129b StGB schwerere Straftaten, die mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung in Tateinheit stehen, dann nicht von der Rechtskraft eines allein wegen dieser Beteiligung ergangenen Urteils erfaßt, wenn sie in dem früheren Verfahren tatsächlich nicht - auch nicht als mitgliedschaftlicher Beteiligungsakt - Gegenstand der Anklage und der Urteilsfindung waren (BGHSt 29, 288). Daher ist ein wegen eines Organisationsdelikts Verurteilter durch die Rechtskraft des früheren Urteils nur vor weiterer Strafverfolgung wegen dieses Delikts und tateinheitlich mit diesem zusammentreffender weiterer, nicht schwerer wiegender Straftaten geschützt (st.Rspr.; vgl. BGH NStZ 2002, 607, 608).
b) Eine Verfolgungsgefahr ist bei Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung ferner dann nicht auszuschließen, wenn zwischen der abgeurteilten Tat und anderen Straftaten, derentwegen der Zeuge noch verfolgt werden könnte, ein so enger Zusammenhang besteht, daß die Beantwortung von Fragen zu der abgeurteilten Tat die Gefahr der Verfolgung wegen dieser anderen Taten mit sich bringt (vgl. NStZ-RR 2006, 239 [= StV 2006, 508]; NStZ 2006, 509; StraFo 2008, 423 m.w.N.)
Ein entsprechender Zusammenhang kann auch bei einem - insoweit bereits rechtkräftig verurteilten - Mitglied einer terroristischen Vereinigung gegeben sein, wenn es so in die Strukturen der Vereinigung eingebunden, insbes. in einer derart herausgehobenen Stellung tätig war, daß er schon deswegen (allg.) oder aufgrund der spezifischen Sachzusammenhänge weiterer Straftaten verdächtig ist, die aus der Vereinigung heraus begangen worden sind und für die nach obigen Grundsätzen in seiner Person Strafklageverbrauch nicht eingetreten ist. Die von einer terroristischen Vereinigung begangenen Straftaten sind vielfach dadurch gekennzeichnet, daß sie von einem begrenzten Kreis von Tätern begangen werden, die sich kennen oder zumindest voneinander wissen, untereinander - teils über Dritte - in (konspirativem) Kontakt stehen und von den terroristischen Aktivitäten der anderen Mitglieder zumindest aus Treffen, internen Mitteilungen oder Gesprächen Kenntnis haben. Daher kann schon die Aufdeckung der Zusammenhänge des Sichkennens einzelner Mitglieder der Vereinigung nicht selten auch Rückschlüsse über deren Beteiligung sowie der von weiteren Mitgliedern an (anderen) Taten der Vereinigung zulassen, so daß diese Erkenntnisse - unter Umständen mit weiteren schon bekannten Tatsachen - ?Teilstücke in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude' werden können (vgl. BVerfG NJW 2002, 1411 [= StV 2002, 177]; NJW 1999, 1413 m.w.N. [= StV 1999, 351]).
2. Nach diesen Maßstäben kann die angefochtene Entscheidung nicht bestehen bleiben. Für den Bf. ist bei Beantwortung der Frage eine Verfolgungsgefahr nicht ausgeschlossen.
a) Der Zeuge wurde durch Urteil des Hanseatischen OLG Hamburg v. 05. 01. 2000 rechtskräftig wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung zur Freiheitsstrafe von 6 J. 6 M. verurteilt, die er bis zum Jahr 2005 verbüßt hat. Dieser Verurteilung lag zu Grunde, daß der Bf. nach seiner Einreise nach Deutschland im Februar 1992 führender Funktionär der DHKP-C und zunächst von Anfang 1995 bis zu seiner (ersten) Verhaftung Mitte 1995 sowie erneut spätestens ab September 1997 sogar Deutschland- und Europaverantwortlicher dieser Vereinigung war.
b) Wegen dieser (herausgehobenen) Führungsrolle innerhalb der DHKP-C ist nicht ausgeschlossen, daß der Bf. in den 1990er Jahren an weiteren, bislang nicht abgeurteilten Straftaten in Deutschland und in der Türkei - etwa an solchen, wie sie dem Angekl. E. zur Last liegen - beteiligt war, für die Strafklageverbrauch durch seine Verurteilung durch das Hanseatische OLG Hamburg nach den oben dargestellten Maßstäben nicht eingetreten ist und die auch noch nicht verjährt sind. Bei (wahrheitsgemäßer) Beantwortung der Frage, aus welchem Zusammenhang er den A. kenne, bestünde für den Bf. die Gefahr, daß er durch Preisgabe der Hintergründe und des Zusammenhangs seiner Beziehung zu dieser Person zugleich auch Umstände zu weiteren eigenen, noch verfolgbaren Straftaten offenbart oder dadurch ein bestehender Verdacht verstärkt wird. Dies wird insbes. bei Berücksichtigung des Umstandes deutlich, daß nach - im Dezember 2004 gem. § 153c Abs. 1 Nr. 3 StPO abgeschlossenen - Ermittlungen der früheren GStA bei dem Bayerischen Obersten LG gegen A. wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer (inländischen) terroristischen Vereinigung dieser ab Januar 1998 bis zur (zweiten) Festnahme des Bf. am 15. 10. 1999 dessen Fahrer und Sekretär gewesen sein soll. Bei dieser Sachlage ist es zumindest nicht ausgeschlossen, daß sich durch die begehrte Auskunft die konkrete Gefahr einer Strafverfolgung des Bf. für vor Oktober 1999 begangene Straftaten ergibt. Daher kommt es nicht mehr darauf an, ob dem Bf. - wie dieser mutmaßt - durch die Beantwortung der Frage die Verfolgung von Straftaten droht, die er nach seiner Haftentlassung im Jahre 2005 begangen haben könnte. ..."
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Wird ein Zeuge in der Hauptverhandlung nicht vernommen, weil er sich vorab auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO berufen hat, so darf seine Vernehmung nicht durch Verlesung von ihm stammender früherer schriftlicher Erklärungen gemäß § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO ersetzt werden (BGH, Urteil vom 27.04.2007 - 2 StR 490/06 zu StPO §§ 251 Abs. 1 Nr. 2, 250 Satz 2, 55)
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?... Der Freispruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit der Aufklärungsrüge gemäß § 244 Abs. 2 StPO die unterlassene Vernehmung des Zeugen H. I. in der Hauptverhandlung. Diesem habe kein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO zugestanden. Die Rüge greift durch.
a) Ihr liegt folgendes Geschehen zugrunde:
Nachdem der Zeuge H. I. sich in der Hauptverhandlung auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht berufen hatte, wurde ihm dieses zunächst durch Verfügung des Vorsitzenden und schließlich durch Kammerbeschluss zugestanden. In diesem Beschluss wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Ordnungs- und Zwangsmittel gegen den Zeugen zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Zeuge G. habe bekundet, er vermute, H. I. sei wirklich "groß im Geschäft gewesen" und Y. I. müsse der Chef der ganzen Bande gewesen sein. Da auch der Zeuge Kr. bei seiner Beschuldigtenvernehmung bestätigt habe, H. I. sei "groß im Geschäft gewesen", bestehe der Verdacht, H. I. habe weitere Straftaten begangen, die noch nicht rechtskräftig abgeurteilt seien. Er müsse demnach damit rechnen, dass der Angeklagte seinerseits Angaben nach § 31 BtMG machen würde, die ihn - den Zeugen - belasten würden. Im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts NJW 2002, 1411, 1412 stehe dem Zeugen bei dieser Sachlage ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zu. Zudem gebe es Differenzen zwischen seinen bisherigen richterlichen Aussagen.
b) Das Landgericht hat ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht des Zeugen H. I. nicht tragfähig begründet.
Das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO kann grundsätzlich nur in dem Umfang greifen, in welchem die Befragung sich auf Vorgänge richtet, die im Verhältnis zu den abgeurteilten Geschehen andere Taten im verfahrensrechtlichen Sinn des § 264 Abs. 1 StPO darstellen würden. Dabei genügt es, wenn der Zeuge über Vorgänge Auskunft geben müsste, die den Verdacht gegen ihn mittelbar begründen, sei es auch nur als Teilstück in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude (BGH NJW 1999, 1413, 1414; BGHR StPO § 55 Abs. 1 Verfolgung 1). Besteht die konkrete Gefahr, dass er durch eine wahrheitsgemäße Aussage zugleich potentielle Beweismittel gegen sich selbst wegen noch verfolgbarer eigener Delikte liefern müsste, so ist ihm die Erteilung solcher Auskünfte nicht zumutbar (BVerfG NJW 2002, 1411, 1412).
Eine solche Gefahr der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Zeugen H. I. hat das Landgericht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt dargetan.
Die pauschalen Bekundungen anderer Zeugen, H. I. sei groß im Rauschgiftgeschäft tätig gewesen, sind keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO zur Einleitung weiterer, über die abgeschlossenen hinausgehenden Verfahren.
Auch die Benennung seines Rauschgiftlieferanten in der Hauptverhandlung begründet keine weitere Gefahr der Strafverfolgung für den Zeugen H. I. , die der Selbstbelastungsfreiheit unterliegt. In der vom Landgericht zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ging es um die erstmalige Preisgabe unbekannter Rauschgiftlieferanten, die nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die Gefahr für den Beschwerdeführer beinhaltete, zumindest mittelbare Ansatzpunkte für eine Strafverfolgung wegen von ihm begangener weiterer, nicht abgeurteilter Betäubungsmitteldelikte zu liefern. Im vorliegenden Fall war der Lieferant des Zeugen H. I. aufgrund seiner eigenen Angaben jedenfalls seit dem Jahre 2002 bekannt. Sollte seine erneute Benennung als Rauschgiftlieferanten durch den Zeugen in der Hauptverhandlung den Angeklagten dazu veranlassen, möglicherweise den Zeugen über die bereits bekannten Taten hinausgehend zu belasten, so ist dies vom Schutzzweck der verfassungsrechtlich verbürgten Selbstbelastungsfreiheit nicht umfasst (BVerfG NJW 2003, 3045, 3046).
Die Gefahr der Strafverfolgung wegen eines Aussagedeliktes hat das Landgericht nicht konkretisiert.
c) Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer zu einer anderen Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gelangt wäre, wenn sie den Zeugen H. I. in der Hauptverhandlung vernommen hätte, weil sie selbst die fehlende Gewinnung eines persönlichen Eindrucks und die fehlende Möglichkeit von Fragestellungen zur Begründung ihrer Zweifel anführt.
Schon aufgrund der Verfahrensrüge muss das Urteil aufgehoben werden. ...." (BGH, Beschluss vom 19.12.2006 - 1 StR 326/06)
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Liegt einer sachleitenden Anordnung des Vorsitzenden eine strafprozessuale Regelung zugrunde, die ihm einen Beurteilungsspielraum oder Ermessen eröffnet, so kann ein Verfahrensbeteiligter die Revisionsrüge, die Maßnahme habe die Grenzen des Beurteilungsspielraums bzw. Ermessens überschritten, grundsätzlich nur dann zulässig erheben, wenn er in der Hauptverhandlung von dem Rechtsbehelf nach § 238 Abs. 2 StPO Gebrauch gemacht hat. Hat der Vorsitzende einem Zeugen unter Verletzung seines Beurteilungsspielraums zu Unrecht ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO zugebilligt, so kann ein Verfahrensbeteiligter eine Verfahrensrüge hierauf demgemäß im Allgemeinen nur dann stützen, wenn er in der Hauptverhandlung die Entscheidung als unzulässig beanstandet hat (BGH, Urteil vom 16.11.2006 - 3 StR 139/06).
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Zwar besteht eine das Recht zur Auskunftsverweigerung begründende Verfolgungsgefahr grundsätzlich dann nicht mehr, wenn gegen den Zeugen ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Gleichwohl ist eine Verfolgungsgefahr dann nicht auszuschließen, wenn zwischen der abgeurteilten Tat und anderen Straftaten, deretwegen der Zeuge noch verfolgt werden könnte, ein so enger Zusammenhang besteht, daß die Beantwortung von Fragen zu der abgeurteilten Tat die Gefahr der Verfolgung wegen dieser anderen Taten mit sich bringt (BGH, Beschluß vom 28.4.2006 - StB 1/06 - 1 BJs 322/85 - 2).
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?... Die - hinsichtlich der Erzwingungshaft zulässige (§ 304 Abs. 5 StPO) - Beschwerde hat Erfolg. Der Antrag der Bundesanwaltschaft war zurückzuweisen, weil der Beschwerdeführerin hinsichtlich aller Fragen ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Abs. 1 StPO zustand.
1. Allerdings besteht eine das Recht zur Auskunftsverweigerung begründende Verfolgungsgefahr im Sinne des § 55 Abs. 1 StPO grundsätzlich dann nicht mehr, wenn gegen den Zeugen ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, die Strafklage daher verbraucht ist und deswegen zweifelsfrei ausgeschlossen ist, dass er sich durch seine Antwort der Gefahr der Strafverfolgung aussetzt.
Eine solche Gefahr wird jedoch vielfach nicht auszuschließen sein, wenn zwischen der abgeurteilten Tat und anderen Straftaten, deretwegen der Zeuge noch verfolgt werden könnte, ein so enger Zusammenhang besteht, dass die Beantwortung von Fragen zu der abgeurteilten Tat die Gefahr der Verfolgung wegen dieser anderen Taten mit sich bringt. Das ist in einem Fall angenommen worden, in dem der rechtskräftig verurteilte Täter eines Raubüberfalls als Zeuge zur Identität seiner Komplizen befragt werden sollte und die Auskunft im Hinblick darauf verweigerte, dass es im Tatzeitraum zu ähnlich gelagerten Überfällen gekommen war, eine bandenmäßige Begehung in Betracht kam und die Identität einzelner Tatbeteiligter noch nicht geklärt werden konnte (BGH StraFo 2006, 69 f.). Aus demselben Grunde wurde auch einem Betäubungsmittelhändler ein Auskunftsverweigerungsrecht zugestanden, der wegen mehrerer eigener Handelsgeschäfte abgeurteilt worden war und nach Rechtskraft seiner Verurteilung zur Identität seiner Lieferanten als Zeuge befragt wurde, obgleich er im Verdacht stand, in Verbindung mit diesem Personenkreis weitere, nicht vom Strafklageverbrauch umfasste Betäubungsmitteldelikte begangen zu haben (BVerfG NJW 2002, 1411 f.).
2. Ein entsprechender Zusammenhang kann auch bei einem Mitglied einer terroristischen Vereinigung gegeben sein, wenn es weiterer Straftaten verdächtig ist, für die ein Strafklageverbrauch nicht eingetreten ist (vgl. dazu BGHSt 29, 288, 294). Die von einer solchen Vereinigung begangenen Straftaten sind vielfach dadurch gekennzeichnet, dass sie vom gleichen Täterkreis mit weitgehend gleich bleibender Aufgabenverteilung begangen werden, wobei häufig die verwendeten Tatmittel sowie die Art und Weise der Planung und Ausführung Übereinstimmungen aufweisen. Daher liegt es auf der Hand, dass Erkenntnisse über die konkrete Beteiligung eines Mitglieds der Vereinigung an einer bestimmten Tat vielfach auch Rückschlüsse über seine und die Beteiligung von weiteren Mitgliedern an einer anderen Tat der Vereinigung zulassen und somit "Teilstücke in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude" werden können (vgl. BGH NJW 1999, 1413 m. w. N.).
3. Eine auf einem derartigen Zusammenhang beruhende Verfolgungsgefahr war auch für die Beschwerdeführerin nicht ausgeschlossen. Sie steht im Verdacht, als Mitglied der "RAF" an weiteren, bislang nicht abgeurteilten Straftaten beteiligt gewesen zu sein, für die ein Strafklageverbrauch nicht eingetreten ist. Bei Beantwortung von Fragen nach den Beteiligten an ihren abgeurteilten Taten bestünde für die Beschwerdeführerin die Gefahr, dass sie durch deren Preisgabe zugleich auch Tatbeteiligte an weiteren, noch verfolgbaren eigenen Straftaten offenbart. Bei dieser Sachlage ist es nicht ausgeschlossen, dass sich durch die begehrte Auskunft die konkrete Gefahr einer Strafverfolgung der Beschwerdeführerin ergibt (vgl. BGH StraFo 2006, 69 f.; BVerfG NJW 2002, 1411 f.).
Entsprechendes gilt indessen auch für jede andere weiterführende Erkenntnis zu den abgeurteilten Taten, die von der Befragung der Beschwerdeführerin erwartet wird. Auch bei solchen Erkenntnissen kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie im Rahmen einer mosaikartigen Beweisführung Bedeutung für den gegen die Beschwerdeführerin bestehenden Tatverdacht hinsichtlich weiterer Taten erlangen können. ..."(BGH, Beschluss vom 28.04.2006 - StB 2/06).
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§ 55 Abs. 1 StPO findet keine Anwendung, wenn sich der Zeuge erst durch die Beantwortung der an ihn gerichteten Frage strafbar machen kann:
?... a) Die Beschlüsse, mit denen das Landgericht Fragen der Verteidigung an die Nebenklägerin nach § 241 Abs. 2 i. V. m. § 55 Abs. 1 StPO nicht zugelassen hat, sind rechtsfehlerhaft. Zwar sind Fragen, deren Beantwortung ein Zeuge gemäß § 55 Abs. 1 StPO berechtigt verweigert, ?ungeeignet' im Sinne des § 241 Abs. 2 StPO (vgl. BGH NStZ 1986, 181 für den Beweisantrag auf Vernehmung des auskunftsverweigerungsberechtigten Zeugen; in der Sache ebenso, jedoch auf § 241 Abs. 1 StPO abstellend Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 55 Rdn. 12; Dahs in Löwe/Rosenberg, 25. Aufl. § 55 Rdn. 19; Rogall in SK - Stand Juli 2003 - § 55 Rdn. 56; Eisenberg, Beweisrecht der StPO 4. Aufl. Rdn. 1126). Der Nebenklägerin stand jedoch nicht das Recht zu, die Auskunft auf die von der Verteidigung gestellten Fragen gemäß § 55 Abs. 1 StPO zu verweigern. Dies gilt auch dann, wenn sie sich durch die Beantwortung der Fragen - wie das Landgericht meint - gemäß § 353 b Abs. 2 Nr. 2 StGB strafbar gemacht hätte. § 55 Abs. 1 StPO betrifft nur den Fall, dass sich der Zeuge durch eine wahrheitsgemäße Aussage der Gefahr aussetzen würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, die er bereits vor seiner Zeugenaussage begangen hat (BVerfG NStZ 1985, 277; BGH bei Dallinger MDR 1958, 14; OLG Düsseldorf StV 1982, 344 m. Anm. Prittwitz; OLG Zweibrücken NJW 1995, 1301, 1302; Meyer-Goßner aaO Rdn. 4; Dahs aaO Rdn. 12; Rogall aaO Rdn. 28; aA Sommer StraFo 1998, 9 f.). ..." (BGH, Urteil vom 15.12.2005 - 3 StR 281/04).
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Im Einzelfall kann es nahe liegen, daß ein Zeuge durch die Offenbarung der Identität weiterer an einer Straftat Beteiligter sich der Gefahr der Strafverfolgung wegen weiterer, nicht vom Strafklageverbrauch erfaßter Taten aussetzen könnte. Dies gilt namentlich dann, wenn es im Tatzeitraum zu einer Häufung ähnlich gelagerter Straftaten gekommen war, eine bandenmäßige Begehung in Betracht kommt und die Identität einzelner Tatbeteiligter noch nicht geklärt werden konnte (BGH, Urteil vom 27.10.2005 - 4 StR 235/05).
Zum Umfang des Auskunftsverweigerungsrechts eines Zeugen, wenn gegen ihn wegen des Lebensvorgangs, zu dem er befragt werden soll, ein bereits rechtskräftiger Schuldspruch vorliegt, der Straf- bzw. sonstige Rechtsfolgenausspruch jedoch noch nicht rechtskräftig geworden ist (BGH, Beschluss vom 02.06.2005 - StB 8/05).
Hat ein Zeuge, dem nach § 55 StPO ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zugebilligt wird, berechtigterweise die Beantwortung von Fragen der Verteidigung verweigert, bleiben seine übrigen Angaben bei gebotener kritischer Würdigung seines Aussageverhaltens verwertbar (BGH StV 2002, 178 f).
Wenn ein Zeuge in der Hauptverhandlung erschienen ist und unter Berufung auf sein Recht nach § 55 I StPO nicht zur Sache ausgesagt hat, ist eine Verlesung der Niederschriften über frühere Vernehmungen ausgeschlossen. Die bisherigen Angaben sind vielmehr durch die Vernehmung der Verhörperson in die Hauptverhandlung einzuführen (BGH NStZ 1996, 96).
Bloße Vermutungen oder rein denktheoretische Möglichkeiten reichen für die Annahme der Gefahr einer Strafverfolgung i. S. des § 55 StPO nicht aus (BGH NJW 1994, 2839).
Das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO erstreckt sich auch auf solche Fragen, durch deren wahrheitsgemäße Beanwortung zwar alleine nicht eine Strafverfolgung ausgelöst werden könnte, die aber ein Teilstück in einem mosaikartigen Beweisgebäude betreffen und demzufolge zu einer Belastung des Zeugen beitragen können. Wenn in § 55 StPO auch nur von der Auskunftsverweigerung in bezug auf einzelne Fragen die Rede ist, so kann ein Zeuge die Auskunft auch insgesamt verweigern, wenn seine Aussage mit seinem etwaigen strafbaren Verhalten in so engem Zusammenhang steht, daß eine Trennung nicht möglich ist. Einer Glaubhaftmachung gem. § 56 StPO bedarf es nicht, wenn sie nur durch eine Selbstbelastung des Zeugen möglich wäre (BGH StV 1987, 328).
Steht einem Zeugen kein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht, sondern lediglich ein begrenztes Auskunftsverweigerungsrecht auf einzelne Fragen zu, und ist nicht ersichtlich, daß der Zeuge bei einer Befragung zu Beweisbehauptungen, die ihn selbst nicht belasten, nach einer ordnungsgemäßen Belehrung über die Grenzen seines Auskunftsverweigerungsrechts nach § 55 StPO keinerlei Angaben gemacht hätte, ist er nicht unerreichbar (BGH StV 1984, 408).
*** (OLG)
Verweigert ein Zeuge unter Berufung auf § 55 StPO die Auskunft, kann gegen ihn Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft verhängt und ihm die Kosten nach § 70 Abs. 1 StPO auferlegt werden, wenn keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen eines zu einer Verweigerung der Auskunft berechtigendes strafbaren Verhaltens des Zeugen ersichtlich sind. Ob es für eine vom Zeugen geltend gemachte Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung tatsächlich Anhaltspunkte gibt und der Zeuge sich auf § 55 StPO berufen kann, unterliegt der tatsächlichen Beurteilung und rechtlichen Würdigung durch den Tatrichter. Ihm steht insoweit ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Das Beschwerdegericht kann daher lediglich überprüfen, ob sich der Tatrichter innerhalb des ihm eröffneten Beurteilungsspielraums gehalten, den richtigen Entscheidungsmaßstab zugrunde gelegt oder ob er seine Entscheidung auf fehlerhafte Erwägungen gestützt hat (OLG Celle, Beschluss vom 18.05.2011 - 2 Ws 131/11 zu §§ 55 StPO, 70 Abs 1 StPO).
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Der Umstand, dass ein Zeuge sich zur Auskunftsverweigerung berechtigt wähnt, begründet für den anwaltlichen Zeugenbeistand keinen Anspruch auf Akteneinsicht. Im Hinblick auf die Unbefangenheit bei der bevorstehenden Vernehmung wäre es nicht sachgerecht, dem Zeugen eine Vorbereitung seiner Aussage durch Akteneinsicht zu ermöglichen (KG, Beschluss vom 20.12.2007 - (1) 2 BJs 58/06 - 2 (22/07) zu StPO §§ 475, 477, 55, 147, 406e):
?... Der GBA führt gegen den Besch. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (?militante Gruppe [mg]'). In diesem Verfahren soll Z. als Zeuge vernommen werden. Mit Beschl. v. 22. 10. 2007 hat der Vors. dem Zeugen für die Dauer seiner Vernehmung RA M. gem. § 68b StPO als Zeugenbeistand beigeordnet. Die ebenfalls beantragte Akteneinsicht ist ihm durch den GBA verweigert und lediglich eine Ablichtung des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des BGH gegen B. v. 01. 08. 2007 übersandt worden. Der hiergegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
1. Über den zulässigen Antrag hat gem. §§ 475, 478 Abs. 3 S. 1 i.V.m. §§ 161a Abs. 3 S. 2 bis 4 StPO, 73 Abs. 1, 120 Abs. 3 GVG der Senat zu entscheiden. Soweit § 478 Abs. 3 S. 2 StPO anordnet, daß die Entscheidung ?des Vors.' unanfechtbar ist, wird damit für den Fall, daß die Entscheidung der StA im Ermittlungsverfahren angefochten wird, keine funktionale Zuständigkeit des Vors. begründet oder vorausgesetzt (vgl. KG, Beschl. v. 19. 04. 2001 - 4 VAs 1/01 -; LG Hildesheim, Beschl. v. 26. 03. 2007 - 25 Qs 17/06 - zitiert nach juris). Denn § 478 Abs. 3 StPO entspricht strukturell § 406e Abs. 4 StPO (vgl. BR-Drucks. 65/99, S. 61 ff., 63; Pfeiffer, StPO 5. Aufl., § 478 Rn. 4). Diese Vorschrift weist dem Vors. ?des mit der Sache befaßten Gerichts' die Zuständigkeit allein für den Fall zu, daß die Akteneinsicht während gerichtlicher Anhängigkeit des Verfahrens begehrt wird (vgl. Pfeiffer a.a.O. § 406 Rn. 4 f.). Eine Erweiterung der Zuständigkeit des Vors. zur Entscheidung über Anträge auf gerichtliche Entscheidungen gegen Verfügungen der StA ist mit § 478 Abs. 3 StPO nicht bezweckt.
2. Dem Antrag des RA auf Gewährung von Akteneinsicht kann nicht stattgegeben werden, weil Zwecke des Strafverfahrens entgegenstehen (§ 477 Abs. 2 S. 1 StPO).
a) Dem anwaltlichen Zeugenbeistand steht im Gegensatz zu dem Verteidiger (§ 147 Abs. 1 StPO) ein eigenes Recht auf Akteneinsicht nicht zu. Die Rechtsstellung des anwaltlichen Zeugenbeistands leitet sich aus der des Zeugen ab. Er hat keine eigenen Rechte als Verfahrensbeteiligter und keine weitergehenden Befugnisse als der Zeuge selbst (vgl. BVerfGE 38, 116; LR-Dahs, StPO 25. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 11; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 11, § 68b Rn. 5; KK-Wache, StPO 5. Aufl., § 161a Rn. 3). Einem Zeugen kommt daher, soweit er nicht Verletzter ist, ein Akteneinsichtsrecht lediglich als ?Privatperson' i.S.d. § 475 StPO zu, so daß auch der anwaltliche Zeugenbeistand ein Akteneinsichtsrecht allein nach dieser Vorschrift wahrnehmen kann (vgl. OLG Düsseldorf NJW 2002, 2806; OLG Hamburg, NJW 2002, 1590 [= StV 2002, 297]).
Aufgabe des Zeugenbeistands, ist es, den Zeugen während der Vernehmung bei der sachgerechten Wahrnehmung seiner prozessualen Rechte, insbes. von Auskunftsverweigerungsrechten gem. § 55 StPO oder Zeugnisverweigerungsrechten nach §§ 52 ff. StPO sowie bei der Verteidigung gegen Ordnungsmittel zu unterstützen. Darüber hinaus soll er bei Zeugen, die in ihrer Aussagefähigkeit beschränkt oder in ihrer Aussagebereitschaft gehemmt sind, dazu beitragen, Aussagefehler und Mißverständnisse zu verhindern. Soweit er im vorliegenden Fall dem Zeugen bei der anstehenden Entscheidung behilflich ist, ob er im Hinblick auf § 55 StPO einzelne Fragen nicht beantwortet, muß die Entscheidung jew. für die tatsächlich gestellte Frage getroffen werden und kann sich nicht danach richten, welche Fragen - aufgrund von Akteneinsicht - vorab als möglich angesehen werden. Zu der anstehenden Entscheidung muß der Beistand nicht den Inhalt der Sachakte kennen. Grundlage der Entscheidung ist vielmehr das Wissen oder die Einschätzung des Zeugen selbst, sich bei der wahrheitsgemäßen Beantwortung einer Verfolgung i.S.v. § 55 StPO auszusetzen (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 2002, 2806, 2807).
Die in der Lit. vertretene Ansicht, die ein Akteneinsichtsrecht des Zeugenbeistandes für den Fall fordert, daß anders wirksamer Beistand nicht möglich sei (vgl. KK-Senge, StPO 5. Aufl., Vorbemerkung § 48 Rn. 18a m.w.N. und § 68b Rn. 9), begegnet Bedenken.
Hiergegen spricht im vorliegenden Fall schon, daß diese Ansicht nicht auf das Verfahrensstadium abhebt, in dem selbst dem Verteidiger gem. § 147 Abs. 2 StPO die Akteneinsicht versagt werden könnte. Sie übersieht, daß der Gesetzgeber im Falle des Akteneinsichtsbegehrens eines Zeugen, der nicht Verletzter ist, den Strafverfolgungszwecken Vorrang eingeräumt hat (§ 477 Abs. 2 S. 1 StPO). Der Beistand darf den Zeugen nicht in der Aussage vertreten oder auf den Inhalt der Aussage Einfluß nehmen. Gerade dies ist aber nicht auszuschließen, wenn der Zeugenbeistand mit dem Zeugen anhand der durch die Akteneinsicht gewonnenen Kenntnisse inhaltliche Fragen erörtert. Erlaubte man dem Zeugen die Akteneinsicht, wäre nicht mehr nachvollziehbar, ob er Sachverhalte unbefangen aus seiner Erinnerung oder auf Grund der - ihm von seinem Beistand vermittelten Aktenlage darstellt. Vorhalte als Gedächtnisstütze würden ihren Sinn verlieren (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.). Die daraus resultierende Gefahr der Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung kann regelmäßig nicht hingenommen werden. Die Regelungen der §§ 58 Abs. 1 S. 1 und 243 Abs. 2 S. 1 StPO, welche die Unbefangenheit des Zeugen bei seiner Aussage sicherstellen sollen, zeigen, daß dem Gesetzgeber bewußt war, daß Qualität und Beweiswert einer Zeugenaussage ganz erheblich herabgesetzt sind, wenn dem Zeugen die Angaben des Angekl. oder der anderen Zeugen bekannt sind (vgl. von Schlieffen in Krekeler/Löffelmann, AnwK-StPO, Vorbemerkung zu § 48 Rn. 8). Folgerichtig hat die Rspr. wiederholt entschieden, daß der Zeuge seine Aussage ohne Kenntnis dessen machen soll, was Angekl. und andere Beweispersonen bekunden. Dadurch soll seine Unbefangenheit und seine Selbständigkeit der Darstellung erhalten bleiben (vgl. BGHSt 3, 386, 388; BGHR StPO § 338 Nr. 6 Zuhörer 6, 7). Eine Einsicht in die vollständigen Akten, insbes. in die Teile, die die Angaben anderer Zeugen und des Angekl. betreffen, verbietet sich daher grundsätzlich. Den Interessen des Zeugen kann regelmäßig durch Mitteilung des Beweisthemas und ggf. - wie vorliegend geschehen - durch Erteilung von Auskünften aus der Akte ausreichend Rechnung getragen werden.
Soweit der Ast. meint, die Beratung des Zeugen Z. über seine Rechte aus § 55 StPO nur in Kenntnis des Akteninhalts wahrnehmen zu können, ist zu bedenken, daß die Entscheidung über die Verfolgungsgefahr eine Rechtsfrage ist, über die das Gericht, nicht aber der Zeuge oder der Angekl. zu entscheiden hat (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 55 Rn. 10). Der Zeuge, der sich zur Auskunftsverweigerung berechtigt wähnt, ist auch im Ermittlungsverfahren ausreichend dadurch geschützt, daß ihm gem. § 161a Abs. 3 StPO der Weg zu einer gerichtlichen Entscheidung freisteht, - falls er mit Zwangsmitteln zu seiner Aussage bewegt werden soll. Im Falle einer unterlassenen Belehrung oder fehlerhaften Anwendung des § 55 StPO ist er zudem durch ein Verwertungsverbot in einem späteren Verfahren gegen sich geschützt (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Einleitung Rn. 55a und § 55 Rn. 17 m.w.N.).
b) Hinzu kommt, daß die Akteneinsicht durch den Zeugenbeistand in das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgende Recht des Besch. auf informationelle Selbstbestimmung eingreift. Die Vorschrift des § 406e StPO zeigt, daß der Gesetzgeber ?im schwierigen Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz, Verteidigungsinteressen, Wahrheitsfindung, Funktionsinteressen der Strafrechtspflege und dem legitimen, verfassungsrechtlich abzuleitenden Informationsanspruch des Verletzten einen vertretbaren Ausgleich' (LR-Hilger, StPO 25. Aufl., § 406e Rn. 3; vgl. auch BGHSt 39, 112, 116) gesucht hat und nur dem verletzten Zeugen regelmäßig ein Akteneinsichtsrecht zubilligen wollte. Selbst diesem insoweit begünstigten Zeugen kann nach § 406e Abs. 2 StPO im Interesse der Wahrheitsfindung und der Verfahrensökonomie die Akteneinsicht versagt werden. Erst recht ist daher dem nicht durch die Straftat verletzten Zeugen und seinem Beistand die Akteneinsicht zu verweigern, wenn dies die Verfahrenszwecke gefährdet.
c) Im Interesse der Wahrheitsfindung und einer unbeeinflußten Zeugenaussage ist die gem. § 475 Abs. 2 StPO grundsätzlich mögliche Akteneinsicht hier zu versagen, weil Zwecke des Strafverfahrens entgegenstehen (§ 477 Abs. 2 StPO). Im Hinblick auf die Unbefangenheit bei der Vernehmung wäre es nicht sachgerecht, dem Zeugen eine Vorbereitung seiner Aussage durch Akteneinsicht zu ermöglichen. Das dem Zeugen durch die Übersendung des Haftbefehls sowie durch das Schreiben des GBA v. 19. 10. 2007 mitgeteilte Beweisthema - sein enger Kontakt zu dem Besch. - bildet den Rahmen der anstehenden Zeugenbefragung. Der Zeuge hat sich aufgrund des Beweisthemas vorzubereiten und nicht aufgrund der Bewertung der verfahrensgegenständlichen Akten. Den schutzwürdigen Interessen des Zeugen ist durch die ihm gegebenen Informationen hinreichend Genüge getan. ..."
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Will der Angeklagte ein Verwertungsverbot hinsichtlich einer Aussage geltend machen, die er als Zeuge ohne Belehrung über ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 I StPO gemacht hat, muß er der Verwertung in der Hauptverhandlung bis zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt widersprechen. Eine zulässige Revisionsrüge erfordert in einem solchen Fall demzufolge einen Tatsachenvortrag, aus dem sich ergibt, daß der Revisionsführer der Beweiserhebung über die ohne die Belehrung gemachten Angaben rechtzeitig i. S. d. § 257 StPO widersprochen hat (BayObLG StV 2002, 179 f).
Auch wenn durch rechtskräftige Verurteilung wegen des Vorwurfs der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln Strafklageverbrauch eingetreten ist, steht dem als Zeugen vernommenen Verurteilten ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn zu befürchten ist, daß durch die Benennung von Abnehmern der Betäubungsmittel durch deren Vernehmung weitere Betäubungsmittelgeschäfte ans Licht kommen könnten (OLG Zweibrücken StV 2000, 606).
Auch ein bereits rechtskräftig verurteilter Zeuge kann wegen desselben Sachverhalts die Auskunft nach § 55 StPO verweigern, wenn er sich durch seine Zeugenaussage in der Hauptverhandlung der Gefahr anderweitiger strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würde. Eine solche Verfolgungsgefahr ist gegeben, wenn der Zeuge bei wahrheitsgemäßer Aussage von seinen früheren Angaben abweichen und sich damit dem Vorwurf aussetzen müßte, den Angeklagten seinerzeit falsch verdächtigt zu haben. Jedoch begründen bloße, nicht durch konkrete Umstände belegte Vermutungen oder die rein denktheoretische Möglichkeit, die ursprüngliche Aussage könne falsch gewesen sein, weder einen prozessual ausreichenden Anfangsverdacht für das Vorliegen einer strafbaren Handlung, noch ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO (OLG Koblenz StV 1996, 474 ff).
Das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO erstreckt sich auch auf solche Fragen, die ein Teilstück in einem mosaikartigen Beweisgebäude betreffen und demzufolge zu einer Belastung des Zeugen beitragen können. Das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO erstreckt sich auch auf Fragen, die zur Überführung des Angeklagten dienen, wenn damit gleichzeitig Feststellungen zu einer Vortat ermöglicht werden, die Voraussetzung für eine Strafverfolgung des Zeugen nach § 138 Abs. 1 Nr. 9 StGB oder wegen Begünstigung wäre (OLG Celle StV 1988, 99).
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?... Gem. den vom BVerfG für die Auslegung des § 55 Abs. 1 StPO aufgestellten Grundsätzen steht einem Zeugen ein Auskunftsverweigerungsrecht hinsichtlich der Lieferanten seiner bereits rechtskräftig abgeurteilten Btm-Geschäfte zu, wenn Anhaltspunkte für weitere, von ihm begangene und noch nicht rechtskräftig abgeurteilte Btm-Straftaten vorliegen und die konkrete Gefahr besteht, daß der Zeuge durch die von ihm verlangten Auskünfte - wenn auch nur mittelbar - neue Ermittlungsansätze hierzu liefern und mit der Benennung seines bzw. seiner Btm-Lieferanten möglicherweise zugleich den (oder die) Beteiligten weiterer, nicht vom Strafklageverbrauch umfaßter und noch verfolgbarer Delikte preisgeben müßte (BVerfG, Beschl. v. 6. 2. 2002 - 2 BvR 1249/01 - StV 2002, 177).2005vr
Vorliegend ist die Gefahr einer weiteren Verfolgung des Zeugen P. im Falle einer Preisgabe des Lieferanten der bei ihm am 4. 3. 2003 sichergestellten Btm nach derzeitigem Sachstand nicht i. S. dieser höchstrichterlichen Rspr. zweifellos ausgeschlossen. Wenn auch nicht schon aus seiner zeugenschaftlichen Vernehmung v. 26. 2. 2004, so doch nunmehr aufgrund der Beschwerdeschrift v. 20. 4. 2004 sind zureichende tatsächliche Anknüpfungspunkte dafür vorhanden und genannt, daß der Bf. Gefahr laufen würde, durch die von ihm verlangten Angaben zu seinem Btm-Lieferanten bei der abgeurteilten Tat zumindest mittelbar Hinweise für die Verfolgung weiterer, nicht vom Strafklageverbrauch erfaßter prozessualer Taten zu geben und sich dadurch möglicherweise selbst zu belasten. Solche mittelbaren Anhaltspunkte für die Verfolgung weiterer, von dem Zeugen P. begangener Straftaten ergeben sich, worauf in der Beschwerdeschrift ebenfalls zutreffend hingewiesen wird, aus der gegebenen Aktenlage. Ausgehend von den Angaben des Zeugen R. wurde dem Zeugen P. im Rahmen des gegen ihn durchgeführten Strafverfahrens nämlich schon im Durchsuchungsbeschl. des AG Rastatt v. 10. 2. 2003 (9 Gs 22/03) angelastet, zumindest im Zeitraum Herbst 1999 bis 30. 6. 2002 in Weinsberg umfangreiche Rauschgiftgeschäfte gewerbsmäßig betrieben und in einer ?Vielzahl von Einzelfällen' Cannabis in größeren Mengen, zumindest in Portionen zu 100 g gewinnbringend weiterverkauft zu haben. In seinem rechtskräftigen Urt. v. 2. 7. 2003 (11 Ls 301 Js 2401/03) ist das AG Rastatt ebenfalls davon ausgegangen, daß der Bf. über die am 4. 3. 2003 von ihm in seiner Wohnung verwahrte Btm-Menge hinaus schon zuvor zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt den Entschluß faßte, sich durch wiederholten Ankauf und gewinnbringenden Weiterverkauf von Cannabis eine auf Dauer angelegte Einnahmequelle von nicht unerheblichem Umfang zu verschaffen und so seinen eigenen Drogenkonsum zu finanzieren. Weitere, im damaligen Strafverfahren nicht gegenständliche Btm-Delikte des Bf. sind schließlich auch deshalb nicht von der Hand zu weisen, weil er in der Vergangenheit schon wiederholt einschlägig in Erscheinung getreten und verurteilt worden ist.
Im vorliegenden Fall besteht daher - unter Zugrundelegung der genannten Entscheidung des BVerfG - für den Bf. gleichfalls die Gefahr, daß er allein durch die Benennung seines Lieferanten des am 4. 3. 2003 bei ihm sichergestellten Rauschgifts zumindest mittelbar Ansatzpunkte für eine Strafverfolgung wegen weiterer Btm-Delikte bieten könnte, und zwar schon deshalb, weil sich von ihm als Lieferanten zu benennende Personen gem. § 31 BtMG durch eigene Angaben zu weiteren, mit ihm abgeschlossenen Drogengeschäften entlasten könnten. Durch seine Aussage würde er damit Tatsachen bekunden, die mittelbar einen Anfangsverdacht gegen ihn begründen könnten, und die Voraussetzungen für seine eigene strafrechtliche Verfolgung und für weitere Ermittlungsansätze liefern, da tatsächlich zu besorgen ist, daß er weitere Drogengeschäfte mit dem Lieferanten des am 4. 3. 2003 verwahrten Btm abgewickelt hat. Dem Zeugen P. ist somit die Preisgabe seines Btm-Lieferanten gem. § 55 StPO nicht zumutbar. ..." (G Baden-Baden, Beschluß vom 5.5.2004 - 2 Qs 47/04, StV 2005, 78).
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Macht ein Zeuge von seiner Befugnis Gebrauch, sich während seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung eines anwaltlichen Beistands zu bedienen, so steht ihm ein Auskunftsverweigerungsrecht auf Fragen zu, die den Inhalt der mit seinem Anwalt geführten Beratungsgespräche betreffen. Dazu gehören auch das Bestehen einer Honorarvereinbarung und die Höhe eines Honorars für den Beistand (LG Berlin StV 1994, 533 f).
Ein Zeuge kann die Aussage über den Inhalt des mit seinem anwaltlichen Beistand geführten Beratungsgesprächs verweigern, das der Beantwortung einer an ihn gerichteten Frage vorausgegangen ist (LG Lübeck StV 1993, 516).
Ausland - Fluchtgefahr
Siehe unter ?Voraussetzungen der Untersuchungshaft".
Ausländische Staaten - Verfahrensverstöße
Siehe unter ?Zurechenbarkeit von Verfahrensverstößen".
Auslandshaft - Anrechnung § 450 a StPO
(1) Auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe ist auch die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung anzurechnen, die der Verurteilte in einem Auslieferungsverfahren zum Zwecke der Strafvollstreckung erlitten hat. Dies gilt auch dann, wenn der Verurteilte zugleich zum Zwecke der Strafverfolgung ausgeliefert worden ist.
(2) Bei Auslieferung zum Zwecke der Vollstreckung mehrerer Strafen ist die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung auf die höchste Strafe, bei Strafen gleicher Höhe auf die Strafe anzurechnen, die nach der Einlieferung des Verurteilten zuerst vollstreckt wird.
(3) Das Gericht kann auf Antrag der Staatsanwaltschaft anordnen, dass die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach dem Erlass des Urteils, in dem die dem Urteil zu Grunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmalig geprüft werden konnten, nicht gerechtfertigt ist. Trifft das Gericht eine solche Anordnung, so wird die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung, soweit ihre Dauer die Strafe nicht überschreitet, auch in einem anderen Verfahren auf die Strafe nicht angerechnet.
Leitsätze/Entscheidungen:
Im Gegensatz zu § 51 StGB regelt § 450a StPO ausdrücklich nur die Anrechnung von Auslieferungshaft zum Zwecke der Strafvollstreckung. Dies allein stellt jedoch keinen ausreichenden Grund dar, um eine Anrechnung von Abschiebehaft schlechthin zu versagen. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Benachteiligung von Verurteilten, die sich nach Rechtskraft des Urteils in Abschiebehaft befanden, gegenüber solchen, die Auslieferungshaft erlitten haben, aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist oder ob ein Fall vorliegt, bei dem eine funktionale Verfahrenseinheit i. S. der Rechtsprechung des BGH (BGHSt 43, 112) und des BVerfG (vgl. Beschluss vom 28.9.1998, NStZ 1999, 24) anzunehmen ist, bei der es das Freiheitsgrundrecht gebietet, eine Anrechnung in weitem Umfang vorzunehmen. Eine funktionale Verfahrenseinheit wird insbesondere anzunehmen sein, wenn die Festnahme des Verurteilten im Ausland aufgrund eines internatioanlen Haftbefehls erfolgte, der aus Anlass der Verurteilung erging, die nunmehr vollstreckt werden soll (BVerfG, Beschluss vom 14.01.2005 - 2 BvR 1825/03).
Auslandstaten - Absehen von Verfolgung bei Auslandsstraftaten § 153 c StPO
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung von Straftaten absehen,
1. die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes begangen sind oder die ein Teilnehmer an einer außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes begangenen Handlung in diesem Bereich begangen hat,
2. die ein Ausländer im Inland auf einem ausländischen Schiff oder Luftfahrzeug begangen hat,
3. wenn in den Fällen der §§ 129 und 129 a, jeweils auch in Verbindung mit § 129 b Abs. 1, des Strafgesetzbuches die Vereinigung nicht oder nicht überwiegend im Inland besteht und die im Inland begangenen Beteiligungshandlungen von untergeordneter Bedeutung sind oder sich auf die bloße Mitgliedschaft beschränken.
Für Taten, die nach dem Völkerstrafgesetzbuch strafbar sind, gilt § 153 f.
(2) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, wenn wegen der Tat im Ausland schon eine Strafe gegen den Beschuldigten vollstreckt worden ist und die im Inland zu erwartende Strafe nach Anrechnung der ausländischen nicht ins Gewicht fiele oder der Beschuldigte wegen der Tat im Ausland rechtskräftig freigesprochen worden ist.
(3) Die Staatsanwaltschaft kann auch von der Verfolgung von Straftaten absehen, die im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes durch eine außerhalb dieses Bereichs ausgeübte Tätigkeit begangen sind, wenn die Durchführung des Verfahrens die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführen würde oder wenn der Verfolgung sonstige überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.
(4) Ist die Klage bereits erhoben, so kann die Staatsanwaltschaft in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2 und des Absatzes 3 die Klage in jeder Lage des Verfahrens zurücknehmen und das Verfahren einstellen, wenn die Durchführung des Verfahrens die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführen würde oder wenn der Verfolgung sonstige überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.
(5) Hat das Verfahren Straftaten der in § 74 a Abs. 1 Nr. 2 bis 6 und § 120 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Art zum Gegenstand, so stehen diese Befugnisse dem Generalbundesanwalt zu.
Auslandstaten gegen international geschützte Rechtsgüter § 6 StGB
Das deutsche Strafrecht gilt weiter, unabhängig vom Recht des Tatorts, für folgende Taten, die im Ausland begangen werden:
1. (weggefallen)
2. Kernenergie-, Sprengstoff- und Strahlungsverbrechen in den Fällen der §§ 307 und 308 Abs. 1 bis 4 , des § 309 Abs. 2 und des § 310 ;
3. Angriffe auf den Luft- und Seeverkehr ( § 316c );
4. Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft sowie Förderung des Menschenhandels ( §§ 232 bis 233a );
5. unbefugter Vertrieb von Betäubungsmitteln;
6. Verbreitung pornografischer Schriften in den Fällen der §§ 184a und 184b Abs. 1 bis 3 , auch in Verbindung mit § 184c Satz 1 ;
7. Geld- und Wertpapierfälschung ( §§ 146 , 151 und 152 ), Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion und Vordrucken für Euroschecks ( § 152b Abs. 1 bis 3 ) sowie deren Vorbereitung ( §§ 149 , 151 , 152 und 152a Abs. 5 );
8. Subventionsbetrug ( § 264 );
9. Taten, die auf Grund eines für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen zwischenstaatlichen Abkommens auch dann zu verfolgen sind, wenn sie im Ausland begangen werden.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Vorschrift des § 6 Nr. 1 StGB, nach der kraft des Weltrechtsprinzips deutsches Strafrecht für ein im Ausland begangenes Verbrechen des Völkermordes gilt, steht im Einklang mit den Regelungen der Völkermord-Konvention (Genozid-Konvention) vom 9.12.1948, die die von jedem der Vertragsstaaten übernommene Verpflichtung, Völkermord zu verhindern und zu bestrafen, nicht erritorial begrenzt haben. Die mit einem Völkermord gem. § 220a I Nr. 1 StGB tateinheitlich begangenen Verbrechen gem. §§ 211, 212 StGB werden von dem nach § 6 Nr. 1 StGB geltenden Weltrechtsprinzip erfaßt (Annexkompetenz; (BGH, Urteil vom 30.04.1999 - 3 StR 215/98 , StV 1999, 604).
Auslandszeuge
Siehe unter ?Anonyme Zeugen" und ?Beweisanträge in der Hauptverhandlung".
Auslieferungsrecht
Art. 4 Nr. 6 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. 6. 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten ist dahin auszulegen, dass
- eine gesuchte Person im Vollstreckungsmitgliedstaat ?ihren Wohnsitz hat", wenn sie dort ihren tatsächlichen Wohnsitz begründet hat, und sich dort ?aufhält", wenn sie infolge eines beständigen Verweilens von gewisser Dauer in diesem Mitgliedstaat Bindungen zu diesem Staat von ähnlicher Intensität aufgebaut hat, wie sie sich aus einem Wohnsitz ergeben;
- die vollstreckende Justizbehörde, um zu entscheiden, ob in einer konkreten Situation zwischen der gesuchten Person und dem Vollstreckungsmitgliedstaat Bindungen bestehen, die die Feststellung zulassen, dass diese Person unter den Begriff ?sich aufhält" i.S. des Art. 4 Nr. 6 des Rahmenbeschlusses fällt, eine Gesamtschau mehrerer objektiver Kriterien vorzunehmen hat, die die Situation dieser Person kennzeichnen und zu denen insbesondere die Dauer, die Art und die Bedingungen des Verweilens der gesuchten Person sowie ihre familiären und wirtschaftlichen Verbindungen zum Vollstreckungsmitgliedstaat gehören (EuGH Große Kammer, Urteil vom 17.07.2008 - C-66/08 Szymon Kozlowski, NJW 2008, 3201 ff).
*** (BVerfG)
Es besteht keine allgemeine Regel des Völkerrechts, wonach niemand in den ersuchenden Staat ausgeliefert werden darf, der aus seinem Heimatstaat mit List, aber ohne Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit in den ersuchten Staat gelockt worden ist (BVerfG, Beschluss vom 05.11.2003 - 2 BvR 1243/03, 2 BvR 1506/03 - StV 2004, 432 ff zu GG Art. 25, 100 Abs. 2, 101 Abs. 1).
Eine Auslieferung zur Vollstreckung eines ausländischen, in Abwesenheit des Verfolgten ergangenen Strafurteils ist von Verfassungs wegen unzulässig, sofern der Verfolgte weder über die Tatsache der Durchführung und des Abschlusses des betreffenden Verfahrens in irgendeiner Weise unterrichtet war, noch ihm eine tatsächlich wirksame Möglichkeit eröffnet ist, sich nach Erlangung dieser Kenntnis nachträglich rechtliches Gehör zu verschaffen und sich wirksam zu verteidigen (BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004 - 2 BvR 26/04 - StV 2004, 438 ff zu § 24 IRG).
Keine Auslieferung bei unmenschlichen Haftbedingungen: Zur Unzulässigkeit der Auslieferung, wenn dem Verfolgten im ersuchenden Staat Haftbedingungen drohen, die den völkerrechtlichen Mindeststandards nicht entsprechen (BVerfG, Beschluss 08.04.2004 - 2 BvR 253/04 - StV 2004, 440 ff zu IRG § 73; EMRK Art. 3).
*** (BGH)
Die nach deutschem Recht eingetretene Verfolgungsverjährung einer Tat, für die auch die deutsche Gerichtsbarkeit begründet ist, steht der Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen auf Grund eines Europäischen Haftbefehls an die Republik Polen entgegen, selbst wenn nach polnischem Recht die Strafverfolgung noch nicht verjährt ist (BGH, Beschluss vom 15.04.2008 - 4 ARs 22/07 zu GG Art. 16 Abs. 2; EuAlÜbk Art. 6 Abs. (1) a, Art. 10; EuAlÜbkErgV POL Art. 4; RbEuHb Art. 4 Nr. 4, Art. 31; IRG §§ 1, 9 Nr. 2, 78 ff.).
***
?... Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin M. und wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (zum Nachteil der Nebenklägerin F. ) und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen den Angeklagten wurde Sicherungsverwahrung angeordnet und eine Sperrfrist von fünf Jahren für die Erteilung einer Fahrerlaubnis verhängt. Weiter wurde bestimmt, dass die in Luxemburg erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:1 auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet wird.
Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechtes rügt. Sein Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Zutreffend weist der Generalbundesanwalt darauf hin, dass der Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis bei der Tat zum Nachteil der Nebenklägerin F. wegen Verletzung des Grundsatzes der Spezialität ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis entgegensteht. Dieser Tatvorwurf war nicht Gegenstand der drei gegen den Angeklagten erlassenen Europäischen Haftbefehle und des Auslieferungsverfahrens. Eine nachträgliche Auslieferungsbewilligung ist insoweit ersichtlich nicht erfolgt. Auch hat der Angeklagte auf die Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität nicht verzichtet. Die Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis hatte daher zu entfallen.
Im Übrigen weist der Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Dass er im Tatkomplex zum Nachteil der Nebenklägerin F. nicht auch wegen Vergewaltigung und Geiselnahme verurteilt wurde, beschwert ihn nicht.
Der Wegfall der Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zieht hier den Wegfall der Anordnung der Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis nach sich, da das Landgericht die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ausschließlich damit begründet hat, dass der Angeklagte schon immer ohne Fahrerlaubnis gefahren ist, obwohl er deshalb schon mehrfach bestraft wurde.
Der rechtsfehlerfreie Strafausspruch kann bestehen bleiben. Der Senat schließt im Hinblick auf die milde Strafe von zwei Jahren und sechs Monaten im Tatkomplex zum Nachteil der Nebenklägerin F. aus, dass diese Strafe darauf beruht, dass die Strafkammer die Verwirklichung dreier Straftatbestände angenommen hat. Die Strafkammer ist zutreffend von dem von ihr gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB als vorrangig bezeichneten Strafrahmen des § 239 StGB ausgegangen und hat dem Fahren ohne Fahrerlaubnis ersichtlich nur für die Verhängung einer Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis Gewicht beigemessen. Diese Sperrfrist hat der Senat entfallen lassen.
Die Anordnung der Sicherungsverwahrung und die Bestimmung des Anrechnungsmaßstabes für die in Luxemburg in dieser Sache erlittene Freiheitsentziehung lassen keinen Rechtsfehler erkennen. ..." (BGH, Beschluss vom 06.02.2008 - 2 StR 583/07)
***
Die Bildung einer Gesamtstrafe unter Einbeziehung der Verurteilung wegen einer Tat, auf die sich die Auslieferungsbewilligung nicht erstreckt, verletzt den das Auslieferungsrecht beherrschenden Grundsatz der Spezialität, der als Verfolgungshindernis jeglicher gerichtlichen Verfolgungshandlung entgegensteht (BGH NStZ 1998, 149).
*** (OLG)
Die Auslieferung einer Verfolgten nach Peru, die vom Vorwurf der Mitgliedschaft in der Terrororganisation ?Leuchtender Pfad" durch die peruanischen Gerichte freigesprochen worden ist, ist wegen des Verbots der Doppelverfolgung (?ne bis in idem") unzulässig, wenn das freisprechende Urteil in einem rechtsstaatlichen Mindeststandards nicht genügenden Verfahren durch ein so genanntes ?gesichtsloses Gericht" später (hier: im Jahre 1993) aufgehoben und die Fortsetzung des Verfahrens angeordnet wird (OLG Köln, Beschluss vom 22.08.2008 - 6 Ausl. A 2/08 zu GG Art. 25, 103 III; IRG § 73, NJW 2008, 3300 ff).
Keine Auslieferung bei drohender Folter: Die Anerkennung eines Verfolgten als politischer Flüchtling in einem westeuropäischen Land (hier: Schweiz) steht einem Auslieferungsersuchen (hier: Türkei) nicht entgegen, wenn der Verfolgte seine politische Überzeugung unter Einsatz terroristischer Mittel betätigt hat. Eine Auslieferung ist unzulässig, wenn begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß dem Verfolgten im ersuchenden Staat die Gefahr droht, dort gefoltert oder in anderer Weise menschenrechtswidrig behandelt zu werden, mithin für den Verfolgten ein echtes Risiko unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Bestrafung besteht. Läßt sich trotz der ernstlichen Bemühungen eines Staates zur Eindämmung einer tatsächlichen Folterpraxis nicht abschließend und verlässlich beurteilen, ob eingeleitete Reformen Wirkung zeigen und scheiden weitere Aufklärungsmöglichkeiten aus, so gehen Zweifel am Bestehen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Auslieferungshindernisses zugunsten des Verfolgten (Anschluß an KG StV 1996, 103; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2004, 345).
Ein Auslieferungshaftbefehl ist aufzuheben, wenn erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der Auslieferung bestehen und alles dafür spricht, daß eine Auslieferung des Verfolgten nicht in Betracht kommt (Fortführung von OLG Karlsruhe Die Justiz 1988, 164). Ein solcher Fall liegt vor, wenn ein Verfolgter in einem westeuropäischen Land (hier: Schweiz) als politischer Flüchtling anerkannt ist, dieser Einschätzung - auch unter Berücksichtigung der aktuellen Verfolgungslage - keine gesicherten Erkenntnisse entgegenstehen und erhebliche Zweifel vorliegen, ob der Verfolgte die ihm im Rechtshilfeersuchen des ersuchenden Staates (hier: Türkei) zur Last gelegten Taten begangen hat (OLG Karlsruhe StV 2004, 445 f).
Auslieferung oder Ausweisung
Siehe unter ?Absehen von Vollstreckung und Nachholen der Vollstreckung bei Auslieferung oder Ausweisung".
Auslieferung und Ausweisung - Abesehen von Anklage § 154 b StPO
(1) Von der Erhebung der öffentlichen Klage kann abgesehen werden, wenn der Beschuldigte wegen der Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert wird.
(2) Dasselbe gilt, wenn er wegen einer anderen Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert oder an einen internationalen Strafgerichtshof überstellt wird und die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die inländische Verfolgung führen kann, neben der Strafe oder der Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen ihn im Ausland rechtskräftig verhängt worden ist oder die er im Ausland zu erwarten hat, nicht ins Gewicht fällt.
(3) Von der Erhebung der öffentlichen Klage kann auch abgesehen werden, wenn der Beschuldigte aus dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgewiesen wird.
(4) Ist in den Fällen der Absätze 1 bis 3 die öffentliche Klage bereits erhoben, so stellt das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren vorläufig ein. § 154 Abs. 3 bis 5 gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass die Frist in Absatz 4 ein Jahr beträgt.
Siehe unter ?Absehen von Vollstreckung und Nachholen der Vollstreckung bei Auslieferung oder Ausweisung".
Auslieferung von Akten
Siehe unter ?Vorlegung oder Auslieferung von Akten".
Aussage - Einführung im Wege des Vorhalts
Will das Tatgericht seine Überzeugung auf im Wege des Vorhalts eingeführte Aussagen eines Zeugen anlässlich einer früheren Vernehmung stützen, ist nur das verwertbar, was auf Vorhalt in die Erinnerung des Zeugen zurückkehrt und nunmehr von ihm bekundet wird, nicht dagegen der Inhalt des Vorhalts selbst. Es ist deshalb rechtsfehlerhaft, wenn Angaben verwertet werden, zu denen ausweislich der Urteilsgründe der Zeuge auf Vorhalt lediglich erklärt hat, ?er wisse dieses heute nicht mehr' (OLG Oldenburg, Beschluss vom 14.04.2011 - 1 Ss 49/11).
Aussagefreiheit
Siehe unter ?Schweigerecht".
Aussagegenehmigung
Siehe unter ?Vernehmung von Richtern, Beamten oder anderen Personen des öffentlichen Dienstes".
Aussagenotstand § 157 StGB
(1) Hat ein Zeuge oder Sachverständiger sich eines Meineids oder einer falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) und im Falle uneidlicher Aussage auch ganz von Strafe absehen, wenn der Täter die Unwahrheit gesagt hat, um von einem Angehörigen oder von sich selbst die Gefahr abzuwenden, bestraft oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung unterworfen zu werden.
(2) Das Gericht kann auch dann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder ganz von Strafe absehen, wenn ein noch nicht Eidesmündiger uneidlich falsch ausgesagt hat.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben, da die Ablehnung eines Aussagenotstandes nach § 157 StGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
1. Nach den Feststellungen war im Jahr 2004 ein Strafverfahren u.a. wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen gegen einen Sportlehrer des Gymnasiums, an welchem der Angeklagte bis Ende Juli 2001 als Schulleiter tätig war, beim Landgericht Bochum anhängig. Dem Lehrer wurde u.a. vorgeworfen, Schülerinnen im Rahmen des Sportunterrichts unangemessen berührt zu haben. In der Hauptverhandlung vom 24. September 2004 wurde der Angeklagte vor der Strafkammer des Landgerichts Bochum als Zeuge gehört. Obwohl sich im Schuljahr 1997/98 11 bis 12jährige Schülerinnen sowie im Januar 2001 die Mutter einer betroffenen Schülerin bei ihm über sexuelle Belästigungen und verbale Anzüglichkeiten seines Kollegen während des Sportunterrichts beschwert hatten, stellte der Angeklagte bei seiner Zeugenvernehmung auf entsprechende Befragung nach Belehrung über sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO wider besseres Wissen die Kenntnis solcher Beschwerden in Abrede bzw. gab wahrheitswidrig an, sich daran nicht zu erinnern.
2. Das Landgericht hat eine Absicht des Angeklagten, sich durch die Falschaussage vor strafrechtlicher Verfolgung zu schützen, nicht festzustellen vermocht. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass der Angeklagte trotz entsprechender Belehrung von seinem Auskunftsverweigerungsrecht keinen Gebrauch gemacht habe. Zudem habe eine strafrechtliche Verfolgung des Angeklagten zum damaligen Zeitpunkt nicht im Raum gestanden. Diese Begründung vermag die Ablehnung eines Aussagenotstandes nach § 157 StGB nicht zu rechtfertigen.
a) Für die Annahme einer Zwangslage nach § 157 StGB ist allein das Vorstellungsbild des Täters, bei wahrheitsgemäßer Aussage die Bestrafung wegen eines vorausgegangenen Verhaltens befürchten zu müssen, maßgeblich. Auf das objektive Vorhandensein einer solchen Gefahr kommt es dabei nicht an. § 157 StGB ist deshalb selbst dann anwendbar, wenn der Zeuge nur irrtümlich die Gefahr gerichtlicher Bestrafung angenommen hat (vgl. BGHSt 8, 316, 317; BGH bei Detter NStZ 1990, 222).
Vor dem Hintergrund dieser rein subjektiven Zielrichtung der Vorschrift ist es entgegen der Auffassung des Landgerichts keineswegs nahe liegend, dass ein Zeuge, der sich im Falle einer wahrheitsgemäßen Aussage begründet oder nur irrtümlich strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt sieht, dieser Zwangslage dadurch zu entgehen versucht, dass er sich auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StGB beruft. Vielmehr kommt ebenso in Betracht, dass dieser Zeuge bei seiner Vernehmung von der Vorstellung geleitet wird, schon durch das Gebrauchmachen vom Auskunftsverweigerungsrecht sein früheres - aus seiner Sicht strafrechtlich relevantes - Fehlverhalten einzugestehen, und deshalb zum Mittel der Falschaussage greift. Dies gilt erst recht mit Blick auf § 56 StPO, wonach der Zeuge, der sich auf § 55 StPO beruft, auf Verlangen verpflichtet ist, die Gründe für die Aussageverweigerung anzugeben. In einer solchen Zwangslage könnte sich auch der Angeklagte bei seiner Aussage vor dem Landgericht befunden haben. Hiermit hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt.
b) Eine Erörterung dieses möglichen Beweggrundes für die Falschaussage war nicht etwa deshalb entbehrlich, weil nicht nur objektiv, sondern - was allein maßgeblich ist - auch aus Sicht des Angeklagten im Zeitpunkt seiner Vernehmung eine Strafverfolgung wegen seines früheren Verhaltens ausgeschlossen war. Hier liegt es nämlich keinesfalls fern, dass, worauf die Revision zu Recht hinweist, der Angeklagte bei seiner Vernehmung davon ausging, durch seine Untätigkeit weitere Sexualdelikte seines Kollegen, insbesondere mögliche Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB, gefördert, sich mithin jedenfalls der Beihilfe durch Unterlassen zu solchen Taten schuldig gemacht zu haben. Als Schulleiter oblag dem Angeklagten eine Garantenpflicht zum Schutz der ihm anvertrauten Schüler. Diese verpflichtete ihn, die Schüler im Schulbetrieb vor gesundheitlichen Schäden zu bewahren (vgl. BGH VersR 1955, 742, 743; OLG Köln NJW 1986, 1947, 1948). Der Angeklagte wäre als Schulleiter deshalb gehalten gewesen, zumutbare Maßnahmen zur Verhinderung weiterer sexueller Übergriffe seines Kollegen zu treffen (vgl. BGHSt 43, 82, 87; BGH bei Holtz MDR 1982, 626; BGH MDR 1984, 274).
3. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 3 StPO Gebrauch und verweist die Sache an das Amtsgericht - Strafrichter - Bochum zurück, da dessen Strafgewalt hier ausreicht. Sollte in der neuen Hauptverhandlung nicht geklärt werden können, ob der Angeklagte bei seiner Falschaussage aus dem Motiv der Abwehr strafrechtlicher Verfolgung gehandelt hat, wird insoweit nach dem Zweifelsgrundsatz zu verfahren und zu seinen Gunsten vom Vorliegen eines Aussagenotstands auszugehen sein (vgl. BGH NStZ 1988, 497). ..." (BGH, Beschluss vom 26.07.2007 - 4 StR 240/07)
***
?... Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der im Fall II 4 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe. Darüber hinaus kann diese Einzel-strafe auch deswegen keinen Bestand haben, weil die Urteilsgründe nicht er-kennen lassen, dass die Strafkammer das Vorliegen eines Aussagenotstands nach § 157 Abs. 1 StGB geprüft hat. Hätte der Angeklagte bei seiner zweiten richterlichen Vernehmung wahrheitsgemäß ausgesagt, so hätte er sich zugleich der bei der ersten richterlichen Vernehmung begangenen uneidlichen Falsch-aussage in Tateinheit mit Strafvereitelung bezichtigen müssen, von der ein strafbefreiender Rücktritt nicht mehr in Betracht kam. Es ist daher nicht auszu-schließen, dass der Angeklagte bei seiner Falschaussage vom 25. April 2005 auch das Ziel der Selbstbegünstigung verfolgte. Dass die Absicht, die Gefahr einer Bestrafung von sich abzuwenden, der einzige oder wesentliche Beweg-grund für die falsche Aussage war, setzt § 157 StGB nicht voraus (vgl. BGHR StGB § 157 Abs. 1 Selbstbegünstigung 1 m.w.N.). Ebenso wenig wird § 157 StGB dadurch ausgeschlossen, dass der Angeklagte den Aussagenotstand durch seine falschen Angaben in einer früheren Vernehmung schuldhaft her-beigeführt hat (vgl. BGHSt 8, 301, 318 f.; BGH StV 1995, 249 m.w.N.). ..." (BGH, Beschluss vom 11.10.2006 - 4 StR 340/06)
Ausschließung eines Richters § 22 StPO
Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen,
1. wenn er selbst durch die Straftat verletzt ist;
2. wenn er Ehegatte, Lebenspartner, Vormund oder Betreuer des Beschuldigten oder des Verletzten ist oder gewesen ist;
3. wenn er mit dem Beschuldigten oder mit dem Verletzten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war;
4. wenn er in der Sache als Beamter der Staatsanwaltschaft, als Polizeibeamter, als Anwalt des Verletzten oder als Verteidiger tätig gewesen ist;
5. wenn er in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist.
Leistätze/Entscheidungen:
Ziffer 1
? ... Richter am Bundesgerichtshof S. - nicht aber Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof B. und Richterin am Bundesgerichtshof Sc. - ist an der Mitwirkung an der Entscheidung des Senats über die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 3. März 2008 ausgeschlossen. ...
Das Landgericht Berlin hat den Angeklagten G. wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten W. wegen ?Beihilfe durch Unterlassen zum Betrug" zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 75 Euro verurteilt.
1. Das Landgericht hat es für erwiesen erachtet, dass der Angeklagte G. als für Finanzen und Reinigung zuständiges Vorstandsmitglied der B. St. , einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts, die die Straßenreinigung im Wege des Anschluss- und Benutzungszwangs wahrgenommen und dafür von den Eigentümern der Anliegergrundstücke privatrechtliche Entgelte erhoben hat, eine fehlerhafte Berechnung der von den Grundstückseigentümern zu zahlenden Straßenreinigungsentgelte in der Tarifperiode 2001/2002 fortgeführt hat. Deshalb wurden allen Berliner Grundstückseigentümern für den Zeitraum 1. April 2001 bis 31. Dezember 2002 überhöhte Entgelte in Höhe von insgesamt über 23 Millionen Euro in Rechnung gestellt und - was sich aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe ergibt - von den Eigentümern auch bezahlt. Der Angeklagte W. hat es pflichtwidrig unterlassen, den Vorstandsvorsitzenden und weitere Vorstandsmitglieder von dem Abrechnungsfehler in Kenntnis zu setzen.
Der Angeklagte W. erhebt u. a. die auf eine Verletzung von § 338 Nr. 2 i.V.m. § 22 Nr. 1 StPO gestützte Verfahrensrüge, wonach Richter der erkennenden Strafkammer von der Mitwirkung an der Entscheidung zwingend ausgeschlossen gewesen seien, weil sie als Berliner Mieter Verletzte im Sinne von § 22 Nr. 1 StPO gewesen seien.
2. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 hat Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof B. mitgeteilt, er wohne in Berlin als Mieter. Der nach der senatsinternen Geschäftsverteilung ferner zur Mitwirkung an der Entscheidung berufene Richter am Bundesgerichtshof S. hat mitgeteilt, er sei 2001/2002 in Berlin Mieter gewesen, sein Bruder indes Grundstückseigentümer. Die als Vertreterin von Richter am Bundesgerichtshof S zur Mitwirkung berufene Richterin am Bundesgerichtshof Sc. hat mitgeteilt, sie sei ebenfalls Mieterin in Berlin.
Im Hinblick auf die Selbstanzeigen dieser Richter hat der Senat gemäß § 30 StPO darüber zu entscheiden, ob die Richter kraft Gesetzes von der Mitwirkung an der Entscheidung über die Revisionen ausgeschlossen sind.
3. Bezüglich Richter am Bundesgerichtshof S. liegt ein Ausschlussgrund vor. Er ist in der Seitenlinie im ersten Grad mit einem Verletzten verwandt (§ 22 Nr. 3 StPO).
Verletzter im Sinn von § 22 Nr. 1 StPO ist ein Richter, wenn er selbst oder ein Angehöriger im Sinne des § 22 Nr. 3 StPO durch die Straftat, die Gegenstand des Verfahrens ist, persönlich unmittelbar in seinen Rechten betroffen ist (BGHSt 51, 100, 109 f. m.w.N.).
Dies ist im Tatzeitraum bei sämtlichen Grundstückseigentümern Berlins und somit auch bei dem Bruder des Richters S. der Fall. Gegen die Grundstückseigentümer wurden überhöhte Straßenreinigungsentgelte geltend gemacht und nachfolgend durchgängig erfüllt. Dadurch haben die Grundstückseigentümer jeweils einen Vermögensschaden in Höhe der sachlich unbegründeten Reinigungskosten erlitten.
4. Bezüglich Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof B. und Richterin am Bundesgerichtshof Sc. liegt indes kein Ausschlussgrund vor. Sie waren als Mieter nicht Adressaten der geltend gemachten Reinigungskosten. Sollten sie aufgrund mietvertraglicher Vereinbarungen verpflichtet gewesen sein, Straßenreinigungsentgelte als Mietnebenkosten dem Vermieter zu erstatten, läge lediglich eine mittelbare Beeinträchtigung ihres Vermögens vor, was die Annahme einer Verletzteneigenschaft noch nicht gestattet (vgl. zum spiegelbildlichen Fall mittelbar verminderter Einnahmen BGHSt 1, 298). ..." (BGH, Beschluss vom 24.03.2009 - 5 StR 394/08)
***
Ein Richter ist nicht deshalb als Verletzter einer Untreue gemäß § 22 Nr. 1 StPO von der Entscheidung ausgeschlossen, weil die angeklagte Vermögens-straftat sich gegen eine als nichtrechtsfähiger Verein organisierte politische Partei richtete, deren Mitglied er ist (BGH, Urteil vom 18.10.2006 - 2 StR 499/05).
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?... Durch Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 18. April 2005 sind der Angeklagte K. wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, und der Angeklagte W. wegen Beihilfe zur Untreue zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 170 Euro verurteilt worden.
1. Die Verurteilung stützt sich im Wesentlichen auf die Feststellung, der Angeklagte K. habe im Zeitraum ab 1995 bis zu seinem Ausscheiden aus diesen Funktionen als Vorsitzender des Landesverbands Hessen und Vorstandsmitglied der Christlich Demokratischen Union (CDU) Deutschlands im Jahre 1998 aus unbekannten Quellen stammendes Parteivermögen, das auf verschleierten Konten zunächst in der Schweiz und ab 1994 in Liechtenstein verborgen worden war, vor den Organen der Partei verheimlicht und an inhaltlich falschen jährlichen Rechenschaftsberichten des Landesverbands gegenüber der Bundespartei mitgewirkt, die in deren Rechenschaftsberichte gegenüber dem Präsidenten des Deutschen Bundestags eingingen. Dieser habe deshalb mit Bescheid vom 14. Februar 2000 einen Betrag von ca. 41,3 Mio. DM zuviel ausgezahlter staatlicher Zuwendungen von der Partei zurück gefordert. Der Landesverband habe hierfür gegenüber dem Bundesverband Ersatzleistungen erbracht; der Schaden sei später teilweise mittels einer Sonderumlage der Mitglieder ausgeglichen worden. Der Angeklagte W. habe in seiner Funktion als Bevollmächtigter dem Angeklagten K. Beihilfe geleistet.
Gegen das Urteil haben beide Angeklagten Revision eingelegt. Der Angeklagte W. erhebt unter anderem eine auf die Verletzung von § 338 Nr. 2 i.V.m. § 22 Nr. 1 StPO gestützte Verfahrensrüge, wonach der Vorsitzende der erkennenden Strafkammer von der Mitwirkung an der Entscheidung zwingend ausgeschlossen gewesen sei, weil er Mitglied des Landesverbands Hessen der CDU und daher Verletzter im Sinne von § 22 Nr. 1 StPO gewesen sei. Termin zur Hauptverhandlung über die Revisionen der Angeklagten ist auf den 6. September 2006 bestimmt.
Mit Schreiben vom 11. Mai 2006 hat der nach der senatsinternen Geschäftsverteilung zur Mitwirkung an der Entscheidung berufene Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß mitgeteilt, er sei seit ca. 20 Jahren Mitglied der CDU Deutschlands, habe auf örtlicher und regionaler Ebene Ämter ausgeübt und tue dies weiterhin.
Mit Schreiben vom 17. Mai 2006 hat die Vorsitzende des Senats, Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan, mitgeteilt, sie sei im verfahrensrelevanten Zeitraum Mitglied des Landesverbands Nordrhein-Westfalen der CDU Deutschlands gewesen und sei dies auch gegenwärtig.
Der Generalbundesanwalt sowie die Verteidigung des Angeklagten K. haben zu den Selbstanzeigen der beiden Richter eine Stellungnahme nicht abgegeben.
Die Verteidigung des Angeklagten W. hat in ihrer Stellungnahme ausgeführt, eine Verletzteneigenschaft der beiden Richter scheide von vornherein aus, weil sie nicht Mitglieder des Landesverbands Hessen der CDU Deutschlands seien und eine individuelle Mitgliedschaft auf Bundesebene nicht bestehe.
Im Hinblick auf die Selbstanzeigen der beiden Richter hat der Senat gemäß § 30 StPO darüber zu entscheiden, ob die Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan und der Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß kraft Gesetzes von der Mitwirkung an der Entscheidung über die Revisionen ausgeschlossen sind.
2. Ein Ausschlussgrund gemäß § 22 Nr. 1 StPO liegt nicht vor.
a) Verletzter im Sinne von § 22 Nr. 1 StPO ist ein Richter, wenn er durch die Straftat, die Gegenstand des Verfahrens ist, persönlich unmittelbar in seinen Rechten betroffen ist (BGHSt 1, 298; BGHR StPO § 22 Verletzter 1; BayObLG NStZ 1993, 347; Meyer-Goßner StPO 49. Aufl. § 22 Rdn. 6; Pfeiffer in KK-StPO 5. Aufl. § 22 Rdn. 4; Kuckein in KK-StPO § 338 Rdn. 55). § 22 Nr. 1 StPO schließt nur solche Personen regelmäßig und ohne Rücksicht auf die Frage in-dividueller Befangenheit (§ 24 StPO) als Richter aus, die schon auf Grund ihrer formalen Stellung als Betroffene des verfahrensgegenständlichen Geschehens die Gewähr persönlicher Unbefangenheit nicht bieten. Eine nur entfernte oder mittelbare Betroffenheit reicht hierfür nicht aus.
Bei einem Vermögensdelikt kommt es daher darauf an, ob durch das tatsächliche Geschehen, welches Gegenstand des Strafverfahrens ist, bei dem zur Entscheidung berufenen Richter unmittelbar ein Vermögensnachteil bewirkt worden ist (vgl. Wendisch in LR 25. Aufl. § 22 Rdn. 7). Das ist bei den beiden Richtern weder hinsichtlich der von der Anklage umfassten und im angefochtenen Urteil festgestellten Handlungen zu Lasten des Landesverbands Hessen noch hinsichtlich derjenigen zu Lasten des Bundesverbands der CDU Deutschlands der Fall.
b) Die CDU Deutschlands ist, wie auch andere Parteien in Deutschland, als nicht rechtsfähiger Verein (§ 54 BGB) organisiert. Dabei ist nach den Satzungen der Bundespartei und der Landesverbände davon auszugehen, dass die Aufnahme, über die regelmäßig der für den Wohnsitz zuständige Kreisverband entscheidet (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 des Statuts der CDU Deutschlands - im Folgenden: Statut -; § 4 Abs. 8 Satz 1 Satzung der CDU Hessen - im Folgenden: Satzung Hessen), zur (unmittelbaren) Mitgliedschaft sowohl in dem jeweiligen Landesverband als auch in dem Bundesverband führt; letzterer ist nicht nur als Dachverband der Landesverbände organisiert. Das ergibt sich, entgegen der Ansicht der Verteidigung des Angeklagten W. , aus §§ 16 ff., § 35 Abs. 1, aber auch aus §§ 10, 11 Abs. 3 des Statuts.
Ist somit jedes Mitglied eines Kreis- und Landesverbands zugleich Mitglied des nicht rechtsfähigen Vereins auf Bundesebene, so käme grundsätzlich eine unmittelbare Betroffenheit sämtlicher Mitglieder der Bundespartei in Betracht, wenn ihnen das Vermögen der Gesamtpartei - und damit auch dasjenige des jeweiligen Landesverbands - in gesamthänderischer Verbundenheit gemäß § 54 Satz 1 i.V.m. § 718 Abs. 1 BGB zustände (vgl. dazu BGH NJW 1990, 1181), und eine Zuordnung des Parteivermögens zur Bundespartei als solcher oder zu ihren Untergliederungen daher nicht möglich wäre.
c) Das Reichsgericht hat für Tathandlungen, die vor Inkrafttreten des BGB zu Lasten des Vereinsvermögens eines kleinen, aus den Richtern eines Gerichts bestehenden nicht eingetragenen Idealvereins begangen wurden, entschieden, Verletzte im Sinne von § 22 Nr. 1 StPO seien sämtliche Vereinsmitglieder (RGSt 33, 314, 316). Auch wenn das Vereinsvermögen wegen fehlender Rechtsfähigkeit des nicht eingetragenen Vereins grundsätzlich den Mitgliedern als Gesamthandsgemeinschaft zugeordnet wurde (vgl. auch Palandt-Heinrichs BGB 65. Aufl. § 54 Rdn. 7), ist in der Entwicklung der Rechtsprechung die vermögensrechtliche Anbindung an die einzelnen Mitglieder nicht rechtsfähiger Vereine, namentlich bei Großorganisationen, fast ganz aufgegeben worden (vgl. z. B. BGHZ 42, 210, 216; 50, 325, 329). Im Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00 (BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Außen-GbR, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet, Rechtsfähigkeit besitzt; das Verhältnis zwischen Verbindlichkeiten der Gesellschaft und der Haftung persönlich haftender Gesellschafter entspricht danach demjenigen bei der OHG. Auch diese inzwischen wohl unstreitige Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit der Außen-GbR spricht dafür, die Regelung des § 54 Satz 1 BGB jedenfalls eng auszulegen. In der Literatur wird aus der genannten Rechtsentwicklung gefolgert, dass auch der nicht rechtsfähige Verein selbst Träger seines Aktiv- und Passivvermögens sei (vgl. Weick in Staudinger BGB, Stand Mai 2005, § 54 Rdn. 74; Schwarz in Bamberger/Roth BGB § 54 Rdn. 13; Hadding in Soergel BGB 13. Aufl., Stand 2000, § 54 Rdn. 16, 20).
d) Bei der Beurteilung der Anwendbarkeit von § 54 Satz 1 BGB auf politische Parteien ist zudem zu berücksichtigen, dass die zivilrechtlichen Regelungen zum Teil durch Regelungen des Parteienrechts überlagert und modifiziert werden (vgl. auch OLG Zweibrücken NJW-RR 2000, 749, 750). So gehen etwa §§ 24, 26, 26 a PartG jedenfalls dem Wortlaut nach von einer Rechtsträgerschaft der Partei aus. § 37 PartG schließt die Anwendung von § 54 Satz 2 BGB und damit eine persönliche Haftung der Mitglieder für Verbindlichkeiten aus, welche die Partei im eigenen Namen begründet hat. Dem entsprechen die Regelungen des § 35 Abs. 1 und 2 des Statuts. Hieraus ergibt sich, dass die Partei ihre Mitglieder im Innenverhältnis vermögensrechtlich gerade nicht wie Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft behandeln, sondern wie Mitglieder eines eingetragenen Vereins stellen will. Insoweit ist auch die grundsätzliche vermögensrechtliche Selbständigkeit der ihrerseits als nicht rechtsfähige Vereine organisierten Landesverbände zu berücksichtigen.
e) Im Ergebnis sind die beiden Richter, die den Landesverbänden Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg angehören, von einem durch die verfahrensgegenständlichen Taten möglicherweise verursachten Vermögensschaden in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Partei allenfalls mittelbar betroffen. Das gilt sowohl für einen auf der Ebene des Landesverbands Hessen als auch für einen möglicherweise auf der Ebene des Bundesverbands oder anderer Landesverbände entstandenen Schaden. An dem durch die angeklagten Taten betroffenen Vereinsvermögen haben sie keinen Anteil, so dass sie nicht Verletzte im Sinne von § 22 Nr. 1 StPO sind. ..." (BGH, Beschluss vom 11.07.2006, 2 StR 499/05)
Ziffer 2
***
Ziffer 3
? ... Richter am Bundesgerichtshof S. - nicht aber Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof B. und Richterin am Bundesgerichtshof Sc. - ist an der Mitwirkung an der Entscheidung des Senats über die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 3. März 2008 ausgeschlossen. ...
Das Landgericht Berlin hat den Angeklagten G. wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten W. wegen ?Beihilfe durch Unterlassen zum Betrug" zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 75 Euro verurteilt.
1. Das Landgericht hat es für erwiesen erachtet, dass der Angeklagte G. als für Finanzen und Reinigung zuständiges Vorstandsmitglied der B. St. , einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts, die die Straßenreinigung im Wege des Anschluss- und Benutzungszwangs wahrgenommen und dafür von den Eigentümern der Anliegergrundstücke privatrechtliche Entgelte erhoben hat, eine fehlerhafte Berechnung der von den Grundstückseigentümern zu zahlenden Straßenreinigungsentgelte in der Tarifperiode 2001/2002 fortgeführt hat. Deshalb wurden allen Berliner Grundstückseigentümern für den Zeitraum 1. April 2001 bis 31. Dezember 2002 überhöhte Entgelte in Höhe von insgesamt über 23 Millionen Euro in Rechnung gestellt und - was sich aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe ergibt - von den Eigentümern auch bezahlt. Der Angeklagte W. hat es pflichtwidrig unterlassen, den Vorstandsvorsitzenden und weitere Vorstandsmitglieder von dem Abrechnungsfehler in Kenntnis zu setzen.
Der Angeklagte W. erhebt u. a. die auf eine Verletzung von § 338 Nr. 2 i.V.m. § 22 Nr. 1 StPO gestützte Verfahrensrüge, wonach Richter der erkennenden Strafkammer von der Mitwirkung an der Entscheidung zwingend ausgeschlossen gewesen seien, weil sie als Berliner Mieter Verletzte im Sinne von § 22 Nr. 1 StPO gewesen seien.
2. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 hat Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof B. mitgeteilt, er wohne in Berlin als Mieter. Der nach der senatsinternen Geschäftsverteilung ferner zur Mitwirkung an der Entscheidung berufene Richter am Bundesgerichtshof S. hat mitgeteilt, er sei 2001/2002 in Berlin Mieter gewesen, sein Bruder indes Grundstückseigentümer. Die als Vertreterin von Richter am Bundesgerichtshof S zur Mitwirkung berufene Richterin am Bundesgerichtshof Sc. hat mitgeteilt, sie sei ebenfalls Mieterin in Berlin.
Im Hinblick auf die Selbstanzeigen dieser Richter hat der Senat gemäß § 30 StPO darüber zu entscheiden, ob die Richter kraft Gesetzes von der Mitwirkung an der Entscheidung über die Revisionen ausgeschlossen sind.
3. Bezüglich Richter am Bundesgerichtshof S. liegt ein Ausschlussgrund vor. Er ist in der Seitenlinie im ersten Grad mit einem Verletzten verwandt (§ 22 Nr. 3 StPO).
Verletzter im Sinn von § 22 Nr. 1 StPO ist ein Richter, wenn er selbst oder ein Angehöriger im Sinne des § 22 Nr. 3 StPO durch die Straftat, die Gegenstand des Verfahrens ist, persönlich unmittelbar in seinen Rechten betroffen ist (BGHSt 51, 100, 109 f. m.w.N.).
Dies ist im Tatzeitraum bei sämtlichen Grundstückseigentümern Berlins und somit auch bei dem Bruder des Richters S. der Fall. Gegen die Grundstückseigentümer wurden überhöhte Straßenreinigungsentgelte geltend gemacht und nachfolgend durchgängig erfüllt. Dadurch haben die Grundstückseigentümer jeweils einen Vermögensschaden in Höhe der sachlich unbegründeten Reinigungskosten erlitten.
4. Bezüglich Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof B. und Richterin am Bundesgerichtshof Sc. liegt indes kein Ausschlussgrund vor. Sie waren als Mieter nicht Adressaten der geltend gemachten Reinigungskosten. Sollten sie aufgrund mietvertraglicher Vereinbarungen verpflichtet gewesen sein, Straßenreinigungsentgelte als Mietnebenkosten dem Vermieter zu erstatten, läge lediglich eine mittelbare Beeinträchtigung ihres Vermögens vor, was die Annahme einer Verletzteneigenschaft noch nicht gestattet (vgl. zum spiegelbildlichen Fall mittelbar verminderter Einnahmen BGHSt 1, 298). ..." (BGH, Beschluss vom 24.03.2009 - 5 StR 394/08)
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Ziffer 4
Die Revisionsrüge, das Gericht habe seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen (§ 338 Nr. 4 StPO), bleibt dem Angeklagten auch dann uneingeschränkt erhalten, wenn dem Urteil eine Verständigung (§ 257c StPO) vorausgegangen ist. Ein in der Revision beachtlicher Rechtsfehler nach § 338 Nr. 4, § 6a StPO, § 74a Abs. 1 Nr. 4 GVG liegt nicht nur dann vor, wenn das Tatgericht seine Zuständigkeit auf der Grundlage objektiv willkürlicher Erwägungen angenommen hat. Die Ausnahmeregelung des § 74a Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 GVG greift unabhängig davon ein, ob neben einem Betäubungsmitteldelikt weitere Straftaten mit der Bildung einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit stehen (BGH, Beschluss vom 13.09.2011 - 3 StR 196/11 zu §§ 6a, § 257c, 338 Nr 4 StPO, § 74a Abs 1 Nr 4 Halbs 2 GVG).
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Auch die bloße Akteneinsichtsgewährung an einen anwaltlichen Verletztenvertreter und die Einräumung einer Frist für eine eventuelle Stellungnahme im Rahmen früherer Tätigkeit als Staatsanwältin stellen eine zur Ausübung des Richteramtes ausschließende Tätigkeit dar (BGH, Beschluss vom 12.08.2010 - StR 378/10).
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Die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit ist nicht deshalb unzulässig, weil der Angeklagte im Verlauf der Hauptverhandlung ?im Hinblick auf eine verfahrensabkürzende Absprache' den Tatvorwurf eingestanden hat. Die Befugnis zur Einlegung eines Rechtsmittels und zur Erhebung von Verfahrensrügen bleibt dem Angeklagte uneingeschränkt erhalten, auch wenn dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen ist (BGH, Beschluss vom 03.09.2009 - 3 StR 156/09 zu StPO §§ 338 Nr. 4, 257c).
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Auch eine rechtsfehlerhafte Verweisung durch den Strafrichter an das Schöffengericht nach Eröffnung des Hauptverfahrens ändert nichts daran, dass die Verweisung bindend und eine Rückgabe an den Strafrichter ausgeschlossen ist. Die Vorlage einer Sache an das LG durch den nicht mehr zuständigen Strafrichter führt nicht zur Nichtigkeit des Vorlegungsbeschlusses. Die sachliche Unzuständigkeit des LG verhilft einer Zuständigkeitsrüge nach § 338 Nr. 4 StPO nur bei objektiver Willkür der Übernahmeentscheidung zum Erfolg (BGH, Beschluss vom 19.02.2009 - 3 StR 439/08 zu StPO §§ 225a Abs. 1, 268, 270, 338 Nr. 4).
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?... Die Vorbefassung stellt grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund dar (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 21, 142, 143 f.; BGHR StPO § 338 Nr. 3 Strafkammer 1, insoweit in BGHSt 43, 96 nicht abgedruckt). Der Gesetzgeber hat nur in den nach § 22 Nr. 4 und 5, § 23, § 148a Abs. 2 Satz 1 StPO gesetzlich geregelten Ausnahmefällen die Ausschließung eines Richters wegen früherer Mitwirkung in einer Sache vorgesehen. Im Übrigen wird das deutsche Verfahrensrecht von der Auffassung beherrscht, dass der Richter auch dann unvoreingenommen an die Beurteilung einer Sache herantrete, wenn er sich schon früher über denselben Sachverhalt ein Urteil gebildet habe (BVerfGE 30, 149, 153 ff.). Dem entspricht es, dass ein Richter, der an einem vom Revisionsgericht aufgehobenen Urteil mitgewirkt hat, erneut in der zurückverwiesenen Sache mitentscheiden darf, ohne grundsätzlich als befangen zu gelten (BGH NStZ 1991, 595; 1994, 447). Ebenso wenig kann ein verständiger Angeklagter in den Fällen, in denen das Bundesverfassungsgericht - wie hier - von der durch § 95 Abs. 2 BVerfGG eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Sache an das Revisionsgericht zurückzuverweisen, Bedenken gegen die Unvoreingenommenheit der Richter haben.
Besondere Umstände, die Anlass zur Besorgnis geben könnten, die erneut zur Entscheidung berufenen Richter seien nicht bereit, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu beachten, sind - zumal da sie an dessen Rechtsauffassung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden sind - nicht ersichtlich. Der vom Bundesverfassungsgericht aufgehobene Beschluss des Senats enthält auch keine unsachlichen Äußerungen zum Nachteil des Angeklagten (vgl. hierzu BGH NStZ 2005, 218). Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht nicht von der für Ausnahmefälle - in denen eine sachgerechte Behandlung durch das eigentlich zuständige Gericht nicht mehr zu erwarten ist - für zulässig erachteten Möglichkeit der Zurückverweisung an einen anderen Spruchkörper (BVerfGE 20, 336, 343 m.w.N.) Gebrauch gemacht. ..." (BGH, Beschluss vom 11.04.2007 - 5 StR 475/02)
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?... II. Ein Ausschlussgrund gegen den Richter am Bundesgerichtshof Dr. A. liegt nicht vor. In Betracht käme hierbei allein ein möglicher Ausschluss des Richters nach § 22 Nr. 4 StPO, wenn er in der Sache als Beamter der Staatsanwaltschaft tätig gewesen wäre. Dies ist hier nicht der Fall.
Entscheidend hierfür ist darauf abzustellen, ob der Richter zuvor als Beamter der Staatsanwaltschaft irgendetwas zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Beeinflussung des Ganges des Verfahrens getan hat (RGSt 70, 161, 162; BGH, Urteil vom 7. August 1973 - 1 StR 219/73; NStZ 1982, 78; BGH bei Holtz MDR 1982, 281, 282; KK-StPO/Pfeiffer 5. Auflage § 22 Rdn. 10; Meyer-Goßner StPO 48. Auflage § 22 Rdn. 18).
Der Richter am Bundesgerichtshof Dr. A. ist in dem gegen die Angeklagten geführten Strafverfahren nicht als Beamter der Staatsanwaltschaft tätig geworden. Er hat, wie sich aus der Selbstanzeige des Richters vom 31. Januar 2006 sowie der weiteren dienstlichen Erklärung vom 28. Februar 2006 ergibt, während der Zeit seiner Abordnung an das Thüringer Justizministerium keine Tätigkeiten entfaltet, die der Erforschung des Sachverhalts oder einer Beeinflussung des Ganges des Verfahrens dienten oder dienen sollten. Die Ausübung der Dienstaufsicht ist nicht dazu bestimmt, Einfluss auf ein bestimmtes Strafverfahren zu nehmen, sondern dient allein der allgemeinen dienstlichen Überprüfung des Handelns der beaufsichtigten Behörde. Fachaufsichtliche Weisungen an die Staatsanwaltschaft sind nicht erfolgt. Auch sonst sind das Strafverfahren gegen die Angeklagten betreffende Weisungen an die Staatsanwaltschaft unter Beteiligung des Richters am Bundesgerichtshof Dr. A. nicht ergangen. Fakten, die auf eine solche Tätigkeit des Richters hindeuteten oder sie belegten, sind aus den Akten weder ersichtlich noch werden sie von den Angeklagten vorgetragen. Insbesondere ergibt sich aus dem von dem Angeklagten P. vorgelegten Wortprotokoll des Justizausschusses des Thüringer Landtags vom 27. Oktober 2000 eine solche Tätigkeit nicht. Ausweislich dieses Protokolls erhielt der Richter in Vertretung des Abteilungsleiters 3 des Thüringer Justizministeriums am 14. Juni 2000 einen Anruf des damaligen Thüringer Generalstaatsanwalts, der ihm mitteilte, dass ein Beschluss des Landgerichts Mühlhausen in dem gegen die Angeklagten stattfindenden Strafverfahren ergangen sei, der die Durchsuchung des Thüringer Wirtschaftsministeriums anordne. Der Beschluss werde per Fax an das Justizministerium geleitet, wobei er darum bitte, dass Dr. A. ihn persönlich entgegennehme, um die Kenntnisnahme durch Unbefugte zu verhindern. Richter am Bundesgerichtshof Dr. A. versuchte nach Erhalt des Beschlusses, den Thüringer Justizminister zu unterrichten, was jedoch zunächst misslang, da dieser einen auswärtigen Termin wahrnahm. Nach der Rückkehr des Ministers überbrachte ihm der Richter den Durchsuchungsbeschluss des Landgerichts und wies ihn auf dessen Inhalt hin. Der Justizminister informierte sodann im Beisein Dr. A. s telefonisch das Thüringer Wirtschaftsministerium darüber, dass eine Durchsuchung bevorstehe. Auch nach dem Ende des Telefongesprächs des Justizministers erfolgte keine Besprechung mit Dr. A. . Der Minister bat Dr. A. nur, die Staatsanwaltschaft davon zu unterrichten, dass die von dem Landgericht Mühlhausen gewünschten Unterlagen durch das Thüringer Wirtschaftsministerium herausgegeben würden, ohne dass es einer Vollziehung des Durchsuchungsbeschlusses bedürfte. Dr. A. informierte nach der Abfahrt des Ministers den Generalstaatsanwalt sowie den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Mühlhausen entsprechend. Am Abend des 14. Juni 2000 unterrichtete Dr. A. seinen vorgesetzten Abteilungsleiter im Thüringer Justizministerium über den Vorgang; dieser übernahm am folgenden Tag die weitere Bearbeitung der Angelegenheit.
Danach hat der Richter am Bundesgerichtshof Dr. A. in Bezug auf die anstehende Durchsuchung des Thüringer Wirtschaftsministeriums lediglich eine als Überbringertätigkeit einzuordnende Funktion erfüllt. Seine Aufgabe erschöpfte sich in der Entgegennahme und anschließenden Weiterleitung des dem Justizministerium mitgeteilten Durchsuchungsbeschlusses des Landgerichts Mühlhausen. Die Entscheidung über die Information des Wirtschaftsministeriums oblag allein dem Thüringer Justizminister, die dieser ohne Mitwirkung des Richters getroffen hat. Darüber hinaus folgt aus dem Wortprotokoll der Sitzung des Justizausschusses des Thüringer Landtags, dass der Richter am Bundesgerichtshof Dr. A. erst den vorstehend dargestellten Vorgang zum Anlass nahm, in die das Strafverfahren gegen die Angeklagten beim Thüringer Justizministerium geführten Akten Einsicht zu nehmen (Bl. 31 des Protokolls); zuvor hatte er ersichtlich noch keine Kenntnis von deren Inhalt.
III. Die Ablehnungsgesuche der Angeklagten P. und K. sind nicht begründet.
Der Senat legt die Stellungnahmen des Angeklagten K. , obgleich dieser nicht ausdrücklich die Ablehnung des Richters am Bundesgerichtshof Dr. A. erklärt hat, als Ablehnungsgesuch im Sinne von § 24 StPO aus. Der Angeklagte K. hat seine Besorgnis dargelegt, der Richter am Bundesgerichtshof Dr. A. könne durch seine frühere Tätigkeit für das Revisionsverfahren beeinflusst sein. Aus einer ?großen Nähe' des vorliegenden Sachverhalts zu den in § 22 StPO umschriebenen Konstellationen sei auch aus der Sicht eines verständigen Angeklagten die Besorgnis der Befangenheit begründet. Dies lässt erkennen, dass der Angeklagte K. Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters am Bundesgerichtshof Dr. A. hegt.
Soweit die Angeklagten geltend machen, die Tätigkeit des Richters am Bundesgerichtshof Dr. A. während der Zeit seiner Abordnung an das Thüringer Justizministerium ergebe jedenfalls eine ?große Nähe' zu dem in § 22 Nr. 4 StPO geregelten Ausschlussgrund, ist ihr nach § 24 StPO zulässiger Antrag nach dem oben Ausgeführten nicht begründet.
Eine Besorgnis der Befangenheit kann sich nicht allgemein aus dem Umstand der Abordnung des Richters am Bundesgerichtshof Dr. A. an das Thüringer Justizministerium und seiner dortigen, im Wege der Dienstaufsicht erfolgten Befassung mit dem gegen die Angeklagten geführten Strafverfahren ergeben (vgl. KK-StPO/Pfeiffer § 24 Rdn. 6).
Auch aus dem Handeln des Richters im Zusammenhang mit dem Erlass eines gegen das Thüringer Wirtschaftsministerium gerichteten Durchsuchungsbeschlusses des Landgerichts Mühlhausen kann eine Besorgnis der Befangenheit nicht gefolgert werden. Wie sich aus dem Wortprotokoll über die Sitzung des Justizausschusses des Thüringer Landtags vom 27. Oktober 2000 ergibt, hat der Richter am Bundesgerichtshof Dr. A. insoweit lediglich als Überbringer des Beschlusses an den Justizminister gehandelt, ohne dass er auf die Entscheidung des Ministers über eine vorherige Benachrichtigung des Wirtschaftsministeriums oder gar den Erlass des Durchsuchungsbeschlusses selbst Einfluss genommen hätte. Hieraus ergeben sich keine Anhaltspunkte, die darauf schließen ließen, der Richter nehme den Angeklagten gegenüber eine innere Haltung ein, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen könnte.
Auch aus den übrigen dem Senat vorliegenden Unterlagen sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die die Besorgnis der Befangenheit begründen könnten. Die oben dargestellten von den Angeklagten vorgetragenen Behauptungen und Vermutungen, aus denen aus ihrer Sicht eine Besorgnis der Befangenheit des Richters am Bundesgerichtshof Dr. A. folgen soll, sind mit Tatsachen nicht belegt und vermögen das Ablehnungsgesuch daher nicht zu begründen. Insbesondere hat der Richter am Bundesgerichtshof Dr. A. , wie sich aus seiner dienstlichen Erklärung vom 28. Februar 2006 ergibt, während der Zeit seiner Abordnung in keiner Weise auf eine Verurteilung der Angeklagten hingewirkt oder Vorstellungen über das Maß einer gegebenenfalls zu beantragenden Strafe geäußert. Bereits die zeitlichen Umstände der Abordnung des Richters weisen darauf hin, dass eine von den Angeklagten befürchtete Mitwirkung an ihrer durch das Landgericht Mühlhausen erfolgten Verurteilung nicht stattgefunden hat. ..." (BGH, Beschluss vom 24.03.2006 - 2 StR 271/05)
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Ein erkennender Richter ist nicht ?in der Sache' als Staatsanwalt tätig gewesen und deshalb von der Mitwirkung ausgeschlossen, weil er in seinem früheren Amt als Staatsanwalt im Rahmen von Todesermittlungen die Obduktion der Leiche eines vor der Hauptverhandlung verstorbenen Zeugen und Tatgeschädigten angeordnet hat. Das gilt auch dann, wenn vor der Obduktion für den Fall einer bei dieser feststellbaren Fremdverursachung hypothetische Erwägungen über eine etwaige Verantwortung des Angeklagten für den Tod des Zeugen angestellt worden sind, die Obduktion jedoch keinen Anhalt für ein Fremdverschulden erbracht und die Todesermittlungen ohne weiteres eingestellt worden sind (BGH, Urteil vom 02.12.2003 - 1 StR 102/03).
Ziffer 5
?... Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Kreditbetruges in zehn Fällen und wegen Betruges zu Gesamtfreiheitsstrafen von jeweils sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen. Zwar sind die Sachrügen unbegründet, da weder die Schuld- noch die (maßvollen) Rechtsfolgenaussprüche Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten aufweisen. Die Revisionen haben aber mit einer Verfahrensrüge Erfolg, mit der sie nach § 338 Nr. 2 StPO beanstanden, dass ein gemäß § 22 Nr. 5 StPO von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossener Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat.
1. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Bereits während des Ermittlungsverfahrens war von der Verteidigung des Angeklagten Dieter L. dessen Verhandlungsunfähigkeit behauptet worden. Unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung am 15. Januar 2004 wurde ein Schreiben von Prof. Dr. W. vom 13. Januar 2004 vorgelegt, in dem dieser dem Verteidiger mitteilte, der Angeklagte sei seit dem 9. Januar 2004 ?wegen einer depressivängstlichen Belastungsreaktion verbunden mit schweren kognitiven Ausfällen vom Ausmaß einer Demenz' in stationärer Behandlung und - nach Einschätzung des Arztes - nicht verhandlungsfähig; allerdings sei seine Anwesenheit bei der Verhandlung vor dem Landgericht Münster unter der Voraussetzung einer ständigen Begleitung durch einen erfahrenen Fachkrankenpfleger für Psychiatrie vertretbar. In der Hauptverhandlung vom 5. und 10. Februar 2004 wurde Prof. Dr. W. als sachverständiger Zeuge zum Gesundheitszustand des Angeklagten Dieter L. vernommen. Dabei äußerte er sich auch zu einer von ihm ausgestellten ärztlichen Bescheinigung zur Vorlage beim Gericht vom 25. September 2002, in der er dem Angeklagten ?schwere kognitive Störungen und Wesensänderungen auf dem Boden eines hirnorganischen Prozesses' und eine hieraus folgende dauerhafte Vernehmungs- und Verhandlungsunfähigkeit attestiert hatte. Er gab an, dieses Attest auf Veranlassung der Eheleute L. und der damaligen Verteidiger verfasst zu haben; erstere hätten ihn sinngemäß gefragt, ob er nicht helfen und Dieter L. das Strafverfahren ersparen könne. Am 13. Februar 2004 leitete die Staatsanwaltschaft gegen Prof. Dr. W. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse und der versuchten Strafvereitelung ein. In diesem Ermittlungsverfahren wurde der Berichterstatter des vorliegenden Verfahrens am 26. Juli 2004 von der Staatsanwaltschaft förmlich als Zeuge dazu vernommen, welche Angaben Prof. Dr. W. in der Hauptverhandlung gemacht habe. Dabei verglich er die ihm vorgelesenen Mitschriften der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft mit seinen eigenen; er bestätigte, dass diese nahezu identisch seien, und gab geringfügige Abweichungen an. Abschließend sagte er - nach einer Wertung befragt - aus, dass Prof. Dr. W. nicht alle als Anknüpfungstatsachen zu berücksichtigenden Verhaltensweisen angegeben habe. Auch nach dieser Vernehmung übte der Berichterstatter bis zur Urteilsverkündung am 16. April 2007 sein Richteramt in dieser Sache aus.
2. Die von beiden Revisionsführern zulässig erhobene Verfahrensrüge ist begründet. Der Berichterstatter war seit seiner zeugenschaftlichen Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft für das vorliegende Verfahren nach § 22 Nr. 5 StPO ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen, wenn er in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen worden ist. Durch diese Regelung soll mit Rücksicht auf das Ansehen der Strafrechtspflege bereits der Anschein eines Verdachts der Parteilichkeit vermieden werden. Davon ausgehend ist es ohne Bedeutung, dass die zeugenschaftliche Vernehmung des Richters in einem anderen Verfahren erfolgt ist, da auch in einem solchen Fall der Anschein einer Voreingenommenheit allgemein gegeben sein kann. Der Bundesgerichtshof hat daher bereits mehrfach entschieden, dass Sachgleichheit nicht Verfahrensidentität bedeutet und auch dann vorliegt, wenn ein Richter in einem anderen Verfahren als Zeuge zu demselben Geschehen vernommen worden ist, das er für die Beurteilung des ihm vorliegenden Falles in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bewerten muss (vgl. BGHSt 31, 358, 359; BGH NStZ 2006, 113, 114; StraFo 2007, 415).
Weiterhin ist der Berichterstatter durch die Staatsanwaltschaft förmlich als Zeuge vernommen worden. Hierin unterscheidet sich der Fall von anderen Sachverhalten, bei denen ein Richter lediglich eine dienstliche Erklärung über Vorgänge abgibt, die den Gegenstand des bei ihm anhängigen Verfahrens betreffen und die er im Zusammenhang mit seiner amtlichen Tätigkeit in dieser Sache wahrgenommen hat (vgl. hierzu BGHSt 44, 4, 9 f.; 45, 354 f.).
Schließlich ist der Berichterstatter auch zum Tatgeschehen vernommen worden. Darunter ist nicht nur die Wiedergabe eigener Wahrnehmungen zum Tatgeschehen zu verstehen, vielmehr wird jede Äußerung des Zeugen zu solchen Fragen erfasst, die im Hinblick auf die Schuld- und Straffrage richterlicher Würdigung bedürfen (vgl. BGHSt 31, 358, 359 f.; BGH NStZ 2006, 113, 114; StraFo 2007, 415). Vorliegend hat der Richter in dem Ermittlungsverfahren gegen Prof. Dr. W. Angaben dazu gemacht, was dieser als sachverständiger Zeuge in dem vorliegenden Verfahren zur Frage der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten Dieter L. , der Erteilung zweier ärztlicher Bescheinigungen und deren Zustandekommen ausgesagt hat. In diesem Zusammenhang hat der Richter, nach seiner Wertung befragt, angegeben, dass Prof. Dr. W. nicht sämtliche, als Anknüpfungspunkte bedeutsame Verhaltensweisen des Angeklagten mitgeteilt habe.
Der Inhalt der Aussage des sachverständigen Zeugen war vorliegend nicht nur für die Beurteilung der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten Dieter L. von Bedeutung ungeachtet dessen, dass das Landgericht dazu einen Sachverständigen hinzugezogen hatte. Die Frage, ob es sich bei den ärztlichen Bescheinigungen um falsche Gesundheitszeugnisse (?Gefälligkeitsatteste') handelte, war vielmehr auch für die Beweiswürdigung und die Strafzumessung bedeutsam. Das Landgericht hat die Glaubhaftigkeit der Angaben des die Angeklagten bezüglich ihrer Kreditbetrügereien belastenden Zeugen Wa. unter anderem damit begründet, dass dessen Bekundungen zu der von ihm geschilderten Verteidigungsstrategie (Vorschieben von Verhandlungsunfähigkeit), die ihm der Angeklagte Dieter L. für den Fall der Entdeckung seiner strafbaren Machenschaften angekündigt hatte, durch den Prozessverlauf bestätigt worden seien; der Angeklagte Dieter L. habe in der Tat ?durch eine Vielzahl von Anträgen und Vorlage von Gutachten versucht, eine vorgebliche Verhandlungsunfähigkeit zu belegen' (UA 856). Weiterhin hat das Landgericht hinsichtlich der Beschwerdeführer die strafmildernde Wirkung der langen Verhandlungsdauer unter anderem deswegen relativiert, weil diese Dauer - neben weiteren Verzögerungsstrategien - auf der Vorlage diverser Gutachten und darauf gestützter Anträge zur Frage des Gesundheitszustandes des Angeklagten Dieter L. beruhe (UA 968). Die Frage, ob es sich bei den ärztlichen Bescheinigungen um auf Veranlassung des Angeklagten Dieter L. erstellte unrichtige Gesundheitszeugnisse handelte, ist demnach von dem dazu als Zeugen vernommenen Richter in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bewertet worden. Dies bedingt gemäß § 22 Nr. 5 StPO seinen Ausschluss von der Ausübung des Richteramtes im vorliegenden Verfahren und hat die Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Folge.
3. Diese Rechtsfolge wird zu bedenken sein, wenn ein Gerichtspräsident über die Erteilung einer Aussagegenehmigung für einen während einer laufenden Hauptverhandlung als Zeugen benannten Richter zu befinden hat. Der Strafrechtspflege erwächst durch die Versagung der Aussagegenehmigung in derartigen Fällen kein Nachteil, da die Staatsanwaltschaft vorzugsweise andere Personen, die an der Verhandlung teilgenommen haben, als Zeugen zu den in Frage stehenden Tatsachen hören kann (vgl. BGHSt 31, 354, 361 f.; BGH StraFo 2007, 415). ..." (BGH, Beschluss vom 22.01.2008 - 4 StR 507/07)
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Ein Richter, der förmlich als Zeuge vernommen worden ist, ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen, wenn er über ein identisches Geschehen zu urteilen hätte. Dabei bedeutet Sachgleichheit nicht Verfahrensidentität, die auch dann gegeben ist, wenn ein Richter in einem anderen Verfahren als Zeuge zu demselben Tatgeschehen vernommen wurde, das er jetzt abzuurteilen hat:
?... Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen beruht die Verurteilung des Angeklagten wegen gemeinschaftlich begangenen Diebstahls (§§ 242, 25 Abs. 2 StGB) darauf, dass der Angeklagte die gesondert Verfolgten T. , R. und Ri. dazu bestimmt hat, zwei Warmluftgeräte von einer Baustelle zu entwenden und ihm in seine Werkstatt zu bringen. Grundlage der Verurteilung des die Tat bestreitenden Angeklagten war die Aussage des gesondert Verfolgten T. .
Während des Laufs der Hauptverhandlung wurde der Vorsitzende der Strafkammer in dem vor dem Amtsgericht Tiergarten in Berlin gegen den gesondert Verfolgten R. wegen derselben Straftat anhängigen Strafverfahren als Zeuge gehört. Er machte dabei Angaben über den Inhalt der Aussage des gesondert Verfolgten T. in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht.
Die zulässig erhobene Verfahrensrüge ist begründet. Der Vorsitzende der Strafkammer war seit seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht für das vorliegende Verfahren nach § 22 Nr. 5 StPO ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen, wenn er in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist.
Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass Sachgleichheit nicht Verfahrensidentität bedeutet und auch dann gegeben ist, wenn ein Richter in einem anderen Verfahren als Zeuge zu demselben Tatgeschehen vernommen worden ist, das er jetzt abzuurteilen hat (vgl. BGHSt 31, 358, 359; BGH NStZ 2006, 113, 114; Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 22 Rdn. 19).
Weiterhin ist der Vorsitzende vor dem Amtsgericht förmlich als Zeuge gehört worden. Hierin unterscheidet sich der Fall von anderen Sachverhalten, bei denen ein Richter lediglich eine dienstliche Erklärung über Vorgänge abgibt, die den Gegenstand des bei ihm anhängigen Verfahrens betreffen und die er im Zusammenhang mit seiner amtlichen Tätigkeit in dieser Sache wahrgenommen hat (vgl. hierzu BGHSt 7, 330, 331; 44, 4, 9 f.; 45, 354, 361 f.; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Prozessverschleppung 12).
Schließlich ist der Vorsitzende auch zum Tatgeschehen vernommen worden. Vernehmung ist insoweit nicht nur die Wiedergabe eigener Wahrnehmung zum Tatgeschehen. Vielmehr wird jede Zeugenaussage zu solchen Fragen erfasst, die im Hinblick auf die Schuld- und Straffrage später richterlich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bewertet werden müssen (vgl. BGHSt 31, 358, 359; BGH NStZ 2006, 113, 114).
Vorliegend hat der Vorsitzende als Zeuge im Verfahren gegen den gesondert Verfolgten R. Angaben gemacht über den Inhalt der Aussage des Belastungszeugen T. . Im vorliegenden Verfahren war derselbe Sachverhalt mit demselben Beweismittel zu würdigen. Der Vorsitzende hat sich - vor der abschließenden Urteilsberatung in seiner Strafkammer - durch seine Angaben darauf festgelegt, welchen Inhalt die Aussage des Zeugen T. hatte, so dass Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit für das vorliegende Verfahren denkbar sind.
Die Vorschrift des § 22 StPO erfordert nicht den Nachweis, dass der entscheidende Richter tatsächlich voreingenommen ist. Es soll bereits durch eine generelle Regelung der bloße Anschein einer sachfremden Beeinflussung vermieden werden (vgl. BGHSt 31, 358, 359). Sinn und Zweck der Vorschrift entspricht es, dass ein Richter, der förmlich als Zeuge vernommen worden ist, von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, wenn er über ein identisches Geschehen zu urteilen hätte (vgl. Schmid GA 1980, 285, 286; Otto StV 2006, 676, 679).
Diese Rechtsfolge wird zu bedenken sein, wenn in derartigen Fällen ein Gerichtspräsident über die Erteilung einer Aussagegenehmigung für einen als Zeugen benannten Richter zu befinden hat. Durch eine Versagung der Aussagegenehmigung werden weder die Verteidigungsinteressen des Angeklagten noch die Pflicht des Gerichts zur Wahrheitsermittlung von vornherein eingeschränkt. Es sind vorzugsweise andere Personen, die ebenfalls an der Verhandlung teilgenommen haben, als Zeugen zu den in Frage stehenden Tatsachen zu hören (vgl. dazu auch BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Prozessverschleppung 12 sowie BGHSt 45, 354, 361 f.). ..." (BGH, Beschluss vom 22.05.2007 - 5 StR 530/06)
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Der Begriff der Sache i. S. d. § 22 Nr. 5 StPO ist weit auszulegen. Sachgleichheit setzt nicht Verfahrensidentität voraus. Sachgleichheit ist auch dann gegeben, wenn ein Richter in einem anderen Verfahren als Zeuge zu demselben Tatgeschehen vernommen worden ist, das er jetzt abzuurteilen hätte. Vernehmung zum Tatgeschehen ist dabei nicht nur die Wiedergabe eigener Wahrnehmung zum Tatgeschehen, sondern vielmehr jede Äußerung als Zeuge zu solchen Fragen, die im Hinblick auf Schuld- und Straffrage später als Richter in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bewertet werden müssen (BGH, Beschluss vom 27.09.2005 - 4 StR 413/05).
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Weil § 22 Nr. 5 StPO jeden Anschein eines Verdachts von Parteilichkeit vermeiden will, liegt ein revisibler Verfahrensfehler auch dann vor, wenn der konkret betroffene Tatvorwurf nach § 154 II StPO eingestellt wird, die Zeugenaussage aber darüber hinaus bedeutsame Beweismittel betrifft:
? ... Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt: ?Die Revision hat mit der Rüge der Verletzung von § 22 Nr. 5 StPO Erfolg. Die Rüge ist zulässig erhoben i.S.d. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Revision teilt alle Tatsachen mit, die die konkrete Rüge begründen. Die Rüge hat in der Sache Erfolg, da ein erkennender Richter, der Richter am Landgericht Sch. , in der Sache als Zeuge vernommen wurde. Der Begriff der Sache ist weit auszulegen. Sachgleichheit setzt nicht Verfahrensidentität voraus (BGHSt 9, 193). Sachgleichheit ist auch dann gegeben, wenn ein Richter in einem anderen Verfahren als Zeuge zu demselben Tatgeschehen vernommen worden ist, das er jetzt abzuurteilen hätte (BGHSt 31, 358). Vernehmung zum Tatgeschehen ist dabei nicht nur die Wiedergabe eigener Wahrnehmung zum Tatgeschehen, sondern vielmehr jede Äußerung als Zeuge zu solchen Fragen, die im Hinblick auf Schuld- und Straffrage später als Richter in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bewertet werden müssen (vgl. BGHSt 31, 358, 359). Vorliegend wurde RiLG Sch. in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens gegen B. als Zeuge vernommen. Dem B. wurde vorgeworfen, von Bremen mindestens 300 g Heroingemisch am 27. August 2004 nach Bielefeld gebracht zu haben, um es gemeinsam mit dem Angeklagten und einer weiteren Person abzusetzen. Nach dem Revisionsvortrag und ausweislich der Anklageschrift ... wurde dem Angeklagten vorgeworfen, am 27. August 2004 eine größere Menge Heroin aus Bremen erhalten zu haben, die von B. überbracht wurde (SA Band 10, S. 2297). Mithin wurde Richter am Landgericht Sch. in der Sache, wegen desselben konkreten Tatgeschehens, als Zeuge vernommen. Die Tatsache, dass das vorliegende Verfahren gegen den Angeklagten in diesem Punkt auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO letztlich eingestellt wurde, führt zu keinem anderen Ergebnis, zumal diese Einstellung seiner Zeugenvernehmung zeitlich nachfolgte (SA PB S. 46). Sinn der Vorschrift des § 22 Nr. 5 StPO ist es nämlich, schon den Anschein eines Verdachtes der Parteilichkeit zu vermeiden (BGHSt 14, 219, 221). Vorliegend hat er als Zeuge im Verfahren gegen B. Angaben gemacht über die Richtigkeit der Übersetzung in den polizeilichen TKÜ-Protokollen, die im vorliegenden Verfahren mit Hilfe eines Dolmetschers stichprobenartig überprüft wurde. Dabei hat er als Zeuge auf Abweichungen der Protokolle von der TKÜ aufmerksam gemacht. Im vorliegenden Verfahren war derselbe Sachverhalt" [auch bezüglich der jetzt abgeurteilten Taten] "unter Zuhilfenahme desselben Beweismittels zu würdigen. Über die Verlässlichkeit der Übersetzung in den polizeilichen TKÜ-Protokollen hat er als Zeuge im Verfahren gegen B. Angaben gemacht. Dadurch war bei ihm eine 'Festlegung' auf den Inhalt der gemachten Zeugenaussage gegeben, die Zweifel an der Unvoreingenommenheit für das vorliegende Verfahren besorgen lassen könnte.' Dem tritt der Senat bei." (BGH, Beschluss des 4. Strafsenats vom 27.09.2005 - 4 StR 413/05).
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Ist nach der eigenen Einschätzung eines Richters zu erwarten, daß er in einer Hauptverhandlung als Zeuge zur Frage der Aussagekonstanz der Aussage eines wesentlichen Belastungszeugen in einer früheren Hauptverhandlung vernommen werden muß, ist er von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen (LG Lüneburg, Beschluss vom 16.11.2004 - 25 Ns 47/03 H, StV 2005, 77 f).
Diejenigen dienstlichen Erklärungen eines Richters, die nicht dazu bestimmt sind, Gegenstand der Beweiswürdigung zu sein, sondern sich lediglich zu prozessual erheblichen Vorgängen und Zuständen verhalten, etwa wenn sie der freibeweislichen Aufklärung der Frage dienen, ob ein Richter überhaupt als Zeuge zu den im Rahmen eines Beweisantrags in sein Wissen gestellten Tatsachen in Betracht kommt, führen nicht zum Richterausschluß nach § 22 Nr. 5 StPO (BGH, Urteil vom 16.07. 2003 - 2 StR 68/03).
Die Voraussetzungen des § 22 Nr. 5 StPO liegen auch dann vor, wenn über die Anhörung des Richters kein förmliches Vernehmungsprotokoll gefertigt worden ist (BGH StV 1998, 57).
Ein Richter ist in der Regel nicht ausgeschlossen, wenn er in einem früheren Verfahren gegen denselben Angeklagten als Staatsanwalt tätig war und die in jenem Verfahren verhängte Strafe nunmehr in die zu bildende Gesamtstrafe einbezogen werden muß (BGH NJW 1979, 2160).
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Ein in gerader Linie mit einem Prozessbevollmächtigten verschwägerter Richter ist nicht analog § 41 ZPO von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen. Schwägerschaft begründet in diesen Fällen die Besorgnis der Befangenheit nach § 42 II ZPO nur beim Hinzutreten weiterer Umstände (KG NJW-RR 2000, 1164 zu §§ 41, 42 II ZPO).
Siehe auch unter ?Ablehnung eines Sachverständigen" und ?Gründe für die Ablehnung eines Richters".
Ausschluss der Beschlagnahme § 97 StPO (n.F.)
(1) Der Beschlagnahme unterliegen nicht
1. schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und den Personen, die nach § 52 oder § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3b das Zeugnis verweigern dürfen;
2. Aufzeichnungen, welche die in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3b Genannten über die ihnen vom Beschuldigten anvertrauten Mitteilungen oder über andere Umstände gemacht haben, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt;
3. andere Gegenstände einschließlich der ärztlichen Untersuchungsbefunde, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht der in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3b Genannten erstreckt.
(2) Diese Beschränkungen gelten nur, wenn die Gegenstände im Gewahrsam der zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten sind, es sei denn, es handelt sich um eine elektronische Gesundheitskarte im Sinne des § 291a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch. Der Beschlagnahme unterliegen auch nicht Gegenstände, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht der Ärzte, Zahnärzte, Psychologischen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Apotheker und Hebammen erstreckt, wenn sie im Gewahrsam einer Krankenanstalt oder eines Dienstleisters, der für die Genannten personenbezogene Daten erhebt, verarbeitet oder nutzt, sind, sowie Gegenstände, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht der in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a und 3b genannten Personen erstreckt, wenn sie im Gewahrsam der in dieser Vorschrift bezeichneten Beratungsstelle sind. Die Beschränkungen der Beschlagnahme gelten nicht, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass die zeugnisverweigerungsberechtigte Person an der Tat oder an einer Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beteiligt ist, oder wenn es sich um Gegenstände handelt, die durch eine Straftat hervorgebracht oder zur Begehung einer Straftat gebraucht oder bestimmt sind oder die aus einer Straftat herrühren.
(3) Soweit das Zeugnisverweigerungsrecht der Mitglieder des Bundestages, eines Landtages oder einer zweiten Kammer reicht (§ 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4), ist die Beschlagnahme von Schriftstücken unzulässig.
(4) Die Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden, soweit die in § 53a Genannten das Zeugnis verweigern dürfen.
(5) Soweit das Zeugnisverweigerungsrecht der in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 genannten Personen reicht, ist die Beschlagnahme von Schriftstücken, Ton-, Bild- und Datenträgern, Abbildungen und anderen Darstellungen, die sich im Gewahrsam dieser Personen oder der Redaktion, des Verlages, der Druckerei oder der Rundfunkanstalt befinden, unzulässig. Absatz 2 Satz 3 und § 160a Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend; die Beschlagnahme ist jedoch auch in diesen Fällen nur zulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der Grundrechte aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht und die Erforschung des Sachverhaltes oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
Leitsätze/Entscheidungen:
Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn die §§ 97, 148 StPO dahin ausgelegt werden, dass sie in einem Strafverfahren gegen einen Strafverteidiger der Beschlagnahme und Verwertung von Schreiben des beschuldigten Verteidigers an seinen Mandanten nicht entgegenstehen. Die Auffassung des BGH (NJW 2009, NJW Jahr 2009 Seite 2690), dass ein Mandatsverhältnis keine Straffreiheit für persönliche Schmähungen Dritter, die ein Strafverteidiger gegenüber seinem Mandanten äußert, begründet, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das zwischen einem Strafverteidiger und seinem Mandanten bestehende Vertrauensverhältnis ist nicht von solcher Art, dass daraus aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes eine ?beleidigungsfreie Sphäre" für die ungehinderte Kundgabe ehrverletzender Äußerungen dem Mandanten gegenüber abzuleiten wäre (BVerfG, Beschluss vom 20.05.2010 - 2 BvR 1413/09, NJW 2010, 2937 ff).
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Die Durchsuchung auch beruflich genutzter Räume greift in schwerwiegender Weise in das Grundrecht aus Art. 13 GG ein. Auch wenn eine solche Durchsuchung nicht unmittelbar den Schutzbereich der Berufsfreiheit nach Art. 12 I GG berührt, haben die Strafverfolgungsbehörden das Ausmaß der - mittelbaren - Beeinträchtigung der beruflichen Tätigkeit des Betroffenen zu berücksichtigen. Die herausgehobene Bedeutung der Berufsausübung eines Rechtsanwalts für die Rechtspflege und für die Wahrung der Rechte seiner Mandanten gebietet die besonders sorgfältige Beachtung der Eingriffsvoraussetzungen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, auch wenn die Beschlagnahme und die auf sie gerichtete Durchsuchung bei einem als Strafverteidiger tätigen Rechtsanwalt durch § 97 StPO nicht generell ausgeschlossen ist, wenn dieser selbst Beschuldigter in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren ist (BVerfG, Beschluss vom 05.05.2008 - 2 BvR 1801/06, NJW 2008, 2422 ff).
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Durchsuchungen und Beschlagnahmen in einem Ermittlungsverfahren gegen Presseangehörige sind verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend dem Zweck dienen, die Person des Informanten zu ermitteln (Bestätigung vonBVerfGE 20, 162 (191 f., 217)). Die bloße Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses im Sinne des § 353 b StGB durch einen Journalisten reicht im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht aus, um einen den strafprozessualen Ermächtigungen zur Durchsuchung und Beschlagnahme genügenden Verdacht der Beihilfe des Journalisten zum Geheimnisverrat zu begründen. Zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gegenüber Beschlagnahmen redaktionellen Materials (BVerfG, 1 BvR 538/06 vom 27.2.2007, Absatz-Nr. (1 - 82), www.bverfg.de/entscheidungen/rs20070227_1bvr053806.html).
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Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, § 97 II StPO dahin gehend auszulegen, dass auch Vergehen Anlass für Durchsuchungen und Beschlagnahmen sein können. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, § 97 V 2 StPO nicht anzuwenden, wenn der Zeugnisverweigerungsberechtigte selbst Beschuldigter ist. Die gerichtliche Anordnung der Durchsuchung von Redaktionsräumen verletzt die Pressefreiheit (Art. 5 I 2 GG), wenn eine inhaltliche Abwägung zwischen der Schwere des Tatvorwurfs und der Beeinträchtigung der Pressefreiheit nicht vorgenommen wird:
Die Verfassungsbeschwerde (Vb) eines Zeitschriftenverlages war erfolgreich. Dieser hatte sich gegen die - im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Verdachts der Störung der Totenruhe - gerichtlich angeordnete Durchsuchung seiner Redaktionsräume gewandt. Die 1. Kammer des Ersten Senats hob die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts (LG) auf, da sie die Beschwerdeführerin (Bf) in ihrem Grundrecht der Pressefreiheit verletzen. Die Sache wurde an das LG zurückverwiesen.
Sachverhalt: Ein Journalist der Bf organisierte im Zusammenhang mit der Ausstellung "Körperwelten" ein nächtliches Fotoshooting, bei dem sechs plastinierte Leichen an verschiedenen Orten der Innenstadt in München nachts aufgestellt und fotografiert wurden. Die Bf veröffentlichte einen Artikel mit Darstellung der Fotos in ihrer Zeitschrift. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren wegen Störung der Totenruhe ein und beantragte neben Durchsuchungsbeschlüssen gegen Mitarbeiter der Bf auch die Durchsuchung der Redaktionsräume der Bf. Die Durchsuchung von Unterlagen und Datenträgern sollte Aufschluss darüber geben, wer die Entscheidung über die Anfertigung der Fotografien getroffen hatte bzw. in die Entscheidung eingebunden war.
Das Amtsgericht (AG) lehnte den Antrag ab. Das LG hob diese Entscheidung auf und erließ den Durchsuchungsbeschluss. Zur Begründung führte es u. a. aus, dass die Durchsuchungen verhältnismäßig seien, da sie nicht zum Tatvorwurf außer Verhältnis stünden. In dem von der Bf beantragten Verfahren der nachträglichen Anhörung bestätigte das LG den Durchsuchungsbeschluss. Die Vb gegen die Durchsuchungsanordnung hinsichtlich der Redaktionsräume hatte Erfolg.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Die Durchsuchung von Redaktionsräumen stellt wegen der damit verbundenen Störung der Redaktionstätigkeit und der Möglichkeit einer einschüchternden Wirkung eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit dar. Im Rahmen der durch die allgemeinen Gesetze gezogenen Grenzen, zu denen auch die Vorschriften der Strafprozessordnung gehören, ist eine Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse im konkreten Fall und der Pressefreiheit vorzunehmen.
Dem werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht. Denn sie enthalten keine Ausführungen zur Angemessenheit des Eingriffs in die Pressefreiheit. Insbesondere fehlt es an einer Abwägung, ob der die Mitarbeiter der Bf treffende Tatvorwurf von einem solchen Gewicht ist, dass er die Durchsuchung auch der Redaktionsräume rechtfertigt. Ferner wäre das Interesse am Auffinden von Beweismitteln gegen den Schutz der Pressefreiheit abzuwägen gewesen. Auf das besondere Problem einer Durchsuchung von Redaktionsräumen geht der Beschluss aber nicht ein. Darüber hinaus enthält der angegriffene Beschluss keine Begrenzung auf die von den beschuldigten Journalisten oder Fotografen benutzten Räume und erfasst damit sämtliche Redaktionsräume. Ausführungen dazu, warum diese räumliche Ausdehnung unter Berücksichtigung des Grundrechts der Pressefreiheit angemessen ist, fehlen (BVerfG, Beschluss vom 01.02.2005 - 1 BvR 2019/03 - Pressemitteilung Nr. 18/2005).
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Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass die Beziehung eines Nichtbeschuldigten zu einem Berufsgeheimnisträger nicht der Schutznorm des § 97 I StPO unterfällt. Gleiches gilt für die fachgerichtliche Annahme, dass sich das gem. § 97 StPO geschützte Vertrauensverhältnis zwischen Berufsgeheimnisträger und juristischer Person nicht auf deren Organe erstreckt. Beschlagnahmeverbote können sich unmittelbar aus dem Grundgesetz ergeben, wenn wegen der Eigenart des Beweisthemas in grundrechtlich geschützte Bereiche unter Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingegriffen wird. Jedoch bedarf es im Einzelfall besonderer Gründe dafür, warum ausnahmsweise über das geschriebene Strafprozessrecht hinaus unmittelbar von Verfassungs wegen ein Zeugnisverweigerungsrecht oder ein dieses Recht flankierendes Beschlagnahmeverbot bestehen soll. Abweichungen vom geschriebenen Strafprozessrecht wegen des verfassungsrechtlichen Postulats der Verfahrensfairness sind, wenn überhaupt, nur mit Behutsamkeit vorzunehmen (BVerfG, Beschluss vom 27.10.2003 - 2 BvR 2211/00).
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Die Durchsuchung und die Beschlagnahme sind getrennte Entscheidungsgegenstände, das Gesetz stellt kein grundsätzliches Beschlagnahmeverbot auf für fehlerhafte Durchsuchungen, die zur Sicherstellung von Beweisgegenständen führen (BVerfG, Beschluss vom 09.10.2003 - 2 BvR 1707/02).
Die Frage, ob und inwieweit eine Beschlagnahme von Datenbeständen bei Berufsgeheimnisträgern verfassungsrechtlich von Bedeutung ist, wenn dieser Eingriff sowohl Beschuldigte als auch Nichtbeschuldigte trifft und die erfassten Daten zum Teil wegen Tatverstrickung einem Beschlagnahmezugriff unterliegen, zum Teil aber auch rechtlich besonders geschützt sind, ist in der Rechtsprechung noch nicht geklärt. Daher hängt bei offenem Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens eine Entscheidung auf einstweilige Anordnung gem. § 32 I BVerfGG von einer Abwägung der Folgen ab, die bei Ablehnung der einstweiligen Anordnung eintreten würden. Bei Abwägung der jeweiligen Folgen wiegen die möglichen Nachteile für die Beschwerdeführer schwerer, soweit es sich um Daten der nicht beschuldigten Berufsgeheimnisträger oder solcher Mandanten handelt, die von dem Ermittlungsverfahren gegen den beschuldigten Sozius und gegen die Mitbeschuldigten nicht betroffen sind. Hier ist einstweiligen die Hinterlegung der sichergestellten Datenträger und der Datenträger mit behördlichen Kopien von Dateien beim AG anzuordnen. Hinsichtlich bestimmter Dateien, die schon durch ihre Bezeichnung einen Bezug zum Tatvorwurf erkennen lassen, ist die Abwägung zu Gunsten des staatlichen Interesses an der Strafverfolgung ausgegangen. Insoweit dürfen weitere Kopien angefertigt, zurückbehalten und verwendet werden (BVerfG, Beschluss vom 17.07.2002 - 2 BvR 1027/02).
Der aus Art. 2 I GG beanspruchte Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Rechtsanwalt und Mandant ist nicht darauf gerichtet, den Rechtsanwalt im Falle des Verdachts einer bei Gelegenheit seiner Berufsausübung begangenen Straftat vor staatlichen Strafverfolgungsmaßnahmen zu schützen (BVerfG, Beschluss vom 27.02.2002 - 2 BvR 1979/01).
*** (OLG)
Der Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Unternehmens kann einen Wirtschaftsprüfer wirksam von seiner Schweigepflicht entbinden, die gegenüber diesem Unternehmen besteht; eine (zusätzliche) Erklärung des früheren gesetzlichen Vertreters ist nicht erforderlich. Schriftliche Unterlagen des Wirtschaftsprüfers unterliegen dann nicht mehr dem Beschlagnahmeverbot. Die Verschwiegenheitspflicht des Wirtschaftsprüfers bezieht sich ausschließlich auf vertrauliche Informationen, die ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben von dem mit ihm in Vertragsbeziehung stehenden Unternehmen bekannt geworden sind (OLG Nürnberg, Beschluss vom 18.06.2009 - 1 Ws 289/09, NJW 2010, 690 f).
Aus dem rechtsstaatlichen Gebot, einem Beschuldigten jederzeit die Möglichkeit einer geordneten und effektiven Verteidigung zu geben, ergibt sich das Verbot der Beschlagnahme und der Verwertung gegen seinen Widerspruch von Unterlagen, die sich ein Beschuldigter erkennbar zu seiner Verteidigung in dem gegen ihn laufenden Strafverfahren angefertigt hat. Ein Beschlagnahme- und Verwertungsverbot können auch frühere Mitbeschuldigte geltend machen, wenn wegen desselben Lebenssachverhalts zunächst ein einheitliches Ermittlungsverfahren geführt wurde und erst nach Verfahrenstrennung bei dem ehemaligen Mitbeschuldigten unzulässigerweise Verteidigungsunterlagen beschlagnahmt wurden (OLG München, Beschluss vom 30.11.2004 - 3 Ws 720 - 722/04, StV 2005, 118 f).
Die Anordnung der Beschlagnahme von Unterlagen, die dem Verteidiger des Angeklagten von einer Zeugin überlassen worden sind, ist unzulässig. Selbst wenn man eine Einschränkung des Beschlagnahmeverbots des § 97 StPO zur Verhinderung mißbräuchlicher Verteidigung für zulässig hält, so kann eine solche Einschränkung nur für extreme Ausnahmefälle, nämlich nur dann anerkannt werden, wenn feststeht, daß mit dem Verteidigerprivileg ausschließlich ein von der Verfahrensordnung mißbilligtes Ziel verfolgt wird und keinerlei Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine verfahrensfremde Rechtsverwirklichung noch hinnehmbar erscheinen lassen, wobei im Zweifel eine Vermutung zugunsten der Zulässigkeit selbst mißbräuchlicher Ausnutzung von Verfahrensrechten besteht (OLG Frankfurt am Main StV 1982, 64 f).
Krankengeschichten und sonstige ärztliche Unterlagen über die Behandlung eines Patienten dürfen beschlagnahmt werden, wenn und soweit der Arzt von der Schweigepflicht entbunden ist. Das in § 97 StPO enthaltene Beschlagnahme verbot für derartige Gegenstände gilt nur, soweit das Zeugnisverweigerungsrecht reicht. In diesen Grenzen ist die Beschlagnahme unabhängig davon zulässig, ob der Patient den Inhalt der Behandlungsunterlagen kennt oder kennen kann. Geheimnisse Dritter stehen der Beschlagnahme entgegen, solange diese den Arzt nicht ebenfalls von der Schweigepflicht entbunden haben. Die allgemeinen Aufgaben des ärztlichen Berufs und das Eigentum des Arztes an seinen Unterlagen beseitigen die Zulässigkeit der Beschlagnahme nicht. Der mögliche Widerruf der bereits ausgesprochenen Entbindung von der Schweigepflicht begründet nicht die Unzulässigkeit der Beschlagnahme. Die Beschlagnahme ist unabhängig davon zulässig, ob der Arzt als Zeuge zur Verfügung steht (Hanseatisches OLG NJW 1962, 689 ff).
*** (LG)
Es besteht kein Beschlagnahmeverbot (§ 97 I STPO) für Ergebnisse unternehmensinterner Ermittlungen durch eine Anwaltskanzlei, die im Auftrag des Unternehmens tätig geworden ist; § 160 a StPO a. F. ändert daran nichts. Es besteht kein strafprozessuales Verwertungsverbot für Aussagen von Mitarbeitern im Rahmen von unternehmensinternen Ermittlungen trotz des Grundsatzes ?nemo tenetur se ipsum accusare"(LG Hamburg, Beschluss. vom 15.10.2010 - 608 Qs 18/10, NJW 2011, 942 ff).
***
Buchführungsunterlagen unterliegen nicht der Beschlagnahme gem. § 97 I Nr. 3 StPO, solange ein Steuerberater sie zur Erledigung noch nicht abgeschlossener Arbeiten, auf die sich sein Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt, in Gewahrsam hat (LG Dresden, Beschluss vom 22.01.2007 - 5 Qs 34/06 zu §§ 103, 97 I 3, 53 I Nr. 3 StPO, NJW 2007, 2709 ff).
Aus § 97 I 3 InsO lässt sich ein allgemeines Beschlagnahme- oder Durchsuchungsverbot nicht ableiten; der Vorschrift unterfallen nur die nach § 97 I 1 erzwingbaren Auskünfte, nicht hingegen bereits existierende Unterlagen oder Aufzeichnungen, die der Gemeinschuldner dem Insolvenzverwalter übergeben hat (LG Ulm, Beschluss vom 15.01.2007 - 2 Qs 2002/07 zu § 103 StPO; § 97 I InsO; NJW 2007, 2056 ff).
Unterlagen, die sich ein Beschuldigter zur Vorbereitung seiner Verteidigung angefertigt hat, dürfen auch dann nicht beschlagnahmt und zu Lasten des Beschuldigten verwendet werden, wenn es sich nicht um Mitteilungen an oder von dem Verteidiger handelt (LG Bonn StV 2004, 124 f).
Der Schriftwechsel zwischen einem Wirtschaftsprüfer und seinem Auftraggeber unterliegt unabhängig davon einem Beschlagnahmeverbot mit der Folge, dass ein entsprechender Durchsuchungsbeschluss rechtswidrig ist, ob der Wirtschaftsprüfer im Zusammenhang mit der Erstellung von Jahresabschlüssen oder im Zusammenhang mit anderer Beratungstätigkeit tätig geworden ist. In seiner ?Eigenschaft als Wirtschaftsprüfer' erlangt dieser nur von solchen Vorgängen keine Kenntnis, die er privat ohne Bezug auf ein Mandat oder die er bei einer Tätigkeit erlangt hat, die nicht dem Berufsbild des Wirtschaftsprüfers zuzuordnen ist (LG Bonn StV 2002, 68 f).
***
Unterliegen bei einem Verteidiger sicherzustellende Gegenstände einem Beschlagnahmeverbot, sind sowohl die Beschlagnahmeanordnung als auch die Durchsuchungsanordnung unzulässig, sofern der Verteidiger nicht von seiner Schweigepflicht entbunden worden ist. Gegenstände sind nach § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO nicht nur dann vor der Beschlagnahme geschützt, wenn sie innerhalb des bestehenden Vertrauensverhältnisses entstanden sind, sondern auch dann, wenn ihr Aussagegehalt das Vertrauensverhältnis betrifft. Deshalb umfaßt das Beschlagnahmeverbot auch den Inhalt von Unterlagen, die dem Verteidiger im Rahmen seines Beratungsvertrages anvertraut worden sind, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt diese Gegenstände entstanden sind. Eine Ausnahme von der Beschlagnahmefreiheit ergibt sich nur dann, wenn der Beschuldigte dem Verteidiger Unterlagen nicht zum Zwecke der Verteidigung, sondern zum bloßen Verstecken des Beweismaterials übergibt, um sie dem Zugriff der Strafverfolgungsorgane zu entziehen. Der Herausgabeanspruch eines Beschuldigten gegen über seinem Verteidiger hinsichtlich der diesem überlassenen Unterlagen begründet keinen Mitgewahrsam des Beschuldigten, der das Beschlagnahmeprivileg entfallen lassen könnte. Richtige Bank- und Kontounterlagen sind bei dem Vorwurf der Steuerhinterziehung keine Deliktsgegenstände, die zu der Tatausführung im weiteren Sinne Verwendung gefunden haben oder Verwendung finden sollten (LG Fulda, Beschluss vom 12.10.1999 - 2 Qs 51/99, StV 2000, 548 ff):
?... Gegen die Besch. wurde wegen Verdachts der Hinterziehung von Einkommenssteuer für die Jahre ab 1992 (Nichterklärung von Kapitaleinnahmen) am 26. 8. 1998 ein Steuerstraf- und Steuerermittlungsverfahren eingeleitet. Der Bf. zeigte mit Schriftsatz v. 11. 9. 1998 die Vertretung der Besch. im Steuerstrafverfahren an. Nachdem sich die Besch. zur Sache nicht eingelassen hatten, beantragte die Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes K. in jew. gesonderten Anträgen die Durchsuchung der Wohnung und der Person der Besch., deren Bankschließfächer und Verwahrstücke bei Kreditinstituten. Außerdem beantragte das Finanzamt die Durchsuchung der Anwaltskanzlei des Bf. sowie der Geschäftsräume mehrerer Kreditinstitute. Letztlich beantragte die Finanzbehörde die Beschlagnahme von in den Anträgen näher bezeichneten Beweismitteln.
Mit dem angefochtenen Beschl. hat das AG Fulda die Durchsuchung der Geschäftsräume des Bf. sowie die Beschlagnahme sämtlicher Unterlagen, die der Zusammenstellung der Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie des steuerlichen Vermögens dienen, insbes. Bank- und Kontounterlagen jeglicher Art (Kontoauszüge, Ein- und Auszahlungsbelege, Scheckunterlagen, Überweisungsbelege, Depotauszüge, Sparbücher, An- und Verkaufsbelege über Wertpapiere, Zinsgutschriftsbelege, Erträgnisaufstellungen, Belege über Kapitalstände, Kontoeröffnungsunterlagen etc.) sowie Schriftverkehr der Besch. mit Kreditinstituten angeordnet. Den weiteren Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanträgen wurde ebenfalls stattgegeben.
Zur Begründung des angefochtenen Beschl. führte das AG aus, der Bf. sei Verteidiger der Besch. Es sei naheliegend, daß die Besch. Beweisunterlagen ihrem Verteidiger übergeben hätten und dieser sie deshalb zumindest zeitweise in seinem Bereich aufbewahre.
Die Durchsuchung der Anwaltskanzlei des Bf. verlief ergebnislos.Hierbei wurden die die Besch. betreffende Handakte des Bf. durchblättert, worin sich jedoch die gesuchten Unterlagen nicht befanden. Gleichzeitig wurden die anderen Durchsuchungsanordnungen vollzogen. Dabei teilte der besch. Ehemann den eingesetzten Finanzbeamten mit, daß er bereits 1998 eine Aufstellung der Kapitalerträge und Zinsen für den Zeitraum 1992 bis 1997 seinem Verteidiger (Bf.) übergeben habe.
Mit Schreiben v. 6. 5. 1999 legte der Bf. gegen den ihn betreffenden Durchsuchungsbeschl. Beschwerde ein und beantragte, den Beschl. aufzuheben. Mit Schreiben v. 14. 6. 1999 änderte der Bf. den Antrag dahingehend ab, im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO analog die Rechtswidrigkeit des Durchsuchungsbeschl. festzustellen. Die anderen Durchsuchungsanordnungen sind in diesem steuerrechtlichen Ermittlungsverfahren nicht angefochten.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Statthaftes Rechtsmittel zur Feststellung der Rechtswidrigkeit einer durch Vollzug oder andere Weise erledigten richterlichen Anordnung ist die Beschwerde (zuletzt BGH StV 99, 72 m. Anm. Eisele StV 99, 298). Sie ist trotz prozessualer Überholung nach Art. 19 Abs. 4 GG zulässig in Fällen tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriffe. Ein solcher Eingriff wird von der neueren Rspr. des BVerfG für die aufgrund richterlicher Anordnung vorgenommene Durchsuchung von Wohnungen - dazu zählen auch die Geschäftsräume einer Anwaltskanzlei - bejaht (BVerfGE 96, 27). Die - nachträgliche - irrtümliche Bezeichnung des Rechtsmittels als Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 98 Abs. 2 S. 2 StPO) ist unschädlich (§ 300 StPO).
2. Die Beschwerde ist begründet. Der angefochtene Durchsuchungsbeschl. des AG Fulda ist rechtswidrig. Die Voraussetzungen einer Durchsuchung der Geschäftsräume des Bf. liegen nicht vor.
Zwar besteht Tatverdacht gegen die Besch. Anders als im Fall der Durchsuchung beim Verdächtigen (§ 102 StPO) muß jedoch bei der Durchsuchung bei anderen Personen aufgrund bestimmter bewiesener Tatsachen - und nicht nur aufgrund von Vermutungen - die Annahme gerechtfertigt sein, daß die Durchsuchung zur Auffindung des bestimmten Beweismittels führen wird, § 103 StPO. Darüber hinaus dürfen Durchsuchungen nicht zu dem Zweck vorgenommen werden, Gegenstände aufzuspüren, die nach § 97 StPO von der Beschlagnahme ausgenommen sind (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. A., § 103 Rdnr. 6 und 7).
Zwar sprachen in dem vorliegenden Fall dringende Gründe für das Auffinden von Beweismitteln, jedoch unterlagen die gesuchten Gegenstände nicht der Beschlagnahme.
a) Allein die Tatsache, daß der Bf. Verteidiger der Besch. ist, rechtfertigt zwar nicht den Schluß, daß sich die gesuchten Beweismittel in dessen Anwaltskanzlei befinden und daß deren Durchsuchung zur Auffindung dieser Gegenstände führen wird. Denn es gibt keinen allgemein gültigen Erfahrungssatz, wonach im Strafverfahren Verteidiger im Besitz von Mandanten gehörenden Beweismitteln sind. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Besch. die ihm zur Verfügung stehenden Beweismittel seinem Verteidiger übergibt, ist jedenfalls nicht höher einzustufen, als die ebenfalls vorhandene Möglichkeit, daß der Besch. die in seinem Gewahrsam befindlichen Beweismittel, insbes., soweit sie belastenden Charakter haben, seinem Verteidiger vorenthält oder diese Beweismittel bereits vernichtet hat.
Im vorliegenden Fall kommt jedoch der Umstand hinzu, daß der Besch. im Rahmen der bei ihm zeitgleich begonnenen Durchsuchung gegen über den Finanzbeamten angegeben hat, er habe eine Aufstellung der Kapitalerträge und Zinsen für den Zeitraum 1992 bis 1997 seinem Verteidiger (Bf.) bereits im Jahr 1998 übergeben.Aufgrund dieser Einlassung des besch. Ehemanns ist die Annahme vertretbar, daß die gesuchten Unterlagen der Aufstellung beigefügt waren und sich daher beim Bf. befinden.
Diese neue Tatsache - die Einlassung des Besch. erfolgte erst nach der richterlichen Durchsuchungsanordnung - ist von der Kammer bei ihrer Entscheidung mit zu berücksichtigen. Denn das Beschwerdegericht hat als Tatsachen- und Rechtsinstanz alle für die Entscheidung wesentlichen Tatsachen zu prüfen und ggf. aufzuklären, wobei es ergänzende Ermittlung anordnen oder selbst vornehmen kann, § 308 Abs. 2 StPO. Insbes. können im Beschwerdeverfahren neue Tatsachen vorgebracht und berücksichtigt werden (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., vor § 304 Rdnr. 3 und § 309 Rdnr. 3). Maß gebliche Beurteilungsgrundlage ist daher der Stand des Ermittlungsergebnisses zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung.
b) Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Durchsuchungsbeschl. ergibt sich aus dem unzulässigen Zweck der Maß nahme. Denn die Gegenstände, die bei dem Verteidiger sichergestellt werden sollten, unterliegen einem Beschlagnahmeverbot, im vorliegenden Fall dem an das Zeugnisverweigerungsrecht des Verteidigers nach § 53 Abs. 1 Nr. 2 StPO anknüpfenden Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO. Besteht ein solches Beschlagnahmeverbot, sind aber bereits sowohl die Beschlagnahmeanordnung als auch die Durchsuchungsanordnung unzulässig (Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 97 Rdnr. 1; LR Schäfer, 24. A., § 97 Rdnr. 102). Voraussetzung ist allerdings, daß der Verteidiger nicht von seiner Schweigepflicht entbunden worden ist, was vorliegend nicht der Fall ist.
Die im Durchsuchungsbeschl. genannten sicherzustellenden Bankunterlagen unterfallen als ?andere Gegenstände' grunds ätzlich der Vorschrift des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO. Gegenstände sind nach § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO vor der Beschlagnahme geschützt, wenn ihr Aussagegehalt das Vertrauensverhältnis betrifft (LR-Schäfer, a.a.O., Rdnr. 68; KK-Nack, StPO, 4. A., § 97 StPO Rdnr. 12 und 15). Die Reduzierung des Anwendungsbereiches von § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO nur auf solche Gegenstände, die innerhalb des bestehenden Vertrauensverhältnisses entstanden sind, läßt sich weder aus dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des Gesetzes entnehmen (ebenso:KK-Nack, a.a.O., Rdnr. 16; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 97 Rdnr. 30; LR-Schäfer, StPO, 24. A., § 97 Rdnr. 48, 49; Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 385 AO Rdnr. 197; LG Stuttgart DStR 1997 S. 1449; LG Berlin NJW 1990 S. 1058; SK-Rudolphi, StPO, § 97 Rdnr. 47; a. A. LG Braunschweig NJW 1978 S. 2108; LG Mainz NStZ 1986 S. 473; LG Aachen NJW 1985 S. 338; LG Darmstadt NStZ 1988 S. 286). Denn das Zeugnisverweigerungsrecht des § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO bezieht sich auf sämtliche Informationen, die dem dort genannten Personenkreis in seiner beruflichen Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden sind. Es umfaßt deshalb auch den Inhalt von Unterlagen, die dem Zeugnisverweigerungsberechtigten im Rahmen seines Beratungsvertrages anvertraut worden sind, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt diese Gegenstände entstanden sind. Entscheidend ist, ob die durch die Unterlagen zu beweisenden Tatsachen von dem Zeugnisverweigerungsrecht umfaßt werden. Im übrigen kann es auch keinen Unterschied machen, ob der Mandant dem Zeugnisverweigerungsberechtigten telefonisch Mitteilungen und Anmerkungen aus dem Inhalt von Unterlagen durchgibt und der Zeugnisverweigerungsberechtigte sich hier über gem. § 97 Abs. 1 Nr. 2 StPO geschützte Aufzeichnungen fertigt oder die Unterlagen unmittelbar dem Zeugnisverweigerungsberechtigten zur Prüfung überläßt (LR-Schäfer, a.a.O., Rdnr. 48). Schließlich spricht für diese Auffassung auch die im Gesetzgebungsverfahren erfolgte Begründung zum Regierungsentwurf, wonach die dem Anwalt übergebenen Dokumente ausdrücklich als schützenswerte Gegenstände i. S. v. § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO genannt sind, soweit sich das Zeugnisverweigerungsrecht auf diese Unterlagen erstreckt (BT-Drucks. I Nr. 3713 S. 49). Die dem Verteidiger übergebenen Bankunterlagen sind daher andere Gegenstände i. S. v. § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO.
c) aa) Eine Ausnahme von der Beschlagnahmefreiheit ergibt sich zunächst nicht aus dem Buchführungs- und/oder Steuerrecht, insbes. der zu Steuerunterlagen entwickelten Rspr. Insoweit wird zwar die Auffassung vertreten, daß Steuerunterlagen, zu deren Aufbewahrung der Besch. gesetzlich verpflichtet ist, nicht das Vertrauensverhältnis betreffen, weil der Gesetzgeber die Vertraulichkeit solcher Unterlagen nicht anerkennt.Davon erfaßt werden insbes. die entsprechenden Belege und Bilanzen, die für behördliche Überprüfungen zur Verfügung stehen müssen. Insoweit hätten zwar die Besch. im Rahmen des Steuerveranlagungsverfahrens gem. § 85, 88, 90, 92, 93 AO zur Begründung ihrer Angaben in den Steuererklärungen der Finanzbehörde im Rahmen ihrer gesetzlich normierten Überprüfungs- und Nachweispflicht die Bankunterlagen zumindest teilweise vorlegen müssen, was - ohne dies zu entscheiden - die Auffassung stützt, daß diese Beweismittel, sofern sie im Gewahrsam eines Steuerberaters sind - analog den Buchführungsunterlagen - beschlagnahmt werden können.Anders ist dies jedoch zu beurteilen, wenn der Steuerpflichtige im Steuerstrafverfahren seinem Verteidiger die Bankunterlagen zu Verteidigungszwecken überlassen hat. Denn dann wird das Beschlagnahmeprivileg des § 97 StPO mit seinen Einschränkungen durch das in § 148 StPO verbürgte unbeschränkte und unüberwachte Verkehrsrecht zwischen Mandant und Verteidiger überlagert.
Gewährleistet ist letzteres jedoch nur dann, wenn sowohl die Kommunikation zwischen Beschuldigtem und seinem Verteidiger als auch die Mittel und Ergebnisse dieser Kommunikation gegen den Zugriff durch die Strafverfolgungsorgane abgeschirmt sind (Kohlmann, a.a.O., Rdnr. 202; SK-Rudolphi, a.a.O., Rdnr. 49). Dies folgt aus der prozessualen Funktion des Verteidigers, der die ihm gesetzlich zugewiesene Aufgabe nur dann sinnvoll wahrnehmen kann, wenn er den Sachverhalt, um den es im Ermittlungsverfahren geht, kennt und hierbei ggf. auf die von ihm vom Mandanten überlassenen Unterlagen angewiesen ist. Dieser Grundsatz der freien Verteidigung wäre erheblich eingeschränkt, wenn der Besch. befürchten müßte, daß die seinem Verteidiger überlassenen Unterlagen jederzeit der Beschlagnahme durch die Ermittlungsbehörden unterlägen. Schließlich betreffen diese dem Verteidiger zu Verteidigungszwecken überlassenen Unterlagen nach ihrem Aussagegehalt auch das Vertrauensverhältnis zwischen den Besch. und dem Verteidiger. Anders als bei den im Gewahrsam des Steuerberaters aufgrund der Erfüllung gesetzlicher Aufbewahrungs- und Buchführungspflichten befindlichen Geschäftsunterlagen sind dem Verteidiger zu Verteidigungszwecken übergebene Geschäftsunterlagen nicht in Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen, sondern gerade aufgrund des zwischen ihm und dem Besch. bestehenden Vertrauensverhältnisses überlassen worden.
bb) Eine Ausnahme von der Beschlagnahmefreiheit ergäbe sich allenfalls dann, wenn die Unterlagen dem Verteidiger nicht für die Zwecke der Verteidigung übergeben worden sind. Dies ist bspw. der Fall, wenn der Besch. einem Anwalt die Unterlagen lediglich zur Aufbewahrung übergibt, ohne ihn gleichzeitig mit seiner Verteidigung zu beauftragen, oder wenn er seinem Verteidiger die Unterlagen zwar überläßt, diese zugleich aber seiner Kenntnisnahme entzogen werden (z. B. durch Verschluß in einer Kassette [ Haffke NJW 1975 S. 810; SK-Rudolphi, a.a.O., Rdnr. 47; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., Rdnr. 39]). Gleiches gilt, wenn der Besch. seinem Verteidiger das Beweismaterial zum bloßen Verstecken übergibt, um sie dem Zugriff der Strafverfolgungsorgane zu entziehen (KK-Nack, a.a.O., Rdnr. 20; SK-Rudolphi, a.a.O., Rdnr. 47, m. w. N.). Voraussetzung wäre jedoch, daß der Mandant allein mit dem Motiv des Versteckens gehandelt hat. Erst recht reicht der einfache Verdacht dahingehend, daß die Unterlagen nicht zu Verteidigungszwecken übergeben worden seien, nicht aus (KK-Nack, a.a.O., Rdnr. 20). Im vorliegenden Fall besteht aber allenfalls ein solcher einfacher Verdacht. Dabei mag dahingestellt bleiben, ob die Kammer Umstände, die erst im Rahmen der Durchsuchung bekannt werden, in diesem Zusammenhang überhaupt verwerten darf (zum Teilnahmeverdacht verneinend:LR-Schäfer, a.a.O., Rdnr. 26). Denn selbst wenn unterstellt wird, daß im Rahmen der Durchsuchung bekannt gewordene Umstände verwertet werden können, bleibt es dabei, daß allenfalls ein einfacher Verdacht besteht. Zwar ist auffällig, daß die vom Bf. im Rahmen von sog. Bankenverfahren angelegten 80 Handakten auch nach seiner eigenen Einlassung gegen über den Steuerprüfern immer gleich aussehen, also aus wenigen ungeordneten Schriftstücken bestehen, ohne Belege und ohne Aufstellung von Kapitalerträgen.Auch befindet sich die vom besch. Ehemann gefertigte Aufstellung, die nach Erklärungen des besch. Ehemanns dem Bf. übergeben worden ist, gerade nicht bei den Handakten. Diese Umstände erlauben jedoch nicht den Schluß darauf, daß von der Finanzbehörde gesuchte Unterlagen dem Bf. nicht zu Verteidigungszwecken übergeben worden sind. Auch die Bg. hält es aufgrund ihrer langjährigen fahndungsdienstlichen Erfahrungen für naheliegend, daß dem Verteidiger Buchführungsunterlagen oder Belegmaterial übergeben worden ist, um weitere verfahrensrechtliche Schritte zu erwägen und auszuführen.
Dies deutet dann aber darauf hin, daß die Übergabe zu Verteidigungszwecken erfolgte.
cc) Umstritten ist, ob eine Ausnahme von der Beschlagnahmefreiheit ebenfalls dann anerkannt werden kann, wenn der Verteidiger seine privilegierte Stellung offensichtlich mißbraucht, um Akten, Schriftstücke oder andere Gegenstände dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden zu entziehen (zustimmend Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., Rdnr. 39 m. w. N.; LR StPO, 23. A., § 97 Rdnr. 45; Bringewat NJW 1974, S. 1743; SK-Rudolphi, a.a.O., Rdnr. 47; LR-Schäfer, a.a.O., § 97 Rdnr. 61; kritisch und im Ergebnis offen gelassen: OLG Frankfurt/M.StV 1982, S. 64).
Ob eine solche Einschränkung des Beschlagnahmeverbots des § 97 StPO anzuerkennen ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, da derartige auf Mißbrauch deutende besondere Umstände vom Bg. weder vorgetragen noch im übrigen ersichtlich sind.
Soweit die Auffassung vertreten wird, ein offensichtlicher Mißbrauch läge schon dann vor, wenn der Verteidiger die Unterlagen ?ohne sachlichen Grund' nicht herausgebe, etwa, wenn er sie weiter aufbewahre, obwohl er nach Ablauf eines angemessenen Zeitraumes, in dem er genügend Gelegenheit hatte, das Material zu studieren und das Wesentliche ggf. zu fotokopieren, diese Unterlagen an den Besch. zurückgeben könnte, ist dem jedenfalls im allgemeinen nicht zuzustimmen (ebenso LR StPO, 23. A., a.a.O., Rdnr. 45; Bringewat, a.a.O.). Zum einen dürfte die Bestimmung der ?angemessenen Zeit' in der Praxis auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen, ist doch davon auszugehen, daß das die Durchsuchung anordnende Gericht in der Regel nicht über die für die Bestimmung der ?angemessenen Zeit' erforderlichen Kenntnisse - etwa den Umfang und die Komplexität der Unterlagen, Arbeitsbelastung des Verteidigers - verfügt und ggf. die Zweckmäßigkeit und Pflichtmäßigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nachzuprüfen hätte. Dies erscheint im Hinblick auf Art. 12 GG (BVerfG NJW 1967 S. 2051, wonach die § 1, 3 Abs. 1 BRAO wegen Art. 12 GG keinen Eingriffstatbestand für den Fall enthalten, daß ein Anwalt dem Leitbild der BRAO nicht entspricht) und mit Rücksicht auf das Bestimmtheitsgebot verfassungsrechtlich bedenklich.Zum anderen spricht dagegen der Wortlaut des § 97 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 StPO, der weder eine Rechtspflicht des Verteidigers zur Herausgabe der Unterlagen, noch die Beschlagnahmefähigkeit dieser Unterlagen bei Nichtherausgabe normiert (Haffke, a.a.O.; LR-Schäfer, a.a.O., Rdnr. 61).
dd) Mit-Gewahrsam der Besch., der gem. § 97 Abs. 2 S. 1 StPO die Beschlagnahmefreiheit entfallen ließe (BGHSt 19, 374), scheidet ebenfalls aus. Der Herausgabeanspruch des Besch. gegen über seinem Verteidiger hinsichtlich der diesem überlassenen Unterlagen begründet keinen Mitgewahrsam des Besch. (KK-Nack, a.a.O., Rdnr. 8, 17; LR-Schäfer, a.a.O., Rdnr. 20; Kohlmann, a.a.O., Rdnr. 196; LR-Schäfer, a.a.O., Rdnr. 19; a. A. LG Aachen MDR 1981, 603; NJW 1985, 338; Biermanns, MDR 1981, 102). Denn allein der Anspruch des Besch. auf Herausgabe der Unterlagen begründet noch keine faktische Verfügungsherrschaft über die Beweismittel, da es an einer unmittelbaren tatsächlichen Zugriffsmöglichkeit fehlt. Die gegenteilige Auffassung verkennt hierbei den Unterschied zwischen Gewahrsam und (mittelbaren) Besitz.
d) Ein Ausschluß der Beschlagnahmefreiheit nach § 97 Abs. 2 S. 3 StPO liegt ebenfalls nicht vor.
aa) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Aufhebung des Beschlagnahmeverbots bei Teilnahmeverdacht oder bei Verdacht der Begünstigung, Strafvereitelung, Hehlerei wegen der abschließenden Regelung der § 138 a ff., 148 StPO für den Verteidiger während einer bestehenden Verteidigung nicht gilt (LR-Schäfer, a.a.O., Rdnr. 58 ff.) oder im Hinblick auf § 148 StPO zumindest gewichtige Anhaltspunkte einer Tatbeteiligung erforderlich, aber auch ausreichend sind (BGH NJW 1973 S. 2035; NStZ 1983 S. 85; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., Rdnr. 38, KK-Nack, a.a.O., Rdnr. 33 mit Übersicht über den Streitstand), da vorliegend solche erheblichen Verdachtsmomente - wie bereits ausgeführt - nicht vorhanden sind.
bb) Bei den gesuchten Unterlagen handelt es sich auch nicht um Deliktsgegenstände, d. h. Tatwerkzeuge oder durch die Tat hervorgebrachte oder erlangte Gegenstände.
Entgegen der Auffassung von Kohlmann (vgl. Kohlmann, a.a.O., Rdnr. 202), wonach während eines bestehenden Verteidigungsmandates wegen § 148 StPO auch Unterlagen, die als Tatwerkzeuge gelten, von der Beschlagnahme ausgenommen sind, hindert der Grundsatz des freien ungehinderten Verkehrs zwischen Verteidiger und Besch. nicht die Beschlagnahme der oben genannten Gegenstände. Denn hierbei handelt es sich um die producta et instrumenta sceleris der § 73, 74 StGB, die als Verfalls- oder Einziehungsgegenstände ohnehin schon in das Strafverfahren verstrickt sind und für die es ein § 97 StPO entsprechendes Beschlagnahmeverbot nicht gibt (vgl. § 111 b ff. StPO). Daher müssen diese Gegenstände auch im Strafverfahren als Beweismittel zur Verfügung stehen (vgl.LR-Schäfer, a.a.O., Rdnr. 28; SK-Rudolphi, a.a.O., § 97 Rdnr. 52). Dies ergibt sich auch aus der amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf zu § 97 StPO (BT-Drucks. I Nr. 3713 S. 49), wonach producta und instrumenta sceleris wegen des Schutzes der Öffentlichkeit in jedem Fall beschlagnahmefähig sein sollen.
Eine derartige Ausdehnung des Beschlagnahmeverbots wird somit von dem Recht auf Anerkennung der Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit der Vertrauensbeziehung zwischen dem Besch. und seinem Verteidiger nicht mehr umfaßt.
Gebraucht oder bestimmt zur Begehung einer Straftat sind aber nur solche Gegenstände, die nach dem Täterplan in irgendeiner Phase - dies kann auch die Vorbereitungsphase sein - zu der Tatausführung im weiteren Sinne Verwendung gefunden haben oder Verwendung finden sollten (vgl. LR-Schäfer, a.a.O., Rdnr. 31; KK-Nack, a.a.O., Rdnr. 36).
Diese Voraussetzung liegt bei den im Durchsuchungsbeschl. genannten und aufzuspürenden Gegenständen nicht vor. Denn die gesuchten Bank- und Kontounterlagen sind bei der zur Last gelegten Steuerhinterziehung weder unmittelbar noch mittelbar benutzt worden. Die den Besch. vorgeworfene Tatausführung soll in der nicht korrekten Erklärung ihrer Kapitaleinnahmen gegen über dem Finanzamt Fulda bestehen. Die Abgabe unrichtiger Steuererklärungen führt zu einer Steuerverkürzung, wenn der Steuerpflichtige einzelne steuerbegründende oder -erhöhende Tatsachen weggelassen oder nicht berücksichtigt hat oder wenn der Steuerpflichtige steuerbefreiende oder -mindernde Tatsachen vorgetäuscht hat. Der Zeitfolge nach kann das Weglassen steuererhöhender Tatsachen oder das Vortäuschen steuermindernder Tatsachen - von der Abgabe der Steuererklärung rückwärts betrachtet - entweder erst durch fehlerhaftes Ausfüllen der Erklärungsvordrucke vollzogen werden oder schon durch fehlerhafte oder unterlassene Buchungen und/oder eine entsprechend unrichtige Gewinnermittlung vorbereitet oder noch früher bereits dadurch angebahnt worden seien, daß zum Zweck der Steuerminderung bestimmende Rechtsgeschäfte nur zum Schein vorgenommen waren oder durch Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten verwirklicht wurden (Franzen-Gast-Joecks, Steuerstrafrecht, 4. A., § 370 Rdnr. 133). Die Ermittlung der Fehlerquelle(n) einer unrichtigen Steuererklärung ist in diesem Zusammenhang bedeutsam für die Frage, ob Unterlagen, Belege, Schriftstücke etc. als Tatwerkzeuge in Betracht kommen. Dies ist dann der Fall, wenn die Unterlagen die Fehlerquelle der falschen Steuererklärung bilden (z. B. manipulierte Belege, fehlerhafte Buchführung, falsche Bilanzen etc.).
Hier liegt der Fehler jedoch erst und allein in der Steuererklärung selbst. Es ist weder ersichtlich noch durch die Finanzbehörde dargetan, daß die nicht buchführungspflichtigen Besch. hierbei die (echten) Belege tatsächlich benutzt haben sollen.Zur Abgabe der falschen Steuererklärung bedurfte es gerade nicht dieser Unterlagen. Voraussetzung zur Qualifizierung eines Gegenstandes als Tatwerkzeug ist jedoch der Umstand, ob er als Mittel zur Begehung der Tat - angefangen von deren Vorbereitung bis zu deren Beendigung - eingesetzt worden ist (Schönke/Schröder, StGB, 25. A., § 74 Rdnr. 10; Tröndle/Fischer, StGB, 49. A., § 74 Rdnr. 6 f.). Bei Anfertigung der inhaltlich falschen Steuererklärung durch Verschweigen von Kapitaleinnahmen sind die gesuchten Bank- und Kontounterlagen jedoch nicht tatsächlich benutzt und hierzu als Mittel eingesetzt worden. Die den Besch. vorgeworfene Steuerhinterziehung ist geradezu Folge der Nichtverwendung der Bank- und Kontounterlagen mit den sich daraus ergebenden Kapitaleinkünften (so auch im Ergebnis LG Stuttgart DStR 1997, S. 1449 - jedoch ohne ausdrückliche Erörterung des Begriffes eines ?Tatwerkzeugs'). Denn hätten die Besch. die gesuchten (echten) Unterlagen bei Erstellung der Steuererklärung tatsächlich berücksichtigt bzw. gebraucht, wäre es zu einer inhaltlich korrekten Steuererklärung und damit gerade nicht zu einer Steuerhinterziehung gekommen.
Soweit die Finanzbehörde - in Übereinstimmung mit Leise, Steuerverfehlungen, Anm. 93 zu § 399 AO; ebenso Schäfer in LR, a.a.O., Rdnr. 31; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., Rdnr. 22 - die Rechtsauffassung vertritt, bei der Steuerhinterziehung seien die Buchhaltungsunterlagen Tatwerkzeuge und damit beschlagnahmefähig, da sie erst die Unrichtigkeit der Angaben in der Steuererklärung ermöglichen, kann dem nicht ohne Einschränkung gefolgt werden. Die in den genannten Kommentierungen zitierten Entscheidungen des OLG Hamburg in MDR 1981 S. 603 und LG Aachen in NJW 1985, S. 339 und MDR 1981 S. 603, betreffen von den Angekl. bei der Steuerhinterziehung benutzte und dazu angefertigte inhaltlich falsche Buchhaltungsunterlagen. Im einzelnen handelt es sich zum einen um von den Besch. zum Zwecke der Steuerhinterziehung erstellte inhaltlich falsche Aufzeichnungen, die dann Grundlage der Buchungsvorgänge waren, auf denen wiederum die von den Besch. veranlaßten unrichtigen Steuererklärungen beruhten, zum anderen betraf es unterfakturierte Rechnungen, mit deren Hilfe Eingangsabgaben hinterzogen werden sollten.
Diese Fälle sind mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar, handelt es sich im vorliegenden Fall doch gerade nicht um zum Zwecke der Steuerhinterziehung von den Besch. angefertigte und benutzte falsche Unterlagen, während die oben genannten manipulierten Papiere die Fehlerquellen der unrichtigen Steuererklärungen bildeten.
Die Auffassung von Freund (in NJW 1976 S. 2002 [2004]), wonach für die Benutzung der fraglichen Gegenstände deren Kenntnisnahme ausreiche, wenn dadurch der Anstoß für den inkriminierenden Täterplan gegeben worden sei, ist nicht überzeugend. Denn das Gebrauchen einer Sache setzt deren tatsächliche Verwendung als Mittel zur Begehung der Tat voraus. Dies ist nicht der Fall, wenn der fragliche Gegenstand lediglich den Tatentschluß gefördert hat, bei der Tatausführung jedoch weder benutzt worden noch hierzu vorgesehen und bereitgestellt gewesen ist (vgl. Gehre, NJW 1977, 710; ähnlich LG Stuttgart NJW 1976, 2030; Schönke/Schröder, a.a.O., Rdnr. 12; KK-Nack, a.a.O., Rdnr. 36; LR-Schäfer, a.a.O., Rdnr. 31, wonach richtige Unterlagen, die zur Fälschung einer Bilanz im Rahmen eines Kreditbetruges benutzt worden sind, im Gegensatz zu der gefälschten Bilanz selbst keine Tatwerkzeuge darstellen sollen).
Die gesuchten Unterlagen, bei denen es sich sämtlich um richtige Belege und nicht um gefälschte Aufzeichnungen handelt, sind daher bloße Beweismittel, jedoch keine Tatwerkzeuge. Die den Besch. zur Last gelegte Tathandlung i. S. v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO besteht in der unrichtigen oder unvollständigen Angabe von Tatsachen. Hierzu können echte, d. h. inhaltlich richtige Belege schon von ihrer Natur her nicht als Tatmittel Verwendung finden, da ihr Erklärungsinhalt gerade nicht falsch ist. Als Tatmittel in Betracht kämen daher im vorliegenden Fall lediglich gefälschte Belege, d. h. solche Unterlagen, deren Erklärungsinhalt im Widerspruch zur Wirklichkeit stehen (Franzen-Gast-Joecks, a.a.O., § 399 Rdnr. 42). Ob eine Ausnahme dann anzunehmen ist, wenn die richtigen Belege als Vorlage zur Anfertigung gefälschter Unterlagen dienen, kann mangels entsprechender Anhaltspunkte im vorliegenden Fall dahinstehen.
Tatwerkzeug ist daher im vorliegenden Fall lediglich die abgegebene Steuererklärung.
cc) Die gesuchten Unterlagen sind desweiteren weder durch die zur Last gelegte Straftat hervorgebracht, noch rühren sie aus dieser her.
Hervorgebracht durch eine Straftat sind nur solche Gegenstände, die durch die Tat entstanden sind oder deren jetzige Beschaffenheit auf die Tat zurückzuführen ist. Aus einer Straftat herrühren nur solche Gegenstände, die dem Verfall nach § 73 StGB unterliegen, also Vorteile, die für die Tat oder aus der Tat erlangt sind (vgl. LR-Schäfer, a.a.O., Rdnr. 30, 32). Beide Alternativen treffen auf die gesuchten Unterlagen nicht zu.
e) Soweit sich der Bg. auf eine Entscheidung des OLG Hamm im Beschl. v. 23. 6. 1988 (NStE 89, Nr. 3 zu § 103 StPO) und die Kommentierung bei Laufhütte (in KK, 2. A., Anm. 15) stützt, vermag dies eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen.
Die Entscheidung des OLG Hamm betrifft die Überprüfung der Art und Weise einer Durchsuchung im Rahmen des Antrags auf gerichtliche Entscheidung gem. § 23 EGGVG. Gegenstand dieser Entscheidung ist daher nicht die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung, sondern lediglich die Überprüfung der ordnungsgemäßen Durchführung der angeordneten Durchsuchung.
Die weitere Auffassung, Beweismittel könnten nicht dadurch der Beschlagnahme entzogen werden, daß der Besch. sie zur Verteidigungsunterlage erklärt, etwa dadurch, daß er das Beweismittel einem Schreiben seinem Verteidiger beifügt (BGH StV 98, 246; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., Rdnr. 37), betrifft die Frage der Reichweite der verfassungskonformen Erweiterung von § 97 StPO, nämlich, ob im Hinblick auf § 148 StPO auch in der Hand des Besch. oder auf dem Postweg befindliche Beweismittel Verteidigungsunterlagen i. S. d. § 148 StPO darstellen können und damit gem. § 97 Abs. 1 StPO i. V. m. § 148 StPO beschlagnahmefrei wären. Hiervon unberührt bleibt die vorliegende Frage, wie es sich mit Beweismitteln verhält, die sich bereits in der Hand des Verteidigers befinden.
3) Die gesuchten Unterlagen unterfallen daher der Beschlagnahmefreiheit gem. § 97 StPO, weswegen die zum Auffinden dieser Beweismittel angeordnete richterliche Durchsuchung der Kanzleiräume rechtswidrig ist. ..."
***
Die Beschlagnahme des Schriftwechsels zwischen dem Verteidiger und seinem Mandanten und des sonstigen vom Beschuldigten erarbeiteten Verteidigungsmaterials ist auch dann rechtswidrig, wenn sich diese Unterlagen beim Beschuldigten befinden (LG Mainz NStZ 1986, 473).
Außenwirtschaftsgesetz - Straftaten § 34 AWG
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer ohne Genehmigung
1. in Teil I Abschnitt A oder
2. in Teil I Abschnitt C Kategorie 0, Kategorie 1 Nr. 1C350, 1C351, 1C352, 1C353, 1C354, Kategorie 2 Nr. 2B350, 2B351 oder 2B352
der Ausfuhrliste ( Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung ) genannte Güter ausführt oder verbringt. Ebenso wird bestraft, wer ohne Genehmigung in Satz 1 Nr. 2 genannte Güter aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausführt, wenn der Ausführer im Wirtschaftsgebiet niedergelassen ist.
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine in § 33 Abs. 1 oder 4 bezeichnete vorsätzliche Handlung begeht, die geeignet ist,
1. die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland,
2. das friedliche Zusammenleben der Völker oder
3. die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich
zu gefährden, wenn die Tat nicht in Absatz 1 oder 4 mit Strafe bedroht ist.
(3) Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 die Ausfuhr oder die Verbringung dadurch fördert, dass er die Güter zur Verfügung stellt.
(4) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer
1. einer Rechtsverordnung nach § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 5 oder § 7 Abs. 1 oder 3 Satz 1 zuwiderhandelt, die der Durchführung
a) einer vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen oder
b) einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist und die Tat nicht in Absatz 6 Nr. 3 mit Strafe bedroht ist, oder
2. einem im Bundesanzeiger veröffentlichten, unmittelbar geltenden Ausfuhr-, Verkaufs-, Liefer-, Bereitstellungs-, Weitergabe-, Dienstleistungs-, Investitions-, Unterstützungs- oder Umgehungsverbot eines Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaften zuwiderhandelt, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient.
(5) In den Fällen der Absätze 1, 2 und 4 ist der Versuch strafbar.
(6) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer
1. durch eine in Absatz 1 oder 2 bezeichnete Handlung
a) die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt,
b) das friedliche Zusammenleben der Völker stört oder
c) die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich stört,
2. eine in Absatz 1, 2 oder 4 bezeichnete Handlung gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Straftaten verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht,
3. eine in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht und dadurch einem im Bundesanzeiger veröffentlichten Ausfuhrverbot der dort genannten Güter zuwiderhandelt, das in
a) einer Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen oder
b) einem Rechtsakt der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
enthalten ist oder
4. eine in Absatz 4 bezeichnete Handlung begeht, die geeignet ist,
a) die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland,
b) das friedliche Zusammenleben der Völker oder
c) die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich
zu gefährden.
(7) Handelt der Täter in den Fällen der Absätze 1, 2 oder 4 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
(8) Ohne Genehmigung im Sinne des Absatzes 1 handelt auch, wer auf Grund einer durch Drohung, Bestechung oder durch Zusammenwirken eines Amtsträgers mit dem Antragsteller zur vorsätzlichen Umgehung der Genehmigungsvoraussetzung erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Genehmigung handelt. Satz 1 gilt in den Fällen der Absätze 2 und 4 entsprechend.
Ausschluss der Öffentlichkeit
Die Öffentlichkeit kann in folgenden Fällen ausgeschlossen werden:
Ausschluss der Öffentlichkeit in Unterbringungssachen § 171a GVG
Die Öffentlichkeit kann für die Hauptverhandlung oder für einen Teil davon ausgeschlossen werden, wenn das Verfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Erziehungsanstalt, allein oder neben einer Strafe, zum Gegenstand hat.
Siehe auch unter ?Absolute Revisionsgründe - Öffentlichkeit (Ziffer 6)".
***
Ausschluss der Öffentlichkeit bei Erörterung des persönlichen Lebensbereichs § 171b GVG
(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozeßbeteiligten, Zeugen oder durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 des Strafgesetzbuches) Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde, soweit nicht das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Dies gilt nicht, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, in der Hauptverhandlung dem Ausschluß der Öffentlichkeit widersprechen.
(2) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 vorliegen und der Ausschluß von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird.
(3) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 und 2 sind unanfechtbar.
Leitsätze/Entscheidungen:
Beschließt das Gericht, die Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung während der Vernehmung von zwei Zeugen auszuschließen, weil Dinge aus der Persönlichkeit der Zeugen zur Sprache kämen, ist der Grundsatz der Öffentlichkeit verletzt, wenn noch vor Wiederherstellung der Öffentlichkeit u. a. ein die Strafverfolgung beschränkender Beschluß verkündet und ein rechtlicher Hinweis erteilt wird, da dies nicht mehr zu dem Verfahrensabschnitt der Zeugenvernehmung gehört (BGH StV 1996, 641).
Siehe auch unter ?Absolute Revisionsgründe - Öffentlichkeit (Ziffer 6)".
***
Ausschluss der Öffentlichkeit § 172 GVG
Das Gericht kann für die Verhandlung oder für einen Teil davon die Öffentlichkeit ausschließen, wenn
1. eine Gefährdung der Staatssicherheit, der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit zu besorgen ist,
1 a. eine Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit eines Zeugen oder einer anderen Person zu besorgen ist,
2. ein wichtiges Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs- oder Steuergeheimnis zur Sprache kommt, durch dessen öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzt würden,
3. ein privates Geheimnis erörtert wird, dessen unbefugte Offenbarung durch den Zeugen oder Sachverständigen mit Strafe bedroht ist,
4. eine Person unter sechzehn Jahren vernommen wird.
Leitsätze/Entscheidungen:
?...1. Die Rüge, die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens seien verletzt worden, weil die Vorsitzende in der Sitzungsverfügung Personen unter 16 Jahren den Zutritt versagt habe, ist unbegründet. Ist - wie hier - die Sicherheit im Gerichtsgebäude nicht ohne weiteres gewährleistet, dürfen im Rahmen einer Sicherheitsverfügung Maßnahmen, die den Zugang zu einer Gerichtsverhandlung regeln, getroffen werden, wenn für sie ein verständlicher Anlass besteht, wobei die Entscheidung hierüber im pflichtgemäßen Ermessen des die Sitzungspolizei ausübenden Vorsitzenden steht (BGHSt 27, 13 ff.).
Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass die Vorsitzende in Ziffer 2 dieser Verfügung Personen, die jünger als 16 Jahre sind, den Zugang generell versagt hat. Nach § 175 Abs. 1 GVG war sie befugt, unerwachsene Personen von der Teilnahme an der Hauptverhandlung auszuschließen. Dass sie diese Befugnis im Rahmen einer Sicherheitsverfügung pauschal in der Weise ausgeübt hat, dass damit junge Menschen, die mehr als zwei Jahre unter der Volljährigkeitsgrenze sind, allgemein erfasst wurden, zeigt keinen Rechtsfehler auf. In Anbetracht der erforderlichen umfangreichen und personalintensiven Eingangskontrollen, die Wachtmeistern und Polizeikräften übertragen werden mussten, kann jedenfalls für diese Altersgruppe, bei der eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Fehlen der Erwachsenenreife spricht, eine individuelle Prüfung dieser Reife durch das Gericht nicht gefordert werden. Die Entscheidung des Reichsgerichts in RGSt 47, 375 f. steht dem nicht entgegen, da ihr keine vergleichbare Situation, die eine Sicherheitsverfügung erforderlich machte, zugrunde lag. Im Übrigen betraf sie 17-jährige Zuschauer und hatte für diese das Erfordernis einer individuellen Prüfung mit spezifischen Argumenten für diese Altersgruppe begründet (Heiratsfähigkeit, Zulassung zum Militärdienst). ..." (BGH, Beschluss vom 20.04.2006 - 3 StR 284/05).
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Der Ausschluß der Öffentlichkeit für die Dauer der Vernehmung kindlicher Zeugen nach § 172 Nr. 4 GVG umfaßt alle Verfahrensvorgänge, die mit der Vernehmung in enger Verbindung stehen oder sich aus ihnen entwickeln und daher zu diesem Verfahrensabschnitt gehören. Das gilt insbesondere auch für die Beschlußfassung nach § 247 StPO wie für die vorangegangenen Erörterungen hierüber und die Unterrichtung des Angeklagten nach Vernehmung des Zeugen (BGH NStZ 1994, 354).
Siehe auch unter ?Absolute Revisionsgründe - Öffentlichkeit (Ziffer 6)".
Ausschluss der Öffentlichkeit - Verhandlung über Ausschluss der Öffentlichkeit, Schweigepflicht § 174 GVG
(1) Über die Ausschließung der Öffentlichkeit ist in nicht öffentlicher Sitzung zu verhandeln, wenn ein Beteiligter es beantragt oder das Gericht es für angemessen erachtet. Der Beschluß, der die Öffentlichkeit ausschließt, muß öffentlich verkündet werden; er kann in nicht öffentlicher Sitzung verkündet werden, wenn zu befürchten ist, daß seine öffentliche Verkündung eine erhebliche Störung der Ordnung in der Sitzung zur Folge haben würde. Bei der Verkündung ist in den Fällen der §§ 171 b, 172 und 173 anzugeben, aus welchem Grund die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden ist.
(2) Soweit die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit ausgeschlossen wird, dürfen Presse, Rundfunk und Fernsehen keine Berichte über die Verhandlung und den Inhalt eines die Sache betreffenden amtlichen Schriftstücks veröffentlichen.
(3) Ist die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit oder aus den in §§ 171 b und 172 Nr. 2 und 3 bezeichneten Gründen ausgeschlossen, so kann das Gericht den anwesenden Personen die Geheimhaltung von Tatsachen, die durch die Verhandlung oder durch ein die Sache betreffendes amtliches Schriftstück zu ihrer Kenntnis gelangen, zur Pflicht machen. Der Beschluß ist in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen. Er ist anfechtbar. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.
Leitsätze/Entscheidungen:
Der Ausschluß der Öffentlichkeit ist rechtsfehlerhaft, wenn der zwingend vorgeschriebene Gerichtsbeschluß nicht ergangen oder jedenfalls nicht verkündet worden ist. Die Anordnung des Vorsitzenden kann den Beschluß nicht ersetzen (BGH StV 2000, 242 f).
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH muß das LG auch dann gem. § 174 I S. 3 GVG angeben, aus welchem Grund die Öffentlichkeit für die Verlesung eines Beweisantrags ausgeschlossen worden ist, wenn dieser auf Grund des Verlaufs der Hauptverhandlung offenkundig war. Der Senat neigt dazu, an dieser strengen Rechtsprechung in solchen Fällen nicht festzuhalten, in denen der Angeklagte selbst nach § 171b I S. 1 GVG den Ausschluß beantragt hatte, deshalb die Ausschließung nach § 171b II GVG für das Gericht zwingend gewesen und der Ausschließungsgrund für die übrigen Verfahrensbeteiligten und die Zuhörer im Gerichtssaal eindeutig erkennbar war (BGH NStZ 1999, 372).
Nach § 174 Abs. 1 Satz 3 GVG ist in den Fällen der §§ 171 b GVG, 172 GVG, 173 GVG bei Verkündung des die Öffentlichkeit ausschließenden Beschlusses anzugeben, aus welchem Grund die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden ist. Die Begründung muß den maßgebenden Grund eindeutig erkennen lassen. Die Angabe des Ausschließungsgrundes mit dem Gesetzeswortlaut oder der Gesetzesvorschrift ist nur dann ausreichend, wenn damit der Grund der Ausschließung eindeutig gekennzeichnet ist. Dem Begründungsgebot des § 174 Abs. 1 Satz 3 GVG wird auch dann Genüge getan, wenn der Beschluß lediglich auf eine Gesetzesbestimmung verweist, die nur einen einzigen Ausschließungsgrund enthält oder die in Bezug genommene Alternative zweifelsfrei erkennen läßt (BGH StV 1996, 134 f).
Der Senat neigt dazu, eine Bezugnahme auf einen in öffentlicher Hauptverhandlung hinreichend begründeten Antrag auf Ausschließung der Öffentlichkeit in dem die Öffentlichkeit ausschließenden Beschluß ausreichen zu lassen, weshalb die Rüge eines verfahrenswidrigen Öffentlichkeitsausschlusses den Inhalt des entsprechenden Antrages der Staatsanwaltschaft, auf den sich das Gericht bezieht, mitteilen müßte (BGH StV 1994, 641).
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Siehe auch unter ?Absolute Revisionsgründe - Öffentlichkeit (Ziffer 6)" und ?Öffentlichkeit der Verhandlung".
Ausschluss der Öffentlichkeit zum Schutz von Persönlichkeitsrechten § 171 b GVG
(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, Zeugen oder durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 des Strafgesetzbuches) Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde, soweit nicht das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Dies gilt nicht, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, in der Hauptverhandlung dem Ausschluss der Öffentlichkeit widersprechen.
(2) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 vorliegen und der Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird.
(3) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 und 2 sind unanfechtbar.
Leitsätze/Entscheidungen:
Nach § 171b GVG darf die Öffentlichkeit auch während der Verlesung des Anklagesatzes von der Verhandlung ausgeschlossen werden. Die Zustimmungserklärung der Staatsanwaltschaft zu dem Verständigungsvorschlag des Gerichts ist als gestaltende Prozesserklärung unanfechtbar und unwiderruflich. Das Entfallen der Bindungswirkung der Verständigung für das Gericht nach § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO tritt nicht kraft Gesetzes ein, sondern erfordert eine dahingehende gerichtliche Entscheidung (BGH, Urteil vom 21.06.2012 - 4 StR 623/11).
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?... Die auf § 338 Nr. 6 StPO gestützte Rüge, die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens seien verletzt, weil das LG die Öffentlichkeit bei der Vernehmung der Zeugin S mit unzureichender Begründung ausgeschlossen habe, hat keinen Erfolg. Ausweislich des Sitzungsprotokolls hatte der die Zeugin begleitende RA für die Beantwortung einer Frage beantragt, die Öffentlichkeit auszuschließen. Die StrK fasste daraufhin folgenden Beschluss: ?Die Öffentlichkeit wird gemäß § 171b I und II GVG ausgeschlossen'. Zwar ist der Revision zuzugeben, dass dieser Beschluss der Begründungspflicht nach § 174 I 3 GVG nicht genügt, da weder der konkrete Ausschließungsgrund, noch der Vernehmungskomplex, für den der Ausschluss erfolgen soll, hinreichend bezeichnet ist. Dies führt hier jedoch nicht zur Aufhebung, weil beides im Zusammenhang mit dem sich aus dem Protokoll ergebenden Antrag des Zeugenbevollmächtigten und der angegebenen Gesetzesvorschrift für alle Verfahrensbeteiligten sowie die im Gerichtssaal anwesenden Zuhörer auf der Hand lag, zumal der Ausschluss in den Fällen des § 171b II GVG nicht im Ermessen des Gerichts steht, sondern zwingend anzuordnen ist. Denn nicht jede formale Verletzung der Begründungsvorschriften stellt einen absoluten Revisionsgrund dar (vgl. BGHSt 45, 117 [120, 121] = NJW 1999, 3060 = NStZ 1999, 474 und den dort zit. Beschl. des Senats v. 12. 11. 1998 - 3 ARs 13/98; ferner BGH, Beschl. v. 26. 7. 2001 - 3 StR 239/01). ..." (BGH, Urteil vom 22.04.2004 - 3 StR 428/03)
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Im Regelfall ist der Verfahrensabschnitt, für den gemäß § 171b I 1 GVG die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden soll, von vornherein genau zu bezeichnen. Ist jedoch abzusehen, daß in der gesamten Beweisaufnahme Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich von Verfahrensbeteiligten oder Zeugen erörtert werden, ist es vertretbar, den Ausschluß der Öffentlichkeit nicht nur für einen bestimmten Teil der Beweisaufnahme vorzusehen, ihn vielmehr unbegrenzt für die Beweisaufnahme anzuordnen (BGH, Urteil vom 23.02.1989 - 4 StR 29/89).
Wird die Öffentlichkeit nach § 171b I 1 GVG ausgeschlossen, so ist der Öffentlichkeitsgrundsatz nicht verletzt, wenn der im Zusammenhang mit der Zeugenaussage stehende Verfahrensvorgang eine Augenscheinseinnahme notwendig macht (BGH, Urteil vom 17.12.1987 - 4 StR 614/87).
Ausschluss des Verteidigers § 138 a StPO
(1) Ein Verteidiger ist von der Mitwirkung in einem Verfahren auszuschließen, wenn er dringend oder in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grade verdächtig ist, daß er
1. an der Tat, die den Gegenstand der Untersuchung bildet, beteiligt ist,
2. den Verkehr mit dem nicht auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten dazu mißbraucht, Straftaten zu begehen oder die Sicherheit einer Vollzugsanstalt erheblich zu gefährden, oder
3. eine Handlung begangen hat, die für den Fall der Verurteilung des Beschuldigten Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei wäre.
(2) Von der Mitwirkung in einem Verfahren, das eine Straftat nach § 129 a, auch in Verbindung mit § 129 b Abs. 1, des Strafgesetzbuches zum Gegenstand hat, ist ein Verteidiger auch auszuschließen, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, daß er eine der in Absatz 1 Nr. 1 und 2 bezeichneten Handlungen begangen hat oder begeht.
(3) Die Ausschließung ist aufzuheben,
1. sobald ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, jedoch nicht allein deshalb, weil der Beschuldigte auf freien Fuß gesetzt worden ist,
2. wenn der Verteidiger in einem wegen des Sachverhalts, der zur Ausschließung geführt hat, eröffneten Hauptverfahren freigesprochen oder wenn in einem Urteil des Ehren- oder Berufsgerichts eine schuldhafte Verletzung der Berufspflichten im Hinblick auf diesen Sachverhalt nicht festgestellt wird,
3. wenn nicht spätestens ein Jahr nach der Ausschließung wegen des Sachverhalts, der zur Ausschließung geführt hat, das Hauptverfahren im Strafverfahren oder im ehren- oder berufsgerichtlichen Verfahren eröffnet oder ein Strafbefehl erlassen worden ist.
Eine Ausschließung, die nach Nummer 3 aufzuheben ist, kann befristet, längstens jedoch insgesamt für die Dauer eines weiteren Jahres, aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Sache oder ein anderer wichtiger Grund die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens noch nicht zuläßt.
(4) Solange ein Verteidiger ausgeschlossen ist, kann er den Beschuldigten auch in anderen gesetzlich geordneten Verfahren nicht verteidigen. In sonstigen Angelegenheiten darf er den Beschuldigten, der sich nicht auf freiem Fuß befindet, nicht aufsuchen.
(5) Andere Beschuldigte kann ein Verteidiger, solange er ausgeschlossen ist, in demselben Verfahren nicht verteidigen, in anderen Verfahren dann nicht, wenn diese eine Straftat nach § 129 a, auch in Verbindung mit § 129 b Abs. 1, des Strafgesetzbuches zum Gegenstand haben und die Ausschließung in einem Verfahren erfolgt ist, das ebenfalls eine solche Straftat zum Gegenstand hat. Absatz 4 gilt entsprechend.
Hinweise:
Amtl. Anm.: § 138 a Abs. 2 findet gemäß Artikel 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 14. April 1978 (BGBl. I S. 497) auch Anwendung, wenn Gegenstand der Untersuchung eine vor dem Inkrafttreten des § 129 a des Strafgesetzbuches begangene Straftat nach § 129 des Strafgesetzbuches ist, sofern der Zweck oder die Tätigkeit der kriminellen Vereinigung darauf gerichtet war,
1. Mord, Totschlag oder Völkermord (§§ 211, 212, 220 a),
2. Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239 oder des § 239 b oder
3. gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 308, des § 310 b Abs. 1, des § 311 Abs. 1, des § 311 a Abs. 1, der §§ 312, 316 c Abs. 1 oder des § 319 zu begehen.2Amtl. Anm.: § 138 a Abs. 5 findet gemäß Artikel 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 14. April 1978 (BGBl. I S. 497) auch Anwendung, wenn Gegenstand der Untersuchung eine vor dem Inkrafttreten des § 129 a des Strafgesetzbuches begangene Straftat nach § 129 des Strafgesetzbuches ist, sofern der Zweck oder die Tätigkeit der kriminellen Vereinigung darauf gerichtet war,
1. Mord, Totschlag oder Völkermord (§§ 211, 212, 220 a),
2. Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239 oder des § 239 b oder
3. gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 308, des § 310 b Abs. 1, des § 311 Abs. 1, des § 311 a Abs. 1, der §§ 312, 316 c Abs. 1 oder des § 319
zu begehen.
Leitsätze/Entscheidungen:
(1) Allgemeines
Die gesetzlichen Regelungen über den Ausschluß des Verteidigers in den Fällen des § 138 a I, II Nr. 1 StPO sind verfassungsgemäß. Es ist verfassungsgemäß, daß der Umfang der Beweisaufnahme im Ausschlußverfahren in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt ist (§ 138 d IV 2 StPO; BVerfG, Beschluss vom 04.07.1975 - 2 BvR 482/75, NJW 1975, 2341).
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Ein Verteidiger kann auch dann nach § 138a I Nr. 1 StPO ausgeschlossen werden, wenn das ihm zur Last gelegte Verhalten mangels Strafantrags nicht strafgerichtlich, sondern nur im berufsgerichtlichen Verfahren geahndet werden kann (BGH, Beschluss vom 20.03.2000 - 2 ARs 489/99, 2 AR 217/99, wistra 2000, 311).
Für den Ausschluss eines Verteidigers nach § 138a I Nr. 1 StPO wegen des die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Verdachts der Tatbeteiligung ist nicht zusätzlich die Einleitung oder der entsprechende Stand eines deshalb zu führenden Ermittlungsverfahrens erforderlich (BGH, Beschluss vom 29.03.1996 - 2 ARs 31/96, StV 1996, 470).
Die Regelungen über den Ausschluss des Verteidigers finden auch im Bußgeldverfahren Anwendung (BGH, Entscheidung vom 06.05.1992 - 2 ARs 3/92, wistra 1992, 228).
***
Gegen den Verteidiger, der zugleich Mitbeschuldigter im selben Verfahren ist, kommt keine Auschließung nach § 138a StPO durch das Oberlandesgericht, sondern seine Zurückweisung entsprechend §§ 146, 146a StPO durch das für das Hauptverfahren zuständige Gericht in Betracht (Fortentwicklung zu BGHR StPO § 138a Anwendungsbereich 1; OLG Celle, Beschluss vom 04.07.2001 - 3 ARs 25/01, NJW 2001, 3564).
Nur ein Fehlverhalten von besonderem Gewicht, nicht aber schon jedes objektiv unzweckmäßige oder prozeßordnungswidrige Verhalten des Pflichtverteidigers, das den Fortgang des Verfahrens zeitweise hemmt, rechtfertigt dessen Abberufung (OLG Nürnberg, Entscheidung vom 09.05.1995 - Ws 461/95, StV 1995, 287):
?... Die Rspr. zur Rücknahme der Pflichtverteidigerbestellung aus wichtigem Grund (Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O., § 143 Rdnr 3-5; KMR, StPO, § 141 Rdnr. 20) ist auf Wahlverteidiger nicht anwendbar. Sie geht zurück auf die Entscheidung des BVerfG vom 8. 4. 1975 (BVerfGE 39, 238 = NJW 1975, 1015) und stützt sich auf die Überlegung, daß die Abberufung des Pflichtverteidigers dem Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsakts gleicht und deshalb - wie dieser - aus wichtigem Grund zulässig sein muß. Die Stellung des Wahlverteidigers ist dagegen - wie sich auch aus der zit. Entscheidung des BVerfG ergibt - nicht vergleichbar, weil sie sich von einer Bevollmächtigung durch den Angekl. ableitet.
Die Gründe, die eine Ausschließung des Wahlverteidigers zulassen, sind in den §§ 138 a und 138 b StPO abschließend normiert (Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O., § 138 a, Rdnr. 1, m.w.N.; LR-Lüderssen a.a.O., § 143 Rdnr. 7). Im vorliegenden Fall ist offenkundig keiner dieser Gründe gegeben. Andere Verfehlungen des Verteidigers, auch wenn sie grob standeswidrig oder sogar strafbar sind (Beleidigung, Bedrohung des Gerichts u. ä.) rechtfertigen nach geltendem Recht die Ausschließung nicht (Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O.; LR-Lüderssen a.a.O.). ..."
***
Im Verfahren nach §§ 138 a ff. StPO ist der Rechtsanwalt auch dann auszuschließen, wenn er der Beteiligung an einer Beleidigung dringend verdächtig ist, gegen ihn aber kein Strafantrag gestellt worden ist (OLG Hamburg, Entscheidung vom 04.05.1983 - 3 Ausschl. 1/83, NStZ 1983, 426).
***
Die Vorschrift des § 138a I Nr. 1 StPO stellt ein gesetzliches Verbot i. S. des § 134 BGB dar, das zur Nichtigkeit der Beauftragung des Verteidigers führt, mit der Folge, dass die Rechtsanwaltsgebühren nach § 464a II Nr. 2 StPO nicht erstattungsfähig sind (LG Hamburg, Beschluss vom 18.12.2000 - 603 Qs Owi, NStZ 2001, 277).
***
(2) Verteidiger
Die Vorschriften der §§ 138a ff. StPO über den Ausschluß des Verteidigers sind auch auf den Pflichtverteidiger anwendbar (BGH, Beschluss vom 20.03.1996 - 2 ARs 20/96, StV 1996, 470).
***
Die §§ 138a ff. StPO gelten auch für Pflichtverteidiger. Diese Vorschriften enthalten in den von ihnen erfaßten Fällen gegenüber § 143 StPO die speziellere Regelung. Auch wegen eines nur "einfachen" Verdachtes eines Ausschließungsgrundes i. S. von § 138a StPO ist eine Rücknahme der Pflichtverteidigerbestellung nach § 143 StPO ausgeschlossen. Die §§ 138a ff. StPO gelten auch für Pflichtverteidiger. Diese Vorschriften enthalten in den von ihnen erfaßten Fällen gegenüber § 143 StPO die speziellere Regelung. Auch wegen eines nur "einfachen" Verdachts eines Ausschließungsgrundes i. S. von § 138a StPO ist eine Rücknahme der Pflichtverteidigerstellung nach § 143 StPO ausgeschlossen (OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 10.02.1988 - 3 Ws 72/88, StV 1988, 516).
***
Die Neuregelung des Verteidigerausschlusses gemäß §§ 138 a ff. StPO gilt auch für einen in einem Steuerstrafverfahren zum Verteidiger bestellten Steuerbevollmächtigten. Die Befugnis, die Ausschließung des Steuerbevollmächtigten als Verteidiger zu beantragen, steht im Ermittlungsverfahren anstelle der Staatsanwaltschaft dem Finanzamt zu, wenn es das Ermittlungsverfahren selbständig führt. Der Antrag auf Ausschließung des Verteidigers muß seinem Inhalt nach bestimmten Mindestanforderungen genügen. Er muß neben den Beweismitteln mindestens die Tatsachen angeben, aus denen sich im Falle ihres Nachweises das den Ausschluß rechtfertigende Verhalten ergeben soll. Es gehört nicht zu den Aufgaben des Oberlandesgerichts im Ausschließungsverfahren, einen den Mindestanforderungen nicht genügenden Antrag durch weitere Erhebungen zu ergänzen. Ein in sich nicht schlüssiger Ausschließungsantrag, der als Grundlage für ein weiteres Verfahren nicht dienen kann, weil er den Mindestanforderungen für seine Zulässigkeit nicht genügt, kann ohne mündliche Verhandlung verworfen werden (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.03.1975 - 2 ARs 5/75, NJW 1975, 943 - 946).
(3) Ausschließungsgründe
Zu den formellen Voraussetzungen eines Antrags auf Ausschließung eines Verteidigers. Eine bloße Bezugnahme auf Beiakten ist zur Begründung eines gegen den Verteidiger erhobenen Beteiligungsvorwurfs nicht ausreichend. Wird dem Verteidiger die Teilnahme an einer Straftat seines Mandanten zur Last gelegt (hier: Beihilfe zur Steuerhinterziehung), ist in dem Ausschließungsantrag das Vorliegen einer rechtswidrigen Hauptat schlüssig darzulegen (KG, Beschluss vom 3. 6. 2005 - 2 AR 63/05 - 5 ARs 31/05, 2006, 352):
Das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen - Bußgeld- und Strafsachenstelle - ermittelt gegen die Beschuldigte wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Die Beschuldigte soll am 23. 10. 2003 bei einer Verhandlung mit Vertretern des Finanzamts L., in der es um ihre hohen Steuerrückstände ging, erklärt haben, sie erwarte aus ihrer früheren Tätigkeit als Handelsvertreterin eine Abfindung von 15 000 bis 20 000 EUR. Nach dem Eingang dieses Betrags werde sie hiervon 5 000 EUR auf ihre Steuerschuld leisten. Nach den Ermittlungen hatte sie die Abfindung jedoch bereits im März 2003 erhalten. Durch die unzutreffenden Angaben soll sie bewirkt haben, dass das Finanzamt Vollstreckungsmaßnahmen gegen sie zunächst nicht weiterführte. Die zugesagten 5 000 EUR zahlte sie erst im Januar 2005. Ein weiteres Ermittlungsverfahren in dieser Angelegenheit führt das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen gegen den Rechtsanwalt C, der für die Beschuldigte an der Verhandlung vom 23. 10. 2003 teilgenommen hat. Ihm legt das Finanzamt Beihilfe zur Steuerhinterziehung der Beschuldigte zur Last. In dem Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte hat sich Rechtsanwalt C als deren Verteidiger gemeldet. Daraufhin hat das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen beantragt, ihn nach § 138a I Nr. 1 StPO von der Mitwirkung in dem Verfahren auszuschließen. Der Antrag hatte keinen Erfolg. ...
Die GenStA hat zu dem Antrag wie folgt Stellung genommen: ?Dem Ausschließungsantrag kann nicht entsprochen werden. Nach den Anforderungen, die nach der obergerichtlichen Rechtsprechung an einen Antrag, den Verteidiger von der Mitwirkung in dem Verfahren auszuschließen, zu stellen sind, müssen mit der Vorlage diejenigen objektiven und subjektiven Tatsachen substanziiert dargelegt werden, die im Falle ihres Nachweises den gegen den Verteidiger erhobenen Verdacht einer nach § 138a I StPO zur Ausschließung führenden Handlung stützen (KG Beschl. v. 14. 7. 2003 - 4 ARs 50/03). Diesen inhaltlichen Mindestanforderungen genügt der Ausschließungsantrag nicht.
a) Zu beanstanden ist schon, dass der Antrag zur Begründung des gegen den Verteidiger erhobenen Vorwurfs auf die ihm beigefügten Beiakten Bezug nimmt. Dies ist zur ausreichenden Begründung eines Ausschließungsantrags nicht zulässig. Geht man nämlich davon aus, dass der Ausschließungsantrag hinsichtlich des den Verfahrensgegenstand des Ausschließungsverfahrens bildenden Sachverhalts - ebenso wie die Anklage im Strafverfahren - eine Umgrenzungsfunktion hat, dann müssen sich aus der Begründung des Antrags selbst und nicht erst aus ihm beigefügten Anlagen - mögen diese auch im Einzelnen bezeichnet sein - die Umstände ergeben, die die Ausschließung des Rechtsanwalts als Verteidiger begründen sollen (OLG Hamm NStZ-RR 1999, 50).
b) Zudem reicht der in der Antragsschrift mitgeteilte Sachverhalt selbst bei Unterstellung seiner Erweislichkeit nicht aus, um einen den Verteidigerausschluss rechtfertigenden hinreichenden oder gar dringenden Verdacht der Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu begründen. Es wird nicht behauptet, dass der durch die unwahre Angabe der Beschuldigten K über erwartete Leistungen aus einem vormaligen Arbeitsverhältnis erreichte Aufschub von Vollstreckungsmaßnahmen zu einer Steuerverkürzung geführt hat. Zwar ist eine vorsätzliche Verkürzung von Steuern noch so lange möglich, wie der geschuldete Betrag noch nicht in voller Höhe entrichtet worden ist; demzufolge kann Steuerhinterziehung grundsätzlich auch noch im Beitreibungsverfahren begangen werden (vgl. Kohlmann SteuerstrafR, Rn 149.2). Dies setzt im Fall des erschlichenen Vollstreckungsaufschubs jedoch stets voraus, dass während der so erwirkten Frist beim Steuerpflichtigen überhaupt vollstreckbare Gegenstände oder ein beitreibungsfähiges Vermögen vorhanden sind (vgl. Kohlmann § 370 AO, Rn 190.1). Hierzu enthält die Antragsschrift indes keinerlei Angaben. Ist aber bereits das Vorliegen einer rechtswidrigen Haupttat der Steuerhinterziehung nicht schlüssig dargelegt, wirkt sich dieser Mangel nach dem Grundsatz der Akzessorietät von Tat und Teilnahme zwingend auf den gleichfalls erhobenen Vorwurf der Beihilfe aus.
Es besteht kein Anlass, vor der Entscheidung den Antrag an das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen zur Nachbesserung zurückzugeben, da seine Zurückweisung als unzulässig die Wiederholung unter Beachtung der beschriebenen Darlegungspflicht nicht ausschließt.'
Diese Ausführungen treffen zu. Der Senat schließt sich ihnen an und verwirft daher den Ausschließungsantrag als unzulässig. ..."
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3.1 Tatbeteiligung (§ 138 a I Nr. 1)
Zur Ausschließung des Verteidigers von der Mitwirkung im ehrengerichtlichen Verfahren beim Verdacht der Tatbeteiligung (BGH, Beschluss vom 27.05.1991 - AnwSt (B) 2/91 (Bay. EGH)):
Der EGH hat den Verteidiger von der Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen. Nach den Gesamtumständen müsse davon ausgegangen werden, daß er von der Verwendung seines Namens auf den Briefbögen sowie dem Kanzlei- und dem Klingelschild gewußt habe und damit einverstanden gewesen sei. Gegen diesen Beschluß hat der Verteidiger in eigenem Namen sofortige Beschwerde eingelegt. Der GBA hat beantragt, der Beschwerde stattzugeben, weil die Ausschließung des Verteidigers wegen des Bagatellcharakters des möglichen Standesverstoßes der Angeschuldigten den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletze. Das Rechtsmittel hatte Erfolg. ...
a) Allerdings folgt der Senat nicht der Auffassung des GBA, daß der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wegen des ?Bagatellcharakters" des möglichen Standesverstoßes der Angeschuldigten der Ausschließung des Verteidigers entgegensteht. Nach § 138a I Nr. 1 StPO ist ein Verteidiger von der Mitwirkung in einem Verfahren auszuschließen, wenn er dringend oder in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grade verdächtig ist, an der Tat, die den Gegenstand der Untersuchung bildet, beteiligt zu sein. Diese Vorschrift räumt dem Ausschließungsrichter kein Ermessen ein. Der Gesetzgeber hat dem bei der Ausschließung des Verteidigers zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch Rechnung getragen, daß er die Voraussetzungen hierfür in mehreren unterschiedliche Anforderungen stellenden Tatbestandsvarianten typisiert hat (vgl. §§ 138a I Nr. 1-3, II, 138b StPO). ...
b) Der Senat hatte also zu prüfen, ob die hier allein in Betracht kommenden Voraussetzungen des § 138a I Nr. 1 StPO erfüllt sind. ...
aa) Der Verteidiger wäre der Beteiligung an der der Angeschuldigten zur Last gelegten Tat sowohl dringend wie auch in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grade verdächtig (vgl. hierzu BGHSt 36, 133), wenn die Angeschuldigte - wie ihr von der StA vorgeworfen - mit dem Verteidiger eine rechtlich unzulässige überörtliche Sozietät eingegangen wäre und dies im Geschäftsverkehr kundgetan hätte. Die in der Anschuldigungsschrift vertretene Rechtsauffassung, daß die Vereinbarung einer überörtlichen Sozietät notwendigerweise gegen die §§ 18, 27 und 28 BRAO verstoße, entspricht jedoch nicht der neueren Rechtsprechung des Senats. ...
bb) Ein die Ausschließung rechtfertigender Verdacht der Beteiligung des Verteidigers an der Tat der Angeschuldigten kommt demnach nur in Betracht, wenn die Berufspflichtverletzung der Angeschuldigten nicht schon in der Kundgabe einer überörtlichen Sozietät, sondern in der Art und Weise dieser Kundgabe gesehen wird (vgl. auch OLG Düsseldorf NJW 1991, 46 = AnwBl 1991, 46 mit Anm. Prütting). Der Angeschuldigten ist nach Auffassung des EGH zur Last zu legen, durch die Verwendung der in der Anschuldigungsschrift beschriebenen Briefbögen den unrichtigen Eindruck erweckt zu haben, als würden ihr Verteidiger und die anderen Sozien T, R und U ihre Kanzleien jedenfalls auch in München unterhalten, obwohl sie die Kanzlei in München allein unterhält (vgl. OLG München aaO, S. 30 ff.). Insoweit handelt es sich trotz des weitergehenden Tatvorwurfs der zugelassenen Anschuldigung (oben unter aa) noch um die Tat, die i. S. des § 138a I Nr. 1 StPO den Gegenstand der Untersuchung bildet. An der berufswidrigen Werbung durch irreführende Angaben über die Sozietät kann der Verteidiger beteiligt sein. Schon die Tatsache des zwischen ihm und der Angeschuldigten bestehenden Sozietätsverhältnisse begründet den Verdacht (Verdacht aufgrund bestimmter Tatsachen i. S. des § 138a II StPO). Der Verdacht erreicht jedoch nicht den nach § 138a I StPO erforderlichen Intensitätsgrad eines dringenden oder die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Verdachts. Der Senat hat als BeschwGer. die Annahme des EGH, dringender Beteiligungsverdacht liege vor, nicht nur auf Rechtsfehler zu überprüfen, sondern das Ermittlungsergebnis im Hinblick auf den aus ihm abzuleitenden Verdachtsgrad selbst zu würdigen. Dabei ist es nicht seine Aufgabe, den in der Ausschließungsvorlage des EhrenGer. bezeichneten und sich aus den Akten ergebenden Sachverhalt durch eigene Ermittlungen zu erweitern (vgl. Kleinknecht/Meyer 39. Aufl., § 138d Rn 6; Rieß NStZ 1981, 328, 332 - jew. mwN).
Aus den vorgelegten Akten ergibt sich nicht, daß der in Nürnberg residierende Verteidiger die Gestaltung der von der Angeschuldigten in München angebrachten Praxisschilder kannte. ..."
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Zu den Voraussetzungen des Verteidigerausschlusses nach § 138a I Nr. 1 StPO (BGH, Entscheidung vom 08.08.1985 - 2 ARs 223/85, NJW 1986, 143).
Ein Verteidiger kann auch dann ausgeschlossen werden, wenn das ihm zur Last gelegte Verhalten mangels Strafantrags nicht strafgerichtlich verfolgt, sondern nur im ehrengerichtlichen Verfahren geahndet werden kann (BGH, Entscheidung vom 25.08.1983 - 2 ARs 262/83, NJW 1984, 316).
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Im Verfahren nach §§ 138 a ff. StPO ist der Rechtsanwalt auch dann auszuschließen, wenn er der Beteiligung an einer Beleidigung dringend verdächtig ist, gegen ihn aber kein Strafantrag gestellt worden ist (OLG Hamburg, Entscheidung vom 04.05.1983 - 3 Ausschl. 1/83, NStZ 1983, 426).
3.1.1 Straftat - Strafbarkeit des Beschuldigten
3.1.2 Tatbeteiligung des Verteidigers - Mittäter - mittelbare Täterschaft - Teilnahme
Gegen den Verteidiger, der zugleich Mitbeschuldigter im selben Verfahren ist, kommt keine Auschließung nach § 138a StPO durch das Oberlandesgericht, sondern seine Zurückweisung entsprechend §§ 146, 146a StPO durch das für das Hauptverfahren zuständige Gericht in Betracht (Fortentwicklung zu BGHR StPO § 138a Anwendungsbereich 1; OLG Celle, Beschluss vom 04.07.2001 - 3 ARs 25/01, NJW 2001, 3564).
Erteilt ein Strafverteidiger nach vertretbarer Auffassung einen unrichtigen Rechtsrat, der dazu führt, daß der Beratene eine strafbare Handlung begeht, so ist der Verteidiger deshalb nicht Beteiligter an dieser Straftat (OLG Stuttgart, Entscheidung vom 18.12.1986 - 1 Ausschl. 3/86, NJW 1987, 2883).
3.1.3 Vorwerfbarkeit der Tatbeteiligung durch Verteidiger
BGH NStZ 86, 37
BGH NJW 84, 316
BGH MDR 77, 984
OLG Hamburg NStZ 83, 426
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3.2 Missbrauch und Sicherheitsgefährdung (§ 138 a I Nr. 2)
3.2.1 Beschuldigter nicht auf freiem Fuß
3.2.2 Missbrauch zur Begehung von Straftaten
3.2.3 Vorwerfbare Begehung einer Straftat als Täter oder Teilnehmer
3.2.4 Beginn der vorwerfbaren Begehung einer Straftat als Täter oder Teilnehmer
3.2.4 Gefährdung der Sicherheit einer Vollzugsanstalt
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3.3 Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei (§ 138 a I Nr. 3)
3.3.1 Haupttat
OLG Braunschweig StV 84, 500
OLG Bremen NJW 81, 2711
3.3.2 Begünstigung
3.3.3 Strafvereitelung - Versuch
Vor dem Landgericht Mannheim findet seit dem 9. Februar 2006 die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten Zündel wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung statt. Am 31. März 2006 hat das Oberlandesgericht Karlsruhe auf Vorlage des Landgerichts entschieden, dass die Verteidigern S. (eine von sechs Verteidigerin des Angeklagten) nach §§ 138 a Abs. 1 Nr. 3, 138 c Abs. 2 StPO von der weiteren Mitwirkung in dem Strafverfahren ausgeschlossen ist. Nach § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO ist ein Verteidiger auszuschließen, wenn er mindestens hinreichend verdächtig ist, eine Handlung begangen zu haben, die - wenn der Angeklagte verurteilt würde - eine Strafvereitelung nach § 258 StGB darstellt. Grund für den Ausschluss durch das Oberlandesgericht war u. a., dass die Verteidigerin an mehreren Verhandlungstagen sich trotz des Entzugs des Rederechts in einer Art "Parallelverhandlung" an die Zuhörer im Gerichtssaal gewandt hatte und Erklärungen mit teilweise strafbarem nationalsozialistischen Inhalt abgegeben und dadurch das Verfahren blockiert hatte. Auch habe sie den Schöffen die Verhängung der Todesstrafe wegen "Feindbegünstigung" in Aussicht gestellt. Dies alles gefährde einen zeitnahen Abschluss des Verfahrens.
Die gegen diesen Beschluss gerichteten sofortigen Beschwerden des Angeklagten und der ausgeschlossenen Verteidigerin hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs verworfen. In seiner Entscheidung betont er die hohe Bedeutung der rechtsstaatlich geforderten Gewährleistung einer effektiven Strafverteidigung, die einen Verteidigerausschluss, für den nicht jedes prozessordnungswidrige Verteidigerverhalten ausreichend ist, nur in extremen Ausnahmefällen gestattet. Das Verhalten der Verteidigerin geht darüber aber weit hinaus und dient - unter Verwendung prozessfremder Mittel - nur dem Zweck die Fortsetzung des Verfahrens zu verhindern oder doch wesentlich zu verzögern, also letztlich dem Ziel, eine Bestrafung des Angeklagten Zündel zu vereiteln (Beschluss vom 24.05.2006 - 2 ARs 199/06 - PM 83/2006):
?... Auch in der Sache selbst hat die Entscheidung Bestand. Die umfangreiche und sorgfältige Würdigung, auf welche das Oberlandesgericht nach Durchführung der mündlichen Verhandlung gemäß § 138 d StPO seine Überzeugung gestützt hat, es bestehe ein die Ausschließung gemäß § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO rechtfertigender Verdacht der versuchten Strafvereitelung gegen Rechtsanwältin S. , ist nicht zu beanstanden.
Insbesondere ist das Oberlandesgericht zutreffend davon ausgegangen, dass hinsichtlich des Nachweises sowohl des objektiven als auch des voluntativen Elements der Strafvereitelung bei der Beurteilung eines Verteidigerverhaltens erhöhte Anforderungen bestehen und dass diese hier erfüllt sind.
Die Stellung als Verteidiger in einem Strafprozess und das damit verbundene Spannungsverhältnis zwischen Organstellung und Beistandsfunktion macht eine besondere Abgrenzung zwischen erlaubtem und unerlaubtem Verhalten in Bezug auf den Straftatbestand der Strafvereitelung, § 258 StGB, erforderlich (vgl. BGHSt 38, 345, 347 ff.). Hierbei wird im Zweifel davon auszugehen sein, dass es sich um wirksame Verteidigung handelt (vgl. BGHSt 46, 36, 46). Die Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens ergeben sich dabei nicht unmittelbar aus § 258 StGB selbst, vielmehr verweist die Vorschrift auf die Regelungen des Prozessrechts. Danach darf der Verteidiger grundsätzlich alles tun, was in gesetzlich nicht zu beanstandender Weise seinem Mandanten nützt. Die Achtung der rechtsstaatlich notwendigen effektiven Strafverteidigung - auch im Blick auf Art. 12 GG - gebietet erhebliche Zurückhaltung bei gerichtlicher Inhaltskontrolle von Verteidigerverhalten; dies muss gerade auch für die Abgrenzung von erlaubtem und unerlaubtem Verteidigerverhalten gelten (vgl. BGHSt 47, 278, 282). Ein Fall effektiver Strafverteidigung liegt nicht vor, wenn die zu beurteilenden Handlungen eines Verteidigers sich als verteidigungsfremdes Verhalten erweisen, die sich nur den äußeren Anschein der Verteidigung geben, tatsächlich aber nach den Maßstäben des Strafverfahrensrechts und des materiellen Strafrechts nichts zu solcher beizutragen vermögen (vgl. BGHSt 46, 36, 45). Liegt - wie hier - zum Beispiel ein Leugnen des gesamten Holocaust vor, drängt sich die Annahme verteidigungsfremden Verhaltens bei Äußerungen auch im Rahmen von Beweisanträgen oder sonstigen Prozesserklärungen auf, da diese zur Sachaufklärung oder rechtlichen Beurteilung im konkreten Verfahren unter keinem denkbaren Gesichtspunkt etwas beizutragen vermögen (vgl. BGHSt 47, 278, 283).
Nach diesen Maßstäben ist hier der Ausschluss der Verteidigerin gerechtfertigt. Durch ihr Verhalten in der Hauptverhandlung ist sie zumindest hinreichend verdächtig, in strafbarer Weise unmittelbar dazu angesetzt zu haben, das Verfahren gegen den Angeklagten für geraume Zeit zu verzögern oder gar einen Abschluss endgültig zu vereiteln, wobei die Art und Weise ihrer Handlungen gerade auch die subjektive Seite belegen.
Zutreffend hat der Generalbundesanwalt in diesem Zusammenhang u. a. darauf hingewiesen, dass diese Absicht deutlich belegt wird durch die bereits am ersten Hauptverhandlungstag erfolgte ?Belehrung' der Laienrichter, die dahin ging, sie würden sich wegen der Ausübung ihres Richteramtes der ?Volksverleumdung gemäß den Gesetzen des fortbestehenden Deutschen Reiches' schuldig machen und könnten unter Umständen mit der Todesstrafe bestraft werden. In mehreren Hauptverhandlungsterminen ließ die Verteidigerin ein prozessordnungsgemäßes Verhandeln nicht zu, indem sie trotz Entzugs des Rederechts den Fortgang der Verhandlung durch ununterbrochenes - an das Publikum gewandtes Sprechen über ?Nürnberger Scheinprozesse', ?Inquisitionsgericht' und Ausführungen wie ?den Holocaust habe es nie gegeben', unmöglich machte.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht hat sie darüber hinaus erklärt, dass sie sich auch künftig den Anordnungen des Vorsitzenden der erkennenden Strafkammer zur Leitung der Verhandlung nicht beugen, sondern trotz Anordnung nach § 257 a StPO, Wortentzugs und Abschalten des Mikrofons ungebrochen auch zum anwesenden Publikum gewandt weiter reden werde, ?um die Wahrheit kund zu tun'. Dass es der Verteidigerin aber in Wirklichkeit nicht um die Ermittlung der Wahrheit geht, zeigt sich schon daran, dass sie eine prozessordnungsgemäße Verhandlung und Aufklärung gerade verhinderte und zukünftig verhindern will.
Auch im Rahmen der Begründung ihrer sofortigen Beschwerde trägt sie vor, dass im Fall Z. eine ?in der Strafprozessordnung nicht vorgesehene Strategie geboten' sei, da das Verhalten des erkennenden Gerichts einen übergesetzlichen Notstand bedinge. Hierin ist ein weiteres Indiz dafür zu sehen, dass die Verteidigerin entschlossen ist, sich außerhalb der geltenden Strafprozessordnung zu stellen, um eine Bestrafung ihres Mandanten zu vereiteln.
Der Senat hat nach umfassender Würdigung aller Umstände, die auch im Vorlagebeschluss des Landgerichts und im angefochtenen Beschluss des Oberlandesgerichts näher dargelegt sind, keinen Zweifel, dass die Verteidigerin zumindest hinreichend verdächtig ist, eine versuchte Strafvereitelung begangen zu haben. Ihr Gesamtverhalten zeigt, dass sie auch den entsprechenden Vorsatz hatte. Wenn sie sich im Hinblick auf ihr Handeln je in einem Irrtum befunden haben sollte, käme allenfalls ein - naheliegend vermeidbarer - Verbotsirrtum in Betracht.
Die Gegenerklärung vom 23. Mai 2006 lag dem Senat vor und war Gegenstand der Beratung. Sie gibt keinen Anlass, die Voraussetzungen des § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO zu verneinen. ..." (BGH, Beschluss vom 24.05.2006 - 2 ARs 199/06)
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(BGH NJW 2000, 2433, 2434)
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?... M's frühere Freundin F erstattete gegen diesen am 19. 7. 1982 Strafanzeige wegen Zuhälterei, Menschenhandel, gefährlicher Körperverletzung, Nötigung, Bedrohung und Freiheitsberaubung. Sie gab u.a. an, der Beschuldigte habe zwei Tage zuvor in seiner Wohnung mit der Faust gegen ihren Kopf geschlagen, dann seine damalige Freundin R ins Zimmer gerufen und sich von ihr eine Rasierklinge bringen lassen; diese habe er auf ihrer, der Anzeigenden, rechten Wange angesetzt; sie habe laut geschrien, trotzdem sei sie von ihm weiter mit Fäusten geschlagen und in die Rippen getreten worden. Wenige Tage später wurde der Beschuldigte verhaftet. Er bevollmächtigte Rechtsanwalt D als Verteidiger. Dieser beantragte im Haftprüfungstermin vom 5. 8. 1982, die Zeugin R u.a. darüber zu vernehmen, daß der Beschuldigte die Zeugin F zu keinem Zeitpunkt verprügelt oder mit einer Rasierklinge verletzt habe.
Mit an die StA gerichtetem Schriftsatz vom 29. 9. 1982 brachte er sein Befremden zum Ausdruck, daß die als Entlastungszeugin benannte Frau R bisher nicht vernommen worden sei.
Die Zeugin R wurde am 21. 10. 1982 polizeilich vernommen. Sie sagte aus, sie sei ca. 3 1/2 Monate mit dem Beschuldigten ?liiert" gewesen; nach dessen Verhaftung habe Rechtsanwalt D sie in seine Kanzlei bestellt; dort habe sie ?auf mehr oder weniger Drängen des Anwaltes" die (eidesstattliche) Erklärung unterschrieben, daß sie ?von den Handlungen des M", wo sie anwesend gewesen sei, ?nichts mitbekommen habe". In einer weiteren Vernehmung vom 30. 11. 1982 bekundete sie, sie habe von einem Nebenzimmer aus gehört, daß es im Wohnzimmer des Beschuldigten zwischen diesem und der Zeugin F zu einer lauten Auseinandersetzung gekommen sei; beim Eintreten in das Wohnzimmer habe sie gesehen, daß er aufbrausend vor der Zeugin gestanden habe; sie, die Zeugin R, sei von ihm rausgeschickt worden; dann sei das Schreien im Wohnzimmer zwischen M und der Zeugin F fortgesetzt worden; Verletzungen habe sie bei dieser nicht festgestellt, wohl aber, daß sie stark geweint und ziemlich verstört ausgesehen habe; dies habe sie Rechtsanwalt D wahrheitsgemäß erzählt; daraufhin habe er gemeint, sie solle doch eine eidesstattliche Erklärung unterschreiben, daß sie ?nichts mitbekommen habe", so könne man ?den Detlev entlasten"; der Rechtsanwalt habe sie mehr oder weniger mit Worten zum Unterschreiben genötigt.
Das OLG hat den Bf. gemäß § 138a I Nr. 3 StPO von der Mitwirkung in dem gegen seinen Mandanten M anhängigen Strafverfahren ausgeschlossen. Die von ihm eingelegte sofortige Beschwerde erwies sich als unbegründet. ...
Auf Grund dieses Sachverhalts ist Rechtsanwalt D dringend verdächtig, Handlungen begangen zu haben, die für den Fall der Verurteilung seines Mandanten M wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin F eine versuchte Strafvereitelung darstellen.
Er hat zwar bei seiner Stellungnahme zu dem von der StA gestellten Ausschließungsantrag die Vorwürfe der Zeugin R als unzutreffend bezeichnet und sich dahin eingelassen, er habe keine eidesstattliche Versicherung aufgenommen. Der Senat ist jedoch im Wege des Freibeweises zu dem Ergebnis gelangt, daß mehr für die Richtigkeit der Bekundungen der Zeugin spricht. Hätte sie Rechtsanwalt D zu Unrecht belasten wollen, so wäre schwerlich verständlich, daß sie lediglich angegeben hat, die lautstarke Auseinandersetzung gehört und später gesehen zu haben, wie die Zeugin F sehr geweint und recht verstört gewirkt habe.
Entgegen der Auffassung des Bf. kann den betreffenden Aussagen nicht jegliche Bedeutung für eine Überführung seines Mandanten abgesprochen werden. Ihnen kommt zumindest das Gewicht eines Indizes zu.
Das Rechtsanwalt D danach anzulastende Verhalten erschöpft sich nicht in straflosen Vorbereitungshandlungen. Aus BGHSt 31, 10 ff. (= NStZ 1982, 329 mit Anm. Beulke) läßt sich für den vorliegenden Fall nichts herleiten. Er unterscheidet sich von dem damals abgeurteilten wesentlich. Rechtsanwalt D hatte aus seiner Sicht durch die auf Vernehmung der Zeugin R gerichteten Anträge bereits alles Erforderliche getan, um die StA zu veranlassen, umgehend deren Vernehmung anzuordnen, und auf diese Weise eine seinen Mandanten entlastende Aussage zu erreichen. Damit war hier die Grenze zum Versuch überschritten.
Zu Unrecht vertritt der Bf. die Meinung, er habe sich im Rahmen zulässigen Verteidigerhandelns gehalten. Es ist dem Verteidiger nicht erlaubt, auf Zeugen mit dem Ziel einzuwirken, daß sie unzutreffende Aussagen machen, und sie nach einer solchen ?Vorbereitung" als Beweismittel zu benennen (vgl. BGHSt 29, 99 (107)). ..." (BGH, Beschluss vom 16.05.1983 - 2 ARs 129/83).
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BGH NJW 83, 2712
BGH NStZ 82, 329
BGH, Beschluss vom 04.05.1979 - 2 ARs 88/79
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Das Prozessverhalten eines Verteidigers ist nicht mehr als übliche, sachbezogene und prozessual zulässige Verteidigertätigkeit einstufbar, vielmehr als unerlaubtes Verteidigerhandeln zu werten, wenn es objektiv und subjektiv das Ziel erkennen lässt, das Hauptverfahren durch andauerndes Unterlaufen der verhandlungsleitenden Anordnungen des Vorsitzenden zu sabotieren. In einem solchen Fall liegen die Voraussetzungen für die Ausschließung des Verteidigers wegen dringenden Verdachts der versuchten Strafvereitelung zu Gunsten seines Mandanten vor, da er zielgerichtet den zeitnahen Abschluss des Erkenntnisverfahrens und ggf. die Bestrafung des Angeklagten gefährdet (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.03.2006 - 3 Ausschl 1/06, JZ 2006, 1129):
?... Das von der erkennenden Großen Strafkammer des Landgerichts M. mit in der Hauptverhandlung am 09.03.2006 verkündetem Vorlagebeschluss von diesem Tage nach §§ 138 a Abs. 1 Nr. 3, 138 c Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO eingeleitete Ausschließungsverfahren richtet sich gegen Rechtsanwältin A., die derzeit Wahlverteidigerin des Angeklagten E. ist.
Der Angeklagte E. befindet sich in vorliegender Sache seit dem 01.03.2005 in ununterbrochener Untersuchungshaft, zunächst auf Grund Haftbefehls des Amtsgerichts - Haftrichter - M. vom 17.02.2003 in der Gestalt des Haftfortdauerbeschlusses dieses Gerichts vom 02.03.2005 sowie der Beschwerdeentscheidung des Senats vom 20.04.2005 - 3 Ws 139/05 - und nun auf Grund des diesen ersetzenden, dem Verfahrensstand nach Anklageerhebung angepassten Haftbefehls der erkennenden Strafkammer vom 17.08.2005. Die Staatsanwaltschaft M. erhob gegen E. mit Schrift vom 27.06.2005 zum Landgericht - Große Strafkammer - M. Anklage unter dem Vorwurf der Volksverhetzung u. a.; wegen der Einzelheiten der Tatvorwürfe sei auf die Anklageschrift und deren Darstellung im ?Wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen' verwiesen. Mit Beschluss vom 26.07.2005 eröffnete die mit der Sache befasste Große Strafkammer des Landgerichts M. das Hauptverfahren und ließ die Anklage zur Hauptverhandlung zu, wobei sie tatsächliche und rechtliche Hinweise erteilte. Nach Absprache der Termine mit dem Wahlverteidiger Rechtsanwalt R., H., bestimmte der Vorsitzende der Strafkammer mit Verfügung vom 27.07.2005 Termin zur Hauptverhandlung auf den 08.11.2005 nebst vier Folgetagen. Auf das Anschreiben des Kammervorsitzenden an den Angeklagten, einen Rechtsanwalt zu benennen, der ihm als Pflichtverteidiger bestellt werden könne, meldete sich am 08.08.2005 unter Vollmachtsvorlage Rechtsanwältin A. als - weitere - Wahlverteidigerin. Diese wurde dem Angeklagten mit Verfügung des Kammervorsitzenden vom 09.09.2005 beigeordnet.
Mit Schriftsatz vom 18.10.2005 beantragte Rechtsanwältin A. die Einstellung des Verfahrens, die Vorlage der Sache an das Bundesverfassungsgericht zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Straftatbestandes der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 3 und 4 StGB) und die Aufhebung des gegen den Angeklagten E. vollzogenen Haftbefehls. Da sie zugleich die Offenkundigkeit des Holocaust als Täuschungsmaßnahme feindlicher Mächte bezeichnete, verfügte der Kammervorsitzende am 07.11.2005 wegen der Besorgnis, Rechtsanwältin A. werde verteidigungsfremdes Verhalten an den Tag legen, die Zurücknahme der Bestellung von Rechtsanwältin A. als Verteidigerin des Angeklagten. Die dagegen erhobene Beschwerde des Angeklagten verwarf der Senat mit Beschluss vom 14.12.2005 als unbegründet, da in Anbetracht letzterer Äußerung von Rechtsanwältin A. zum Holocaust davon auszugehen sei, dass der Zweck der Pflichtverteidigung, dem Angeklagten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährdet sei, indem Rechtsanwältin A. verteidigungsfremdes Verhalten an den Tag legen, sich nur den äußeren Anschein der Verteidigung geben, tatsächlich aber nach den Maßstäben des Strafverfahrensrechts und des materiellen Strafrechts nichts zu solcher beitragen werde (BGHSt 46, 36, 45).
Die am 08.11.2005 begonnene Hauptverhandlung, in der der Angeklagte E. Rechtsanwältin A. (erneut) als Wahlverteidigerin bevollmächtigte, setzte die Kammer im Fortsetzungstermin am 15.11.2005 zur Bestellung neuer Pflichtverteidiger aus, zugleich mit dem Zweck, den mit Verfügung des Kammervorsitzenden vom 18.11.2005 sodann als neue Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwälten B. und H. Gelegenheit zu geben, sich in den umfangreichen Verfahrensstoff - damals bereits 34 Aktenbände - einzuarbeiten. Die Beschwerde des Angeklagten gegen die Beiordnung der Rechtsanwälte B. und H. verwarf der Senat mit Beschluss vom 14.12.2005 als unbegründet; zugleich bestellte der Senat - auf die Beschwerde des Angeklagten hin - diesem als weiteren Verteidiger Rechtsanwalt L. Die Beschwerde des Angeklagten gegen die vom Kammervorsitzenden abgelehnte Bestellung des Wahlverteidigers Rechtsanwalt Dr. Sch. zum Pflichtverteidiger wies der Senat als unbegründet zurück.
Der Angeklagte hat mithin derzeit sechs Verteidiger, nämlich Rechtsanwalt R., Rechtsanwalt Dr. Sch., Rechtsanwältin A., Rechtsanwalt B., Rechtsanwalt L. und Rechtsanwalt H.
Der Senat hat mit im Zuge der gebotenen besonderen Haftprüfung getroffenen Entscheidungen vom 06.09.2005 und vom 14.12.2005 die Voraussetzungen nach §§ 121, 122 StPO, insbesondere den dringenden Tatverdacht i. S. d. maßgeblichen Haftgrundlage bejaht und jeweils die Fortdauer der Untersuchungshaft des Angeklagten angeordnet.
Mit der Hauptverhandlung wurde nach deren Aussetzung am 15.11.2005 erneut begonnen am 09.02.2006. Fortsetzungstermine fanden am 15.02.2006, 16.02.2006 und 09.03.2006 statt. In der Hauptverhandlung am 09.03.2006 erging und wurde verkündet Beschluss der Strafkammer über die Vorlage der Akten an den Senat zwecks Prüfung und Entscheidung, ob Rechtsanwältin A. als Verteidigerin des Angeklagten E. von der Mitwirkung an dem Strafverfahren gegen den Angeklagten auszuschließen sei, weil sie dringend oder in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grade verdächtig sei, eine Handlung begangen zu haben, die für den Fall der Verurteilung des Angeklagten Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei wäre (§ 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO); zugleich unterbrach die Strafkammer die Hauptverhandlung bis zur Entscheidung des Senats über die Vorlage bzw. die Frage der Ausschließung der Verteidigerin. Die Strafkammer hat den Vorlagebeschluss vom 09.03.2006 dem Angeklagten, Rechtsanwältin A. und den fünf weiteren Verteidigern des Angeklagten mitgeteilt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Schrift vom 15.03.2006 beantragt, Termin zur mündlichen Verhandlung nach § 138 d Abs. 1 StPO zu bestimmen und Rechtsanwältin A. von der weiteren Mitwirkung an dem Strafverfahren gegen den Angeklagten E. auszuschließen.
Die Akten kamen beim Senat am 16.03.2006 ein. Mit Beschluss von diesem Tage kürzte der Senat wegen der Eilbedürftigkeit des Verfahrens, da es sich um eine Haftsache handelt, die Ladungsfrist auf drei Tage ab (§ 138 d Abs. 2 Satz 2 StPO). Mit Verfügung vom selben Tag teilte der Senat diesen Beschluss, den Vorlagebeschluss des Landgerichts vom 09.03.2006 sowie den Antrag der Staatsanwaltschaft M. vom 10.03.2006 und den der Generalstaatsanwaltschaft vom 15.03.2006 der betroffenen Rechtsanwältin A., dem Angeklagten E. und dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer für den OLG-Bezirk M. mit; zugleich wurde Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 27.03.2006 bestimmt und Rechtsanwältin A. hierzu geladen; der Angeklagte E. wurde über den Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat und sein Recht auf Teilnahme unterrichtet.
Am 16.03.2006 kam beim Senat eine dienstliche Äußerung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft M. von diesem Tage zu den im Vorlagebeschluss der Strafkammer vom 09.03.2006 geschilderten Sachverhalten und zum Inhalt des Protokolls über die am 09.02.2006 begonnene Hauptverhandlung ein, die der Senat Rechtsanwältin A. mitgeteilt hat.
Der Angeklagte E. hat am 17.03.2006 auf die Benachrichtigung von dem auf den 27.03.2006 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hin mitteilen lassen, hieran nicht teilnehmen und von seinem Recht auf Anwesenheit nicht Gebrauch machen zu wollen.
Verteidiger Rechtsanwalt R. hat mit Schriftsatz vom 10.03.2006 beantragt, Rechtsanwältin A. nicht von der Mitwirkung an dem Strafverfahren gegen den Angeklagten E. auszuschließen.
Rechtsanwältin A. hat mit Schriftsätzen vom 20.03.2006 und 26.03.2006 beantragt, das Ersuchen der Großen Strafkammer des Landgerichts M. vom 09.03.2006, sie von der Mitwirkung an dem Strafverfahren gegen den Angeklagten E. gemäß § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO wegen des Verdachts der Begünstigung bzw. der Strafvereitelung auszuschließen, zurückzuweisen.
Die Staatsanwaltschaft M. hat gegen Rechtsanwältin A. wegen ihres Verhaltens in vorliegendem Strafverfahren ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Strafvereitelung, der Volksverhetzung, der versuchten Nötigung und des Verstoßes gegen § 145 c StGB (durch Beschäftigung eines einem vorläufigen Berufsverbot unterliegenden Rechtsanwalts) eingeleitet.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27.03.2006 beantragt, Rechtsanwältin A. von der weiteren Mitwirkung als Verteidigerin im Strafverfahren der Staatsanwaltschaft Mannheim auszuschließen (§ 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO). Die betroffene Rechtsanwältin A. und ihr Beistand Rechtsanwalt L. beantragen, den Antrag auf Ausschließung zurückzuweisen.
II. Die Vorlage der Strafkammer vom 09.03.2006 zur Entscheidung über die Ausschließung der Verteidigerin Rechtsanwältin A. ist zulässig; sie genügt den insoweit zu stellenden Anforderungen (vgl. hierzu nur Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. § 138 c Rdnrn. 8, 9, 10); die Vorlage ist nach dem Ergebnis der in der mündlichen Verhandlung am 27.03.2006 vor dem Senat freibeweislich durchgeführten Beweisaufnahme auch begründet.
Rechtsanwältin A. ist dringend verdächtig (vgl. zu diesem Erfordernis im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens BGH AnwBl. 1981, 115; BGH St 36, 133 lässt allerdings auch die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden hinreichenden Tatverdacht genügen), sich wegen einer der in § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO angeführten Straftat strafbar gemacht zu haben. Sie hat im bei der erkennenden Strafkammer anhängigen Hauptverfahren, insbesondere in den vier Terminen der am 09.02.2006 erneut begonnenen Hauptverhandlung Handlungen begangen, die - für den Fall der Verurteilung des Angeklagten E. - als versuchte Strafvereitelung (§ 258 Abs. 1 und 4 StGB) zu beurteilen wären. Ihr in den vier Terminen zur Hauptverhandlung intensiv an den Tag gelegtes Verhalten hat das Stadium strafloser Vorbereitungshandlungen überschritten und ist in das des strafbaren Versuchs der Strafvereitelung eingetreten (vgl. zur Abgrenzung von Versuch und Vorbereitungshandlung bei versuchter Strafvereitelung: BGH St 31, 10; St 34, 68).
Ob eine Verurteilung des Angeklagten E. wegen der ihm mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft M. vom 27.06.2005 zur Last gelegten Haupttaten wahrscheinlich ist, hat der Senat hierbei nicht zu prüfen. Der nach § 138 c Abs. 1 Satz 1 StPO berufene Senat hat vielmehr, zumal das Hauptverfahren seitens der erkennenden Strafkammer eröffnet und die Anklage zur Hauptverhandlung - unanfechtbar (§ 210 Abs. 1 StPO) - zugelassen ist, zu unterstellen, dass der Angeklagte E. alle Tatbestandsmerkmale der ihm vorgeworfenen Taten erfüllt hat und seiner Verurteilung keine Prozesshindernisse entgegenstehen. Der Senat hat daher (nur) zu beurteilen, ob der Verteidiger, hier Rechtsanwältin A., wenn diese Unterstellung zutrifft, einer Straftat nach §§ 257 ff. StGB dringend oder in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grade verdächtig ist (Meyer-Goßner a.a.O. § 138 a Rdnr. 10).
Geschütztes Rechtsgut der Vorschrift des § 258 StGB ist die staatliche Rechtspflege (BGH St 43, 82, 84; 45, 97, 101; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. 2001 § 258 Rdnr. 1). Die staatliche Rechtspflege soll ihre Aufgabe, um einer wirkungsvollen Vergehens- und Verbrechensbekämpfung willen den staatlichen Strafanspruch so bald wie möglich - sei es durch ein verurteilendes oder sei es durch ein freisprechendes Erkenntnis - zu verwirklichen, ungehindert in angemessener Frist erfüllen können (vgl. auch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 HS 2; Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK).
Versuchte Strafvereitelung nach § 258 Abs. 1 und 4 StGB liegt vor, wenn jemand nach seiner Vorstellung von der Tat unmittelbar dazu ansetzt, absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil zu vereiteln, dass ein anderer wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird.
Soweit es den Verteidiger eines Beschuldigten anlangt, ist dieser ein an Recht und Gesetz gebundenes Organ der Rechtspflege. Er hat den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen, dessen Ausführung nicht nur im Interesse des Beschuldigten, sondern auch im Interesse einer am Rechtsstaatsgedanken ausgerichteten Strafrechtspflege liegt. Er hat die Belange des Beschuldigten gegenüber Strafverfolgungsbehörden und Gericht zu wahren und dafür Sorge zu tragen, dass der Strafanspruch des Staates im prozessordnungsgemäßen, justizförmigen Wege verfolgt wird (vgl. BGH NJW 2000, 2433; OLG Nürnberg StV 1995; OLG Hamburg NJW 1998, 621). Dabei ist er nicht zu Unparteilichkeit verpflichtet; vielmehr darf er einseitig zu Gunsten des Beschuldigten handeln und ist berechtigt, dabei an anderen Verfahrensbeteiligten Kritik zu üben. Prozessual zulässiges Handeln des Verteidigers im Interesse sachgerechter Strafverteidigung lässt die Tatbestandsmäßigkeit des § 258 Abs. 1 StGB von vornherein entfallen (BGH NJW 2000, 2433, 2434; KG NStZ 1988, 178). Seine Stellung als Organ der Rechtspflege bedingt jedoch, dass er nur verfahrensrechtlich erlaubte Mittel einsetzen und sich der Wahrheitserforschung nicht mit unerlaubten Verhaltensweisen hindernd in den Weg stellen darf. So muss er sich jeder aktiven Verdunkelung oder Verzerrung der wahren Sach- und/oder Rechtslage und sachwidrigen Erschwerung der Aufklärung des verfahrensgegenständlichen Tatgeschehens und dessen Strafverfolgung enthalten (vgl. BGH St 2, 377; BGH NJW 2000, 2433; etwa auch OLG Düsseldorf StV 1994, 472; dass. StV 1998, 65; Stree a.a.O. § 258 Rdnr. 20 m.w.N.). Mit prozessadäquaten Mitteln darf der Verteidiger eine rechtskräftige Verurteilung verzögern (OLG Düsseldorf StV 1986, 288); macht er von einem zulässigen und von einem ihm zustehenden prozessualen Recht Gebrauch, so begründet dies nicht eine Strafbarkeit wegen (versuchter) Strafvereitelung (BGHSt 29, 99 = NJW 1980, 64 m. Anm. Kuckuk NJW 1980, 298; OLG Karlsruhe StV 1991, 519), auch dann nicht, wenn deswegen die Hauptverhandlung unterbrochen oder ausgesetzt werden muss. Mit inadäquaten Mitteln darf er den Prozess jedoch nicht verschleppen. Allerdings vermag nicht schon jedes standeswidrige Verteidigerverhalten die Ausschließung nach § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO zu begründen (BGH St 2, 375; St 10, 393; BGH bei Holtz MDR 1979, 989; BGH NJW 2000, 2433).
Freilich unterliegt vor diesem Hintergrund der Nachweis des voluntativen Elements der Strafvereitelung bei einem Verteidigerverhalten erhöhten Anforderungen (BGH NJW 2000, 2433, 2434).
Bei Anlegung dieses Maßstabes und Berücksichtigung dieser anerkannten Grundsätze ist der dringende Tatverdacht begründet, dass sich Rechtsanwältin A. unter Missbrauch ihrer Verteidigungsaufgabe und -stellung der versuchten Strafvereitelung schuldig gemacht hat. Rechtsanwältin A. hat - aus Sicht des Senats - den Tatplan gefasst, den Abschluss des Hauptverfahrens vor der Großen Strafkammer des Landgerichts M. in dieser besonders beschleunigt zu bearbeitenden Haftsache bedeutsam, d. h. für eine geraume Zeit zu verzögern (Stree a.a.O. § 258 Rdnr. 16), wenn nicht gar zu vereiteln, und hat durch ihr Verhalten in den vier Terminen zur Hauptverhandlung am 09.02.2006, 15.02.2006, 16.02.2006 und 09.03.2006 zur Verwirklichung dieses Tatplans unmittelbar angesetzt. In der Person von Rechtsanwältin A. ist insbesondere die subjektive Tatseite (zum Einen zumindest bedingter Vorsatz hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Vortaten des Angeklagten E., zum Anderen Strafvereitelungsabsicht) zweifellos erfüllt. Hierfür sprechen zahlreiche, von der Strafkammer in ihrem allein 26 Seiten umfassenden Vorlagebeschluss im Einzelnen mitgeteilte Verfahrenstatsachen und Beweisanzeichen, auf die zur Vermeidung bloßer Wiederholungen verwiesen sei. Hervorzuheben ist, dass der Senat bei seiner Entscheidung nicht auf Anträge der Verteidigerin etwa wegen geltend gemachter Befangenheit erkennender Richter abstellt. Gleiches gilt auch für das Auftreten von Rechtsanwältin A. in dieser Strafsache ?In Geschäftsführung ohne Auftrag für das Deutsche Reich', indem sie die verfassungsmäßige Grundlage der Bundesrepublik Deutschland vehement in Abrede stellt. Für den Senat sind vielmehr im Wesentlichen folgende Vorgänge entscheidend:
In der neu anberaumten Hauptverhandlung am 09.02.2006 begann Rechtsanwältin A. eine Antragsschrift zu verlesen, die mit der von ihr erstellten und bei der Strafkammer eingereichten Antragsschrift vom 18.10.2005 im Kern identisch, darüber hinaus noch erweitert ist. Diese Schrift vom 18.10.2005 hat, wie der Senat in seinem Beschluss vom 14.12.2005 dargetan hat, teilweise strafbaren Inhalt (BGHSt 46, 36; 46, 212; 47, 278; Senat a.a.O. m.w.N.). Außerdem verlas sie einen Antrag auf Belehrung der Schöffen der erkennenden Strafkammer dahin, dass diese ?durch Leistung des Schöffeneides auf das Grundgesetz und die Gesetze des Landes Baden-Württemberg nicht gebunden seien, weil die Bundesrepublik Deutschland als ein Organ der Fremdherrschaft nicht existiere, und sie sich andernfalls eines Verbrechens gegen das noch fortbestehende Deutsche Reich schuldig machen würden. Sie begründete dies damit, die Schöffen hätten sich durch die Leistung ihres Eides einer fremden Macht unterworfen, da das Deutsche Reich von fremden Mächten besetzt sei. Sie führte weiter aus, dass die Bundesrepublik Deutschland ein Organ der Fremdherrschaft und als originärer Staat nicht existent sei. Auf Grund dieses Umstandes hätten die Schöffen sich der Volksverleumdung und gemäß den Gesetzen des Deutschen Reiches, welches noch fortbestehe, des weiteren Straftatbestandes der Feindbegünstigung schuldig gemacht. Deswegen könnten sie zur Verantwortung gezogen werden. Sie verlas daraufhin mehrere Strafnormen des Deutschen Reichs mit Strafdrohungen, die auch die Todesstrafe vorsehen' (vgl. Niederschrift über den Termin zur Hauptverhandlung am 09.02.2006 S. 6/7). Trotz Entzuges des Rederechts seitens des Kammervorsitzenden und unbeeindruckt von Protokollierungen nach § 183 GVG hub Rechtsanwältin A. erneut mit der Verlesung des inkriminierten Antrags auf Einstellung des Verfahrens an.
Im Fortsetzungstermin vom 15.02.2006 fiel Rechtsanwältin A. dem Kammervorsitzenden mit Vorwürfen hinsichtlich dessen Verhandlungsführung wie ?Nürnberger Prozesse', ?Inquisitionsgericht', ?Scheinverfahren' ins Wort. Eigenmächtig rief sie - unter Missachtung der dem Vorsitzenden vorbehaltenen Verhandlungsleitung - einen Zuhörer, den Störer D. R., (vgl. hierzu die Beschwerdeentscheidung des Senats nach § 181 GVG - B. v. 16.03.2006 -) zwecks nochmaliger Anhörung durch die Strafkammer auf. Nach Anhörung des weiteren Zuhörers, des Störers K. M., bemängelte sie ?Es handelt sich nicht um ein deutsches Gericht, bei einem deutschen Gericht wäre das nicht passiert'. Ungeachtet des in der Hauptverhandlung am 09.02.2006 nach § 257 a StPO getroffenen Beschlusses der Kammer gab sie eine Gegenerklärung - ebenso ungeachtet der Aufforderung des Kammervorsitzenden, zunächst in kurzen Worten deren Inhalt darzulegen - durch Verlesen eines vorbereiteten Schriftsatzes ab. Trotz wiederholten Wortentzuges und der Aufforderung des Kammervorsitzenden, die Gegenerklärung schriftlich vorzulegen, setzte sie die Verlesung unter Verlassens ihres Platzes und Ansprache gegenüber den im Sitzungssaal anwesenden Zuhörern fort. Trotz Ordnungsrufs seitens des Vorsitzenden und nochmaliger Entziehung des Wortes und selbst während der Befragung des Angeklagten durch den Vorsitzenden nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO deklamierte sie gegenüber den Zuhörern, das vorliegende Strafverfahren sei kein Verfahren vor einem ordentlichen Gericht, sondern vor einem Organ der Fremdherrschaft, das einen Scheinprozess wie bei den ?Nürnberger Prozessen' führe. Eine nähere Befragung des Angeklagten, ob er sich zur Sache äußern wolle, war wegen des fortgeführten Vortrags von Rechtsanwältin Stolz sachgerecht nicht möglich. Nach seitens des Vorsitzenden erteilter Rüge der Ungebühr gegenüber der Strafkammer unterbrach sie dessen Ausführungen durch den Zuruf ?Wir sind hier nicht vor Gericht'. Nach wiederholtem Entzug des Wortes unterbrach sie den Vorsitzenden durch den Zuruf, dessen Verhandlungsführung sei mit der in den ?Nürnberger Prozessen' vergleichbar, er müsse schon wie bei den ?Nürnberger Scheinprozessen' Gewalt anwenden, um sie aus dem Saal zu entfernen, er stehe nicht auf dem Boden des Rechts. Während der erneuten Befragung des Angeklagten durch den Vorsitzenden führte sie ihren Vortrag fort. Während der Verlesung einer Verfügung des Vorsitzenden zum Selbstleseverfahren (§ 249 Abs. 2 StPO) redete sie - wie in einer Art ?Parallelverhandlung' - zu den Zuhörern gewandt ununterbrochen weiter, u. a. dahin, den Holocaust habe es nicht gegeben, der Angeklagte sei einer der vielen, die dies richtig stellen wollten. Die Aufforderung des Vorsitzenden, ihre Ausführungen zu beenden, hartnäckig missachtend, riss sie wiederum das Wort an sich und fuhr mit ihrem Vortrag fort. Auch das Abschalten des Mikrofons blieb erfolglos; die Rechtsanwältin redete vielmehr mit erhobener Stimme weiter. Verteidiger Rechtsanwalt L. rügte, er habe den Inhalt der verlesenen Verfügung wegen des Vortrags von Rechtsanwältin A. akustisch nicht richtig wahrnehmen können. Da Rechtsanwältin A. durch den Vorsitzenden nicht zum Einhalten zu bringen war, wurde die Sitzung wegen der von Rechtsanwältin A. fortgesetzten Störungen abgebrochen.
Im Fortsetzungstermin vom 16.02.2006 fiel Rechtsanwältin A. dem Vorsitzenden nach dessen dringender Ermahnung, sich prozessordnungsgemäß zu verhalten, erneut ins Wort, so dass dieser sich nicht mehr akustisch verständlich machen konnte. Die Missachtung der wiederholten Entziehung des Wortes durch den Vorsitzenden durch Fortführung ihrer Erklärungen machte den Abbruch der Sitzung erforderlich.
Im Fortsetzungstermin zur Hauptverhandlung am 09.03.2006 unternahm Rechtsanwältin A. erneut den Versuch, entgegen der nach § 257 a StPO getroffenen Anordnung einen Antrag zu verlesen. Auf den Hinweis des Vorsitzenden, dass sie ihre Anträge in der festgelegten Form einzureichen habe, bemerkte Rechtsanwältin A., dass nicht sie, sondern der Vorsitzende das Verfahren verzögere, da er ihr nicht die Möglichkeit gäbe, ihre Anträge vorzutragen. Die folgende Diskussion veranlasste den Vorsitzenden, die Hauptverhandlung wiederum zu unterbrechen. Sodann wurde der Vorlagebeschluss der Strafkammer nach § 138 a ff. StPO verkündet und die Hauptverhandlung schließlich unterbrochen.
Der Senat hat Rechtsanwältin A. in der mündlichen Verhandlung am 27.03.2006 insbesondere auch folgende Passage aus ihrem Schriftsatz vom 20.03.2006 (dort Bl. 2) vorgehalten:
?In dem außergewöhnlichen Fall aber, dass ein Gericht der OMF-BRD in aller Öffentlichkeit und für jeden redlich gesonnenen und verständigen Bürger des Deutschen Reiches erkennbar
- Willkür walten lässt
- das Völkerrecht missachtet und
- selbst die fundamentalen Regeln eines an Wahrheit und Gerechtigkeit orientierten Strafverfahrens verletzt,
ist, um diesen Sachverhalt der öffentlichen Aufmerksamkeit zugänglich und verständlich zu machen, ein Verteidigungsverhalten erforderlich, das den Rechtsbruch ?skandalisiert'.
Rechtsanwältin A. hat daraufhin auf ausdrückliche Nachfrage des Senats das von ihr verwendete Wort ?skandalisiert' dahin definiert, dass sie sich auch künftig den Anordnungen des Vorsitzenden der erkennenden Strafkammer zur Leitung der Verhandlung nicht beugen, trotz - etwa aufrechterhaltener - Anordnung nach § 257 a StPO, Wortentzugs, Abschaltens des Mikrophons ungebrochen auch zum anwesenden Publikum gewandt ?weiter reden' werde, um die Wahrheit kund zu tun.
III. Die vorstehend getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Inhalt der dem Senat vorliegenden Hauptakten Bde. 27-36 nebst drei Stehordnern (beinhaltend Anlage I und Anlage II zum Schriftsatz [Schutzschrift] von Rechtsanwältin A. vom 18.10.2005 sowie deren Schriftsatz vom 21.02.2006 nebst Anlagen), insbesondere auf dem Inhalt der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27.03.2006 verlesenen Niederschriften über die Termine zur Hauptverhandlung vor der Strafkammer am 09.02.2006, 15.02.2006, 16.02.2006 und 09.03.2006, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen sei. An der Richtigkeit der darin dargestellten Verfahrensabläufe zu zweifeln, hat der Senat - auch bei Beachtung der von Rechtsanwältin dagegen mit Schriftsatz vom 26.03.2006 punktuell erhobenen Einwendungen - keinen Anlass, insbesondere in Anbetracht der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27.03.2006 verlesenen dienstlichen Äußerung des an allen Sitzungstagen der Strafkammer anwesend gewesenen Vertreters der Staatsanwaltschaft Mannheim, Staatsanwalt G., vom 16.03.2006, der zufolge sich seine eigenen Wahrnehmungen mit den im Vorlagebeschluss der Strafkammer vom 09.03.2006 und im Protokoll der am 09.02.2006 erneut begonnenen Hauptverhandlung geschilderten Sachverhalten decken .
IV. Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalls bedarf es nach der - verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden (BVerfG NJW 1975, 2341; LR-Lüderssen StPO Stand: 01.10.2001 § 138 a Rdnr. 1 m.w.N.) - Bestimmung des § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO der prozessualen Maßnahme des Ausschlusses der Verteidigerin Rechtsanwältin A., um dem Angeklagten eine Verteidigung zu gewährleisten, wie sie die Stellung eines Rechtsanwalts/Verteidigers als Beistand des Angeklagten und Organ der Rechtspflege verlangt, und um den prozessordnungsgemäßen zeitnahen Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens gegen den Angeklagten E. sicherzustellen, zumal es sich um eine Haftsache handelt, die besonderer Beschleunigung bedarf (vgl. hierzu etwa jüngst erneut grundsätzlich BVerfG B. v. 16.03.2006 - 2 BvR 170/06 -).
Der Senat hat die Argumente von Rechtsanwältin A., die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eine ?Sabotageabsicht' hinsichtlich des Verfahrens gegen den Angeklagten E. in Abrede gestellt und als Ziel ihres Handelns die Verhinderung der ihrer Auffassung nach unrechtmäßigen Verurteilung des Angeklagten E. sowie die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Fremdherrschaft feindlicher Mächte in Deutschland angegeben hat (vgl. auch ihre Schriftsätze vom 20.03.2006 und vom 26.03.2006), zur Kenntnis genommen und eingehend beraten, vermochte diesen indes im Ergebnis nicht zu folgen.
Das aufgezeigte Prozessverhalten von Rechtsanwältin A. ist nicht mehr als übliche, sachbezogene und prozessual zulässige Verteidigertätigkeit einstufbar, vielmehr als unerlaubtes Verteidigerhandeln zu werten (BGH NJW 2000, 2433, 2434; BGHSt 38, 345; NJW 2000, 2217). Hier liegt kein der Erfüllung des objektiven Tatbestandes des § 258 StGB entgegenstehendes eigenverantwortliches Verteidigungsverhalten des Angeklagten E. vor (vgl. LR-Lüderssen a.a.O. § 138 a Rdnr. 36). Vielmehr erhellt aus Sicht des Senats aus dem aufgezeigten Verhalten von Rechtsanwältin A. zwanglos in objektiver und subjektiver Hinsicht deren ihr zuzurechnendes Ziel, das Hauptverfahren gegen den Angeklagten E. vor der Großen Strafkammer des Landgerichts M. zu sabotieren und publikumswirksam zur ?Farce' zu machen. Gewichtige Bedeutung kommt dabei auch dem ersichtlich auf Verunsicherung der Laienrichter zielenden Antrag von Rechtsanwältin A. vom 09.02.2006 auf Belehrung der Schöffenrichter zu. Sie gefährdet zielgerichtet konkret den zeitnahen Abschluss des Erkenntnisverfahrens und ggf. die Bestrafung des Angeklagten. Dies ist strafbar i. S. d. § 258 StGB. Indem sich Rechtsanwältin A. bewusst außerhalb des geltenden Rechts, insbesondere der Strafprozessordnung stellt, die Verhandlungsleitung durch den Vorsitzenden der Strafkammer (§ 238 Abs. 1 StPO) nicht anerkennt, dessen Anordnungen nach §§ 257 a, 249 Abs. 2 StPO unterläuft, so dass diese nicht ausgeführt werden können, und ihr das den Verfahrensgang in hohem Maße wissentlich blockierendes Unterfangen auch in Folgeterminen der - gegenwärtig noch unterbrochenen - Hauptverhandlung vor der Großen Strafkammer des Landgerichts M. fortzusetzen beabsichtigt, hat sie sich für ein weiteres Procedieren als Wahlverteidigerin des Angeklagten E. untragbar gemacht. Soweit sie sich zur Rechtfertigung ihres Verhaltens - ?in Geschäftsführung ohne Auftrag für das Deutsche Reich' - auf ein Nothilferecht beruft (vgl. hierzu etwa LR-Lüderssen a.a.O. § 138 a Rdnr. 75), ist dies nicht nachvollziehbar, ist der Rechtsanwältin doch schon von Berufs wegen bewusst, dass dem Angeklagten E. wie auch der Anklagebehörde - je nach dem derzeit noch völlig offenen Ausgang des Strafverfahrens - Rechtsmittel gegen das Erkenntnis der Strafkammer zur Verfügung stehen.
Einen Verbotsirrtum hinsichtlich ihres zu beanstandenden Prozessverhaltens vermag der Senat - auch auf Grund des von Rechtsanwältin A. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat persönlich gewonnenen Eindrucks - nicht zu erkennen, ebenso wenig eine Beeinträchtigung ihrer Schuldfähigkeit (vgl. hierzu LR-Lüderssen a.a.O. § 138 a Rdnr. 78).
Der Problematik des - auch in der Literatur diskutierten (vgl. Dahs ?Ausschließung und Überwachung des Strafverteidigers' NJW 1975, 1385; Ulsenheimer ?Zur Regelung des Verteidigerausschlusses in §§ 138 a-d, 146 n.F. StPO' GA 1975, 103; Malmendier ?Konfliktverteidigung - ein neues Prozesshindernis?' NJW 1997, 227; Kühne ?Rechtsmissbrauch des Strafverteidigers' NJW 1998, 3027; Jahn ?Kann Konfliktverteidigung Strafvereitelung [§ 258 StGB] sein?' ZRP 1998, 103; Senge ?Missbräuchliche Inanspruchnahme verfahrensrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten - wesentliches Merkmal der Konfliktverteidigung? Abwehr der Konfliktverteidigung' NStZ 2002, 225) - Ausschlusses eines Verteidigers wegen (versuchter) Strafvereitelung ist sich der Senat dabei durchaus bewusst.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Die Verhängung punktueller Ordnungsmaßnahmen nach § 177 ff. GVG seitens der Strafkammer gegen Rechtsanwältin A. kommt nicht in Betracht, da solche gegen einen, sei es die Hauptverhandlung und den Verfahrensablauf auch permanent vorsätzlich störenden und den vom Kammervorsitzenden und/oder Gericht getroffenen verfahrensleitenden Anordnungen sich vorsätzlich widersetzenden Strafverteidiger von Gesetzes wegen - jedenfalls nach derzeitiger Rechtslage - (vgl. Meyer-Goßner a.a.O. GVG § 177 Rdnr. 3) ausgeschlossen sind (vgl. aber auch zu § 176 GVG im Falle extrem außergewöhnlicher Situationen: BGH NJW 1977, 437 in einem obiter dictum). Mit einer von Fall zu Fall in laufender öffentlicher Hauptverhandlung zu treffenden - ohnedies tatsächlich und rechtlich ebenso problematischen - Verfahrensweise gegen Rechtsanwältin A. nach § 164 StPO (durch Festhalten als Störerin; vgl. hierzu etwa KK-Wache StPO 5. Aufl. § 164 Rdnr. 4) könnte die erkennende Strafkammer jedenfalls in der vor Ort gegebenen Prozesssituation der geordneten Durchführung der Hauptverhandlung und dem in vorliegender Haftsache besondere Geltung beanspruchenden Beschleunigungsgebot nicht nachhaltig Rechnung tragen. ..." (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.03.2006 - 3 Ausschl 1/06)
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Es muß einem Verteidiger unbenommen bleiben, in einer bevorstehenden Hauptverhandlung als Zeugen zu vernehmende Geheimnisträger auf die Strafbarkeit einer unbefugten Weitergabe geschützter Informationen im Rahmen der Hauptverhandlung hinzuweisen (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 11.01.2005 - 3 Ws 1003/04, StV 2005, 204 f):
?... Gegen den Angekl. wurde ein Strafverfahren wegen Betruges zum Nachteil seiner Kfz-Versicherung im Anschluss an einen Verkehrsunfall geführt. Im Rahmen einer ersten Hauptverhandlung wurden von der Versicherung in dem vorangegangenen Schadensregulierungsverfahrens beauftragte Ärzte als sachverständige Zeugen dazu vernommen, ob dem Angekl. behauptete Gesundheitsschäden vorgelegt hätten. Nachdem auf die Revision des Angekl. gegen das gegen ihn ergangene Urteil aufgehoben worden war, nahm der Verteidiger Kontakt mit den Zeugen auf und wies sie darauf hin, dass ohne eine Entbindung von der Schweigepflicht eine unbefugte Weitergabe anlässlich der Untersuchung des Angekl. gewonnener Informationen strafbar sei.
Der auf dieses Verhalten gestützte Antrag der StA, den Verteidiger in dem Strafverfahren auszuschließen, blieb erfolglos.
Aus den Gründen: Die StA hat in dem ? Strafverfahren gegen VH einen Antrag auf Ausschluss des Verteidigers Prof. Dr. S gestellt, welchen die 1. StrK des LG Kassel gem. § 138c II 2 StPO dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat. Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet.
Zur würdigen ist insoweit der Sachverhalt, wie er sich nach der Antragsbegründung ohne Bezugnahme auf Anlagen oder sonstige Schriftstücke darstellt (vgl. hierzu im einzelnen OLG Hamm, NStZ 1999, 50ff). Es ist nicht Aufgabe des Senats, von sich aus nach den Grundlagen für eine etwaige Ausschließung zu forschen (OLG Düsseldorf, StV 1997, 459 mwN; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 138c Rn 9).
Die Vorlage ist unschlüssig, weil die angeführten Tatsachen - auch bei Unterstellung ihrer Richtigkeit - die Ausschließung des Verteidigers nicht zu rechtfertigen vermögen. In einem derartigen Fall ist die Vorlage ohne mündliche Verhandlung als unbegründet zu verwerfen (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 1975, 943 [945]; OLG Braunschweig, StV 1984, 500 [502]; OLG Bremen, NJW 1981, 2711; LG Bamberg, AnwBl 1980, 33; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 1998, 336; Meyer-Goßner, § 138d, Rn 1).
Der in dem Vorlagebeschluss zu Grunde gelegte Sachverhalt füllt den Ausschließungsgrund des § 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO nicht aus, da sich aus der Antragsbegründung ein hinreichender Verdacht bezüglich einer Handlung des Verteidigers, die für den Fall der Verurteilung des Angekl. eine - zumindest versuchte - Strafvereitelung gem. § 258 StGB darstellte, nicht ergibt.
Der Verteidiger durfte die zum Termin geladenen früheren Sachverständigen schon deshalb auf die Folgen einer etwaigen Verletzung der Schweigepflicht hinweisen, weil nach dem mitgeteilten Sachverhalt keinesfalls feststeht, dass ein Verstoß gegen § 203 Nr. 1 StGB durch die als sachverständige Zeugen geladenen Personen von vornherein ausscheiden würde.
§ 203 I StGB stellt - in der hier allein in Betracht kommenden Variante der Nr. 1 - das unbefugte Offenbaren eines fremden Geheimnisses durch einen Arzt unter Strafe, das diesem im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit anvertraut oder sonst bekannt geworden ist. ?Geheimnis' i.S. der Vorschrift ist eine Tatsache, die nur einem einzelnen oder einem beschränkten Personenkreis bekannt ist, deren Kenntnis nach dem Willen des Betr. hierauf beschränkt ist und an deren Geheimhaltung der Betr. ein schutzwürdiges Interesse hat (vgl. z.B. Cierniak, in: MüKo-StGB § 203 Rn 11; Schünemann, in: LK-StGB, 10. Aufl., § 203 Rn 19; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 203 Rn 3).
Dies ist bei Informationen, die der Sachverständige z.B. zu Anamnese oder zu früheren oder aktuellen Unfallfolgen des Angekl. im Rahmen der von ihm durchgeführten Untersuchung erlangt hat, ohne weiteres der Fall. Aber auch Diagnosen unterfallen dem Schutzbereich der Norm (Cierniak, § 203 Rn 24; Schünemann, § 203 Rn 20).
Dass die insoweit von den Sachverständigen im Rahmen der jeweiligen Begutachtung festgestellten Tatsachen bereits offenkundig und damit nicht mehr geheimhaltungsbedürftig wären, ist nicht ersichtlich.
Dem Geheimnisschutz unterliegen allerdings solche Tatsachen nicht (mehr), die allgemein bekannt (offenkundig) sind oder die jedermann ohne weiteres zugänglich sind (BGHZ 40, 289 [292]; Cierniak, § 203 Rn 16). Insoweit können auch Tatsachen, die in öffentlicher Verhandlung vor Gericht erörtert worden oder bei der Urteilsverkündung öffentlich bekannt gemacht worden sind, ihren Geheimnischarakter verloren haben (Cierniak, § 203 Rn 16).
Hiervon ist jedoch nicht schon dann auszugehen, wenn - wie hier - die Zeugen bereits im Rahmen der ?ersten Hauptverhandlung' Angaben in öffentlicher Verhandlung gemacht haben. Inhalt und Umfang der früheren Aussagen der sachverständigen Zeugen sind nicht im einzelnen bekannt. Nach der Antragsbegründung wurden die sachverständigen Zeugen im Rahmen ihre Vernehmung vor Gericht von den Feststellungen des im Strafverfahren gegen H beauftragten Sachverständigen in Kenntnis gesetzt und insoweit um neue Bewertung ihrer Gutachten gebeten. Ob diese Neubewertung ihrer früheren Gutachten auch die Preisgabe einzelner persönlichkeitsrelevanter Tatsachen und Untersuchungsbefunde umfasst hat, welche damit ihre Eigenschaft als Geheimnis verloren haben könnten oder sich die Aussage der sachverständigen Zeugen in der Mitteilung des Ergebnisses der Neubewertung erschöpft hat, ist nicht ersichtlich.
Jedenfalls kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass die sachverständigen Zeugen im Rahmen ihrer früheren Befragung bereits zu sämtlichen möglicherweise in der erneuten Hauptverhandlung zur Sprache kommenden Tatsachen im Rahmen ihrer früheren Aussage umfassend Stellung genommen haben und deshalb im Rahmen ihrer neuerlichen Aussage keine Tatsachen im Zusammenhang mit der durchgeführten Untersuchung mehr denkbar wären, die dem Geheimnisbegriff des § 203 StGB unterfielen. Nur dann könnte eine erneute Aussage jedoch von vorneherein aus dem Anwendungsbereich des § 203 StGB herausfallen.
Auch der - zutreffende - Hinweis der StA, dass nur Tatsachen, nicht aber Werturteile dem Schutzbereich des § 203 StGB unterfallen, rechtfertigt keine andere Bewertung. Selbst wenn sich die Angaben der sachverständigen Zeugen im Rahmen der ?ersten Hauptverhandlung' auf die Mitteilung des Ergebnisses ihrer Neubewertung ohne jede Darlegung von Einzelbefunden beschränkt haben sollten und damit möglicherweise als Werturteil nicht dem Schutzbereich des § 203 StGB unterfallen wäre, besagt dies nichts über den Ablauf der erneuten Hauptverhandlung, in deren Rahmen die sachverständigen Zeugen durchaus zu Angaben aufgefordert werden könnten, welche als Tatsachen dem Schutzbereich des § 203 StGB unterfallen würden. Insoweit muss es dem Verteidiger unbenommen bleiben, auf die Strafbarkeit einer unbefugten Weitergabe geschützter Informationen im Rahmen der erneuten Hauptverhandlung hinzuweisen.
Ein Einverständnis des Angekl. mit der Weitergabe der Informationen durch die früheren Sachverständigen im Rahmen der erneuten Hauptverhandlung liegt nicht vor, so dass auch von einer unbefugten Weitergabe von Informationen bei Aussage der als sachverständige Zeugen geladenen Gutachter auszugehen wäre. Die Weitergabe dieser Informationen an Dritte ist ?unbefugt' und kann daher tatbestandsmäßig i.S. des § 203 I 1 StGB sein, soweit sie nicht von dem Einverständnis des Geheimnisträgers (hier des Angekl.) gedeckt ist oder dieser kraft Gesetzes oder gerichtlicher Anordnung zur Duldung der Untersuchung verpflichtet ist (ausführlich hierzu Cierniak, § 203 Rn 70ff; Schünemann, § 203 Rn 79). Einwilligungsfähig ist allein derjenige, auf den sich die geheimhaltungsbedürftige Information bezieht (Cierniak, § 203 Rn 55). Der Auftraggeber der Untersuchung ist oder in wessen Interesse die Untersuchung durchgeführt worden ist, spielt demgegenüber keine Rolle (vgl. z.B. OLG Karlsruhe, NJW 1960, 1392 mwN; Scholz, NJW 1981, 1987 [1989] für die entsprechende Problematik bei Berufspsychologen).
Lediglich im Umfang des Einverständnisses mit der Begutachtung ist der Sachverständige befugt, sein Gutachten zu erstatten und im erforderlichen Umfang ggfs. auch Informationen weiterzugeben (Cierniak, § 203 Rn 70). Grundsätzlich gilt das Einverständnis jedoch nur in dem Verfahren, in dem es erteilt worden ist (BGHSt 38, 369 [371]; Cierniak, § 203 Rn 63; Schünemann, § 203 Rn 79). Nach dem mitgeteilten Sachverhalt ist davon auszugehen, dass die Sachverständigen den Angekl. H im Auftrag der Versicherungsgesellschaft untersucht haben. Die Einwilligung des Angekl. in die Untersuchung und die Weitergabe von Informationen an die Versicherung im Rahmen der Abwicklung des Versicherungsfalles deckt damit nicht die Weitergabe der im Rahmen der Begutachtung gewonnenen personenbezogenen Informationen durch den Sachverständigen auch im Rahmen des Strafverfahrens gegen den Angekl.
Ob der Angekl. die Sachverständigen in der ?ersten Hauptverhandlung' von der Schweigepflicht befreit hatte, ist nicht bekannt. Es kommt darauf aber zunächst auch nicht an, denn die Entbindung ist widerrufbar (Cierniak, § 203 Rn 70; Schünemann, § 203 Rn 66) und der Angekl. hat sie jedenfalls im Vorfeld der ?zweiten Hauptverhandlung' widerrufen. Daraus folgt, dass die Schweigepflicht wieder auflebt (Cierniak, § 208 Rn 70) und die Sachverständigen nunmehr bezüglich ihrer dem Schutzbereich des § 203 StGB unterfallenden Erkenntnisse bei den Untersuchungen zum Schweigen verpflichtet sind.
Ebenso wenig greift die Erwägung der StA, die Sachverständigen seien durch den Angekl. getäuscht worden und damit Opfer einer Straftat, nämlich des Betruges zum Nachteil der Versicherung, was ihnen die Befugnis gebe, ihre Erkenntnisse zu offenbaren, wenn nur so eine Strafverfolgung des Täters möglich werde.
Das folgt schon daraus, dass die bisherigen Aussagen der Sachverständigen verwertbar bleiben, so dass die StrK nicht gehindert wäre, z.B. Beweis über den Inhalt der Aussagen zu erheben, den die Sachverständigen zu der Zeit und unter den Umständen gemacht haben, als sie von der Schweigepflicht entbunden waren. ..."
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Ist die Vorlage zur Entscheidung über die Ausschließung des Verteidigers gem. § 138c II 1 unschlüssig, weil die angeführten Tatsachen - auch bei Unterstellung ihrer Richtigkeit - die Ausschließung des Verteidigers nicht zu rechtfertigen vermögen, ist die Vorlage ohne mündliche Verhandlung als unbegründet zu verwerfen. Nach der gem. § 22 StGB gebotenen subjektiv-objektiven Betrachtung überschreitet derjenige die Schwelle zum Versuch, der nach seiner Vorstellung vom Tatablauf das geschützte Rechtsgut bereits in eine hinreichend konkrete nahe Gefahr bringt. Von daher beginnt die vorgestellte Gefährdung des Rechtsguts und damit in der Versuch der Strafvereitelung durch den Verteidiger im Falle der Herbeiführung einer unrichtigen Aussage eines Zeugen erst mit Beginn von dessen Aussage, es sei denn, dem Zeugen bleibt faktisch keine andere Wahl als falsch auszusagen (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 13.02.2003 - 3 Ws 190/03 zu StPO §§ 138aff.; StGB §§ 22, 258).
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?.. Die Vorlage ist jedoch unbegründet. Die sachlichen Voraussetzungen für eine Ausschließung von Rechtsanwalt B als Verteidiger des Angekl. gem. § 138a I Nr. 3 StPO i.V. mit §§ 258 I, IV, 22, 23 StGB sind nicht erfüllt. Sein mitgeteiltes Verhalten rechtfertigt weder den dringenden noch den hinreichenden Verdacht einer versuchten Strafvereitelung. Dieser Tatbestand ist nur gegeben, wenn jemand nach seiner Vorstellung von der Tat unmittelbar dazu ansetzt, absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil zu vereiteln, daß ein anderer wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird.
1. Der Rechtsanwalt ist als Verteidiger ein unabhängiges Organ der Rechtspflege (§§ 1, 31 BRAO). Er ist als solches zur Mitwirkung bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit und Wahrung der Gerechtigkeit berechtigt und verpflichtet. Andererseits ist er als Rechtsbeistand seines Mandanten dessen Vertrauensperson und hat seine Belange gegenüber den Strafverfolgungsbehörden und den Gerichten wahrzunehmen und vor allem dafür Sorge zu tragen, daß der Strafanspruch des Staates in prozeßordnungsgemäßem Wege verfolgt wird. Da Strafverteidigung ihrer Natur nach auf Schutz vor Inhaftierung, Anklage und Verurteilung ausgerichtet ist (vgl. BGH, NJW 1980, 64), ist der Verteidiger zur Objektivität nicht verpflichtet. Vielmehr darf und muß er einseitig die Interessen seines Mandanten vertreten (vgl. Senat, StV 1998, 66). Allerdings hat er sich hierbei prozessual zulässiger Mittel zu bedienen. In diesem Sinne ordnungsgemäßes und pflichtentsprechendes Verteidigerhandeln ist nicht tatbestandsmäßig i.S. des § 258 StGB (vgl. BGHSt 29, 102 = NJW 1980, 464 m.w. Nachw.; ferner Senat, NJW 1991, 996). Deshalb darf der Verteidiger allerdings ohne Anwendung ?unsauberer Mittel" (vgl. BGHSt 10, 393 = NJW 1957, 1808) etwa einem aussageverweigerungsberechtigten Zeugen die Aussageverweigerung nahelegen (vgl. Senat, NJW 1991, 996), die Zurücknahme eines Strafantrags veranlassen oder Auskünfte über die Rechtslage erteilen, mögen sie auch geeignet sein, einen Entschluß zur Strafvereitelung zu fördern (vgl. Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, 25. Aufl., § 258 Rdnr. 20). Hingegen muß sich der Verteidiger jeglicher Verdunkelung der wahren Sachlage und jeder die Wahrheitsfindung sachwidrig beeinträchtigenden Erschwerung der Strafverfolgung enthalten (vgl. Senat, StV 1994, 472). So darf er vor allem weder Zeugen zu Falschaussagen veranlassen noch mit diesem Ziel auf sie einwirken oder bereits zur Falschaussage entschlossene Zeugen in ihrem Willen hierzu bestärken (vgl. Tröndle, StGB, 48. Aufl., § 258 Rdnr. 7 m.w. Nachw.; ferner Stree, in: Schönke/Schröder, § 258 Rdnr. 20, m.w. Nachw.).
2. Unter Beachtung dieser Grundsätze stellt das in der Vorlage mitgeteilte Verhalten des Rechtsanwalts B zulässige Verteidigerhandlung, nicht aber eine die Ausschließung nach § 138a I Nr. 3 StPO rechtfertigende, versuchte Strafvereitelung i.S. der §§ 258 I, IV, 22, 23 StGB dar.
a) Nachdem die Zeugin K ohne seine Einflußnahme in Begleitung der Mutter und des Bruders des Angekl. bei Rechtsanwalt B erschienen war, durfte er ihr nach Schilderung des Geschehensablaufs entsprechend ihrer bisherigen, den Angekl. belastenden Version im Sinne des Anklagevorwurfs die Auskunft erteilen, eine Änderung ihrer Aussage zur Begründung der von ihr beabsichtigten Rücknahme der Strafanzeige liege nur dann vor, wenn sie angebe, der Angekl. habe keine Gewalt gegen sie angewandt. Darin liegt keine unzulässige prozessuale Einwirkung auf die Zeugin, insbesondere nicht der Versuch, sie zu einer Falschaussage zu veranlassen oder ihr eine solche nahezulegen. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch dann nicht, wenn Rechtsanwalt B hierbei wußte, daß die Geschädigte den Angekl. vor weiterer Inhaftierung, Bestrafung und eventueller Abschiebung bewahren wollte. Entscheidend ist, daß der Verteidiger nicht aktiv auf die Zeugin eingewirkt hat, um sie zu einer Falschaussage zu bestimmen oder sie in der Absicht, zugunsten des Angekl. falsch auszusagen, zu bestärken, und immerhin die Möglichkeit bestand, daß ihre ursprüngliche Geschehensschilderung unrichtig war.
b) Nichts anderes gilt, soweit Rechtsanwalt B die Zeugin darauf hingewiesen hat, wenn sie ihre Anzeige zurücknehmen wolle, könne sie es bei ihrer Schilderung des ?Küssens und Betatschens" durch den Angekl. ohne Gewaltanwendung belassen. Auch dadurch sind die Grenzen ordnungsgemäßen Verteidigerhandelns mangels prozessual unzulässiger Einflußnahme noch nicht überschritten worden.
c) Was die von Rechtsanwalt B möglicherweise vorgenommene Hilfeleistung bei der sprachlichen Formulierung ihrer geänderten Geschehensschilderung anbelangt - nach der Vorlage hat er diese mit der Zeugin vor dem Aufsuchen der Kriminalpolizei über eine Stunde ?durchgespielt" -, so fehlt es ebenfalls an genügenden konkreten Hinweisen dafür, daß er die Geschädigte hierbei unlauter beeinflußt hat. Die Zeugin ist nach den Ermittlungen Sonderschülerin und nicht altersgemäß gereift. Im übrigen liegt die Annahme nicht fern, daß der Verteidiger sich auf diese Weise selbst einen Eindruck von der Glaubhaftigkeit der geänderten Aussage und von der Glaubwürdigkeit der K verschaffen wollte.
d) Desweiteren durfte Rechtsanwalt B die Zeugin zur Erklärung der von ihr ohne sein Zutun gewollten Rücknahme der Strafanzeige gegen den Angekl. zur Kriminalpolizei begleiten und sich dort im Sinne ihrer geänderten Geschehensschilderung äußern. Ein Verteidiger, der sich so verhält, verdunkelt weder den Sachverhalt noch erschwert er sachwidrig die Wahrheitsfindung, es sei denn, er wirke dadurch auf die Auskunftsperson ein oder habe zuvor auf sie eingewirkt in der Absicht, sie zu einer Falschaussage zu bestimmen oder sie in ihrem Entschluß, falsch auszusagen, zu bestärken. Dafür fehlt es aber - wie aufgezeigt - an hinreichenden, konkreten Anhaltspunkten.
e) Letztlich ist besonders im Hinblick auf den von dem Verteidiger im Hauptverhandlungstermin vom 31. 3. 1998 vor dem JugendschöffenGer. zu den Akten gereichten Vermerk vom 26. 9. 1997 über das Gespräch mit der Zeugin seine Verurteilung wegen versuchter Strafvereitelung nicht mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Rechtsanwalt B hat hiernach die bereits ohne seine Veranlassung zur Rücknahme ihrer Strafanzeige bereite Geschädigte mehrfach darüber belehrt, daß sie verpflichtet sei, die Wahrheit zu sagen. Gleichwohl verblieb sie bei ihrer geänderten Schilderung des Tathergangs, wonach der Angekl. sie zwar mit ?Küssen und Betatschen" bedrängt, sie nicht aber mit Gewalt und unter Ausnutzung ihrer schutzlosen Lage gezwungen habe, sexuelle Handlungen an sich zu dulden und an ihm vorzunehmen. Selbst wenn Rechtsanwalt B bei dem Gespräch mit der Zeugin ihre insoweit abweichende ursprüngliche Aussage und die dafür sprechenden weiteren Beweisanzeichen kannte, so war er doch nicht nur berechtigt, sondern gegenüber seinem die Tat bestreitenden Mandanten auch verpflichtet, allen Umständen nachzugehen, die geeignet waren, vernünftige Zweifel an der Täterschaft des Angekl. zu begründen. Solche aber boten sich in der Persönlichkeit der Zeugin und in ihrer wechselnden Aussage. Nichts anderes als hierauf einzugehen hat Rechtsanwalt B in Erfüllung seiner Beistandsfunktion als Verteidiger innerhalb der Grenzen prozessualer Zulässigkeit getan. Bei dieser Sachlage kann entgegen der in dem Vorlagebeschluß geäußerten Auffassung nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, Rechtsanwalt B habe in dem Wissen gehandelt, daß die Zeugin entgegen ihrer ursprünglichen Schilderung des Geschehensablaufs nunmehr zugunsten des Angekl. falsch ausgesagt habe.
Nach alledem fehlt es mangels hinreichender Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung des Verteidigers wegen versuchter Strafvereitelung an dem zumindest erforderlichen hinreichenden Tatverdacht i.S. des § 138a I Nr. 3 StPO, ohne daß es noch auf den - hier im übrigen nicht unmittelbar anwendbaren - Zweifelssatz ankommt.
C. Da hiernach der dem Beschluß vom 15. 6. 1998 zugrunde liegende Sachverhalt die Ausschließung von Rechtsanwalt B als Verteidiger des Angekl. nicht rechtfertigt, ist die Vorlage als unbegründet zu verwerfen. Dies kann ohne die nach § 138d I StPO vorgesehene mündliche Verhandlung geschehen, weil eine Ausschließung des Verteidigers schon nach den Darlegungen des JugendschöffenGer. nicht in Betracht kommt und nach Lage der Dinge bei einer mündlichen Verhandlung kein anderes Ergebnis zu erwarten ist. In einem solchen Fall ist eine mündliche Verhandlung entbehrlich (vgl. Senat, NJW 1991, 996 m.w. Nachw.). ..." (OLG Düsseldorf, Beschluß vom 01.07.1998 - 1 Ws 378/98, NStZ-RR 1998, 336 f).
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?... Dieser Verteidiger ist weder dringend noch in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grade verdächtig, sich wegen einer der in § 138 a Abs. 1 Nr. 1-3 StPO angeführten Straftaten strafbar gemacht zu haben. Insbesondere ist nicht erkennbar, daß er - was ihm hier vorgeworfen wird und allein in Betracht kommt - Handlungen begangen hat, die für den Fall der Verurteilung des Besch. - hier: des Angekl. J. - versuchte Strafvereitelung wären (§§ 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO, 258 Abs. 1 und 4 StGB).
a) Geschütztes Rechtsgut der Vorschrift des § 258 StGB ist die staatliche Rechtspflege. Sie soll ihre Aufgabe, den staatlichen Strafanspruch so bald wie möglich zu verwirklichen, ungehindert erfüllen können. Strafvereitelung nach Abs. 1 bzw. versuchte Strafvereitelung nach Abs. 1 und 4 liegt vor, wenn jemand absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß jemand wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird, bzw. dies versucht.
Soweit es den Verteidiger eines Besch. anlangt, ist dieser an Recht und Gesetz gebundenes Organ der Rechtspflege. Er hat einen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen, dessen Ausführung nicht nur im Interesse des Besch., sondern auch im Interesse einer am Rechtsstaatsgedanken ausgerichteten Strafrechtspflege liegt. Er hat die Belange des Besch. gegenüber Strafverfolgungsbehörden und Gericht zu wahren und dafür Sorge zu tragen, daß der Strafanspruch des Staates im prozeßordnungsgemäßen, justizförmigen Wege verfolgt wird. Dabei ist er nicht zu Unparteilichkeit verpflichtet; vielmehr darf er einseitig zu Gunsten des Besch. handeln und ist berechtigt, dabei an anderen Verfahrensbeteiligten Kritik zu üben. Prozessual zulässiges Handeln des Verteidigers im Interesse sachgerechter Strafverteidigung läßt die Tatbestandsmäßigkeit des § 258 Abs. 1 StGB von vornherein entfallen (KG NStZ 1988, 178; Senatsbeschl. in NStZ 1991, 299; Laufhütte a.a.O. Rdnr. 4 vor § 137). Seine Stellung als Organ der Rechtspflege bedingt jedoch, daß er nur rechtlich erlaubte Mittel einsetzen und sich der Wahrheitserforschung nicht hindernd in den Weg stellen darf. So muß er sich jeder Verdunkelung der wahren Rechtslage und sachwidrigen Erschwerung der Strafverfolgung enthalten. Weder darf er falsche Aussagen herbeiführen noch verfälschte verwenden. Insbesondere darf er nicht auf Zeugen mit dem Ziel einwirken, daß sie falsch aussagen und die Glaubwürdigkeit eines Zeugen mittels unwahrer Behauptungen von Tatsachen erschüttern oder auf sonstige Weise Beweisquellen trüben.
Bei Berücksichtigung dieser anerkannten Grundsätze (vgl. jeweils mit Rspr. Nw.: Laufhütte a.a.O. Rdnr. 4 ff. vor § 137; Dreher-Tröndle, StGB, 46. A., Rdnr. 7 zu § 258; Lackner, StGB, 20.A., Rdnr. 8ff. zu 258; Stree in Schönke-Schröder, StGB, 24. A., Rdnr. 20 zu § 258) vermag der Senat keinen begründet erscheinenden Verdacht zu erkennen, daß der Verteidiger sich unter Mißbrauch seiner Verteidigungsaufgabe der versuchten Strafvereitelung schuldig gemacht hat.
b) Soweit es den von der StA erhobenen und im Vorlagebeschl. geteilten Vorwurf anlangt, dieser Verteidiger habe im Zusammenwirken mit anderen D. zum - fälschlichen - Widerruf seiner den Angekl. belastenden Angaben verleitet, bieten das Verhalten des Verteidigers und die vorgelegten Beweismittel keinen Anhalt dafür, daß er berechtigt ist. Auszugehen ist insoweit lediglich davon, daß er schon vor dem Entweichen von D. aus der JVA Detmold Kenntnis von dessen Bereitschaft zum erneuten Widerruf hatte. Indes fehlen jede Anhaltspunkte dafür, daß er diese Bereitschaft durch eigenes Zutun unterstützt und den auf Videoband aufgezeichneten Widerruf vorbereitet, gesteuert oder sonstwie gefördert hat. Irgendwelche die Bereitschaft von D. beeinflussende Zuwendungen hat der Verteidiger diesem nicht zukommen lassen. Im Gegenteil hat er nach den Angaben des Journalisten B. diesem sogar abgeraten, D.'s Wünsche nach hafterleichternden Zuwendungen zu erfüllen. Persönliche Kontakte des Verteidigers zu D. haben weder vor noch nach dessen Flucht aus der JVA Detmold bestanden. Von dem auf Videoband aufgezeichneten Widerruf hat er nach seinen eigenen und überdies von RA H. bestätigten Angaben erst nachträglich Kenntnis erlangt. Selbst wenn, was offen bleiben kann, von dritter Seite auf D. in einer den Tatbestand der versuchten Strafvereitelung erfüllenden Weise unlauter mit dem Ziel des Widerrufs seiner den Angekl. J. belastenden Angaben eingewirkt worden sein sollte, kann dies dem Verteidiger nicht angelastet werden.
c) Ebensowenig rechtfertigt das Prozeßverhalten des Verteidigers den Verdacht der Verwirklichung einer versuchten Strafvereitelung.
Mit dem Gebot eines rechtstaatlichen Verfahrens ist es nicht vereinbar, daß ein StA als Sitzungsvertreter in einem Verfahren mitwirkt, in dem er z.B. selbst Verletzter oder mit dem Angekl. oder dem Verletzten verwandt oder verschwägert ist. Entsprechendes gilt, wenn der StA seine Pflicht zur Objektivität nachhaltig und schwer verletzt hat oder durch sonstiges Verhalten dem Besch. hinreichend Grund zu seiner Besorgnis der Befangenheit geboten hat (BVerfG JR 1979, 28; BGH NJW 1984, 1908). Der Besch. und sein Verteidiger sind berechtigt, auf die Ablösung eines aus ihrer Sicht ungeeignet erscheinenden StA als Sitzungsvertreter hinzuwirken und dies bei dem Dienstvorgesetzten dieses StA anzuregen bzw. anregen zu lassen (OLG Stuttgart NJW 1974, 1394).
Mit dem an die StrK gerichteten Antrag v. 2. 2. 1994 hat der Verteidiger von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Das erfüllt nicht den Tatbestand einer versuchten Strafvereitelung. ...
e) Da der dem Vorlagebeschl. zugrunde liegende Sachverhalt die Ausschließung von RAS. als Verteidiger nicht rechtfertigt, ist die Vorlage insoweit als unbegründet zu verwerfen. Das kann ohne die in § 138 b Abs. 1 StPO vorgeschriebene mündliche Verhandlung geschehen, weil aufgrund der Vorlage eine Ausschließung nicht in Betracht kommt und durch eine mündliche Verhandlung kein anderes Ergebnis zu erwarten ist. In einem solchen Fall ist die mündliche Verhandlung entbehrlich (OLG Karlsruhe NJW 1975, 943 ff.; OLG Bamberg AnwBl. 1980, 33; OLG Bremen NJW 1981, 2771 [= StV 1981, 139]; OLG Braunschweig StV 1984, 500 ff.; Senatsbeschl. in NStZ 1991, 299 = StV 1992, 57; BGH NStZ 1991, 557 [= StV 1991, 526]; Laufhütte a.a.O. Rdnr. 1 zu § 138 d; Kleinknecht/Meyer- Großner StPO, 41. A., Rdnr. 1 zu § 138 d). ..." (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.06.1994 - 1 Ws 365 - 366/94, StV 1994, 472 f)
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Das Einwirken eines Verteidigers auf einen Zeugen mit dem Ziel, diesen zu einer Falschaussage zu veranlassen, stellt keinen seine Ausschließung rechtfertigenden strafbaren Versuch der Strafvereitelung dar, solange der Zeuge nicht falsch aussagt (OLG Frankfurt, Entscheidung vom 13.03.1992 - 3 Ws 136/92, StV 1992, 360).
Empfiehlt der Verteidiger seinem angeklagten Mandanten, zum Hauptverhandlungstermin, dessen Verlegung abgelehnt worden ist und der nicht ohne den Angeklagten durchgeführt werden kann, nicht zu erscheinen, verwirklicht er den objektiven Tatbestand der Strafvereitelung (OLG Koblenz, Entscheidung vom 28.10.1991 - 1 Ausschl. 1/91, NStZ 1992, 146).
Bedient der Verteidiger sich bei der Ausübung seines Mandats prozessual zulässiger Mittel, so kommt seine Ausschließung wegen des Verdachts der (versuchten) Strafvereitelung selbst dann nicht in Betracht, wenn er dadurch dazu beiträgt, daß der Hauptverhandlungstermin vertagt werden muß. Einer mündlichen Verhandlung i. S. des § 138d I StPO bedarf es nicht, wenn die Ausschließung des Verteidigers schon im Zeitpunkt der Antragstellung nicht in Betracht kommt und durch eine mündliche Verhandlung kein anderes Ergebnis zu erwarten ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.12.1990 - 1 Ws 1096/90 zu StPO §§ 138a, 138d I; StGB § 258, NStZ 1991, 299 f).
Stellt der Verteidiger einen Beweisantrag, so macht er von einem ihm zustehenden prozessualen Recht Gebrauch. Dies begründet auch dann nicht eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung, wenn deswegen die Hauptverhandlung unterbrochen oder ausgesetzt werden muß. Ein solches Verhalten des Verteidigers rechtfertigt seinen Ausschluß nach § 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO nicht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.02.1986 - 1 Ws 100/86, StV 1986, 288).
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Ein Verteidiger, der dem Beschuldigten eine gegen diesen bevorstehende, wegen Gefährdung des Untersuchungszwecks geheimgehaltene Maßnahme der Strafverfolgungsbehörde mitteilt, begeht eine versuchte Strafvereitelung, die seine Ausschließung von der Mitwirkung in dem Verfahren rechtfertigt (KG, Beschluss vom 05.07.1982 - 1 AR 460/82 - 4 ARs 46/82, NStZ 1983, 556 ff).
Ein Verteidiger, der eine Strafvereitelung unternimmt, kann nicht gemäß § 138 a I Nr. 3 StPO ausgeschlossen werden, wenn es noch nicht zum Versuch dieses Delikts gekommen ist. Die ablehnende Entscheidung über die Ausschließung eines Verteidigers hat entgegen § 138 d I StPO ohne mündliche Verhandlung zu ergehen, wenn eine Ausschließung von vornherein nicht in Betracht kommt. Wer es erfolglos unternimmt, einen Zeugen zu einer falschen Aussage zugunsten eines Beschuldigten zu beeinflussen, begeht noch keinen Versuch einer Strafvereitelung im Sinne des § 258 StGB (OLG Bremen, Entscheidung vom 04.12.1980 - BL 337/80, NJW 1981, 2711).
Durch Veranlassung von Kontenbewegungen bezüglich eines der Strafverfolgungsbehörde noch unbekannten Bankguthabens des Angeklagten kann sich der Verteidiger der versuchten Strafvereitelung schuldig machen, wenn dadurch eine vorhandene Beweisquelle getrübt worden ist. Zur Abgrenzung noch erlaubter Verteidigertätigkeit zur verbotenen Strafvereitelungshandlung (OLG Frankfurt, Entscheidung vom 10.10.1980 - (2) 3 Ws 800/80, NJW 1981, 882).
OLG Frankfurt StV 1992, 360
OLG Düsseldorf NJW 91, 996
OLG Düsseldorf JZ 86, 408
KG StV 84, 336
3.3.4 Hehlerei
3.3.5 Dringender Tatverdacht - hinreichender Tatverdacht
Die gesetzlichen Regelungen über den Ausschluß des Verteidigers in den Fällen des § 138 a I, II Nr. 1 StPO sind verfassungsgemäß. Es ist verfassungsgemäß, daß der Umfang der Beweisaufnahme im Ausschlußverfahren in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt ist (§ 138 d IV 2 StPO; BVerfG, Beschluss vom 04.07.1975 - 2 BvR 482/75, NJW 1975, 2341).
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Für den Ausschluss eines Verteidigers nach § 138a I Nr. 1 StPO wegen des die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Verdachts der Tatbeteiligung ist nicht zusätzlich die Einleitung oder der entsprechende Stand eines deshalb zu führenden Ermittlungsverfahrens erforderlich (BGH, Beschluss vom 29.03.1996 - 2 ARs 31/96, StV 1996, 470).
Die Ausschließung des Verteidigers wegen hinreichenden Verdachts der versuchten Strafvereitelung setzt nicht voraus, dass wegen dieses Vorwurfs gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und bis zur Anklagereife gediehen ist (Abkehr von BGH, AnwBl. 1981, 115 = bei: Holtz, MDR 1979, 989 und BGHR StPO § 138a I Nr. 3 Begünstigung 1 = NStE Nr. 3 zu § 138a StPO; BGH, Entscheidung vom 03.03.1989 - 2 ARs 54/89, BGH NStZ 90, 91 - StV 93, 227).
Die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung nach § 138 d StPO unterliegt den Regeln des Freibeweises (BGH, Beschluss vom 24.08.1978 - 2 ARs 245/78, NJW 1979, 115 - 116):
?... Die mündliche Verhandlung hat ergeben, daß die Voraussetzungen des § 138 a Abs. 2 StPO idF vom 14. April 1978 für die Ausschließung des Verteidigers vorliegen.
Ein Verteidiger ist u.a. von der Mitwirkung in einem Verfahren, das eine Straftat nach § 129 a StGB zum Gegenstand hat, auszuschließen, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, daß er sich an der terroristischen Vereinigung im Sinne des § 129 a StGB beteiligt hat oder beteiligt ( § 138 a Abs. 1 Nr. 1 StPO ). Die Voraussetzungen dieser Bestimmung für die Ausschließung des Verteidigers Rechtsanwalt R. liegen vor, wie die mündliche Verhandlung vor dem Senat ergeben hat.
III. Bei der Beweisaufnahme ist das Gericht nicht an die Vorschriften über die Hauptverhandlung, insbesondere die §§ 244 bis 256 StPO gebunden; vielmehr kann es nach den Regeln des Freibeweises, auch durch Verlesung von polizeilichen und anderen Protokollen, das Erforderliche feststellen (ebenso Kleinknecht, StPO 33. Aufl. § 138 d Rdn. 3, Ulsenheimer GA 1975, 103, 111). Eine andere Ansicht vertritt Dünnebier (in Löwe/Rosenberg, StPO 23. Aufl. § 138 d Rdn. 8). Er hält die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen für nötig und nicht durch Verlesung von deren Aussagen für ersetzbar, es sei denn, daß die Voraussetzungen der §§ 251 , 254 oder 256 StPO vorliegen. Für diese Ansicht ist dem Wortlaut des § 138 d StPO indessen nichts zu entnehmen. Er besagt insoweit nur, daß in der vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung, in welcher der Verteidiger nicht einmal zugegen zu sein braucht, die anwesenden Beteiligten zu hören sind und das Gericht den Umfang der Beweisaufnahme nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt ( § 138 d Abs. 4 StPO ). Abweichend von den Vorschriften der StPO über die Hauptverhandlung, die der abschließenden Entscheidung über den einem Angeklagten gemachten Schuldvorwurf dient und den Regeln des Strengbeweises nach den §§ 243 ff StPO unterliegt, handelt es sich hier schon dem Wortlaut nach nur um eine mündliche Verhandlung, bei der für die Beweisaufnahme nur die Anhörung der anwesenden Beteiligten vorgeschrieben ist und im übrigen der Grundsatz der Aufklärungspflicht im Umfang des pflichtgemäßen Ermessens gilt (vgl. Rieß JR 1976, 207/208).
Auch die Entstehungsgeschichte des § 138 d StPO spricht eher gegen als für die Ansicht Dünnebiers. Nach der Begründung zu dieser Vorschrift im Entwurf des Zweiten Strafverfahrensreformgesetzes vom 6. September 1974 (BT-Drucks. 7/2526 S. 23), der dann ohne wesentliche Änderungen Gesetz wurde (vgl. Gesetz vom 20. Dezember 1974 - BGBl I 3686), soll die mündliche Verhandlung insbesondere dem Verteidiger umfassend Gelegenheit zur Stellungnahme geben, aber zielstrebig, konzentriert und schnell durchgeführt werden. Da nicht darüber entschieden werde, ob der Verteidiger eine strafbare Handlung begangen habe, sei es gerechtfertigt, aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung und der Verfahrensvereinfachung von dem formalen Beweisantragsrecht, das für die Hauptverhandlung gilt, abzusehen.
Damit hebt die Begründung zu Recht auf die verschiedenen Zwecke einer Hauptverhandlung und der mündlichen Verhandlung im Sinne des § 138 d StPO ab. Hier handelt es sich nicht um das mit möglichst weitgehenden Rechtsgarantien ausgestattete Hauptverfahren gegen einen Angeklagten, sondern um ein summarisches Verfahren, das die Ausschließung eines der Beteiligung an der Tat verdächtigen Verteidigers betrifft. Das Ausschließungsverfahren nach § 138 d StPO ist deshalb dem Haftprüfungsverfahren nach § 118 a StPO nachgebildet (vgl. Amtl. Begründung - BT-Drucks. 7/2526 S. 23). Die in dieser Bestimmung vorgeschriebene mündliche Verhandlung soll klären, ob der Haftbefehl aufzuheben oder dessen Vollzug auszusetzen ist ( § 117 Abs. 1 StPO ). Auch für sie gelten, wie allgemein anerkannt ist, nicht die Regeln des Strengbeweises. Das ergibt sich nicht nur daraus, daß nach § 118 a Abs. 2 Satz 2 StPO das Gericht auch die Art der Beweisaufnahme bestimmt, sondern beruht auf dem Wesen und der Art des Verfahrens, das ebenfalls nur summarisch ist und keine umfangreiche Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung zuläßt. Das Ausschließungsverfahren darf und soll nicht die Hauptverhandlung ganz oder teilweise vorwegnehmen. Deshalb ist es ohne Bedeutung, daß in § 138 d Abs. 4 StPO nicht auch ausdrücklich die Art der Beweisaufnahme dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts überlassen wird. Es wäre nicht folgerichtig, wenn für die Feststellung eines dringenden Tatverdachts im Sinne des § 112 StPO der gesamte Akteninhalt verwertet werden darf, dagegen bei der Feststellung des einfachen Verdachts der Beteiligung an einer Straftat nach § 129 a StGB i.V.m. § 138 a Abs. 2 StPO im Verfahren nach § 138 d StPO keine Protokolle verlesen werden dürften, vielmehr die Zeugen und Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vernommen werden müßten. Letzteres würde außerdem zur Folge haben, daß das Hauptverfahren oft weit mehr als nötig hinausgezögert würde und eine Hauptverhandlung - unter Umständen sogar nach einer vorübergehenden Aussetzung - nicht mehr zu Ende geführt werden könnte.
Daß im übrigen rechtsstaatliche Verfahrensgarantien durch die Regelung des § 138 a Abs. 4 Satz 2 StPO nicht verletzt werden, hat das Bundesverfassungsgericht bereits anerkannt (NJW 1975, 2341).
Nach alledem durfte der Senat die polizeilichen Protokolle verlesen. Das ist geschehen. Aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung hat er es nicht für erforderlich gehalten, die Beschuldigten S. und C. persönlich zu vernehmen.
IV. Die Beweisaufnahme hat den Verdacht ergeben, daß S. und andere Beschuldigte Ende 1977 eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 129 a StGB gegründet haben und Rechtsanwalt R. diese mindestens unterstützt hat.
1. Wie insbesondere die Beschuldigten S. und W. ausgesagt haben, gingen die Ziele dieser Vereinigung dahin, die Wiederzulassung der NSDAP zu erreichen, Deutschland in den Grenzen von 1938 wiederherzustellen, die Demokratie abzuschaffen, eine Diktatur analog zum ehemaligen "Dritten Reich" zu errichten und die Parteien zu verbieten. Diese Ziele sollten mit Gewalt verfolgt werden. Es wurden zunächst eine Werwolfgruppe gebildet, Waffen und andere Ausrüstungsgegenstände beschafft; auch sollten Sprengstoffe besorgt werden. Zur Finanzierung haben mehrere Beschuldigte Raubüberfälle und Diebstähle begangen. Bei einer Besprechung wurde als Planung für 1978 erörtert, "Besatzungsoffiziere" und das durch seine Aktionen gegen ehemalige Nationalsozialisten bekannte Ehepaar K. zu ermorden, Anschläge auf einen englischen Soldatensender und auf die Mauer in Berlin zu unternehmen sowie "Besatzer" gefangen zu nehmen. Schon nach diesen Bekundungen besteht der Verdacht, daß eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 129 a StGB gebildet worden ist, an der "mindestens die Beschuldigten S., W. und Ro." beteiligt waren. Dieser Verdacht ist sogar so dringend, daß gegen mehrere Beschuldigte Haftbefehle gemäß § 112 StPO ergangen sind und der 3. Senat des Bundesgerichtshofs die Beschwerde des Mitbeschuldigten B. gegen einen Haftbefehl durch Beschluß vom 26. Juni 1978 verworfen hat.
2. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung besteht weiter der Verdacht, daß Rechtsanwalt R. diese Vereinigung mindestens durch zwei Handlungen unterstützt hat.
a) So hat der Beschuldigte S. am 19. April 1978 zu polizeilichem Protokoll erklärt, der Rechtsanwalt habe ihn in der Justizvollzugsanstalt aufgesucht und ihm erklärt, S. und W. sollten alle Schuld bei den Straftaten auf sich nehmen und Ro. wegen "der Sache" aus der ganzen Angelegenheit heraushalten (Bd. I Bl. 117 des Sonderhefts). Der ganze Zusammenhang spricht dafür, daß mit dem Ausdruck "Sache" die terroristische Vereinigung gemeint ist. Dies wird bestätigt durch eine weitere, von S. am 9. Mai 1978 unaufgefordert abgegebene Erklärung, daß für ihn bei diesem Gespräch das Bestreben R. klar ersichtlich gewesen sei, ihn, S., dahin zu beeinflussen, daß er den gesamten politischen Hintergrund und die Beteiligung Ro. vergessen müsse und sich als normaler Krimineller bekennen solle. Allerdings hat S. nunmehr durch Schriftsatz vom 30. Juli 1978 diese Aussagen bestritten. Damit ist jedoch der Verdacht, daß er sie gemacht hat, nicht beseitigt. S. hat das Protokoll vom 19. April 1978 (Bd. I Bl. 117) selbst gelesen und unterschrieben und seine Erklärungen vom 9. Mai 1978 sind durch drei Vernehmungsbeamte schriftlich bestätigt worden (Bl. 226/227 des Sonderhefts).
b) Die Vereinigung hatte bei dem Mitbeschuldigten, dem Landwirt Werner C. auf dessen Hof Waffen versteckt. Darunter befanden sich auch vier Maschinenpistolen der Marke Uzi, welche die Mitglieder der Gruppe S., W., Ro., P. und B. bei einem Überfall mittels Waffen auf dem Nato-Übungsplatz Bergen erbeutet hatten. Anläßlich einer Vernehmung des Beschuldigten Ro. am 1. und 2. März 1978 holte Rechtsanwalt R. mit der Hilfe von C. die vier Maschinenpistolen Uzi aus dem gemeinsamen Versteck und brachte sie zur Polizei, nachdem diese und Ro. vorher mit ihm darüber gesprochen hatten. In diesem Zusammenhang soll er nach den Aussagen des Mitbeschuldigten C. vom 11. April 1978 (Bl. 154 des Sonderheftes) und vom 21. April 1978 (Bl. 322 f des Sonderheftes) sowie den dienstlichen Äußerungen der Polizeibeamten L. vom 2. Juni 1978 (Bl. 240 f), Lo. vom 2. Juni 1978 (Bl. 242 ff), H. vom 3. Juni 1978 (Bl. 237) und D. vom 6. Juni 1978 (Bl. 239) die Vereinigung ebenfalls unterstützt haben. Danach hatte Kriminalhauptkommissar Lo. den Rechtsanwalt aufgefordert, neben den Uzis noch weitere namentlich bezeichnete Waffen herbeizuschaffen. Werner C. hat nach seiner wiederholten Bekundung Rechtsanwalt R. gefragt, was es mit den übrigen Waffen und Sachen auf sich habe, worauf ihm R. versichert habe, diese seien sauber und stammten nicht aus strafbaren Handlungen; er wolle sie nicht mitnehmen. Im gegenseitigen Einverständnis wurden dann die Uzis in Salzsäure getaucht, damit etwaige Fingerspuren verwischt wurden (Bl. 157 ff, 323 f des Sonderhefts). Obwohl R. von dem Kriminalhauptkommissar Lo. darüber unterrichtet worden war, daß noch bestimmte Waffen gesucht würden, erklärte er dem Polizeibeamten, er wisse von den anderen Waffen nichts, ihr Herbeischaffen sei ihm nicht möglich gewesen. Diese Gespräche mit dem Polizeibeamten hat der Rechtsanwalt in seinem Schriftsatz vom 9. August 1978 selbst zugegeben, aber die Kenntnis von dem Versteck der anderen Waffen bestritten. Angesichts der Aussage von Werner C. und des sonstigen Verhaltens des Rechtsanwalts besteht jedoch der Verdacht, daß er genaue Kenntnis hatte und die Waffen und das sonstige Material der terroristischen Vereinigung erhalten wollte.
V. Nach alledem besteht ein starker Verdacht, daß der Rechtsanwalt die terroristische Vereinigung unterstützt und damit sich selbst an dem Vergehen nach § 129 a StGB beteiligt hat. Deshalb ist er gemäß § 138 a Abs. 2 StPO n.F. von der Mitwirkung in diesem Verfahren auszuschließen. ..."
***
Der für einen Ausschluß des Verteidigers nach § 138 a Abs. 1 StPO zumindest erforderliche hinreichende Tatverdacht muß sich schlüssig allein aus der Begründung der Vorlage ergeben. Daher kann es erforderlich sein, Ausführungen zur Glaubwürdigkeit eines Zeugen und zur Glaubhaftigkeit seiner Angaben zu machen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.12.1997 - 1 Ws 988/97, StV 1999, 531):
?... Das AG Neuss hat gegen den Angekl.am 5. 8. 1997 einen Strafbefehl wegen Untreue über eine Geldstrafe von 70 TS zu je 30 DM erlassen. Dagegen hat er durch RA S. als seinen Verteidiger rechtzeitig Einspruch eingelegt. Nach Aufhebung des danach bestimmten Termins zur Hauptverhandlung hat das AG die Sache durch Vermittlung der StA dem OLG zur Entscheidung vorgelegt, ob RA S. von der Verteidigung des Angekl. gem. § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO auszuschließen sei. ...
I. Zur Begründung seiner Vorlage hat das AG u. a. ausgeführt: Die StA legt dem Angekl., dessen Verteidiger RA S. ist, Untreue gem. § 266 StGB zur Last. Sie behauptet, der Angekl. habe im September 1994 u. a. in Meerbusch von dem Zeugen S. 27 000 DM erhalten, um für ihn hiervon in Italien ein Motorrad zu kaufen. Von diesem Geld habe der Angekl. 25 000 DM abredewidrig für sich verwendet. Am 10. 9. 1997 hat der bereits im Ermittlungsverfahren vernommene Zeuge S. der Polizei mitgeteilt, daß er nach der amtsgerichtlichen Ladung in dieser Sache vom Verteidiger des Angekl. zu einer Besprechung aufgefordert worden sei. Bei dieser habe der Verteidiger ihm zu verstehen gegeben, sein - des Zeugen - Schreiben an den Angekl. könne als räuberische Erpressung aufgefaßt werden, worauf drei oder vier Jahre Gefängnis stünden. Im günstigsten Falle habe er - der Zeuge - eine hohe Geldstrafe zu erwarten.
Die Anzeige solle er gegenüber der Polizei zurücknehmen und als ?Dummen-Jungen-Streich' darstellen. Der Zeuge hat weiter erklärt, er habe bei der Anzeigeerstattung gegen den Angekl. die Wahrheit gesagt und wolle die Anzeige nun zurücknehmen, weil er Repressalien vom Verteidiger des Angekl. befürchte.
Das von dem Zeugen bekundete Verhalten des Verteidigers rechtfertigt nach Auffassung des AG den dringenden Tatverdacht der (versuchten) Strafvereitelung zugunsten des Angekl.
II. Der Vorlagebeschl. genügt den Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht. Bei einer Vorlage gem. § 138 c Abs. 2 StPO müssen die Tatsachen angegeben werden, die im Falle ihres Nachweises den gegen den Verteidiger erhobenen Verdacht einer zur Ausschließung führenden Handlung gem. § 138 a Abs. 1 StPO stützen. Die Vorlage hat zudem die Beweismittel aufzuführen, die den zumindest erforderlichen hinreichenden Tatverdacht (§§ 138 a Abs. 1, 203 StPO) begründen. Diese müssen sich schlüssig allein aus der Begründung der Vorlage ergeben (vgl. Senatsbeschl. v. 13. 3. 1997 in wistra 1997, 239 = BB 1997, 1228 = StV 1997, 459 und 23. 6. 1997 - 1 Ws 453/97; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO, 43. A., § 138 c Rdnr. 9; KK-Laufhütte StPO, 3. A., § 138 c Rdnr. 4). Wegen Strafvereitelung macht sich nach § 258 Abs. 1 StGB strafbar, wer absichtlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gem. wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird. Eine versuchte Strafvereitelung verwirklicht nach §§ 258 Abs. 1 und Abs. 4, 22 StGB, wer nach seiner Vorstellung von der Tat unmittelbar dazu ansetzt.
Im Vorlagebeschl. fehlen Ausführungen zur Glaubwürdigkeit des Zeugen S. und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage sowie zur inneren Tatseite. Der Verteidiger, der auf einen Belastungszeugen dahin einwirkt, die Anzeige zurückzunehmen und als ?Dummen-Jungen-Streich' darzustellen, ist wegen - ggf. versuchter - Strafvereitelung strafbar, wenn er weiß, daß die Anzeige zu Recht erstattet worden ist und er in der Absicht tätig wird, seinen Mandanten - wenn auch nur vorübergehend - der Bestrafung zu entziehen (vgl. Tröndle StGB, 48. A., § 258 Rdnr. 7; Schönke/Schröder/Stree StGB, 25. A., § 258 Rdnr. 20). Dabei reicht nicht aus, daß der Verteidiger die Richtigkeit der gegen seinen Mandanten erhobenen Anzeige lediglich für möglich hält.
Die bloße Mitteilung der Aussage des Zeugen S. v. 10. 9. 1997 im Vorlagebeschl. genügt danach für die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts der Strafvereitelung oder ihres Versuchs nicht. Das AG teilt nicht mit, warum der Aussage des Zeugen S. gefolgt werden kann und welche Vorstellung der Verteidiger hinsichtlich der gegen seinen Mandanten erhobenen Vorwürfe hatte und - falls er von der Richtigkeit der Vorwürfe ausging - welche Indiztatsachen und Beweismittel insoweit vorliegen. ..."
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Ergibt sich aus dem Akteninhalt kein dringender oder die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigender Tatverdacht gegen den vom Ausschließungsantrag betroffenen Verteidiger, so bedarf es weder einer mündlichen Verhandlung noch weiterer Sachaufklärung durch den Senat (OLG Celle, Beschluss vom 11.12.1996 - 2 ARs 54/96, NJW 1997, 1167).
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Die Ausschließung des Verteidigers setzt voraus, dass eine Verurteilung des Verteidigers wegen der in § 138a StPO genannten Taten im Sinne eines der Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Verdachts wahrscheinlich ist (OLG Frankfurt, Entscheidung vom 01.10.1987 - 3 Ws 490/87, StV 1988, 516):
?... RA A. wurden als Verteidiger des Angekl. im Oktober 1986 die Verfahrensakten für drei Tage zur Einsichtnahme ausgehändigt. Bis zum Februar 1987 hatte der RA die Akten nicht freiwillig dem Gericht zurückgegeben. Das AG; legte die Akten dem OLG zur Entscheidung über die Ausschließung des Verteidigers gem. § 138a Abs. 1 StPO vor. Das OLG lehnte die Ausschheßung des RA als Verteidiger ab. ...
In der mündlichen Verhandlung über die Ausschließung des Verteidigers hat der Senat die Akten der StA Frankfurt/M. beigezogen. In diesem gegen RA A. gerichteten Ermittlungsverfahren ist ihm zur Last gelegt worden, in einer Vielzahl von Fällen Gerichtsakten und Akten der Strafverfolgungsbehörden nicht zurückgegeben zu haben, darunter auch die Akten in dem Strafverfahren gegen X. Durch Verfügung der StA ist das Ermittlungsverfahren gegen RA A. gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden mit der Begründung, zu seinen Gunsten sei zu unterstellen, daß er strafrechtlich nicht verantwortlich ist.
Die Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen RA A. zwingt dazu, die gem. § 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO begehrte Ausschließung des RA als Verteidiger von der Mitwirkung in dem vorliegenden Strafverfahren abzulehnen. Die Ausschließung setzt voraus, daß eine Verurteilung des Verteidigers wegen Strafvereitelung im Sinne eines die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Verdacht wahrscheinlich ist. Eine solche Wahrscheinlichkeit ist jedoch zu verneinen, wenn die Strafverfolgungsbehörde - wie hier - das Verfahren selbst gem. § 170 Abs. 2 StPO aus subjektiven Gründen eingestellt hat.
Der Senat hatte auch nicht zu überprüfen, ob die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen RA A. zu Recht erfolgt ist. In einem solchen Falle ist eine selbständige Fortführung des Ausschließungsverfahrens unzulässig. Dies ergibt sich aus § 138a Abs. 3 Nr. 2 StPO. Danach ist die bereits erfolgte Ausschließung aufzuheben, wenn der Verteidiger in einem wegen des Sachverhalts, der zur Ausschließung geführt hat, eröffneten Hauptverfahren freigesprochen worden ist. Daraus folgt wiederum, daß eine Ausschließung erst gar nicht erfolgen darf, wenn schon vorher das Strafverfahren gegen den Verteidiger nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt oder die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn nach § 204 Abs. 1 StPO abgelehnt worden ist (vgl. dazu Kleinknecht/Meyer, StPO, 38. A., § 138a Rdnr. 18). ..."
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Der für eine Ausschließung des Verteidigers erforderliche Verdacht muß auch unter den Voraussetzungen der herabgesetzten "Verdachtsschwelle" mindestens "verfahrensträchtig" sein, d.h., er muß einen Grad erreichen, nach dem nicht nur die Einleitung, sondern auch die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Verteidiger wenigstens wahrscheinlich ist (KG, Beschluß vom 08.06.1978 - (2) 1 StE 2/77 , (2) 1 StE 46/78, NJW 1978, 1538 - 153).
OLG Hamburg NStZ 83, 426
OLG Bremen NJW 81, 2711
OLG Köln NJW 75, 459
3.4 Verfahren nach § 129 a StGB (§ 138 a II)
Die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung nach § 138 d StPO unterliegt den Regeln des Freibeweises (BGH, Beschluss vom 24.08.1978 - 2 ARs 245/78, NJW 1979, 115 - 116):
?... Die mündliche Verhandlung hat ergeben, daß die Voraussetzungen des § 138 a Abs. 2 StPO idF vom 14. April 1978 für die Ausschließung des Verteidigers vorliegen.
Ein Verteidiger ist u.a. von der Mitwirkung in einem Verfahren, das eine Straftat nach § 129 a StGB zum Gegenstand hat, auszuschließen, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, daß er sich an der terroristischen Vereinigung im Sinne des § 129 a StGB beteiligt hat oder beteiligt ( § 138 a Abs. 1 Nr. 1 StPO ). Die Voraussetzungen dieser Bestimmung für die Ausschließung des Verteidigers Rechtsanwalt R. liegen vor, wie die mündliche Verhandlung vor dem Senat ergeben hat.
III. Bei der Beweisaufnahme ist das Gericht nicht an die Vorschriften über die Hauptverhandlung, insbesondere die §§ 244 bis 256 StPO gebunden; vielmehr kann es nach den Regeln des Freibeweises, auch durch Verlesung von polizeilichen und anderen Protokollen, das Erforderliche feststellen (ebenso Kleinknecht, StPO 33. Aufl. § 138 d Rdn. 3, Ulsenheimer GA 1975, 103, 111). Eine andere Ansicht vertritt Dünnebier (in Löwe/Rosenberg, StPO 23. Aufl. § 138 d Rdn. 8). Er hält die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen für nötig und nicht durch Verlesung von deren Aussagen für ersetzbar, es sei denn, daß die Voraussetzungen der §§ 251 , 254 oder 256 StPO vorliegen. Für diese Ansicht ist dem Wortlaut des § 138 d StPO indessen nichts zu entnehmen. Er besagt insoweit nur, daß in der vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung, in welcher der Verteidiger nicht einmal zugegen zu sein braucht, die anwesenden Beteiligten zu hören sind und das Gericht den Umfang der Beweisaufnahme nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt ( § 138 d Abs. 4 StPO ). Abweichend von den Vorschriften der StPO über die Hauptverhandlung, die der abschließenden Entscheidung über den einem Angeklagten gemachten Schuldvorwurf dient und den Regeln des Strengbeweises nach den §§ 243 ff StPO unterliegt, handelt es sich hier schon dem Wortlaut nach nur um eine mündliche Verhandlung, bei der für die Beweisaufnahme nur die Anhörung der anwesenden Beteiligten vorgeschrieben ist und im übrigen der Grundsatz der Aufklärungspflicht im Umfang des pflichtgemäßen Ermessens gilt (vgl. Rieß JR 1976, 207/208).
Auch die Entstehungsgeschichte des § 138 d StPO spricht eher gegen als für die Ansicht Dünnebiers. Nach der Begründung zu dieser Vorschrift im Entwurf des Zweiten Strafverfahrensreformgesetzes vom 6. September 1974 (BT-Drucks. 7/2526 S. 23), der dann ohne wesentliche Änderungen Gesetz wurde (vgl. Gesetz vom 20. Dezember 1974 - BGBl I 3686), soll die mündliche Verhandlung insbesondere dem Verteidiger umfassend Gelegenheit zur Stellungnahme geben, aber zielstrebig, konzentriert und schnell durchgeführt werden. Da nicht darüber entschieden werde, ob der Verteidiger eine strafbare Handlung begangen habe, sei es gerechtfertigt, aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung und der Verfahrensvereinfachung von dem formalen Beweisantragsrecht, das für die Hauptverhandlung gilt, abzusehen.
Damit hebt die Begründung zu Recht auf die verschiedenen Zwecke einer Hauptverhandlung und der mündlichen Verhandlung im Sinne des § 138 d StPO ab. Hier handelt es sich nicht um das mit möglichst weitgehenden Rechtsgarantien ausgestattete Hauptverfahren gegen einen Angeklagten, sondern um ein summarisches Verfahren, das die Ausschließung eines der Beteiligung an der Tat verdächtigen Verteidigers betrifft. Das Ausschließungsverfahren nach § 138 d StPO ist deshalb dem Haftprüfungsverfahren nach § 118 a StPO nachgebildet (vgl. Amtl. Begründung - BT-Drucks. 7/2526 S. 23). Die in dieser Bestimmung vorgeschriebene mündliche Verhandlung soll klären, ob der Haftbefehl aufzuheben oder dessen Vollzug auszusetzen ist ( § 117 Abs. 1 StPO ). Auch für sie gelten, wie allgemein anerkannt ist, nicht die Regeln des Strengbeweises. Das ergibt sich nicht nur daraus, daß nach § 118 a Abs. 2 Satz 2 StPO das Gericht auch die Art der Beweisaufnahme bestimmt, sondern beruht auf dem Wesen und der Art des Verfahrens, das ebenfalls nur summarisch ist und keine umfangreiche Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung zuläßt. Das Ausschließungsverfahren darf und soll nicht die Hauptverhandlung ganz oder teilweise vorwegnehmen. Deshalb ist es ohne Bedeutung, daß in § 138 d Abs. 4 StPO nicht auch ausdrücklich die Art der Beweisaufnahme dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts überlassen wird. Es wäre nicht folgerichtig, wenn für die Feststellung eines dringenden Tatverdachts im Sinne des § 112 StPO der gesamte Akteninhalt verwertet werden darf, dagegen bei der Feststellung des einfachen Verdachts der Beteiligung an einer Straftat nach § 129 a StGB i.V.m. § 138 a Abs. 2 StPO im Verfahren nach § 138 d StPO keine Protokolle verlesen werden dürften, vielmehr die Zeugen und Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vernommen werden müßten. Letzteres würde außerdem zur Folge haben, daß das Hauptverfahren oft weit mehr als nötig hinausgezögert würde und eine Hauptverhandlung - unter Umständen sogar nach einer vorübergehenden Aussetzung - nicht mehr zu Ende geführt werden könnte.
Daß im übrigen rechtsstaatliche Verfahrensgarantien durch die Regelung des § 138 a Abs. 4 Satz 2 StPO nicht verletzt werden, hat das Bundesverfassungsgericht bereits anerkannt (NJW 1975, 2341).
Nach alledem durfte der Senat die polizeilichen Protokolle verlesen. Das ist geschehen. Aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung hat er es nicht für erforderlich gehalten, die Beschuldigten S. und C. persönlich zu vernehmen.
IV. Die Beweisaufnahme hat den Verdacht ergeben, daß S. und andere Beschuldigte Ende 1977 eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 129 a StGB gegründet haben und Rechtsanwalt R. diese mindestens unterstützt hat.
1. Wie insbesondere die Beschuldigten S. und W. ausgesagt haben, gingen die Ziele dieser Vereinigung dahin, die Wiederzulassung der NSDAP zu erreichen, Deutschland in den Grenzen von 1938 wiederherzustellen, die Demokratie abzuschaffen, eine Diktatur analog zum ehemaligen "Dritten Reich" zu errichten und die Parteien zu verbieten. Diese Ziele sollten mit Gewalt verfolgt werden. Es wurden zunächst eine Werwolfgruppe gebildet, Waffen und andere Ausrüstungsgegenstände beschafft; auch sollten Sprengstoffe besorgt werden. Zur Finanzierung haben mehrere Beschuldigte Raubüberfälle und Diebstähle begangen. Bei einer Besprechung wurde als Planung für 1978 erörtert, "Besatzungsoffiziere" und das durch seine Aktionen gegen ehemalige Nationalsozialisten bekannte Ehepaar K. zu ermorden, Anschläge auf einen englischen Soldatensender und auf die Mauer in Berlin zu unternehmen sowie "Besatzer" gefangen zu nehmen. Schon nach diesen Bekundungen besteht der Verdacht, daß eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 129 a StGB gebildet worden ist, an der "mindestens die Beschuldigten S., W. und Ro." beteiligt waren. Dieser Verdacht ist sogar so dringend, daß gegen mehrere Beschuldigte Haftbefehle gemäß § 112 StPO ergangen sind und der 3. Senat des Bundesgerichtshofs die Beschwerde des Mitbeschuldigten B. gegen einen Haftbefehl durch Beschluß vom 26. Juni 1978 verworfen hat.
2. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung besteht weiter der Verdacht, daß Rechtsanwalt R. diese Vereinigung mindestens durch zwei Handlungen unterstützt hat.
a) So hat der Beschuldigte S. am 19. April 1978 zu polizeilichem Protokoll erklärt, der Rechtsanwalt habe ihn in der Justizvollzugsanstalt aufgesucht und ihm erklärt, S. und W. sollten alle Schuld bei den Straftaten auf sich nehmen und Ro. wegen "der Sache" aus der ganzen Angelegenheit heraushalten (Bd. I Bl. 117 des Sonderhefts). Der ganze Zusammenhang spricht dafür, daß mit dem Ausdruck "Sache" die terroristische Vereinigung gemeint ist. Dies wird bestätigt durch eine weitere, von S. am 9. Mai 1978 unaufgefordert abgegebene Erklärung, daß für ihn bei diesem Gespräch das Bestreben R. klar ersichtlich gewesen sei, ihn, S., dahin zu beeinflussen, daß er den gesamten politischen Hintergrund und die Beteiligung Ro. vergessen müsse und sich als normaler Krimineller bekennen solle. Allerdings hat S. nunmehr durch Schriftsatz vom 30. Juli 1978 diese Aussagen bestritten. Damit ist jedoch der Verdacht, daß er sie gemacht hat, nicht beseitigt. S. hat das Protokoll vom 19. April 1978 (Bd. I Bl. 117) selbst gelesen und unterschrieben und seine Erklärungen vom 9. Mai 1978 sind durch drei Vernehmungsbeamte schriftlich bestätigt worden (Bl. 226/227 des Sonderhefts).
b) Die Vereinigung hatte bei dem Mitbeschuldigten, dem Landwirt Werner C. auf dessen Hof Waffen versteckt. Darunter befanden sich auch vier Maschinenpistolen der Marke Uzi, welche die Mitglieder der Gruppe S., W., Ro., P. und B. bei einem Überfall mittels Waffen auf dem Nato-Übungsplatz Bergen erbeutet hatten. Anläßlich einer Vernehmung des Beschuldigten Ro. am 1. und 2. März 1978 holte Rechtsanwalt R. mit der Hilfe von C. die vier Maschinenpistolen Uzi aus dem gemeinsamen Versteck und brachte sie zur Polizei, nachdem diese und Ro. vorher mit ihm darüber gesprochen hatten. In diesem Zusammenhang soll er nach den Aussagen des Mitbeschuldigten C. vom 11. April 1978 (Bl. 154 des Sonderheftes) und vom 21. April 1978 (Bl. 322 f des Sonderheftes) sowie den dienstlichen Äußerungen der Polizeibeamten L. vom 2. Juni 1978 (Bl. 240 f), Lo. vom 2. Juni 1978 (Bl. 242 ff), H. vom 3. Juni 1978 (Bl. 237) und D. vom 6. Juni 1978 (Bl. 239) die Vereinigung ebenfalls unterstützt haben. Danach hatte Kriminalhauptkommissar Lo. den Rechtsanwalt aufgefordert, neben den Uzis noch weitere namentlich bezeichnete Waffen herbeizuschaffen. Werner C. hat nach seiner wiederholten Bekundung Rechtsanwalt R. gefragt, was es mit den übrigen Waffen und Sachen auf sich habe, worauf ihm R. versichert habe, diese seien sauber und stammten nicht aus strafbaren Handlungen; er wolle sie nicht mitnehmen. Im gegenseitigen Einverständnis wurden dann die Uzis in Salzsäure getaucht, damit etwaige Fingerspuren verwischt wurden (Bl. 157 ff, 323 f des Sonderhefts). Obwohl R. von dem Kriminalhauptkommissar Lo. darüber unterrichtet worden war, daß noch bestimmte Waffen gesucht würden, erklärte er dem Polizeibeamten, er wisse von den anderen Waffen nichts, ihr Herbeischaffen sei ihm nicht möglich gewesen. Diese Gespräche mit dem Polizeibeamten hat der Rechtsanwalt in seinem Schriftsatz vom 9. August 1978 selbst zugegeben, aber die Kenntnis von dem Versteck der anderen Waffen bestritten. Angesichts der Aussage von Werner C. und des sonstigen Verhaltens des Rechtsanwalts besteht jedoch der Verdacht, daß er genaue Kenntnis hatte und die Waffen und das sonstige Material der terroristischen Vereinigung erhalten wollte.
V. Nach alledem besteht ein starker Verdacht, daß der Rechtsanwalt die terroristische Vereinigung unterstützt und damit sich selbst an dem Vergehen nach § 129 a StGB beteiligt hat. Deshalb ist er gemäß § 138 a Abs. 2 StPO n.F. von der Mitwirkung in diesem Verfahren auszuschließen. ..."
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(4) Aufhebung der Ausschließung
4.1 Wegfall der Ausschließungsvoraussetzungen § 138 a III 1 Nr. 1
4.2 Freispruch des Verteidigers § 138 a III 1 Nr. 2
4.3 Verzögerung des Verfahrens gegen den Verteidiger § 138 a III 1 Nr. 3
4.4 Verfahren - Beschluss
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(5) Wirkung der Ausschließung
Ein Angeklagter kann in demselben Strafverfahren nicht gleichzeitig als Verteidiger eines Mitangeklagten tätig werden. Für seinen Ausschluß bedarf es nicht eines Ausschließungsverfahrens nach §§ 138a ff. StPO (BGH, Beschluss vom 26.01.1996 - 2 ARs 441/95, StV 1996, 469).
Ist der Verteidiger eines von mehreren Angeklagten wegen Verdachts der Beteiligung an einer Tat, die allen Mitangeklagten zur Last gelegt wird, von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen worden, so kann er auch keinen der anderen Mitangeklagten verteidigen (BGH, Beschluss vom 22.10.1975 - 1 StE 1/74 , StB 18/75 , StB 60/75 , StB 61/75 , StB 62/75 , StB 63/75, NJW 1976, 58 - 59, NJW 1976, 116 - 119).
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Ausschluss des Verteidigers - mündliche Verhandlung - Rechtsmittel § 138 d StPO
(1) Über die Ausschließung des Verteidigers wird nach mündlicher Verhandlung entschieden.
(2) Der Verteidiger ist zu dem Termin der mündlichen Verhandlung zu laden. Die Ladungsfrist beträgt eine Woche; sie kann auf drei Tage verkürzt werden. Die Staatsanwaltschaft, der Beschuldigte und in den Fällen des § 138c Abs. 2 Satz 3 der Vorstand der Rechtsanwaltskammer sind von dem Termin zur mündlichen Verhandlung zu benachrichtigen.
(3) Die mündliche Verhandlung kann ohne den Verteidiger durchgeführt werden, wenn er ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann.
(4) In der mündlichen Verhandlung sind die anwesenden Beteiligten zu hören. Den Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Über die Verhandlung ist eine Niederschrift aufzunehmen; die §§ 271 bis 273 gelten entsprechend.
(5) Die Entscheidung ist am Schluss der mündlichen Verhandlung zu verkünden. Ist dies nicht möglich, so ist die Entscheidung spätestens binnen einer Woche zu erlassen.
(6) Gegen die Entscheidung, durch die ein Verteidiger aus den in § 138a genannten Gründen ausgeschlossen wird oder die einen Fall des § 138b betrifft, ist sofortige Beschwerde zulässig. Dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer steht ein Beschwerderecht nicht zu. 3Eine die Ausschließung des Verteidigers nach § 138a ablehnende Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die gesetzlichen Regelungen über den Ausschluß des Verteidigers in den Fällen des § 138 a I, II Nr. 1 StPO sind verfassungsgemäß. Es ist verfassungsgemäß, daß der Umfang der Beweisaufnahme im Ausschlußverfahren in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt ist (§ 138 d IV 2 StPO; BVerfG, Beschluss vom 04.07.1975 - 2 BvR 482/75, NJW 1975, 2341).
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Ein Verteidiger, der eine Strafvereitelung unternimmt, kann nicht gemäß § 138 a I Nr. 3 StPO ausgeschlossen werden, wenn es noch nicht zum Versuch dieses Delikts gekommen ist. Die ablehnende Entscheidung über die Ausschließung eines Verteidigers hat entgegen § 138 d I StPO ohne mündliche Verhandlung zu ergehen, wenn eine Ausschließung von vornherein nicht in Betracht kommt. Wer es erfolglos unternimmt, einen Zeugen zu einer falschen Aussage zugunsten eines Beschuldigten zu beeinflussen, begeht noch keinen Versuch einer Strafvereitelung im Sinne des § 258 StGB (OLG Bremen, Entscheidung vom 04.12.1980 - BL 337/80, NJW 1981, 2711).
Ausschluss des Verteidigers - Verfahren - Zuständigkeit § 138 c StPO
(1) Die Entscheidungen nach den §§ 138a und 138b trifft das Oberlandesgericht. Werden im vorbereitenden Verfahren die Ermittlungen vom Generalbundesanwalt geführt oder ist das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof anhängig, so entscheidet der Bundesgerichtshof. Ist das Verfahren vor einem Senat eines Oberlandesgerichtes oder des Bundesgerichtshofes anhängig, so entscheidet ein anderer Senat.
(2) Das nach Absatz 1 zuständige Gericht entscheidet nach Erhebung der öffentlichen Klage bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens auf Vorlage des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist, sonst auf Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Vorlage erfolgt auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft. Soll ein Verteidiger ausgeschlossen werden, der Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ist, so ist eine Abschrift des Antrages der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 oder die Vorlage des Gerichts dem Vorstand der zuständigen Rechtsanwaltskammer mitzuteilen. Dieser kann sich im Verfahren äußern.
(3) Das Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, kann anordnen, dass die Rechte des Verteidigers aus den §§ 147 und 148 bis zur Entscheidung des nach Absatz 1 zuständigen Gerichts über die Ausschließung ruhen; es kann das Ruhen dieser Rechte auch für die in § 138a Abs. 4 und 5 bezeichneten Fälle anordnen. Vor Erhebung der öffentlichen Klage und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens trifft die Anordnung nach Satz 1 das Gericht, das über die Ausschließung des Verteidigers zu entscheiden hat. Die Anordnung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Für die Dauer der Anordnung hat das Gericht zur Wahrnehmung der Rechte aus den §§ 147 und 148 einen anderen Verteidiger zu bestellen. § 142 gilt entsprechend.
(4) Legt das Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, gemäß Absatz 2 während der Hauptverhandlung vor, so hat es zugleich mit der Vorlage die Hauptverhandlung bis zur Entscheidung durch das nach Absatz 1 zuständige Gericht zu unterbrechen oder auszusetzen. Die Hauptverhandlung kann bis zu dreißig Tagen unterbrochen werden.
(5) Scheidet der Verteidiger aus eigenem Entschluss oder auf Veranlassung des Beschuldigten von der Mitwirkung in einem Verfahren aus, nachdem gemäß Absatz 2 der Antrag auf Ausschließung gegen ihn gestellt oder die Sache dem zur Entscheidung zuständigen Gericht vorgelegt worden ist, so kann dieses Gericht das Ausschließungsverfahren weiterführen mit dem Ziel der Feststellung, ob die Mitwirkung des ausgeschiedenen Verteidigers in dem Verfahren zulässig ist. Die Feststellung der Unzulässigkeit steht im Sinne der §§ 138a, 138b, 138d der Ausschließung gleich.
(6) Ist der Verteidiger von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen worden, so können ihm die durch die Aussetzung verursachten Kosten auferlegt werden. Die Entscheidung hierüber trifft das Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die gesetzlichen Regelungen über den Ausschluß des Verteidigers in den Fällen des § 138 a I, II Nr. 1 StPO sind verfassungsgemäß. Es ist verfassungsgemäß, daß der Umfang der Beweisaufnahme im Ausschlußverfahren in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt ist (§ 138 d IV 2 StPO; BVerfG, Beschluss vom 04.07.1975 - 2 BvR 482/75, NJW 1975, 2341).
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In Strafvollzugssachen ist der BGH nicht zuständig für Entscheidungen über die Ausschließung des Verteidigers (BGH, Beschluss vom 02.08.1991 - 3 ARs 19/91).
Die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung nach § 138 d StPO unterliegt den Regeln des Freibeweises (BGH, Beschluss vom 24.08.1978 - 2 ARs 245/78, NJW 1979, 115 - 116).
*** (OLG)
Entsprechend § 172 III 1 StPO müssen in der Vorlage zum Verteidigerausschluss dem OLG unter Angabe der Beweismittel die Tatsachen mitgeteilt werden, aus denen sich im Fall ihres Nachweises das die Ausschließung des Verteidigers rechtfertigende Verhalten ergeben soll. Weil Verteidigerhandeln typischerweise auf die Entlastung des Beschuldigten gerichtet ist, bestehen erhöhte Nachweisanforderungen an das voluntative Element der Strafvereitelung, weshalb die Vorlage die Tatbestandsmerkmale ?absichtlich oder wissentlich" des § 258 I StGB konkret darzulegen und die Beweismittel genauestens zu bezeichnen hat, aus denen der Rückschluss auf die Verwirklichung des subjektiven Tatbestands gezogen werden soll (OLG Jena, Beschluss vom 15. 1. 2009 - 1 Ws 21/09, NJW 2009, 1994 zu StPO §§ 138a, 138c II 2, 172 III 1; StGB § 258 I):
?... Am 5. 12. 2008 erhob die StA G. bei dem LG G. gegen den Angekl., vertreten durch seinen Verteidiger, Rechtsanwalt P in J., Anklage wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe hierzu in zwei Fällen. Im wesentlichem Ergebnis der Ermittlungen führte die StA unter anderem aus, auf Grund der Aussage der Zeugin B, dass sie im Auftrag des Anwalts des Angesch. einen grauen Ordner aus der Wohnung holen und diesem Rechtsanwalt P aushändigen sollte, sei gegen den Verteidiger mit Verfügung vom 25. 8. 2008 ein Verfahren wegen versuchter Strafvereitelung eingeleitet und zunächst unter dem Az. 203 Js 27521/08 geführt und an die StA G. übersandt worden. In dem Ordner befänden sich diverse Rechnungen und Lieferscheine für den Umbau an den Gebäuden, Einbau der Aufzuchtanlage und entsprechenden Geräten, ausgestellt auf den Angesch. Aus diesen Unterlagen ergebe sich nicht nur eindeutig, dass der Angesch. gewusst habe, wozu das Grundstück genutzt werde, sondern auch, dass er an den angeklagten Handlungen beteiligt gewesen sei. Seitens des dortigen Dezernenten sei das Verfahren der GenStA vorgelegt worden zwecks eventueller Übertragung an eine andere Staatsanwaltschaft. Das Verfahren werde nunmehr von der StA E. unter dem Az. 582 Js 27759/08 geführt.
In der vom 3. 12. 2008 datierenden Begleitverfügung zur Anklageschrift vom 5. 12. 2008 regt die StA an, ?Entscheidung gem. § 138a StPO einzuholen". Die zuständige StrK des LG G. hat diese Anregung als Antrag gem. § 138c II 2 Alt. 1 StPO auf Ausschließung des Verteidigers gem. § 138a StPO behandelt und dem Verteidiger Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. In seiner Stellungnahme vom 26. 12. 2008 hat der Verteidiger den Vorwurf der versuchten Strafvereitelung zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 29. 12. 2008 hat die zuständige StrK das Verfahren zur Entscheidung gem. § 138a StPO dem OLG vorgelegt. Im Hinblick auf den Inhalt der Stellungnahme des Verteidigers hat die Kammer von einer Anordnung gem. 138c III StPO abgesehen. Der Senat hat die Vorlage verworfen. ...
II. Der Antrag auf Ausschließung des Verteidigers ist unzulässig.
Weder der Beschluss des LG G. vom 29. 12. 2008 noch die ?Anregung" der StA G. aus der Begleitverfügung vom 3. 12. 2008 zur Anklageschrift vom 5. 12. 2008 genügen den an eine Vorlage gem. § 138c II 2 StPO zu stellenden inhaltlichen Mindestanforderungen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob es sich vorliegend um eine Vorlage von Amts wegen, § 138c II 2 Alt. 2 StPO, oder aber um eine Vorlage auf Antrag der StA § 138c II 2 Alt. 1 StPO, handelt (zu den jew. inhaltlichen Anforderungen vgl. die Anm. Frye zu Senat, NStZ 2005, 49 [50]).
Entsprechend § 172 III 1 StPO müssen in der Vorlage dem OLG die Tatsachen mitgeteilt werden, aus denen sich im Fall ihres Nachweises das die Ausschließung des Verteidigers rechtfertigende Verhalten ergeben soll; außerdem sind die Beweismittel anzugeben (Senat, NStZ 2005, 49 [49]; OLG Brandenburg, StV 2008, 66 [67] = BeckRS 2007, 14568; OLG Düsseldorf, wistra 1997, 239; OLG Hamm, NStZ-RR 1999, 50 m.w. Nachw.; OLG Karlsruhe, NJW 1975, 943 [944]). Fehlt es an einer solchen Darlegung, die durch Bezugnahme auf andere Schriftstücke nicht ersetzt werden kann (OLG Hamm, NStZ-RR 1999, 50 [51] m.w. Nachw.; Senat, NStZ 2005, 49) ist die Vorlage als unzulässig zu verwerfen. Denn es ist nicht Aufgabe des OLG, von sich aus nach den Grundlagen für eine etwaige Ausschließung zu forschen (OLG Düsseldorf, wistra 1997, 239; Senat, NStZ 2005, 49).
Dies folgt aus der Umgrenzungsfunktion der Antragsschrift, die ähnlich einer Anklageschrift im Strafverfahren klarstellen muss, welches Verhalten dem Verteidiger zur Last gelegt wird. Hierbei genügt es jedoch nicht, lediglich das äußere Handeln des Verteidigers zu bezeichnen, das den objektiven Tatbestand der versuchten Strafvereitelung erfüllen soll, weil Verteidigerhandeln typischerweise auf die Entlastung des Beschuldigten gerichtet ist. Bei Verteidigerhandeln bestehen deshalb erhöhte Nachweisanforderungen an das voluntative Element der Strafvereitelung (BGHSt 46, 53 [58f.] = NJW 2000, 2433 = NStZ 2001, 145), denn der Verteidiger macht sich nur dann nach § 258 I StGB strafbar, wenn er die Tat ?absichtlich oder wissentlich" begeht.
Diesen erhöhten Nachweisanforderungen muss auch die Antragsschrift im Verfahren auf Verteidigerausschluss nach § 138a StPO genügen, indem sie die für die Begründung eines hinreichenden Tatverdachts der versuchten Strafvereitelung durch den Verteidiger erforderlichen inneren Tatbestandsmerkmale darlegt und die Beweismittel genauestens bezeichnet, aus denen der Rückschluss auf die Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes gezogen werden soll (OLG Brandenburg, StV 2008, 66 [67] = BeckRS 2007, 14568).
Der Beschluss des LG G. vom 29. 12. 2008 genügt den genannten Anforderungen an eine zulässige Vorlage nicht. Ihm ist nicht zu entnehmen, dass gegen den Verteidiger der hinreichende oder dringende Verdacht einer versuchten Strafvereitelung besteht, denn der dem Verteidiger zu Last gelegte Sachverhalt wird schon nicht dargestellt. Insoweit enthält der Beschluss nur eine Bezugnahme auf die Aussage der Zeugin B.
Die in der Begleitverfügung vom 3. 12. 2008 zur Anklageschrift vom 5. 12. 2008 enthaltene staatsanwaltschaftliche ?Anregung" besteht nur aus einem Satzfragment, das weder den dem Verteidiger zu Last gelegten Sachverhalt darstellt, noch die für den Nachweis heranzuziehenden Beweismittel benennt.
Selbst wenn man die Ausführungen auf den S. 11 und 12 im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklageschrift vom 5. 12. 2008 als zur Begründung der Vorlage gehörend ansehen wollte, sind dadurch jedenfalls nicht die für die Begründung eines hinreichenden Tatverdachts der versuchten Strafvereitelung durch den Verteidiger erforderlichen inneren Tatbestandsmerkmale dargelegt und auch die Beweismittel nicht genau bezeichnet, aus denen der Rückschluss auf die Verwirklichung des subjektiven Tatbestands gezogen werden soll. ..."
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Ist die Vorlage zur Entscheidung über die Ausschließung des Verteidigers gem. § 138c II 1 unschlüssig, weil die angeführten Tatsachen - auch bei Unterstellung ihrer Richtigkeit - die Ausschließung des Verteidigers nicht zu rechtfertigen vermögen, ist die Vorlage ohne mündliche Verhandlung als unbegründet zu verwerfen. Nach der gem. § 22 StGB gebotenen subjektiv-objektiven Betrachtung überschreitet derjenige die Schwelle zum Versuch, der nach seiner Vorstellung vom Tatablauf das geschützte Rechtsgut bereits in eine hinreichend konkrete nahe Gefahr bringt. Von daher beginnt die vorgestellte Gefährdung des Rechtsguts und damit in der Versuch der Strafvereitelung durch den Verteidiger im Falle der Herbeiführung einer unrichtigen Aussage eines Zeugen erst mit Beginn von dessen Aussage, es sei denn, dem Zeugen bleibt faktisch keine andere Wahl als falsch auszusagen (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 13.02.2003 - 3 Ws 190/03 zu StPO §§ 138aff.; StGB §§ 22, 258).
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Wird die Ausschließung eines Strafverteidigers wegen hinreichenden Verdachts der Strafvereitelung i.S.v. § 138a I Nr. 3 StPO begehrt, muss der Vorlagebeschluss den Verdacht der (verursachten) Strafvereitelung schlüssig darlegen. Insoweit sind die strengen Voraussetzungen zur Zulässigkeit eines Klageerzwingungsantrags auf das Ausschließungsverfahren zu übertragen (OLG Jena, Beschluss vom 14.10.2002 - 1 Ws 351/02, NStZ 2005, 49):
?... Die Ausschließung eines Verteidigers von der Mitwirkung in einem Strafverfahren durch das OLG ist nur in den in § 138a I Nr. 1-3 und II StPO genannten Fällen möglich, wobei hier nach Sachlage nur § 138a I Nr. 3 StPO einschlägig ist. Danach ist ein Verteidiger von der Mitwirkung in einem Verfahren auszuschließen, wenn er dringend oder in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grad verdächtig ist, dass er eine Handlung begangen hat, die für den Fall der Verurteilung des Beschuldigten Strafvereitelung wäre. Dies bedeutet, dass derzeit Rechtsanwalt Dr. W mindestens hinreichender Tatverdacht bezüglich versuchter Strafvereitelung vorzuhalten sein müsste, um die Ausschließung als Verteidiger vorzunehmen zu können.
Voraussetzung für eine entsprechende Senatsentscheidung wäre aber eine zulässige Vorlage durch das LG gemäß § 138c II StPO. Daran fehlt es hier. Mit dem OLG Hamm (NStZ-RR 1999, 50ff.) ist der Senat der Ansicht, dass der Vorlagebeschluss schlüssig darlegen muss, dass das in Rede stehende Verhalten zum zumindest hinreichenden Tatverdacht der versuchten Strafvereitelung führt. Dabei ist angesichts der Bedeutung des Ausschlussverfahrens und der kurzen Zeit, die dem OLG allgemein zur Entscheidung zur Verfügung steht, der Senat mit dem OLG Hamm (aaO) der Ansicht, dass die von der Rechtsprechung aufgestellten strengen Voraussetzungen bezüglich der Zulässigkeit des Klageerzwingungsverfahrens nach § 172 StPO auch auf das Ausschließungsverfahren nach §§ 138aff. StPO übertragen werden können und müssen. Dies bedeutet, dass der Senat dem Vorlagebeschluss, soll er zulässig ein, entnehmen können muss, dass der hinreichende Tatverdacht der versuchten Strafvereitelung zu bejahen ist. Es ist nicht Aufgabe des Senats, die Akten durchzusehen und notwendige Ergänzungen zur Bejahung dieses Verdachts zu suchen. Gleichfalls darf der Senat nicht auf die Erklärungen anderer, etwa der StA verwiesen werden, um die ?Schlüssigkeit' nachzuholen. Unter diesen Gesichtspunkten ist der vorliegende Vorlagebeschluss unzureichend, da er nicht schlüssig dartut, dass Rechtsanwalt Dr. W der versuchten Strafvereitelung hinreichend verdächtig ist.
Der Vorlagebeschluss erschöpft sich in der Wiedergabe der Umstände, denen zu entnehmen ist, dass Rechtsanwalt Dr. W bewusst unwahre Tatsachen vorgetragen hat, um die StrK zur Abtrennung und Aussetzung des Verfahrens gemäß § 265 IV StPO zu bewegen. Damit ist aber noch nicht dargetan, dass der hinreichende Verdacht der versuchten Strafvereitelung nach § 258 I StGB besteht. Denn der Tatbestand dieser Vorschrift ist nur dann gegeben, wenn durch das Verhalten des Täters der Strafanspruch für geraume Zeit unverwirklicht bleibt.
Der Senat braucht sich nicht abschließend zu dieser Frage zu äußern, denn das LG verhält sich mit keinem Wort zu der Frage, ob der von Rechtsanwalt Dr. W gestellte Antrag auf Abtrennung und Aussetzung bei Richtigkeit der vorgebrachten Gründe mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit hätte Erfolg haben können. Eine solche Einschätzung wäre deshalb geboten gewesen, weil ein auf Aussetzung der Hauptverhandlung nach § 265 IV StPO gerichteter Antrag gerade nicht zwingend zu dieser Folge führt, sondern nur dann, wenn die begehrte Aussetzung dem Gericht zur genügenden Vorbereitung der Verteidigung angemessen erscheint. Der StrK standen nach Antragseinbringung 3 Möglichkeiten - je nach Einschätzung - zur Verfügung: der Antrag wird abgewiesen, weil die nach dem Antragsvorbringen tatsächlich vorhandene Zeitspanne von nahezu einer Woche ab Erlangung der maßgeblichen Kenntnis im Hinblick auf die Bedeutung der erfahrenen Umstände ausreichend ist, oder es erfolgt nur eine im Rahmen einer Entscheidung über einen Aussetzungsantrag nach § 265 IV StPO zulässige Unterbrechung der Hauptverhandlung für einige Tage oder es wird antragsgemäß auf Aussetzung der Hauptverhandlung erkannt. Nur im letzteren Falle könnte davon gesprochen werden, dass der staatliche Strafanspruch für geraume Zeit vereitelt worden wäre. Nach Aktenlage scheint dem Senat die letztgenannte Möglichkeit der Aussetzung auch bei Richtigkeit des Verteidigervorbringens über die späte Erlangung von der Kenntnis der genannten Umstände sehr fernliegend, während die anderen Möglichkeiten realistischer sind, die aber nicht zur angesprochenen Strafvereitelung führen könnten.
Das Schweigen zu diesen Fragen im Vorlagebeschluss führt dazu, dass der Senat ihm nicht den notwendigen schlüssigen Vortrag entnehmen kann, dass hinreichender Tatverdacht der versuchten Strafvereitelung besteht. Dies führt dazu, dass die angesprochene Vorlage als unzulässig abzulehnen ist. Die von Rechtsanwalt Dr. W im Hauptverhandlungstermin vom 26. 9. 2002 angekündigte schriftliche Äußerung liegt dem Senat bislang nicht vor. ..."
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Die Vorlage der Sache an das OLG gem. §§ 138a ff. StPO zum Zweck des Verteidigerausschlusses muß ihrem Inhalt nach bestimmten Mindestanforderungen genügen. Sie muß neben den Beweismitteln mindestens die objektiven und subjektiven Tatsachen ergeben, aus denen sich im Falle ihres Nachweises das den Ausschluß rechtfertigende Verhalten des Verteidigers ergeben soll. Zur Begründung der Vorlage darf nicht auf Anlagen Bezug genommen werden. Eine mündliche Verhandlung über den Ausschluß ist nicht erforderlich, wenn schon der Vorlagebeschluß unzulässig ist (OLG Hamm, Beschluss vom 19.10.1998 - 2 Ws 481-98, NStZ 1999, 50 f).
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?... Allerdings ist die neuerliche Vorlage zulässig. Die Senatsentscheidung vom 14. 5. 1998 steht nicht entgegen. Ist eine Vorlage unzulässig, weil der Beschluß des erkennenden Gerichts nicht die erforderlichen Tatsachen und Beweismittel mitteilt, so kann dieser Mangel durch Nachbesserung auch nach Erlaß der verwerfenden Entscheidung des OLG behoben werden. Rechtskraftwirkung - eingeschränkt gem. §§ 138a III, 138b S. 2 StPO - tritt nur ein, wenn in der Sache entschieden worden ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 138d Rdnr. 15; ferner Laufhütte, in: KK-StPO, 3. Aufl., § 138d Rdnr. 18). Das ist hier nicht der Fall. Der Beschluß des JugendschöffenGer. vom 15. 6. 1998 enthält - anders als die frühere Vorlage - hinreichend konkrete Tatsachen, aus denen sich im Falle ihres Nachweises das die Ausschließung des Rechtsanwalts B als Verteidiger des Angekl. rechtfertigende Verhalten ergeben soll. Auch werden die Beweismittel hierzu angegeben. ..." (OLG Düsseldorf, Beschluß vom 01.07.1998 - 1 Ws 378/98, NStZ-RR 1998, 336 f).
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Der für einen Ausschluß des Verteidigers nach § 138 a Abs. 1 StPO zumindest erforderliche hinreichende Tatverdacht muß sich schlüssig allein aus der Begründung der Vorlage ergeben. Daher kann es erforderlich sein, Ausführungen zur Glaubwürdigkeit eines Zeugen und zur Glaubhaftigkeit seiner Angaben zu machen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.12.1997 - 1 Ws 988/97, StV 1999, 531):
?... Das AG Neuss hat gegen den Angekl.am 5. 8. 1997 einen Strafbefehl wegen Untreue über eine Geldstrafe von 70 TS zu je 30 DM erlassen. Dagegen hat er durch RA S. als seinen Verteidiger rechtzeitig Einspruch eingelegt. Nach Aufhebung des danach bestimmten Termins zur Hauptverhandlung hat das AG die Sache durch Vermittlung der StA dem OLG zur Entscheidung vorgelegt, ob RA S. von der Verteidigung des Angekl. gem. § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO auszuschließen sei. ...
I. Zur Begründung seiner Vorlage hat das AG u. a. ausgeführt: Die StA legt dem Angekl., dessen Verteidiger RA S. ist, Untreue gem. § 266 StGB zur Last. Sie behauptet, der Angekl. habe im September 1994 u. a. in Meerbusch von dem Zeugen S. 27 000 DM erhalten, um für ihn hiervon in Italien ein Motorrad zu kaufen. Von diesem Geld habe der Angekl. 25 000 DM abredewidrig für sich verwendet. Am 10. 9. 1997 hat der bereits im Ermittlungsverfahren vernommene Zeuge S. der Polizei mitgeteilt, daß er nach der amtsgerichtlichen Ladung in dieser Sache vom Verteidiger des Angekl. zu einer Besprechung aufgefordert worden sei. Bei dieser habe der Verteidiger ihm zu verstehen gegeben, sein - des Zeugen - Schreiben an den Angekl. könne als räuberische Erpressung aufgefaßt werden, worauf drei oder vier Jahre Gefängnis stünden. Im günstigsten Falle habe er - der Zeuge - eine hohe Geldstrafe zu erwarten.
Die Anzeige solle er gegenüber der Polizei zurücknehmen und als ?Dummen-Jungen-Streich' darstellen. Der Zeuge hat weiter erklärt, er habe bei der Anzeigeerstattung gegen den Angekl. die Wahrheit gesagt und wolle die Anzeige nun zurücknehmen, weil er Repressalien vom Verteidiger des Angekl. befürchte.
Das von dem Zeugen bekundete Verhalten des Verteidigers rechtfertigt nach Auffassung des AG den dringenden Tatverdacht der (versuchten) Strafvereitelung zugunsten des Angekl.
II. Der Vorlagebeschl. genügt den Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht. Bei einer Vorlage gem. § 138 c Abs. 2 StPO müssen die Tatsachen angegeben werden, die im Falle ihres Nachweises den gegen den Verteidiger erhobenen Verdacht einer zur Ausschließung führenden Handlung gem. § 138 a Abs. 1 StPO stützen. Die Vorlage hat zudem die Beweismittel aufzuführen, die den zumindest erforderlichen hinreichenden Tatverdacht (§§ 138 a Abs. 1, 203 StPO) begründen. Diese müssen sich schlüssig allein aus der Begründung der Vorlage ergeben (vgl. Senatsbeschl. v. 13. 3. 1997 in wistra 1997, 239 = BB 1997, 1228 = StV 1997, 459 und 23. 6. 1997 - 1 Ws 453/97; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO, 43. A., § 138 c Rdnr. 9; KK-Laufhütte StPO, 3. A., § 138 c Rdnr. 4). Wegen Strafvereitelung macht sich nach § 258 Abs. 1 StGB strafbar, wer absichtlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gem. wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird. Eine versuchte Strafvereitelung verwirklicht nach §§ 258 Abs. 1 und Abs. 4, 22 StGB, wer nach seiner Vorstellung von der Tat unmittelbar dazu ansetzt.
Im Vorlagebeschl. fehlen Ausführungen zur Glaubwürdigkeit des Zeugen S. und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage sowie zur inneren Tatseite. Der Verteidiger, der auf einen Belastungszeugen dahin einwirkt, die Anzeige zurückzunehmen und als ?Dummen-Jungen-Streich' darzustellen, ist wegen - ggf. versuchter - Strafvereitelung strafbar, wenn er weiß, daß die Anzeige zu Recht erstattet worden ist und er in der Absicht tätig wird, seinen Mandanten - wenn auch nur vorübergehend - der Bestrafung zu entziehen (vgl. Tröndle StGB, 48. A., § 258 Rdnr. 7; Schönke/Schröder/Stree StGB, 25. A., § 258 Rdnr. 20). Dabei reicht nicht aus, daß der Verteidiger die Richtigkeit der gegen seinen Mandanten erhobenen Anzeige lediglich für möglich hält.
Die bloße Mitteilung der Aussage des Zeugen S. v. 10. 9. 1997 im Vorlagebeschl. genügt danach für die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts der Strafvereitelung oder ihres Versuchs nicht. Das AG teilt nicht mit, warum der Aussage des Zeugen S. gefolgt werden kann und welche Vorstellung der Verteidiger hinsichtlich der gegen seinen Mandanten erhobenen Vorwürfe hatte und - falls er von der Richtigkeit der Vorwürfe ausging - welche Indiztatsachen und Beweismittel insoweit vorliegen. ..."
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Die Vorlage der Sache an das OLG gemäß § 138a ff. StPO zum Zwecke des Verteidigerausschlusses ist unzulässig, wenn der für den Ausschluß erforderliche Tatverdacht gegen den Verteidiger nicht schlüssig in dem Vorlagebeschluß dargelegt ist. Es ist nicht Aufgabe des OLG im Ausschließungsverfahren, von sich aus nach Grundlagen für eine etwaige Ausschließung des Verteidigers zu forschen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.06.1997 - 1 Ws 453/97, StV 1998, 64 f):
?... Gegen den von RA S. verteidigten Angekl. hat die StA am 30. 5. 1997 bei dem LG - StrK - Anklage erhoben und zugleich beantragt, unter Vorlage der Akten an das OLG RA S. gem. §§ 138 a Abs. 1 Nr. 3, 138 c StPO auszuschließen. Daraufhin hat das LG einen entsprechenden Vorlagebeschluß gefaßt: Die Vorlage ist unzulässig.
I. Zur Begründung seiner Vorlage hat das LG ausgeführt:
RA S., der sich am 26. 1. 1997 zum Verteidiger des Angekl. M. bestellt hat, ist hinreichend verdächtig, eine versuchte Strafverteitelung gem. § 258 Abs. 1 StGB und 4 StGB begangen zu haben. Die StA Düsseldorf hat dieserhalb bereits ein Ermittlungsverfahren gegen RA S. eingeleitet.
Die anderweitig Verfolgte M. K. hat in ihrer polizeilichen Vernehmung am 18. 2. 1997 und in der richterlichen Vernehmung v. 15. 5. 1997 ausgesagt, RA S. habe sie aufgefordert, keine Aussage im hiesigen Verfahren zu machen. Sie solle sagen, sie sei mit dem Angekl. verlobt, dann brauche sie nicht auszusagen. Nach dem derzeitigen Ermittlungsergebnis besteht daher der Verdacht, daß RA S. vorsätzlich und wissentlich versucht hat, zumindest teilweise zu vereiteln, daß der Angekl. wegen schwerer räuberischer Erpressung bestraft wird. Der Ausschließungsgrund des § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO ist hiernach erfüllt.
II. Der Vorlagebeschluß entspricht nicht den Zulässigkeitsvoraussetzungen:
1. Bei einer Vorlage gem. § 138 c Abs. 2 S. 1, 2 StPO müssen die Tatsachen angegeben werden, die im Falle ihres Nachweises den gegen den Verteidiger erhobenen Verdacht einer zur Ausschließung führenden Handlung gem. § 138 a Abs. 1 StPO stützen. Die Vorlage hat überdies die Beweismittel aufzuführen, die den zumindest erforderlichen hinreichenden Verdacht (§§ 138 a Abs. 1, 203 StPO) begründen. Es ist nicht Aufgabe des OLG im Ausschließungsverfahren, von sich aus nach Grundlagen für eine etwaige Ausschließung des Verteidigers zu forschen. Diese müssen sich vielmehr allein aus der Begründung der Vorlage schlüssig ergeben (vgl. Senatsbeschl. v. 1. 12. 1982 in StV 1983, 117 = NStZ 1983, 185 = MDR 1983, 339 = JMBl.NW 1983, 101 = AnwBl. 1983, 217 = OLGSt § 138 a StPO Nr. 1, v. 13. 3. 1997 - 1 Ws 120/97; OLG Karlsruhe, NJW 1975, 943 = JR 1976, 205 m.Anm. Ries, ders. in NStZ 1981, 328, 332 m.w.N.; OLG Bamberg, AnwBl. 1980, 33; KK-Laufhütte, StPO, 3. A. 1993, Rdnr. 4 zu § 138 c; LR-Lüderssen, StPO, 24. A. 1989, Rdnr. 13 zu § 138 c; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. A. 1997, Rdnr. 9 zu § 138 c; a. A. KMR Müller, StPO, Stand 4. Erg.lief. 1988 Rdnr. 4 zu § 138 c).
Diesen Anforderungen wird der Vorlagebeschluß nicht gerecht.
a) Wegen Strafvereitelung macht sich gem. § 258 Abs. 1 StGB strafbar, wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil u. a. vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gem. wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird. Der Versuch ist strafbar (§ 258 Abs. 4 StGB). Zulässiges Verteidigerverhalten ist nicht tatbestandsmäßig (vgl. BGHSt 29, 99, 102; 38, 345 [= StV 1992, 575]; Senatsbeschl. v. 10. 12. 1990 in NJW 1991, 996; Tröndle, StGB, 48. A. 1997, Rdnr. 7 zu § 258, m.w.N.).
Der Verteidiger, der auf einen Zeugen dahin einwirkt, sich bei Gericht auf ein in Wahrheit nicht bestehendes Verlöbnis mit seinem Mandanten zur Begründung eines Zeugnisverweigerungsrechts gem. § 52 Abs. 1 Nr. 1 StPO zu berufen, ist wegen - ggf. versuchter - Strafvereitelung strafbar, wenn er weiß, daß das Verlöbnis nicht besteht, und er in der Absicht tätig wird, seinen Mandanten - wenn auch nur vorübergehend (BGH NJW 1984, 135) - der Bestrafung zu entziehen. Da die Strafbarkeit nach § 258 StGB direkten Vorsatz voraussetzt, genügt es nicht, daß der Verteidiger das Nichtbestehen des Verlöbnisses lediglich für möglich hält (vgl. BGHSt 38, 345, 348).
b) Die Begründung des Vorlagebeschlusses entbehrt schon der Darstellung, welche Straftat dem Angekl. zur Last gelegt wird und welcher Beweiswert der Aussage der Zeugin K. insoweit zukam.
Überdies hätte es im Vorlagebeschluß der Feststellung bedurft, welche Vorstellung der Verteidiger hinsichtlich des Bestehens eines Verlöbnisses hatte und - falls er nicht von einem solchen ausging - welche Indiztatsachen und Beweismittel insoweit vorliegen. Die Mitteilung der Bekundungen der Zeugin K. v. 18. 2. und 15. 5. 1997 im Vorlagebeschluß reicht hiernach zur Beurteilung eines hinreichenden Tatverdachts der Strafvereitelung nicht aus. ..."
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Ist der Verteidiger bereits ausgeschieden, bevor das Gericht die Vorlage der Akten an das OLG zum Zwecke der Ausschließung des Verteidigers nach § 138a StPO beschlossen hat, so ist für das auf Feststellung der Unzulässigkeit der Mitwirkung des ausgeschiedenen Verteidigers gerichtete Verfahren nach § 138c V 1 StPO kein Raum. In diesem Falle ist die Vorlage unzulässig (OLG Düsseldorf, Beschluß vom 14.06.1994 - 1 Ws 365-366/94, NStZ 1994, 450).
Der Antrag der StA auf Ausschließung des Verteidigers muß neben den Beweismitteln die Tatsachen im einzelnen substantiiert mitteilen, aus denen sich im Falle ihres Nachweises das den Ausschluß rechtfertigende Verhalten des Verteidigers ergeben soll. Andernfalls ist der Ausschließungsantrag als unzulässig zu verwerfen (OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 01.12.1982 - 1 Ws 953/82, NStZ 1983, 185):
?... a) Der Ausschließungsantrag der StA (und nach Erhebung der öffentlichen Klage der Vorlagebeschluß des mit der Sache befaßten Gerichts) muß bestimmten inhaltlichen Mindestanforderungen genügen. Damit das Ausschließungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt werden kann, muß der Antrag (oder der Vorlagebeschluß) mindestens die Tatsachen enthalten, aus denen sich im Falle ihres Nachweises das den Ausschluß des Verteidigers rechtfertigende Verhalten i.S. des § 138a StPO ergeben soll. Auch sind die Beweismittel anzugeben.
Der Senat folgt hierbei der von dem OLG Karlsruhe (NJW 1975, 943 ff. = AnwBl 1975, 169 ff.) vertretenen Auffassung. Es hat (aaO) überzeugend dargelegt und begründet, daß sich diese Mindestanforderungen zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, aber zwingend aus der besonderen Natur des in den §§ 138c und 138d StPO geregelten Verfahrens und der Funktion folgen, die dem Antrag (und dem Vorlagebeschluß) zukommt. ...
bb) Das Ausschließungsverfahren ist gegenüber dem Strafverfahren, in dem der Verteidiger tätig wird, verselbständigt. Es ist nur dann sinnvoll durchzuführen, wenn es auf einen bestimmten Verfahrensgegenstand begrenzt ist. Wie das OLG Karlsruhe (aaO) zutreffend hervorgehoben hat, kann es nicht Aufgabe des zur Entscheidung über die Ausschließung des Verteidigers nach § 138c I StPO berufenen OLG sein zu prüfen, ob der Verteidiger verdächtig ist, sich zu irgendeinem Zeitpunkt hinsichtlich der Taten, die Gegenstand des Strafverfahrens sind, einer Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei schuldig gemacht zu haben. ...
Es kommt hinzu, daß über die Ausschließung ein mit der Sache bisher nicht vertrautes Gericht zu entscheiden hat (§ 138c I StPO). Eine zügige Durchführung, auf die das Ausschließungsverfahren erkennbar angelegt ist (vgl. § 138d II 2, III und IV 2 StPO; vgl. auch Amtl. Begr. zu § 138d StPO, AnwBl 1974, 214, 219 unter B), ist aber - und das gilt besonders bei umfangreichen Verfahren - nur zu erreichen, wenn dem für die Entscheidung über die Ausschließung zuständigen Gericht der zu prüfende Sachverhalt in seinen entscheidungserheblichen Einzelheiten mit den entsprechenden Beweismitteln in der Antragsschrift oder dem gerichtlichen Vorlagebeschluß unterbreitet wird.
cc) Auch das Gebot, dem betroffenen Verteidiger rechtliches Gehör zu gewähren, macht es notwendig, daß in dem Ausschließungsantrag der konkrete Vorwurf im einzelnen substantiiert und mit Tatsachen belegt und unter Bezeichnung der Beweismittel dargelegt wird.
dd) Das OLG Karlsruhe (aaO) hat zu Recht auf einen weiteren Gesichtspunkt hingewiesen: Da bereits bei Beginn des Ausschließungsverfahrens die Tätigkeit des Verteidigers vorläufig beschränkt werden könne (§ 138c III StPO) und sich hieraus auch für den Beschuldigten Folgen ergeben, darf die der StA und dem mit der Sache befaßten Gericht - im Sinne einer gewissen ?Vorprüfungszuständigkeit" - eingeräumte Beurteilung, ob Anlaß für die Einleitung des Ausschließungsverfahrens besteht, nur aufgrund sorgfältiger Prüfung des in Betracht kommenden Sachverhalts und der damit in Zusammenhang stehenden Rechtsfragen vorgenommen werden. Es muß tunlichst vermieden werden, daß der Verteidiger ohne triftige Gründe i.S. des § 138a StPO mit einem Ausschließungsverfahren überzogen und das zur Entscheidung berufene Gericht mit offenbar unbegründeten Ausschließungsanträgen befaßt wird. ...
b) Den inhaltlichen Mindestanforderungen, die - wie dargelegt - an einen Ausschließungsantrag zu stellen sind, genügt hier die Antragsschrift der StA nicht. ...
c) Der Senat hält es für zulässig, den Ausschließungsantrag ohne mündliche Verhandlung als unzulässig zu verwerfen. Auch insoweit schließt er sich der von dem OLG Karlsruhe (aaO) vertretenen Auffassung an (ebenso OLG Bamberg, AnwBl 1980, 33; Laufhütte, in: KK, StPO, § 138d Rdnr. 1; Kleinknecht, StPO, 35. Aufl., § 138d Rdnr. 1; a.A. Dünnebier, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 23. Aufl., § 138c Rdnr. 3; Müller, in: KMR, StPO, 7. Aufl., § 138d Rdnr. 1). Die Gründe, die den Gesetzgeber veranlaßt haben, die mündliche Verhandlung in der gesetzlichen Verfahrensregelung (§ 138d I StPO) vorzusehen, verlangen ihre Durchführung im vorliegenden Fall nicht. Sie stehen ihr - wie in dem von dem OLG Karlsruhe (aaO) entschiedenen Fall - sogar entgegen.
Die mündliche Verhandlung wurde im Gesetzgebungsverfahren vornehmlich im Interesse des betroffenen Verteidigers für erforderlich gehalten, weil sie ihm eher als das schriftliche Verfahren Gelegenheit gebe, die ihn entlastenden Umstände darzulegen und die ihn belastenden Beweise zu entkräften. Als Vorteil der mündlichen Verhandlung wurde ferner angesehen, daß sie die Zielstrebigkeit, Konzentration und Schnelligkeit des Verfahrens fördere (so Amtl. Begr. zu § 138d StPO, aaO). In einem Fall wie hier, in dem der Ausschließungsantrag bereits unschlüssig ist und als Grundlage für ein weiteres Verfahren nicht geeignet ist, bedarf es jedoch zur Wahrung der Interessen des Verteidigers der Durchführung der mündlichen Verhandlung gerade nicht. Zutreffend weist das OLG Karlsruhe (aaO) darauf hin, daß insoweit das Gebot der Verhältnismäßigkeit der Mittel zu berücksichtigen ist (vgl. zum verfassungsmäßigen Rang des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes u.a. BVerfGE 35, 382 (400, 401) = NJW 1974, 227; BVerfGE 23, 127 (133) = NJW 1968, 979, 981; BVerfGE 20, 45 (49) = NJW 1966, 1259). ..."
***
In dem Ausschlußverfahren nach §§ 138 a ff. StPO kann sich der Verteidiger nicht von einem Verteidiger unterstützen lassen; er ist nur berechtigt, einen anderen Rechtsanwalt als Beistand mitzubringen. Die Erstattung von Gebühren aus der Staatskasse für diesen Beistand sieht das Gesetz nicht vor (KG, Entscheidung vom 01.09.1980 - 4 Ws 24/80, JR 1981, 121).
Die Neuregelung des Verteidigerausschlusses gemäß §§ 138 a ff. StPO gilt auch für einen in einem Steuerstrafverfahren zum Verteidiger bestellten Steuerbevollmächtigten. Die Befugnis, die Ausschließung des Steuerbevollmächtigten als Verteidiger zu beantragen, steht im Ermittlungsverfahren anstelle der Staatsanwaltschaft dem Finanzamt zu, wenn es das Ermittlungsverfahren selbständig führt. Der Antrag auf Ausschließung des Verteidigers muß seinem Inhalt nach bestimmten Mindestanforderungen genügen. Er muß neben den Beweismitteln mindestens die Tatsachen angeben, aus denen sich im Falle ihres Nachweises das den Ausschluß rechtfertigende Verhalten ergeben soll. Es gehört nicht zu den Aufgaben des Oberlandesgerichts im Ausschließungsverfahren, einen den Mindestanforderungen nicht genügenden Antrag durch weitere Erhebungen zu ergänzen. Ein in sich nicht schlüssiger Ausschließungsantrag, der als Grundlage für ein weiteres Verfahren nicht dienen kann, weil er den Mindestanforderungen für seine Zulässigkeit nicht genügt, kann ohne mündliche Verhandlung verworfen werden (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.03.1975 - 2 ARs 5/75, NJW 1975, 943 - 946).
Ausschluss von Zuhörern
Ein zulässiger Ausschluss von Zuhörern von der weiteren Teilnahme der Hauptverhandlung (GVG §§ 171 a ff.) hat stets zur Voraussetzung, dass das Gericht tatsächliche Anhaltspunkte dafür hat, dass jeder einzelne von der Maßnahme Betroffene sachdienliches zur Aufklärung beitragen kann und deshalb als potentieller Zeuge in Betracht kommt. Hierfür genügt es nicht, dass das Gericht seiner Entscheidung lediglich ein Gruppenmerkmal zugrunde legt (hier: Verweisung armenischer Zuhörer des Sitzungssaals), das auf weiter in Betracht kommende Zeugen zutrifft (BGH StV 2003, 659 f).
Aussage
Siehe unter "Einlassung".
Aussage gegen Aussage
?... Das Landgericht hat die Verurteilung des Angeklagten B. , der eine Beteiligung an den ihm zur Last gelegten Taten bestritten hat, allein auf die für glaubhaft erachtete geständige Einlassung des Angeklagten S. gestützt. Dies gilt auch für die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen B II 1, 2 und 4 der Urteilsgründe, denn durch die Bekundungen der zu diesen Taten vernommenen Zeugen ist die Einlassung des Mitangeklagten S. , soweit er den Angeklagten B. belastet, nicht bestätigt worden, sondern nur insoweit, als der Mitangeklagte S. seine eigene Tatbeteiligung eingeräumt hat.
In einem solchen Fall, in dem Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung allein davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Zudem ist in besonderem Maße eine Gesamtwürdigung aller Indizien geboten (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 146; StV 2000, 599, jew. m.w.N.). Dies gilt umso mehr, wenn ein Mitangeklagter - wie hier - nach seiner Aussage zur Sache erklärt, keine weiteren Fragen beantworten zu wollen (vgl. BGH NStZ 2004, 691; Beschluss vom 7. Februar 2001 - 3 StR 570/00). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Die Beweiserwägungen des Landgerichts lassen vielmehr besorgen, dass es nahe liegende, für die Glaubwürdigkeitsbeurteilung wesentliche Gesichtspunkte, deren Berücksichtigung unter Umständen zu einem dem Angeklagten günstigeren Ergebnis hätten führen können, außer Acht gelassen hat (vgl. BGH StV 1991, 451 m.N.).
1. Dies gilt insbesondere, soweit das Landgericht seine Überzeugung von der Glaubwürdigkeit des Mitangeklagten S. und der Glaubhaftigkeit seiner den Angeklagten B. belastenden Angaben u. a. darauf gestützt hat, dass diese in den Fällen B II 2 bis 4 der Urteilsgründe durch die Bekundungen der zu diesen Taten vernommenen Zeugen bestätigt worden seien.
a) In den Fällen II 3 und 4 der Urteilsgründe hat das Landgericht den Mitangeklagten S. jeweils wegen Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Der insoweit rechtskräftig jeweils wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilte Zeuge C. hat lediglich bestätigt, im Dezember 2004 von dem Mitangeklagten S. in der ?Taverne' zweimal Haschisch erworben zu haben. Nicht bestätigt wird dagegen durch die Bekundungen des Zeugen die Einlassung des Mitangeklagten S. , er habe das an C. gelieferte Haschisch von dem Angeklagten B. erworben. Soweit das Landgericht festgestellt hat, dass der Angeklagte B. , der im Fall II 3 der Urteilsgründe nicht verurteilt worden ist, weil diese Tat von den Anklagevorwürfen nicht umfasst gewesen ist, dem Mitangeklagten S. das Haschisch jeweils selbst übergeben hat (UA 11), sind die Urteilsausführungen zudem widersprüchlich. Bei seiner polizeilichen Vernehmung hatte der Mitangeklagte S. ausgesagt, er habe die Haschischplatten, die er an den Zeugen C. weitergegeben habe, von dem Zeugen Ismail Sa. erhalten (UA 30). Dieser Widerspruch zwischen der Einlassung des Mitangeklagten S. in der Hauptverhandlung und seiner früheren Einlassung, der Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit begründen könnte, hätte der Erörterung bedurft, zumal der Zeuge Sa. , der zur Tatzeit ebenso wie der Angeklagte B. in der K. straße in Dessau wohnte, bekundet hat, er habe dem Mitangeklagten S. auf dessen Aufforderung eine Tüte, deren Inhalt er nicht gekannt habe, in die ?Taverne' gebracht.
b) Im Fall B II 2 der Urteilsgründe hat das Landgericht die Verurteilung des Angeklagten B. darauf gestützt, dass in dem Haus, in dem der Angeklagte B. wohnte, ?in einem den jeweiligen Wohnungen zugeordneten Holzverschlag auf dem Dachboden' (UA 10) eine Tasche mit 2.345,5 g Haschisch sichergestellt wurde. Dazu, ob der Verschlag der Wohnung des Angeklagten zugeordnet werden konnte, verhält sich das Urteil jedoch nicht. Im Rahmen der Beweiswürdigung wird lediglich mitgeteilt, dass sich in dem nach oben offenen Verschlag nur die Tasche befunden habe (UA 28). Danach ist nicht ohne weiteres ausgeschlossen, dass nicht der Angeklagte, sondern ein anderer Bewohner des Hauses oder eine Person, die Zugang zu dem Haus hatte, die Tasche dort deponiert hatte. Mit dieser Möglichkeit hätte sich das Landgericht insbesondere auch im Hinblick darauf auseinandersetzen müssen, dass in dem Haus auch der Zeuge Sa. gewohnt hat. Zudem hätte die Entstehung der Aussage des Mitangeklagten S. näherer Erörterung bedurft, der Angeklagte habe ihn aufgefordert, auf dem Dachboden nach der Tasche zu sehen, und ihm, nachdem er dort keine Tasche gefunden habe, vorgeworfen, ?das Versteck der Drogen verraten zu haben.' Insoweit bleibt unklar, ob der Mitangeklagte S. , der sich erst nach dem Wechsel des Verteidigers zur Aussage entschlossen und ?viel von sich aus berichtet' hat, auch die Angaben zu der sichergestellten Tasche von sich aus oder erst auf Befragen durch den Vernehmungsbeamten gemacht hat. Dies liegt nach den bisherigen Feststellungen nicht fern, denn nach den Bekundungen des Vernehmungsbeamten, musste der Inhalt der Vernehmungen in Anbetracht des Umfangs der Angaben gelenkt werden.
2. Das Landgericht hat zwar nicht verkannt, dass hier ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Glaubwürdigkeitsbeurteilung ist, dass sich der Mitangeklagte S. im Hinblick auf § 31 BtMG entlasten wollte; denn bei dieser Sachlage besteht u. a. die nicht fern liegende Gefahr, dass der ?Aufklärungsgehilfe', der sich durch seine Aussage Vorteile verspricht, den Nichtgeständigen zu Unrecht belastet (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 245). Dass der Mitangeklagte S. sich mit seinen Angaben auch selbst belastet hat, steht dem nicht ohne weiteres entgegen. Vielmehr hätte das Landgericht in Betracht ziehen müssen, dass der Mitangeklagte S. seine eigene Tatbeteiligung heruntergespielt hat, um einen für ihn günstigeren Schuldspruch zu erreichen (vgl. BGH StV 1991, 451). ..." (BGH, Beschluss vom 15.01.2008 - 4 StR 533/07)
Außervollzugsetzung des Haftbefehls
Der Vollzug eines Haftbefehls kann ausgesetzt werden, wenn der Zweck der Untersuchungshaft auch durch weniger einschneidende Mittel erreicht werden kann. Dies können u. a. sein eine Meldepflicht, die Abgabe der Pässe oder insbesondere die Zahlung einer Kaution (§§ 116a, 124 StPO).
Folgt der Beschuldigte eine Auflage nicht, entzieht er sich der Untersuchung (z. B. Nichtantritt zur Hauptverhandlung) oder dem Strafantritt, fällt die Kaution der Staatskasse zu. Dabei ist unerheblich, ob der Beschuldigte sich später den Weisungen fügt oder sich stellt.
Siehe auch unter ?Aussetzung des Haftbefehls".
Aussetzung § 221 StGB
(1) Wer einen Menschen
1. in eine hilflose Lage versetzt oder
2. in einer hilflosen Lage im Stich läßt, obwohl er ihn in seiner Obhut hat oder ihm sonst beizustehen verpflichtet ist,
und ihn dadurch der Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
1. die Tat gegen sein Kind oder eine Person begeht, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist, oder
2. durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht.
(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 2 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Aussetzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und sie aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf des Mordes und der Misshandlung Schutzbefohlener freigesprochen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt und sich im Wesentlichen dagegen wendet, dass die Angeklagte nicht wegen Aussetzung mit Todesfolge und Misshandlung Schutzbefohlener verurteilt wurde. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Das Landgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen: Die Angeklagte lebte mit ihren Söhnen, dem zweijährigen R. und dem vierjährigen L. , zusammen. R. war ein gesundes, kräftiges und altersgerecht entwickeltes Kind. Nach dem 14. Dezember 2007 war er jedoch kränklich, blass und hatte keinen Appetit mehr. Die Angeklagte bemerkte, dass er innerhalb weniger Tage an Gewicht verlor. Am 19. und 20. Dezember 2007 versuchte er noch erfolglos, die ihm von der Angeklagten angebotene Trinkflasche zu halten. Am 21. Dezember 2007 versuchte er dies nicht mehr. Er aß an dem Tag auch nichts. Die Angeklagte plante, am 22. Dezember 2007 ihren weit entfernt wohnenden neuen Freund zu besuchen. Bemühungen, für R. eine Betreuung zu finden, scheiterten. So entschloss sie sich, R. allein in der Wohnung zu lassen, während sie L. mitnahm. Bevor sie gegen 4.15 Uhr am Abreisetag die Wohnung verließ, legte sie R. in sein Gitterbett, welches er nicht verlassen konnte. Die Angeklagte legte neben das Kind eine Babytrinkflasche mit 280 Milliliter Flüssigkeit und einige Butterkekse.
Die Angeklagte, die ursprünglich am 23. Dezember 2007 wieder nach Hause fahren wollte, entschloss sich dann jedoch, noch einen Tag länger bei ihrem Freund zu bleiben. Diesem spiegelte sie vor, dass die R. betreuende Freundin noch einen Tag länger auf ihn aufpassen würde. Sie kehrte erst am 24. Dezember 2007 gegen 23.00 Uhr in ihre Wohnung zurück. Dort bemerkte sie, dass die Kekse und die entleerte Trinkflasche, deren Inhalt möglicherweise verschüttet worden war, neben dem Bett lagen. Sie ?sah, dass es R. sehr schlecht ging' (UA S. 20). In den nächsten Stunden aß er nichts und trank kaum noch. Die Angeklagte holte keinen Arzt, da sie ?fürchtete, dass dieser das Jugendamt verständigt hätte. Sie dachte, sie könne R. allein gesund pflegen' (UA S. 21). Am Nachmittag des 26. Dezember 2007 starb R. infolge Nahrungs- und Flüssigkeitsmangels.
Das Kind R. wies zum Todeszeitpunkt ein deutliches Untergewicht auf. ?Am Abreisetag der Angeklagten, am 21.12.2007, hätte R. bei intensiv-medizinischer Behandlung noch gerettet werden können' (UA S. 46). Für den Zeitpunkt der Rückkehr der Angeklagten konnte dies nicht sicher festgestellt werden.
2. Das Landgericht hat den objektiven Tatbestand der Aussetzung gemäß § 221 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 StGB im Ergebnis zutreffend (vgl. BGHSt 21, 44) bejaht und einen ?Aussetzungsvorsatz' (UA S. 52) angenommen. Einen bedingten Tötungsvorsatz hat es hingegen abgelehnt, da die Angeklagte aufgrund ihrer Borderline-Persönlichkeitsstörung die mit dem Verlassen des Kindes verbundene Todesgefahr nicht habe erkennen können (UA S. 48). Aus diesem Grund scheide ein Misshandlungsvorsatz ebenso aus wie die Annahme, der Tod des Kindes sei durch die Angeklagte zumindest fahrlässig (§ 18 StGB) herbeigeführt worden und die Voraussetzungen des § 221 Abs. 3 StGB seien erfüllt.
3. Die rechtliche Würdigung hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Sie beruht mit den ihr zugrunde gelegten Feststellungen auf grundlegend widersprüchlichen Überlegungen.
Es ist nicht nachvollziehbar, wieso die Angeklagte einerseits hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale des § 221 Abs. 1 StGB vorsätzlich handelte, andererseits aber nicht in der Lage gewesen sein soll, die durch das Verlassen hervorgerufene Todesgefahr für das Kind im Sinne des § 221 Abs. 3 StGB zu erkennen. Denn der von der Strafkammer angenommene Vorsatz der Aussetzung setzt das Bewusstsein der Angeklagten voraus, ihr Verhalten werde zu einer bedrohlichen Verschlechterung der Lage des Hilfsbedürftigen führen (vgl. hierzu BGH NStZ 1985, 501; 2008, 395, 396). War die Angeklagte aber zu einer solchen Bewusstseinsbildung fähig, erschließt sich nicht, dass für sie der mögliche Tod des ohnehin deutlich geschwächten Kindes, welches nicht mehr ohne fremde Hilfe Flüssigkeit zu sich nehmen konnte, nicht erkennbar war. Dies gilt zumal, da das Landgericht selbst zu dem Schluss kommt, dass der Angeklagten ?grundsätzlich bewusst' war, dass ?nur ein paar Kekse und etwas zu trinken für R. zu wenig war' (UA S. 53). Ebenso wenig ist die Annahme nachzuvollziehen, die Voraussetzungen des § 225 Abs. 1 Nr. 1 dritte Variante, Abs. 3 Nr. 1 erste Alternative StGB lägen nicht vor. Sie liegen vielmehr neben § 221 Abs. 1 StGB hier ganz offensichtlich auf der Hand.
Die Ausführungen des Landgerichts, die Todesfolge sei für die Angeklagte aufgrund ihrer Borderline-Störung nicht vorhersehbar gewesen, da ihr eine ?rationale Entscheidung nicht mehr möglich' (UA S. 53) gewesen sei, wecken durchgreifende Bedenken, weil in rechtsfehlerhafter Weise Aspekte der Schuld, insbesondere der Steuerungsfähigkeit, mit solchen des subjektiven Tatbestands vermengt worden sein könnten. Sie stehen zudem in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis zu Einzelfeststellungen über Erkenntnisse und Verhaltensweisen der Angeklagten.
So hat die Angeklagte nach den Feststellungen den vor ihrer Abreise bereits eingetretenen Gewichtsverlust des Kindes genauso erkannt wie den Umstand, dass es die Flasche nicht mehr halten konnte. Zudem war sie nach ihrer Einlassung - wenn auch nicht ausschließbar erst zu einem Zeitpunkt, als der Tod des Kindes nicht mehr abzuwenden war - nicht nur in der Lage zu erkennen, dass es R. sehr schlecht gehe, sondern auch, dass er einen Arzt brauche. Vor dem Hintergrund der angenommenen verzerrten Wahrnehmung erklärt sich auch nicht, dass die Angeklagte eine tatsächlich nicht gewährleistete Betreuung ihres Kindes vorgespiegelt hat, um die Verlängerung ihres Fernbleibens vor Dritten zu rechtfertigen. Auch aus dem im Übrigen festgestellten Verhalten der Angeklagten sind keine Anhaltspunkte für eine nicht der Realität entsprechende Wahrnehmung erkennbar. So hat sie sich nach ihrer Einlassung dazu entschlossen, R. statt L. zu Hause zu lassen, da der Ältere sich bemerkbar gemacht hätte, während R. ruhiger gewesen sei. Dies scheint eine am Alter der Jungen orientierte realistische Einschätzung des Risikos zu offenbaren, dass das Verlassen des Jungen entdeckt werde. Dass all diese Umstände einer relevanten Verkennung der Tatsachengrundlage ebenso im Wege stehen können wie die angenommene erhaltene Einsichtsfähigkeit (vgl. hierzu BGH NStZ 2008, 510, 511 f.), hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht. Nachvollziehbar erscheint nach dem Zusammenhang der Feststellungen allein, dass die Angeklagte die von ihrem Verhalten ausgehende Gefahr für das Wohlergehen ihres Kindes aufgrund ihrer psychischen Störung immer wieder vorübergehend über längere Zeit verdrängen konnte. Dagegen dürfte eine durchgehende Verkennung dieser Gefahr fern liegen, was aber allein für eine Verneinung des Misshandlungsvorsatzes, einer auf den Tod des Kindes bezogenen Fahrlässigkeit oder sogar eines Tötungsvorsatzes (vgl. hierzu die Senatsbeschlüsse vom 31. März 2004 - 5 StR 351/03 sowie in NStZ 2007, 402) tragfähig sein könnte.
4. Das Urteil kann bereits aus diesen Gründen insgesamt keinen Bestand haben. Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird insbesondere Gelegenheit haben, die Fragen der Todeskausalität der Untätigkeit der Angeklagten, der Vorhersehbarkeit des Todeserfolges, des Vorsatzes hinsichtlich der Misshandlung von Schutzbefohlenen und eines Tötungsvorsatzes - unter Berücksichtigung aller maßgeblichen verschiedenen Zeitpunkte, insbesondere auch des vom Landgericht nicht näher bedachten Zeitpunkts, zu dem die Angeklagte sich entschloss, noch einen Tag länger bei ihrem Freund zu bleiben - erneut zu erörtern.
Der Senat hebt auch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen auf. Sie beruhen wesentlich auf den Angaben der Angeklagten zu ihren Wahrnehmungen. Insoweit darf dem neuen Tatgericht durch eine Teilaufrechterhaltung von Feststellungen nicht die Möglichkeit genommen werden, gerade auf der Grundlage dieser Erkenntnisquelle unter Berücksichtigung der weiteren zu gewinnenden Erkenntnisse über den Zustand des Kindes umfassend einheitliche widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen. ..." (BGH, Urteil vom 26.02.2009 - 5 StR 532/08)
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Die Tathandlungen des Versetzens in eine hilflose Lage und auch des im Stich Lassens in einer solchen Lage (§ 221 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB i.d.F. durch das 6. StrRG) setzen für die Tatbestandserfüllung keine Ortsveränderung des Opfers oder des Täters voraus (BGH, Urteil vom 05.03.2008 - 2 StR 626/07).
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?... 1. Die rechtliche Würdigung der getroffenen Feststellungen begegnet - entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit das Landgericht eine Aussetzung mit Todesfolge nach § 221 Abs. 1 und 3 StGB verneint hat.
a) Dies hat das Landgericht damit begründet, dass bereits Zweifel bestünden, ob die Angeklagten S. objektiv in eine hilflose Lage versetzt bzw. ihn in einer solchen im Stich gelassen haben. Auch wenn der Heranwachsende geistig beeinträchtigt gewesen sei, habe er sein Handy bei sich gehabt und sei jedenfalls teilweise in der Lage gewesen, damit ordnungsgemäß umzugehen. Er sei auch in der Lage gewesen, sich zu artikulieren und sich fortzubewegen.
Jedenfalls habe die Kammer nicht mit ausreichender Sicherheit feststellen können, dass die Angeklagten in Bezug auf eine hilflose Lage zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt hätten. Sie hätten das Ausmaß seiner Alkoholisierung nicht erkannt und die sonstigen Anzeichen für die Beeinträchtigung seines geistigen Zustandes nicht ausreichend gewürdigt.
b) Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den Urteilsfeststellungen befand sich S. jedenfalls nach dem Verlassen des Streifenwagens in einer hilflosen Lage im Sinne von § 221 Abs. 1 StGB. In einer solchen ist, wer der abstrakten Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsbeschädigung ohne die Möglichkeit eigener oder fremder Hilfe ausgesetzt ist (vgl. Hardtung in MünchKomm, § 221 Rdn. 7). Hilflosigkeit im Sinne des Tatbestandes definiert sich danach als das Fehlen hypothetisch rettungsgeeigneter sächlicher Faktoren oder hilfsfähiger (und generell auch hilfsbereiter) Personen (vgl. Horn/Wolters in SK-StGB 54. Lfg. § 221 Rdn. 3). Eine derartige Lage war hier mit Blick auf die Feststellungen zu den äußeren Umständen und dem Verhalten des Heranwachsenden nach dem Verlassen des Streifenwagens ganz offensichtlich gegeben. Der Umstand, dass der junge Mann ein funktionstüchtiges Handy bei sich trug, das er nach dem Aussteigen zumindest zeitweise auch bedienen konnte, ändert hier an der Annahme einer objektiv hilflosen Lage im Sinne des § 221 StGB schon deshalb nichts, weil es ihm nicht gelungen ist, jemanden anzurufen und er zudem gar nicht wusste, wo er sich befand.
c) Die fehlerhafte rechtliche Beurteilung des objektiven Tatbestandes hat zur Folge, dass auch der durch das Landgericht vorgenommenen Würdigung der subjektiven Tatseite die Grundlage entzogen ist. Im Übrigen steht die Begründung, mit der das Landgericht ein (zumindest bedingt) vorsätzliches Handeln der Angeklagten abgelehnt hat, nicht im Einklang mit den getroffenen Feststellungen. Danach haben die Angeklagten die Alkoholisierung des Heranwachsenden ebenso erkannt, wie den Umstand, dass er - aus welchen Gründen auch immer - nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war. Dass die Angeklagten die vorhandene starke Alkoholisierung nicht zutreffend, sondern geringer eingeschätzt haben, ist daher ohne Belang.
Aus welchen Gründen sich die Angeklagten dann aber der konkreten Gefährdung des Lebens und der Gesundheit des Heranwachsenden nicht bewusst gewesen sein sollten, ist nicht ersichtlich. Dass die Angeklagten die Durchführung des Verbringungsgewahrsams und dessen Ausgang entgegen der bestehenden Dienstanweisung der Einsatzleitstelle nicht bzw. nicht vollständig gemeldet haben, könnte vielmehr für das Bewusstsein der Angeklagten sprechen, dass ihr Verhalten zu einer bedrohlichen Verschlechterung der Lage des Hilfsbedürftigen führen werde oder zumindest führen könnte (vgl. BGH NStZ 1985, 501; Fischer, StGB 55. Aufl. § 221 Rdn. 12). ..." (BGH, Urteil vom 10.01.2008 - 3 StR 463/07)
Aussetzung der Hauptverhandlung wegen Ausbleibens des Verteidigers
Siehe unter ?Ausbleiben des Verteidigers".
Aussetzung der Verhandlung wegen Nichteinhaltung der Ladungsfrist
Siehe unter ?Ladungsfrist".
Aussetzung der Verhandlung wegen veränderter Sach- und/oder Rechtslage
Siehe unter ?Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts".
Aussetzung oder Unterbrechung einer Hauptverhandlung § 228 StPO
(1) Über die Aussetzung einer Hauptverhandlung oder deren Unterbrechung nach § 229 Abs. 2 entscheidet das Gericht. Kürzere Unterbrechungen ordnet der Vorsitzende an.
(2) Eine Verhinderung des Verteidigers gibt, unbeschadet der Vorschrift des § 145, dem Angeklagten kein Recht, die Aussetzung der Verhandlung zu verlangen.
(3) Ist die Frist des § 217 Abs. 1 nicht eingehalten worden, so soll der Vorsitzende den Angeklagten mit der Befugnis, Aussetzung der Verhandlung zu verlangen, bekanntmachen.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Ohne Rechtsfehler hat die Strafkammer die am Tag vor Beginn der Hauptverhandlung und nochmals am ersten Tag der Hauptverhandlung gestellten Anträge auf Aussetzung der Hauptverhandlung zurückgewiesen. Zwar hat die Verteidigung insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass bei Beginn der Hauptverhandlung die wesentliche Beweislage bekannt sein muss, damit der Angeklagte sein Verteidigungsverhalten entsprechend einrichten und auch entscheiden kann, ob und in welchem Umfang er sich zum Tatvorwurf einlässt. Vorliegend waren jedoch entscheidende Indizien für die Täterschaft des Angeklagten bereits bei der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens am 4. September 2006, somit mehr als zwei Monate vor Beginn der Hauptverhandlung, bekannt. Diese Beweislage verstärkte sich zwar durch die nach und nach eintreffenden Gutachten, was aber keine ersichtliche Änderung der Verteidigungsstrategie mit sich bringen musste. Insoweit hat die Revision auch nichts Entsprechendes vorgetragen. Vielmehr war das Landgericht gehalten, dem Grundsatz der Prozessbeschleunigung gerade in Haftsachen Rechnung zu tragen und nicht mit dem Beginn der Hauptverhandlung zuzuwarten, bis auch die letzte Untersuchung und Ermittlungshandlung abgeschlossen war. Wenn sich insoweit während der Hauptverhandlung eine überraschende Entwicklung oder eine wesentliche Änderung der Beweislage ergeben hätte, wäre es der Verteidigung jederzeit möglich gewesen, eine Unterbrechung zu beantragen, um das weitere Vorgehen im Prozess zu beraten. Schließlich stand es dem Angeklagten offen, jederzeit bis zu seinem letzten Wort sich zu dem Tatvorwurf einzulassen oder sich entsprechend zu verteidigen.
Soweit die Revision rügt, der Tatrichter habe nicht in ausreichender Weise die Möglichkeit ausgeschlossen, dass die Tötung der Ehefrau die Folge einer Kurzschlusshandlung des Angeklagten gewesen sein könnte, weshalb die Verurteilung wegen aus Habgier begangenen Mordes rechtlich fehlerhaft sei, bleibt ihr der Erfolg versagt. Die Schwurgerichtskammer hat sich ausführlich mit der Frage befasst, ob es in der Tatnacht erstmals zu einem heftigen Streit der Eheleute über die mögliche Trennung gekommen sei und die getötete Ehefrau den Angeklagten erstmals mit konkreten Auszugsabsichten konfrontiert hätte; hierfür konnte das Gericht aber keine Hinweise feststellen. Vielmehr hatte die Ehefrau gerade nach dem für alle anstrengenden Tag gegenüber der Zeugin P. angekündigt, bald ins Bett gehen zu wollen, sodass eine Konfliktbereitschaft bei ihr in diesem Zeitpunkt eher fehlte. Hinzu kommt, dass nach den Feststellungen der Kammer die im Haus befindlichen Kinder einen Streit der Eheleute wohl bemerkt hätten, was aber nicht der Fall war. ..." (BGH, Beschluss vom 12.09.2007 - 1 StR 274/07)
***
Sind in einer Hauptverhandlung noch keine Erträge erzielt worden, die bei einer Unterbrechung fortwirkten, bei einer Aussetzung aber erneut gewonnen werden müssten, ist das Gericht in der Entscheidung, ob es die Hauptverhandlung unterbricht oder sie aussetzt, grundsätzlich frei. Eine solche Unterbrechungs- oder Aussetzungsentscheidung verstößt nicht gegen Art. 101 Abs. 1 GG, es sei denn, sie wäre willkürlich getroffen (BGH, Urteil 09.08.2007 - 3 StR 96/07 zu StPO § 228 Abs. 1, § 338 Nr. 1, GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2).
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?... Der Angeklagte hat das Recht auf wirksame Verteidigung (Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK). Er kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen (§ 137 Abs. 1 Satz 1 StPO). Wenn die Hauptverhandlung vor dem Landgericht stattfindet, ist die Mitwirkung eines Verteidigers zwingend (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO). Im Grundsatz soll dies der vom Angeklagten gewählte Verteidiger (§ 138 StPO), der Anwalt seines Vertrauens sein (BGH StV 1992, 53). Deshalb muss das Gericht - der Vorsitzende - bei der Terminsbestimmung ernsthaft versuchen, diesem Recht des Angeklagten, sich in einem Strafverfahren von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen, soweit wie möglich Geltung zu verschaffen (BGH NStZ 1999, 527; StV 1992, 53).
Nicht jede Verhinderung eines Verteidigers kann zur Folge haben, dass eine Hauptverhandlung nicht durch- oder fortgeführt werden kann, sondern ausgesetzt werden muss (§ 228 Abs. 2 StPO; vgl. BGH NStZ 1999, 527; NStZ 1998, 311, 312). Allerdings ist der Vorsitzende gehalten, über Anträge auf Verlegung eines Termins nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung, der Gesamtbelastung des Spruchkörpers, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und den berechtigten Interessen der Prozessbeteiligten zu entscheiden (BGH NStZ-RR 2006, 271, 272; NStZ 1998, 311, 312; GA 1981, 37, 38). Bei der danach gebotenen Abwägung kommen dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) und aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK folgenden Gebot, über eine strafrechtliche Anklage in angemessener Zeit zu verhandeln, und dem in Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 GG (vgl. auch § 121 Abs. 1 StPO; Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 MRK) zu beachtenden besonderen Beschleunigungsgebot in Haftsachen hohes Gewicht zu (vgl. BVerfG - Kammer - StV 2006, 251; NJW 2006, 1336; NJW 2006, 672; NStZ 2006, 47; NStZ 2000, 153).
Der Fortsetzung des Verfahrens innerhalb der Unterbrechungsfrist des § 229 Abs. 1 StPO, nämlich an dem dazu einzig für eine Verhandlung bei der Strafkammer noch freien 12. Mai 2006, stand die Absicht des Wahlverteidigers des Angeklagten K. entgegen, an diesem Tag - und dem folgenden - das XI. Frühjahrssymposium der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des Deutschen Anwaltvereins in Karlsruhe zu besuchen, wie das von ihm schon lange geplant war. Die Revision trägt dazu zutreffend vor, dass ein Rechtsanwalt zur Fortbildung verpflichtet ist (§ 43a Abs. 6 BRAO) und als Fachanwalt für Strafrecht gehalten ist, jährlich mindestens 10 Stunden an Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen (§ 15 Fachanwaltsordnung).
Gleichwohl ist die Entscheidung der Strafkammer, das Verfahren am 12. Mai zu Ende zu führen, frei von Rechtsfehlern, auch wenn an diesem Tag die Schlussvorträge, denen im Verfahrensablauf besondere Bedeutung zukommt, gehalten werden sollten und gehalten wurden. Als Alternative stand nicht die Verschiebung eines einzelnen Verhandlungstags um wenige Tage zur Verfügung. Vielmehr hätte die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten - nach Abtrennung vom Verfahren gegen den Mitangeklagten, das am 12. Mai auf jeden Fall hätte zu Ende geführt werden können - ausgesetzt werden müssen mit Neubeginn in mehreren Wochen oder Monaten. Dem konnte auch nicht durch Aufhebung einer bereits erfolgten Bestimmung der Hauptverhandlungstermine in einem anderen (Schwur-)Gerichtsverfahren abgeholfen werden, da dies naturgemäß in diesem anderen Verfahren zu unakzeptabler, dem Beschleunigungsgebot widerstreitender Verzögerung hätte führen müssen. Auf diese Möglichkeit hebt auch der Beschwerdeführer nicht ab.
In Verhältnis zur Aussetzung der Hauptverhandlung und der Verschiebung der Haftsache um Wochen, ja Monate, hatte im vorliegenden Fall das Fortbildungsinteresse des Wahlverteidigers geringeres Gewicht. Jedenfalls war es frei von Ermessensfehlern, wenn dies die Strafkammer so bewertete. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Besuch des XI. Frühjahrssymposiums an dessen zweitem Tag, am Samstag, dem 13. Mai 2006, nichts im Wege stand. Da das Symposium sich auch aus thematisch selbständigen Blöcken zusammensetzt, wie der Senat weiß, ist die Teilnahme an Teilen der Veranstaltung insoweit ohne Einbuße an Weiterbildung möglich. Die zu den Themenblöcken gehaltenen Vorträge werden zudem in aller Regel anschließend veröffentlicht. Nicht aufgenommen werden kann allein die Diskussion. Wegen dieses damit vergleichsweise geringen Verlustes an Fortbildung, das - auch um die gemäß § 15 Fachanwaltsordnung erforderliche Stundenzahl zu erreichen - sicherlich auf andere Weise hätte ausgeglichen werden können, musste, ja durfte die Hauptverhandlung nicht ausgesetzt werden.
Zudem war eine ordnungsgemäße Verteidigung des Angeklagten durch den Pflichtverteidiger, Rechtsanwalt G. , auch hinsichtlich des Schlussvortrags, gewährleistet. Anderes wird auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Weder werden mangelndes Vertrauen des Angeklagten in seinen Pflichtverteidiger noch gar ein Zerwürfnis, das eine Kommunikation und eine sinnvolle Verteidigung unmöglich gemacht hätte, vorgetragen. Allein aus dem Aussetzungsantrag des Angeklagten mit der Begründung, er wolle - auch - von seinem Wahlverteidiger vertreten sein, kann dies nicht geschlossen werden. Dass auch der Wahlverteidiger von einer wirksamen Verteidigung allein durch den Pflichtverteidiger ausging - wenn es im Zweifelsfall auch auf die Sicht des Angeklagten angekommen wäre -, kann aus dem Verhalten von Rechtsanwalt M. nach der definitiven Ablehnung seines Antrags auf Terminsverlegung vom 4. Mai 2006, womit er auch mit der Ablehnung des späteren Aussetzungsantrags jedenfalls rechnen musste, geschlossen werden. Der Wahlverteidiger stand nun selbst vor der Entscheidung, ob er der Verteidigung seines Mandanten oder der Teilnahme am ersten Tag des XI. Frühjahrssymposiums der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des Deutschen Anwaltvereins in Karlsruhe den Vorrang geben sollte (sofern nicht sein Fernbleiben von der Hauptverhandlung von seinem Mandanten trotz dessen grundsätzlichen Wunsches - entsprechend der Begründung des Aussetzungsantrags -, auch am 12. Mai 2006 über den Beistand von Rechtsanwalt M. verfügen zu können, für den Fall der Ablehnung gebilligt worden war). Denn hätte der Wahlverteidiger damit rechnen müssen, dass eine sachgerechte Verteidigung des Angeklagten nicht auch ohne ihn gewährleistet ist, hätte seine Entscheidung für die Teilnahme auch am 1. Tag des Symposiums sehr wohl mit seiner Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung (§ 1 BRAO) kollidieren können. Zu entscheiden hat dies der Senat nicht. Er kann sich aber nicht vorstellen, dass Rechtsanwalt M. ein derart gravierendes standeswidriges Verhalten auch nur in Kauf genommen hat. ..." (BGH, Beschluss vom 09.11.2006 - 1 StR 474/06)
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?... Die von dem Angeklagten S. erhobene Rüge, das Landgericht habe den Aussetzungsantrag der Verteidigung rechtsfehlerhaft zurückgewiesen, ist jedenfalls unbegründet. Aus dem - von dem Beschwerdeführer seinem wesentlichen Inhalt nach wiedergegebenen - ablehnenden Beschluss der Strafkammer ergibt sich, dass diese bei der Entscheidung über den Aussetzungsantrag die wesentlichen Gesichtspunkte - Wahrheitsermittlung einerseits, Verfahrensbeschleunigung andererseits - erkannt und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles, insbesondere der Beweisbedeutung des Informanten und der voraussichtlichen Dauer des von dem Angeklagten vorgesehenen Verwaltungsstreitverfahrens, gegeneinander abgewogen hat. Das Ergebnis dieser Abwägung kann nicht beanstandet werden, und zwar umso weniger, als die Strafkammer die Sperrerklärung des Innenministeriums zutreffend für ermessensfehlerfrei hielt, einer verwaltungsgerichtlichen Anfechtung also keine ernsthaften Erfolgschancen beizumessen brauchte (vgl. BGH NStZ 1985, 466, 467 f.). Die Polizeibehörde muss die Anonymität eines als Zeugen in Anspruch zu nehmenden V-Mannes wahren können, wenn zu besorgen ist, dass er durch die Offenbarung seiner Identität in Leibes- oder Lebensgefahr gerät; dies gilt grundsätzlich auch für die Gefährdung seiner weiteren Verwendung (vgl. BTDrucks. 12/989 S. 42; Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 96 Rdn. 64). Beide Voraussetzungen hat das Innenministerium bejaht, ohne dass seiner Beurteilung - angesichts der dafür angeführten Umstände - ein offenbarer Rechtsfehler, sei es auch nur in der Form des Ermessensfehlgebrauchs, anhaftete. ..." (BGH, Beschluss vom 24.10.2006 - 1 StR 442/06)
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?... Die Rüge, das Kammergericht habe Aussetzungsanträge bis zur Her-ausgabe der vollständigen Gesprächsprotokolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit dem Zeugen M. zu Unrecht abgelehnt, ist unbegründet. Das Tatgericht war weder unter dem Gesichtspunkt der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO), der Rücksichtnahme auf die Belange der Verteidigung (§ 338 Nr. 8 StPO), noch des fairen Verfahrens (Art. 6 MRK) verpflichtet, den Aussetzungsanträgen zu entsprechen; eine veränderte Sachlage im Sinne des § 265 Abs. 4 StPO war - entgegen der Auffassung der Revision - ohnehin nicht gegeben. Das Kammergericht hat in seinen Beschlüssen unter Orientierung an den von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsätzen die wesentlichen Belange - Wahrheitsermittlung einerseits, Verfahrensbeschleunigung andererseits - erkannt und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles gegeneinander abgewogen (BGH NStZ 1985, 466 ff.). Es hat dabei berücksichtigt, dass zwar bereits eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung auf Aufhebung der Sperrerklärung in erster Instanz vorgelegen hat, diese aber nicht rechtskräftig war und dass ihr im Übrigen nicht die Verpflichtung zur Herausgabe der ungeschwärzten Protokolle entnommen werden konnte. Angesichts einer Sachlage, die wesentlich dadurch gekennzeichnet ist, dass es nicht um die völlige Sperrung eines Zeugen als Beweisperson - wie sonst häufig im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 96 StPO - geht, sondern dass hier der Zeuge M. persönlich für eine außergewöhnlich lange Befragung im Ermittlungsverfahren und ebenso im späteren Hauptverfahren zur Verfügung gestanden hat, durfte das Kammergericht den geschwärzten Passagen eine allenfalls geringe potentielle Beweisbedeutung beimessen. Denn die Befragung des Zeugen durch den Verfassungsschutz hat erst nach Abschluss eines wesentlichen Teils der Vernehmungen im Ermittlungsverfahren stattgefunden. Damit konnten aber die Aussageentwicklung zwischen Ermittlungsverfahren und der Hauptverhandlung nachverfolgt und etwaige Abweichungen - wie geschehen - näher beleuchtet werden. Unter diesen Umständen lag kein Sachverhalt vor, aufgrund dessen sich das Gericht zur weiteren Aufklärung gedrängt sehen musste. Damit war eine Aussetzung nicht nur nicht geboten, sie hätte vielmehr dem Gebot der rechtsstaatlich geforderten Beschleunigung des Strafverfahrens widersprochen (BVerfGE 63, 45, 68 f.). ..." (BGH, Beschluss vom 20.04.2006 - 3 StR 284/05).
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? ... Das Rechtsmittel hat schon mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Der Bf. beanstandet zu Recht, daß das LG ihn durch die Ingewahrsamnahme am 21. 1. 2003 und die Ablehnung seines Antrags auf Verlegung bzw. Unterbrechung des Termins v. 23. 1. 2003 in einem wesentlichen Punkt in seiner Verteidigung beschränkt hat (§ 338 Nr. 8 StPO). Der Rüge liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Hauptverhandlung umfaßte fünf Sitzungstage: (14., 15., 16., 21. und 23. 1. 2003). Der Angekl. war zunächst nur von RA H. verteidigt, der für ihn als Pflichtverteidiger bestellt worden war. Am 20. 1. 2003, nach dem dritten Hauptverhandlungstag, zeigte RA G. an, daß er nunmehr vom Angekl. bevollmächtigt sei und diesen als Wahlverteidiger vertrete. Er beantragte, die Bestellung des Pflichtverteidigers zurückzunehmen, da das Vertrauensverhältnis zwischen diesem und dem Angekl. ernsthaft gestört sei. Gleichzeitig beantragte RA G., ihm Akteneinsicht zu gewähren und die Hauptverhandlung auszusetzen, hilfsweise diese zu unterbrechen. Diese Anträge lehnte die StrK in der Sitzung v. 21. 1. 2003, an der auch RA G. als Wahlverteidiger teilnahm, ab. RA G. beantragte daraufhin, ?wenigstens' den anstehenden Termin v. 23. 1. 2003 von 9.00 Uhr auf 13.00 Uhr zu verlegen, weil er erst am Ende der Sitzung v. 21. 1. 2003 die Strafakten erhalten werde. Da er am nächsten Tag in München verteidige, sei es ihm nur bei einer zeitlichen Verschiebung des Termins möglich, ausreichend Akteneinsicht zu nehmen und die Sache mit dem Angekl. zu besprechen. Am Ende der Sitzung wurden RA G. die Akten ausgehändigt. Der Vors. der StrK ordnete außerdem an: ?Gem. § 231 Abs. 1 S. 2 StPO wird die Inverwahrnahme des Angekl. S. bis zur Fortsetzung der Hauptverhandlung am Donnerstag, 23. 1. 2003 um 9.00 Uhr angeordnet'. Sofort gestellte Anträge des Verteidigers auf Aufhebung oder Außervollzugsetzung der Inverwahrnahme, denen die StA ausdrücklich nicht entgegentrat, lehnte der Vors. ab und teilte des weiteren mit, der Termin v. 23. 1. 2003 finde um 9.00 Uhr statt, ?ggf. könne eine Pause gemacht werden'. Die Maßnahmen des Vors. wurden im Rahmen von § 238 Abs. 2 StPO von der StrK bestätigt. Der Angekl. wurde am 21. 1. 2003 in die JVA verbracht und zum Termin v. 23. 1. 2003 vorgeführt. In diesem Termin hat der Verteidiger des Angekl. erneut die Aussetzung bzw. Unterbrechung beantragt und darauf hingewiesen, daß ihm auf Grund der Verhaftung des Angekl. eine Besprechung der Sache mit diesem nicht möglich gewesen sei. Das LG hat eine Unterbrechung erneut abgelehnt und an diesem Tag das Urteil verkündet. Den Beschl. über die Inverwahrnahme des Angekl. hat das OLG Frankfurt/M. auf Beschwerde des Angekl. am 12. 5. 2003 für rechtswidrig erklärt.
Die Revision beanstandet zu Recht die Ablehnung der Unterbrechung der Hauptverhandlung am 23. 1. 2003 zur Besprechung der Sache nach Akteneinsicht unter gleichzeitiger Ingewahrsamnahme des Angekl. nach § 231 Abs. 2 S. 2 StPO. Die Vorgehensweise der StrK verletzt nachhaltig das Recht des Angekl. auf eine sachgerechte Verteidigung.
Gegenstand des Strafverfahrens waren schwerwiegende Vorwürfe mit einer erheblichen Straferwartung, wie die verhängte Freiheitsstrafe von 6 J. 6 M. zeigt, gegen den die Tat bestreitenden Angekl. Dieser war in jeder Lage des Verfahrens berechtigt, neben oder anstelle des Pflichtverteidigers einen Verteidiger seiner Wahl mit seiner Verteidigung zu betrauen. Es kann offen bleiben, ob dabei dem Antrag auf Entpflichtung des Pflichtverteidigers stattgegeben werden mußte oder inwieweit aus der Bestellung eines Wahlverteidigers Rechte des Angekl. auf Aussetzung oder Unterbrechung des Verfahrens abgeleitet werden konnten. Eine Beeinträchtigung der Verteidigung i. S. d. § 338 Nr. 8 StPO bedeutet es auf jeden Fall, wenn die Verteidigungsmöglichkeiten des neu gewählten Verteidigers und damit des Angekl. ohne sachlichen Grund in erheblichem Umfang eingeschränkt werden. Dies ist hier durch die, wie das OLG zu Recht ausgeführt hat, völlig grundlose und damit rechtswidrige Inverwahrnahme des Angekl. und die anschließende Ablehnung der zeitlichen Verlegung oder Unterbrechung der Hauptverhandlung v. 23. 1. 2003 geschehen. Der Wahlverteidiger des Angekl. war, wie er glaubhaft dargetan hat, durch dessen Aufnahme in die Haftanstalt gehindert, nach der Akteneinsicht die Sache mit dem Angekl. zu besprechen. Diese Möglichkeit bestand erst wieder am Morgen des Sitzungstages v. 23. 1. 2003. Da aber das LG eine Verlegung des Termins von 9.00 Uhr auf 13.00 Uhr abgelehnt hatte, war ihm auch diese Möglichkeit genommen. Durchgreifende Gründe für eine Ablehnung der Verlegung des Termins von 9.00 Uhr auf 13.00 Uhr sind nicht ersichtlich. Die erstmals im Beschl. v. 23. 1. 2003 auf den erneuten Unterbrechungsantrag genannten Gründe rechtfertigen die getroffenen Maßnahmen nicht, da dadurch die Behauptung des Verteidigers, er habe wegen der Inverwahrnahme des Angekl. angesichts der Besuchszeiten der JVA die Sache nicht mit diesem besprechen können, nicht widerlegt ist. Die Ablehnung der Verlegung des Termins v. 23. 1. 2003 von 9.00 Uhr auf 13.00 Uhr und die Ablehnung des in der Sitzung v. 23. 1. 2003 erneut gestellten Antrags auf Unterbrechung durch die Gerichtsbeschl. v. 21. und 23. 1. 2003 im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Ingewahrsamnahme stellen eine Verletzung des Rechts des Angekl. auf sachgerechte Verteidigung dar. Diese unzulässige Beschränkung der Verteidigung betrifft auch einen für die Entscheidung wesentlichen Punkt i. S. d. § 338 Nr. 8 StPO. Ein durchgreifender Verstoß ist zwar nur dann gegeben, wenn die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem Verfahrensverstoß und dem Urteil konkret besteht (vgl. BGH NStZ 2000, 212 m. Anm. Hammerstein S. 326 = StV 2000, 402 m. Anm. Stern S. 404). Dies ist hier aber der Fall, zumal das angegriffene Urteil noch am 23. 1. 2003 verkündet wurde. Dem Angekl. wurde durch die Beschl. das Recht auf Verteidigung durch einen RA seines Vertrauens (vgl. dazu u. a. BVerfG StV 2002, 521) genommen. Der Verteidiger kann im Strafprozeß entsprechend § 140 Abs. 1 StPO nur dann sinnvoll ?mitwirken' und die Interessen des Angekl. wirksam wahrnehmen, wenn er den Sachverhalt ausreichend kennt, genügend über die Einlassung des Angekl. zur Anklage unterrichtet ist und ein klares Bild von den Möglichkeiten gewonnen hat, die für eine sachgemäße Verteidigung bestehen. Zwar hatte RA G. (ersichtlich ohne Akteneinsicht) in der Hauptverhandlung v. 21. 1. 2003 mehrere Beweisanträge gestellt, die aber alle, wie die Revision in anderem Zusammenhang aufzeigt, von der StrK abgelehnt worden sind. Gerade auch deshalb besteht die Möglichkeit, daß der Wahlverteidiger nach Akteneinsicht und weiterer Information durch den Angekl. auch noch gegen Ende der Beweisaufnahme sachgerechte Maßnahmen hätte veranlassen oder weitere für den Angekl. sprechende Gesichtspunkte im Plädoyer hätte aufzeigen können, zumal das LG seine Überzeugung von der Täterschaft des Angekl. mit bedenklicher Begründung auch auf die Persönlichkeit des Angekl. und seinen Eindruck von ihm in der Hauptverhandlung stützt. Auf Grund der Gesamtumstände mußte dem Verteidiger nach der Akteneinsicht die Möglichkeit einer Besprechung mit dem Angekl. gewährt werden. Eine solche Besprechung wurde durch die rechtswidrige Ingewahrsamnahme des Angekl. am 21. 1. 2003 i. V. m. der Verweigerung einer geringfügigen Verschiebung des Hauptverhandlungstermins v. 23. 1. 2003 unmöglich gemacht. Damit wurde der Angekl. schwerwiegend in seinem Recht auf angemessene Verteidigung beeinträchtigt. ...2 (BGH, Beschluss vom 14.01.2004 - 2 StR 315/03).
Der während einer Hauptverhandlung neu bestellte Verteidiger hat es als unabhängiges Organ der Rechtspflege, das die Verteidigung selbständig führt, in erster Linie selbst und in eigener Verantwortung zu beurteilen, ob er für die Erfüllung seiner Aufgabe hinreichend informiert und vorbereitet ist. Es ist grundsätzlich nicht Sache des Gerichts, dies zu überprüfen. § 338 Nr. 5 StPO liegt nur bei körperlicher Abwesenheit oder erkennbarer Verhandlungsunfähigkeit des Verteidigers im Falle einer notwendigen Verteidigung vor. Für die Annahme, die Verteidigung sei in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt worden (§ 338 Nr. 8 StPO), genügt es nicht, wenn die Beschränkung der Verteidigung generell (abstrakt) geeignet ist, die gerichtliche Entscheidung zu beeinflussen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist § 338 Nr. 8 StPO vielmehr nur dann gegeben, wenn die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem Verfahrensverstoß und dem Urteil konkret besteht (BGH NStZ 2000, 212).
Beanstandet der Angeklagte einen die Aussetzung der Hauptverhandlung nach § 228 I StPO ablehnenden Gerichtsbeschluß als rechtsfehlerhaft, so kann er die Revision hierauf nur stützen, wenn er geltend macht, durch die Nichtaussetzung in einem für die Verteidigung wesentlichen Punkt unzulässig beschränkt worden zu sein (BGH StV 1996, 527).
Die Verhinderung des Pflichtverteidigers, der das Vertrauen des Angeklagten genießt, zwingt grundsätzlich nicht zur Aussetzung der Hauptverhandlung. Das Gericht ist jedoch gehalten, sich um einen mit dem Pflichtverteidiger abgestimmten Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung ernsthaft zu bemühen (BGH NJW 1992, 849).
*** (OLG)
Das Interesse des Angeklagten an seiner Verteidigung durch einen Rechtsanwalt einerseits und das Interesse der Justiz an einer möglichst reibungslosen Durchführung des Verfahrens andererseits sind gegeneinander abzuwägen, wobei dem Verteidigungsinteresse im Zweifel Vorrang gebührt. Das gilt insbesondere dann, wenn der Verteidiger wegen einer plötzlichen Erkrankung an der Hauptverhandlung nicht teilnehmen kann (OLG Koblenz, Beschluss vom 10.09.2009 - 2 SsRs 54/09 zu StPO §§ 228, 265, 137).
***
Der Angeklagte und nicht das Gericht bestimmt die Person des Wahlverteidigers. Diesem Umstand ist bei der Entscheidung über einen Terminsverlegungsantrag wegen anderweitiger Verhinderung Rechnung zu tragen (OLG Koblenz, Beschluss vom 27.07.2009 - 1 Ss 102/09 zu StPO §§ 228 Abs. 2, 329, 412):
?... I. Die Revision des Angekl. richtet sich gegen das Urteil des LG Koblenz v. 27. 11. 2008, mit dem seine Berufung gegen das gem. § 412 StPO ergangene Verwerfungsurteil des AG Mayen v. 09. 04. 2008 als unbegründet verworfen wurde. ...
Mit Strafbefehl des AG v. 22. 02. 2008 wird dem Angekl. zur Last gelegt, am 29. 10. 2007 durch die fahrlässige Verursachung eines Verkehrsunfalls drei Menschen teils schwer verletzt zu haben. ...
Bereits am 07. 11. 2007 hatte der Angekl. RA Dr. F. mit seiner Verteidigung beauftragt. Der Verteidiger gehört zwar einer Kanzlei mit zahlreichen Rechtsanwälten an; die Vollmacht ist jedoch auf ihn allein beschränkt. Mit Schriftsatz v. 08. 01. 2008 an die StA hatte er die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO beantragt.
Nachdem der Angekl. gegen den Strafbefehl form- und fristgerecht Einspruch eingelegt hatte, bestimmte das AG - ohne vorherige Kontaktaufnahme mit dem Verteidiger - Hauptverhandlungstermin auf den 09. 04. 2008, 11:30 Uhr.
Die dem Angekl. ordnungsgemäß zugestellte Ladung ging dem Verteidiger an 18. 03. 2008 zu. Dieser teilte mit Faxschreiben v. 19. 03. 2008 mit, er habe am 09. 04. 2008 einen schon seit längerem anberaumten Gerichtstermin bei dem AG H. wahrzunehmen; der Gerichtstermin ?ist daher aufzuheben'. Diese Eingabe blieb beim AG mehr als zwei Wochen unbearbeitet liegen.
Die zuständige Richterin reagierte erst mit Schreiben v. 07. 04. 2008 an den Verteidiger
?... bleibt der Hauptverhandlungstermin vorläufig bestehen.
a) Sie sind eine Anwaltskanzlei mit 23 Anwälten, sodaß ich davon ausgehe, daß einer der Kollegen sicherlich den Termin wahrnehmen kann, insbes. da es sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt handelt.
b) Es muß festgestellt werden, daß bisher in jedem Verfahren, das beim AG - Strafrichter/Jugendrichter - in Mayen anhängig war, von Ihnen ein Antrag auf Aufhebung des anberaumten Termins gestellt wurde.'
Mit Schreiben v. 08. 04. 2008 wies RA F. darauf hin, daß er alleiniger Verteidiger sei und sich nicht teilen könne; die Behauptung, bisher seien in jedem Verfahren Verlegungsanträge gestellt worden, sei unrichtig; tatsächlich gestellte Anträge seien immer sachlich begründet gewesen. Zugleich lehnte er namens seines Mandanten die Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
Obwohl beim AG Mayen bekannt sein mußte, daß RA Dr. F. entweder beim AG H. bzw. auf dem Weg dorthin oder auf dem Weg nach Mayen ist, wurde die dienstliche Erklärung der abgelehnten Richterin am 09. 04. 2008 um 10:27 Uhr mit einer Frist zur Stellungnahme bis 11:15 Uhr per Fax in die Kanzlei des - dort nicht anwesenden - Verteidigers übermittelt. Nach Fristablauf wurde das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen.
Zu Beginn der Hauptverhandlung um 11:32 Uhr waren weder der Angekl. noch sein Verteidiger anwesend. Daraufhin wurde der Einspruch gem. § 412 StPO verworfen.
Gegen die Verwerfung legte der Angekl. ?Rechtsmittel' ein und beantragte außerdem Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er trug u.a. vor, sein Verteidiger habe bereits vor Zugang der Ladung durch das AG Mayen mit einem Richter vom AG H. mehrere Hauptverhandlungstermine für den 09. 04. 2008 von 10:00 Uhr bis 11:30 Uhr abgesprochen gehabt und diese auch wahrgenommen. Er - der Angekl. - sei von seinem Verteidiger dahingehend informiert worden, daß er zum Termin vor dem AG Mayen nicht erscheinen müsse.
Obwohl überhaupt noch keine Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ergangen war - die Entscheidung des AG erging am 02. 02. 2009, die ebenfalls für den Angekl. negative Beschwerdeentscheidung am 16. 04. 2009 -, bestimmte die Vors. der BerufungsK entgegen § 315 Abs. 2 S. 2 StPO Hauptverhandlungstermin auf den 27. 11. 2008. Mit Urteil v. selben Tage wurde die Berufung als unbegründet verworfen. In den schriftlichen Urteilsgründen heißt es:
Der Angekl. ist der Auffassung, sein Fernbleiben in der Hauptverhandlung I. Instanz sei entschuldigt. Sein Verteidiger habe ihm - was dieser im übrigen bestätigt hat - seinerzeit erklärt, er brauche der gerichtlichen Ladung keine Folge leisten, weil das AG verpflichtet sei, den Termin zu verlegen. Auf diese Auskunft habe er vertraut und auch vertrauen dürfen, wenngleich ihm durchaus bekannt gewesen sei, daß der Verlegungsantrag abgelehnt worden sei.
Zu Recht hat das AG den Einspruch gem. § 412 S. 1 StPO verworfen, weil der Angekl. ohne Entschuldigung der Hauptverhandlung ferngeblieben ist. Dem Angekl. ist der Vorwurf der schuldhaften Pflichtverletzung zu machen.
Er durfte nämlich nicht der - fehlerhaften - Auskunft seines Verteidigers vertrauen, sondern wäre vielmehr gehalten gewesen, der gerichtlichen Ladung Folge zu leisten bzw. sich bei dem Gericht danach zu erkundigen, ob die Hauptverhandlung stattfindet und er erscheinen muß. Dies gilt umso mehr, als er wußte, daß das Gericht den Verlegungsantrag abgelehnt und er auch keine Abladung erhalten hatte (vgl. Meyer-Goßner, Kommentar zur StPO, 51. Aufl., § 315 Rn. 29 m.w.N.).'
II. Die hiergegen gerichtete Revision des Angekl. hat Erfolg und die Aufhebung beider bisher ergangener Urteile zur Folge.
1. Der Begriff ?genügende Entschuldigung' darf nicht eng ausgelegt werden. § 329 Abs. 1 S. 1 StPO, der im Strafbefehlsverfahren entsprechend anzuwenden ist (§ 412 S. 1 StPO) enthält eine Ausnahme von der Regelung, daß ohne den Angekl. nicht verhandelt werden darf, und birgt die Gefahr eines sachlich unrichtigen Urteils in sich. Deshalb ist bei der Prüfung der vorgebrachten oder vorliegenden Entschuldigungsgründe eine weite Auslegung zugunsten des Angekl. angebracht. Eine Entschuldigung ist dann genügend, wenn die im Einzelfall abzuwägenden Belange des Angekl. einerseits und seine öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung andererseits den Entschuldigungsgrund als triftig erscheinen lassen, d.h. wenn dem Angekl. unter den gegebenen Umständen ein Erscheinen billigerweise nicht zumutbar war und ihm infolgedessen wegen seines Fernbleibens auch nicht der Vorwurf schuldhafter Pflichtverletzung gemacht werden kann.
Ebenso wie die Berufungsverwerfung nach § 329 Abs. 1 S. 1 StPO dient die Einspruchsverwerfung nach § 412 StPO der Beschleunigung des Verfahrens. Es soll verhindert werden, daß ein Angekl. allein durch sein Ausbleiben die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts hinauszögern kann (KK-Ruß, StPO, 6. Aufl., § 329 Rn. 1 m.w.N.). Das Gesetz nimmt im Interesse der erstrebten Beschleunigung des Verfahrens die Möglichkeit in Kauf, daß ein sachlich unrichtiges Urteil bzw. ein sachlich unrichtiger Strafbefehl nur wegen des nicht genügend entschuldigten Ausbleibens des Angekl. rechtskräftig wird. Die beiden sich widerstreitenden Grundsätze, einerseits das Bedürfnis nach Verfahrensbeschleunigung, andererseits aber das Streben nach einer möglichst gerechten Entscheidung, sind bei der Auslegung im Einzelfall zu beachten und zueinander ins rechte Verhältnis zu setzen.
2. Im konkreten Fall ist, was das Berufungsgericht übersehen hat, zu beachten, daß die Hauptverhandlung vor dem AG überhaupt nicht hätte stattfinden dürfen, weil die Ablehnung des Terminsverlegungsantrags willkürlich gewesen war. Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls war dem Angekl. ein Erscheinen im Termin ohne Verteidiger auch in Kenntnis der Ablehnung des Terminsverlegungsantrags unzumutbar.
a) Vorab ist auf die Selbstverständlichkeit hinzuweisen, daß sich das Verfahren gegen den Angekl. und nicht gegen seinen Verteidiger richtet. Ob sich RA Dr. F. in der Vergangenheit - zu Recht oder zu Unrecht - durch Terminsverlegungsanträge, forsche Formulierungen in Schriftsätzen (?ist daher aufzuheben') oder durch was auch immer den Unmut des Gerichts zugezogen hat, ist somit völlig unerheblich und muß von einem Gericht bei seiner Entscheidung gänzlich ausgeblendet werden. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, daß dann, wenn es in der Vergangenheit tatsächlich zu einer Häufung von Terminsverlegungsanträgen gekommen sein sollte, dem durch Terminsabsprachen entgegengewirkt hätte werden können.
b) Nach § 137 Abs. 1 S. 2 StPO kann sich der Besch. (Angekl.) in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers seiner Wahl bedienen, und zwar unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 140 StPO vorliegen (BayObLG StV 1995, 10; OLG Frankfurt StV 1998, 13). Dieses aus der Verfassung abgeleitete Recht sichert seinen Anspruch auf ein faires Verfahren (BVerfG NJW 1984, 2403 m.w.N.). Zwar bestimmt § 228 Abs. 2 StPO für den Fall der nicht notwendigen Verteidigung, daß die Verhinderung des Verteidigers dem Angekl. keinen Anspruch auf Aussetzung der Hauptverhandlung gibt. Rechtsstaatliche Prinzipien setzen der Anwendbarkeit dieser Vorschrift jedoch Grenzen (BVerfG a.a.O.).
c) Dieses Recht des Angekl. hat das AG bei seiner Entscheidung über den Terminsverlegungsantrag willkürlich mißachtet; sachliche Gründe für eine Ablehnung enthält das Schreiben v. 07. 04. 2008 nicht.
(1) Der Angekl. und nicht das Gericht bestimmt die Person des Wahlverteidigers. Es ist deshalb völlig unerheblich, wie viele Rechtsanwälte in derselben Kanzlei tätig sind wie der Verteidiger. RA Dr. F. war und ist ausweislich der in den Akten befindlichen Vollmacht der einzige Verteidiger des Angekl. und hatte ihn von Anfang an vertreten.
(2) Im konkreten Fall kommt noch hinzu, daß das AG sich mehr als zwei Wochen Zeit gelassen hatte, um dann erst unmittelbar vor dem Termin auf einen rechtzeitig gestellten Terminsverlegungsantrag zu reagieren. Bei einer Ablehnung in der 8. Kalenderwoche wäre es RA Dr. F. eventuell noch möglich gewesen, beim AG H. unter Hinweis auf die Unnachgiebigkeit der Richterin in Mayen um eine Terminsverlegung zu bitten. Am 07. oder 08. 04. 2008 war er dazu nicht mehr gehalten. Auf der anderen Seite war es dem Angekl. nicht zuzumuten, unmittelbar vor der Hauptverhandlung einen anderen, mit der Sache nicht vertrauten RA mit seiner Verteidigung zu beauftragen.
(3) Ein einfach gelagerter Sachverhalt lag bereits deshalb nicht vor, weil es bisher keinerlei Ermittlungen zur Unfallursache gegeben hat. Die Behauptung im Strafbefehl, der Unfall sei für den Angekl. ?vorhersehbar und bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt vermeidbar' gewesen, ist durch keine einzige Tatsache untermauert.
d) Ob dem Angekl. auch vor dem Hintergrund der Richterablehnung, auch wenn er von dem übereilt und prozessual zumindest fragwürdig abgewickelten Zwischenverfahren keine Kenntnis haben konnte, ein Erscheinen vor Gericht ohne Anwalt des Vertrauen unzumutbar war (s. dazu OLG Hamm, StV 1996, 11), kann hier dahinstehen. ..."
***
? ... Nach § 228 Abs. 1 StPO ist die Aussetzung der Hauptverhandlung grundsätzlich zulässig, wenn Beschleunigungs- und die Konzentrationsmaxime nicht entgegenstehen. Diese gebieten grundsätzlich, daß eine einmal begonnene Hauptverhandlung zügig und unter Vermeidung unnötiger Verzögerungen zu Ende geführt wird (Gollwitzer in LR, StPO, 25. A., § 228 Rdnr. 8 f., Kleinknecht/Meyer-Goßner, a. a. O., jew. m. w. N.). Die gesetzlich vorgesehenen (Ausnahme)Fälle der Aussetzung der Hauptverhandlung stellen zwar keine abschließende Regelung dar. Eine Aussetzung kommt jedoch - über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus - nur in Betracht, wenn dies zur Förderung des Verfahrens, insbes. zur besseren Sachaufklärung, oder zur Wahrung von Verfahrensrechten der Beteiligten geboten erscheint. Insoweit ist eine Abwägung vorzunehmen. ... " (OLG Hamm 2002, 404).
Bevor der Tatrichter sich zur Aussetzung der Hauptverhandlung entschließt, muß er prüfen, ob der Verfahrenszweck nicht bereits durch eine Unterbrechung der Hauptverhandlung erreicht werden kann. Die Weiterverhandlung ohne den Angeklagten ist solange zulässig, wie der Tatrichter bei pflichtgemäßer Prüfung von der Fortdauer der Umstände ausgehen darf, die ihn zur Anwendung des § 231 Abs. 2 StPO veranlaßt haben. Es stellt eine Verhandlung zur Sache dar, wenn in dem Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung nach deren Unterbrechung über die Frage der Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten und/oder darüber verhandelt wird, ob die Voraussetzungen über die Zulässigkeit der Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten noch gegeben sind. Die Hemmung des Laufs der Unterbrechungsfrist nach § 229 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 StPO tritt auch dann ein, wenn der Verlauf der vom Angeklagten schuldhaft verursachten Erkrankung, die zu seiner bereits länger andauernden Verhandlungsunfähigkeit und zur Weiterführung der Hauptverhandlung in dessen Abwesenheit geführt hat, die Unterbrechung der Hauptverhandlung notwendig macht, um zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten weiterhin vorliegen (OLG Düsseldorf StV 1997, 282 f).
Über einen Aussetzungsantrag gem. § 228 Abs. 1 S. 1 StPO hat das Gericht grundsätzlich noch vor der Urteilsverkündung zu befinden, damit die Beteiligten Gelegenheit haben, andere Anträge zu stellen. Das gilt insbesondere vor Verwerfung der Berufung des ausgebliebenen Angeklagten in einem durch Strafbefehl eingeleiteten Verfahren, wenn der anwesende Verteidiger Vertretungsvollmacht hat (OLG Köln StV 1992, 567).
Die Aussetzung der Hauptverhandlung ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, wenn sie ausschließlich dazu bestimmt ist, der weiteren Sachaufklärung oder der besseren Vorbereitung der Verfahrensbeteiligten zu dienen (OLG Köln StV 1991, 551 f).
Soll in der Hauptverhandlung zur Identifizierung des Betroffenen eine Gegenüberstellung durchgeführt werden, so ist bei Nichterscheinen des Verteidigers stets zumindest die übliche Wartezeit von 15 Minuten einzuhalten (OLG Köln, Beschluss vom 18.11.1983 - 3 Ss 658/83, StV 1984, 147).
Siehe auch unter ? Unterbrechung der Hauptverhandlung" und ?Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts".
Aussetzung des Haftbefehls § 116 StPO
(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich
1. die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
2. die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3. die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
4. die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.
(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.
(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112 a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.
(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn
1. der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
2. der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
3. neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... 1. a) In die materielle Freiheitsgarantie des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG darf nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen eingegriffen werden (Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG). Die formellen Gewährleistungen des Art. 104 GG stehen mit der materiellen Freiheitsgarantie des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in einem unlösbaren Zusammenhang (vgl.BVerfGE 10, 302 (322); 58, 208 (220); 105, 239 (247) ). Art. 104 Abs. 1 GG nimmt den schon in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG enthaltenen Gesetzesvorbehalt auf und verstärkt ihn für alle Freiheitsbeschränkungen, indem er neben der Forderung nach einem förmlichen Gesetz die Pflicht, die sich aus diesem Gesetz ergebenden Formvorschriften zu beachten, zum Verfassungsgebot erhebt (vgl.BVerfGE 10, 302 (323); 29, 183 (195); 58, 208 (220); 105, 239 (247) ). Verstöße gegen die durch Art. 104 GG gewährleisteten Voraussetzungen und Formen freiheitsbeschränkender Gesetze stellen daher stets auch eine Verletzung der Freiheit der Person dar (BVerfGE 10, 302 (323); 58, 208 (220); 65, 317 (321 f.)). Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze sind deshalb von den Gerichten so auszulegen und anzuwenden, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung entfalten (vgl.BVerfGE 65, 317 (322 f.); 96, 68 (97); 105, 239 (247)).
b) Das in § 116 Abs. 4 StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Mai 1993 - 1 Ws 456/93 -, StV 1993, S. 480 (481); OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207; KG, Beschluss vom 14. Oktober 1996 - 4 Ws 168/96 -, StraFo 1997, S. 27; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., 2005, § 116 Rn. 22; Boujong, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., 2003, § 116 Rn. 27; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116 Rn. 44), gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-)Garantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, StV 2006, S. 26 (27), 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (140) und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 15).
Ist ein Haftbefehl einmal unangefochten außer Vollzug gesetzt worden, so ist jede neue haftrechtliche Entscheidung, die den Wegfall der Haftverschonung zur Folge hat, nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 StPO möglich (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207). Der erneute Vollzug des Haftbefehls durch den Richter kommt nach Nr. 3 jener Vorschrift nur dann in Betracht, wenn neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 (280)). Dagegen kann eine lediglich andere Beurteilung des unverändert gebliebenen Sachverhalts einen Widerruf nicht rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, StV 2006, S. 26 (27), 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (140) und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 16; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 116 Rn. 44; Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1093).
2. "Neu" im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO sind nachträglich eingetretene oder nach Erlass des Aussetzungsbeschlusses bekannt gewordene Umstände nur dann, wenn sie die Gründe des Haftverschonungsbeschlusses in einem so wesentlichen Punkt erschüttern, dass keine Aussetzung bewilligt worden wäre, wenn sie bei der Entscheidung bereits bekannt gewesen wären (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207). Das maßgebliche Kriterium für den Widerruf besteht mit anderen Worten in einem Wegfall der Vertrauensgrundlage der Aussetzungsentscheidung (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ). Ob dies der Fall ist, erfordert vor dem Hintergrund der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) eine Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (vgl. hierzu auch OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513)).
Dabei sind die Grenzen, innerhalb derer eine Haftverschonung wegen neu hervorgetretener Umstände widerrufen werden kann, nach der einschlägigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte eng gesteckt (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493). Denn das Gericht ist an die Beurteilung der Umstände, auf denen die Aussetzung beruht, grundsätzlich gebunden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144 (145)). Lediglich eine nachträglich andere Beurteilung bei gleichbleibender Sachlage rechtfertigt den Widerruf nicht (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493). Vielmehr ist angesichts der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) die Schwelle für eine Widerrufsentscheidung grundsätzlich sehr hoch anzusetzen (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493). Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493) und das in ihn gesetzte Vertrauen (vgl. hierzu § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO), namentlich durch strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen, zu rechtfertigen (vgl. hierzu bereits Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (140 f.) und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 18).
3. Ein nach der Haftverschonung ergangenes (nicht rechtskräftiges) Urteil oder ein hoher Strafantrag der Staatsanwaltschaft können zwar geeignet sein, den Widerruf einer Haftverschonung und die Invollzugsetzung eines Haftbefehls zu rechtfertigen. Dies setzt jedoch voraus, dass von der Prognose des Haftrichters bezüglich der Straferwartung der Rechtsfolgenausspruch des Tatrichters oder die von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafe erheblich zum Nachteil des Angeklagten abweicht und sich die Fluchtgefahr dadurch ganz wesentlich erhöht (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, m.w.N.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207). Ob dies der Fall ist, ist durch Abwägung und Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513)). Die insoweit heranzuziehenden Umstände müssen sich jeweils auf die Haftgründe beziehen (vgl. näher Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116 Rn. 50). In Betracht kommen vor allem Fälle, in denen ein weiterer Haftgrund zu dem im Haftbefehl aufgeführten hinzutritt oder sich der dem Haftbefehl zugrunde liegende Haftgrund verschärft (vgl. Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1095).
Neu hervorgetretene Umstände können sich dagegen nicht auf den (dringenden) Tatverdacht beziehen (vgl. Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116 Rn. 50 m.w.N.). Dieser ist bereits Grundvoraussetzung für Erlass und Aufrechterhaltung jeden Haftbefehls (vgl. § 112 Abs. 1 StPO). Demgemäß ist ohne Bedeutung, dass sich der dem Haftbefehl oder der Anklage zugrunde gelegte dringende Tatverdacht aufgrund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung bestätigt hat und damit noch "dringender" geworden ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 27. Juli 1977 - 1 Ws 852/77 -, NJW 1978, S. 771 (772); OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144).
Der erneute Vollzug des Haftbefehls aufgrund von § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO kommt auch in Betracht, wenn ein Beschuldigter unerwartet streng verurteilt wird oder wenn sonstige (auch zeitlich vor dem Aussetzungsbeschluss entstandene) schwerwiegende Tatsachen nachträglich bekannt werden, die das Gericht, hätte es sie im Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung gekannt, zur Ablehnung der Haftverschonung veranlasst hätten (vgl. Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116 Rn. 50). War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, liegt kein Fall des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vor (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207: Sogar für den Fall einer lebenslangen Freiheitsstrafe; Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. November 1997 - 1 Ws 161/97 -, StV 1998, S. 31; Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; Beschluss vom 21. November 2001 - 1 AR 1438/01 - 3 Ws 609/01 -, ; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513); erst jüngst auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 (280)).
Vor dem Hintergrund, dass Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze so auszulegen und anzuwenden sind, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit angemessene Wirkung entfalten (vgl.BVerfGE 65, 317 (322 f.); 96, 68 (97); 105, 239 (247) ), fordert die Anwendung jener Norm nachvollziehbare Feststellungen dazu, von welcher Straferwartung der Beschuldigte im Zeitpunkt der Außervollzugsetzung des Haftbefehls ausging (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 30. Juni 1999 - 2 Ws 392/99 und 399/99 -, StraFo 1999, S. 322 f.). Bloße Mutmaßungen können insoweit nicht genügen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211 (212)). Selbst der Umstand, dass der um ein günstigeres Ergebnis bemühte Angeklagte infolge des Schlussantrages der Staatsanwaltschaft oder gar durch das Urteil selbst die Vergeblichkeit seiner Hoffnungen erkennen muss, kann einen Widerruf der Haftverschonung nicht rechtfertigen, sofern ihm die Möglichkeit eines für ihn ungünstigen Ausgangs während der Außervollzugsetzung des Haftbefehls stets vor Augen stand und er gleichwohl allen Auflagen beanstandungsfrei nachkam (vgl. Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1095; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513)). Insoweit setzt sich der vom Angeklagten auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand (vgl. § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO) als Ausprägung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung durch (vgl. bereits Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (141) und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 22).
4. Selbst wenn die Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vorliegen, bleibt infolge des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stets zu prüfen, ob statt einer Rücknahme der Haftverschonung nicht mildere Mittel der Verfahrenssicherung - namentlich eine Verschärfung der Auflagen - in Betracht kommen (vgl. Boujong, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., 2003, § 116 Rn. 32 a.E.).
II. Diesen sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ergebenden Anforderungen werden die angefochtenen Entscheidungen nicht gerecht. Weder das Landgericht noch das Oberlandesgericht haben in die von ihnen vorzunehmende Abwägung alle relevanten Gesichtspunkte mit dem ihnen von Verfassungs wegen zukommenden Gewicht einbezogen, die nach Lage der Dinge hätten einbezogen werden müssen. Vor allem haben sie nicht dargelegt, weshalb der Rechtsfolgenausspruch des Tatrichters vom 11. Mai 2007 von der Prognose des Haftrichters und dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft vom 9. Mai 2007 signifikant zum Nachteil des Beschwerdeführers abweicht und sich dadurch die Fluchtgefahr ganz wesentlich erhöht hat.
1. a) Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht haben den Widerruf der Außervollzugsetzung des Haftbefehls mit Beschluss vom 11. Mai 2007 in ihren Entscheidungen vom 30. Mai 2007 und 15. Juni 2007 im Wesentlichen damit begründet, dass mit der Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer (noch nicht rechtskräftigen) Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten ein neuer Umstand (§ 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO) eingetreten sei, der die Aufhebung der Außervollzugsetzung des Haftbefehls erforderlich mache, weil nunmehr die Gefahr, dass der Beschwerdeführer sich dem Verfahren entziehe, deutlich erhöht sei.
b) Damit haben beide Gerichte den oben beschriebenen verfassungsrechtlichen Rahmen des Widerrufs einer Haftverschonungsentscheidung (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG i.V.m. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG) verkannt. Sie haben einseitig auf die Höhe der ausgeurteilten Strafe abgestellt und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer durch das Befolgen der ihm erteilten Auflagen einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat und hierin grundsätzlich schutzwürdig ist, zu Unrecht nicht die ihm von Verfassungs wegen gebührende Bedeutung beigemessen. So haben sie im Ergebnis unberücksichtigt gelassen, dass der Beschwerdeführer nach der Haftverschonungsentscheidung über einen Zeitraum von acht Monaten hinweg Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren und das in ihn gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen und - wie sein gesamtes Verhalten während dieses Zeitraums zeigt - auch tatsächlich gerechtfertigt hat, obwohl er aufgrund der Schwere der ihm zur Last gelegten Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von vornherein mit einer mehrjährigen, einer Aussetzung zur Bewährung nicht mehr zugänglichen Freiheitsstrafe rechnen musste.
c) Auch der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in seinem Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 (280) ausdrücklich festgestellt, dass die mögliche Verurteilung als solche oder auch die Höhe einer zu erwartenden Strafe nicht als neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung des Angeklagten rechtfertigen, wenn schon bei der Aussetzungsentscheidung von der Möglichkeit der Verurteilung ausgegangen und für den Fall des Schuldnachweises mit einer erheblichen Freiheitsstrafe gerechnet worden war.
Nicht anders verhält es sich hier. Der Beschwerdeführer musste spätestens mit dem Erlass des Haftbefehls des Landgerichts am 2. Juni 2006 für den Fall eines Schuldnachweises - in den Worten des Landgerichts - "mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe" rechnen, "die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann". Mit Erhebung der Anklage zur Großen Strafkammer des Landgerichts am 27. November 2006 und nicht lediglich zum Schöffengericht, hatte sich die Wahrscheinlichkeit der Verurteilung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe nochmals deutlich erhöht. Erst recht gilt dies für den Zeitraum ab Erlass des Eröffnungsbeschlusses. Gleichwohl hat sich der Beschwerdeführer dem Verfahren weiter zur Verfügung gehalten und an allen Hauptverhandlungsterminen am 24. und 25. April sowie 4., 8., 9. und 11. Mai 2007 teilgenommen.
d) Besondere Bedeutung kommt insoweit dem Umstand zu, dass sich der Beschwerdeführer der Hauptverhandlung und Urteilsverkündung am 11. Mai 2007 gestellt hat, obwohl zuvor am 9. Mai 2007 die Staatsanwaltschaft in ihrem Schlussvortrag die Verhängung einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Vergewaltigung beantragt hatte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Risiko einer Bestrafung, das im Übrigen während des gesamten Verfahrens im Raum gestanden hatte, so sehr verdichtet, dass der Beschwerdeführer auf einen ihm günstigen Ausgang des Verfahrens nicht mehr vertrauen durfte. Mit der Teilnahme an der Urteilsverkündung hat der Beschwerdeführer daher für jedermann sichtbar dokumentiert, dass er sich dem Verfahren und einer gegebenenfalls drohenden Strafvollstreckung im Falle des Scheiterns der Revision unter allen Umständen zur Verfügung halten will (vgl. insoweit OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513) zu einer vergleichbaren Konstellation; siehe im Übrigen auch Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (142); Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 31). Weder das Landgericht noch das Oberlandesgericht haben dem die von Verfassungs wegen gebotene Bedeutung beigemessen. Im Gegenteil, ihre Ausführungen sind einzig und allein darauf gerichtet, den vom Beschwerdeführer auf der Grundlage von § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO gesetzten Vertrauenstatbestand zu negieren.
e) Allein der Umstand, dass der um ein günstigeres Ergebnis bemühte Angeklagte infolge des Schlussantrages der Staatsanwaltschaft oder gar durch das Urteil selbst die Vergeblichkeit seiner Hoffnungen erkennen muss, kann einen Widerruf der Haftverschonung nicht rechtfertigen, wenn ihm
- wie hier - die Möglichkeit eines für ihn ungünstigen Ausgangs während der Außervollzugsetzung des Haftbefehls stets vor Augen stand und er gleichwohl allen Auflagen beanstandungsfrei nachkam (vgl. Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1095; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513)). Insoweit setzt sich der vom Beschwerdeführer auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand (vgl. § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO) als Ausprägung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) durch (vgl. bereits Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (141) und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 32).
f) Der Beschwerdeführer ist weder unerwartet streng bestraft worden noch sind sonstige schwerwiegende Tatsachen nachträglich bekannt geworden. Er wurde am 11. Mai 2007 ausschließlich wegen derjenigen Taten verurteilt, die ihm bereits in den Haftbefehlen vom 19. Mai und 2. Juni 2006 sowie in der Anklageschrift vom 27. November 2006 zur Last gelegt wurden. Die Außervollzugsetzung des Haftbefehls ist auf Antrag der Staatsanwaltschaft in Kenntnis der Massivität der gegen den Beschwerdeführer bestehenden Vorwürfe erfolgt, obwohl die starken familiären Beziehungen des Beschwerdeführers in die Türkei und das dortige Vorhandensein einer mutmaßlich dem Sohn des Beschwerdeführers gehörenden Eigentumswohnung bekannt waren und von einem gesicherten wirtschaftlichen Einkommen des Beschwerdeführers auch in der Türkei bereits damals ausgegangen werden musste. Diese Umstände können dem Beschwerdeführer, sofern sich - wie hier - der Tatvorwurf nach der Außervollzugsetzung des Haftbefehls in keinem Punkt verändert hat und er allen Auflagen beanstandungsfrei nachgekommen ist, nicht als neu hervorgetretene Tatsachen im Sinne von § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO entgegengehalten werden.
g) Die angefochtenen Entscheidungen sind deshalb mit Bedeutung und Tragweite des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) nicht zu vereinbaren. Ob mildere Mittel der Verfahrenssicherung - namentliche eine Verschärfung der Auflagen - in Betracht kommen, haben weder das Landgericht noch das Oberlandesgericht geprüft. Auch dies verletzt das Grundrecht der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG).
2. Ohne jede Relevanz ist demgegenüber der Umstand, dass im Zeitpunkt der Außervollzugsetzung des Haftbefehls am 11. September 2006 die abschließende gutachterliche Stellungnahme zur Glaubwürdigkeit zur Aussage der Geschädigten noch nicht vorgelegen hat, sondern erst am 29. September 2006 erstellt wurde. Neu hervorgetretene Umstände können sich nicht auf den (dringenden) Tatverdacht beziehen (vgl. Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116 Rn. 50 m.w.N.). Dieser ist bereits Grundvoraussetzung für den Erlass und die Aufrechterhaltung jeden Haftbefehls (vgl. § 112 Abs. 1 StPO). Demgemäß ist ohne Bedeutung, dass sich der dem Haftbefehl oder der Anklage zugrunde gelegte dringende Tatverdacht aufgrund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung bestätigt hat und damit noch "dringender" geworden ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 27. Juli 1977 - 1 Ws 852/77 -, NJW 1978, S. 771 (772); OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144). Ungeachtet dessen drängt sich - jedenfalls vom Standpunkt des Landgerichts aus gesehen - die Frage auf, weshalb dieser Umstand dem Gericht nicht schon nach Eingang des Gutachtens im September 2006, sondern erst im Mai 2007 und damit über sieben Monate später Anlass zum Widerruf der Außervollzugsetzung des Haftbefehls gegeben hat.
3. Ohne jede Grundlage ist des Weiteren auch die Annahme des Oberlandesgerichts, der Beschwerdeführer habe ab der Außervollzugsetzung des Haftbefehls und seit Beginn der Hauptverhandlung nicht in gesteigertem Maße mit einer Verurteilung rechnen müssen oder doch zumindest auf eine Bewährungsstrafe vertrauen dürfen. Sowohl der Inhalt des Haftbefehls vom 2. Juni 2006 als auch der der Anklageschrift vom 27. November 2006, spätestens jedoch der Verlauf der Hauptverhandlung und der Antrag der Staatsanwaltschaft auf eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten stehen dem entgegen.
4. Untersuchungshaft ist keine antizipierte Strafhaft. Sie steht dieser weder in ihren Wirkungen noch in ihren Voraussetzungen gleich. Der Begünstigte einer Haftverschonungsentscheidung hat grundsätzlich Anspruch, die Rechtskraft des Urteils in Freiheit zu erwarten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 25). Diese verfassungsrechtliche Vorgabe ist auch für die Fachgerichte bindend; sie kann nicht unter Berufung auf eine wie auch immer geartete "richterliche Überzeugung" außer Kraft gesetzt werden.
III. 1. Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG durch den Widerruf der Außervollzugsetzung des Haftbefehls mit Beschluss des Landgerichts vom 11. Mai 2007, den Nichtabhilfebeschluss vom 30. Mai 2007 und die Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts vom 15. Juni 2007 festzustellen.
2. Der Beschluss des Oberlandesgerichts ist unter Zurückverweisung der Sache aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Das Oberlandesgericht hat unter Berücksichtigung der angeführten Gesichtspunkte, vor allem aber unter Beachtung des bereits im Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (140 f.) entwickelten und im Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 - Abs.-Nr. 14 ff. nochmals dargelegten Maßstabes erneut zu entscheiden. Liegen die Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO für einen Widerruf der Haftverschonung nicht vor, müssen die Beschlüsse des Landgerichts vom 11. Mai und 30. Mai 2007 aufgehoben und muss der Haftbefehl vom 2. Juni 2006 erneut außer Vollzug gesetzt werden. Der Beschwerdeführer ist in diesem Fall unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Allenfalls kann eine Verschärfung der Meldeauflagen in Betracht gezogen werden.
3. Angesichts der festgestellten Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG bedarf es keiner ausdrücklichen Entscheidung mehr, ob die angefochtenen Beschlüsse auch gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen. ..." (BVerfG, 2 BvR 1485/07 vom 15.8.2007, Absatz-Nr. (1 - 42), www.bverfg.de/entscheidungen/rk20070815_2bvr148507.html)
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?... Die Verfassungsbeschwerde betrifft den mittelbaren Widerruf eines Haftverschonungsbeschlusses durch Erlass eines neuen Haftbefehls wegen neu hervorgetretener Umstände im Sinne von § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO.
1. Dem Beschwerdeführer liegt zur Last, Einkommensteuern und Solidaritätszuschläge sowie Gewerbesteuern für die Veranlagungsjahre 1997 bis 2000 in Höhe von über 1,6 Mio. DM verkürzt zu haben. Gegen ihn wurde deshalb unter dem 1. Juli 2002 vom Amtsgericht Heidenheim ein auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützter Haftbefehl erlassen. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, der Beschwerdeführer sei spätestens im Sommer 1999 zusammen mit seiner Ehefrau nach Florida/USA übersiedelt. Gegenüber Zeugen habe er erklärt, dort seinen Altersruhesitz nehmen zu wollen. Nach seinen eigenen Angaben halte er sich spätestens seit Mitte 1999 in den Vereinigten Staaten auf. Das frühere Wohnhaus in S. habe er im Frühjahr 2000 veräußert. Bei seinen Aufenthalten in Deutschland nutze er eine angemietete Zwei-Zimmer-Wohnung.
2. Mit Beschluss vom 8. Juli 2002, geändert und ergänzt durch Beschluss vom 12. Juli 2002, setzte das Amtsgericht Heidenheim den Haftbefehl gegen Meldeauflagen, die Abgabe des Passes und die Hinterlegung einer Barkaution von 100.000 Euro und Erbringung einer Bankbürgschaft in Höhe von 250.000 Euro außer Vollzug. Über die Berechtigung der Steuerforderung ist ein Rechtsstreit beim Finanzgericht anhängig. Eine Entscheidung in der Hauptsache steht noch aus.
3. Nach Zustellung der Anklage im Juli 2004 erhob der Beschwerdeführer durch seinen Verteidiger Einwendungen. Am 18. März 2005 kam es zwischen den berufsmäßigen Mitgliedern der Strafkammer des Landgerichts, der Vertreterin der Staatsanwaltschaft, dem Verteidiger und dem Steuerberater des Beschwerdeführers zu einem Gespräch über eine absprachegemäße Erledigung der Strafsache. Dem Beschwerdeführer wurde eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt, wenn er eine Zahlung in Höhe von 1.000.000 DM (511.291,88 Euro) erbringe. Hiervon sollten 411.291,88 Euro auf die Steuerschuld und 100.000 Euro als Bewährungsauflage geleistet werden. Für den Fall, dass eine Verständigung nicht erzielt werden könne, stellte die Strafkammer gemäß der anwaltlichen Versicherung des Verteidigers ein Strafmaß in Höhe von dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe in Aussicht. Nach Rücksprache mit dem Beschwerdeführer stimmte der Verteidiger dieser Vereinbarung grundsätzlich zu. Im weiteren Verlauf stellte sich jedoch heraus, dass die Staatsanwaltschaft davon ausgegangen war, dass die 1.000.000 DM vom Beschwerdeführer zusätzlich - unabhängig von den bereits durch die Finanzbehörden beschlagnahmten Vermögenswerten - zu leisten seien. Hierzu war der Beschwerdeführer nicht imstande. Zugleich bestritt er die Behauptung der Finanzbehörden, noch über weiteres Vermögen in den USA zu verfügen. Eine Einigung kam nicht zustande.
4. Stattdessen fand nach Ergänzung der Anklage um den Veranlagungszeitraum 2000 - 2001 in der Zeit vom 20. September 2005 bis zum 18. Oktober 2006 das Hauptverfahren gegen den Beschwerdeführer statt, das sich auf insgesamt 32 Verhandlungstage erstreckte. Mit Beschluss vom 16. März 2006 hob das Landgericht die Meldeauflagen auf. Am 5. Oktober 2006 beantragte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft die Verhängung einer Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen Steuerhinterziehung. Der Verteidiger beantragte Freispruch.
5. Am 18. Oktober 2006 wurde der Beschwerdeführer vom Landgericht wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Anschließend begab er sich wieder in seine Wohnung nach N. zurück. Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt.
6. Unter dem 19. Oktober 2006 erließ das Landgericht einen neuen, auf den Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) gestützten Haftbefehl, der noch am gleichen Tage in der Wohnung des Beschwerdeführers vollstreckt wurde. Zur Begründung führte das Landgericht aus, der Beschwerdeführer habe bis zum Ende der Hauptverhandlung daran geglaubt, dass der Nachweis der vorsätzlichen Steuerhinterziehung nicht erbracht werden könne. Nunmehr sehe er sich einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren gegenüber. Er müsse befürchten, dass das Urteil rechtskräftig werde und er die Haftstrafe auch werde verbüßen müssen. Unabhängig hiervon habe er damit zu rechnen, dass er in den streitigen finanzgerichtlichen Verfahren, in denen es ebenfalls um die den Gegenstand des Steuerstrafverfahrens bildenden Forderungen gehe, unterliege und die Finanzbehörden auf seine verbliebenen, bereits in Beschlag genommenen inländischen Vermögenswerte endgültig Zugriff nähmen. Schon daraus ergebe sich ein sehr hoher Fluchtanreiz. Außerdem habe der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz auf Dauer nach Florida verlegt, um dort seinen Lebensabend zu verbringen. Seine Ehefrau lebe bereits dort. Die hiesige Geschäftstätigkeit habe er eingestellt und die Geschäfte auf seine Kinder übertragen. Diese könnten ihn und seine Frau jederzeit in Amerika besuchen. Nicht zuletzt befinde sich das ihm verbliebene oder an seine Ehefrau abgetretene Vermögen bereits in den Vereinigten Staaten. Angesichts dieser Umstände liege nichts näher als die Annahme, dass es der Beschwerdeführer im Zweifel vorziehen werde, sich in seine neue Heimat abzusetzen, um sich so seiner strafrechtlichen und sonstigen Inanspruchnahme zu entziehen. Um dies zu verhindern, bedürfe es der Anordnung und des Vollzuges der Untersuchungshaft. Mildere Maßnahmen reichten zur Sicherung der Verfahrensdurchführung nicht aus. Der hiergegen gerichteten Haftbeschwerde half das Landgericht mit Beschluss vom 26. Oktober 2006 nicht ab.
7. Mit Beschluss vom 3. November 2006 verwarf das Oberlandesgericht die auch bereits mit einer Verletzung von Grundrechten begründete Haftbeschwerde als unbegründet. Durch die Verkündung des Urteils habe sich für den Beschwerdeführer die Gefahr der Strafverbüßung wesentlich erhöht. Bis dahin habe er darauf hoffen können, dass die Strafkammer zu einem für ihn günstigen Beweisergebnis gelange. Dass der Beschwerdeführer dies auch tatsächlich erhofft habe, ergebe sich aus dem auf Freispruch lautenden Antrag im Plädoyer seines Verteidigers, dem er sich in seinem letzten Wort angeschlossen habe. Die Verurteilung stelle einen neu hervorgetretenen Umstand dar, der die (nach Außervollzugsetzung des früheren Haftbefehls des Amtsgerichts Heidenheim vom 1. Juli 2002 nunmehr erneute) Verhaftung des Beschwerdeführers erforderlich mache (§ 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO). Auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich in den Stunden nach der Urteilsverkündung in seine Wohnung in N. begeben habe und nicht sofort geflohen sei, stehe der Annahme von Fluchtgefahr nicht entgegen. Nachdem er anlässlich der Urteilsverkündung nicht verhaftet worden sei, habe er damit rechnen können, für eine zu planende Flucht noch mehrere Wochen Zeit zu haben. Zudem habe der Beschwerdeführer bereits im Februar 2000 sein Wohnhaus in S. verkauft, seinen Hausrat nach Florida verschiffen lassen und zuvor im Oktober 1999 seine Mitgliedschaft im "Bund der Steuerzahler" und im "Europaverband für Selbstständige" gekündigt, um seinen Ruhestand in den USA zu verbringen. Für den Aufenthalt in Deutschland stehe ihm und seiner Frau lediglich eine angemietete Wohnung in N. zur Verfügung. Mildere Maßnahmen als der Vollzug von Untersuchungshaft seien nicht geeignet, der Fluchtgefahr in ausreichendem Maße entgegenzuwirken. ...
1. a) In die materielle Freiheitsgarantie des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG darf nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen eingegriffen werden (Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG). Die formellen Gewährleistungen des Art. 104 GG stehen mit der materiellen Freiheitsgarantie des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in einem unlösbaren Zusammenhang (vgl.BVerfGE 10, 302 (322); 58, 208 (220); 105, 239 (247) ). Art. 104 Abs. 1 GG nimmt den schon in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG enthaltenen Gesetzesvorbehalt auf und verstärkt ihn für alle Freiheitsbeschränkungen, indem er neben der Forderung nach einem förmlichen Gesetz die Pflicht, die sich aus diesem Gesetz ergebenden Formvorschriften zu beachten, zum Verfassungsgebot erhebt (vgl.BVerfGE 10, 302 (323); 29, 183 (195); 58, 208 (220); 105, 239 (247) ). Verstöße gegen die durch Art. 104 GG gewährleisteten Voraussetzungen und Formen freiheitsbeschränkender Gesetze stellen daher stets auch eine Verletzung der Freiheit der Person dar (BVerfGE 10, 302 (323); 58, 208 (220); 65, 317 (321 f.)). Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze sind deshalb von den Gerichten so auszulegen und anzuwenden, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung entfalten (vgl.BVerfGE 65, 317 (322 f.); 96, 68 (97); 105, 239 (247)).
b) Das in § 116 Abs. 4 StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Mai 1993 - 1 Ws 456/93 -, StV 1993, S. 480 (481); OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207; KG, Beschluss vom 14. Oktober 1996 - 4 Ws 168/96 -, StraFo 1997, S. 27; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., 2005, § 116 Rn. 22; Boujong, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., 2003, § 116 Rn. 27; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116 Rn. 44), gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-)Garantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, StV 2006, S. 26 (27) und vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (140)).
Ist ein Haftbefehl einmal unangefochten außer Vollzug gesetzt worden, so ist jede neue haftrechtliche Entscheidung, die den Wegfall der Haftverschonung zur Folge hat, nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 StPO möglich (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207). Der erneute Vollzug des Haftbefehls durch den Richter kommt nach Nr. 3 jener Vorschrift nur dann in Betracht, wenn neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 (280)). Dagegen kann eine lediglich andere Beurteilung des unverändert gebliebenen Sachverhalts einen Widerruf nicht rechtfertigen (vgl. Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, StV 2006, S. 26 (27) und vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (140); OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 116 Rn. 44; Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1093).
2. "Neu" im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO sind nachträglich eingetretene oder nach Erlass des Aussetzungsbeschlusses bekannt gewordene Umstände nur dann, wenn sie die Gründe des Haftverschonungsbeschlusses in einem so wesentlichen Punkt erschüttern, dass keine Aussetzung bewilligt worden wäre, wenn sie bei der Entscheidung bereits bekannt gewesen wären (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000- 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207). Das maßgebliche Kriterium für den Widerruf besteht mit anderen Worten in einem Wegfall der Vertrauensgrundlage der Aussetzungsentscheidung (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ). Ob dies der Fall ist, erfordert vor dem Hintergrund der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) eine Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (vgl. hierzu auch OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513)).
Dabei sind die Grenzen, innerhalb derer eine Haftverschonung wegen neu hervorgetretener Umstände widerrufen werden kann, nach der einschlägigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte eng gesteckt (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493). Denn das Gericht ist an seine Beurteilung der Umstände, auf denen die Aussetzung beruht, grundsätzlich gebunden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144 (145)). Lediglich eine nachträglich andere Beurteilung bei gleichbleibender Sachlage rechtfertigt den Widerruf nicht (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493). Vielmehr ist angesichts der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) die Schwelle für eine Widerrufsentscheidung grundsätzlich sehr hoch anzusetzen (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493). Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493) und das in ihn gesetzte Vertrauen (vgl. hierzu § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO), namentlich durch strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen, zu rechtfertigen (vgl. hierzu bereits Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (140 f.)).
3. Ein nach der Haftverschonung ergangenes (nicht rechtskräftiges) Urteil oder ein hoher Strafantrag der Staatsanwaltschaft können zwar durchaus geeignet sein, den Widerruf einer Haftverschonung und die Invollzugsetzung eines Haftbefehls zu rechtfertigen. Dies setzt jedoch voraus, dass von der Prognose des Haftrichters bezüglich der Straferwartung der Rechtsfolgenausspruch des Tatrichters oder die von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafe erheblich zum Nachteil des Angeklagten abweicht und sich die Fluchtgefahr dadurch ganz wesentlich erhöht (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - m.w.N. ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207). Ob dies der Fall ist, ist durch Abwägung und Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513)). Die insoweit heranzuziehenden Umstände müssen sich jeweils auf die Haftgründe beziehen (vgl. näher Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116 Rn. 50). In Betracht kommen vor allem Fälle, in denen ein weiterer Haftgrund zu dem im Haftbefehl aufgeführten hinzutritt oder sich der dem Haftbefehl zugrunde liegende Haftgrund verschärft (vgl. Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1095).
Neu hervorgetretene Umstände können sich dagegen nicht auf den (dringenden) Tatverdacht beziehen (vgl. Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116 Rn. 50 m.w.N.). Dieser ist bereits Grundvoraussetzung für Erlass und Aufrechterhaltung jeden Haftbefehls (vgl. § 112 Abs. 1 StPO). Demgemäß ist ohne Bedeutung, dass sich der dem Haftbefehl oder der Anklage zugrunde gelegte dringende Tatverdacht auf Grund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung bestätigt hat und damit noch "dringender" geworden ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 27. Juli 1977 - 1 Ws 852/77 -, NJW 1978, S. 771 (772); OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144).
Der erneute Vollzug des Haftbefehls auf Grund von § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO kommt auch in Betracht, wenn ein Beschuldigter unerwartet streng verurteilt wird oder wenn sonstige (auch zeitlich vor dem Aussetzungsbeschluss entstandene) schwerwiegende Tatsachen nachträglich bekannt werden, die das Gericht, hätte es sie im Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung gekannt, zur Ablehnung der Haftverschonung veranlasst hätten (vgl. Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116 Rn. 50). War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, so liegt kein Fall des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vor (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207: sogar für den Fall einer lebenslangen Freiheitsstrafe; Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. November 1997 - 1 Ws 161/97 -, StV 1998, S. 31; Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; Beschluss vom 21. November 2001 - 1 AR 1438/01 - 3 Ws 609/01 - ; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513); erst jüngst auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 (280)).
Vor dem Hintergrund, dass Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze so auszulegen und anzuwenden sind, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit angemessene Wirkung entfalten (vgl.BVerfGE 65, 317 (322 f.); 96, 68 (97); 105, 239 (247) ), fordert die Anwendung jener Norm nachvollziehbare Feststellungen dazu, von welcher Straferwartung der Beschuldigte im Zeitpunkt der Außervollzugsetzung des Haftbefehls ausging (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 30. Juni 1999 - 2 Ws 392/99 und 399/99 -, StraFo 1999, S. 322 f.). Bloße Mutmaßungen können insoweit nicht genügen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211 (212)). Selbst der Umstand, dass der um ein günstigeres Ergebnis bemühte Angeklagte infolge des Schlussantrags der Staatsanwaltschaft oder gar durch das Urteil selbst die Vergeblichkeit seiner Hoffnungen erkennen muss, kann einen Widerruf der Haftverschonung nicht rechtfertigen, sofern ihm die Möglichkeit eines für ihn ungünstigen Ausgangs während der Außervollzugsetzung des Haftbefehls stets vor Augen stand und er gleichwohl allen Auflagen beanstandungsfrei nachkam (vgl. Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1095; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513)). Insoweit setzt sich der vom Angeklagten auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand (vgl. § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO) als Ausprägung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung durch (vgl. bereits Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (141)).
4. Selbst wenn die Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vorliegen, bleibt infolge des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stets zu prüfen, ob statt einer Rücknahme der Haftverschonung nicht mildere Mittel der Verfahrenssicherung - namentlich eine Verschärfung der Auflagen - in Betracht kommen (vgl. Boujong, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., 2003, § 116 Rn. 32 a.E.).
II. Diesen sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ergebenden Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht. Weder das Landgericht noch das Oberlandesgericht haben dargelegt, dass der Rechtsfolgenausspruch des Tatrichters vom 18. Oktober 2006 von der Prognose des Haftrichters oder dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft vom 5. Oktober 2006 zum Nachteil des Beschwerdeführers abweicht und sich dadurch die Fluchtgefahr ganz wesentlich erhöht hat.
1. Das Landgericht hat sich mit den Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO erst gar nicht befasst. Die Widerrufsvoraussetzungen einer Haftverschonungsentscheidung können jedoch nicht dadurch umgangen werden, dass kurzerhand ein neuer Haftbefehl erlassen wird, ohne den oben beschriebenen verfassungsrechtlichen Rahmen zu beachten. Ein solches Vorgehen verletzt das Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) des Beschwerdeführers. Untersuchungshaft ist keine antizipierte Strafhaft. Sie steht dieser weder in ihren Wirkungen noch in ihren Voraussetzungen gleich. Der Begünstigte einer Haftverschonungsentscheidung hat grundsätzlich Anspruch, die Rechtskraft des Urteils in Freiheit zu erwarten.
2. a) Das Oberlandesgericht hat die erneute Anordnung von Untersuchungshaft in seinem Beschluss vom 3. November 2006 allein damit begründet, dass mit der Verurteilung zu einer (noch nicht rechtskräftigen) Freiheitsstrafe von drei Jahren ein neuer Umstand (§ 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO) eingetreten sei, der die - erneute - Verhaftung des Beschwerdeführers erforderlich mache, weil nunmehr die Gefahr, dass er sich dem Verfahren entziehe, deutlich erhöht sei.
b) Damit ist das Oberlandesgericht dem oben beschriebenen verfassungsrechtlichen Rahmen des Widerrufs einer Haftverschonungsentscheidung nicht gerecht geworden. Es hat einseitig auf die Höhe der ausgeurteilten Strafe abgestellt und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer durch das Befolgen der ihm erteilten Auflagen einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat und hierin grundsätzlich schutzwürdig ist, zu Unrecht keine Bedeutung beigemessen. So hat es unberücksichtigt gelassen, dass der Beschwerdeführer nach der Haftverschonungsentscheidung des Amtsgerichts vom 12. Juli 2002 über vier Jahre hinweg Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren und das in ihn gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen und - wie sein gesamtes Verhalten während dieses Zeitraums zeigt - auch tatsächlich gerechtfertigt hat.
Auch der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in seinem Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 (280) ausdrücklich festgestellt, dass die mögliche Verurteilung als solche oder auch die Höhe einer zu erwartenden Strafe nicht als neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung des Angeklagten rechtfertigen, wenn schon bei der Aussetzungsentscheidung von der Möglichkeit der Verurteilung ausgegangen und für den Fall des Schuldnachweises mit einer erheblichen Freiheitsstrafe gerechnet worden war.
Der Beschwerdeführer musste spätestens nach dem Scheitern einer absprachegemäßen Erledigung der Strafsache im März 2005 von der Verhängung einer mehrjährigen - nach der anwaltlichen Versicherung seines Verteidigers dreieinhalbjährigen - Freiheitsstrafe ausgehen. Gleichwohl hat er sich dem Verfahren weiter zur Verfügung gehalten und an allen 32 Hauptverhandlungstagen teilgenommen. Nicht zuletzt auf Grund dieses Verhaltens hat das Landgericht mit Beschluss vom 16. März 2006 sämtliche Meldeauflagen aufgehoben. Auch mit der dadurch eingetretenen Verdichtung des vom Beschwerdeführer gesetzten Vertrauenstatbestandes hat sich das Oberlandesgericht nicht auseinander gesetzt.
Von Bedeutung ist des Weiteren, dass der Beschwerdeführer an der Hauptverhandlung und Urteilsverkündung vom 18. Oktober 2006 weiter teilgenommen hat, obwohl zuvor am 5. Oktober 2006 die Staatsanwaltschaft in ihrem Schlussvortrag die Verhängung einer Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen Steuerhinterziehung beantragt hatte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Risiko einer Bestrafung für den die Vorwürfe bestreitenden, aus seiner Sicht also einen Freispruch erwartenden, Beschwerdeführer deutlich erhöht. Auch hierauf ist das Oberlandesgericht nicht eingegangen.
Mit seiner Teilnahme an der Urteilsverkündung hat der Beschwerdeführer für jedermann sichtbar dokumentiert, dass er sich dem Verfahren und einer gegebenenfalls drohenden Strafvollstreckung im Falle des Scheiterns der Revision zur Verfügung halten will (vgl. insoweit OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513) zu einer vergleichbaren Konstellation; siehe im Übrigen auch Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (142)).
Allein der Umstand, dass der um ein günstigeres Ergebnis bemühte Angeklagte infolge des Schlussantrages der Staatsanwaltschaft oder gar durch das Urteil selbst die Vergeblichkeit seiner Hoffnungen erkennen muss, kann einen Widerruf der Haftverschonung nicht rechtfertigen, wenn ihm - wie hier - die Möglichkeit eines für ihn ungünstigen Ausgangs während der Außervollzugsetzung des Haftbefehls stets vor Augen stand und er gleichwohl allen Auflagen beanstandungsfrei nachkam (vgl. Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1095; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 (513)). Insoweit setzt sich der vom Beschwerdeführer auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand (vgl. § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO) als Ausprägung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) durch (vgl. bereits Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (141)). Der Beschwerdeführer ist weder unerwartet streng bestraft worden noch sind sonstige schwerwiegende Tatsachen nachträglich bekannt geworden.
c) Auch soweit das Oberlandesgericht eine Erhöhung des Fluchtanreizes damit zu begründen versucht, dass der Beschwerdeführer im Oktober 1999 seine Mitgliedschaft beim "Bund der Steuerzahler" wie auch im "Europaverband für Selbstständige" gekündigt und am 25. Februar 2000 sein Wohnhaus in S. verkauft und seinen Hausrat in die Vereinigten Staaten verbracht habe, um dort seinen Altersruhesitz zu begründen, und ihm für seinen Aufenthalt in Deutschland lediglich eine angemietete Wohnung zur Verfügung stehe, kann ihm nicht gefolgt werden. Diese Umstände rühren aus einem Zeitraum deutlich vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens im Frühjahr 2002 her. Die Außervollzugsetzung des Haftbefehls des Amtsgerichts vom 1. Juli 2002 ist in Kenntnis dieser Umstände erfolgt.
III. Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG durch den Haftbefehl des Landgerichts vom 19. Oktober 2006, den Nichtabhilfebeschluss vom 26. Oktober 2006 und die Haftfortdauerentscheidung des Oberlandesgerichts vom 3. November 2006 festzustellen.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts ist unter Zurückverweisung der Sache aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Das Oberlandesgericht hat unter Berücksichtigung der angeführten Gesichtspunkte, vor allem aber unter Beachtung des bereits im Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (140 f.) entwickelten und hier nochmals dargelegten Maßstabes (vgl. oben unter B. I. 1. bis 4.) erneut zu entscheiden. Liegen die Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO für einen Widerruf der Haftverschonung nicht vor, wovon nach gegenwärtigem Erkenntnisstand auszugehen ist, muss der Haftbefehl des Landgerichts vom 19. Oktober 2006 aufgehoben und der Beschwerdeführer unverzüglich aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Allenfalls kann eine Wiederherstellung der mit Beschluss des Landgerichts vom 16. März 2006 ausgesetzten Meldeauflagen in Betracht kommen.
Angesichts der festgestellten Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG bedarf keiner Entscheidung mehr, ob die angegriffenen Beschlüsse auch gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen. ..." (BVerfG, 2 BvR 2342/06 vom 29.11.2006, Absatz-Nr. (1 - 38), www.BVerfG.de/entscheidungen/rk20061129_2bvr234206.html)
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?... Das in § 116 Abs. 4 StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzugs eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben, gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-)Garantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht. ?Neu' im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO sind nachträglich eingetretene oder nach Erlass des Aussetzungsbeschlusses bekannt gewordene Umstände nur dann, wenn sie die Gründe des Haftverschonungsbeschlusses in einem so wesentlichen Punkt erschüttern, dass keine Aussetzung bewilligt worden wäre, wenn sie bei der Entscheidung bereits bekannt gewesen wären. Angesichts der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) ist die Schwelle für eine Widerrufsentscheidung grundsätzlich sehr hoch anzusetzen. Ein nach der Haftverschonung ergangenes (nicht rechtskräftiges) Urteil oder ein hoher Strafantrag der Staatsanwaltschaft können zwar durchaus geeignet sein, den Widerruf einer Haftverschonung und die Invollzugsetzung eines Haftbefehls zu rechtfertigen. Dies setzt jedoch voraus, dass von der Prognose des Haftrichters bezüglich der Straferwartung der Rechtsfolgenausspruch des Tatrichters oder die von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafe erheblich zum Nachteil des Angeklagten abweicht und sich die Fluchtgefahr dadurch ganz wesentlich erhöht. ..." (BVerfG im Fall El Motassadeq).
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Das in § 116 IV StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzugs eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben, gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-)Garantien, deren Beachtung Art. 104 I 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht. Ist ein Haftbefehl einmal unangefochten außer Vollzug gesetzt worden, so ist jede neue haftrechtliche Entscheidung, die den Wegfall der Haftverschonung zur Folge hat, nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 116 IV StPO möglich. Der erneute Vollzug des Haftbefehls durch den Richter kommt nach Nr. 3 jener Vorschrift nur dann in Betracht, wenn neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen. Dagegen kann eine lediglich andere Beurteilung des unverändert gebliebenen Sachverhalts einen Widerruf nicht rechtfertigen. ?Neu" i.S. des § 116 IV Nr. 3 StPO sind nachträglich eingetretene oder nach Erlass des Aussetzungsbeschlusses bekannt gewordene Umstände nur dann, wenn sie die Gründe des Haftverschonungsbeschlusses in einem so wesentlichen Punkt erschüttern, dass keine Aussetzung bewilligt worden wäre, wenn sie bei der Entscheidung bereits bekannt gewesen wären. Das maßgebliche Kriterium für den Widerruf besteht mit anderen Worten in einem Wegfall der Vertrauensgrundlage der Aussetzungsentscheidung. Ob dies der Fall ist, erfordert vor dem Hintergrund der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 II 2 GG) eine Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Die Grenzen, innerhalb derer eine Haftverschonung wegen neu hervorgetretener Umstände widerrufen werden kann, sind nach der einschlägigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte eng gesteckt. Denn das Gericht ist an seine Beurteilung der Umstände, auf denen die Aussetzung beruht, grundsätzlich gebunden. Lediglich eine nachträglich andere Beurteilung bei gleichbleibender Sachlage rechtfertigt den Widerruf nicht. Vielmehr ist angesichts der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 II 2 GG) die Schwelle für eine Widerrufsentscheidung grundsätzlich sehr hoch anzusetzen. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren und das in ihn gesetzte Vertrauen (vgl. hierzu § 116 IV Nr. 2 StPO), namentlich durch strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen, zu rechtfertigen. Ein nach der Haftverschonung ergangenes (nicht rechtskräftiges) Urteil oder ein hoher Strafantrag der Staatsanwaltschaft können zwar durchaus geeignet sein, den Widerruf einer Haftverschonung und die Invollzugsetzung eines Haftbefehls zu rechtfertigen. Dies setzt jedoch voraus, dass von der Prognose des Haftrichters bezüglich der Straferwartung der Rechtsfolgenausspruch des Tatrichters oder die von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafe erheblich zum Nachteil des Angeklagten abweicht und sich die Fluchtgefahr dadurch ganz wesentlich erhöht. Ob dies der Fall ist, ist durch Abwägung und Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Die insoweit heranzuziehenden Umstände müssen sich jeweils auf die Haftgründe beziehen. In Betracht kommen vor allem Fälle, in denen ein weiterer Haftgrund zu dem im Haftbefehl aufgeführten hinzutritt oder sich der dem Haftbefehl zugrundeliegende Haftgrund verschärft. Der erneute Vollzug des Haftbefehls auf Grund von § 116 IV Nr. 3 StPO kommt auch in Betracht, wenn ein Beschuldigter unerwartet streng verurteilt wird oder wenn sonstige (auch zeitlich vor dem Aussetzungsbeschluss entstandene) schwerwiegende Tatsachen nachträglich bekannt werden, die das Gericht, hätte es sie im Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung gekannt, zur Ablehnung der Haftverschonung veranlasst hätten. War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, so liegt kein Fall des § 116 IV Nr. 3 StPO vor. Selbst wenn die Voraussetzungen des § 116 IV Nr. 3 StPO vorliegen, bleibt infolge des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stets zu prüfen, ob statt einer Rücknahme der Haftverschonung nicht mildere Mittel der Verfahrenssicherung - namentlich eine Verschärfung der Auflagen - in Betracht kommen (BVerfG, Beschluss vom 01.02.2006 - 2 BvR 2056/05).
Die aus Art. 2 II 2 GG (Freiheit der Person) ableitbaren verfassungsrechtlichen Vorgaben gelten nicht nur für den vollstreckten Haftbefehl. Sie sind darüber hinaus auch für einen außer Vollzug gesetzten Haftbefehl (§ 116 StPO) von Bedeutung. Beschränkungen, denen der Beschuldigte durch Auflagen und Weisungen nach § 116 StPO ausgesetzt ist, dürfen nicht länger dauern, als es nach den Umständen erforderlich ist. Denn auch dann, wenn U-Haft nicht vollzogen wird, kann allein schon die Existenz eines Haftbefehls für den Beschuldigten eine erhebliche Belastung darstellen, weil sich mit ihm regelmäßig die Furcht vor einem (erneuten) Vollzug verbindet. Unabhängig von der Höhe einer zu erwartenden Strafe ist auch ein außer Vollzug gesetzter Haftbefehl aufzuheben, wenn in Folge einer vom Beschuldigten nicht zu vertretenden Verletzung des Beschleunigungsgebots das Verfahren bereits längere Zeit nicht gefördert wurde und darüber hinaus ungewiss ist, wann das Hauptsacheverfahren (neu) eröffnet und Termin zur Hauptverhandlung anberaumt werden kann. Bevorstehende, aber schon jetzt absehbare Verfahrensverzögerungen von völlig ungewisser Dauer sind wegen der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 II 2 GG) nicht anders zu behandeln als bereits eingetretene. Bei der Entscheidung über die Aufrechterhaltung eines außer Vollzug gesetzten Untersuchungshaftbefehls bei ungewissem Verfahrensfortgang sind etwa die Dauer einer vorher vollzogenen U-Haft (hier: 1 Jahr), die Anzahl der bereits (weitgehend nutzlos) durchgeführten Hauptverhandlungstage (hier: 44) und die für den Fall eines Tat- und Schuldnachweises im Raum stehende Straferwartung in die Abwägung einzubeziehen. Der inhaftierte Beschuldigte hat es nicht zu vertreten, wenn seine Strafsache nicht binnen angemessener Frist zum Abschluss gebracht werden kann, weil familiär bedingte personelle Veränderungen auf der Richterbank (hier: Schwangerschaft einer Beisitzerin) mit einer ordnungsgemäßen Bewältigung des Geschäftsanfalls in Haftsachen kollidieren. Bei der Entscheidung über die Aufrechterhaltung eines Haftbefehls ist deshalb in diesem Zusammenhang aufzuklären, warum der Einsatz eines Ergänzungsrichters nicht in Betracht kam und ob der Abbruch der Hauptverhandlung durch einen überobligationsmäßigen Einsatz der Richterbank, etwa durch zusätzliche Verhandlungstermine in den Abendstunden oder gegebenenfalls auch am Wochenende (samstags), hätte vermieden werden können. Wird die Entscheidung, einen außer Vollzug gesetzten Haftbefehl nicht aufzuheben, damit begründet, der Beschuldigte habe es in Folge seines extensiven Prozessverhaltens selbst zu vertreten, dass sein Verfahren nicht in angemessener Zeit habe abgeschlossen werden können, so muss das Gericht darlegen, dass die Verteidiger des Beschuldigten die Möglichkeiten der StPO in einer Weise genutzt haben, die mit der Wahrnehmung ihrer Aufgabe, den Beschuldigten vor einem materiellen Fehlurteil oder (auch nur) einem prozessordnungswidrigen Verhalten zu schützen, nicht mehr zu erklären ist. Sind Beginn, Dauer und Beendigung eines Verfahrens gegenwärtig in keiner Weise konkret absehbar, so ist dies bei der gebotenen Abwägung zwischen dem Interesse der Rechtspflege an der Aufrechterhaltung des Haftbefehls und den nach § 116 StPO erteilten Weisungen mit dem Freiheitsrecht des Beschuldigten nicht mehr hinnehmbar und muss zur Aufhebung des Haftbefehls und des Aussetzungsbeschlusses führen. Die Überlastung eines Gerichts fällt - anders als unvorhersehbare Zufälle und schicksalhafte Ereignisse - in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft. Der Staat kann sich dem Beschuldigten gegenüber nicht darauf berufen, dass er seine Gerichte nicht so ausstattet, wie es erforderlich ist, um die anstehenden Verfahren ohne vermeidbare Verzögerung abzuschließen. Hilft der Staat der Überlastung der Gerichte nicht ab, so muss er es hinnehmen und gegebenenfalls auch seinen Bürgerinnen und Bürgern erklären, dass mutmaßliche Straftäter auf freien Fuß kommen, sich der Strafverfolgung und Aburteilung entziehen oder erneut Straftaten von erheblichem Gewicht begehen (BVerfG, Beschluß vom 29.11.2005 - 2 BvR 1737/05)
*** (OLG)
In der Anordnung zusätzlicher Auflagen bei einem außer Vollzug gesetzten Haftbefehl liegt sachlich eine Entscheidung nach § 116 Abs. 4 StPO, die nur unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig ist, wenn sie faktisch eine Invollzugsetzung des Haftbefehls bedeutet (hier: nachträgliche Anordnung einer zusätzlichen Sicherheitsleistung in Höhe von 250 000 ?; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 24.03.2010 - 1 Ws 38/10).
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Ist ein Haftbefehl einmal unangefochten außer Vollzug gesetzt worden, so ist jede neue haftrechtliche Entscheidung, die den Wegfall der Haftverschonung zur Folge hat, nur unter den einschränkenden Voraussetzungen von § 116 Abs. 4 StPO möglich. Dies gilt anerkanntermaßen auch für den Fall, daß ein außer Vollzug gesetzter Haftbefehl aufgehoben und durch einen neuen ersetzt wird. Die Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls bzw. der Neuerlaß kommt daher nur dann in Betracht, wenn der Angeklagte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwider gehandelt oder Anstalten zur Flucht getroffen hat, wenn er auf ordnungsgemäße Ladungen ohne Entschuldigung ausbleibt oder wenn andere Umstände ergeben, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder wenn schließlich neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen (OLG Dresden, Beschluss vom 24.08.2009 - 3 Ss 214/09 zu StPO §§ 112 Abs. 2 Nr. 2, 116 Abs. 4).
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Eine ?Ausgangssperre' und das Verbot des Führens von Kfz können nach den Umständen des Einzelfalles zur Ausräumung von Wiederholungsgefahr (hier: Körperverletzungsdelikte) geeignet sein und als Haftverschonungsauflage erteilt werden (OLG Köln, Beschluss vom 04.08.2009 - 41 HEs 18/09 - 68 zu StPO §§ 112 Abs. 2 Nr. 2, 112a, 116 Abs. 1 u. 3).
***
Das Recht der Untersuchungshaft enthält keine eigenständige Regelung zum Begriff und zu den Folgen einer Haftunfähigkeit. In entsprechender Anwendung der in § 455 Abs. 4 StPO aufgestellten Grundsätze ist der Vollzug der Untersuchungshaft nicht zulässig, wenn er wahrscheinlich zu einer konkreten Lebensgefährdung oder zu erheblichen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen bei dem Untersuchungsgefangenen führen kann. Soweit sich eine medizinische Betreuung als notwendig erweist, kann diese in der Haft erfolgen. Es bedarf im Einzelfall einer Abwägung zwischen den Belangen des Beschuldigten sowie den staatlichen Interessen, wie sie in den jeweiligen Haftgründen ihren Ausdruck finden (OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.12.2005 - 1 Ws 1348/05, StV 2006, 314 f).
Hebt das Gericht einen außer Vollzug gesetzten Haftbefehl auf und erläßt es zugleich einen neuen zu vollziehenden Haftbefehl, so bedeutet dies der Sache nach den Widerruf der Haftverschonung, was nur unter den in § 116 Abs. 4 Nr. 1 - 3 StPO genannten Voraussetzungen zulässig ist. Ein neu hervorgetretener Umstand, der die Verhaftung erforderlich macht, liegt vor, wenn er die Gründe des Haftverschonungsbeschlusses. in einem wesentlichen Punkt erschüttert und den Richter bewogen hätte, keine Aussetzung zu bewilligen, wenn er ihn bei seiner Entscheidung schon gekannt hätte. Hat sich der bei Haftverschonung schon bestehende Verdacht einer weiteren Tat, die mit dem Vorwurf im Haftbefehl in engem Zusammenhang steht, später bis zur Schwelle des dringenden Tatverdachts verdichtet, so rechtfertigt dies zwar die Erweiterung der Haftgrundlage, nicht aber die Rücknahme der Haftverschonung. Beim Haftgrund der Fluchtgefahr ist nicht der Grad des Tatverdachts für die Höhe der (zu erwartenden) Strafe bestimmend, sondern die Tat- und Schuldschwere. Ferner wird der subjektive Fluchtanreiz für den Beschuldigten auch durch das Stadium des Verfahrens beeinflußt (hier: noch am Anfang stehende Ermittlungen; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.04.2005 - 3 Ws 114/05, StV 2005, 445).
Aus einem umfassenden Geständnis des Beschuldigten kann auf dessen Bemühen geschlossen werden, ?reinen Tisch' zu machen und sich dem Strafverfahren zu stellen, selbst wenn er nicht mehr mit der Verhängung einer bewährungsfähigen Freiheitsstrafe rechnet, aber seine Hoffnung auf die Ermöglichung eines künftigen offenen Vollzuges setzt (OLG Koblenz StV 2003, 171f).
Die zweimalige Verspätung eines Angeklagten um 55 bzw. 45 Minuten rechtfertigt beim Haftgrund der Fluchtgefahr nicht die Aufhebung der Haftverschonung. Bloße Nachlässigkeiten oder Versehen reichen als Widerrufsgrund nicht aus. Maßgeblich ist, ob der Angeklagte durch sein Verhalten den vorhandenen Haftgrund wieder verstärkt (KG StV 2002, 607 f).
Eine im Falle der Verurteilung zu erwartende Freiheitsstrafe ist angesichts der Anhängigkeit des Verfahrens beim Schöffengericht überschaubar. Die mögliche Anwendung des § 57 I StGB im Vollstreckungsverfahren für den Fall einer nicht mehr zur Bewährung auszusetzenden Freiheitsstrafe mindert den Fluchtanreiz (OLG Köln StV 2002, 553 f).
Ist der Haftbefehl einmal außer Vollzug gesetzt worden, so ist jede nachfolgende haftrechtliche Entscheidung, die den Wegfall der Haftverschonung zur Folge hat, nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 StPO möglich. Neu i. S. d. § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO sind Umstände, die die Gründe des Haftverschonungsbeschlusses in einem wesentlichen Punkt erschüttern und den Haftrichter bewogen hätten, keine Aussetzung zu bewilligen, wenn er sie bei seiner Entscheidung schon gekannt hätte. Ein nach der Haftverschonung ergangenes Urteil kann geeignet sein, den Widerruf der Haftverschonung und die Invollzugsetzung des Haftbefehls zu rechtfertigen, wenn die Prognose des Haftrichters bezüglich der Straferwartung von dem Rechtsfolgenausspruch des Tatrichters zum Nachteil des Angeklagten erheblich abweicht. Von einem neuen Umstand i. S. d. Abs. 4 Nr. 3 StPO kann jedoch nicht ausgegangen werden, wenn der Haftrichter bei seiner Aussetzungsentscheidung bereits von einer hohen Straferwartung ausging und sonstige für einen Widerruf sprechende Umstände fehlen (OLG Düsseldorf StV 2002, 207 f).
Auch bei einer erheblichen Straferwartung infolge einer noch nicht rechtskräftigen Verurteilung kann insbesondere eine längere Untersuchungshaftdauer und die Möglichkeit einer bedingten Strafaussetzung einen Fluchtanreiz so mindern, daß ein Haftbefehl auch dann außer Vollzug gesetzt werden kann, wenn der Angeklagte zwar Einwanderer ist, seine Rückkehr in sein Heimatland die Zukunftschancen seiner Kinder und den Bestand der Familie nachhaltig beeinträchtigen würde (OLG Frankfurt, Beschluss vom 31.03.2000 - 1 Ws 44/00, StV 2000, 372).
Auch bei dringendem Verdacht einer schweren Straftat (hier: schwerer Raub) kann der Haftbefehl wegen Fluchtgefahr bei Übernahme eines gewissen Risikos außer Vollzug gesetzt werden, wenn der betäubungsmittelabhängige Beschuldigte therapiebereit und gewährleistet ist, daß er unmittelbar nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft eine stationäre Drogentherapie antreten kann (OLG Hamm, Beschluss vom 08.06.1999 - 5 Ws 145/99, StV 1999, 606).
Die Aussetzung des Haftvollzuges darf nur unter den Voraussetzungen des § 116 IV StPO widerrufen werden. Die Anklageerhebung als solche stellt keinen neuen Umstand i.S.d. § 116 IV StPO dar. Der Umstand, daß der Angeschuldigte unter seiner Wohnanschrift für die fahndenden Behörden nicht mehr antreffbar ist, kann dahin gedeutet werden, daß er sich nicht dem Verfahren, sondern nur der - seines Erachtens ungerechtfertigten - erneuten Inhaftierung entziehen will (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.05.1999 - 3 Ws 95/99, StV 1999, 607).
*** (LG)
Realisiert sich durch eine Verurteilung diejenige Straferwartung, von der der Angeklagte u. a. infolge entsprechender Information durch seinen Verteidiger ausgegangen ist, liegen die Voraussetzungen für die Anordnung des Vollzugs eines auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützten Haftbefehls nicht vor (LG Hamburg, Beschluss vom 10.05.2006 - 603 Qs 255/06).
***
Kann ein vorgesehener Haftprüfungstermin nicht durchgeführt werden, weil eine Vorführung des Beschuldigten aus justizorganisatorischen Gründen nicht erfolgen kann, ist der Haftbefehl aufgrund rechtsstaatlicher Erwägungen außer Vollzug zu setzen (AG Hamburg-Harburg, Beschluss vom 22.02.2005 - 619 Ds 3200 Js 457/04 (48/05), StV 2005, 395).
Siehe auch unter ?Sicherheitsleistung".
Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe § 57 StGB
(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn
1. zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2. dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3. die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.
(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn
1. die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2. die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.
(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. 2Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.
(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.
(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die dem Verfall unterliegen oder nur deshalb nicht unterliegen, weil der verletzten Person aus der Tat ein Anspruch der in § 73 Abs. 1 Satz 2 bezeichneten Art erwachsen ist.
(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.
Leitsätze/Entscheidungen:
Eine Grundrechtswidrigkeit liegt nicht vor, wenn die Anwendung einfachen Rechts durch den hier zuständigen Richter zu einem Ergebnis geführt hat, über dessen ?Richtigkeit" sich streiten lässt. Dieser Maßstab gilt auch für die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung. Die Annahme der Fachgerichte, die Prognoseentscheidungen nach § 66 I Nr. 3 und § 57 I 1 Nr. 2 StGB seien verschieden, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die Auffassung, es bestehe deshalb keine innerprozessuale Bindungswirkung der Entscheidung über die Ablehnung der Anordnung der Sicherungsverwahrung im Urteil der späteren Beschlussfassung über die Aussetzung der der Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe nach § 57 I StGB (BVerfG, Beschluss vom 13.05.2003 - 2 BvR 517/03).
Eine Grundrechtswidrigkeit liegt nicht vor, wenn die Anwendung einfachen Rechts durch den hier zuständigen Richter zu einem Ergebnis geführt hat, über dessen ?Richtigkeit" sich streiten lässt. Dieser Maßstab gilt auch für die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung. Die Annahme der Fachgerichte, die Prognoseentscheidungen nach § 66 I Nr. 3 und § 57 I 1 Nr. 2 StGB seien verschieden, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die Auffassung, es bestehe deshalb keine innerprozessuale Bindungswirkung der Entscheidung über die Ablehnung der Anordnung der Sicherungsverwahrung im Urteil der späteren Beschlussfassung über die Aussetzung der der Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe nach § 57 I StGB (BVerfG, Beschluss vom 13.05. 2003 - 2 BvR 517/03 - Anm. der KD-Redaktion: Über was lässt sich nicht streiten?).
Der Strafvollstreckungsrichter darf im Verfahren nach §§ 454, 462 StPO seine Entscheidung gemäß § 57 Abs. 1 StGB nicht alleine darauf stützen, dass die Vollzugsbehörde - etwa auf der Grundlage bloßer pauschaler Wertungen oder mit dem Hinweis auf eine abstrakte Flucht- oder Missbrauchsgefahr - die Gewährung von Vollzugslockerungen zur Vorbereitung der Strafaussetzung versagt hat. Er hat vielmehr eigenständig zu prüfen, ob die Strafrestaussetzung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Vollzugslockerungen sind von Rechts wegen nicht notwendigerweise Voraussetzung für eine bedingte Entlassung. Ein anhängiges Ausweisungsverfahren vermag die Versagung von Lockerungen wegen Flucht- oder Missbrauchsgefahr nicht pauschal zu rechtfertigen. Bei einer derartigen Entscheidungspraxis ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass die Strafhaft in rechtsstaatlich unzulässiger Weise zur Abschiebehaft umfunktioniert und der Strafvollzug für ausländische Verurteilte zum bloßen ?Verwahrvollzug' wird (BVerfG, BVerfG, Beschluss vom 11.06.2002 - 2 BvR 461/02, StV 2003, 677 ff).
Mit zunehmender Dauer des Freiheitsentzugs gewinnt der Anspruch des Verurteilten auf Achtung seiner Menschenwürde und seiner freien Persönlichkeit zunehmendes Gewicht auch für die Anforderungen, die an die für eine Prognoseentscheidung im Rahmen des § 57 I StGB notwendige Sachverhaltsaufklärung zu stellen sind. Zur Frage, wann es verfassungsrechtlich geboten ist, die Bewährung in Vollzugslockerungen bei der Sozialprognose zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 17.06.1999 - 2 BvR 867/99, StV 1999, 548).
*** (BGH)
?... Das Oberlandesgericht hatte gegen den Verurteilten am 15. Juli 2008 wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit dem Versuch der Beteiligung an einem Mord eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verhängt. Durch den angefochtenen Beschluss hat es das Oberlandesgericht erneut - wie schon zuvor am 12. Mai 2010 - abgelehnt, den Rest dieser Freiheitsstrafe nach Verbüßung von mehr als zwei Dritteln zur Bewährung auszusetzen. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde des Verurteilten führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht; denn dieses durfte dem Verurteilten die Reststrafenbewährung nicht versagen, ohne sich zuvor gemäß § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO wiederum sachverständig beraten zu lassen.
1. Nach der genannten Vorschrift holt das Gericht das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten ein, wenn es erwägt, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB bezeichneten Art (hier: § 129b Abs. 1, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB sowie §§ 211, 30 StGB) zur Bewährung auszusetzen und nicht auszuschließen ist, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen. Die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung hatte das Oberlandesgericht vor seiner Entscheidung vom 12. Mai 2010 für gegeben erachtet, denn es hatte ein entsprechendes Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L. eingeholt und in seine Erwägungen einbezogen. Vor diesem Hintergrund hätte es die Aussetzung der Verbüßung des Strafrestes zur Bewährung nur dann ohne erneute Anhörung eines Sachverständigen ablehnen dürfen, wenn das damals erstattete Gutachten wegen der Kürze der seither verstrichenen Zeit noch eine verlässliche Entscheidungsgrundlage geboten hätte und insbesondere keine neuen Umstände hervorgetreten wären, die grundsätzlich geeignet sein könnten, die Legalprognose für den Verurteilten positiv zu beeinflussen (so gerade auch die vom Oberlandesgericht herangezogenen Beschlüsse des OLG Rostock vom 20. August 2002 - 1 Ws 336/02, NJW 2003, 1334, 1335 und des Thüring. OLG vom 3. Dezember 1999 - 1 Ws 366/99, NStZ 2000, 224).
Beides war hier nicht der Fall. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung vom 9. August 2011 waren seit dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen vom 8. Februar 2010 ein Jahr und sechs Monate und seit dessen mündlicher Anhörung vom 11. Mai 2010 nahezu ein Jahr und drei Monate vergangen, in denen durch den weiteren Strafvollzug resozialisierend auf den Verurteilten eingewirkt worden war. In dieser Zeit hatte der Verurteilte außerdem an einem Gruppentraining zur Förderung der sozialen Kompetenzen teilgenommen, das er nach der Bewertung der Kursleiterinnen positiv und mit sehr gutem Erfolg absolviert hatte. Außerdem steht er nunmehr in regelmäßigem Kontakt zu einem ehrenamtlichen Betreuer der Straffälligenhilfe, der ihm Unterstützung nach seiner Haftentlassung zugesagt hat. Bei dieser Sachlage hat das Oberlandesgericht den ihm durch § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO eingeräumten Beurteilungsspielraum (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2000 - StB 1/00, BGHR StPO § 454 Gutachten 3) überschritten, indem es die erneute Ablehnung der Reststrafenbewährung maßgeblich wieder auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L. vom 8. Februar 2010 stützte (BA S. 5), ohne zuvor diesen oder einen anderen Sachverständigen zu den neuen prognoserelevanten Umständen zu hören. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 8. Juni 2000 - 2 Ws 281-282/00, NStZ-RR 2000, 317, 318; OLG Stuttgart, Beschluss vom 12. Juni 2003 - 2 Ws 99/03, Justiz 2004, 123, 124).
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Das Oberlandesgericht führt in dem angefochtenen Beschluss unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 12. Mai 2010 zwar zutreffend aus, dass die Anforderungen an eine positive Legalprognose im Sinne des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 StGB umso höher angesetzt werden müssen, je gewichtiger die Rechtsgüter sind, die bei einem möglichen Rückfall des entlassenen Verurteilten verletzt oder gefährdet würden (BGH, Beschluss vom 25. April 2003 - StB 4/03, BGHR StGB § 57 Abs. 1 Erprobung 2). Diese dürfen indes auch nicht so hoch geschraubt werden, dass dem wegen eines Kapitalverbrechens oder eines Organisationsdelikts im Sinne der §§ 129a, 129b StGB Verurteilten letztlich kaum eine Chance auf eine vorzeitige Haftentlassung bleibt. Insbesondere darf die Ablehnung der Reststrafenbewährung nicht auf Umstände gestützt werden, auf die der Verurteilte keinen Einfluss hat. Daher wird das Oberlandesgericht nunmehr zu beachten haben, dass einer Arbeitsaufnahme des Verurteilten nach Haftentlassung gerade sein Eintrag im Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 entgegensteht. Sollten sonstige prognoserelevante Umstände der Aussetzung des Vollzugs der Reststrafe zur Bewährung nicht entgegenstehen, wird sie dem Verurteilten daher nicht mit Hinweis darauf versagt werden können, wegen der fehlenden Möglichkeit einer Arbeitsaufnahme bestehe die Gefahr seiner Rückkehr in sein früheres Umfeld "im Umkreis muslimischer Moscheen" und der dortigen Aufnahme in eine islamistisch-terroristische Gruppe. ..." ( BGH, Beschluss vom 04.10.2011 - StB 14/11)
*** (OLG)
?... Die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Strafrestes bereits nach Verbüßung der Hälfte der Strafe gem. § 57 Abs.2 Nr.2 StGB liegen nicht vor.
Besondere Umstände im Sinne der Vorschrift sind nur solche, die im Vergleich zu gewöhnlichen Milderungsgründen von besonderem Gewicht sind und eine Strafaussetzung trotz des erheblichen Unrechts - und Schuldgehalts der Tat, wie sich dieser in der Höhe der Strafe widerspiegelt, als nicht unangebracht und den strafrechtlichen geschützten Interessen nicht zuwiderlaufend erscheinen lassen.
(vgl. BGH NStZ 87, 21; Senat 08.06.2001 - 2 Ws 242/01 - ;13.06.2001 - 2 Ws 236/01 - ; 24.07.2001 - 2 Ws 332/01 -; 30.03.2004 - 2 Ws 140/04 -; 01.08.2006 -2 Ws 343/06 -; 20.07.2009 - 2 Ws 315/09 -; 30.11.2010 - 2 Ws 785/10-; Stree in Schönke-Schröder, StGB, 27. Aufl., § 57 Rdn. 23 b i. V. m. § 56 Rdn. 27 ff.).
Anders als bei einer Aussetzung des Strafrestes nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe (§ 57 Abs.1 Satz 1 StGB) fließen in die Bewertung auch Gesichtspunkte der Schuldschwere (vgl. Gribbohm in: LK, 11.Aufl., § 57 Rdn.54; Lackner, StGB, 22.Aufl., § 57 Rdn.20), der Generalprävention (BGHR StGB § 57 Abs.2 ?Versagung" 1; Tröndle/Fischer, StGB, 53.A., § 57, Rdn.29 a ) und der Verteidigung der Rechtsordnung (vgl. OLG München NStZ 1987,74) ein.
Gemessen an diesen Grundsätzen kann die Vollstreckung der Halbstrafe hier nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Die nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB gebotene Gesamtwürdigung rechtfertigt nicht eine Entlassung schon nach der Verbüßung der Hälfte der Strafe.
Die von der Strafvollstreckungskammer dem Verurteilten gestellte, vom Senat geteilte günstige Sozialprognose geht über die für eine Strafaussetzung ohnehin erforderliche günstige Prognose nicht in einem Maße hinaus, dass eine Halbstrafenaussetzung gerechtfertigt wäre. Den von der Strafvollstreckungskammer für maßgeblich gehaltenen Gesichtspunkten :
- das in vollem Umfang eingeräumte Tatgeschehen habe den Verurteilten aus der Bahn geworfen, er habe stets in heilender Absicht gehandelt und umstrittene Behandlungsmethoden nicht aus wirtschaftlichen Gründen angewendet, er habe aus der von ihm akzeptierten Verurteilung für sein Leben tiefgreifende Konsequenzen gezogen und werde sich nicht mehr als Arzt beruflich betätigen, sondern sehe seine Zukunft in seiner Tätigkeit als Ingenieur im familieneigenen Betrieb
- die günstige Stellungnahme der Leiterin der Justizvollzugsanstalt Euskirchen
ist in Übereinstimmung mit dem Beschwerdevorbringen im wesentlichen folgendes entgegenzuhalten:
Die beanstandungsfreie Führung im offenen Vollzug ist angesichts des sozialen Status, der Herkunft und des Bildungsstandes des Beschwerdeführers erwartbar und fällt im Rahmen der Gesamtwürdigung nicht maßgeblich ins Gewicht. Zu der Stellungnahme der Leiterin der Justizvollzugsanstalt Euskirchen vom 06.10.2011 ist überdies kritisch anzumerken, dass sie Gesichtspunkte aus dem Urteil aufgreift (nämlich die in allen Fällen gegebene heilende Absicht), die über die gebotenen Ausführungen zum Vollzugsverhalten sowie zum sozialen Empfangsraum hinausgehen.
Was die im Urteil zugunsten des Beschwerdeführers angenommene ?heilende Absicht" angeht, reicht dieser Umstand nicht ansatzweise an Rechtfertigungs- oder Schuldmilderungsgründe heran, die bei der Abwägung eine Rolle spielen können. Der Beschwerdeführer hat in einer Mischung aus Selbstüberschätzung, Überforderung und Blindheit gegenüber den Belangen seiner Patienten gehandelt. Die auch im Strafmaß zum Ausdruck kommende Schwere der Schuld kann mit ?heilender Absicht" nicht relativiert werden.
Das hat das Landgericht an anderer Stelle im Urteil auch mit aller Deutlichkeit damit ausgedrückt, dass der Angeklagte bei allen Taten unter grober Verletzung seiner ärztlichen Berufspflichten gehandelt habe. Soweit die Verteidigung im Schriftsatz vom 23.03.2012 meint, darauf hinzuweisen zu müssen, dass ?in der Mehrheit eine Verurteilung zu Körperverletzungsdelikten" erfolgt sei, stimmt diese Sichtweise angesichts der strafrechtlichen Verantwortung des Beschwerdeführers für den Tod von vier Menschen bedenklich.
Soweit die Verteidigung auf Entschädigungsleistungen verweist, liegt darin ein besonderer Umstand schon deswegen nicht, weil nach den vorgelegten Unterlagen bisher lediglich ein einziger Fall durch die Haftpflichtversicherung reguliert worden ist und wegen Ansprüche weiterer Geschädigter noch Regulierungsverhandlungen laufen sollen. Ein berücksichtigungswürdiger persönlicher Beitrag des Beschwerdeführers ist dem nicht zu entnehmen.
Die Entscheidung des Beschwerdeführers, auch nach Ablauf des Berufsverbots in den Arztberuf nicht zurückzukehren, vermag der Senat nicht ausschließlich als persönliche Läuterung zu werten. Bei realistischer Einschätzung ist dem Beschwerdeführer schon aufgrund seiner Verurteilung und der mit dem Verfahren verbundenen Berichterstattung in den Medien die Rückkehr in den Arztberuf faktisch verwehrt.
Der Senat erkennt an, dass der Beschwerdeführer sich als Ingenieur im familieneigenen Betrieb mit Erfindungsreichtum und Tatkraft eine neue Lebensgrundlage schafft, worin auch die Verantwortung gegenüber seiner Familie zum Ausdruck kommt. Die neue Aufgabe hat er allerdings bereits aus dem offenen Vollzug heraus angehen können, wobei er die damit verbundenen Erschwernisse als Folge seiner Straftaten tragen muß. Für eine Halbstrafenaussetzung bietet der berufliche Neuanfang - auch in Verbindung mit den übrigen für ihn sprechenden Umständen - aber keine ausreichende Rechtfertigung.
Die von der Verteidigung angeführte überlange Verfahrensdauer ist durch den Vollstreckungsabschlag von elf Monaten angemessen kompensiert worden, womit es sein Bewenden haben muß. Ähnliches gilt für die auf die Strafe anzurechnende Untersuchungshaft, auch wenn diese nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf nicht gerechtfertigt war. Soweit der Beschwerdeführer die Haftbedingungen während der Untersuchungshaft kritisiert, ist nicht ersichtlich, dass er insoweit Abhilfe verlangt hat.
Die mit dem Strafverfahren verbundene negative Berichterstattung in den Medien, die sicherlich auch die Familie des Beschwerdeführers beeinträchtigt hat, ist im Urteil - neben der verbüßten 6-monatigen Untersuchungshaft - als strafmildernd berücksichtigt worden. Ein besonderer Grund im Sinne von § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB liegt darin nicht. Der Beschwerdeführer hat sich das Medieninteresse mit allen nachteiligen Auswirkungen als Folge seines Fehlverhaltens letztlich auch selbst zuzuschreiben.
Der Halbstrafenaussetzung stehen aus Sicht des Senats entscheidend die Gesichtspunkte der Generalprävention und der Verteidigung der Rechtsordnung entgegen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf hat mit Recht darauf hingewiesen, dass Gegenstand des Strafverfahrens nicht lediglich ein einmaliges Versagen eines ansonsten zuverlässigen und untadeligen Arztes war, sondern es sich um eine Vielzahl innerhalb weniger Monate begangener Taten gehandelt hat, durch die in vier Fällen der Tod von Patienten verursacht worden ist, die sich dem Beschwerdeführer - einem Chefarzt in herausgehobener Position - anvertraut hatten. Dieser hat seine ärztlichen Berufspflichten in vielfacher Hinsicht grob verletzt. Sein Verhalten ist geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität des Arztberufes ernstlich zu beschädigen.
Von der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Haft bereits nach der Hälfte der Strafverbüßung würde für die Allgemeinheit ein unverständliches Signal ausgehen. Die Vollstreckungsgerichte haben deutlich zu machen, dass grobe Verletzungen der ärztlichen Berufspflichten, durch die Leib und Leben von Patienten aufs Spiel gesetzt werden, von der Rechtsordnung mißbilligt werden.
Der Senat hält daher eine Halbstrafenaussetzung nicht für vertretbar. ..." (OLG Köln, Beschluss vom 27.03.2012 - 2 Ws 223/12)
***
Der Antrag eines ausgewiesenen Verurteilten auf Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB ist bei Vorliegen der formellen Voraussetzungen auch dann zulässig, wenn die Staatsanwaltschaft nach § 456a StPO von der weiteren Vollstreckung der Freiheitsstrafe abgesehen hat und sich der Verurteilte nicht (mehr) im Inland aufhält (Anschluss an OLG Köln StV 2009, 261 f. = StraFo 2009, 218 f. = OLGSt StGB § 57 Nr. 48). Die nach § 454 Abs. 1 S. 3 StPO gebotene mündliche Anhörung darf auch dann ausnahmsweise unterbleiben, wenn sie dem Verurteilten deshalb unzumutbar ist, weil er infolge seiner Ausweisung nicht zu seiner Anhörung einreisen kann, ohne die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe (§ 456a Abs. 2 S. 1 StPO) und möglicherweise eine Strafverfolgung wegen Verstoßes gegen ausländerrechtliche Strafbewehrungen befürchten zu müssen (Anschluss an OLG Köln a.a.O., OLG Karlsruhe StV 2005, 677 f. = StraFo 2005, 258 f. = NStZ-RR 2005, 223 f. = Justiz 2005, 360 f. und OLG Düsseldorf NStZ 2000, 333 = StV 2000, 382 f.; a.A.: OLG Hamm, Beschluss v. 23.02.2010 - 3 Ws 39/10 = StRR 2010, 317 f.). Will der Verurteilte das Risiko einer Verhaftung und Aufnahme in den Strafvollzug für den Fall seiner Einreise nicht in Kauf nehmen, ist es seine Sache, bei der Vollstreckungsbehörde die Aussetzung des Vollstreckungshaftbefehls für die Dauer der Durchführung des Verfahrens nach § 454 Abs. 1 und Abs. 2 StPO, § 57 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zu erwirken (Anschluss an OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Bamberg, Beschluss vom 12.10.2010 - 1 Ws 561/10).
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Die Bereitschaft eines wegen Drogenschmuggels verurteilten Ausländers zur Begehung weiterer einschlägiger Straftaten läßt sich nicht tragfähig daraus schließen, dass er den verwaltungsgerichtlichen Rechtsmittelweg gegen eine Ausweisungsverfügung ausgeschöpft hat. Weigert sich ein Verurteilter, zu Taten seiner Mittäter Angaben zu machen, so kann ihm allein deshalb eine bedingte Strafrestaussetzung nach § 57 StGB nicht versagt werden, sofern sich hieraus nicht ergibt, dass künftige Straftaten zu besorgen sind (OLG Oldenburg, Beschluss vom 04.08.2010 - 1 Ws 380/10).
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Bei der Entscheidung über die Unterbrechung einer Freiheitsstrafe zum Halbstrafenzeitpunkt bei einem Erstverbüßer kommt es auch in Fällen der Anschlußvollstreckung allein darauf an, ob die einzelne Freiheitsstrafe die 2-Jahresgrenze überschreitet oder nicht. Ob auch die Summe der zur Verbüßung anstehenden Freiheitsstrafen 2 Jahre überschreitet, ist unerheblich (Aufgabe der bisherigen Rechtsauffassung; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.02.2006 - 1 Ws 15/06, StV 2006, 255 f).
Besondere Umstände, welche eine Aussetzung der Reststrafe zum Halbstrafenzeitpunkt rechtfertigen, können sich trotz der Schwere der verübten Straftat daraus ableiten, daß beim Verurteilten während des Strafvollzuges eine nachhaltige Entwicklung seiner Persönlichkeit eingetreten ist. Werden einem Verurteilten während seiner Inhaftierung Lockerungen, insbesondere die Zulassung zu einem freien Beschäftigungsverhältnis, gewährt und absolviert er diese über einen längeren Zeitraum hinweg beanstandungsfrei und zuverlässig, so kann eine solche Entwicklung zusammen mit anderen günstigen Umständen ein derartiges Gewicht erlangen, daß sie die Gesamtwürdigung wesentlich beeinflußt und insgesamt zur Annahme besonderer Umstände i. S. d. § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB führt (OLG Karlsruhe, Beschluß vom 22.11.2004 - 1 Ws 383/04, StV 2005, 276 f).
Geht die Entwicklung eines Verurteilten im Strafvollzug noch erheblich über das Maß hinaus, das zur Erstellung einer günstigen Prognose erforderlich ist, stellt dies einen besonderen Umstand i. S. d. § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB dar. Zu den Anforderungen an die Voraussetzungen einer Strafrestaussetzung nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 07.10.2004 - 3 Ws 1062/04, StV 2005, 277 f).
Auch bei einer Verurteilung wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in zwei Fällen kann die Reststrafe nach Verbüßung der Hälfte der erkannten Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn besondere Umstände in der Tat und der Person des Verurteilten vorliegen (OLG Bremen StV 2002, 321 f).
Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, von der weiteren Vollstreckung der Strafe nach § 456 a StPO abzusehen und die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung nach § 57 Abs. 1 StPO stehen nebeneinander und über letztere ist auch dann noch zu entscheiden, wenn die Entschließung der Staatsanwaltschaft tatsächlich vollzogen wurde. Bei der vorzunehmenden Prognoseentscheidung ist zu beachten, daß mit zunehmender Dauer des Freiheitsentzuges der Anspruch des Verurteilten auf Achtung seiner Menschenwürde und seiner freien Persönlichkeit zunehmendes Gewicht erhält, weshalb für die vorausschauende Beurteilung dem derzeitigen Vollzugsverhalten besondere Bedeutung beikommt, insbesondere gilt dies für die Erfahrungen der Vollzugsanstalt, aber auch des Verurteilten selbst die bei gewährten Vollzugslockerungen gewonnen werden konnten. Dementsprechend verlieren bei lang andauernder Inhaftierung die Umstände der eigentlichen Tat bei der Gesamtwürdigung an Gewicht (OLG Karlsruhe StV 2002, 322 f).
***
Besondere Umstände, die eine Aussetzung einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten wegen Raubes schon nach Verbüßung der Hälfte dieser Strafe ermöglichen, können darin liegen, daß der Verurteilte Verantwortung für das damalige Geschehen übernommen hat, es bereut und er trotz Untersuchungshaftbedingungen wegen Überhaft in anderer Sache alle vorhandenen Möglichkeiten, am Vollzugsziel mitzuwirken (Kontakt zur Vollzugshelferin, Einzel- und Gruppengespräche) wahrgenommen hat. Die Strafaussetzung im Halbstrafentermin kann in einem solchen Fall selbst dann verantwortet werden, wenn der Verurteilte bisher noch nicht zu Lockerungen zugelassen wurde, dies aber darauf beruhte, daß die Strafe wegen Überhaft in anderer Sache zu Untersuchungshaftbedingungen vollzogen werden mußte und dieses andere Verfahren (hier: wegen Verdacht des Mordes) zwischenzeitlich durch rechtskräftigen Freispruch abgeschlossen ist, der Verurteilte sich von der Situation der Überhaft nicht hat frustrieren lassen, Hilfsangebote angenommen, für angemessenen Wohnraum gesorgt, mit seiner künftigen Bewährungshelferin Kontakt aufgenommen hat und nach dem Gutachten des kriminologischen Sachverständigen keine aktuelle Gefährlichkeit beim Verurteilten mehr besteht (LG Berlin, Beschluss vom 01.03.2005 - 544 StVK 910/04, StV 2005, 679 f).
Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes § 454 StPO
(1) Die Entscheidung, ob die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll (§§ 57 bis 58 des Strafgesetzbuches) sowie die Entscheidung, dass vor Ablauf einer bestimmten Frist ein solcher Antrag des Verurteilten unzulässig ist, trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. Die Staatsanwaltschaft, der Verurteilte und die Vollzugsanstalt sind zu hören. Der Verurteilte ist mündlich zu hören. Von der mündlichen Anhörung des Verurteilten kann abgesehen werden, wenn
1. die Staatsanwaltschaft und die Vollzugsanstalt die Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe befürworten und das Gericht die Aussetzung beabsichtigt,
2. der Verurteilte die Aussetzung beantragt hat, zurzeit der Antragstellung
a) bei zeitiger Freiheitsstrafe noch nicht die Hälfte oder weniger als zwei Monate,
b) bei lebenslanger Freiheitsstrafe weniger als dreizehn Jahreder Strafe verbüßt hat und das Gericht den Antrag wegen verfrühter Antragstellung ablehnt oder
3. der Antrag des Verurteilten unzulässig ist (§ 57 Abs. 6 , § 57a Abs. 4 des Strafgesetzbuches ).
Das Gericht entscheidet zugleich, ob eine Anrechnung nach § 43 Abs. 10 Nr. 3 des Strafvollzugsgesetzes ausgeschlossen wird.
(2) Das Gericht holt das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten ein, wenn es erwägt, die Vollstreckung des Restes
1. der lebenslangen Freiheitsstrafe auszusetzen oder
2. einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art auszusetzen und nicht auszuschließen ist, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen.
Das Gutachten hat sich namentlich zu der Frage zu äußern, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, dass dessen durch die Tat zu Tage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. Der Sachverständige ist mündlich zu hören, wobei der Staatsanwaltschaft, dem Verurteilten, seinem Verteidiger und der Vollzugsanstalt Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben ist. Das Gericht kann von der mündlichen Anhörung des Sachverständigen absehen, wenn der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft darauf verzichten.
(3) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist sofortige Beschwerde zulässig. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung.
(4) Im Übrigen gelten die Vorschriften der §§ 453 , 453a Abs. 1 und 3 sowie der §§ 453b , 453c und 268a Abs. 3 entsprechend. Die Belehrung über die Aussetzung des Strafrestes wird mündlich erteilt; die Belehrung kann auch der Vollzugsanstalt übertragen werden. Die Belehrung soll unmittelbar vor der Entlassung erteilt werden.
Leitsätze/Entscheidungen:
Nicht bei jeder Überprüfung der Unterbringung ist von Verfassungs wegen ein Sachverständigengutachten einzuholen. Soweit keine zwingenden gesetzlichen Vorschriften bestehen, hängt es vielmehr von dem sich nach den Umständen des einzelnen Falles bestimmenden pflichtgemäßen Ermessen des Richters ab, in welcher Weise er die so genannte Aussetzungsreife prüft. Die Auffassung, zur Vorbereitung von Entscheidungen nach § 67c I StGB sowie über die Aussetzung einer freiheitsentziehenden Maßregel (§ 67d II StGB) sei ein Sachverständiger zwingend nur hinzuzuziehen, wenn das Gericht die Aussetzung der Unterbringung in der Maßregel in Betracht ziehe, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschluss vom 03.02.2003 - 2 BvR 1512/02).
Die gesetzliche Regelung des § 454 II 1 Nr. 2 StPO ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein allgemeiner Anspruch der Verurteilten, dass bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung stets ein Sachverständiger eingeschaltet wird, besteht von Verfassungs wegen nicht. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass nicht jedem Verurteilten im Verfahren über die Strafaussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ein Verteidiger zu bestellen ist (BVerfG, Beschluss vom 02.05.2002 - 2 BvR 613/02).
*** (OLG)
Nimmt ein im Rahmen des Verfahrens zwecks Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung beauftragter gerichtlicher Sachverständiger Bezug auf Gefangenenpersonalakten, verletzt die Nichtbeachtung des Akteneinsichtsantrags des Verteidigers in diese Akte das Recht des Verurteilten auf ein faires Verfahren (OLG Nürnberg, Beschluss vom 27.10.2011 - 2 Ws 456/11).
***
Der Antrag eines ausgewiesenen Verurteilten auf Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB ist bei Vorliegen der formellen Voraussetzungen auch dann zulässig, wenn die Staatsanwaltschaft nach § 456a StPO von der weiteren Vollstreckung der Freiheitsstrafe abgesehen hat und sich der Verurteilte nicht (mehr) im Inland aufhält (Anschluss an OLG Köln StV 2009, 261 f. = StraFo 2009, 218 f. = OLGSt StGB § 57 Nr. 48). Die nach § 454 Abs. 1 S. 3 StPO gebotene mündliche Anhörung darf auch dann ausnahmsweise unterbleiben, wenn sie dem Verurteilten deshalb unzumutbar ist, weil er infolge seiner Ausweisung nicht zu seiner Anhörung einreisen kann, ohne die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe (§ 456a Abs. 2 S. 1 StPO) und möglicherweise eine Strafverfolgung wegen Verstoßes gegen ausländerrechtliche Strafbewehrungen befürchten zu müssen (Anschluss an OLG Köln a.a.O., OLG Karlsruhe StV 2005, 677 f. = StraFo 2005, 258 f. = NStZ-RR 2005, 223 f. = Justiz 2005, 360 f. und OLG Düsseldorf NStZ 2000, 333 = StV 2000, 382 f.; a.A.: OLG Hamm, Beschluss v. 23.02.2010 - 3 Ws 39/10 = StRR 2010, 317 f.). Will der Verurteilte das Risiko einer Verhaftung und Aufnahme in den Strafvollzug für den Fall seiner Einreise nicht in Kauf nehmen, ist es seine Sache, bei der Vollstreckungsbehörde die Aussetzung des Vollstreckungshaftbefehls für die Dauer der Durchführung des Verfahrens nach § 454 Abs. 1 und Abs. 2 StPO, § 57 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zu erwirken (Anschluss an OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Bamberg, Beschluss vom 12.10.2010 - 1 Ws 561/10).
***
Der Inhalt der mündlichen Anhörung des Verurteilten nach § 454 Abs. 1 S. 3 StPO und der Anhörung des Sachverständigen nach § 454 Abs. 2 StPO müssen in einem Vermerk oder im Beschluß der Strafvollstreckungskammer festgehalten werden. Anderenfalls kann das Beschwerdegericht nicht beurteilen, ob die angefochtene Entscheidung sachgerecht war, mit der Folge, daß der Beschluß aufzuheben und die Sache ausnahmsweise zu neuer Anhörung und Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen ist (KG, Beschluss vom 14.10.2005 - 5 Ws 498/05).
Die Anhörung des Untergebrachten im Verfahren nach § 67 e StGB dient neben der Gewährung rechtlichen Gehörs auch der Vermittlung eines unmittelbaren Kantaktes von Verurteilten und Gericht und damit der Gewinnung eines persönlichen Eindrucks als Grundlage der anstehenden Entscheidung. Sie muss dem Verurteilten daher die Möglichkeit bieten, sich inhaltlich zu seiner Situation im Maßregelvollzug zu äußern. Die bloße Anwesenheit in einem Termin, der sich auf die Anbringung und Erledigung eines Befangenheitsantrages und die Erörterung der hieran knüpfenden weiteren Vorgehensweise beschränkt, reicht insoweit nicht aus. Der Anhörungsmangel ist in der Beschwerdeinstanz nicht zu beheben. Der in der nicht rechtzeitigen Überprüfungsentscheidung gem. § 67 e II Nr. 2 StGB liegende Verfahrensmangel rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit des Gerichts regelmäßig nicht. Allerdings kommt § 67 e II Nr. 2 StGB grundrechtsschützende Wirkung zu. Dessen Missachtung stellt nicht in jedem Fall, aber doch dann eine Grundrechtsverletzung dar, wenn sie Ausdruck einer nicht mehr vertretbaren Fehlhaltung gegenüber dem grundrechtsrelevanten Verfahrensrecht und damit letztlich einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Freiheitsrechts ist. Grundsätzlich ist das Gericht nicht verpflichtet, im Rahmen des Überprüfungsverfahrens nach § 67 e StGB selbst Vorkehrungen für eine rechtzeitige Aktenvorlage durch die Staatsanwaltschaft zu treffen. Ausnahmsweise kann etwas anderes gelten, wenn die Staatsanwaltschaft die Akten in der Vergangenheit stets zu spät vorgelegt hatte. Zur Zulässigkeit eines Antrages auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einzelner Verfahrenshandlungen. Zur Zulässigkeit der Untätigkeitsbeschwerde (OLG Jena, Beschluss vom 06.04.2006 - 1 Ws 103/06; NJW 2006, 3794 ff. zu GG Art. 2 I; StGB §§ 67 d II, 67 e; StPO §§ 454 I 3, 463 III 1).
Die Kosten für das nach § 454 Abs. 2 StPO gesetzlich vorgeschriebene Sachverständigengutachten im Vollstreckungsverfahren sind dort entstehende Gerichtskosten. Sie fallen damit unter die Verfahrenskosten i. S. d. § 464 a Abs. 1 S. 2 StPO, für die der Verurteilte nach der Kostengrundentscheidung aufkommen muß (OLG Köln, Beschluss vom 10.12.2004 - 2 Ws 466/04, StV 2005, 279).
Es liegt in der Dispositionsfreiheit eines Verurteilten, an der Aufklärung fraglicher Vorgänge in seinem Vollzugsverhalten, aus denen Zweifel an einer günstigen Sozial- und Kriminalprognose, insbesondere an einem Wandel seiner Persönlichkeit erwachsen sind, mitzuwirken und so dem Gericht und auch dem Sachverständigen die erforderlichen Anknüpfungstatsachen für eine kriminalprognostische Beurteilung zu vermitteln (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.02.2004 - 3 Ws 252/03, Die Justiz 2004, 522).
Die StVK ist aus dem Grundsatz des rechtstaatlichen und fairen Verfahrens gehalten, auch außerhalb der Fälle notwendiger Verteidigung über Anträge auf Verlegung eines anberaumten Termins zur Anhörung gem. § 454 Abs. 1 S. 3 StPO wegen Verhinderung des Wahlverteidigers nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminsplanung, der Gesamtbelastung des Spruchkörpers, des Gebotes der Verfahrensbeschleunigung aber auch und gerade mit Rücksicht auf das Interesse des Verurteilten auf eine effektive Verteidigung durch einen Rechtsanwalt seines Vertrauens zu entscheiden. Ist dem Verurteilten die Durchführung der mündlichen Anhörung wegen der Bedeutung der Sache oder auf Grund ihrer tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeit ohne seinen Verteidiger nicht zumutbar, wurde das Verlegungsgesuch rechtzeitig gestellt sowie auf gewichtige Gründe gestützt und sind gegenläufige öffentliche Interessen an der Effizienz des Verfahrens nicht erkennbar, stellt sich die Ablehnung der vom Verteidiger wegen anderweitiger Terminsverpflichtung beantragten Terminsverlegung als ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens dar (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.01.2004 - 3 Ws 111 - 112/04, StV 2005, 276).
Im vollstreckungsrechtlichen Verfahren nach § 57 StGB, § 454 StPO kann das Gericht nicht nachprüfen, ob dem Verurteilten zu Unrecht Vollzugslockerungen verweigert wurden, selbst wenn die längerfristige Bewährung in solchen Lockerungen als Beurteilungsgrundlage für die Frage seiner bedingten Entlassung unabdingbar sind. Erst Recht darf von dem Vollstreckungsgericht in diesem Verfahren - schon wegen des Verbots, in das Beurteilungsermessen der Vollzugsbehörden einzugreifen - kein Gutachten zur Frage des Bestehens von Missbrauchs- oder Fluchtgefahr eingeholt werden (OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.11.2003 - 3 Ws 1141/03, NStZ-RR 2004, 62).
Bestehen Zweifel an der Tragfähigkeit des erstatteten Prognosegutachtens und werden deshalb ein Zusatzgutachten eines weiteren Sachverständigen und sodann ein dessen Erkenntnisse einbeziehendes abschließendes Gutachten des mit der Prognoseerstellung beauftragten Gutachters eingeholt, so ist eine erneute mündliche Anhörung des(r) Sachverständigen gem. § 454 I 3 StPO geboten, sofern die Beteiligten auf sie nicht gem. § 454 II 7 StPO verzichtet haben (OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.04.2003 - 3 Ws 410/03, NStZ-RR 2003, 315).
Nach der Neufassung des § 454 II StPO ist bei einer Unterbringung gem. § 63 StGB ein Sachverständigengutachten auch dann einzuholen und der Sachverständige vor der Entscheidung mündlich anzuhören, wenn die Strafvollstreckungskammer auf der Grundlage eines Berichts der Unterbringungsanstalt nicht erwägt, die Vollstreckung der rechtlichen Maßregel zur Bewährung auszusetzen (OLG Koblenz, Beschluss vom 08.07.1999 - 1 Ws 422/99, StV 1999, 496).
Im Gegensatz zu Begutachtungen der zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten nach § 454 II Nr. 1 StPO, bei welchen auch nach dem gesetzgeberischen Willen grundsätzlich ein Arzt als Sachverständiger heranzuziehen ist, kommt bei § 454 II S. 1 Nr. 2 StPO auch die Beauftragung eines Psychologen in Betracht. Da die Einschaltung eines externen Gutachters zumeist nicht erforderlich sein wird, ist es in der Regel ausreichend, den Anstaltspsychologen als Sachverständigen im Sinne des § 454 II StPO hinzuzuziehen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.06.1999 - 3 Ws 123/99, StV 1999, 495).
Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe § 57 a StGB
(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn
1. fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,
2. nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und
3. die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.
§ 57 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 gilt entsprechend.
(2) Als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat.
(3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 56 a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 56 b bis 56 g und 57 Abs. 3 Satz 2 gelten entsprechend.
(4) Das Gericht kann Fristen von höchstens zwei Jahren festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.
Leisätze/Entscheidungen:
Zur Aussetzung lebenslanger Freiheitsstrafe mit besonderer Schuldschwere ohne vorherige Vollzugslockerungen (BVerfG, Beschluss vom 30.04.2009 - 2 BvR 2009/08):
?... A. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Ablehnung der Aussetzung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe nach Verbüßung der Mindestdauer von 15 J. Sie betrifft den Umgang der Gerichte im Aussetzungsverfahren mit der bisherigen Versagung von Vollzugslockerungen.
I. 1. Das LG Augsburg hatte den heute 59 J. alten Bf. 1994 wegen Mordes in Tateinheit mit Urkundenfälschung in drei Fällen sowie versuchten Betruges in drei Fällen zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Eine besondere Schwere der Schuld war nicht festgestellt worden. Der - hinsichtlich der Betrugsdelikte einschlägig vorbestrafte - Bf. hatte mit seiner Ehefrau einen Bauernhof bewirtschaftet. Nach den Feststellungen des Gerichts hatte er auf deren Namen Lebensversicherungen abgeschlossen und sie dann, wie geplant, getötet, um die bei einem Unfalltod der Frau vereinbarten Versicherungssummen zu erlangen. Er hatte die Tötung als Unfall im Viehstall inszeniert und den Versicherungen - letztlich erfolglos - einen Unfalltod seiner Ehefrau gemeldet. Im Vorfeld der Tat hatte sich der Bf. bei Heiratsvermittlern um eine Partnerin bemüht, die nach der Tötung der Ehefrau deren Stelle bei Bewirtschaftung des Hofes einnehmen sollte. Im Strafverfahren war er nicht geständig. Er leugnet die Taten - ebenso wie die der Vorstrafe zugrunde liegenden Taten - bis heute.
Die Mindestdauer der gegen ihn verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe von 15 J. hatte der Bf. am 15. 06. 2008 verbüßt. Nach seiner Einwilligung hatte das LG 1 J. zuvor die Prüfung der Aussetzung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe eingeleitet. Mit hier angegriffenem Beschl. v. 19. 06. 2008 hat die StVK die Aussetzung unter Hinweis auf die fehlende Erprobung des Bf. in Lockerungen abgelehnt.
2. Dem Bf. waren vor der Entscheidung des LG keinerlei Vollzugslockerungen gewährt worden. Er hatte sich seit Januar 2006 erfolglos um Lockerungen bemüht.
Am 02. 01. 2006 hatte er einen Antrag auf Ausgang gestellt und sich dabei auf das psychiatrische Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. von November 2005 gestützt. Dieser hatte ihn im Auftrag der JVA auf eine Eignung für Vollzugslockerungen untersucht. Er war zum Ergebnis gekommen, daß der Bf. für Lockerungen grundsätzlich geeignet sei: Unter Berücksichtigung der Faktoren Persönlichkeit, Tat, Verhalten im Vollzug und Zukunftsplanung ließen sich ebenso wie bei Analyse der Kategorien Basis-, Individual- und Interventionsprognose aus psychiatrischer Sicht - mit Ausnahme des Tatleugnens - keine Risikofaktoren benennen, die gegen Lockerungen sprächen; aus dem Leugnen alleine lasse sich aus psychiatrischer Sicht nicht auf die Ungeeignetheit für Lockerungen schließen, wobei diese Einschätzung letztlich der juristischen Wertung und Würdigung obliege; falls man den Bf. nach Gewährung und beanstandungsfreier Absolvierung von Vollzugslockerungen auf Bewährung zu entlassen beabsichtige, sei eine Nachuntersuchung zu empfehlen.
Die JVA lehnte den Antrag auf Ausgang mit Bescheid v. 28. 04. 2006 wegen Fluchtgefahr und drohenden Mißbrauchs der Lockerung ab. Dagegen stellte der Bf. am 12. 05. 2006 Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Mit Beschl. v. 05. 12. 2006 verwarf das LG den Antrag wegen angenommener Verfristung als unzulässig. Auf Rechtsbeschwerde des Bf. hob das OLG diesen Beschl. am 09. 01. 2007 auf und verwies die Sache zu neuer Entscheidung an das LG zurück. Mehr als eineinhalb Jahre nach Zurückverweisung wies das LG den Antrag auf gerichtliche Entscheidung - mit Beschl. v. 15. 07. 2008 - erneut zurück, nachdem - wie erwähnt - knapp einen Monat zuvor die hier angegriffene Entscheidung des LG im Aussetzungsverfahren ergangen war, in der das LG eine bedingte Entlassung des Bf. unter Hinweis auf seine fehlende Erprobung abgelehnt hatte. Die erneute Zurückweisung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung ist seit 19. 08. 2008 rechtskräftig; der Bf. hatte von einer Rechtsbeschwerde abgesehen.
3. a) Im Aussetzungsverfahren hatten sich JVA und StA gegen eine bedingte Entlassung des Bf. ausgesprochen.
b) Daraufhin hatte das LG beim Sachverständigen Prof. Dr. F. - der schon das Gutachten zur Eignung des Bf. für Vollzugslockerungen erstellt hatte - ein Prognosegutachten nach § 454 Abs. 2 S. 1 StPO in Auftrag gegeben. Es sollte klären, ob bei dem Bf. keine Gefahr mehr bestehe, daß die durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbestehe, ob beziehungsweise welche Maßnahmen zur Ermöglichung oder Vorbereitung einer bedingten Entlassung notwendig seien und welcher Zeitraum für die ggf. noch erforderliche Entlassungsvorbereitung bei komplikationslosem Verlauf voraussichtlich notwendig sein werde.
Im psychiatrischen Gutachten von März 2008, das die Ergebnisse eines testpsychologischen Zusatzgutachtens von Februar 2008 einschloß, empfahl der Sachverständige die Planung von Vollzugslockerungen, falls das Gericht eine bedingte Entlassung des Bf. prinzipiell in Erwägung ziehe, und stellte zusammenfassend fest, daß sich die gleiche Beurteilung wie in seinem Lockerungsgutachten von November 2005 ergebe. Konkrete Risikofaktoren für das Begehen neuer Gewalttaten ließen sich aus psychiatrischer Sicht nicht belegen.
Zu der empfohlenen Erprobung des Bf. in Lockerungen führte der Sachverständige aus, daß sich ein gestuftes Vorgehen mit zunehmender Übertragung von Eigenverantwortung prinzipiell bewährt habe, wobei eine detaillierte Vorplanung und Nachbereitung der einzelnen Schritte und eine intensive Kontrolle erforderlich seien. Da ihm unklar sei, inwieweit die Vollzugsbehörde solche Maßnahmen zu planen in der Lage sei, könne er keinen konkret erforderlichen Erprobungszeitraum angeben; angesichts der Erfahrungen mit vergleichbaren Fällen gehe er von einem mittelfristigen Verlauf von 2 J. aus. Sollte nach komplikationslosem Ablauf von Vollzugslockerungen eine Entlassung auf Bewährung erörtert werden, empfehle er eine Nachuntersuchung. ...
4. Mit genanntem Beschl. v. 19. 06. 2008 lehnte das LG die Aussetzung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe ab und ordnete für einen erneuten Aussetzungsantrag eine Sperrfrist von 2 J. an. ...
5. Das OLG verwarf mit hier angegriffenem Beschl. v. 26. 08. 2008 die sofortige Beschwerde als unbegründet. ...
1. Der Bf. rügt die Verletzung seiner Rechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG. ...
2. Er hat seine einstweilige Entlassung aus der Haft bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde beantragt. ...
B. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Bf. angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchst. b BVerfGG), und gibt ihr statt. Zu dieser Entscheidung ist sie berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das BVerfG bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet ist (§ 93b S. 1 i.V.m. § 93c Abs. 1 S. 1 BVerfGG).
I. Die angegriffenen Beschl. verletzen den Bf. in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG.
1. a) Die Regelung des § 57a StGB über die Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe konkretisiert eine Forderung der Menschenwürde in der Strafvollstreckung (vgl. BVerfGE 45, 187, 245; 64, 261, 272). Sie schafft einen Ausgleich zwischen dem Resozialisierungsanspruch und dem Freiheitsgrundrecht des zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten einerseits und dem Sicherungsinteresse der Allgemeinheit andererseits (vgl. BVerfGE 117, 71, 112; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 22. 03. 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, 2202, 2203 [= StV 1998, 428]).
Ob die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe auszusetzen ist, ist eine Frage der Auslegung und Anwendung einfachen Rechts. Die im Aussetzungsverfahren nach § 57a Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB zu treffende Prognoseentscheidung obliegt daher in erster Linie den Strafvollstreckungsgerichten und ist einer Nachprüfung durch das BVerfG grundsätzlich entzogen. Dieses kann aber auf Verfassungsbeschwerde hin eingreifen, wenn Grundrechte des Gefangenen in ihrer Bedeutung und Tragweite grundsätzlich verkannt worden sind oder die Entscheidung der Strafvollstreckungsgerichte objektiv willkürlich ist (vgl. BVerfGE 18, 85, 92 f.; 29, 312, 317; 72, 105, 114 f.; 74, 102, 127; st.Rspr.). Ob dies der Fall ist, läßt sich - vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die zu treffende Prognoseentscheidung - nur auf der Grundlage aller Umstände des Einzelfalls beurteilen.
Für den besonders intensiven Eingriff eines möglicherweise lebenslangen Freiheitsentzuges ergeben sich verfassungsrechtliche Grenzen insbes. aus dem Übermaßverbot. Dieses verlangt, daß das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Verurteilten und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor unter Umständen zu erwartenden erheblichen Rechtsgutverletzungen zu einem gerechten und vertretbaren Ausgleich gebracht wird (vgl. BVerfGE 117, 71, 97).
Das Übermaßverbot stellt zunächst materielle Anforderungen an die Prognoseentscheidung. Je länger der Freiheitsentzug dauert, umso strenger sind die Voraussetzungen für dessen Verhältnismäßigkeit. Der nachhaltige Einfluß des gewichtiger werdenden Freiheitsanspruchs stößt jedoch dort an Grenzen, wo es im Blick auf die Art der von dem Betroffenen drohenden Gefahren, deren Bedeutung und Wahrscheinlichkeit vor dem staatlichen Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit unvertretbar erscheint, den Betroffenen in die Freiheit zu entlassen (vgl. BVerfGE 117, 71, 97 f.). Die im Rahmen der Aussetzungsentscheidung zu treffende Prognose betrifft die Verantwortbarkeit der Aussetzung mit Rücksicht auf unter Umständen zu erwartende Rückfalltaten. Je höherwertige Rechtsgüter in Gefahr sind, desto geringer muß das Rückfallrisiko sein. Bei Straftaten, die wie der Mord (§ 211 StGB) mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, ist das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit besonders hoch zu veranschlagen. Wegen der Art der im Versagensfall zu befürchtenden Taten kommt eine bedingte Entlassung aus der lebenslangen Freiheitsstrafe nur unter strengen Voraussetzungen in Betracht (vgl. BVerfGE 117, 71, 99). Die besonders hohe Wertschätzung des Lebens rechtfertigt die weitere Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe nicht nur in den Fällen, in denen eine fortbestehende Gefährlichkeit des Verurteilten positiv festgestellt werden kann, sondern auch dann, wenn nach Erfüllung des verfassungsrechtlichen Gebots ausreichender richterlicher Sachaufklärung eine günstige Gefährlichkeitsprognose nicht gestellt werden kann, weil verbleibende Zweifel an einer hinreichend günstigen Prognose zu Lasten des Verurteilten gehen (vgl. BVerfGE 117, 71, 100 f.).
Darüber hinaus begründet das Übermaßverbot verfahrensrechtliche Anforderungen. Sie betreffen vor allem das Verfahren zur Wahrheitserforschung und damit insbes. die Feststellung der der Aussetzungsentscheidung zugrunde liegenden Prognosebasis. Denn es ist unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, daß Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf ausreichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben (vgl. BVerfGE 117, 71, 102, 105). Die verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung haben sowohl dem Sicherheitsaspekt als auch dem hohen Wert der Freiheit des Verurteilten Rechnung zu tragen. Sie steigen mit zunehmender Dauer des Freiheitsentzuges, mit der auch die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte zunimmt. Vor allem wenn die bisherige Dauer der Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe die Mindestverbüßungszeit übersteigt und eine besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung nicht mehr oder - wie hier - von vornherein nicht gebietet, gewinnt der Anspruch des Verurteilten auf Achtung seiner Menschenwürde und seiner Persönlichkeit zunehmendes Gewicht für die Anforderungen, die an die für eine zutreffende Prognoseentscheidung erforderliche Sachverhaltsaufklärung zu stellen sind. Das Vollstreckungsgericht hat sich daher auch von Verfassungs wegen um eine möglichst breite Tatsachenbasis für seine Prognoseentscheidung zu bemühen und alle prognoserelevanten Umstände besonders sorgfältig zu klären (vgl. BVerfGE 117, 71, 107; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 23. 09. 1991 - 2 BvR 1327/89 -, NJW 1992, 2344, 2345 [= StV 1992, 25]; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 22. 03. 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, 2202, 2203 [= StV 1998, 428]; vgl. auch BVerfGE 109, 133, 165 [= StV 2004, 267]).
b) Vollzugslockerungen haben für die im Aussetzungsverfahren zu treffende Prognoseentscheidung besondere Bedeutung.
Die - gerichtlich überprüfbare (§ 109 Abs. 1, § 116 Abs. 1 StVollzG) - Entscheidung über Lockerungen ist der Leitung der Anstalt als Vollzugsbehörde zugewiesen (§ 11, § 15 Abs. 1, § 156 Abs. 2 S. 2 StVollzG). Sie betrifft zunächst den Vollzugsalltag des Gefangenen und regelt - grundsätzlich außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG (vgl. BVerfGE 64, 261, 280) - die Form des Freiheitsentzuges. Darin erschöpft sich ihre Bedeutung allerdings nicht. Die Entscheidung der Vollzugsbehörde wirkt sich vielmehr auch auf die - den Anforderungen des Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG unterliegende - Prognoseentscheidung der Gerichte im Aussetzungsverfahren aus.
Für den Richter im Aussetzungsverfahren erweitert und stabilisiert sich die Basis der prognostischen Beurteilung, wenn dem Gefangenen zuvor Vollzugslockerungen gewährt worden sind. Gerade das Verhalten eines Gefangenen anläßlich solcher Belastungserprobungen stellt einen geeigneten Indikator für die künftige Legalbewährung dar (vgl. BVerfGE 109, 133, 165 f.; 117, 71, 119 [= StV 2004, 267]). Er erhält Gelegenheit, sich innerhalb des vorgegebenen Rahmens der Vollzugslockerungen zu bewähren; sein hierbei an den Tag gelegtes Verhalten ist ?Verhalten im Vollzug', das der Richter bei der Prognoseentscheidung zu berücksichtigen hat (vgl. § 57a Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 57 Abs. 1 S. 2 StGB). Darüber hinaus machen es Vollzugslockerungen dem Gefangenen - insbes. nach langem Freiheitsentzug - möglich, wenigstens ansatzweise Orientierung für ein normales Leben zu suchen und zu finden. Je nach dem Erfolg dieser Orientierungssuche stellen sich seine Lebensverhältnisse und die von einer Aussetzung der Strafvollstreckung zu erwartenden Wirkungen günstiger oder ungünstiger dar. Folglich werden die Chancen, daß das Gericht, das über die Aussetzung zu entscheiden hat, zu einer zutreffenden Prognoseentscheidung gelangt, durch vorherige Gewährung von Vollzugslockerungen verbessert und umgekehrt durch deren Versagung verschlechtert (vgl. BVerfGE 117, 71, 91, 92, 108; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 22. 03. 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, 2202, 2203 [= StV 1998, 428]; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 17. 06. 1999 - 2 BvR 867/99 -, NJW 2000, 501, 502; vgl. auch BVerfGK 8, 319, 323).
c) Dieser Umstand begründet besondere Prüfungspflichten der Gerichte im Aussetzungsverfahren.
Will das Gericht die Ablehnung der Aussetzung (auch) auf die fehlende Erprobung des Gefangenen in Lockerungen stützen, darf es sich nicht mit dem Umstand einer - von der Vollzugsbehörde verantworteten - begrenzten Tatsachengrundlage abfinden. Es hat von Verfassungs wegen selbstständig zu klären, ob die Begrenzung der Prognosebasis zu rechtfertigen ist, weil die Versagung von Lockerungen auf hinreichendem Grund beruht(e). Nach Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG ist alleine der zuständige Richter zur Entscheidung über die Fortdauer der Freiheitsentziehung berufen; er muß die vollständige Verantwortung für die Rechtfertigung der Freiheitsentziehung übernehmen können (vgl. BVerfGE 22, 311, 318 f.; 86, 288, 328). Dies ist nur dann gewährleistet, wenn dieser Richter die (Prognose)Basis seiner Entscheidung eigenständig klärt und diese Aufgabe nicht Dritten überläßt. Vor allem verbietet es sich, daß die Exekutive über eine - ungeprüfte, möglicherweise rechtswidrige - Einflußnahme auf die Tatsachengrundlage der richterlichen Entscheidung über den Freiheitsentzug deren Inhalt und Ergebnis faktisch vorwegnimmt (vgl. BVerfGE 10, 302, 310; 83, 24, 33; 86, 288, 328; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 13. 12. 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, 1133, 1134 [= StV 1998, 432]; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 10. 12. 2007 - 2 BvR 1033/06 -, NVwZ 2008, 304, 305; zur Problematik für die Gutachtertätigkeit vgl. Nedopil, NStZ 2002, 344, 349; zur selbstständigen Prüfungspflicht der (Straf)Gerichte in anderem Kontext - Abhängigkeit der Strafbarkeit von möglicherweise rechtswidrigem Verwaltungshandeln - vgl. BVerfGK 1, 72, 80).
Das zur Entscheidung über die Aussetzung berufene Gericht muß daher die Rechtmäßigkeit der bisherigen Versagung von Lockerungen eigenständig prüfen. Maßstab der Prüfung ist, ob die Vollzugsbehörde bei der Versagung von Lockerungen die unbestimmten Rechtsbegriffe der Befürchtung von Flucht oder Mißbrauch der Lockerungen zu Straftaten (§ 11 Abs. 2 StVollzG) richtig ausgelegt und angewandt, alle relevanten Tatsachen zutreffend angenommen und den Sachverhalt vollständig ermittelt hat. Bei seiner Prüfung hat das Gericht im Aussetzungsverfahren zu beachten, daß der Versagungsgrund der Flucht- oder Mißbrauchsgefahr zwar geeignet ist, einen - verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden - prognostischen Beurteilungsspielraum zu eröffnen, in dessen Rahmen die Vollzugsbehörde mehrere Entscheidungen treffen kann, die gleichermaßen rechtlich vertretbar sind, daß allerdings das Freiheitsgrundrecht des Gefangenen diesem Beurteilungsspielraum auch Grenzen zieht: Die Vollzugsbehörde muß bei einem Gefangenen, dessen Entlassung nur noch von einer positiven Kriminalprognose des Richters abhängt, beachten, daß sie dem Gefangenen, soweit vertretbar, eine Bewährung zu ermöglichen und ihn auf eine Entlassung vorzubereiten hat, damit dessen grundrechtlich garantierter Freiheitsanspruch durch den Richterentscheid (Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG) zeitgerecht realisiert werden kann (vgl. BVerfGE 117, 71, 108; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 13. 12. 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, 1133, 1134 [= StV 1998, 432]; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 22. 03. 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, 2202, 2204 [= StV 1998, 428]; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 24. 10. 1999 - 2 BvR 1538/99 -, NJW 2000, 502, 504 [= StV 2000, 265]; vgl. auch BVerfGE 109, 133, 166 [= StV 2004, 267]).
Die Rechtmäßigkeit der Versagung von Lockerungen haben die Gerichte im Aussetzungsverfahren auch dann zu prüfen, wenn die Frage Gegenstand gerichtlicher Überprüfung im Verfahren nach dem StVollzG war. Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG vertraut die zur Entscheidung über die Freiheitsentziehung erforderliche Aufklärung des Sachverhalts dem im konkreten Verfahren zur Entscheidung über die Freiheitsentziehung berufenen Richter an. Im Verfahren über die Aussetzung der Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe ist dies gem. § 78a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GVG die StVK in der aus § 78b Abs. 1 Nr. 1 GVG ersichtlichen Besetzung. Daher hat das BVerfG die eigenständige Prüfungspflicht der Gerichte im Aussetzungsverfahren unabhängig davon betont, ob beziehungsweise inwieweit sich die Gerichte im Lockerungsverfahren mit der Frage der Rechtmäßigkeit der Versagung schon beschäftigt hatten (vgl. BVerfGE 117, 71, 108; vgl. auch BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 22. 03. 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, 2202, 2204 [= StV 1998, 428]; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 24. 10. 1999 - 2 BvR 1538/99 -, NJW 2000, 502, 504 [= StV 2000, 265]). Das Erfordernis eigenverantwortlicher Prüfung schließt aber nicht aus, daß sich das Gericht im Aussetzungsverfahren - im Wege einer nachvollziehenden Prüfung - die Gründe rechtskräftiger Entscheidungen im Lockerungsverfahren zueigen macht, soweit die Versagung von Lockerungen dort inhaltlich hinreichend überprüft worden ist.
Denn auch dann ist sichergestellt, daß das zur Entscheidung über die Aussetzung berufene Gericht volle Verantwortung für die Rechtfertigung der Fortdauer des Freiheitsentzugs übernehmen kann (vgl. BVerfGE 22, 311, 318 f.; 86, 288, 328).
Kommt das Gericht dieser Prüfungspflicht nicht oder nicht hinreichend nach, entspricht die auf fehlende Erprobung gestützte Ablehnung der bedingten Entlassung nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die Entscheidung beruht dann auf unzureichender Sachaufklärung. Nur wenn sich herausstellt, daß die Nichtgewährung von Lockerungen auf hinreichendem Grund beruht(e), darf die fehlende Erprobung des Betroffenen bei der Prognose ohne Einschränkungen zu seinem Nachteil verwertet werden (vgl. BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 22. 03. 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, 2202, 2204 [= StV 1998, 428]; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 02. 07. 1998 - 2 BvR 910/98 -, unveröffentlicht - Umdruck anliegend; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 24. 10. 1999 - 2 BvR 1538/99 -, NJW 2000, 502, 504 [= StV 2000, 265]; BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 11. 06. 2002 - 2 BvR 461/02 -, juris, Abs.-Nr. 11; BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 05. 10. 2004 - 2 BvR 558/04 -, juris, Abs.-Nr. 7 f.).
d) Die unberechtigte Versagung von Lockerungen begründet ein von der Exekutive zu verantwortendes Prognosedefizit. Sie darf nicht unbesehen zum Nachteil des Gefangenen gehen. Die Konsequenzen dieser Prognoseunsicherheit für die Aussetzungsentscheidung haben die Gerichte auf Grundlage einer wertenden Betrachtung aller Umstände des Einzelfalles und vor dem Hintergrund des Spannungsverhältnisses zwischen dem Freiheitsanspruch des Gefangenen und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit, das auch hier nach einem vertretbaren und gerechten Ausgleich verlangt, zu finden. Dabei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
aa) Das Freiheitsgrundrecht des Gefangenen verbietet eine generelle Folgenlosigkeit einer verfassungswidrigen Lockerungspraxis im Aussetzungsverfahren. Es wäre mit dem besonderen Gewicht der materiellen Freiheitsgarantie unter den grundgesetzlich geschützten Rechten, die auch in der verstärkten prozeduralen Sicherung durch den Richtervorbehalt in Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG zum Ausdruck kommt (vgl. BVerfGE 10, 302, 323; 105, 239, 248; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 10. 12. 2007 - 2 BvR 1033/06 -, NVwZ 2008, 304, 305), nicht zu vereinbaren, würde die Vollzugsbehörde die richterliche Entscheidung im Aussetzungsverfahren über eine Schmälerung der Entscheidungsgrundlage gleichsam zwangsläufig präjudizieren. Zwar muß sich eine rechtswidrige Versagung von Lockerungen über einen prognoserelevanten Zeitraum hinweg (vgl. dazu BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 17. 06. 1999 - 2 BvR 867/99 -, NJW 2000, 501, 502) nicht in jedem Einzelfall unmittelbar auf die Prognoseentscheidung - im Sinne eines Verwertungsverbots - auswirken. Die von der Exekutive zu verantwortende Prognoseunsicherheit muß sich aber auf die im Aussetzungsverfahren zu treffende Entscheidung unmittelbar auswirken können. Daß der Gesetzgeber die Entscheidung über Lockerungen der Exekutive zugewiesen und zur gerichtlichen Kontrolle der Lockerungsentscheidung einen eigenen Rechtszug eingerichtet hat, vermag die Folgenlosigkeit einer rechtswidrigen Lockerungspraxis für die Aussetzungsentscheidung nicht zu begründen (so aber: OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 24. 01. 2000 - 3 Ws 1123-1124/99 -, NStZ-RR 2001, 311, 312 ff. im Anschluß an Wolf, NStZ 1998, 590 f.; dem folgend: KG Berlin, Beschl. v. 29. 11. 2001 - 1 AR 1196/01 -, juris, Abs.-Nr. 33; OLG Hamm, Beschl. v. 26. 10. 2004 - 1 Ws 10/04 -, NStZ 2006, 64 (LS); ThürOLG, Beschl. v. 03. 03. 2006 - 1 Ws 50/06 -, juris, Abs.-Nr. 41-47). Andernfalls bestünde die Gefahr, daß der Richtervorbehalt in Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG in der Praxis weitgehend leerläuft. Er steht aber nicht zur Disposition des Gesetzgebers, sondern verpflichtet alle staatlichen Organe, dafür Sorge zu tragen, daß er als Freiheitssicherung praktisch wirksam wird (vgl. BVerfGE 105, 239, 248).
Neben der - grundsätzlichen - Verantwortung der Vollzugsbehörde für das Prognosedefizit steht die Eigenverantwortung des Gefangenen für die Durchsetzung seines Freiheitsgrundrechts und seines Resozialisierungsanspruchs (vgl. BVerfGE 117, 71, 92 f., 104). Der Gefangene hat die Möglichkeit, sich Lockerungen - über Anträge und die Beschreitung des dafür vorgesehenen Rechtswegs - zu erstreiten und so mittelbar einer von der Vollzugsbehörde verantworteten Prognoseunsicherheit im Aussetzungsverfahren vorzubeugen. Wann der Gefangene darauf in einer Weise verzichtet hat, die einen Vorrang seiner Verantwortlichkeit begründet und die Verantwortlichkeit der Vollzugsbehörde zurücktreten läßt, braucht hier nicht allg. entschieden zu werden. Die unterlassene Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die Versagung von Lockerungen kann jedenfalls dann nicht zu einem Zurücktreten der Verantwortlichkeit der Vollzugsbehörde für das Prognosedefizit führen, wenn selbst bei Erfolg des Rechtsbehelfs eine Erprobung über einen prognoserelevanten Zeitraum vor der anstehenden Aussetzungsentscheidung nicht mehr möglich gewesen wäre.
bb) Dem von Verfassungs wegen ohnehin hoch zu veranschlagenden Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit kommt vor dem Hintergrund des mangels Erprobung bestehenden Prognosedefizits gesteigerte Bedeutung zu. Die Verwertbarkeit des Umstandes fehlender Erprobung bei der Entscheidung über die Aussetzung generell auszuschließen, würde ein Risiko auf die Allgemeinheit verlagern, das im Einzelfall erheblich sein kann. Dem hat das BVerfG Rechnung getragen und seine Aussage, daß Vollzugslockerungen von Rechts wegen nicht notwendigerweise Voraussetzung für eine bedingte Entlassung sind (BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 11. 06. 2002 - 2 BvR 461/02 -, juris, Abs.-Nr. 11) im Kontext der lebenslangen Freiheitsstrafe um die Feststellung ergänzt, daß eine Erprobung in Lockerungen der (Entscheidung über die) Aussetzung des Strafrests in der Regel vorausgeht (vgl. BVerfGE 117, 71, 108). Bei langen Haftzeiten zeigt sich typischerweise in besonderem Maße die Notwendigkeit, in sorgfältig gestuftem Vorgehen durch Lockerungen die Resozialisierungsfähigkeit des Gefangenen zu testen und ihn schrittweise auf die Freiheit vorzubereiten (vgl. BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 22. 03. 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, 2202, 2204 [= StV 1998, 428]; vgl. auch BVerfGE 117, 71, 108). Den in Freiheit nicht erprobten Gefangenen nach langen Jahren des Vollzugs unvorbereitet in die Freiheit zu entlassen, begründete für sich genommen einen erheblichen Risikofaktor für einen Rückfall.
cc) Vor dem Hintergrund dieses Spannungsverhältnisses hat das Gericht im Aussetzungsverfahren zunächst die Pflicht, auf die Vollzugsbehörde einzuwirken. Ist diese bei der Entscheidung über Lockerungen dem grundrechtlich garantierten Freiheitsanspruch des Gefangenen nicht oder nicht hinreichend gerecht geworden, muß ihr das Gericht im Aussetzungsverfahren - unter Ausschöpfung seiner prozessualen Möglichkeiten - von Verfassungs wegen deutlich machen, daß Vollzugslockerungen geboten sind (vgl. BVerfGE 117, 71, 108 f.; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 22. 03. 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, 2202, 2204 [= StV 1998, 428]).
(1) Hierzu verlegen sich die Strafvollstreckungsgerichte im Aussetzungsverfahren nicht selten auf die Erteilung von Hinweisen an die Vollzugsbehörde. Dabei lehnen sie die bedingte Entlassung mangels Erprobung ab, weisen aber in den Gründen der Aussetzungsentscheidung darauf hin, daß Vollzugslockerungen nunmehr geboten sind (vgl. etwa OLG Nürnberg, Beschl. v. 27. 05. 1999 - Ws 179/99 -, unveröffentlicht - Umdruck anliegend; wiedergegeben in BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 06. 06. 2001 - 2 BvR 828/01 -, juris, Abs.-Nr. 4, insoweit nicht wiedergegeben in NJW 2001, 2707; OLG Köln, Beschl. v. 15. 12. 2004 - 2 Ws 521/04 -, juris, Abs.- Nr. 9 und 19; OLG Köln, Beschl. v. 26. 08. 2005 - 2 Ws 202/05 -, juris, Abs.-Nr. 12 und 22; unter Hinweis an Vollzugsbehörde auf Erforderlichkeit eines Sachverständigengutachtens zur Lockerungseignung: OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 10.11. 2003 - 3 Ws 1141/03 -, NStZ-RR 2004, 62, 63; zur Praxis: LK-Hubrach, StGB, 12. Aufl. 2007, § 57 Rn. 17; LK-Schöch, StGB, 12. Aufl. 2007, Vor § 61 Rn. 152; LK-Rissing-van Saan/Peglau, StGB, 12. Aufl. 2007, § 67d Rn. 99). Dieses Vorgehen ist für sich genommen nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 11. 06. 2002 - 2 BvR 461/02 -, juris, Abs.-Nr. 11). Solche Hinweise bergen aber die Gefahr geringer praktischer Wirksamkeit in sich (vgl. BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 06. 06. 2001 - 2 BvR 828/01 -, juris, Abs.-Nr. 4 und 15, insoweit nur teilweise wiedergegeben in NJW 2001, 2707 f.; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 22. 03. 1998 - 2 BvR 77/97 -, juris, Abs.-Nr. 13 und 55, insoweit nur teilweise wiedergegeben in NJW 1998, 2202, 2204 [= StV 1998, 428]). Der Gefangene bleibt darauf angewiesen, daß die Hinweise bei der Vollzugsbehörde fruchten und von dieser zeitnah - nach Möglichkeit vor der nächsten Aussetzungsentscheidung - umgesetzt werden. Bleibt die Umsetzung der Hinweise aus, kann der Gefangene zwar den Rechtsweg nach § 109 Abs. 1, § 116 Abs. 1 StVollzG beschreiten. Eine solche Vorgehensweise kann sich aber als langwierig erweisen und führt daher selbst bei einem Obsiegen nicht zwangsläufig dazu, daß die Prognoseunsicherheit im kommenden Aussetzungsverfahren beseitigt ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18. 09. 2003 - 1 Ws 105/03 -, NStZ-RR 2004, 61, 62). Auch kann im gerichtlichen Verfahren nach dem StVollzG ein anderer Spruchkörper zuständig sein als der, der über die Aussetzung entschieden und den Hinweis erteilt hat. Zwar können in der gerichtlichen Praxis Geschäftsverteilungspläne im Einzelfall für eine (teilweise) personelle Identität der richterlichen Spruchkörper sorgen und so eine praktische Umsetzung der Hinweise sicherstellen. Es mag auch sein, daß in der gelebten Praxis der StVKn vielerorts ohnehin eine informelle Verständigung zwischen den in Vollzugssachen und den im Aussetzungsverfahren entscheidenden Richtern stattfindet. Der Gefangene hat hierauf aber keinen Einfluß und muß nach erteiltem Hinweis ganz wesentlich auf ein kooperatives Zusammenwirken zwischen Gericht im Aussetzungsverfahren und Vollzugsbehörde vertrauen.
Daß ein solches kooperatives Zusammenwirken nicht stets gewährleistet ist, belegen wiederum Entscheidungen aus der strafvollstreckungsgerichtlichen Praxis, in denen Gerichte im Aussetzungsverfahren nach zuvor vergeblich erteilten Hinweisen erneut die Erprobung des Gefangenen in Lockerungen anmahnen, wobei sie teilweise die Intensität der Hinweise erhöhen. Dies geschieht etwa dadurch, daß sie in der die Aussetzung ablehnenden Entscheidung näher präzisieren, welche Art von Lockerungen geboten sei, oder die Vollzugsbehörde beziehungsweise die in einem potentiellen Verfahren nach § 109 Abs. 1 StVollzG mit der Sache befaßten StVKn darauf hinweisen, daß ?nunmehr' hinsichtlich der Gewährung von Lockerungen von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen sei (vgl. OLG Nürnberg, Beschl. v. 27. 05. 1999 - Ws 179/99 -, unveröffentlicht; KG Berlin, Beschl. v. 29. 11. 2001 - 1 AR 1196/01 -, juris, Abs.-Nr. 31 und 34; OLG Köln, Beschl. v. 26. 08. 2005 - 2 Ws 202/05 -, juris, Abs.-Nr. 12, 22, 23 und 43; vgl. auch OLG Celle, Beschl. v. 25. 03. 1994 - 2 Ws 8/94 -, StV 1995, 90). Nicht anders als die Befolgung der früheren, allg. gehaltenen Hinweise liegt die Umsetzung dieser Vorgaben faktisch in der Hand der Vollzugsbehörde. Damit laufen auch diese Mechanismen - die ihrerseits schon Reaktion auf das Leerlaufen zuvor erteilter Hinweise sind - Gefahr, gerade mit Blick auf die gebotene zeitnahe Beseitigung der Prognoseunsicherheit praktisch unwirksam zu bleiben.
Die Einwirkung der Vollstreckungsgerichte auf die Vollzugsbehörde muß aber wegen der besonderen Bedeutung der Vollzugslockerungen für die Prognosebasis der richterlichen Entscheidung effektiv sein. Dies haben die Gerichte bei ihrer Entscheidung, wie sie der Vollzugsbehörde das Gebotensein von Lockerungen deutlich machen, zu berücksichtigen. Hinweise an die Vollzugsbehörde sind deshalb nicht von vornherein ungeeignet. Die Gerichte haben aber stets zu prüfen, ob nicht im konkreten Fall Maßnahmen notwendig sind, die sich unmittelbarer auf die Aussetzungsentscheidung niederschlagen. Einen Gefangenen, dessen bedingte Entlassung nur noch von einer günstigen Prognose des Richters abhängt, - unter Umständen gar wiederkehrend - ohne greifbare Konsequenzen auf künftige Aussetzungsverfahren zu verweisen, in denen sich eine unverändert fortbestehende Prognoseunsicherheit stets aufs Neue zum Nachteil des Gefangenen auswirkt, wäre von Verfassungs wegen nicht hinnehmbar.
(2) Im Sinne der von Verfassungs wegen gebotenen effektiven Durchsetzung des Freiheitsgrundrechts des Gefangenen hat das BVerfG betont, daß die Vollstreckungsgerichte im Aussetzungsverfahren ihre prozessualen Möglichkeiten auszuschöpfen haben, wenn es darum geht, der Vollzugsbehörde das Gebotensein von Lockerungen deutlich zu machen (vgl. BVerfGE 117, 71, 108). Das BVerfG hat dabei ausdrücklich festgestellt, daß zu diesen - im Einzelfall zu prüfenden - Möglichkeiten auch ein Vorgehen auf der Grundlage von § 454a Abs. 1 StPO gehört (vgl. BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 22. 03. 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, 2202, 2204 [= StV 1998, 428]; NStZ-RR 2004, 61; darauf verweisend BVerfGE 117, 71, 108).
§ 454a Abs. 1 StPO ermöglicht es den Vollstreckungsgerichten, dem Freiheitsgrundrecht des Betroffenen über eine effektive Begrenzung der nachteiligen Folgen des Prognosedefizits praktische Wirksamkeit zu verleihen, ohne damit unverantwortbare Risiken auf die Allgemeinheit zu verlagern. Das Gericht kann nach dieser Vorschrift die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung anordnen, ohne daß dies zur sofortigen Freilassung des Betroffenen führt. Die Norm gestattet dem Gericht, den zukünftigen Entlassungszeitpunkt so festlegen, daß der Vollzugsbehörde eine angemessene Erprobung des Verurteilten in Lockerungen möglich bleibt (vgl. BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 22. 03. 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, 2202, 2204 [= StV 1998, 428]).
Ein Vorgehen nach § 454a Abs. 1 StPO stärkt das Freiheitsgrundrecht des Verurteilten. Anders als die Gewährung von Lockerungen ist der Entlassungszeitpunkt kraft Gesetzes der Disposition der Vollzugsbehörde entzogen (vgl. § 16 StVollzG), so daß sich bei weiterer grundloser Versagung von Lockerungen das Freiheitsgrundrecht des Gefangenen zum - vom Gericht im Aussetzungsverfahren festgelegten - Entlassungszeitpunkt sicher realisiert. Zwar verhindert das bisherige - von den Vollzugsbehörden zu verantwortende - Prognosedefizit vorerst eine Entlassung. Die nachteiligen Folgen des Prognosedefizits für das Freiheitsgrundrecht des Gefangenen werden aber wirksam beschränkt. Anders als bei bloßen Hinweisen der Gerichte im Aussetzungsverfahren ist sichergestellt, daß der Freiheitsentzug allenfalls bis zum Entlassungszeitpunkt auf einer - rechtswidrigen - Schmälerung der Prognosebasis seitens der Exekutive beruht (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 26. 08. 2005 - 2 Ws 202/05 -, juris, Abs.-Nr. 41-49).
Eine unverantwortbare Risikoverlagerung zu Lasten der Allgemeinheit ist damit nicht verbunden. Das Vollstreckungsgericht kann den Entlassungszeitpunkt so wählen, daß der Vollzugsbehörde ein angemessener Zeitraum für eine aussagekräftige Erprobung zur Verfügung steht. Dieser Zeitraum ist von Gesetzes wegen nicht beschränkt (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11. 09. 1991 - 1 Ws 297/91 -, NStZ 1992, 148 [= StV 1992, 26]). Hat ein Sachverständiger - wie hier - für eine Entlassungsvorbereitung einen bestimmten Zeitraum für erforderlich gehalten, kann sich das Gericht bei Festlegung des Entlassungszeitpunkts hieran orientieren.
Daß damit eine unter Umständen weit in die Zukunft gerichtete Entlassungsentscheidung getroffen wird, kann im Einzelfall verantwortbar sein. Denn in der gesamten Zeit bis zur Entlassung des Gefangenen ist eine Korrektur der Aussetzungsentscheidung unter erleichterten Voraussetzungen möglich. Nach § 454a Abs. 2 S. 1 Halbsatz 1 StPO kann das Vollstreckungsgericht - ungeachtet der Widerrufsmöglichkeit nach § 56f Abs. 1 StGB - die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes bis zur Entlassung des Betroffenen wieder aufheben, wenn die Strafaussetzung aufgrund neu eingetretener oder bekannt gewordener Tatsachen unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht mehr verantwortet werden kann (vgl. BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 21. 04. 1993 - 2 BvR 1706/92 -, NJW 1994, 377 f.; BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 20. 02. 2001 - 2 BvR 1261/00 -, NJW 2001, 2247 [= StV 2001, 467]). Im vorliegenden Zusammenhang kommt - außer bei generell neuen prognoserelevanten Umständen, die sich auch auf die Gewährung von Lockerungen auswirken können - eine Aufhebung der Strafaussetzung primär bei gefährlichkeitsindizierender Nichtbewährung des Gefangenen in den dann erforderlichen Lockerungen in Betracht. Zudem kann der Verurteilte in der - sofort zu treffenden - Aussetzungsentscheidung einem engmaschigen Netz von Auflagen und Weisungen unterworfen und sogleich einem Bewährungshelfer unterstellt werden, der bereits in der Zeit bis zur Entlassung Kontakt zu dem Gefangenen aufnehmen und ihn im Erprobungszeitraum zusätzlich unterstützen kann. § 454a Abs. 1 StPO berücksichtigt die Regelung des § 56a Abs. 2 StGB, nach der die Bewährungszeit nicht erst mit dem tatsächlichen Entlassungszeitpunkt, sondern mit der Rechtskraft der Aussetzungsentscheidung beginnt. Der Gesetzgeber hat diesen Beginn nicht nur deshalb für sinnvoll gehalten, weil auch Taten, die der Gefangene in der entlassungsvorbereitenden Phase begeht, den Widerruf der Strafaussetzung auslösen können, sondern weil es im Einzelfall gerade angebracht sein kann, den Gefangenen schon in dieser Phase durch einen Bewährungshelfer betreuen zu lassen (vgl. BT-Drucks. 10/2720, 15; vgl. dazu OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24. 01. 2005 - 1 Ws 318/04 -, BeckRS 2005 01745; vgl. weiter LG Regensburg, Beschl. v. 28. 12. 1998 - StVK 41/93 -, unveröffentlicht - Umdruck anliegend). Schließlich wird das durch eine frühzeitige Aussetzungsentscheidung begründete Risiko durch die Verlängerung der - mit Rechtskraft der Aussetzungsentscheidung beginnenden - Bewährungszeit kompensiert: Liegen zwischen Aussetzungsentscheidung und festgelegtem Entlassungszeitpunkt mindestens 3 M., verlängert sich die Bewährungszeit um den dazwischen liegenden Zeitraum (§ 454a Abs. 1 StPO; vgl. dazu OLG Koblenz, Beschl. v. 06. 01. 1994 - 2 Ws 761/93 -, RPfl. 1994, 381 f.).
(3) All dies schließt nicht aus, daß die sofortige Freilassung des Gefangenen geboten sein kann. So ist denkbar, daß ein - unter Umständen enges - Netz von Auflagen und Weisungen und die Betreuung durch einen Bewährungshelfer im Rahmen der bedingten Entlassung das von der Vollzugsanstalt zu verantwortende Prognosedefizit in einer Weise zu kompensieren verspricht, die dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit gerecht wird und das schwer einschätzbare Risiko einer Rückfalltat effektiv begrenzt (zur Pflicht zur Berücksichtigung der möglichen Wirkung von Weisungen und Bewährungshelfer nach langjähriger Bewährung in Vollzugslockerungen vgl. BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 23. 09. 1991 - 2 BvR 1327/89 -, NJW 1992, 2344, 2345 f. [= StV 1992, 25]). Bei langen Haftzeiten wird solch eine unvorbereitete Entlassung freilich selten in Betracht kommen, da das - hier erhöhte - Risiko eines Rückfalls, anders als bei einer Anwendung von § 454a Abs. 1 StPO, nicht über erweiterte Möglichkeiten einer Korrektur der Aussetzung zum Schutze der Allgemeinheit aufgefangen wird. Die mögliche Korrektur beschränkt sich auf die Widerrufsgründe des § 56f Abs. 1 StGB, während gefährlichkeitsindizierendes Verhalten des Betroffenen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle und außerhalb des Anwendungsbereichs erteilter Auflagen und Weisungen zu einer Korrektur der Entlassungsentscheidung nicht ermächtigt. In Betracht kommen kann eine sofortige bedingte Entlassung aber auch dann, wenn im konkreten Fall dem Freiheitsgrundrecht des Gefangenen nur noch durch seine sofortige bedingte Entlassung angemessen Geltung verschafft werden kann. Dies kann etwa bei kurzen bis mittleren Haftzeiten der Fall sein, wenn die Erprobung über einen längeren Zeitraum rechtswidrig unterblieben ist und angesichts der zeitlichen Nähe des Endstrafentermins zur Aussetzungsentscheidung weder die Erteilung eines Hinweises an die Vollzugsbehörde noch ein Vorgehen nach § 454a Abs. 1 StPO dem Freiheitsrecht angemessen Geltung verschaffen könnte (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 04. 12. 2007 - 2 Ws 321/07 -, juris, Abs.-Nr. 7-12).
2. Die angegriffenen Entscheidungen halten diesem Maßstab nicht stand. Sie beruhen auf unzureichender Sachaufklärung. Die Gerichte haben die bedingte Entlassung des Bf. auch unter Hinweis auf seine fehlende Erprobung in Lockerungen abgelehnt, ohne zuvor die Rechtmäßigkeit der Lockerungsversagung hinreichend zu klären.
a) Der von der möglicherweise rechtswidrigen Versagung von Lockerungen betroffene Zeitraum hat Prognoserelevanz. Zwischen dem Antrag des Bf. auf Ausgang und der Entscheidung im Aussetzungsverfahren liegen knapp zweieinhalb Jahre. Dieser Zeitraum ist erheblich. Eine Erprobung des Bf. über diese lange Zeit hätte ohne jeden Zweifel aussagekräftige Erkenntnisse für die Prognoseentscheidung erbracht und die bestehende Prognoseunsicherheit deutlich reduziert. Mit knapp zweieinhalb Jahren übersteigt die Dauer der möglicherweise rechtswidrigen Versagung sogar den vom Sachverständigen im Prognosegutachten in vergleichbaren Fällen für erforderlich gehaltenen entlassungsvorbereitenden Erprobungszeitraum von 2 J. In jedem Fall hätte der Bf. bei zeitnaher Einleitung der Erprobung auf seinen Antrag auf Ausgang vom Januar 2006 hin die greifbare Chance gehabt, im Aussetzungsverfahren einen langen Zeitraum erfolgreicher Erprobung vorzuweisen. Dieser Umstand hätte in das Prognosegutachten des Sachverständigen einfließen können.
b) Die Gerichte haben die Rechtmäßigkeit der Lockerungsversagung nicht hinreichend geprüft.
aa) Das LG beließ es bei dem unzureichenden Hinweis, daß es Sache des Bf. sei, Lockerungsmaßnahmen gerichtlich durchzusetzen, und daß das von ihm insoweit betriebene Verfahren noch nicht abgeschlossen sei. Wollte die Kammer die Ablehnungsentscheidung auf die fehlende Erprobung des Bf. stützen, war sie dagegen - ungeachtet des Stands des Verfahrens über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 Abs. 1 StVollzG - von Verfassungs wegen verpflichtet, die Tragfähigkeit der (bisherigen) Verweigerung von Lockerungen in eigener Verantwortung zu prüfen.
Dies gilt auch deshalb, weil ohne eine solche Prüfung Verzögerungen im Lockerungsverfahren, die vom Gefangenen nicht zu vertreten sind, ohne sachlichen Grund zu seinem Nachteil auf das Aussetzungsverfahren durchschlagen könnten. Der vorliegende Fall belegt dies anschaulich. Das Lockerungsverfahren war im Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung des LG ausschließlich aus in der Sphäre von JVA und Gericht liegenden Gründen noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Gestützt auf das Lockerungsgutachten des Sachverständigen von November 2005 hatte der Bf. am 02. 01. 2006 Antrag auf Ausgang gestellt. Diesen hat die JVA erst (vgl. die Wertung in § 113 Abs. 1 StVollzG) nahezu 4 M. später - mit Bescheid v. 28. 04. 2006 - abgelehnt. Dabei lag der Anstalt das Lockerungsgutachten seit 15. 11. 2005 als Grundlage für eine Meinungsbildung vor. Den Antrag des Bf. v. 12. 05. 2006 auf gerichtliche Entscheidung verwarf das LG erst mit Beschl. v. 05. 12. 2006 - zu Unrecht - als unzulässig. Zwischen Aufhebung dieses Beschl. durch das OLG und erneuter Entscheidung des LG vergingen mehr als eineinhalb Jahre. Damit nahm das gesamte Verfahren zum Erstreiten der Lockerung mehr als zweieinhalb Jahre in Anspruch. Es ist bereits fraglich, ob eine solche Sachbehandlung mit dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot noch vereinbar ist (vgl. BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 06. 06. 2001 - 2 BvR 828/01 -, NJW 2001, 2707 f.). Jedenfalls aber verbietet es - zumindest nach rechtzeitiger Beantragung von Lockerungen - die freiheitssichernde Funktion des Richtervorbehalts in Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG, daß die Prüfungspflicht der Gerichte im Aussetzungsverfahren vom Stand der gerichtlichen Überprüfung der Lockerungsversagung im Verfahren nach § 109 Abs. 1, § 116 Abs. 1 StVollzG abhängt.
bb) Auch das OLG verkennt die Erforderlichkeit einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Tragfähigkeit der (bisherigen) Ablehnung von Lockerungen. Mit dem Hinweis, daß von einer unberechtigten Verweigerung von Lockerungen deshalb keine Rede sein könne, weil der Bf. gegen die ablehnende Entscheidung der StVK v. 15. 07. 2008 nicht in Rechtsbeschwerde gegangen sei, schließt der Senat die Tragfähigkeit der bisherigen Verweigerung von Lockerungen unzureichend aus der formellen Rechtskraft der Entscheidung im Lockerungsverfahren. Dagegen war von Verfassungs wegen zu prüfen, ob die Verweigerung materiell auf einer tragfähigen Grundlage beruhte. Die danach gebotene inhaltliche Auseinandersetzung mit der Lockerungen ablehnenden Entscheidung der JVA v. 28. 04. 2006 unterbleibt. Anlaß zu solcher Auseinandersetzung bestand umso mehr, als der Sachverständige bereits in seinem von der JVA in Auftrag gegebenen - mit dem Prognosegutachten weitgehend identischen - Gutachten aus dem Jahr 2005 Lockerungsmaßnahmen befürwortet hat und er seine Einschätzung, daß der Bf. bereits zum damaligen Zeitpunkt für Lockerungsmaßnahmen geeignet gewesen sei, im Aussetzungsverfahren ausdrücklich bekräftigt hat.
c) Der Verzicht auf die Rechtsbeschwerde vermag eine maßgebliche Verantwortung des Bf. für das Prognosedefizit nicht zu begründen. Nach den bereits eingetretenen massiven Verzögerungen bei Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Lockerungsversagung hätte selbst eine erfolgreiche Rechtsbeschwerde das Prognosedefizit im Aussetzungsverfahren nicht mehr beseitigen können. Über die Rechtsbeschwerde hätte das OLG erst nach der Aussetzungsentscheidung des LG entscheiden können, so daß eine Beeinflussung der Aussetzungsentscheidung durch das Ergebnis eines Rechtsbeschwerdeverfahrens ausschied.
d) Die Entscheidungen sind auch nicht deshalb verfassungsrechtlich haltbar, weil sich die Rechtmäßigkeit der Lockerungsversagung im Verfassungsbeschwerdeverfahren sicher feststellen ließe. Die Fachgerichte haben keinerlei Feststellungen zu den näheren Gründen der Versagung getroffen (zu den Darlegungsanforderungen vgl. BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 24. 10. 1999 - 2 BvR 1538/99 -, NJW 2000, 502, 504 [= StV 2000, 265]; BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 16. 10. 2002 - 2 BvR 1293/02 -, BeckRS 2002 30288099; BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 05. 10. 2004 - 2 BvR 558/04 -, juris, Abs.-Nr. 8). Konkrete Tatsachen, die - unbeschadet dessen - eine Fluchtgefahr oder die Gefahr des Mißbrauchs von Lockerungen in offensichtlicher Weise begründeten (vgl. BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 11. 06. 2002 - 2 BvR 461/02 -, juris, Abs.-Nr. 14), sind nicht ersichtlich. Nach den - von den Gerichten im Aussetzungsverfahren nicht in Zweifel gezogenen - Ausführungen des Sachverständigen war der Bf. seit November 2005 für Lockerungen geeignet.
I. 1. Die Entscheidung über die Aufhebung und Zurückverweisung beruht auf § 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG.
2. Der bisherige Verfahrensablauf gibt Anlaß, die StVK für die nunmehr erneut zu treffende Entscheidung über die Aussetzung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe auf folgendes hinzuweisen:
a) Will die Kammer die Ablehnung der sofortigen Entlassung des Bf. auf die fehlende Erprobung stützen, hat sie zuvor die materielle Rechtmäßigkeit der Lockerungsversagung im Wege eigenständiger Prüfung festzustellen. Dabei darf sich die Kammer auf die Gründe des - rechtskräftigen - Beschl., mit dem das LG den Antrag des Bf. auf gerichtliche Entscheidung im Lockerungsverfahren zurückgewiesen hat, nur beziehen, wenn eine nachvollziehende Prüfung dieser Gründe ergibt, daß die Entscheidung der Vollzugsbehörde dort inhaltlich hinreichend auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft wurde.
b) Kommt die StVK zu dem Ergebnis, daß Lockerungen - seit Anfang Januar 2006 - ohne hinreichende Begründung unterblieben sind, hat sie im Wege der von Verfassung gebotenen Einwirkung auf die Vollzugsbehörde ein Vorgehen nach § 454a Abs. 1 StPO zu erwägen. Der Versagungszeitraum ist erheblich und hätte - auf Basis der Ausführungen des Sachverständigen - das vollständige Durchlaufen einer entlassungsvorbereitenden Erprobung vor Ablauf der Mindestverbüßungsdauer ermöglicht. Der Bf., dessen bedingte Entlassung nur noch von einer hinreichend günstigen Prognose abhängt, nähert sich dem 16. Jahr des Freiheitsentzugs ohne Lockerungen. Ein bloßer Hinweis in einer die bedingte Entlassung erneut ablehnenden Entscheidung auf das - dringende - Gebotensein von Lockerungen könnte sich als nicht hinreichend effektiv erweisen. Setzt die Vollzugsbehörde die Hinweise nicht um, vergehen - je nach festgesetzter Sperrfrist - unter Umständen weitere 2 J. bis zu einer erneuten Aussetzungsentscheidung. Wäre die Prognoseunsicherheit dann noch immer nicht beseitigt, befände sich der Bf. mehr als 18 J. ohne Lockerungen im Vollzug. Damit reichte seine Vollzugsdauer - ohne greifbare Entlassungschance - an die durchschnittliche Verbüßungsdauer bei lebenslanger Freiheitsstrafe von 20 J. (BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats v. 06. 06. 2001 - 2 BvR 828/01 -, NJW 2001, 2707, 2708) heran, obwohl der von der Kammer in der angegriffenen Entscheidung als erfahren und fachlich verläßlich beschriebene Gutachter bereits nach Ablauf des dreizehnten Vollstreckungsjahres die Erprobungseignung des Bf. bejahte.
In diesem Zusammenhang gibt die Bemerkung der Gerichte in den - hier aufgehobenen - Entscheidungen, daß der Bf. ?gerade erst' die gesetzliche Mindestverbüßungsdauer von 15 J. erreicht habe, Anlaß zu dem Hinweis, daß es einem zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Gefangenen von Verfassungs wegen möglich sein muß, seine Freiheit schon mit Ablauf der gesetzlichen Mindestverbüßungsdauer wieder zu erlangen. Dies kommt auch im Gesetz klar zum Ausdruck: Aus § 454 Abs. 1 S. 4 Nr. 2b StPO folgt, daß der Aussetzungsantrag nur dann verfrüht ist, wenn er vor Ablauf von 13 J. gestellt wird, daß also ein zweijähriger Zeitraum für das Verfahren zur Verfügung gestellt wird, damit im günstigen Fall die Entlassung nach 15 J. pünktlich erfolgen kann (vgl. BVerfGE 86, 288, 327). Dies setzt eine Vollzugspraxis voraus, die dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten - bei Vorliegen der Lockerungsvoraussetzungen - die Chance gibt, eine erfolgreiche Erprobung in Lockerungen schon zum Ablauf der Mindestverbüßungsdauer vorzuweisen. ..."
*** (BGH)
?... Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen erkannte der unter anderem bereits zweimal wegen Totschlags zu langjährigen Haftstrafen verurteilte Angeklagte im Jahr 2006, dass er den Lebensstandard, den er insbesondere seiner Lebensgefährtin bieten wollte, mit seinem Einkommen nicht halten konnte. Zur Aufbesserung seiner desolaten finanziellen Situation beging er in der Zeit von August bis November 2006 zehn Einbruchsdiebstähle in Filialen der Firma D. , wobei es in einem Fall beim Versuch blieb. Mit Hilfe von Nachschlüsseln verschaffte er sich Zutritt zu den Filialen und erbeutete in acht Fällen unter Aufhebeln der Tresore die Tageseinnahmen von insgesamt etwa 16.000 Euro; in einem Fall entwendete er ein technisches Gerät.
Wegen der wiederholten Diebstahlstaten änderte die geschädigte Firma die Anweisungen über die Aufbewahrung der Tageseinnahmen, so dass der Angeklagte zweimal keinen Zugriff auf das Geld hatte. Deswegen nahm er vor der nächsten, für die Nacht vom 9. zum 10. Dezember 2006 geplanten Tat vor Ladenschluss Kontakt zu der letzten Mitarbeiterin in der Essener Filiale auf, um den Ablageort der Tageseinnahmen auszukundschaften. Bei dem Gespräch mit S. M. , die ihn als "Hausmeister" des Unternehmens kannte und daher kein Misstrauen hegte, erfuhr er, dass sie entsprechend der ihr erteilten Weisung das Geld mit nach Hause nehmen wollte, um es am nächsten Tag bei der Bank einzuzahlen. Da der Angeklagte die Tageseinnahmen um jeden Preis an sich bringen wollte, strangulierte er S. M. mit einem Drosselwerkzeug bis der Tod eintrat. Nachdem er den Leichnam in den Keller gebracht und Spuren verwischt hatte, entfernte er sich mit den Tageseinnahmen von rund 3.040 Euro.
Hinsichtlich der Tat zum Nachteil von S. M. hat das Landgericht einen Mord aus Habgier und tateinheitlich einen Raub mit Todesfolge bejaht, das Mordmerkmal der Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht hat es dagegen nicht angenommen. Bei neun der Diebstahlstaten hat es festgestellt, dass der Angeklagte die Taten jeweils unter den in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 StGB genannten Voraussetzungen begangen hat, wobei es in einem Fall beim Versuch geblieben ist; in einem weiteren Fall hat es nur die Voraussetzungen des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB angenommen. ...
III. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die, auch wenn die Bejahung eines weiteren Mordmerkmals in Betracht kommt, zulässig auf die Frage der Schuldschwere beschränkt ist (vgl. BGHSt 41, 57, 61; BGH, Urteil vom 12. Februar 1998 - 4 StR 617/97 = NStZ 1998, 352 f.), hat dagegen Erfolg. Die Ablehnung der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld im Sinne des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
Die Entscheidung der Frage, ob die besondere Schwere der Schuld zu bejahen ist, hat der Tatrichter unter Abwägung der im Einzelfall für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu treffen (vgl. BGHSt 40, 360, 370; 41, 57, 62; 42, 226, 227). Dem Revisionsgericht ist bei der Nachprüfung der tatrichterlichen Wertung eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt; insbesondere ist es gehindert, seine Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. Es hat jedoch zu prüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat (vgl. BGHSt 40, 360, 370). Dieser Prüfung hält die von der Revisionsführerin beanstandete tatrichterliche Entscheidung nicht stand.
Bei der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe sind nach § 57 b StGB Anknüpfungspunkt für die Prüfung der besonderen Schuldschwere regelmäßig sämtliche der Gesamtstrafe zu Grunde liegenden Taten (vgl. BGH NStZ 1997, 277 mit Anm. Stree; NStZ 1998, 352 f.; BGH, Urteil vom 8. August 2001 - 3 StR 162/01). Diesen rechtlichen Ansatz hat das Landgericht verkannt, indem es bei der Entscheidung über die Schuldschwere allein eine zusammenfassende Würdigung der Tat zum Nachteil von S. M. , nicht aber eine Gesamtwürdigung im Hinblick auf alle der Gesamtstrafe zugrunde liegenden Straftaten vorgenommen hat. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass sich die unterbliebene Gesamtwürdigung auf die Beurteilung der Schuldschwere durch das Landgericht ausgewirkt hat. Dies wäre beispielsweise dann auszuschließen, wenn es sich bei den weiteren Straftaten um solche handeln würde, die der leichten Kriminalität zuzurechnen wären; solche Taten sind regelmäßig für die Entscheidung über die besondere Schwere der Schuld ohne Bedeutung (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 137 zu einem Verstoß gegen das Ausländergesetz). Um derartige Taten handelt es sich hier aber nicht, denn es wurden immerhin Einzelstrafen von viermal einem Jahr, einmal zehn Monaten und fünfmal acht Monaten verhängt. Sie stehen zudem mit dem ausgeurteilten Mord in einem inneren Zusammenhang. Ein weiterer Rechtsfehler liegt darin, dass das Landgericht den Umstand, dass der Angeklagte zur Tatzeit unter Bewährung stand, nicht erkennbar in seine Gesamtwürdigung einbezogen hat.
Entgegen der Ansicht der Revisionsführerin ist dagegen rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich das Landgericht auf den Standpunkt gestellt hat, auch das Vorliegen eines weiteren Mordmerkmals - Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht - würde im vorliegenden Fall nicht zur Annahme der besonderen Schwere der Schuld führen. Das Zusammentreffen zweier Mordmerkmale führt nicht schematisch zur Bejahung der besonderen Schuldschwere, sondern nur dann, wenn das weitere Merkmal im konkreten Fall schulderhöhende Umstände aufzeigt. Bei einem Raubmord kann die regelmäßig gleichzeitige Verwirklichung der Mordmerkmale der Habgier und des Ermöglichen einer Straftat der Tat nicht ohne weiteres ein besonders schulderhöhendes Gewicht geben (vgl. BGHR StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 16, 18).
Dass das Landgericht nicht ausdrücklich auf den tateinheitlich begangenen Raub mit Todesfolge eingegangen ist, stellt ebenfalls keinen Rechtsfehler dar, denn beim Zusammentreffen von Raub mit Todesfolge und Mord aus Habgier ist das Unrecht, das in der Herbeiführung des Todes liegt, bereits Gegenstand des Schuldspruchs nach § 211 StGB (vgl. BGHR StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 10; insoweit nicht in BGHSt 39, 208 f. abgedruckt).
Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Verneinung der besonderen Schwere der Schuld auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht. Die Sache bedarf daher insoweit erneuter Entscheidung. Eine Aufhebung der Feststellungen war nicht erforderlich, weil diese von den Rechtsfehlern nicht betroffen sind. Ergänzende Feststellungen bleiben zulässig. ..." (BGH, Urteil vom 09.10.2008 - 4 StR 354/08)
***
?... Die Entscheidung, ob die besondere Schwere der Schuld zu bejahen ist, obliegt dem Tatrichter. Er hat unter Würdigung aller hierzu erheblichen Umstände die Schuld des Angeklagten i.S.d. § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB abzuwägen; dem Revisionsgericht ist insoweit eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt. Es hat die tatrichterliche Entscheidung grundsätzlich hinzunehmen und nur zu prüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat (vgl. BGHSt 40, 360, 370; 41, 57, 62; 42, 226, 227; BGH, NStZ 2005, 88; 2006, 505, 506).
Nach diesem Maßstab weist die Entscheidung des Landgerichts keinen Rechtsfehler auf. Zutreffend hat die Kammer im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung des Tatgeschehens und der Täterpersönlichkeit (st. Rspr.; vgl. nur Fischer, StGB 55. Aufl., § 57 a Rdn. 9 m.w.N.) herausgestellt, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist und es sich um ein spontanes Delikt handelte. Maßgebliches Gewicht hat sie dem Umstand beigemessen, dass die Tat mehr als 21 Jahre zurückliegt und der Angeklagte in dieser Zeit ein sozialadäquates Leben geführt hat. Selbst die Annahme eines zweiten Mordmerkmals hätte deshalb nicht notwendigerweise zu einer Feststellung der besonderen Schuldschwere geführt. ..." (BGH, Urteil vom 02.04.2008 - 2 StR 621/07)
***
?... Zwar ist die Formulierung, dass aus der Tat ein ?unbedingter, menschen-verachtender Vernichtsungswille' spreche, rechtlich bedenklich. Aus dem nachfolgenden Satz, dass der Angeklagte in der Tatsituation mit beinahe beispielsloser Brutalität und Gefühlskälte gegen sein Opfer vorgegangen sei, und dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich jedoch, dass das Landgericht nicht das Merkmal des Tötungsvorsatzes zu Lasten des Angeklagten doppelt verwertet hat (§ 46 Abs. 3 StGB), sondern dessen besonders hohe kriminelle Energie, die sich darin gezeigt hat, dass er insgesamt dreimal mit unterschiedlichen Tatmitteln zur Tötung des Opfers angesetzt hat, zuletzt nach einer Pause, in der er angefangen hatte, die Wohnung des Opfers zu durchsuchen. ..." (BGH, Beschluss vom 01.12.2006 - 2 StR 484/06).
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Die Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe über den durch die besondere Schwere der Schuld bedingten Zeitpunkt hinaus aus Gründen der Gefährlichkeit des Straftäters verletzt weder die Garantie der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) noch das Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Die konkrete und grundsätzlich auch realisierbare Chance des Verurteilten auf Wiedererlangung der Freiheit ist durch strikte Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Entscheidung über die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe sicherzustellen (BVerfG, 2 BvR 578/02 vom 8.11.2006, Absatz-Nr. (1 - 167), www.BVerfG.de/entscheidungen/rs20061108_2bvr057802.html).
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?... Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Das mit der Sachrüge begründete Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen den Schuldspruch und die lebenslange Freiheitsstrafe richtet.
Die gebotene Prüfung des angefochtenen Urteils führt aber zur Nachholung der Festsetzung des Anrechnungsmaßstabs für die in der Tschechischen Republik im Auslieferungsverfahren erlittene Freiheitsentziehung. Solches ist entsprechend § 51 Abs. 3, Abs. 4 Satz 2 StGB auch bei der hier verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe geboten, weil die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung auch auf die durch § 57a Abs. 1 Nr. 1 StGB festgesetzte Mindestverbüßungszeit anzurechnen ist (BGHR StGB § 51 Abs. 4 Anrechnung 4).
Der Senat hat den Anrechnungsmaßstab entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst im Verhältnis 1:1 bestimmt (vgl. BGHR aaO). Dafür war ausschlaggebend, dass der Angeklagte seit Mai 1997 bis zu seiner Festnahme am 4. April 2005 in der Tschechischen Republik gelebt hat und dass Anhaltspunkte für eine andere Anrechnung weder ersichtlich noch vorgetragen sind (vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. August 2001 - 1 StR 322/01). ..." (BGH, Beschluss vom 06.04.2006 - 5 StR 99/06)
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?... Die - vom Generalbundesanwalt vertretene - zulässig (vgl. BGHSt 41, 57) auf die Ablehnung der Schuldschwerefeststellung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet. Die Verneinung der besonderen Schuldschwere ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Die Entscheidung der Frage, ob die besondere Schwere der Schuld zu bejahen ist, obliegt dem Tatrichter. Er hat unter Würdigung aller hierfür erheblichen Umstände die Schuld des Angeklagten im Sinne des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB abzuwägen; dem Revisionsgericht ist insoweit eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt. Es hat die tatrichterliche Entscheidung grundsätzlich hinzunehmen und nur zu prüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat (vgl. BGHSt 40, 360, 370; 41, 57, 62; 42, 226, 227; BGH NStZ 2005, 88; BGH, Urteile vom 26. Mai 2004 - 2 StR 386/03 - und vom 8. September 2005 - 1 StR 159/05).
Unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs weist die tatrichterliche Entscheidung keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat die wesentlichen erschwerenden und mildernden Umstände der Tat, die der Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe zugrunde liegen, in seine Gesamtwürdigung einbezogen, wenn auch - was der Revision zuzugeben ist - einzelne Formulierungen im Urteil die Besorgnis begründen könnten, dass es seiner Entscheidung nicht den richtigen Maßstab zugrunde gelegt hat; davon bliebe aber - selbst wenn dies der Fall wäre - das Ergebnis der Abwägung unberührt (vgl. BGHSt 41, 57, 63): Die schuldrelevanten Umstände des abgeurteilten Geschehens sind einerseits dadurch geprägt, dass die dem Verdeckungsmord zugrunde liegende Anlasstat (sexueller Übergriff auf offener Straße auf eine zufällig vorbeikommende junge Frau) schwerwiegend war, dass andererseits aber seit der Tat mehr als 17 Jahre vergangen sind. Beide Gesichtspunkte hat das Landgericht gesehen und - mit weiteren Umständen - erörtert und gegeneinander abgewogen. Hinzu kommt - mildernd -, was das Landgericht nicht ausdrücklich erwähnt hat, dass der Angeklagte nach seiner Festnahme sofort geständig war und sich die Beweiswürdigung maßgeblich auf die Geständnisse stützt, auch wenn der Angeklagte sie später widerrufen hat. ..." (BGH, Beschluss vom 30.03.2006 - 4 StR 567/05)
***
Mord wird im Regelfall ?nur' mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndet; die besondere Schwere der Schuld ist darüber hinaus ausnahmsweise dann zu bejahen, wenn bei der erforderlichen Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit hierfür sprechende Umstände von Gewicht festgestellt werden (BGH, Beschluss vom 8.12.2004 - 2 StR 472/04).
Einem zu einer lebenslänglichen oder langjährigen Freiheitsstrafe verurteilten gefährlichen Gewalttäter kann eine indizierte einzeltherapeutische Behandlung nicht deshalb versagt werden, weil er zuvor die Durchführung einer Gruppentherapie abgelehnt hat. Findet sich kein freier Träger zur Kostenübernahme und kann der Gefangene für diese auch nicht aus seinen Einkünften aufkommen, so fallen die Kosten einer solchen Behandlung der Staatskasse zur Last (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.05.2004 - 1 Ws 258/03, NStZ-RR 2004, 287).
Ausspähen von Daten § 202 a StGB
(1) Wer unbefugt sich oder einem anderen Zugang zu Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Daten im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche, die elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert sind oder übermittelt werden.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in Tateinheit mit ge-werbs- und bandenmäßigen Computerbetrug und mit Ausspähen von Daten in drei Fällen, wegen versuchter gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in fünf Fällen, davon in einem Fall auch bandenmäßig handelnd, und wegen gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Computerbetrug zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensbeanstandung und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen zu den Fällen II. 1 bis 3 der Urteilsgründe schlossen sich der Angeklagte und die gesondert Verfolgten V. , N. , C. und P. Anfang Februar 2007 als Bande zusammen, um gewerbsmäßig zur Täuschung im Rechtsverkehr in einer Vielzahl von Fällen falsche Zahlungskarten mit Garantiefunktion herzustellen und mit diesen Karten im Ausland an Geldautomaten Geld abzuheben. Um sich die zum Nachmachen echter Zahlungskarten mit Garantiefunktion benötigten Daten zu verschaffen, die auf den Magnetstreifen solcher Karten gespeichert sind, setzten der Angeklagte und seine Mittäter ein mit einem Speichermedium versehenes Kartelesegerät ein, das unauffällig vor den in die Geldautomaten eines bestimmten Typs eingebauten Einzugslesegeräten angebracht werden konnte. Die bei der Benutzung des Geldautomaten vom Inhaber der Zahlungskarte eingegebene persönliche Geheimzahl (PIN) erlangten sie mittels eines über der Tastatur des Geldautomaten angebrachten, ebenfalls mit einem Speichermedium versehenen Tastaturaufsatzes. Auf diese Weise verschafften sich der Angeklagte und seine Mittäter am 17. Februar 2007 durch Anbringen solcher Geräte an einem Geldautomaten in einer Bank in Münster 21 Datensätze von Zahlungskarten und die jeweils zugehörige PIN, am 24. Februar 2007 durch Anbringen der Geräte an einem Geldautomaten in einer Bank in Dinslaken 21 Datensätze und am 7. Juli 2007 in Osnabrück weitere 35 Datensätze von Zahlungskarten. Nach dem Entfernen der Aufsatzgeräte von dem Geldautomaten las der Angeklagte allein oder mit Hilfe eines Mittäters jeweils die Speichermedien der Geräte aus. Die Datensätze der echten Zahlungskarten wurden anschließend in Amsterdam auf die Magnetstreifen von Payback-Karten übertragen, welche Bandenmitglieder zuvor beschafft hatten. In der Folgezeit hoben Mitglieder der Bande unter Verwendung der nachgemachten Karten und der zu diesen Datensätzen jeweils gehörenden PIN an Geldautomaten im Ausland Bargeld ab.
2. Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen Ausspähens von Daten hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Das bloße Auslesen der auf dem Magnetstreifen einer Zahlungskarte mit Garantiefunktion gespeicherten Daten, um mit diesen Daten Kartendubletten herzustellen, erfüllt nicht den Tatbestand des § 202 a Abs. 1 StGB.
a) Die Strafvorschrift des § 202 a Abs. 1 StGB sowohl in ihrer zur Tatzeit geltenden, als auch in der durch das 41. Strafrechtsänderungsgesetz zur Bekämpfung der Computerkriminalität vom 7. August 2007 (BGBl. I 1786) neu gestalteten Fassung setzt voraus, dass die Angriffshandlung des Täters sich auf solche Daten im Sinne des § 202 a Abs. 2 StGB bezieht, die nicht für den Täter bestimmt und gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind. Bereits nach der alten Fassung der Norm war darüber hinaus erforderlich, dass bei dem damals tatbestandsmäßigen Verschaffen der Daten die besondere Zugangssicherung überwunden wird (vgl. MünchKomm StGB/Graf § 202 a Rdn. 48; Hoyer in SK-StGB 7. Aufl. § 202 a Rdn. 12; Lenckner in Schön-ke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 202 a Rdn. 10). Hieran anknüpfend (vgl. BTDrucks. 16/3656 S. 10) verlangt § 202 a Abs. 1 StGB n.F. nunmehr ausdrücklich, dass der Täter sich oder einem anderen den Zugang zu Daten unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft.
Diese Strafbarkeitsvoraussetzungen werden beim Auslesen der auf dem Magnetstreifen einer Zahlungskarte gespeicherten Daten mittels eines am Einzugslesegerät eines Geldautomaten angebrachten weiteren Lesegeräts (sog. Skimming), um mit den erlangten Daten in der ursprünglichen Form den Magnetstreifen einer Kartendublette zu beschreiben, nicht erfüllt (Senatsbeschluss vom 14. Januar 2010 - 4 StR 93/09; NStZ 2010, 275). Bei den unverschlüsselt auf dem Magnetstreifen gespeicherten Daten fehlt es bereits an einer besonderen Sicherung gegen unberechtigten Zugang, sodass diese Taten als taugliches Tatobjekt im Sinne des § 202 a Abs. 1 StGB ausscheiden. Soweit beim Auslesen die zur Berechnung der PIN verschlüsselt gespeicherten Daten in verschlüsselter Form erlangt werden, wird die in der Verschlüsselung liegende Zugangssicherung nicht überwunden.
aa) Dass Daten magnetisch und damit nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert sind, stellt keine besondere Sicherung gegen unberechtigten Zugang dar. Vielmehr handelt es sich gemäß § 202 a Abs. 2 StGB nur bei Daten, die elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert oder übermittelt werden, um Daten im Sinne des ersten Absatzes dieser Vorschrift. Demgemäß schützt § 202 a Abs. 1 StGB nur diejenigen nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeicherten Daten im Sinne des § 202 a Abs. 2 StGB, die darüber hinaus besonders gesichert sind. Das sind nur solche Daten, bei denen der Verfügungsberechtigte durch seine Sicherung sein Interesse an der Geheimhaltung der Daten dokumentiert hat (vgl. BTDrucks. 10/5058, S. 29 zu § 202 a StGB a.F.; BTDrucks. 16/3656, S. 10). Erforderlich ist, dass der Verfügungsberechtigte - hier das Unternehmen, das die Zahlungskarte mit Garantiefunktion ausgegeben hat (vgl. BGH, Urt. vom 10. Mai 2005 - 3 StR 425/04, NStZ 2005, 566) - Vorkehrungen getroffen hat, um den Zugriff auf die auf dem Magnetstreifen der Zahlungskarte gespeicherten Daten auszuschließen oder wenigstens nicht unerheblich zu erschweren (vgl. BTDrucks. 16/3656 aaO; Fischer StGB 57. Aufl. § 202 a Rdn. 8 jeweils m.w.N.). Eine Schutzvorkehrung ist jedoch nur dann eine Zugangssicherung im Sinne des § 202 a Abs. 1 StGB, wenn sie jeden Täter zu einer Zugangsart zwingt, die der Verfügungsberechtigte erkennbar verhindern wollte (BTDrucks. 16/3656 aaO; Fischer aaO Rdn. 9). Der Überwindung einer solchen Zugangssicherung bedarf es jedoch nicht, wenn die auf dem Magnetstreifen einer Zahlungskarte gespeicherten Daten lediglich ausgelesen werden. Dies ist ohne Weiteres mittels eines handelsüblichen Lesegeräts und der ebenfalls im Handel erhältlichen Software möglich.
bb) Der Umstand, dass sich der Angeklagte und seine Mittäter mittels des an den jeweiligen Geldautomaten angebrachten Lesegeräts den Zugriff auch auf jene Daten verschafften, die in Verbindung mit der über eine Tastatur gesondert einzugebenden PIN vor der unbefugten Verwendung einer Zahlungskarte schützen sollen, führt entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts zu keinem anderen Ergebnis. Die Autorisierung bei der Verwendung einer Zahlungskarte mit Garantiefunktion erfolgt ausschließlich über die Eingabe der PIN (vgl. Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski Bankrechts-Handbuch § 54 Rdn. 14 b). Diese wird nicht durch Lesen der Daten aus dem Magnetstreifen ermittelt, sondern mit dem Triple-DES-Algorithmus, einem 128-Bit-Schlüssel, aus der auf dem Magnetstreifen gespeicherten Kontonummer, der Kartenfolge-nummer und der jeweiligen Bankleitzahl des Karten ausgebenden Instituts -nunmehr ausschließlich online (vgl. Gößmann aaO) - errechnet und mit der vom Benutzer des Geldautomaten eingegebenen PIN verglichen (vgl. BGH, Urt. vom 5. Oktober 2004 - XI ZR 210/03, BGHZ 160, 308, 311; Gößmann aaO; Koch/Vogel in Langenbucher/Gößmann/Werner Zahlungsverkehr § 5 Rdn. 10). Die für die Berechnung der PIN erforderlichen Daten sichern die auf dem Magnetstreifen einer Zahlungskarte gespeicherten Daten aber lediglich vor unbefugter Verwendung der Daten beim Benutzen der Karte, nicht jedoch vor dem unberechtigten Zugang zu den Daten durch Auslesen mit einem Lesegerät.
cc) Die Sicherung der der Berechnung der PIN zugrunde liegenden Daten durch Verschlüsselung mittels kryptografischer Schlüssel (Koch/Vogel aaO) stellt zwar nach wohl herrschender Meinung (vgl. Fischer aaO Rdn. 9 a) eine besondere Zugangssicherung dar, die aber ausschließlich vor der Erfassung des Bedeutungsgehalts der Daten schützt (MünchKomm StGB/Graf aaO Rdn. 40). Beim bloßen Auslesen und Abspeichern der verschlüsselten Daten auf einen Datenträger des Täters bleibt die Verschlüsselung indes unangetastet, sodass mangels Überwindung der Zugangssicherung der Tatbestand des § 202 a Abs. 1 StGB nicht erfüllt ist (vgl. MünchKomm StGB/Graf aaO Rdn. 46; Bosch in Satzger/Schmitt/Widmaier StGB § 202 a Rdn. 6; Gröseling/Höfinger MMR 2007, 549, 551). Gleiches gilt für sonstige möglicherweise in verschlüsselter Form auf dem Magnetstreifen einer Zahlungskarte gespeicherte Daten.
b) Auf Anfragebeschluss des Senats hat der 3. Strafsenat seine entgegenstehende, dem Urteil vom 10. Mai 2005 - 3 StR 425/04 (NStZ 2005, 566) zu Grunde liegende Rechtsprechung aufgegeben. Der 2. Strafsenat ist der hier vertretenen Rechtsansicht beigetreten, der 1. und 5. Strafsenat haben mitgeteilt, an möglicherweise entgegenstehender Rechtsprechung nicht festzuhalten.
3. Der Wegfall der tateinheitlichen Verurteilungen wegen Ausspähens von Daten in den Fällen II. 1 bis 3 der Urteilsgründe lässt den Strafausspruch unberührt. Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter auf der Grundlage einer zutreffenden rechtlichen Bewertung auf mildere Einzelstrafen erkannt hätte. Die Strafkammer, die die Einzelstrafen jeweils dem - Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahre vorsehenden - Regelstrafrahmen des § 152 b Abs. 2 StGB entnommen hat, hat die jeweiligen Verurteilungen wegen Ausspähens von Daten - anders als die tateinheitliche Verwirklichung des Verbrechenstatbestandes des § 263 a Abs. 2 StGB i.V.m. § 263 Abs. 5 StGB - weder bei der Prüfung des Vorliegens eines minder schweren Falles nach § 152 b Abs. 3 StGB im Zuge der Strafrahmenwahl, noch bei der Strafzumessung im engeren Sinne zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt. ..." (BGH, Beschluss vom 06.07.2010 - 4 StR 555/09)
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Das bloße Auslesen von auf dem Magnetstreifen einer Zahlungskarte gespeicherten Daten, um mit diesen Daten Kartendubletten herzustellen, erfüllt nicht den Tatbestand des Ausspähens von Daten (Hinweis; BGH, Beschluss vom 14.01.2010 - 4 StR 93/09).
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Die ausstellende Bank, nicht aber der Inhaber der EC-Karte, ist Berechtigte der auf einer EC-Karte gespeicherten Programmdaten. Daher kann nur die Bank einen Strafantrag nach § 205 I StGB stellen. Werden Daten der von einer Sparkasse ausgegebenen EC-Karten ausgespäht, so ist nicht der Inhaber der EC-Karte, sondern das Bankinstitut zur Stellung des Strafantrages berechtigt (§ 205 I StGB). Das Herstellen zahlreicher EC-Doubletten stellt nur eine Tat i.S. d. § 152a I StGB a.F. dar, wenn es jeweils in einem durchgehenden Arbeitsgang in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang erfolgt (BGH, Urteil vom 10.05.2005 - 3 StR 425/04 zu StGB §§ 202a, 205 I, 152a I):
?... Die Angeklagten forschten an den Wochenenden 28./29. 4., 7./8. 7. und 28./29. 7. 2001 sowie am 14. 7. 2001 an Geldautomaten der Stadtsparkasse A. durch den Einsatz technischer Geräte die Datensätze von an diesen Tagen benutzten EC-Karten sowie die dazugehörenden Identifizierungsnummern (PIN) aus. Zu einer weiteren - angeklagten - Tat am 15. 7. 2001 kam es nicht. Anschließend übertrug der Angekl. N die Daten in Excel-Tabellen in seinen PC.
Später beschlossen die Angeklagten, die erlangten Daten zu verwerten. Nach dem Erwerb von Kartenrohlingen übertrugen sie im Laufe eines Nachmittags innerhalb von etwa 3 Stunden die gespeicherten Daten auf die Magnetstreifen von rund 200 Rohlingen und notierten jeweils die dazu gehörige PIN. Zwischen dem 28. 9. und 1. 10. 2001 hoben die Angeklagten unter Einsatz der Kartendoubletten an verschiedenen Geldautomaten 324 Mal insgesamt Bargeld im Wert von über 261000 EUR ab.
Ohne Beteiligung des Angekl. H zeichnete der Angekl. N mit inzwischen technisch verbesserten Geräten am 2. 3. 2002 weitere Datensätze auf und übertrug sie auf Blanko-Karten. In der Zeit vom 6. bis 11. 6. 2002 hob er in 223 Einzelfällen insgesamt 109000 EUR ab.
Beide Angeklagte ermittelten am 10. und 11. 5. 2002 die Daten von mindestens weiteren 186 Kunden bei einem Geldautomaten der Stadtsparkasse D. und übertrugen sie auf Kartenrohlinge (Fall II. 5. der Urteilsgründe). In der Zeit vom 19. bis 21. 6. 2002 hoben sie damit gemeinsam 92000 EUR ab.
Das LG hat den Angekl. N wegen ?Ausspähens von Daten in 6 Fällen und wegen gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten in 3 Fälle' zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten, den Angekl. H wegen ?Ausspähens von Daten in 5 Fällen und wegen gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten in 2 Fällen' zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt. Im Übrigen hat es die Angeklagten freigesprochen.
Mit ihrem Rechtsmittel erstrebte die StA die Verurteilung der Angeklagten auch in allen Fällen, in denen Freispruch erfolgt ist.
Die Angeklagten rügten die Verletzung materiellen Rechts und wandten sich insbesondere gegen die Annahme gewerbsmäßigen Handelns.
Die Rechtsmittel hatten lediglich in geringfügigem Umfang Erfolg. ...
II. Auf die Revisionen der StA und der Angeklagten war das Verfahren im Fall II. 5. der Urteilsgründe mangels Strafantrags des Berechtigten (§ 205 I StGB) einzustellen. Antragsberechtigt war die Stadtsparkasse D. Denn diese war als Verfügungsberechtigte über die Daten, die auf von ihr ausgegebenen EC-Karten gespeichert waren, durch die Vorschrift des § 202a StGB geschützt. Dass mehrere Inhaber von EC-Karten einen Strafantrag gestellt haben, ist ohne Belang. Der Inhaber einer EC-Karte ist nicht Berechtigter an den in dem Magnetstreifen gespeicherten Programmdaten (MünchKommStGB-Graf § 202a Rn 22; Tröndle/Fischer 52. Aufl., § 202 Rn 7). ...
III. Das Rechtsmittel der StA hat nur in geringem Umfang Erfolg.
1. Soweit die StA beanstandet, dass die Angeklagten nicht auch wegen 730 bzw. 508 Fällen der gewerbsmäßigen Fälschung von Zahlungskarten in Tateinheit mit Computerbetrug verurteilt worden sind, ist die Revision unbegründet. Zutreffend hat das LG angenommen, dass das Herstellen zahlreicher EC-Doubletten nur eine Tat i.S. d. § 152a I StGB a.F. darstellt, wenn es jeweils in einem durchgehenden Arbeitsgang in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang erfolgt (vgl. MünchKommStGB-Erb § 152a Rn 17). Da die EC-Doubletten in der Absicht hergestellt wurden, sie später zu gebrauchen, werden das Nachmachen (als Vorbereitungsakt) und das Gebrauchmachen (als Ausführungshandlung) zu einer deliktischen Einheit verbunden (vgl. BGH NStZ-RR 2001, 240; BGHSt 46, 48, 52; 146, 152). Zu dieser Tat steht der Computerbetrug in Tateinheit.
Allerdings hätte in diesen Fällen kein Freispruch erfolgen dürfen. Denn ein Teilfreispruch kommt nicht in Betracht, wenn ein erwiesener Sachverhalt nur eine andere konkurrenzrechtliche Bewertung als in der Anklage angenommen erfährt. In einem solchen Fall wird der gesamte Verfahrensgegenstand durch die Verurteilung erschöpfend erledigt (Senat BGHR StPO § 260 I Teilfreispruch 14; NStZ 2004, 109 mwN).
2. Auch soweit es das Ausspähen von Daten anbelangt, hat das LG die sich über ein Wochenende erstreckenden Aufzeichnungsvorgänge - abweichend von der Anklage - zu Recht jeweils lediglich als eine Tat gewertet und den Angekl. N wegen 6, den Angekl. H wegen 5 Taten schuldig gesprochen. Die von der Anklage abweichende konkurrenzrechtliche Bewertung führt auch hier zu keinem Teilfreispruch.
Anders liegt es bei dem als 2 Taten angeklagten Ausspähen am 14. und 15. 7. 2001. Da die Angeklagten das Aufnehmen der Daten am 14. 7. abbrechen mussten, als ihr Aufzeichnungsgerät nicht mehr funktionierte, liegt ein Ausspähen am 15. 7. 2001 nicht mehr vor, so dass in diesem Fall das LG die Angeklagten zu Recht freigesprochen hat. Insofern ist ohne Bedeutung, dass die Angeklagten auch an diesem Wochenende nur eine Ausspähungshandlung vornehmen wollten und im Erfolgsfall bei zutreffender rechtlicher Würdigung nur wegen einer Tat hätten verurteilt werden dürfen, ohne dass ein Teilfreispruch in Betracht gekommen wäre (vgl. Meyer-Goßner 47. Aufl., § 260 Rn 13). ..."
*** (OLG)
Bei den nach § 33 StVG gespeicherten Halterdaten im Sinn des § 39 StVG handelt es sich um "offenkundige" Daten, die deswegen weder dem Schutzzweck des § 202 a StGB noch dem der Datenschutzgesetze unterfallen (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 29.07.1999 - 5 St RR 75/99).
Hat ein Schuldner auf eine private Schufa-Auskunft hin, in der eine Anfrage einer Bank verzeichnet war, die Bank um "Austragung und Veranlassung bei der Schufa" gebeten und haben Mitarbeiter der Bank unter Verwendung der von dem Schuldner genannten Kontoverbindung im Online-Verfahren (erneut) den Datenbestand der Schufa abgefragt, ist diese Anfrage nicht "unbefugt" im Sinne des BDSG § 43 und StGB § 202a gewesen, denn die Bankmitarbeiter durften davon ausgehen, daß der Schuldner mit der Anfrage einverstanden war (KG Berlin, Beschluss vom 17.11.1997 - Zs 1419/97 - 3 Ws 620/97, Zs 1419/97, 3 Ws 620/97).
Das Verschaffen von Daten i. S. des § 202a StGB muß unter Überwindung der Zugangssicherung erfolgen. Bei einem Geldspielautomaten sind "Daten' nur das auf dem Microchip gespeicherte Spielprogramm, nicht eine Liste mit Zahlenkolonnen, die es ermöglichen festzustellen, wann die Risikotaste zum "Leerspielen' zu betätigen ist. Eine Liste mit Zahlenkolonnen, mit deren Hilfe der Beschuldigte feststellen will, wann die Risikotaste zum "Leerspielen" zu betätigen ist, ist kein taugliches Objekt des Ausspähens im Sinne von StGB § 202a. Daten sind nur das auf dem Microchip gespeicherte Spielprogramm. Darüberhinaus muß das Verschaffen von Daten unter Überwindung der Zugangssicherung erfolgen (OLG Celle, Entscheidung vom 11.05.1989 - 2 Ws 38/89).
***
Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes in § 100g Abs. 1 S. 1 StPO können Auskünfte über Telekommunikationsverbindungsdaten von Telekommunikationsdiensten nur gerichtlich angeordnet werden, wenn es um Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere um solche der in § 100a S. 1 StPO aufgeführten Taten geht. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da es in einem Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Ausspähung von Daten gemäß § 202a StGB darum geht, dass ein unbekannter Täter von dem am Arbeitsplatz des Geschädigten befindlichen PC mit Internetzugang unter missbräuchlicher Verwendung seiner Personaldaten und unter Verwendung eines passwortgeschützten e-mail-Kontos eine Kontaktanzeige aufgegeben haben soll (LG Dortmund, Beschluss vom 18.03.2002 - 14 (III) Qs 6/02).
Ein Computerhacker, der in das Datex-P-Netz der Deutschen Telekom eindringt und dort Anschlußnummern von Anschlußinhabern kopiert, um mit der Anschlußnummer und dem dazugehörigen Paßwort auf die Rechner der Anschlußinhaber zuzugreifen, erfüllt die Tatbestände des Computerbetruges (StGB § 263a), des Ausspähens von Daten (StGB § 202a) und des Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (UWG § 17 Abs 2 Nr 1 Buchst a; LG München I, Urteil vom 23.03.1998 - 6 KLs 315 Js 18225/94).
Nicht jede Verwendung von Daten, die dem wirtschaftlichen Interesse eines Automatenaufstellers oder Automatenherstellers widerspricht, kann im strafrechtlichen Sinne als unbefugt angesehen werden. Die Verarbeitung von an Spielautomaten angezeigten daten in einer eigenen mitgeführten Computeranlage mit dem Ziel, Informationen für eine gewinnsichere Tastenbetätigung zu erlangen, verstößt weder gegen StGB § 202a noch gegen StGB § 263a (LG Göttingen, Urteil vom 02.08.1988 - Ns 10 Ls 41 Js 19525/87).
Siehe auch unter ?Abfangen von Daten".
Ausspähen und Abfangen von Daten - Vorbereitung § 202 c StGB
(1) Wer eine Straftat nach § 202a oder § 202b vorbereitet, indem er
1. Passwörter oder sonstige Sicherungscodes, die den Zugang zu Daten (§ 202a Abs. 2) ermöglichen, oder
2. Computerprogramme, deren Zweck die Begehung einer solchen Tat ist,
herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verkauft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) § 149 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.
Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse § 278 StGB
Ärzte und andere approbierte Medizinalpersonen, welche ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft wider besseres Wissen ausstellen, werden mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse in 360 Fällen und des Betrugs in 391 Fällen (§§ 278, 263, 25 Abs. 2 StGB) freigesprochen. Die Anklage der Staatsanwaltschaft Frankfurt hatte dem Angeklagten vorgeworfen, für 38 nicht existente Personen insgesamt 360 unrichtige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt zu haben, mit denen der gesondert Verfolgte G. entsprechend einem gemeinsamen Tatplan 391 Ausgleichszahlungen nach § 10 des Lohnfortzahlungsgesetzes erlangt haben soll. Gegen den Freispruch richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
I. Das Landgericht hat folgendes festgestellt: Der Angeklagte betrieb eine Praxis für Allgemeinmedizin in O. . Bei seinen Patienten handelte es sich ganz überwiegend um Arbeitnehmer aus dem früheren Jugoslawien. Die Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen handhabte der Angeklagte großzügig. Üblicherweise unterschrieb er Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen blanko im Behandlungsraum und verwies den Patienten damit an die Rezeption, wo eine seiner Arzthelferinnen das Formular mit den Daten, die der Angeklagte in der Patientendatei vermerkt hatte, ausfüllte. Die verfahrensgegenständlichen 360 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen tragen Ausstellungsdaten zwischen dem 1. November 2001 und dem 2. Dezember 2003 und lauten auf die Namen von 38 verschiedenen Personen. Eine dieser Personen existiert nach Überzeugung des Landgerichts tatsächlich und ist vom Angeklagten untersucht worden. Die Daten aller Krankschreibungen wurden von dem gesondert Verfolgten G. vorgegeben, der die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei verschiedenen Allgemeinen Ortskrankenkassen zur Erstattung nach dem Lohnfortzahlungsgesetz einreichte. Der Angeklagte hatte im Ermittlungsverfahren eingeräumt, dass die Unterschriften von ihm stammen; weitere Angaben zu den Umständen, unter denen er diese Krankschreibungen unterzeichnet hat, hat er weder im Ermittlungsverfahren noch in der Hauptverhandlung gemacht. Das Landgericht hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte aufgrund eines gemeinsamen Tatplans mit G. gehandelt hat. Es sei vielmehr nicht auszuschließen, dass die beiden Arzthelferinnen M. und K. den Angeklagten unter Vorwänden veranlasst haben könnten, vermeintlich berechtigte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen blanko zu unterschreiben, so dass ihm deren Unrichtigkeit bzw. der betrügerische Verwendungszweck nicht bewusst gewesen sei.
II. Die den Freispruch tragenden Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Nach § 278 StGB macht sich ein Arzt strafbar, der ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft wider besseren Wissens ausstellt. Die Vorschrift soll die Beweiskraft ärztlicher Zeugnisse für Behörden und Versicherungsgesellschaften sichern. Ein Zeugnis, das ein Arzt ohne Untersuchung ausstellt, ist als Beweismittel ebenso wertlos wie ein Zeugnis, das nach Untersuchung den hierbei festgestellten Gesundheitszustand unrichtig darstellt (BGHSt 6, 90, 92; RGSt 74, 229, 231). Ob dies auch dann gilt, wenn der Arzt eine Folgebescheinigung ausstellt, nachdem er den Patienten vor der Ausstellung der ersten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung untersucht hat, kann hier dahinstehen, weil es im vorliegenden Verfahren nicht um diese Fälle geht, sondern um Fälle, in denen nie eine Untersuchung stattgefunden haben soll.
Das Landgericht ist rechtlich zutreffend davon ausgegangen, dass das Ausstellen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ohne ärztliche Untersuchung den Tatbestand des § 278 StGB in objektiver und subjektiver Hinsicht verwirklicht (UA S. 27). Es hat seine Überzeugung geäußert, dass der Angeklagte auch ohne persönliche Vorsprache des Patienten auf telefonische Anforderung und damit wissentlich unrichtige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt hat (UA S. 26). Es hat den Angeklagten dennoch aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse in den angeklagten Fällen freigesprochen, weil in keinem dieser angeklagten 360 Einzelfälle mehr festzustellen sei, unter welchem konkreten Vorwand die Arzthelferinnen die Blankounterschrift des Angeklagten erlangt hätten. Es komme neben dem Vorwand, dass ein Patient telefonisch eine Krankschreibung erbeten habe, eine Vielzahl von Begründungen in Betracht, aufgrund derer der Angeklagte geglaubt haben könne, dass die Ausstellung sachlich berechtigt sei, etwa wenn ihm gesagt worden sei, dass ein Patient seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verloren habe oder wegen eines Eingabefehlers oder der Beschädigung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eine neue Bescheinigung ausgestellt werden müsse.
a) Dem kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil das Landgericht selbst zur Begründung seiner Entschädigungsentscheidung, mit der eine Entschädigung des Angeklagten nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen abgelehnt worden ist, dargelegt hat, dass der Angeklagte in nicht unerheblichem Umfang wissentlich unrichtige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erstellt hat, indem er Blankounterschriften für angeblich telefonisch erforderte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen geleistet hat. Da dies für die Arzthelferinnen der bequemste Weg gewesen sei, sei hiervon reichlich Gebrauch gemacht worden (UA S. 28). Damit ist die Annahme des Landgerichts, es käme eine Vielzahl von Möglichkeiten in Betracht, aufgrund derer der Angeklagte geglaubt haben konnte, dass die Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sachlich gerechtfertigt sei, nicht ohne weiteres zu vereinbaren.
b) Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils ist jedoch auch deshalb nicht frei von rechtlichen Bedenken, weil die Urteilsgründe schon nicht erkennen lassen, ob die 38 Personen, für die die verfahrensgegenständlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt wurden, tatsächlich existieren oder nicht. Das Landgericht hat nur hinsichtlich des N. G. festgestellt, dass es diesen Patienten tatsächlich gebe. Die Urteilsgründe teilen ferner nicht mit, welche Erklärung der Zeuge Dr. R. , der Praxisvertreter des Angeklagten, der ebenfalls für einige dieser 38 Personen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen unterzeichnet hat, hierfür gegeben hat, ob er die Patienten untersucht hat oder ob er lediglich Blankounterschriften auf Anforderung der Arzthelferinnen geleistet hat. Von Bedeutung wäre insoweit, ob Dr. R. tatsächlich mit Begründungen, die das Landgericht als möglich für vermeintlich berechtigte BlankoArbeitsunfähigkeitsbescheinigungen angesehen hat (UA S. 16/17), zum Unterschreiben von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aufgefordert worden ist. Das Argument des Landgerichts, dass die abgerechneten ärztlichen Leistungen angesichts der geringen Höhe der Vergütung kein hinreichendes Motiv des Angeklagten für ein strafbares Verhalten ergäben, steht im Widerspruch zu seiner Feststellung, dass der Angeklagte generell bereit war, auf telefonische Anforderung Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auszustellen, wofür das Motiv auch die ärztliche Vergütung gewesen sein dürfte. Schließlich trifft auch die Erwägung des Landgerichts nicht zu, dass umgerechnet auf den angeklagten Tatzeitraum die Arzthelferinnen nicht einmal eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung pro Arbeitstag vom Angeklagten hätten erschleichen müssen. Wie der Vertreter der Bundesanwaltschaft zutreffend ausgeführt hat, sind von den verfahrensgegenständlichen 360 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen allein 302 in dem nur etwas mehr als zehn Monate währenden Zeitraum vom 27. Januar bis zum 2. Dezember 2003 ausgestellt worden.
c) Das Landgericht verkennt zudem die Anforderungen, welche die Rechtsprechung an die Feststellung des Schuldumfangs bei Serienstraftaten stellt. Steht ein strafbares Verhalten des Täters fest, kann es lediglich nicht bestimmten Einzelakten zugeordnet werden, kann die Bestimmung des Schuldumfanges, dass heißt die Bestimmung der Zahl der Einzelakte strafbaren Verhaltens, im Wege der Schätzung erfolgen (BGHR StGB vor § 1/Serienstraftaten Betrug 1; Steuerhinterziehung 2). Bei der Feststellung der Zahl der Einzelakte ist der Grundsatz in dubio pro reo zu beachten. Ein solches Verfahren ist stets zulässig, wenn sich Feststellungen auf andere Weise nicht treffen lassen. Jede andere Betrachtung, die von einer eingeengten, jeden Einzelfall isoliert beurteilenden Sichtweise ausgeht, würde zum Ausschluss der Strafbarkeit bei zweifellos strafbarem Gesamtverhalten führen, wie der vorliegende Fall zeigt. Dass sich für eine Schätzung keine ausreichend sicheren Grundlagen gewinnen ließen, ist dem Urteil nicht zu entnehmen.
2. Der vorstehend aufgezeigte Rechtsfehler führt auch zur Aufhebung des Freispruchs vom Vorwurf des gemeinschaftlichen Betruges. Selbst wenn der Angeklagte nicht aufgrund einer Absprache mit dem gesondert Verfolgten G. zusammengewirkt haben sollte, hätte sich das Landgericht mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob er bei der wissentlichen Ausstellung falscher Gesundheitszeugnisse mit bedingtem Vorsatz hinsichtlich einer möglichen betrügerischen Verwendung derselben gehandelt hat. ..." (BGH, Urteil vom 08.11.2006 - 2 StR 384/06)
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Zwar liegt ein unrichtiges Gesundheitszeugnis in der Regel auch dann vor, wenn es über einen Befund ausgestellt wird, ohne daß eine Untersuchung stattgefunden hat. Bei Krankheitsfällen, in denen es sich entweder nach der Art der Erkrankung oder der seelischen Verfassung des Patienten für den gewissenhaften Arzt verbietet, eine körperliche Untersuchung oder eine persönliche Befragung des Patienten vorzunehmen, genügt der Arzt der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht aber dann, wenn er vor der Ausstellung des Gesundheitszeugnisses sich auf andere Weise zuverlässig über den Gesundheitszustand des Patienten unterrichtet. Nicht jede unrichtige Angabe in einem Gesundheitszeugnis begründet ein strafbares Verhalten. Hinzu kommen muß vielmehr, daß die tatsächliche Grundlage des Gutachtens einen erheblichen Fehler aufweist (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 11.01.2006 - 2 Ss 24/05, StV 2006, 471 ff).
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Auswahl des Sachverständigen § 73 StPO
(1) Die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen und die Bestimmung ihrer Anzahl erfolgt durch den Richter. Er soll mit diesen eine Absprache treffen, innerhalb welcher Frist die Gutachten erstattet werden können.
(2) Sind für gewisse Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich bestellt, so sollen andere Personen nur dann gewählt werden, wenn besondere Umstände es fordern.
Leitsätze/Entscheidungen:
Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger hat die Pflicht zur persönlichen Gutachtenerstattung. Es besteht daher ein Delegationsverbot, soweit durch Heranziehung anderer Personen die Verantwortung des Sachverständigen für das Gutachten in Frage gestellt wird. Das Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen muss eine Exploration des Probanden durch den Sachverständigen einschließen. Dabei handelt es sich um die zentrale Untersuchungsmethode. Deren Ergebnisse kann der gerichtliche Sachverständige nur dann eigenverantwortlich bewerten, wenn er sie selbst durchgeführt oder zumindest insgesamt daran teilgenommen hat (BGH, Beschluss vom 25.05.2011 - 2 StR 585/10 zu StPO §§ 73, 75).
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Auswahl des Verteidigers durch den Vorsitzenden § 142 StPO n.F.
(1) Vor der Bestellung eines Verteidigers soll dem Beschuldigten Gelegenheit gegeben werden, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger seiner Wahl zu bezeichnen. Der Vorsitzende bestellt diesen, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht.
(2) In den Fällen des § 140 Abs. 1 Nr. 2 und 5 sowie des § 140 Abs. 2 können auch Rechtskundige, welche die vorgeschriebene erste Prüfung für den Justizdienst bestanden haben und darin seit mindestens einem Jahr und drei Monaten beschäftigt sind, für den ersten Rechtszug als Verteidiger bestellt werden, jedoch nicht bei dem Gericht, dessen Richter sie zur Ausbildung überwiesen sind.
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Auswahl des Verteidigers durch den Vorsitzenden § 142 StPO a.F.
(1) Der zu bestellende Verteidiger wird durch den Vorsitzenden des Gerichts möglichst aus der Zahl der bei einem Gericht des Gerichtsbezirks zugelassenen Rechtsanwälte ausgewählt. Dem Beschuldigten soll Gelegenheit gegeben werden, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Rechtsanwalt zu bezeichnen. Der Vorsitzende bestellt den vom Beschuldigten bezeichneten Verteidiger, wenn nicht wichtige Gründe entgegenstehen.
(2) In den Fällen des § 140 Abs. 1 Nr. 2 und 5 sowie des § 140 Abs. 2 können auch Rechtskundige, welche die vorgeschriebene erste Prüfung für den Justizdienst bestanden haben und darin seit mindestens einem Jahr und drei Monaten beschäftigt sind, für den ersten Rechtszug als Verteidiger bestellt werden, jedoch nicht bei dem Gericht, dessen Richter sie zur Ausbildung überwiesen sind.
Leitsätze/Entscheidungen:
Es erscheint nicht unbedenklich, dass ein vom Angeklagten gewünschter RA diesem nicht als Pflichtverteidiger im Hinblick auf dessen Belastung mit Terminswahrnehmungen aus anderweitig übernommenen Mandatsverpflichtungen beigeordnet wird, ohne zuvor die Verfügbarkeit für die im vorliegenden Verfahren in Aussicht genommenen Hauptverhandlungstermine mit ihm geklärt zu haben (BGH, Beschluss vom 18.08.2009 - 4 StR 280/09 zu StPO §§ 142 Abs. 1, 338 Nr. 8, 213; MRK Art. 6 Abs. 1, Abs. 3c).
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?... Mit den Verfahrensrügen wird unter mehreren Aspekten geltend gemacht, der Angeklagte sei nicht ordnungsgemäß verteidigt gewesen.
1. Bei Eröffnung des Haftbefehls am 15. August 2006 erklärte der Angeklagte (damals Beschuldigter) auf entsprechende richterliche Fragen: "Ich brauche keinen Anwalt. Ich kenne keinen Rechtsanwalt. Ich überlasse die Auswahl des Rechtsanwalts dem zuständigen Gericht".
Am nächsten Tag beantragte die Staatsanwaltschaft beim Vorsitzenden der Strafkammer, Rechtsanwalt T. , der sich telefonisch zur Übernahme der Verteidigung bereit erklärt hatte, zum Verteidiger zu bestellen. Am 18. August 2006 bestellte der Vorsitzende ihn zum Verteidiger.
Die Revision meint, hier habe die Staatsanwaltschaft, nicht der Vorsitzende den Verteidiger ausgewählt. Dies sei unfair, die Staatsanwaltschaft sei Gegner des Angeklagten. Sein Einverständnis mit der Auswahl des Verteidigers durch das Gericht habe dieses Vorgehen nicht umfasst. Jedenfalls wäre er dann nochmals anzuhören gewesen.
a) Wieso eine Entscheidung des Gerichts nach Antrag der Staatsanwaltschaft deren Entscheidung wäre, erschließt sich nicht.
b) Die Annahme, die Staatsanwaltschaft habe kein Interesse an einer sachgemäßen Verteidigung, geht im Ansatz fehl. Die Staatsanwaltschaft ist im Strafprozess nicht Partei (BGHSt 15, 155, 159; Pfeiffer in KK 5. Aufl. Einl. Rdn. 63; Bergmann in Anwaltskommentar, StPO § 141 GVG Rdn. 1 jew. m. w. N.), sondern ein der rechtsprechenden Gewalt zugeordnetes Organ (BGHSt 24, 170, 171; Pfeiffer aaO Rdn. 61), das, wie sich etwa aus § 160 Abs. 2 StPO ohne weiteres ergibt, der Objektivität verpflichtet ist (vgl. Pfeiffer aaO Rdn. 63 m. w. N.). Wenn sie nach ausdrücklichem Verzicht des Beschuldigten, selbst einen Verteidiger zu benennen, ihrerseits mit ihrem Antrag gemäß § 141 Abs. 3 Satz 2 StPO einen Rechtsanwalt namhaft macht (vgl. auch § 33 Abs. 2 StPO), so spricht allein dies nicht gegen dessen Bestellung.
c) Nach der Erklärung des Angeklagten, er überlasse die Auswahl dem Gericht, war seine (erneute) Anhörung vor der Bestellung an sich nicht mehr erforderlich. Anderes behauptet auch die Revision nicht. Aus den dargelegten Gründen (vgl. oben 1 b) ergibt sich zugleich, dass eine erneute Anhörung auch nicht vor der Bestellung des von der Staatsanwaltschaft vorgeschlagenen Rechtsanwalts erforderlich war.
2. Rechtsanwalt T. ist nicht Fachanwalt für Strafrecht. Die Revision meint, es spräche vieles dafür, in einem Fall wie hier einen Fachanwalt für Strafrecht zu bestellen. Sie fährt fort: "Nach der Rechtsprechung (ergibt sich) in jedem Fall die ausreichende Qualifikation als Verteidiger aus der Zulassung zur Anwaltschaft. Dies würde für sich genommen einen Revisionsgrund darstellen." Es mag dahinstehen, ob damit die Bestellung von Rechtsanwalt T. auch deshalb als rechtsfehlerhaft gerügt sein soll, weil er nicht Fachanwalt für Strafrecht ist. Es gibt keinen Rechtssatz, wonach - grundsätzlich oder zumindest bei einer Fallgestaltung wie hier - nur ein Fachanwalt für Strafrecht als Verteidiger bestellt werden könnte. Im Übrigen besteht auch keine forensische Erfahrung, wonach deshalb, weil ein Rechtsanwalt kein Fachanwalt für Strafrecht ist, regelmäßig zu erwarten sei, dass eine von ihm geführte Verteidigung weniger sachgerecht wäre.
Benennt der Beschuldigte (Angeklagte) selbst keinen Verteidiger (§ 142 Abs. 1 Sätze 2 und 3 StPO), so bestimmt der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen, welchen Rechtsanwalt er zum Verteidiger bestellt. Von dem hier unproblematischen Grundsatz abgesehen, dass dieser möglichst im Bezirk des betreffenden Gerichts niedergelassen sein sollte (§ 142 Abs. 1 Satz 1 StPO), enthält das Gesetz keine ausdrücklichen Regeln, die dieses Ermessen begrenzten. Es wäre jedoch mit der allgemeinen Fürsorgepflicht des Vorsitzenden unvereinbar, bestellte er einen Rechtsanwalt, der keine Gewähr für eine sachgerechte und ordnungsgemäße Verteidigung des Angeklagten bietet oder bei dem zu befürchten ist, dass er verfahrensfremde Zwecke verfolgen wird (vgl. zusammenfassend Thielmann StraFo 2006, 358, 359 m. w. N.). Anhaltspunkte dafür, dass die Auswahl von Rechtsanwalt T. mit solchen Mängeln behaftet sei, gibt es nicht. Ausweislich der Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft, der die Revision nicht entgegengetreten ist, ist Rechtsanwalt T. "seit Jahren schwerpunktmäßig als Strafverteidiger tätig; unter anderem verteidigte er in zahlreichen Schwurgerichtsverfahren". Die Revision legt vielmehr selbst eine "Anwaltsauskunft des DAV" über Rechtsanwalt T. vor, in der unter der Rubrik "Rechtsgebiete" auch "Straf- und Strafverfahrensrecht" genannt sind. Die Bedeutung des Hinweises der Revision, dort seien "vor dem Strafrecht zunächst Ehe- und Familienrecht sowie Erbrecht" angegeben, erschließt sich nicht. Die dort aufgeführten Rechtsgebiete sind - von "Eherecht" bis "Verkehrsrecht" - alphabetisch geordnet.
3. Im Übrigen macht die Revision im Zusammenhang mit der Verteidigung durch Rechtsanwalt T. folgendes geltend:
Am 28. August 2006 richtete die mit Rechtsanwalt T. in derselben Kanzlei tätige Rechtsanwältin P. "in Vertretung des derzeit urlaubsbedingt abwesenden Kollegen" ein Schreiben an die Staatsanwaltschaft. Hierin ersucht sie um Akteneinsicht und fragt an, "ob für die Besprechungen mit Herrn Tr. ein Dolmetscher hinzugezogen werden muss." Für diesen Fall ("wenn ja") wird um Genehmigung der Zuziehung eines Dolmetschers auf Kosten der Staatskasse gebeten. Neben Ausführungen dazu, wer mit der psychiatrischen Begutachtung betraut werden soll (vgl. Nr. 70 RiStBV) ist dann noch abschließend mitgeteilt, dass Rechtsanwalt T. voraussichtlich spätestens am 18. September 2006 aus dem Urlaub zurück sein werde.
Die Staatsanwaltschaft erteilte alsbald Akteneinsicht. Zur Notwendigkeit eines Dolmetschers äußerte sie sich nicht. Im weiteren Verlauf, so trägt die Revision vor, habe Rechtsanwalt T. an von ihr näher bezeichneten Tagen den Beschuldigten (Angeklagten) nur zweimal aufgesucht, jeweils ohne Dolmetscher. Außerdem habe er noch an einer (mit Dolmetscher durchgeführten) polizeilichen Vernehmung teilgenommen.
Die Revision meint, Rechtsanwalt T. hätte schon wegen seines bevorstehenden Urlaubs nicht zum Verteidiger bestellt werden dürfen. Er habe den Beschuldigten (Angeklagten) nicht oft genug aufgesucht. Außerdem hätte er einen Dolmetscher hinzuziehen müssen, wie dies auch sonst im Verfahren (z. B. bei polizeilichen Vernehmungen, der Haftbefehlseröffnung, dem überwiegenden Teil der Anhörung durch den Sachverständigen und der Hauptverhandlung) der Fall gewesen sei. Hierfür hätte unter den gegebenen Umständen die Justiz (zunächst die Staatsanwaltschaft, nach Anklageerhebung das Gericht) sorgen müssen.
Mit alledem ist schon im Ansatz verkannt, dass das Gericht (vor allem im Ermittlungsverfahren auch die Staatsanwaltschaft) grundsätzlich nicht zu überwachen hat, ob ein - sei es gewählter, sei es bestellter - Verteidiger seine Pflichten ordnungsgemäß erfüllt (st. Rspr., vgl. schon BGH, Urt. vom 2. Juni 1967 - 4 StR 154/67; ferner BGH b. Holtz MDR 1996, 120; NStZ 1998, 311, 312; Beschl. vom 27. Juli 2006 - 1 StR 147/06). Gleichwohl kann die Fürsorgepflicht gebieten, den bestellten Verteidiger abzulösen, wenn klar erkennbar ist, dass er nicht fähig ist, den Angeklagten sachgerecht zu verteidigen (BGH b. Holtz aaO).
Hierfür ist hier nichts ersichtlich:
a) Die Revision meint, dem Gericht oder jedenfalls der Staatsanwaltschaft sei bei der Bestellung von Rechtsanwalt T. dessen Urlaub bekannt gewesen. Dies erscheint schon in tatsächlicher Hinsicht zweifelhaft, der Brief von Rechtsanwältin P. könnte eher dagegen sprechen. Näher nachzugehen braucht der Senat dem aber nicht:
Zum Zeitpunkt der Bestellung von Rechtsanwalt T. am 18. August 2006 stand das Verfahren ganz am Anfang. Es war ohne weiteres absehbar, dass es noch einige Zeit in Anspruch nehmen würde, tatsächlich wurde dann am 19. Dezember 2006 Anklage erhoben. Bei diesem Verfahrensstand, bei dem insbesondere noch keine konkreten Termine (z. B. Hauptverhandlungstermin) feststehen, die in einen Urlaub fallen könnten, steht ein (in der Ferienzeit stets nahe liegender) Urlaub des Rechtsanwalts einer Bestellung zum Verteidiger nicht entgegen. Dementsprechend ist er auch nicht nach seinen Urlaubsplänen zu befragen. Es ist vielmehr allein Sache des Rechtsanwalts zu beurteilen, ob trotz seines Urlaubs eine sachgerechte Verteidigung möglich ist. Hat er hieran keine Zweifel, braucht er seine Urlaubspläne auch nicht ungefragt zu offenbaren.
Bei alledem ist nämlich zu berücksichtigen, dass ein Rechtsanwalt für seine Vertretung sorgen muss, wenn er, wie hier, länger als eine Woche abwesend ist (§ 53 Abs. 1 BRAO). Der mit "i. V. für RA T. " unterschriebene Brief von Rechtsanwältin P. deutet darauf hin - anderes behauptet auch die Revision nicht - dass sie zur Vertreterin bestellt war (§ 53 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BRAO). Einem Vertreter stehen die anwaltlichen Befugnisse des Vertretenen zu (§ 53 Abs. 7 BRAO), die Bestellung des vertretenen Rechtsanwalts zum Verteidiger gilt auch für den vertretenden Rechtsanwalt (vgl. BGH NStZ 1992, 248; OLG Frankfurt StV 1988, 195; Laufhütte in KK 5. Aufl. § 142 Rdn. 10 m. w. N.). Anwaltliche Vertretung war daher auch während der Urlaubsabwesenheit von Rechtsanwalt T. gewährleistet.
b) Im Übrigen hatte allein Rechtsanwalt T. , während seines Urlaubs Rechtsanwältin P. , zu entscheiden, wann erstmals Akteneinsicht beantragt wird und wann und wie oft der Beschuldigte aufgesucht wird. Die Überlegung der Revision, wegen der Gestaltung der Verteidigung sei der unwiederbringliche Verlust der Erinnerung des Beschuldigten an für ihn "positive Umstände" nicht auszuschließen, kann nicht verdeutlichen, dass hier ein Widerruf der Bestellung von Rechtsanwalt T. in Betracht gekommen wäre.
c) An alledem ändert auch der Vortrag der Revision zur Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Dolmetschers nichts, auch nicht unter Berücksichtigung der Behandlung der Anfrage von Rechtsanwältin P. durch die Staatsanwaltschaft.
(1) Die Staatsanwaltschaft hat die Frage nach der Notwendigkeit der Heranziehung eines Dolmetschers allerdings nicht ausdrücklich beantwortet. Sie hat jedoch der Verteidigung mit der Überlassung der Akten sämtliche Unterlagen zur Verfügung gestellt, die es zur - vorläufigen - Beurteilung der Beherrschung der deutschen Sprache durch den Angeklagten gab. Diese ergaben, wie auch die Revision im Übrigen selbst vorträgt, dass der - seit 1992 in Deutschland lebende - Angeklagte bei der Polizei erklärt hatte, er sei "der deutschen Sprache relativ gut mächtig". Erkennbar auf dieser Grundlage hat die Staatsanwaltschaft offenbar aus ihrer Sicht die Heranziehung eines Dolmetschers nicht für zwingend gehalten. Ausdrückliche Ausführungen hierzu waren nicht unerlässlich, nachdem um eine Kostenübernahmeerklärung nur für den Fall gebeten worden war, dass nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die Heranziehung eines Dolmetschers erforderlich sei ("wenn ja").
(2) Es spricht auch nichts dafür, dass Rechtsanwalt T. der Auffassung gewesen sein könnte, im Hinblick auf die unterbliebene Stellungnahme der Staatsanwaltschaft sei er unwiderruflich aus zwingenden rechtlichen Gründen gehindert gewesen, einen Dolmetscher auf Staatskosten hinzuziehen, selbst wenn eine solche Hinzuziehung aus seiner Sicht für eine sachgerechte Verteidigung geboten gewesen sei. Weder sind objektive Anhaltspunkte für eine solche gravierende und schon daher nicht nahe liegende offensichtliche Fehleinschätzung der Rechtslage durch Rechtsanwalt T. zu erkennen, noch hat er je eine Erklärung abgegeben, wonach er gehindert gewesen sei, die Verteidigung so zu führen, wie er dies für erforderlich gehalten habe (zur Bedeutung einer solchen Erklärung vgl. BGHSt 13, 337 ff.; BGH NStZ 1998, 311, 312).
(3) Im Übrigen entscheidet dann, wenn ein Angeklagter in gewissem Umfang der deutschen Sprache mächtig ist, der Verteidiger nach seinem - einer Überprüfung nur begrenzt zugänglichen - pflichtgemäßen Ermessen, ob für Verteidigungsgespräche ein Dolmetscher notwendig ist oder nicht. Insoweit gilt vergleichbares wie für den Richter, der in derartigen Fällen ebenfalls nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Dolmetscher für gerichtliche Verhandlungen erforderlich ist (vgl. BGH NStZ 1984, 328; NStZ 2002, 275; Kissel/Mayer, GVG 4. Aufl. § 185 Rdn. 6). Es liegt nicht nahe, dass ein Verteidiger nicht sachgerecht beurteilen könnte, ob er mit seinem Mandanten kommunizieren kann oder nicht (vgl. BGH, Beschl. vom 27. Juli 2006 - 1 StR 147/06). Allein der Umstand, dass das Gericht und sonstige für eine Vernehmung oder Anhörung des Beschuldigten Verantwortliche (Polizei, Sachverständiger) hier ihr Ermessen letztlich anders ausgeübt haben, belegt unter den gegebenen Umständen keinen offensichtlichen Ermessensfehlgebrauch des Verteidigers. Es besteht daher hier kein Anlass, wegen besonderer Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise von dem Grundsatz abzuweichen, dass das Gericht die Gestaltung der Verteidigung auch im Hinblick auf etwaige Sprachschwierigkeiten des Angeklagten (Beschuldigten) nicht zu überwachen hat (vgl. BGH b. Holtz MDR 1996, 120). ..." (BGH, Beschluss vom 15.08.2007 - 1 StR 341/07)
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?... Die Rüge ist unbegründet. Das Landgericht hat den Antrag auf Aussetzung oder Unterbrechung der Hauptverhandlung rechtsfehlerfrei abgelehnt.
Grundsätzlich hat ein Angeklagter das Recht, sich in einem Strafverfahren von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen (BGH StV 1992, 53; BGH NStZ 1998, 311, 312). Daraus folgt aber nicht, dass bei jeder Verhinderung des gewählten Verteidigers eine Hauptverhandlung gegen den Angeklagten nicht durchgeführt werden könnte. Die Terminierung ist grundsätzlich Sache des Vorsitzenden; allerdings ist er gehalten, über Anträge auf Verlegung des Termins nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminsplanung, der Gesamtbelastung des Spruchkörpers, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen der Prozessbeteiligten zu entscheiden (BGH NStZ 1998, 311, 312). Für die Beurteilung eines Antrags, die Hauptverhandlung wegen Verhinderung des Verteidigers auszusetzen oder zu unterbrechen, gilt nichts anderes.
Hier war für das Landgericht zur Klärung der Frage, ob wegen des nicht vorbereiteten und am 7. April 2005 verhinderten neuen Wahlverteidigers die Hauptverhandlung unterbrochen oder gar ausgesetzt werden sollte, schon im Ausgangspunkt nicht ersichtlich, dass der zum Pflichtverteidiger bestellte bisherige Wahlverteidiger nicht zu einer ordnungsgemäßen Verteidigung des Angeklagten in der Lage gewesen wäre. Der Angeklagte hat die Störung des Vertrauensverhältnisses zu Rechtsanwalt Dr. S. ohne jeden inhaltlichen Beleg lediglich behauptet und auch auf Nachfrage keine Gründe hierfür genannt. Schon von daher war das Landgericht nicht ohne weiteres gezwungen, von einer von dem Angeklagten nicht zu vertretenden Veränderung der Sachlage im Sinne des § 265 Abs. 4 StPO auszugehen. Dabei musste das Landgericht auch noch in Rechnung stellen, dass die nach § 229 Abs. 1 StPO höchstmögliche Unterbrechungsdauer bereits am folgenden Tag, dem 8. April 2005, endete.
Es kommt hier folgendes hinzu: Wenn der Angeklagte von seinem Recht Gebrauch machte, seinem bisherigen Wahlverteidiger das Mandat zu entziehen und einen neuen Verteidiger zu beauftragen, so war ihm in der vorliegenden konkreten Prozesssituation zuzumuten, dies so rechtzeitig vor dem nächsten Verhandlungstag zu veranlassen, dass der neue Verteidiger sich hinreichend auf die weitere Verhandlung vorbereiten konnte. Er erteilte Rechtsanwalt Dr. D. jedoch erst 19 Tage nach der Unterbrechung der Hauptverhandlung und nur einen Tag vor dem nächsten Hauptverhandlungstermin das Mandat. Ferner hatte der Angeklagte ausreichend Gelegenheit, einen Verteidiger zu wählen, der auch in der Lage war, den bevorstehenden Termin wahrzunehmen. Die weitere Durchführung des Hauptverhandlungstermins vom 7. April 2005 in Abwesenheit eines neuen Verteidigers beruhte daher auf Umständen, auf die der Angeklagte sich rechtzeitig hätte einstellen können. Das Landgericht konnte daher auch eine kurzfristige Unterbrechung der Hauptverhandlung ermessensfehlerfrei ablehnen.
Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von dem dem Beschluss des 2. Strafsenats vom 14. Januar 2004 (NStZ 2004, 637) zugrunde liegenden Fall, auf den die Revision hingewiesen hat. Dort war das Recht auf eine sachgerechte Verteidigung aufgrund von Umständen, die der Angeklagte nicht zu vertreten hatte - nämlich die rechtswidrige Inverwahrnahme des Angeklagten -, beeinträchtigt. ..." (BGH, Beschluss vom 19.01.2006 - 1 StR 409/05).
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Hat der Rechtsanwalt einen Mandanten vertreten, der im Hinblick auf die Vergünstigung des § 31 BtMG Angaben zu anderen Tatbeteiligten gemacht hat, so steht seiner Beiordnung in einem späteren Strafverfahren gegen einen von dem früheren Mandanten belasteten Angeklagten ein wichtiger Grund i. S. d. § 142 Abs. 1 S. 3 StPO entgegen (BGH, Beschluss vom 15.11.2005 - 3 StR 327/05):
?... Die Revision beanstandet zu Recht, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung ausschließlich durch den zum Pflichtverteidiger bestellten, vorher als Wahlverteidiger tätigen Rechtsanwalt M. verteidigt worden ist. Dessen Bestellung stand ein wichtiger Grund im Sinne des § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO entgegen. Rechtsanwalt M. hatte vor Beginn des Strafverfahrens gegen den Angeklagten die Zeugin E. in einer Strafsache verteidigt. Die rechtskräftig verurteilte Zeugin hatte in ihrem Verfahren - nach Beratung durch Rechtsanwalt M. - im Hinblick auf die Vergünstigung des § 31 BtMG Angaben zu anderen Tatbeteiligten gemacht und unter anderem auch den Angeklagten erheblich belastet. In vier der dem Angeklagten zur Last liegenden fünf Straftaten war sie im Wesentlichen das einzige Beweismittel, sodass ihre Aussage für die Überführung des bestreitenden Angeklagten von ausschlaggebender Bedeutung war. Bei diesem Sachverhalt durfte die Vorsitzende der Strafkammer, der diese Umstände bekannt waren, weil sie auch in der Verhandlung gegen die Zeugin E. den Vorsitz innehatte, Rechtsanwalt M. wegen der konkreten Gefahr einer Interessenkollision nicht zum Verteidiger des Angeklagten bestellen (vgl. BGHSt 48, 170). Ob dem Angeklagten die mögliche Interessenkollision erst später bekannt geworden ist oder er sie schon gekannt hatte, als er den Wunsch auf Bestellung von Rechtsanwalt M. als Pflichtverteidiger äußerte, kann dahingestellt bleiben, weil die Vorsitzende die hier gebotene Anhörung von Verteidiger und Angeklagten (vgl. BGHSt aaO, S. 174) nicht durchgeführt hat. Dieser Anhörung bedarf es, weil in dem Spannungsfeld zwischen dem Erfordernis einer effektiven Verteidigung einerseits und dem grundsätzlich bestehenden Recht des Angeklagten auf Bestellung des Verteidigers seines Vertrauens zum Pflichtverteidiger andererseits, eine sachgerechte Entscheidung erst möglich ist, wenn das Ausmaß der drohenden Interessenkollision festgestellt und wenn geklärt ist, ob sich der Angeklagte ihrer Tragweite bewusst ist und in diesem Bewusstsein an seinem Wunsch festhält, von diesem Rechtsanwalt verteidigt zu werden. ..."
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Gebotene Ablehnung der Bestellung eines vom Beschuldigten bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger bei konkreter Gefahr einer Interessenkollision in einem Fall sukzessiver Mehrfachverteidigung (BGH StV 2003, 210 ff).
Einem zeitgerecht vorgetragenen Wunsch des Beschuldigten auf Beiordnung eines von ihm benannten Rechtsanwalts ist grundsätzlich auch dann zu entsprechen, wenn zuvor nach Unterlassen der gebotenen Anhörung ein anderer Pflichtverteidiger bestellt worden war (BGH, Beschluss vom 25.10.2000 - 5 StR 408/00).
Der Anspruch des Angeklagten auf ein faires Verfahren verlangt, daß dem Beschuldigten, wenn nicht gewichtige Gründe entgegenstehen, ein Verteidiger seines Vertrauens bestellt werden muß, weil das Vertrauensverhältnis zwischen Angeklagten und Verteidiger eine wesentliche Voraussetzung für eine sachdienliche Verteidigung ist. Der berechtigte Vortrag des Verteidigers, er habe sich u.a. wegen Fehlens wichtiger Aktenteile nicht auf die Verteidigung vorbereiten können, rechtfertigt nicht die Beiordnung eines anderen Verteidigers. Erklärt der kurzfristig (gegen den Willen des Angeklagten) beigeordnete Verteidiger, er benötige zur Vorbereitung noch etwas Zeit zur Erörterung mit dem Angeklagten, darf das Gericht mit der Verhandlung nicht fortfahren und den Angeklagten zur Sache vernehmen. Vielmehr ist auf Antrag des Angeklagten die Hauptverhandlung auszusetzen (BGH StV 1998, 414).
*** (OLG)
Wurde dem Angeklagten unter Verstoß gegen § 142 I 1 StPO keine Gelegenheit gegeben, einen Verteidiger seiner Wahl zu benennen, ist der beigeordnete Rechtsanwalt auch dann auf Antrag des Angeklagten zu entpflichten und ein von ihm gewählter Verteidiger beizuordnen, wenn ernstzunehmende Anhaltspunkte für eine Störung des Vertrauensverhältnisses zu dem bisherigen Pflichtverteidiger nicht bestehen (OLG Thüringen, Beschluss vom 23.08.2011 - 1 Ws 381/11).
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Die Verteidigung mehrerer Mitbeschuldigter wegen derselben Tat durch mehrere Mitglieder einer Rechtsanwaltssozietät kann einen der Bestellung entgegenstehenden wichtigen Grund i.S.d. § 142 Abs. 1 S. 2 StPO darstellen. Gegeben ist der Ablehnungsgrund aber nur dann, wenn bei dem beizuordnenden Verteidiger ein konkreter Anlass zu der Besorgnis besteht, er würde die Verteidigung nicht mit vollem Einsatz führen. Die bloße abstrakte Möglichkeit eines Interessenkonflikts genügt nicht (OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.05.2011 - 2 Ws 97 u. 98/11 zu StPO § 142 Abs. 1 S. 2).
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Verzichtet der Beschuldigte, dem ein Pflichtverteidiger nach § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO beizuordnen ist, im Rahmen seiner Anhörung durch den Ermittlungsrichter auf sein Recht zur Benennung eines Verteidigers seiner Wahl, so ist ihm gleichwohl eine angemessene Überlegungs- und Erklärungsfrist nach § 142 Abs. 1 Satz 1 StPO zu gewähren, wenn zweifelhaft erscheint, dass er sich der Tragweite und Bindungswirkung seiner Erklärung bewusst ist. Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers nach § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO entfällt - sofern nicht die Voraussetzungen des § 140 Abs. 3 Satz 2 Hs. 1 StPO vor liegen - mit der Entlassung des Beschuldigten aus der Untersuchungshaft. Hat sich nach Haftentlassung ein Wahlverteidiger bestellt, so ist bei erneu- tem Vollzug von Untersuchungshaft nunmehr dieser auf einen entsprechen- den Antrag des Beschuldigten nach § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO beizuordnen; eine rechtsmissbräuchliche Verdrängung des bisherigen Pflichtverteidigers liegt dann nicht vor. (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.03.2011 - III-4 Ws 127/11)
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Vor Auswahl des Pflichtverteidigers ist der Beschuldigte auch dann gem. § 142 Abs. 1 S. 1 StPO anzuhören, wenn sich die Notwendigkeit der Verteidigung aus § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO ergibt. Dabei ist der besonderen Situation des oftmals überraschend und gerade eben in Untersuchungshaft genommenen Beschuldigten Rechnung zu tragen. Verzichtet er bei Verkündung des Haftbefehls auf die Ausübung seines Wahlrechts kann es fraglich sein, ob er sich bei Abgabe seiner Erklärung deren Bedeutung, Bindungswirkung und Tragweite tatsächlich bewusst war. Fehlt es an der gebotenen Mitwirkungsmöglichkeit eines Beschuldigten bei der Auswahl des Verteidigers, darf er nicht an der Bestellung des Pflichtverteidigers, der ihm zeitgleich mit der Verkündung des Haftbefehls beigeordnet wurde, festgehalten werden. Dieser ist auch dann zu entpflichten und ein vom Beschuldigten gewählter Verteidiger beizuordnen, wenn ernstzunehmende Anhaltspunkte für eine Störung des Vertrauensverhältnisses zu dem früheren Verteidiger nicht bestehen (OLG Koblenz, Beschluss vom 02.02.2011 - 2 Ws 50/11 zu StPO §§ 140 Abs. 1 Nr. 4, 141 Abs. 3 S. 4, 142 Abs. 1).
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Einem kostenneutralen einverständlichen Auswechseln des Pflichtverteidigers steht nicht entgegen, dass der bisher bestellte Verteidiger nicht wirksam auf Gebühren verzichten könne. Auch nach der seit dem 01. 10. 2009 geltenden Neufassung von § 142 Abs. 1 StPO ist die räumliche Entfernung der Niederlassung des Rechtsanwalts vom Gerichtsort eines der bei der Auswahlentscheidung des Vorsitzenden zu berücksichtigenden Kriterien (OLG Oldenburg, Beschluss vom 21.04.2010 - 1 Ws 194/10 zu StPO §§ 142, 143).
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Hat der Beschuldigte anläßlich der Haftbefehlseröffnung den Wunsch nach Verteidigung durch einen bestimmten Rechtsanwalt geäußert und wird ihm dieser ohne nochmalige Anhörung nach § 142 Abs. 1 StPO bestellt, ist die Beiordnung aufzuheben, wenn sich vor der Beiordnung ein Wahlverteidiger gemeldet hat. Auf die Kenntnis des Vorsitzenden von der Meldung kommt es nicht an (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.01.2010 - 3 Ws 13/10).
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Eine verfahrensfehlerhaft ohne vorherige Anhörung des Beschuldigten erfolgte Beiordnung eines Pflichtverteidigers wird geheilt, wenn sie widerspruchslos bleibt und der Beschuldigte mit dem Pflichtverteidiger über einen längeren Zeitraum vertrauensvoll zusammenarbeitet. Die Abberufung des Pflichtverteidigers kann dann nicht mehr unter Berufung auf dessen verfahrensfehlerhafte Bestellung verlangt werden. Sie kommt unter diesen Umständen vielmehr - wie im Regelfall auch - nur dann in Betracht, wenn substanziiert Umstände vorgetragen werden, die auf eine endgültige und nachhaltige Erschütterung des erforderlichen Vertrauensverhältnisses schließen lassen (OLG München, Beschluss vom 17.12.2009 - 2 Ws 1101/09).
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Zeigt ein Beschuldigter dem Gericht an, dass er durch einen Wahlverteidiger vertreten wird, sind auch bei einem Antrag der Staatsanwaltschaft nach § 141 III 2 StPO die Voraussetzung für eine Bestellung zunächst entfallen. Ortsferne des Kanzleisitzes steht nur dann der Bestellung des gewünschten Rechtsanwalts entgegen, wenn dadurch eine sachdienliche Verteidigung des Beschuldigten und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gefährdet würden. Im Bestellungsverfahren tritt der Gesichtspunkt der Ortsnähe im Rahmen der gebotenen Interessensabwägung grundsätzlich gegenüber dem besonderen Vertrauensverhältnis zurück. Anders als im Fall der Beendigung der Pflichtverteidigung aus wichtigem Grund bedarf es im Bestellungsverfahren keiner weiteren Darlegungen zum Vertrauensverhältnis. In die Gesamtabwägung nach § 142 I StPO sind die Nähe des Gerichtbezirks eines ortsfremden Verteidigers und die Schwere des Schuldvorwurfs einzubeziehen (OLG Jena, Beschluss vom 26.11.2008 - 1 Ws 497/08, NJW 2009, 1430 f).
Wird ein Angeklagter zur Auswahl des ihm beizuordnenden Pflichtverteidigers nicht gehört, ist die gleichwohl erfolgte Pflichtverteidigerbestellung auf seine Beschwerde hin aufzuheben (OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.01.2007 - 2 Ws 12/2007).
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?... ... 2. § 142 Abs. 1 S. 3 StPO läßt es - ausnahmsweise - zu, daß der Vors. nicht den vom Angekl. benannten Verteidiger zum Pflichtverteidiger bestellt, wenn wichtige Gründe entgegenstehen. Als solche Gründe kommen nur Umstände in Betracht, die besorgen lassen, daß der Zweck der Bestellung zum Pflichtverteidiger, nämlich die Gewährleistung einer sachgerechten und ordnungsgemäßen Verteidigung des Angekl., durch Bestellung dieses Verteidigers nicht erreicht werden kann. Diese Voraussetzungen sind ohne weiteres gegeben, wenn nicht gewährleistet ist, daß der Verteidiger überhaupt an der Hauptverhandlung teilnehmen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2. 3. 2006 - 2 BvQ 10/06 [= StV 2006, 451], Beschl. des Senats v. 17. 8. 2005 - 2 Ws 317/05). Auch fehlende Kenntnisse können der Bestellung zum Pflichtverteidiger entgegenstehen (Meyer-Goßner, StPO, 48. A. 2005, § 142 Rdnr. 3 m. w. N.). Dasselbe gilt, wenn bekannt ist, daß der Verteidiger nicht bereit ist, ohne zusätzliche Zahlungen des Angekl. in dem gebotenen Umfang tätig zu werden oder wenn die Gefahr einer sachwidrigen Verteidigung aufgrund von Interessenkollisionen besteht (OLG Hamm NStZ 2004, 641).
Ein wichtiger Grund dafür, den vom Angekl. gewünschten Verteidiger nicht zum Pflichtverteidiger zu bestellen, liegt auch darin, daß konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß dieser seine Stellung als Verteidiger zu verfahrensfremden Zwecken mißbrauchen wird. Wer gem. § 138 a StPO als Verteidiger ausgeschlossen werden könnte, braucht nicht zum Pflichtverteidiger bestellt zu werden. Insoweit kommt auch ein (drohender) Mißbrauch von Verfahrensrechten in der Hauptverhandlung gem. § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO als Ausschlußgrund in Betracht (vgl. Meyer-Goßner, a. a. O., § 138 a Rdnr. 11 m. w. N.). Dem steht es gleich, wenn der Verteidiger in der Vergangenheit ein Verhalten gezeigt hat, das seine Abberufung als Pflichtverteidiger aus wichtigem Grund rechtfertigen würde und konkreter Anlaß besteht, mit einer Wiederholung dieses Verhaltens zu rechnen (vgl. OLG Köln NStZ 1991, 248, 249; KG StV 1993, 236). Einen solchen Fall hat der Senat - gerade auch in bezug auf RA R. - grundsätzlich angenommen, als Pflichtverteidiger durch ihren Auszug aus der Hauptverhandlung deren Fortsetzung verhindert haben (OLG Köln NJW 2005, 3588).
Der Senat hält die vorstehend dargestellten Ausnahmefälle, die im Interesse der Freiheit der Verteidigung von staatlicher Beaufsichtigung und Bevormundung streng zu handhaben sind (vgl. OLG Köln NStZ 1991, 248, 249; KG StV 1993, 236), bereits auf der Grundlage des vom Kammervors. zugrunde gelegten Sachverhalts, dessen Richtigkeit der Bf. zumindest teilweise bestreitet, nicht für gegeben. Der Senat schließt es allerdings ausdrücklich nicht aus, daß die Nichtbestellung zum Pflichtverteidiger darüber hinaus im Interesse des Angekl. auch gerechtfertigt sein kann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Verteidiger durch Störung der Verhandlungsabläufe, z. B. durch verspätetes Erscheinen, Unterbrechung anderer Verfahrensbeteiligter oder völlig unangemessenen Sprachgebrauch, eine nachhaltige Beeinträchtigung der Verhandlungsatmosphäre erstrebt, die in nicht hinnehmbarer, von den prozessualen Rechten des Besch. nicht gedeckter Weise die Wahrheitsfindung erschwert. Hier kann bei einer Gesamtwürdigung der dem Verteidiger angelasteten Vorfälle ein wichtiger Grund i. S. d. § 142 Abs. 1 S. 3 StPO nicht angenommen werden, wie die GStA in ihrer Stellungnahme zutreffend ausführt:
?Mit seinen die ablehnende Entscheidung begründenden Ausführungen, der Verteidiger habe in einer Reihe von früheren Strafverfahren eine Neigung zu unredlichem Verhalten gezeigt und nach dem Prinzip der sachwidrigen Konfliktverteidigung agiert, beabsichtigt das LG offensichtlich, eine nicht konfrontationsfreie Verteidigungsstrategie zu kennzeichnen, welche die Möglichkeiten der StPO in nicht mehr hinnehmbarer Weise ausnutzt. Die hierfür gewählte, als Vorwurf ausgestaltete Bezeichnung der 'Konfliktverteidigung' ist als Ablehnungsgrund angesichts des verfassungsrechtlichen Grundsatzes des fairen Verfahrens und des Anspruchs des Angekl. auf angemessene Verteidigung nicht tragfähig. Der Verteidiger, so auch der Pflichtverteidiger, ist im Strafverfahren Organ der Rechtspflege. Gleichwohl muß der Verteidiger seinem Mandanten die aus dessen Sicht und nach eigener Beurteilung bestmögliche Verteidigung bieten. Die Angemessenheit und Notwendigkeit von Verteidigungshandeln kann daher nicht allein aus der Sicht des Gerichts beurteilt werden, sondern muß vorrangig an den Belangen des noch als unschuldig geltenden Mandanten gemessen werden. Ein nicht tolerierbares Verhalten dürfte daher nur dann anzunehmen sein, wenn die Verteidigung sich auf bloße Verfahrensobstruktionen beschränkt. Der Würdigung solchen Verteidigerverhaltens sind enge Grenzen gesetzt. Eine für das Gericht nicht oder nur schwer nachvollziehbare Verteidigungshandlung kann aus Sicht des Angekl. noch sinnvoll und notwendig erscheinen, um eine entgegenstehende Beweisführung anzuzweifeln. Eine formal korrekt geführte Verteidigung ist, auch wenn sie alle prozessualen Möglichkeiten exzessiv ausnutzt, solange hinzunehmen, wie sie sich der Wahrheitsfindung in einem prozeßordnungsgemäßen Verfahren noch verpflichtet fühlt (BGH NStZ 2005, 341). Die vom LG angeführten Verhaltensweisen des Verteidigers überschreiten auch in der Vielzahl ihrer Auflistung die hierdurch gezogenen Grenzen nicht.
Die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Gründe rechtfertigen es daher nicht, die Beiordnung des Wahlverteidigers unter Zurückstellung der Interessen des Angekl. abzulehnen.'
Die RA R. angelasteten Verhaltensweisen mögen störend, teilweise nicht sachdienlich und aus Sicht des Gerichts auch ärgerlich gewesen sein. Sie waren jedoch in keinem Fall von einem solchen Gewicht, daß dadurch die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens ernsthaft gefährdet worden wäre, nicht einmal eine schwerwiegende Verfahrensverzögerung ist zu erkennen.
3. Der Senat kann jedoch nur die Entscheidung des Kammervors. insgesamt aufheben. Eine Bestellung von RA R. durch den Senat kommt nicht in Betracht. Für den Senat ist nicht klar, ob RA R. an den vorgesehenen Hauptverhandlungstagen zur Verfügung steht. Insbes. muß der Kammervors. aber entscheiden, ob es bei der Bestellung von RA X. zum Pflichtverteidiger bleiben soll, so daß der Angekl. dann ggf. zwei Pflichtverteidiger haben würde. ..." (OLG Köln, Beschluss vom 12.05.2006 - 2 Ws 188/06).
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Die Pflicht, einem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Rechtsanwalt zu bezeichnen und einen von dem Beschuldigten bezeichneten Verteidiger zu bestellen, wenn nicht wichtige Gründe entgegenstehen, gilt auch bei der Bestellung eines weiteren (zweiten) Verteidigers (KG, Beschluss vom 29.08.2005 - 3 Ws 371/05, StV 2006, 6).
Ist die Beiordnung eines Pflichtverteidigers erfolgt, ohne daß dem Angeklagten zuvor Gelegenheit gegeben wurde, innerhalb einer gesetzten Frist einen Rechtsanwalt zu bezeichnen und bestand kein begründeter Anlaß, ausnahmsweise von dieser Anfrage abzusehen, ist die Bestellung auf Beschwerde des Angeklagten aufzuheben und der nunmehr von ihm bezeichnete Verteidiger beizuordnen, wenn keine wichtigen Gründe entgegenstehen, weil anderenfalls das grundgesetzlich geschützte Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren verletzt wäre (OLG Naumburg, Beschluß vom 18.11.2004 - 1 Ws 550/04, StV 2005, 120).
Dem Wunsch des Angeklagten auf Wechsel des Pflichtverteidigers ist dann zu entsprechen, wenn der bisherige Pflichtverteidiger damit einverstanden ist und durch die Beiordnung des neuen Verteidigers weder eine Verfahrensverzögerung, noch Mehrkosten für die Staatskasse verursacht werden (hier: Auswechslung des Pflichtverteidigers für das Revisionsverfahren; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 27.10.2004 - 3 Ws 1094/04; StV 2005, 76 f).
Beantragt der Angeklagte die Beiordnung seines "auswärtigen" Wahlverteidigers als Pflichtverteidiger, ist in der Regel das Auswahlermessen des Vorsitzenden auf dessen Beiordnung beschränkt, wenn der Vorgeschlagene die an ihn zu stellenden Voraussetzungen der Gewährung rechtlichen Beistands und der Sicherung eines ordnungsgmeäßen Verfahrensablaufes erfüllt. Der Angeklagte ist, auch wenn die Beiordnung bereits mit der Anzeige des Mandats beantragt wird, nicht verpflichtet, das Bestehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses im Einzelnen darzulegen. Ein solches ist bereits auf Grund der Beauftragung als Wahlverteidiger zu vermuten und kann nur bei konkreten Anhaltspunkten widerlegt werden. Das Recht des Angeklagten auf Beiordnung eines Anwalts seines Vertrauens hat grundsätzlich Vorrang. Beschwerdeentscheidungen im Rahmen einer Pflichtverteidigerbestellung sind mit einer Kosten- und erforderlichenfalls Auslagenentscheidung zu versehen (BayObLG, Entscheidung vom 23.09.2004 - 6St ObWs 3/04, StV 2006, 6).
Ein wichtiger Grund i. S. d. § 142 Abs. 1 S. 3 StPO, der es rechtfertigt, nicht den von dem Beschuldigten bezeichneten Verteidiger zu bestellen, kann nur dann angenommen werden, wenn konkret hervorgetretene Umstände ergeben, daß ein Interessenkonflikt besteht, der es dem Verteidiger nicht erlaubt, die Verteidigung mit vollem Einsatz zu führen (OLG Hamm, Beschluss vom 01.06.2004 - 2 Ws 156/04 - StV 2004, 641 f).
Allein der Umstand, dass die unterschiedliche Mandanten verteidigenden Rechtsanwälte gemeinsam in einer Kanzlei tätig sind, begründet keinen Interessenkonflikt, der als wichtiger Grund zur Nichtbestellung als Pflichtverteidiger führen kann. Aus gegenläufigen Interessen der Mandanten und einer entsprechenden Verteidigungsstrategie kann nicht ohne weiteres der Schluß gezogen werden, es sei zu erwarten, dass einer der Verteidiger seinen Mandanten nicht mehr mit dem erforderlichen vollen Einsatz verteidigen werde. Ein möglicher Verstoß des Verteidigers gegen § 3 Abs. 2 S. 2 BORA ist für die Frage, ob ein wichtiger Grund i. S. d. § 142 Abs. 2 S. 3 StPO vorliegt, ohne Bedeutung. Die Einhaltung berufsrechtlicher Vorschriften ist allein Aufgabe des Anwalts (OLG Rostock StV 2003, 373 ff).
Die aus § 142 Abs. 1 S. 2 und 3 StPO resultierende Fürsorgepflicht des Gerichts gebietet es, dem Wunsch des Angeklagten auf Wechsel des Pflichtverteidigers auch ohne Vorliegen von Widerrufsgründen jedenfalls dann zu entsprechen, wenn der bisherige Verteidiger damit einverstanden und durch die Beiordnung des neuen Verteidigers weder eine Verfahrensverzögerung noch Mehrkosten für die Staatskasse verursacht werden. In einem solchen Fall hat der Angeklagte - ohne daß dieser die Gründe für den Verlust des Vertrauens zu dem bisherigen Verteidiger im einzelnen darlegen muß - einen Anspruch auf den Wechsel des Pflichtverteidigers (Brandenburgisches OLG StV 2001, 442).
Ein die Beiordnung eines auswärtigen Verteidigers rechtfertigendes besonderes Vertrauensverhältnis ist regelmäßig schon dann zu vermuten, wenn der in dem anhängigen Verfahren bislang tätige Wahlverteidiger um seine Bestellung als Pflichtverteidiger bittet. Eine Entfernung zwischen dem Kanzleisitz und dem Gerichtsort von 238 Kilometern ist noch nicht so erheblich, dass damit nicht mehr hinnehmbare Kosten für die Staatskasse verbunden wären (OLG Zweibrücken StV 2002, 238).
*** (LG)
Ein Beschuldigter, der auf der Grundlage eines gegen ihn bestehenden Haftbefehls inhaftiert worden ist, muß anlässlich seiner Anhörung im Zuge der Haftbefehlsverkündung unmissverständlich nicht nur darüber belehrt werden, dass er Anspruch auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers hat, sondern auch darüber, daß er innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Anwalt seines Vertrauens benennen kann. Wird einem inhaftierten Beschuldigten ein Pflichtverteidiger beigeordnet, ohne daß er zu der Person des beizuordnenden Verteidigers vorher angehört wurde, und stand dieser Anhörung auch nicht eine erhebliche Verfahrensverzögerung entgegen, ist die Beiordnung auf seine Beschwerde hin aufzuheben und der von ihm benannte Verteidiger beizuordnen, wenn der Bestellung keine wichtigen Gründe entgegenstehen (LG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 26.02.2010 - 21 Qs 18/10 zu StPO §§ 140 Abs. 1 Nr. 4, 141 Abs. 3 S. 4, 142 Abs. 1).
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Die Beiordnung des vom Beschuldigten beauftragten Wahlverteidigers ist auch dann zurückzunehmen und der vom Beschuldigten neu benannte Verteidiger beizuordnen, wenn sich dieser vor der ersten Beiordnungsentscheidung bei der Staatsanwaltschaft als Verteidiger gemeldet, das andere Mandat im Auftrag des Beschuldigten gekündigt und seine Beiordnung beantragt hatte. Verzögerungen in der Übermittlung zwischen Staatsanwaltschaft und dem für die Beiordnung zuständigen Ermittlungsrichter können nicht zu Lasten des Beschuldigten gehen. Für die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung kommt es nicht auf die tatsächliche Kenntnis des Gerichts, sondern die objektive Rechtslage an (LG Bonn, Beschluss vom 28.01.2010 - 21 Qs 7/10 zu StPO §§ 140 Abs. 1 Ziff. 4, 142).
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Der Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehör vor der Verteidigerbeiordnung ist unzumutbar beschnitten, wenn die Frist so kurz bemessen ist, daß eine fristgerechte Rückäußerung kaum möglich ist. In diesem Fall beginnt die unangemessene Frist nicht zu laufen (LG Halle, Beschluss vom 20.11.2009 - 2 b Qs 252/09).
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Selbst wenn der Angeschuldigte nicht innerhalb der ihm gem. § 142 Abs. 1 Nr. 2 StPO gesetzten Frist einen Verteidiger seiner Wahl benennt, dies jedoch noch tut, bevor der Beschluß des Vorsitzenden Außenwirkung erlangen konnte, muß die Sache dem Vorsitzenden noch einmal vorgelegt werden, damit dieser den Wunsch des Angeschuldigten bei seiner Auswahlentscheidung berücksichtigen kann (LG Braunschweig, Beschluss vom 21.09.2009 - 7 Qs 280/09).
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?... Mit Beschluss vom 11. April 2006 ordnete das Amtsgericht Marburg die Entpflichtung des Pflichtverteidigers RA S aus Marburg in dem Verfahren 5 Js 16892/04 - 55 Ds an und bestellte dem Angeklagten zugleich RA D als Pflichtverteidiger. Mit Fax vom 11. April 2006 hatte RA D zuvor seine Wahlverteidigerbestellung unter Vorlage ordnungsgemäßer Bevollmächtigung angezeigt und zugleich seine Beiordnung zum Pflichtverteidiger beantragt.
Das Verfahren 5 Js 16982/04 - 55 Ds wurde zwischenzeitlich mit dem Verfahren 4 Js 9687101 - 55 Ds verbunden, wobei das zuletzt genannte Verfahren führt.
Mit Schreiben vom 23. April 2006 hat der Angeklagte gegen den Beschluss des Amtsgerichts Marburg ein als sofortige Beschwerde bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt und die Aufhebung des Beschlusses beantragt. Mit Schreiben vom 29. April 2006 hat er den Antrag weiter begründet. Er hat im wesentlichen ausgeführt, dass er vom Gericht nicht zur Bestellung des RA D als Pflichtverteidiger gehört worden sei. Er habe entgegen dem Beschluss keinen Antrag auf Bestellung des RA D als Pflichtverteidiger gestellt. Zwar habe er mit dem Pflichtverteidiger telefoniert und ihn in die JVA gebeten, bereits bei dem Besuch durch RA D sei es aber zu schwerwiegenden Zerwürfnissen mit diesem gekommen. Der Beschluss sei zudem nichtig, da er nicht vom Richter ausgefertigt worden sei. Dieser sei am 11. April 2006 vielmehr zu Hause gewesen. Da die Ausfertigung jedoch vom 11. April 2006 stamme, könne der Beschluss nicht vom Richter erlassen worden sein.
Mit Schreiben vom 25. April 2006 hat der Angeklagte Rechtsmittel gegen einen weiteren Beschluss des Amtsgerichts Marburg vom 11. April 2006 eingelegt.
1. Die Beschwerde vom 23. April 2006 ist gemäß § 304 StPO zulässig, aber unbegründet. Die falsche Bezeichnung als sofortige Beschwerde schadet insoweit nicht (§ 300 StPO).
Soweit der Angeklagte anführt, nicht vor der Bestellung von RA D als Pflichtverteidiger angehört worden zu sein, so war die Anhörung ausnahmsweise entbehrlich. Gemäß § 142 Abs.1 S.2 StPO soll dem Beschuldigten vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers Gelegenheit gegeben werden, innerhalb einer bestimmten Frist einen Rechtsanwalt zu benennen. Die Aufforderung nach Abs.1 S.2 ist jedoch entbehrlich, wenn der Beschuldigte schon früher den Wunsch nach Beiordnung eines bestimmten Verteidigers geäußert hat (Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 142 RN. 10). Einen solchen Wunsch, der eine vorhergehende Aufforderung entbehrlich macht, hat der Beschuldigte vorliegend geäußert. Denn mit Fax vom 11. April 2006 hat RA D unter Anzeige eines vom Angeklagten erteilten Wahlmandats beantragt, ihn als Pflichtverteidiger beizuordnen. Zugleich hat er die vom Angeklagten unterzeichnete Vollmachtsurkunde in Kopie eingereicht. Durch die Bestellung von RA D hat der Angeklagte zum Ausdruck gebracht, dass er von diesem verteidigt werden will. Hierin liegt zumindest auch die konkludente Einverständniserklärung mit der Bestellung des gewählten Verteidigers zum Pflichtverteidiger.
Soweit der Angeklagte behauptet, die Ausfertigung sei nicht durch den zuständigen Richter erfolgt, so ist dies unerheblich. Maßgeblich ist die Unterzeichnung des Originalbeschlusses durch den zuständigen Richter. Ausweislich des in der Akte auf BI. 208 Bd. XXVI d.A. befindlichen Beschlusses ist der Beschluss vom zuständigen Richter unterzeichnet worden.
Soweit der Angeklagte schließlich anführt, es sei zu schweren Zerwürfnissen mit RA D gekommen, so kann es zu diesen Zerwürfnissen erst am 12. April 2006 gekommen sein. Denn der Besuch des Angeklagten in der JVA durch RA D, in dessen Rahmen es zu den Zerwürfnissen gekommen ist, ist nach seinen Angaben am 12. April 2006 erfolgt. Im Rahmen des Besuchs soll ihm RA D nämlich mitgeteilt haben, dass bereits am nächsten Tag Termin zur Hauptverhandlung anberaumt sei. Da die Verhandlung am 13. April 2006 stattgefunden hat, muss es sich daher um den 12. April 2006 gehandelt haben. In dem - mit Schreiben vom 27. April 2006 erstmals - vom Angeklagten vorgetragenen Streit mit RA D lag daher allenfalls ein Grund zur Entpflichtung des Rechtsanwaltes als Pflichtverteidiger. Keinesfalls führt dieses zeitlich dem Bestellungsbeschluss nachfolgende Ereignis zur Rechtswidrigkeit des Beschlusses vom 11. April 2006.
2. Das unbestimmte Rechtsmittel vom 25. April 2006 gegen den weiteren Beschluss des Amtsgerichts Marburg vom 11. April 2006 bezieht sich offensichtlich auf den gleichen Beschluss, gegen den der Angeklagte mit Schreiben vom 23. April 2006 Beschwerde eingelegt hat, denn ein anderer Beschluss als der, durch den die Entpflichtung von RA S unter gleichzeitiger Bestellung von RA D als Pflichtverteidiger angeordnet wurde, kann den Akten nicht entnommen werden. Zudem ist dieser Beschluss von dem Angeklagten auch dem Schreiben vom 25. April 2006 als Anlage beigefügt worden. Eine Entscheidung über das unbestimmte Rechtsmittel vom 25. April 2006 ist daher entbehrlich. ..." (LG Marburg, Beschluss vom 13.07.2006 - 4 Qs 56/06 + 58/06)
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zu erkennen, es dem Angeklagten grundsätzlich zu ermöglichen, sich von einem Pflichtverteidiger seines Vertrauens verteidigen zu lassen, wenn keine wichtigen Gründe entgegenstehen. Diese Vorschrift bezieht sich zwar ausdrücklich nur auf die Auswahl eines Pflichtverteidigers und nicht auf spätere Anträge auf Auswechslung eines bereits bestellten Pflichtverteidigers. Es soll grundsätzlich mit dieser Regelung jedoch der pflichtverteidigte Angeklagte demjenigen gleichgestellt werden, der sich auf eigene Kosten seinen Verteidiger gewählt hat (LG Köln StV 2001, 442 f).
Der Zweck der Regelung des § 142 I 1 StPO, wonach ein zu bestellender Pflichtverteidiger möglichst aus der Zahl der örtlichen Rechtsanwälte ausgewählt werden soll, besteht darin, daß die Gerichtsnähe eine sachdienliche Verteidigung sowohl für den Beschuldigten als auch für den Verfahrensablauf ermöglichen soll. Wohnt der Beschuldigte aber am Sitz des beizuordnenden Rechtsanwalts seines Vertrauens, wird durch die Bestellung dieses Verteidigers die bezweckte sachdienliche Verteidigung gerade gefördert; die Bestellung eines im Gerichtsbezirk des erkennenden Gerichts zugelassenen Rechtsanwalts wäre demgegenüber kontraproduktiv (LG Hamburg StV 2002, 648 f).
*** (AG)
Erfolgt die Bestellung eines Verteidigers vor Ablauf der dem Beschuldigten gem. § 142 Abs. 1 S. 1 StPO gesetzten Frist, ist diese Beiordnung aufzuheben, wenn der Beschuldigte innerhalb der Frist einen anderen Verteidiger bezeichnet. Soweit durch die Bestellung des ersten Verteidigers Rechtsanwaltskosten angefallen sind, fallen diese der Staatskasse zur Last (AG München, Beschluss vom 17.06.2011 - 821 Ds 242 Js 136493/11 zu StPO §§ 141, 142; GKG § 21).
***
Ist dem Beschuldigten nach Haftbefehlsverkündung und Anordnung der Haft ohne Gewährung einer Frist zur Benennung eines Verteidigers und ohne sein Verlangen nach einer sofortigen Beiordnung eines Verteidigers oder Verzicht auf die Anhörungsfrist ein Pflichtverteidiger bestellt worden, so ist auf Antrag des Beschuldigten die Bestellung zurückzunehmen und der von ihm bezeichnete Verteidiger beizuordnen (AG Stuttgart, Beschluss vom 04.08.2010 - 27 Gs 1527/10 zu StPO §§ 140 Abs. 1 Ziff. 4, 141 Abs. 3 Ziff. 4, 142 Abs. 1 S. 1).
Auswärtiger Verteidiger
Siehe unter ?Auswahl des Verteidigers durch den Vorsitzenden".
Ausweisung
Siehe unter ?Ausbleiben des Angeklagten in der Berufungsverhandlung".
Ä
Ärztlicher Heileingriff
Siehe unter ?Einwilligung" und ?Körperverletzung mit Todesfolge".
Äußere Unrechtsmerkmale
Zu den äußeren Unrechtsmerkmalen zählen besondere Tätermerkmale, die Tatsituation, die Tathandlung, das Tatobjekt und der Eintritt des tatbestandlichen Erfolges bei Erfolgsdelikten.
Bei einzelnen gesetzlichen Straftatbeständen ist die Rechtswidrigkeit Bestandteil des Tatbestandes.
Zu Erwägen ist das Vorliegen eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses des Verletzten.
Äußerst gefährliche Gewalthandlungen
Siehe unter ?Bewusste Fahrlässigkeit", ?Eventualvorsatz" und ?Totschlag".
B
BAföG-Betrug
Siehe unter ?Betrug".
Bande
?... Die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen drängten zur Erörterung des Vorliegens einer Bande. Eine Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich - durch ausdrückliche oder stillschweigende Abrede - mit dem ernsthaften Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten zu begehen. Ein Tätigwerden in einem "übergeordneten Bandeninteresse" oder eine Bandenstruktur sind nicht erforderlich; der Annahme einer Bande steht auch nicht entgegen, wenn ihre Mitglieder eigene Interessen verfolgen (BGHSt 46, 321, 329 f.; vgl. auch Franke/Wienroeder BtMG 3. Aufl. § 30 Rdn. 7 ff. m.w.N.). Mitglied einer Bande kann auch sein, wem nach der Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeit darstellen (BGHSt 47, 214). Für das Bestehen einer entsprechenden Bandenabrede liegen hier hinreichende Anhaltspunkte vor. K. und R. waren sich einig, dass Drogenkurierfahrten, also mehrere, durchgeführt werden sollten. N. sollte dauerhaft die Miete bezahlt werden, was ebenfalls auf eine Mehrzahl von Taten hindeutet. Aus den tatsächlich erfolgten Taten kann auch ein Rückschluss auf die innere Tatseite gezogen werden. Die bisherigen Feststellungen, auch zur Art und Weise der einzelnen Tatausführungen, drängten die Prüfung einer Bande auf. ..." (BGH, Urteil vom 11.02.2009 - 2 StR 528/08).
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?... Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstypus zu begehen. Ein ?gefestigter Bandenwille" oder ein ?Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse" ist nicht erforderlich (BGHSt - GS - 46, 321). Die Bandenabrede muss nicht ausdrücklich getroffen werden; vielmehr genügt jede Form auch stillschweigender Vereinbarung, die aus dem konkret feststellbaren wiederholten deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden kann (BGH NStZ 2002, 318 [319]). Es genügt hingegen nicht, wenn sich die Täter von vornherein nur zu einer einzigen Tat verbunden haben und in der Folgezeit jeweils aus neuem Entschluss wiederum derartige Taten begehen (BGH StV 1996, 99; NStZ 1996, 442; BGHR StGB § 244 Abs. 1 Nr. 3 Bande 3). ..." (BGH, Urteil vom 21.12.2007 - 2 StR 372/07)
Bandendiebstahl
Siehe unter ?Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchdiebstahl".
Bandenhehlerei
Siehe unter ?Hehlerei - Gewerbsmäßige Hehlerei, Bandenhehlerei".
Bankrott § 283 StGB
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit
1. Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft oder verheimlicht oder in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht,
2. in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise Verlust- oder Spekulationsgeschäfte oder Differenzgeschäfte mit Waren oder Wertpapieren eingeht oder durch unwirtschaftliche Ausgaben, Spiel oder Wette übermäßige Beträge verbraucht oder schuldig wird,
3. Waren oder Wertpapiere auf Kredit beschafft und sie oder die aus diesen Waren hergestellten Sachen erheblich unter ihrem Wert in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst abgibt,
4. Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte anerkennt,
5. Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterläßt oder so führt oder verändert, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird,
6. Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung ein Kaufmann nach Handelsrecht verpflichtet ist, vor Ablauf der für Buchführungspflichtige bestehenden Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert,
7. entgegen dem Handelsrecht
a) Bilanzen so aufstellt, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder
b) es unterläßt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen, oder
8. in einer anderen, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden Weise seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert.
(2) Ebenso wird bestraft, wer durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Handlungen seine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit herbeiführt.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Wer in den Fällen
1. des Absatzes 1 die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit fahrlässig nicht kennt oder
2. des Absatzes 2 die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(5) Wer in den Fällen
1. des Absatzes 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit wenigstens fahrlässig nicht kennt oder
2. des Absatzes 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit wenigstens leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(6) Die Tat ist nur dann strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Strafbarkeit des Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung wegen Bankrotts setzt nicht voraus, dass die Tathandlung im Interesse der Gesellschaft liegt (Aufgabe der "Interessentheorie"; BGH, Beschluss vom 15.05.2012 - 3 StR 118/11):
?...1. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich der frühere Mitangeklagte als Geschäftsführer der S. GmbH wegen Bankrotts unabhängig davon strafbar machte, dass er eigennützig und zum Schaden der Gesellschaft handelte, und die Angeklagten dazu Beihilfe leisteten.
a) Der Bundesgerichtshof ist bislang - die Rechtsprechung des Reichsgerichts (Urteil vom 29. März 1909 - III 877/08, RGSt 42, 278, 282; aA indes RG, Urteil vom 22. Dezember 1938 - 2 D 581/38, RGSt 73, 68, 70) fortführend - in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass der Geschäftsführer einer GmbH sich wegen Bankrotts nach § 283 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB nur strafbar machen könne, wenn er die Tathandlung für die GmbH und (zumindest auch) in deren Interesse vorgenommen hat (vgl. etwa BGH, Urteile vom 20. Mai 1981 - 3 StR 94/81, BGHSt 30, 127, 128; vom 5. Oktober 1954 - 2 StR 447/53, BGHSt 6, 314, 316 f.; vom 6. November 1986 - 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221, 223; Beschluss vom 14. Dezember 1999 - 5 StR 520/99, NStZ 2000, 206, 207, jeweils mwN; s. auch LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 79 ff.; Arloth, NStZ 1990, 570 ff.). Dieser als ?Interessentheorie' bezeichneten Ansicht liegt die Auffassung zugrunde, dass das Gesellschaftsorgan nicht in dieser Eigenschaft handele, wenn ein Bezug zum - durch den Interessenkreis bestimmten - Geschäftsbetrieb fehle (RG, Urteil vom 29. März 1909 - III 877/08, RGSt 42, 278, 282). Daher hat die bisherige Rechtsprechung eine Strafbarkeit wegen Bankrotts abgelehnt, wenn der Vertreter ausschließlich im eigenen Interesse handelt.
b) An der Interessentheorie hält der Senat nicht weiter fest, da sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch nach dem Gesetzeszweck eine solche auf das Interesse des Vertretenen abstellende Einschränkung ergibt und sie berechtigte Kritik erfahren hat.
aa) Der Gesetzeswortlaut stellt für die Zurechnung nicht auf das Interesse des Vertretenen ab: Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB kommt die Strafbarkeit des Geschäftsführers einer GmbH bei Bankrotttaten in Betracht, wenn er ?als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person' gehandelt hat. Dies setzt neben der Organstellung als solcher voraus, dass der Vertretungsberechtigte in seiner Eigenschaft als Organ gehandelt hat (vgl. BT-Drucks. 5/1319 S. 63; BT-Drucks. 14/8998 S. 8: ? 'in Ausübung' seiner Funktion'). Eine nähere Konkretisierung, wann ein Vertretungsberechtigter gerade in dieser Eigenschaft handelt, enthält der Gesetzeswortlaut nicht.
bb) Der vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 14 StGB verfolgte Zweck besteht - ebenso wie bei dem zuvor geltenden § 50a StGB - darin, den Anwendungsbereich von Straftatbeständen allgemein auf Personen zu erweitern, die in einem bestimmten Vertretungs- oder Auftragsverhältnis für den Normadressaten handeln, und die kriminalpolitisch nicht erträgliche Lücke zu schließen, die sich daraus ergibt, dass der Normadressat mangels Handlung und der Handelnde deshalb nicht zur Verantwortung gezogen werden kann, weil er nicht Normadressat ist (BT-Drucks. 5/1319 S. 62). Dieser Regelungszweck spricht nicht für eine einschränkende Normauslegung.
cc) Mit der dargelegten Intention des § 14 StGB lässt sich insbesondere nicht vereinbaren, dass die Interessentheorie im Ergebnis bei einer Vielzahl von Taten einer Strafbarkeit nach § 283 StGB entgegensteht, weil der Vermögensträger als juristische Person und die handelnde natürliche Person auseinanderfallen.
So lässt die Interessentheorie für die Insolvenzdelikte nur einen geringen Anwendungsbereich, wenn Schuldner im Sinne des § 283 StGB eine Handelsgesellschaft ist (LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 80; SK-StGB/Hoyer, § 283 Rn. 103 [Stand: März 2002]; MünchKommStGB/Radtke, 1. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 55; Labsch, wistra 1985, 1, 6 ff.; jeweils mwN); denn die in § 283 StGB aufgezählten Bankrotthandlungen widersprechen ganz überwiegend dem wirtschaftlichen Interesse der Gesellschaft. Damit läuft bei Anwendung der Interessentheorie der vom Gesetzgeber intendierte Gläubigerschutz in der wirtschaftlichen Krise insbesondere von Kapitalgesellschaften bei Anwendung der Interessentheorie weitgehend leer (vgl. Winkler, jurisPR-StrafR 16/2009 Anm. 1). Besonders augenfällig wird dies in Fällen der Ein-Mann-GmbH, in denen der Gesellschafter/Geschäftsführer der Gesellschaft angesichts der drohenden Insolvenz zur Benachteiligung der Gläubiger Vermögen entzieht und auf seine privaten Konten umleitet, nach wirtschaftlicher Betrachtung also aus eigennützigen Motiven handelt. Nach der Interessentheorie ist er nicht des Bankrotts schuldig, obwohl er die Insolvenz gezielt herbeigeführt hat (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 1981 - 3 StR 94/81, BGHSt 30, 127, 128 f.; kritisch dazu LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 80, 85).
Während Einzelkaufleute in vergleichbaren Fällen regelmäßig wegen Bankrotts strafbar sind, entstehen so Strafbarkeitslücken für Vertreter oder Organe von Kapitalgesellschaften. Dies lässt sich nicht mit der Intention des Gesetzgebers vereinbaren, durch die Regelung des § 14 StGB Strafbarkeitslücken zu schließen. Zudem wird angesichts der besonderen Insolvenzanfälligkeit von in der Rechtsform der GmbH betriebenen Unternehmen der Schutzzweck der Insolvenzdelikte konterkariert (vgl. BGH, Beschluss vom 1. September 2009 - 1 StR 301/09, BGHR StGB § 283 Abs. 1 Geschäftsführer 4; SK-StGB/Hoyer, § 283 Rn. 103 [Stand: März 2002]; MünchKommStGB/Radtke, 1. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 55). Das gilt insbesondere, wenn man die Interessenformel konsequent auch auf die Bankrotthandlungen anwendet, die die Verletzung von Buchführungs- oder Bilanzierungspflichten sanktionieren (§ 283 Abs. 1 Nr. 5-7 StGB): Entfällt wegen des fehlenden Interesses der Gesellschaft die Bankrottstrafbarkeit, scheitert eine Verurteilung wegen Untreue regelmäßig am nicht festzustellenden oder nicht nachzuweisenden Vermögensschaden der Gesellschaft (vgl. Arloth, NStZ 1990, 570, 572; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 84).
Über die nicht gerechtfertigte Privilegierung von GmbH-Geschäftsführern gegenüber Einzelkaufleuten hinaus wird der Zweck der § 283 Abs. 1 Nr. 5-8, § 283b StGB unterlaufen, der Verstöße gegen Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften wegen der besonderen Gefahr von Fehleinschätzungen mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen als eigenständiges Unrecht erfassen will (vgl. Arloth, NStZ 1990, 570, 572). Angesichts der dort genannten objektiven Anforderungen wäre kaum verständlich, dass daneben noch auf ein - zudem oft schwerlich zu ermittelndes - subjektives Interesse abzustellen sein soll (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 - 5 StR 122/11, StV 2012, 216; S/S-Perron, StGB, 28. Aufl., § 14 Rn. 26 mwN). Es besteht auch kein Anlass, bei der Auslegung des § 14 StGB im Hinblick auf § 283 Abs. 1 Nr. 5-7, § 283b StGB andere Anforderungen zu stellen als etwa im Rahmen des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB, da § 14 StGB eine der Rechtsvereinheitlichung dienende allgemeine Vorschrift darstellt (BT-Drucks. 5/1319 S. 62).
Überdies erscheint es problematisch, bei Fahrlässigkeits- und Unterlassungstaten die Zurechnung davon abhängig zu machen, in wessen Interesse der Vertreter handelte oder untätig blieb (vgl. S/S-Perron, StGB, 28. Aufl., § 14 Rn. 26). Ähnliches gilt bei nicht eigennützigem Verhalten, etwa bei der Zerstörung von Vermögensbestandteilen (§ 283 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 StGB), da ein solches bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 1981 - 3 StR 94/81, BGHSt 30, 127, 128 mwN) weder im Interesse des Vertreters noch des Vertretenen liegt (vgl. Brand, NStZ 2010, 9, 11).
dd) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Interessentheorie bei Vertretern von Personengesellschaften für die praktisch relevanten Fälle, dass die Gesellschafter der Bankrotthandlung zustimmen (vgl. dazu Labsch, wistra 1985, 1, 7), zudem nicht durchgehalten worden; ein Handeln, das aus wirtschaftlicher Sicht im vollständigen Widerstreit zu den Interessen der vertretenen Gesellschaft steht, soll etwa bei der Kommanditgesellschaft gleichwohl von dem durch das Einverständnis erweiterten Auftrag des Schuldners - also der Gesellschaft - gedeckt sein, wenn der Komplementär zustimmt (BGH, Urteil vom 6. November 1986 - 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221, 223 f. = BGH StV 1988, 14, 15 m. Anm. Weber). Die Einschränkung der Interessentheorie sei insbesondere aus Gründen des Gläubigerschutzes geboten (BGH, Urteil vom 6. November 1986 - 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221, 224). Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof in der Folge auch auf Fälle der GmbH & Co. KG erstreckt, in denen der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH die Bankrotthandlungen mit Zustimmung der Gesellschafter dieser Kapitalgesellschaft und damit der Komplementärin vorgenommen hatte (BGH, Urteil vom 12. Mai 1989 - 3 StR 55/89, wistra 1989, 264, 267; aA BGH, Urteil vom 29. November 1983 - 5 StR 616/83, wistra 1984, 71; BGH, Urteil vom 17. März 1987 - 5 StR 272/86, JR 1988, 254, 255 f. m. abl. Anm. Gössel; offen gelassen von BGH, Urteil vom 3. Mai 1991 - 2 StR 613/90, NJW 1992, 250, 252). Der Gläubigerschutz hat aber bei den in der Rechtsform der GmbH betriebenen Gesellschaften kein geringeres Gewicht als bei Personengesellschaften oder insbesondere der Mischform der GmbH & Co. KG, so dass mit dieser Argumentation nicht nachvollziehbar erscheint, warum die Zustimmung der Gesellschafter einer Komplementär-GmbH den Auftrag des Geschäftsführers erweitern kann, das Einverständnis der Gesellschafter bei einer reinen Kapitalgesellschaft für die Frage, ob der Geschäftsführer als Organ oder im Auftrag der Gesellschaft handelt, hingegen bedeutungslos sein soll.
Auch in Bezug auf die Buchführungs- und Bilanzdelikte hat der Bundesgerichtshof nicht einheitlich an der Interessentheorie festgehalten, sondern diese - teils ausdrücklich, teils stillschweigend - in Frage gestellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Dezember 2011 - 5 StR 122/11, StV 2012, 216; vom 24. Mai 2009 - 5 StR 353/08, NStZ 2009, 635, 636; vom 18. Januar 1995 - 2 StR 693/94, wistra 1995, 146 f.; anders etwa BGH, Beschluss vom 14. Dezember 1999 - 5 StR 520/99, NStZ 2000, 206, 207).
c) Kommt es für ein Handeln als Vertretungsberechtigter im Sinne des § 14 Abs. 1 StGB nicht (mehr) darauf an, ob dieses im Interesse des Geschäftsherrn liegt, ist auf andere taugliche Abgrenzungskriterien Bedacht zu nehmen (dazu bereits BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2009 - 3 StR 372/08, NJW 2009, 2225, 2228; vom 15. September 2011 - 3 StR 118/11, NStZ 2012, 89, 91). Entscheidend bleibt, dass der Handelnde gerade in seiner Eigenschaft als vertretungsberechtigtes Organ, also im Geschäftskreis des Vertretenen (BGH aaO), und nicht bloß ?bei Gelegenheit' tätig wird (vgl. BT-Drucks. 14/8998 S. 8; 5/1319 S. 63). Dabei kann zwischen rechtsgeschäftlichem und sonstigem Handeln zu differenzieren sein (vgl. MünchKommStGB/Radtke, 2. Aufl., § 14 Rn. 65 ff.; S/S-Perron, StGB, 28. Aufl., § 14 Rn. 26; ausdrücklich anders noch BGH, Urteil vom 20. Mai 1981 - 3 StR 94/81, BGHSt 30, 127, 129).
Handelt ein Organwalter rechtsgeschäftlich, ist ein organschaftliches Tätigwerden jedenfalls dann naheliegend gegeben, wenn er im Namen der juristischen Person auftritt oder für diese aufgrund der bestehenden Vertretungsmacht bindende Rechtsfolgen zumindest im Außenverhältnis herbeiführt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2009 - 3 StR 372/08, NJW 2009, 2225, 2228; vom 15. September 2011 - 3 StR 118/11, NStZ 2012, 89, 91 m. Anm. Radtke/Hoffmann). Das Handeln des Vertretungsberechtigten als Organ wird etwa dadurch deutlich, dass er lediglich aufgrund seiner besonderen Organstellung überhaupt in der Lage ist, die vertretene juristische Person rechtlich zu binden. Diese Wirkung könnte er nicht herbeiführen, wenn er nicht als vertretungsberechtigtes Organ, sondern - gleichsam wie ein Außenstehender - als natürliche (Privat-) Person agierte (vgl. Arloth, NStZ 1990, 570, 574).
Eine Zurechnung der Schuldnereigenschaft ist auch in den Fällen möglich, in denen der Vertretungsberechtigte aufgrund seiner Stellung außerstrafrechtliche, aber gleichwohl strafbewehrte Pflichten des Vertretenen zu erfüllen hat (s. LK/Tiedemann, 12. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 84; NK-StGB-Kindhäuser, 3. Aufl., Vor §§ 283 bis 283d Rn. 54).
Dagegen erscheint die Abgrenzung bei einem bloß faktischen Handeln problematischer. Ein solches kann jedenfalls dann Grundlage für eine Zurechnung sein, wenn eine Zustimmung des Vertretenen vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2011 - 3 StR 118/11, NStZ 2012, 89, 91; weitergehend BGH, Beschluss vom 10. Januar 2012 - 4 ARs 17/11, wistra 2012, 191; s. auch MünchKommStGB/Radtke, 2. Aufl., § 14 Rn. 67 f.; Valerius, NZWiSt 2012, 65, 66).
Es bedarf hier keiner abschließenden Klärung, unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen bei rein tatsächlichen Verhaltensweisen eine Zurechnung nach § 14 StGB in Betracht kommt; denn ein solches liegt nicht vor. Der Geschäftsführer K. ist rechtsgeschäftlich tätig geworden. Er verschaffte sich die Beträge im Wesentlichen durch Überweisungen, die er als Geschäftsführer der GmbH mit Wirkung für diese vornahm.
d) Der Senat ist durch die bislang ergangenen Entscheidungen nicht daran gehindert, eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Beihilfe zum Bankrott anzunehmen, obschon der Geschäftsführer der S. GmbH Gesellschaftsvermögen nicht im Interesse der GmbH, sondern in eigenem Interesse beiseite schaffte. Auf Anfrage (§ 132 Abs. 3 Satz 1 GVG) haben sämtliche anderen Strafsenate erklärt, an ihrer insoweit entgegenstehenden früheren Rechtsauffassung nicht festzuhalten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. November 2011 - 1 ARs 19/11, wistra 2012, 113; vom 22. Dezember 2011 - 2 ARs 403/11; vom 10. Januar 2012 - 4 ARs 17/11, wistra 2012, 191; vom 7. Februar 2012 - 5 ARs 64/11). Auch der Senat selbst gibt seine entgegenstehende Rechtsansicht auf. ..."
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?... 4. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen tragen allerdings den Schuldspruch wegen (vorsätzlicher) Verletzung der Buchführungspflicht in drei Fällen gem. § 283b Abs. 1 Nr. 1 und 3 lit. b StGB. Danach unterließen es die Bf. E. (als faktischer Geschäftsführer) und C. (als bestellter Geschäftsführer) ?willentlich', die Handelsbücher der C. GmbH zu führen sowie die Eröffnungsbilanz aufzustellen und einen Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2003 zu erstellen. Mit Blick auf die ebenfalls festgestellte und ausgeurteilte zweckwidrige Verwendung gewährter Subventionsmittel sowie die von beiden Bf. begangenen Untreuehandlungen zum Nachteil von C. GmbH verstand es sich hier allerdings nicht von selbst, dass die Angekl. nicht ausschließlich aus eigennützigen Motiven heraus handelten.
a) Eine Strafbarkeit könnte angesichts dessen namentlich bei Anwendung der von der Rspr. entwickelten Interessentheorie zweifelhaft sein (vgl. hierzu nur BGH, Urt. v. 20.05.1981 - 3 StR 94/81, BGHSt 30, 127, 128 f., v. 06.11.1986 - 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221, 223). Nach den Grundsätzen dieser - vom 3. Strafsenat im Rahmen eines Anfrageverfahrens jüngst in Frage gestellten (vgl. BGH, Beschl. v. 15.09.2011 - 3 StR 118/11; vgl. ferner BGH, Beschl. v. 01.09.2009 - 1 StR 301/09, BGHR StGB § 283 Abs. 1 Geschäftsführer 4 [= StV 2010, 25]) - Rspr. ist für die Strafbarkeit des Vertreters einer juristischen Person nach § 283 StGB erforderlich, dass er zumindest auch im Interesse des Geschäftsherrn handelt (vgl. § 14 StGB); liegen hingegen beim Vertreter ausschließlich eigennützige Motive vor, so scheidet eine Bestrafung wegen Bankrotts neben einer möglichen Strafbarkeit wegen Untreue aus (vgl. nur Fischer, StGB, 58. Aufl., § 283 Rn. 4d m.w.N.).
Die Rspr. vermittelt zur Frage der Anwendung der Interessentheorie auf Buchführungs- und Bilanzdelikte nach § 283 Abs. 1 Nr. 5 bis 8, § 283b StGB kein einheitliches Bild. Teilweise wird die Frage auch bei diesen Delikten bejaht (vgl. BGH, Urt. v. 24.03.1982 - 3 StR 68/82, wistra 1982, 148, 149, Beschl. v. 14.12.1999 - 5 StR 520/99, NStZ 2000, 206, 207 [= StV 2000, 490]; vgl. ferner BGH, Urt. v. 11.10.1960 - 5 StR 155/60), teilweise wird sie hingegen ausdrücklich (vgl. BGH, Beschl. v. 24.03.2009 - 5 StR 353/08, NStZ 2009, 635, 636 [= StV 2010, 25]) oder stillschweigend (vgl. BGH, Beschl. v. 18.01.1995 - 2 StR 693/94, wistra 1995, 146, 147 [= StV 1996, 267]) verneint.
Unabhängig von den im Anfrageverfahren vom 3. Strafsenat angestellten grundsätzlichen Erwägungen (a.a.O.) neigt der Senat dazu, die von der Rspr. namentlich für Vermögensverschiebungen in der unternehmerischen Krise entwickelte Interessentheorie jedenfalls auf Buchführungs- und Bilanzdelikte (§ 283 Abs. 1 Nr. 5 bis 8, § 283b StGB) nicht anzuwenden. Gegen eine Übernahme spricht - worauf auch der GBA in seiner Antragsschrift zutreffend hinweist - der in diesen Konstellationen objektiv eindeutige Bezug zum übertragenen Aufgabenbereich. Diese gesetzlich vermittelte Pflichtenstellung kann letztlich nicht unter dem Vorbehalt einer inneren Tendenz des Organs stehen. Für die Erfüllung von handelsrechtlichen Pflichten der juristischen Person durch ihre Organe erscheint es deshalb bedeutungslos, ob ein Handeln im Interesse des Vertretenen vorliegt (SS/Perron, StGB, 28. Aufl., § 14 Rn. 26; Tiedemann in LK, 12. Aufl., Vor § 283 Rn. 84). Zudem schützen diese Strafvorschriften neben den Gläubigerinteressen die Sicherheit des Geschäftsverkehrs als solchen (vgl. BGH, Urt. v. 22.02.2001 - 4 StR 421/00, NStZ 2001, 485, 486 [= StV 2002, 22]; Tiedemann a.a.O., § 283 Rn. 7; Fischer a.a.O., Vor § 283 Rn. 3; Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 283 Rn. 1).
b) Einer Entscheidung dieser Rechtsfrage bedarf es allerdings nicht. Denn das Fehlen ausdrücklicher Feststellungen zur Motivlage oder deren Erörterung in den Urteilsgründen stellt hier noch keinen durchgreifenden Rechtsmangel dar. Der Senat entnimmt nämlich dem Zusammenhang der Urteilsgründe, dass die Angekl. mit ihrem vorsätzlichen Verstoß gegen die ihnen obliegenden Buchführungs- und Bilanzierungspflichten zumindest nicht - ausschließlich - erstrebten, die zweckwidrigen und vermögensschädigenden Mittelverwendungen zu verschleiern. Ersichtlich lag dem allein ein besonderes Maß an Gleichgültigkeit gegenüber den kaufmännischen Pflichten zugrunde. ..." (BGH, Beschluss vom 15.12.2011 - 5 StR 122/11)
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Ein Beiseiteschaffen im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt nur dann vor, wenn der Zugriff auf den weggegebenen Vermögensbestandteil für einen Insolvenzverwalter im Rahmen der Gesamtvollstreckung (Insolvenz) wesentlich erschwert wird (BGH, Urteil vom 29.04.2010 - 3 StR 314/09 - 27 Seiten starke Entscheidung).
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? ... Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in drei Fällen, wegen (vorsätzlichen) Verstoßes gegen die Insolvenzantragspflicht (richtig: Konkursantragspflicht) und wegen Bankrotts in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt und die Vollstreckung dieser Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Dabei waren die der Verurteilung wegen Betrugs zugrunde liegenden Fälle bereits Gegenstand des Senatsbeschlusses vom 7. Juli 2004 - 5 StR 412/03 (wistra 2004, 429) gewesen. Die Vorwürfe der Steuerhinterziehung, die ebenfalls Gegenstand des vorgenannten Senatsbeschlusses gewesen waren, sind im neuen Rechtsgang nach § 154 Abs. 2 StPO aus dem Verfahren ausgeschieden worden. Nach weiterer Teileinstellung im Revisionsverfahren ist auf die mit Verfahrensrügen und der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten die Gesamtfreiheitsstrafe auf neun Monate herabzusetzen. Das weitergehende Rechtsmittel ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Zur Verfahrenseinstellung haben folgende Erwägungen Anlass gegeben:
a) Bezüglich der Verurteilung nach § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB teilt der Senat die Bedenken des Generalbundesanwalts, der insoweit ursprünglich Freispruch beantragt hat, zwar nicht. Um jedoch eine hier in Betracht zu ziehende Zurückverweisung zu vermeiden, ist dieser Fall einzustellen.
aa) Es ist durchaus erwägenswert, die Veräußerung der Geschäftsanteile an der A. I. K. G. (AIG), die Umfirmierung, die Sitzverlegung und das Abberufen des Angeklagten vom Amt als Geschäftsführer am 22. Dezember 1998 unter die Vorschrift des § 283 Abs. 1 Nr. 8 zweite Alternative, gegebenenfalls vorrangig unter § 283 Abs. 1 Nr. 4 StGB zu subsumieren. Der Begriff der ?geschäftlichen Verhältnisse' ist bislang vom Bundesgerichtshof nicht ausgelegt worden. Vor allem soll dieses Tatbestandsmerkmal Umstände erfassen, die für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit (Bonität) des in der Krise befindlichen Schuldners erheblich sind (Hoyer in SK-StGB 7. Aufl. [März 2002] § 283 Rdn. 94; Tiedemann in LK 11. Aufl. § 283 Rdn. 172; Radtke in MünchKomm-StGB § 283 Rdn. 67). Der Auffangtatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB ist jedenfalls mit Blick auf die Gläubigerinteressen auszulegen: Bei der Tathandlung des Verheimlichens muss der Täter die Gläubiger oder den Insolvenzverwalter über Zugriffsmöglichkeiten auf das Schuldnervermögen in Unkenntnis setzen oder halten; bei der Tathandlung des Verschleierns geht es um die unrichtige Darstellung insbesondere der Vermögensverhältnisse.
Hier hat sich der Angeklagte eine Option auf Rückkauf der Gesellschaftsanteile an der AIG einräumen lassen; darüber hinaus war er aufgrund einer Vollmacht zur umfassenden Vertretung der umbenannten GmbH weiterhin befugt. Dies könnte dafür sprechen, dass es sich bei der Abtretung der Anteile und dem Wechsel in der Geschäftsführung um Scheingeschäfte (§ 117 BGB) handelte; solches würde zumindest die Annahme einer Treuhänderschaft sowie einer faktischen Geschäftsführung nahe legen. Sofern der Angeklagte damit tatsächlich weiterhin bestimmenden Einfluss auf die in I. GmbH umfirmierte AIG nahm, könnte er die Fremdgläubiger über die tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse und die faktisch ausgeübte Geschäftsführung einschließlich des Firmensitzes getäuscht haben. Dies hätte zwar keine verbesserte Darstellung der Bonität der AIG zur Folge. Gleichwohl wird durch diese ?Firmenbestattung' die Position der Gläubiger verschlechtert (vgl. Raik Kilper, ?Firmenbestattung', Hamburg, 2009). Diese könnten durch die verschleiernden Maßnahmen davon abgehalten worden sein, in Vermögensgegenstände der AIG zu vollstrecken oder gar den Angeklagten wegen der Konkursverschleppung etwa nach § 826 BGB in Regress zu nehmen. Die sogenannte Interessentheorie dürfte auf § 283 Abs. 1 Nr. 8 zweite Alternative StGB keine Anwendung finden (vgl. allerdings BGH wistra 2000, 136 für § 283 Abs. 1 Nr. 8 erste Alternative StGB; vgl. auch Ogiermann, wistra 2000, 250, 251).
Von § 283 Abs. 1 Nr. 8 zweite Alternative StGB könnten sogar auch solche im Rahmen der ?Firmenbestattung' vorgenommenen Rechtsgeschäfte erfasst sein, bei denen die Rechtsfolgen von den Beteiligten tatsächlich gewollt sind. Die Übertragung der Anteile und das Abberufen vom Amt des Geschäftsführers wären dann zwar nicht als Scheingeschäfte (§ 117 BGB) zu werten. Gleichwohl könnten die Rechtsgeschäfte wegen der beabsichtigten Gläubigerbenachteiligung und der Umgehung der insolvenzrechtlichen Pflicht zur Antragstellung zivilrechtlich unwirksam sein (BGHR StGB § 266a Abs. 1 Vorsatz 2, insoweit in BGHSt 48, 307 nicht abgedruckt; vgl. auch § 15a Abs. 3 InsO n.F.). Dann hätte der bisherige Geschäftsführer sein Amt behalten und die Fremdgläubiger wären über die tatsächlichen geschäftlichen Verhältnisse der Gesellschaft getäuscht worden.
bb) Einer Verurteilung könnte indes entgegenstehen, dass - ungeachtet noch pfändbarer (allerdings geringer) Bankguthaben - nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe für Dezember 1998 von Zahlungseinstellung (§ 283 Abs. 6 StGB) auszugehen sein könnte. Jedenfalls für die Verletzung der Pflicht zur Aufstellung des Jahresabschlusses ist entschieden, dass der Tatbestand des Bankrotts nicht mehr verwirklicht werden kann, wenn - was dann näherer Auklärung bedürfte - die objektive Bedingung der Strafbarkeit bereits eingetreten ist (BGHR StGB § 283 Abs. 1 Nr. 7b Zeit 1 m.w.N.). Entsprechendes könnte für § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB gelten. Diese wie auch die vorgenannten Fragen bedürfen wegen der Verfahrenseinstellung nicht der Vertiefung.
b) Bei den drei übrigen Bankrottdelikten stehen die Schuldsprüche in Frage, weil das Landgericht etwaige Auswirkungen einer Durchsuchung und Beschlagnahme von Geschäftsunterlagen im Juni 1997 auch mit Blick auf die damals anhängigen Ermittlungsverfahren nicht weiter aufgeklärt hat. Zudem fehlt es ebenso wie bei zwei Betrugsfällen an der nach § 47 Abs. 1 StGB gebotenen Begründung für die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen. Mit Blick auf die lange Verfahrensdauer erscheint die Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO als angemessene Verfahrenserledigung. Dies ermöglicht, das Verfahren nunmehr rechtskräftig abzuschließen.
2. Das Urteil hält in dem nach Teileinstellung verbleibenden Umfang der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Soweit der Angeklagte wegen Betrugs verurteilt worden ist, werden die Feststellungen des Landgerichts den Vorgaben aus dem Senatsbeschluss vom 7. Juli 2004 (vgl. auch BGHSt 1, 262, 264; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 39; BGH wistra 1986, 170) gerecht. Dem Urteil ist hinreichend deutlich zu entnehmen, dass der geschädigten Arbeitnehmerin R. im Dezember 1998 die Vollstreckung in ein Bankguthaben in Höhe von rund 11.600 DM noch möglich gewesen wäre und sie sich - wie auch die übrigen Arbeitnehmer - nur deswegen von der Beitreibung der Forderung hat abhalten lassen, weil sie auf die Erfüllung der Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung vertraute, zumal der Angeklagte persönlich mit der Bürgschaft einzustehen versprach. Eines weiteren Eingehens auf die subjektive Tatseite bedurfte es bei dieser Sachlage nicht.
b) Im Rahmen der Konkursverschleppung (§ 84 Abs. 1 Nr. 2, 64 Abs. 1 GmbHG a.F.; jetzt, insoweit ohne inhaltliche Änderungen, § 15a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 InsO n.F., § 2 Abs. 2, Abs. 3 StGB), die nicht verjährt ist (vgl. dazu insbesondere BGH wistra 2009, 117, 119, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt), belegen die Feststellungen sowohl die Überschuldung als auch die Zahlungsunfähigkeit der AIG. Insoweit bemerkt der Senat ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts zur Aufklärungsrüge des Beschwerdeführers, die den etwaigen, angeblich vom Sachverständigen nicht berücksichtigten Rangrücktritt des Angeklagten zum Gegenstand hat (S. 25 bis 41 aus der Revisionsbegründung vom 12. Februar 2008):
Die - auch in der Sache insbesondere hinsichtlich des Konkursgrundes der Zahlungsunfähigkeit ersichtlich aussichtslose - Aufklärungsrüge ist bereits deswegen unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil sie keine konkret bestimmten aufklärungsbedürftigen Tatsachen bezeichnet. Es wird nur in den Raum gestellt, dass der Angeklagte in Höhe seiner Gesellschafterforderung von rund 11,6 Mio. DM einen Rangrücktritt erklärt habe, ohne dies nach Ort, Zeit und den weiteren Umständen zu konkretisieren. Einer solchen Präzisierung hätte es insbesondere auch deswegen bedurft, weil die AIG Zinszahlungen auf das Gesellschafterdarlehen leistete, was eindeutig gegen einen Rangrücktritt spricht.
c) Der Senat schließt aus, dass die für die Konkursverschleppung verhängte Einzelfreiheitsstrafe von acht Monaten und die für den Betrugsfall zu Lasten der Arbeitnehmerin R. verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten durch die Straffindung in den übrigen Fällen beeinflusst worden sein könnten. Auch führt der Umstand, dass das Landgericht Art und Ausmaß der von ihm festgestellten rechtsstaatswidrigen Verzögerung rechtsfehlerhaft nicht bestimmt hat, hier zu keinem durchgreifenden Strafzumessungsfehler. Noch mildere Einzelfreiheitsstrafen hätte das Landgericht angesichts des Umstandes, dass der Angeklagte im Dezember 1998 die eine ?Firmenbestattung' betrieb und die Geschädigte R. als langjährige vertraute Angestellte über Jahre hinweg von dem Einfordern ihrer Lohnforderungen abhielt, ersichtlich nicht verhängt. Dass es die Einzelstrafen nach der so genannten mittlerweile überholten (BGHSt [GS] 52, 124) Strafabschlagslösung gemindert hat, beschwert den Angeklagten nicht (vgl. BGH wistra 2008, 348, 349).
3. Der Senat hat - entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts - die erneut erforderliche Gesamtstrafenbildung selbst vorgenommen, indem er die Einsatzstrafe um einen Monat erhöht hat. Eine noch geringere Erhöhung nach Wochen kam ersichtlich nicht in Betracht. Die so gebildete Gesamtfreiheitsstrafe berücksichtigt unter Beachtung der einer Verfahrensrüge zu entnehmenden für die Verfahrensverzögerung maßgeblichen Anknüpfungstatsachen und angesichts der bereits vom Landgericht gewährten Strafabschläge sowie der Verfahrenseinstellungen in weit ausreichendem Maße die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung. Ein ?echter' Härteausgleich mit Blick auf die Erledigung der Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 17. September 1998 war bereits deswegen nicht zu gewähren, weil insoweit für die verbliebenen abgeurteilten Taten zu keinem Zeitpunkt, insbesondere nicht im hierfür maßgeblichen ersten Urteil vom 23. Dezember 2002, eine Gesamtstrafenkonstellation (§ 55 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB) vorlag. Die Konkursverschleppung war jedenfalls nicht vor dem 22. Dezember 1998 beendet (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Begehung 1; BGH NJW 1997, 750, 751, insoweit in BGHSt 42, 268 nicht abgedruckt; BGH wistra 1996, 144, 145); der Betrug zu Lasten der Arbeitnehmerin R. begann sogar erst Ende Oktober 1998.
Das Tatgericht wird über den gegenstandslos gewordenen Bewährungszeit- und Pflichtenbeschluss (§ 268a StPO) neu zu befinden haben. ..." (BGH, Beschluss vom 24.03.2009 - 5 StR 353/08)
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Zur Strafbarkeit des Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung wegen Bankrotts durch Beiseiteschaffen von Gesellschaftsvermögen sowie zum Verhältnis von Bankrott und den Vermögens- bzw. Eigentumsdelikten in diesen Fällen (nur Hinweis; BGH, Beschluss vom 10.02.2009 - 3 StR 372/08 zu StGB §§14, 246, 266, 283 ff.):
?... II. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hält der Schuldspruch wegen Beihilfe zum Bankrott der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der frühere Mitangeklagte K. durch die Vereinnahmung der Rechnungsbeträge jedenfalls in Höhe von ca. 1,7 Mio. ? im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB Vermögen der S. GmbH beiseite schaffte. Die Bezahlung der Rechnungen erfolgte unter Verstoß gegen die Grundsätze eines ordnungsgemäßen Wirtschaftens (vgl. dazu BGHSt 34, 309, 310; Stree/Heine in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 283 Rdn. 4 m. w. N.), weil provisionspflichtige Hauptgeschäfte in diesem Umfang nicht getätigt worden waren, deshalb ein Anspruch auf eine erfolgsabhängige Vergütung in dieser Höhe nicht bestand und eine weitere, erfolgsunabhängige Vergütung angesichts der angespannten Liquiditätslage nicht rückwirkend vereinbart werden durfte.
2. Die Vorschrift des § 283 StGB stellt indes ein Sonderdelikt dar, dessen Täter nur der Schuldner sein kann (Radtke in MünchKomm StGB § 283 Rdn. 4; Tiedemann in LK 11. Aufl. § 283 Rdn. 225), also die (natürliche oder juristische) Person, die für die Erfüllung einer Verbindlichkeit haftet (Radtke aaO vor § 283 Rdn. 36). Ist der Schuldner - wie hier - eine juristische Person, die nur durch ihre Organe/Vertreter handeln kann, so gilt § 14 StGB. Diese Vorschrift setzt für die strafrechtliche Zurechnung voraus, dass die handelnde Person ?als' Organ oder Vertreter (Abs. 1) bzw. ?auf Grund dieses Auftrags' (Abs. 2) agiert. Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der wohl herrschenden Auffassung in der Literatur ist es danach für eine Strafbarkeit des Vertreters nach § 283 StGB erforderlich, dass er zumindest auch im Interesse des Geschäftsherrn handelt. Liegen ausschließlich eigennützige Motive vor, so kann eine Strafbarkeit wegen Untreue nach § 266 StGB in Betracht kommen; eine Verurteilung wegen Bankrotts scheidet hingegen aus (sog. Interessentheorie, BGHSt 30, 127, 128 f.; 34, 221, 223; BGHR StGB § 283 Abs. 1 Konkurrenzen 3; BGH NStZ 2000, 206, 207; zustimmend Schünemann in LK 12. Aufl. § 14 Rdn. 50; Fischer, StGB 56. Aufl. § 283 Rdn. 4 b; im Ergebnis auch Kindhäuser in NK-StGB 2. Aufl. vor § 283 Rdn. 56; aA Tiedemann aaO vor § 283 Rdn. 80; Hoyer in SK-StGB 116. Lfg. § 283 Rdn. 103 f.; Lenckner/Perron in Schönke/Schröder aaO § 14 Rdn. 26; jew. m. w. N.; differenzierend Radtke aaO vor § 283 Rdn. 55).
Das Landgericht hat das Vorliegen eines solchen Interesses rechtsfehlerhaft bejaht. Ob eine Handlung wenigstens auch im Interesse des Vertretenen vorgenommen worden ist, bestimmt sich nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise (BGHSt 30, 127, 128 f.). Dass - wie die Strafkammer ausgeführt hat - der frühere Mitangeklagte sein weiteres Tätigwerden für die Gesellschaften der Angeklagten von der Bezahlung der Rechnungen abhängig gemacht hat, begründet ein wirtschaftliches Interesse der vertretenen S. GmbH nicht; es widerspricht einem solchen vielmehr, weiter mit einem Geschäftsführer zusammenzuarbeiten, der im großen Umfang eine ihm nicht zustehende Vergütung verlangt. Nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten kann in der Überweisung der ca. 1,7 Mio. ? durch den früheren Mitangeklagten K. zur Bezahlung der materiell unberechtigten Rechnungen daher nur ein Handeln aufgrund eigennütziger Motive gesehen werden, das der Gesellschaft schadete. Das Einverständnis der Angeklagten mit der Rechnungsstellung und ihrer Begleichung war nicht ausreichend (vgl. BGHSt 30, 127, 128 f.; BGH bei Holtz MDR 1979, 806; BGH NStZ 1984, 118, 119; JR 1988, 254, 255 f.; vgl. die Nachweise bei Labsch wistra 1985, 1, 7); die Zustimmung der Gesellschafter einer juristischen Person löst - anders als bei einer Kommanditgesellschaft (vgl. BGHSt 34, 221, 223 f.) - den Interessenwiderstreit zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft nicht auf.
3. Darüber hinaus tragen die Feststellungen des Landgerichts die Annahme einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der S. GmbH nicht, so dass sich auch bei Nichtanwendung der Interessentheorie (dazu unten IV.) die Verurteilung wegen Beihilfe zum Bankrott als rechtsfehlerhaft erwiese.
Die Strafkammer hat in der Beweiswürdigung des Urteils unter summarischer Gegenüberstellung der liquiden Mittel und der fälligen Forderungen ausgeführt, Anfang April 2004 habe bei der S. GmbH eine Unterdeckung von ca. 4 Mio. ? bestanden; infolge der Kreditkündigungen seien Verbindlichkeiten in Höhe von fast 23 Mio. ? hinzu gekommen. Dies ist bereits widersprüchlich, weil an anderer Stelle des Urteils mitgeteilt wird, dass diese Summe der Kreditaufnahme aller Unternehmen der Angeklagten entsprach; auf die S. GmbH entfiel nur ein Teil davon. In der Darstellung des Landgerichts ist zudem ein von Rechtsanwalt F. für die S. GmbH geführtes Anderkonto nicht berücksichtigt, von dem der frühere Mitangeklagte K. am 5. April 2004 das letztlich von ihm vereinnahmte Geld an die Se. GmbH überwies.
Abgesehen von diesen Widersprüchen und Unvollständigkeiten begegnet die Darstellung der Liquiditätslage der S. GmbH zu den ausgewählten Stichtagen durchgreifenden Bedenken, weil sich das Landgericht auf die Mitteilung der Summen aus dem Liquiditätsstatus und hinsichtlich der liquiden Mittel auf Guthaben auf Girokonten beschränkt. Damit ist dem Senat die Überprüfung verwehrt, ob der vom Landgericht zugrunde gelegte Liquiditätsstatus nicht nur alle relevanten kurzfristig fälligen Verbindlichkeiten, sondern auch die zu ihrer Tilgung vorhandenen oder herbeizuschaffenden Mittel (also die flüssigen Mittel und kurzfristig einziehbaren Forderungen sowie gegebenenfalls die kurzfristig liquidierbaren Vermögensgegenstände) enthält (vgl. § 17 Abs. 2 InsO und BGH wistra 2001, 306, 307; 2007, 312). Selbst wenn dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch zu entnehmen wäre, dass die S. GmbH durch Forderungseinzug oder Veräußerung von Vermögensgegenständen weitere liquide Mittel jedenfalls nicht kurzfristig realisieren konnte, war das Abstellen allein auf die angegebenen Kontenguthaben nicht ausreichend; denn in der rechtlichen Würdigung teilt die Strafkammer mit, dass die Gesellschaften der Angeklagten untereinander ein cashmanagement betrieben, demzufolge Zahlungen jeweils von dem Konto der Gesellschaft vorgenommen wurden, auf dem Guthaben vorhanden war. Dann hätte es zur nachvollziehbaren Annahme der drohenden Zahlungsunfähigkeit der S. GmbH aber auch Feststellungen zu den Vermögensverhältnissen aller anderen Gesellschaften der Angeklagten bedurft. Dies gilt insbesondere deswegen, weil sich dem Urteil nur entnehmen lässt, dass über das Vermögen von zwei der Produktionsgesellschaften das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Über das Schicksal der beiden anderen ergibt sich nichts.
III. Eine Schuldspruchänderung kommt nicht in Betracht. Zwar kann ein eigennütziges Beiseiteschaffen von Vermögen durch den Geschäftsführer einer Gesellschaft den Tatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB erfüllen (BGHSt 28, 371; BGHR StGB § 283 Abs. 1 Konkurrenzen 3). Die Angeklagten hatten der Rechnungsstellung und -begleichung indes zugestimmt.
Das Einverständnis des Geschäftsherrn schließt regelmäßig den Tatbestand der Untreue aus (Fischer aaO § 266 Rdn. 49 m. w. N.). Das gilt grundsätzlich auch für vermögensnachteilige Dispositionen des Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft, wenn sie im Einverständnis der Gesellschafter getroffen werden. Ein Einverständnis der Gesellschafter ist allerdings unwirksam und die Vermögensverfügung des Geschäftsführers deshalb missbräuchlich, wenn unter Verstoß gegen Gesellschaftsrecht die wirtschaftliche Existenz der Gesellschaft gefährdet wird, etwa durch Beeinträchtigung des Stammkapitals entgegen § 30 GmbHG, durch Herbeiführung oder Vertiefung einer Überschuldung oder durch Gefährdung der Liquidität (BGHSt 35, 333; 49, 147, 158; BGH wistra 2003, 457, 460; 2006, 265; vgl. auch Schünemann aaO § 266 Rdn. 25; Kindhäuser aaO § 266 Rdn. 68 ff.; Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 266 Rdn. 20).
Eine solche Existenzgefährdung der Gesellschaft - etwa durch Gefährdung ihrer Liquidität - ist aus den oben unter II. 3. genannten Gründen aber ebenfalls nicht belegt.
IV. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Die von der Rechtsprechung entwickelte Interessentheorie ist in der Literatur auf Ablehnung gestoßen, weil sie für die Insolvenzdelikte nur einen geringen Anwendungsbereich lässt, wenn Schuldner im Sinne des § 283 StGB eine Handelsgesellschaft ist (Tiedemann aaO vor § 283 Rdn. 80; Hoyer aaO § 283 Rdn. 103; Radtke aaO vor § 283 Rdn. 55; Labsch wistra 1985, 1, 6 ff.; jew. m. w. N.). Dieser Kritik ist zuzugeben, dass die in § 283 StGB aufgezählten Bankrotthandlungen ganz überwiegend dem wirtschaftlichen Interesse der Gesellschaft widersprechen und der vom Gesetzgeber intendierte Gläubigerschutz in der wirtschaftlichen Krise insbesondere von Kapitalgesellschaften bei Anwendung der Interessentheorie weitgehend leerläuft. Besonders augenfällig wird dies in Fällen der Ein-Mann-GmbH, in denen der Gesellschafter/Geschäftsführer der Gesellschaft angesichts der drohenden Insolvenz zur Benachteiligung der Gläubiger Vermögen entzieht und auf seine privaten Konten umleitet, nach wirtschaftlicher Betrachtung also aus eigennützigen Motiven handelt. Nach der Interessentheorie ist er nicht des Bankrotts schuldig, obwohl er die Insolvenz gezielt herbeigeführt hat (vgl. BGHSt 30, 127, 128 f.; kritisch dazu Tiedemann aaO vor § 283 Rdn. 80, 85).
Während Einzelkaufleute in vergleichbaren Fällen regelmäßig wegen Bankrotts strafbar sind, entstehen so Strafbarkeitslücken für Vertreter oder Organe von Kapitalgesellschaften. Angesichts der besonderen Insolvenzanfälligkeit von in der Rechtsform der GmbH betriebenen Unternehmen wird der Schutzzweck der Insolvenzdelikte dadurch konterkariert (vgl. Hoyer aaO; Radtke aaO). Dies gilt insbesondere, wenn man die Interessenformel konsequent auch auf die Bankrotthandlungen anwendet, die die Verletzung von Buchführungs- oder Bilanzierungspflichten sanktionieren (§ 283 Abs. 1 Nr. 5-7 StGB): Entfällt wegen des fehlenden Interesses der Gesellschaft die Bankrottstrafbarkeit, scheitert eine Verurteilung wegen Untreue regelmäßig am nicht festzustellenden oder nicht nachzuweisenden Vermögensschaden der Gesellschaft (vgl. Arloth NStZ 1990, 570, 572; Tiedemann aaO vor § 283 Rdn. 84). Über diese nicht gerechtfertigte Privilegierung von GmbH-Geschäftsführern gegenüber Einzelkaufleuten hinaus wird der Zweck der § 283 Abs. 1 Nr. 5-7, § 283 b StGB unterlaufen, der Verstöße gegen Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften wegen der besonderen Gefahr von Fehleinschätzungen mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen als eigenständiges Unrecht erfassen will (vgl. Arloth NStZ 1990, 570, 572).
2. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Interessentheorie bei Vertretern von Personengesellschaften für die praktisch relevanten Fälle, dass die Gesellschafter der Bankrotthandlung zustimmen (vgl. dazu Labsch wistra 1985, 1, 7), zudem nicht durchgehalten worden; ein Handeln, das aus wirtschaftlicher Sicht im vollständigen Widerstreit zu den Interessen der vertretenen Gesellschaft steht, soll etwa bei der Kommanditgesellschaft gleichwohl von dem durch das Einverständnis erweiterten Auftrag des Schuldners - also der Gesellschaft - gedeckt sein, wenn der Komplementär zustimmt (BGHSt 34, 221, 223 f. = BGH StV 1988, 14, 15 m. Anm. Weber). Die Einschränkung der Interessentheorie sei insbesondere aus Gründen des Gläubigerschutzes geboten (BGHSt 34, 221, 224). Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof in der Folge auch auf Fälle der GmbH & Co. KG erstreckt, in denen der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH die Bankrotthandlungen mit Zustimmung der Gesellschafter dieser Kapitalgesellschaft und damit der Komplementärin vorgenommen hatte (BGH wistra 1989, 264, 267; aA BGH wistra 1984, 71; JR 1988, 254, 255 f. m. abl. Anm. Gössel; offen gelassen von BGH NJW 1992, 250, 252). Der Gläubigerschutz hat aber bei den in der Rechtsform der GmbH betriebenen Gesellschaften kein geringeres Gewicht als bei Personengesellschaften oder insbesondere der Mischform der GmbH & Co. KG, so dass mit dieser Argumentation nicht nachvollziehbar erscheint, warum die Zustimmung der Gesellschafter einer Komplementär-GmbH den Auftrag des Geschäftsführers erweitern kann, das Einverständnis der Gesellschafter bei einer reinen Kapitalgesellschaft für die Frage, ob der Geschäftsführer als Organ oder im Auftrag der Gesellschaft handelt, hingegen bedeutungslos sein soll.
3. Der Senat neigt deshalb dazu, von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Strafbarkeit eines Vertreters wegen Bankrotts abzuweichen und die Abgrenzung zwischen den Insolvenzdelikten der §§ 283 ff. StGB und insbesondere der Untreue nach § 266 StGB, aber auch den Eigentumsdelikten gemäß §§ 242, 246 StGB nicht mehr nach der Interessenformel vorzunehmen, zumal das Abstellen auf das Interesse des Vertretenen und damit auf ein subjektives Element vom Wortlaut des § 14 StGB nicht gefordert wird (Arloth NStZ 1990, 570, 574; Tiedemann aaO vor § 283 Rdn. 84).
Es erscheint vielmehr geboten, für die Zurechnung der Schuldnereigenschaft im Sinne der §§ 283 ff. StGB maßgeblich daran anzuknüpfen, ob der Vertreter im Sinne des § 14 StGB im Geschäftskreis des Vertretenen tätig geworden ist. Dies wird bei rechtgeschäftlichem Handeln zu bejahen sein, wenn der Vertreter entweder im Namen des Vertretenen auftritt oder letzteren wegen der bestehenden Vertretungsmacht jedenfalls im Außenverhältnis die Rechtswirkungen des Geschäfts unmittelbar treffen (vgl. Radtke aaO vor § 283 Rdn. 58; Lenckner/Perron aaO § 14 Rdn. 26; Labsch wistra 1985, 59, 60). Gleiches gilt, wenn sich der Vertretene zur Erfüllung seiner außerstrafrechtlichen, aber gleichwohl strafbewehrten Pflichten (vgl. § 283 Abs. 1 Nr. 57 StGB) eines Vertreters bedient (Tiedemann aaO vor § 284 Rdn. 84, Lenckner/Perron aaO; Radtke aaO; Arloth NStZ 1990, 570, 572; Winkelbauer JR 1988, 33, 34). Bei faktischem Handeln muss die Zustimmung des Vertretenen - unabhängig von der Rechtsform, in der dieser agiert - ebenfalls dazu führen, dass der Vertreter in seinem Auftrag handelt und ihm die Schuldnerstellung zugerechnet wird (Radtke aaO; Hoyer aaO § 283 Rdn. 106).
Bei Beachtung dieser Grundsätze kann die trotz gleichartiger Verhaltensweisen mit der Interessentheorie verbundene Ungleichbehandlung zwischen Einzelkaufleuten und GmbH-Geschäftsführern ebenso vermieden werden (vgl. Radtke aaO), wie Strafbarkeitslücken bei Verstoß gegen Buchführungs- und Bilanzierungspflichten, wodurch der Gläubigerschutz verbessert wird. Soweit der Vertreter eigennützig handelt, wird häufiger als bisher eine Verurteilung wegen Bankrotts in Tateinheit mit Untreue oder einem Eigentumsdelikt in Betracht kommen, insbesondere wenn die Zustimmung der Gesellschafter (oder des alleinigen Gesellschafters/Geschäftsführers) einer GmbH wegen des damit verbundenen existenzgefährdenden Eingriffs in das Gesellschaftsvermögen kein tatbestandsausschließendes Einverständnis mit der nachteiligen Vermögensverfügung darstellt (vgl. BGHSt 35, 333; 49, 147, 158; BGH wistra 2003, 457, 460; 2006, 265). Dieses Ergebnis ist jedoch gerechtfertigt, weil in diesen Fällen durch dieselbe Handlung unterschiedliche Rechtsgüter - der Schutz der Gläubiger einerseits und das Vermögen bzw. das Eigentum der Gesellschaft andererseits - beeinträchtigt werden. ..." (StGB §§14, 246, 266, 283 ff.)
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?... 2. Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht. Dabei kann dahinstehen, ob einer Verurteilung des Angeklagten nach § 331 Nr. 1 und 4 HGB tatsächlich der Grundsatz der Spezialität entgegenstünde; denn das Landgericht hat schon eine mögliche Strafbarkeit des Angeklagten gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a StGB rechtsfehlerhaft verneint. Da das Landgericht zur Sache lediglich die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der H und damit den Eintritt der objektiven Bedingung der Strafbarkeit nach § 283 Abs. 6 StGB aF feststellt, sich mit den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a StGB dagegen nicht befasst, ist für die revisionsrechtliche Prüfung vom Anklagevorwurf auszugehen, dass die Aktivierung der stillen Beteiligung der H an der I bzw. der T im Jahresabschluss per 31. März 1997 mit 99.966.485,49 DM inhaltlich unrichtig und geeignet war, die Übersicht über den Vermögensstand der H zu erschweren, sowie im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Bilanz durch den Angeklagten am 30. Juni 1997 die Zahlungsunfähigkeit der H drohte und dem Angeklagten all dies bewusst war. Auf dieser Grundlage ist eine Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlichen Bankrotts entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht ausgeschlossen.
Nicht zu beanstanden ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts, dass eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a StGB nicht in Betracht kommt, wenn seine Bankrotthandlung in keiner Beziehung zur Eröffnung des Anschlusskonkursverfahrens über das Vermögen der H stand (vgl. BGHSt 1, 186, 191 zu § 240 Abs. 1 Nr. 3 KO aF ; BGH JZ 1979, 75, 76; NJW 2001, 1874, 1876; zu § 283 b StGB: BGHSt 28, 231, 233). Jedoch hat das Landgericht die Möglichkeit eines solchen Zusammenhangs rechtsfehlerhaft verneint. Es hat zwar nicht verkannt, dass - wie schon aus § 283 Abs. 2 StGB folgt - eine kausale Herbeiführung des Konkurses durch die Bankrotthandlung nicht erforderlich war (vgl. BGHSt 1, 186, 191). Es hat jedoch nicht hinreichend bedacht, dass es sich bei § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a StGB um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt, das die Gesamtheit der Gläubiger vor einer potentiellen Schmälerung ihrer Befriedigungsmöglichkeiten schützen soll (BGHSt 28, 371, 373; Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 283 Rdn. 1; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. vor § 283 Rdn. 3). Es war daher nicht notwendig, dass die Befriedigungsinteressen auch nur eines Gläubigers durch die Bankrotthandlung einer konkreten Gefahr ausgesetzt wurden. Vielmehr genügte ein rein äußerlicher Zusammenhang zwischen der Falschbilanzierung und der Konkurseröffnung. Hierfür kann dahinstehen, ob ein solcher immer schon dann besteht, wenn - wie hier - die Krise, in der die Bankrotthandlung vorgenommen wurde, vor dem Eintritt der objektiven Bedingung der Strafbarkeit nach § 283 Abs. 6 StGB nicht mehr überwunden wird; hierfür könnte § 283 b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StGB sprechen (Bittmann, Insolvenzstrafrecht § 13 Rdn. 7), auch für den Anwendungsbereich des § 283 StGB. Denn jedenfalls reichte es aus, wenn zumindest ein Teil der Gläubiger sowohl von der Bankrotthandlung als auch von der Konkurseröffnung betroffen waren (BGHSt 1, 186, 191). Dies wäre etwa dann der Fall gewesen, wenn Gläubigerforderungen, die schon zur Zeit der Bankrotthandlung bestanden, bei Konkurseröffnung noch nicht getilgt gewesen sein sollten (BGHSt 1, 186, 191; BGH bei Herlan GA 1953, 73; 1971, 38; BGH NJW 2001, 1874, 1876) oder Mängel der Buchführung bis zur Konkurseröffnung noch fortgewirkt hätten (BGH, Urt. vom 5. Juli 1955 - 5 StR 236/55; Urt. vom 4. April 1979 - 3 StR 488/78, insoweit in BGHSt 28, 371 nicht abgedruckt; s. auch RGSt 39, 165, 167 m. w. N.); denn die durch die Bankrotthandlung begründete abstrakte Gefahr hätte dann bis zum Eintritt der objektiven Strafbarkeitsbedingung fortbestanden, wäre durch diese verstärkt und einem Übergang in eine konkrete Gefährdung oder gar in einen Schaden näher gebracht worden. Dies war nach dem nicht aufgeklärten Tatvorwurf naheliegend der Fall. Die Sache bedarf da-her neuer Verhandlung. ..." (BGH, Beschluss vom 30.08.2007 - 3 StR 170/07)
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Zur Feststellung einer Überschuldung bedarf es eines Überschuldungsstatus in Form einer Vermögensbilanz, die über die tatsächlichen Werte des Gesellschaftsvermögens Auskunft gibt. Ohne Bedeutung sind die steuerlichen Abschreibungswerte. Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten sowie der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder herbeizuschaffenden Mittel erforderlich. Die Strafbarkeit der verspäteten Bilanzierung gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b StGB setzt voraus, daß zu dem Zeitpunkt, in dem die Bilanz spätestens zu erstellen war, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit oder zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit vorlag. § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b StGB ist ein echtes Unterlassungsdelikt; eine Strafbarkeit entfällt daher, wenn der Täter aus fachlichen oder finanziellen Gründen zur Erstellung einer Bilanz nicht in der Lage war (BGH, Beschluss vom 30.01.2003 - 3 StR 437/02).
Eine Verurteilung gem. § 283 Abs. 1 Nr. 7 b StGB kommt nicht in Betracht, wenn sich der Täter zur Erstellung einer Bilanz oder zu ihrer Vorbereitung der Hilfe eines Steuerberaters bedienen muß, jedoch die hierfür erforderlichen Kosten nicht aufbringen kann (BGH StV 2002, 199 f).
Täter von Bankrottstraftaten kann nicht nur sein, wer sich selbständig wirtschaftlich betätigt, sondern jeder Schuldner, der einem anderen zu einer vermögenswerten Leistung oder zur Duldung einer Zwangsvollstreckung verpflichtet ist. Damit werden auch Privatkonkurse erfasst. Der Bankrottatbestand ist auch auf solche Fälle anwendbar, in denen nur ein einziger Gläubiger vorhanden ist. Daß der einzelne Gläubiger auch durch § 288 StGB geschützt wird, macht die Vorschrift des § 283 StGB nicht unanwendbar. Zahlungsunfähigkeit ist i. d. R. durch eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder herbeizuschaffenden Mittel festzustellen (BGH StV 2002, 22 ff).
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§ 283 I Nr. 7 lit. b StGB ist ein echtes Unterlassungsdelikt; eine Strafbarkeit entfällt daher, wenn der Täter aus fachlichen oder finanziellen Gründen zur Erstellung einer Bilanz nicht in der Lage war (KG, Beschluss vom 18.07.2007 - (4) 1 Ss 261/06 (147/07) zu § 283 StGB, NJW 2007, 3449, 3450).
Basistatsachen
Siehe unter ?Anknüpfungstatsachen".
Bedeutungslos - Beweisantrag
Siehe unter ?Beweisanträge in der Hauptverhandlung".
Bedingter Beweisantrag
? ... Die Revision des Angekl .... hat mit der in zulässiger Weise erhobenen Rüge der verfahrenswidrigen Behandlung eines Beweisantrages Erfolg. Der Angekl. hat in der Hauptverhandlung sinngemäß beantragt, dem Zeugen A. eine Niederschrift über dessen Vernehmung in einem früheren Strafverfahren gegen ihn als Beschuldigten vorzuhalten; dieser Vorhalt sollte den Nachweis erbringen, daß A. damals bekundet habe, der Zeuge B. habe ihm gegenüber geäußert, er werde einen Dritten mit der Brandlegung beauftragen. Für den Fall, daß sich der Zeuge A. trotz des Vorhaltes an eine solche Aussage nicht erinnern sollte, hat der Angekl. des weiteren die Vernehmung dreier Protokollzeugen für die Beweistatsache beantragt, daß A. bei jener Vernehmung tatsächlich bekundet habe, ?B. hat mir erklärt, er würde das nicht selber machen, sondern habe dafür jemanden'.
Bei diesem kombinierten Beweisbegehren handelt es sich um die Anregung eines Vorhaltes im Rahmen einer Zeugenbefragung, von deren tatsächlichem Ergebnis die Erhebung weiterer Beweise abhängig gemacht worden ist: Falls der Zeuge A. eine bestimmte frühere Aussage nicht inhaltlich bestätigen sollte, ist zum Beweis dieser Aussage die Zeugenvernehmung beantragt worden. Ein solcher bedingter Beweisantrag, der an eine zum Zeitpunkt der Antragstellung noch ungewisse Sachlage anknüpft, ist verfahrensrechtlich zulässig und vom Gericht grundsätzlich nach § 244 ff. StPO zu behandeln (vgl. BGH NStZ 1984, 372; NStZ 1989, 191; Schlothauer StV 1988, 542 f.; Scheffler NStZ 1989, 158).
Die StrK hat in der Hauptverhandlung über den bedingten Beweisantrag nicht entschieden, sondern ihn erst im Urteil mit folgenden Erwägungen abgelehnt:
Auf Vorhalt seiner richterlichen Vernehmung vom 3. 11. 1989, wonach er gesagt hat, daß B. ihm erklärt habe, er würde das nicht selbst machen, sondern hätte einen anderen, räumte der unvereidigt gebliebene Zeuge A. ein, daß er sich nicht mehr daran erinnern könne, da er, aus der Sicht der Kammer verständlich, vieles aus dieser Zeit vergessen oder auch verdrängt habe; er meine jedoch, so etwas nicht gesagt zu haben. Der von dem Angekl .... gestellte Beweisantrag auf Vernehmung der Verhörspersonen war daher abzulehnen, da der Zeuge A. nicht bestritten hat, diese Aussage gemacht zu haben, sondern lediglich erklärt hat, sich nicht mehr daran zu erinnern.
Diese Vorgehensweise wird mit der Revision zu Recht beanstandet. Da die Kammer über den bedingt gestellten Beweisantrag entschieden hat, ist sie davon ausgegangen, daß die Bedingung eingetreten ist. Diese Annahme ist auch zutreffend, da sich der Zeuge A. in der Hauptverhandlung nicht daran erinnern konnte, die unter Beweis gestellte frühere Aussage gemacht zu haben. Somit war nunmehr über den Antrag auf Vernehmung der Verhörszeugen nach den Regeln des § 244 Abs. 3 StPO zu befinden. Daran hat sich die Kammer nicht gehalten, sondern die Ablehnung damit begründet, der Zeuge habe die Beweistatsache ?nicht bestritten'. Einen solchen Ablehnungsgrund stellt § 244 StPO nicht zur Verfügung. Diese Rechtfertigung kann auch nicht in dem Sinne ausgelegt werden, daß die unter Beweis gestellte Tatsache durch die Aussage des Zeugen A. bereits bewiesen sei. Wenn der Zeuge sich nicht erinnern konnte, die fragliche Aussage gemacht zu haben, er dies zwar nicht bestreitet, andererseits jedoch ?meint, so etwas nicht gesagt zu haben', so bleibt der Inhalt der früheren Aussage völlig unaufgeklärt und hätte des Beweises bedurft. Schließlich kann ausgeschlossen werden, daß die Kammer die Beweisbehauptung (die frühere Aussage A's, B. habe die Brandlegung durch einen Dritten in Aussicht gestellt) als wahr behandelt hat; den Entscheidungsgründen sind hierfür keinerlei Anhaltspunkte zu entnehmen.
Die Ablehnung des Beweisantrages im Urteil verstößt zudem gegen § 244 Abs. 6 StPO. Der Grundsatz, daß über einen Beweisantrag durch Gerichtsbeschluß in der Hauptverhandlung zu befinden ist, darf das Gericht nur dann durchbrechen, wenn das Beweisbegehren an einen verhandlungsabschließenden Hauptantrag (z.B. auf Freispruch oder eine bestimmte Sanktion gerichtet) gekoppelt wird oder der ASt. auf andere Weise zum Ausdruck bringt, daß er auf eine Entscheidung vor Urteilsverkündung verzichtet (sog. Hilfsbeweisantrag; vgl. BGH NStZ 1984, 372 m. Anm. Schlüchter; Scheffler a.a.O., m.w.N.). Die Bedingung für den Beweisantrag auf Vernehmung der genannten Verhörspersonen war indessen das Ergebnis einer weiteren Beweiserhebung (der Vernehmung des Zeugen A.), das zwar zum Zeitpunkt der Antragstellung noch ungewiß war, jedoch noch in der Beweisaufnahme vorgelegen hat. Aus dieser Konstellation ist das Interesse des ASt. offensichtlich, die Aufklärung der Beweisfrage unter allen Umständen in der Hauptverhandlung zu betreiben bzw. auf eine ablehnende Entscheidung des Gerichts reagieren zu können. Es handelt sich um einen sog. Eventualbeweisantrag, über den (bei Eintritt der Bedingung) das Gericht gemäß § 244 Abs. 6 StPO zu beschließen hat (vgl. Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß, 5.A., S. 57; LR-Gollwitzer, StPO 24. A., § 244 Rdn. 164; Schlothauer a.a.O.; einschränkend KK-Herdegen, StPO 3. A., § 244 Rdn. 50 a). Die Entscheidung darf in solchen Fällen nicht dem Urteil vorbehalten werden. Auch dies hat die Kammer nicht beachtet.
Der revisionsrechtlichen Beanstandung der verfahrenswidrigen Ablehnung des bedingten Beweisantrages steht nicht entgegen, daß der Angekl .... sein Beweisbegehren weder bei Eintritt der Bedingung wiederholt noch bei Schluß der Beweisaufnahme in Erinnerung gebracht hat. Selbst ein Protokollvermerk, daß auf ausdrückliches Befragen keine Anträge mehr gestellt worden sind und die Beweisaufnahme ?in allseitigem Einverständnis' geschlossen worden ist, weist keinen Verzicht auf zuvor gestellte Beweisanträge aus (vgl. BGH StV 1987, 189).
Auf den gerügten Verfahrensmängeln kann die Verurteilung des Revisionsführers ... beruhen. Die Entscheidung hat deshalb - soweit sie diesen Angekl. betrifft - keinen Bestand. ..." (OLG Zweibrücken StV 1995, 347 f).
Siehe unter auch ?Beweisanträge in der Hauptverhandlung".
Bedingter Vorsatz
Siehe unter ?Eventualvorsatz".
Bedrohung § 241 StGB
(1) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahe stehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen einem Menschen vortäuscht, dass die Verwirklichung eines gegen ihn oder eine ihm nahe stehende Person gerichteten Verbrechens bevorstehe.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Der Senat ändert den Schuldspruch dahin ab, dass die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Bedrohung entfällt, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Bedrohung (§ 241 StGB) hinter der damit zugleich begangenen versuchten Nötigung zurücktritt (vgl. nur BGHR StGB § 240 Abs. 3, Konkurrenzen 2; BGH, Beschluss vom 8. November 2005 - 1 StR 455/05; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 240 Rdn. 63 m.w.N.). ..." (BGH, Beschluss vom 08.08.2006 - 4 StR 215/06).
***
?... Der Schuldspruch wurde im Fall II. 3. der Urteilsgründe auf Antrag des Generalbundesanwalts geändert und die insoweit verhängte Einzelgeldstrafe aufrechterhalten. Dieser hat hierzu in seiner Antragsschrift vom 29. Juni 2006 ausgeführt:
?Das Urteil trägt den Schuldspruch wegen Bedrohung nicht. Den Urteilsgründen lässt sich nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, dass der Angeklagte mit der Begehung eines Verbrechens gedroht hat. Nach den Feststellungen hob der Angeklagte eine leere Wodkaflasche hoch und drohte den Geschädigten, er werde ihnen mit der Flasche auf den Kopf schlagen, falls sie nicht stehen blieben (UA S. 7). Hierbei habe er jedenfalls billigend in Kauf genommen, dass eine schwere Folge im Sinne des § 226 Abs. 1 StGB eintrete, wenn er seine Drohung in die Tat umsetze (UA S. 15). Aus dem Urteil ergibt sich indes nicht, zu welcher Folge im Sinne des § 226 Abs. 1 StGB der von dem Angeklagten angekündigte Schlag mit der leeren Wodkaflasche geführt hätte. Die Verwirklichung einer solchen Folge erscheint auch nicht in einem solchen Maße nahe liegend, dass eine ausdrückliche Erörterung entbehrlich gewesen wäre. Im Übrigen würde die Bedrohung hinter der versuchten Nötigung zurück treten (vgl. BGH Beschl. v. 8.11.2005 - 1 StR 455/05). Die oben erwähnten Feststellungen des Urteils rechtfertigen jedoch eine Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter Nötigung gemäß §§ 240 Abs. 1, Abs. 3, 22, 23 StGB. In entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO ist der Schuldspruch entsprechend zu ändern. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs gefährdet den Bestand des Strafausspruchs nicht. Angesichts des Umstandes, dass der Strafrahmen der Nötigung selbst nach fakultativer Strafmilderung gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB den Strafrahmen des § 241 Abs. 1 StGB übersteigt, ist auszuschließen, dass das Landgericht auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.' ..." (BGH, Beschluss vom 01.08.2006 - 3 StR 249/06).
Beendeter Versuch
Siehe unter ?Rücktritt vom Versuch".
Befangenheit
Siehe unter ?Ablehnung eines Sachverständigen" und ?Gründe für die Ablehnung eines Richters".
Befangenheit - Ablehnungsbeschluss § 28 StPO
(1) Der Beschluß, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, ist nicht anfechtbar.
(2) Gegen den Beschluß, durch den die Ablehnung als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen wird, ist sofortige Beschwerde zulässig. Betrifft die Entscheidung einen erkennenden Richter, so kann sie nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Auslegung des § 28 II 2 StPO, das die Richterablehnung betreffende Rechtsmittel sei seiner Natur nach eine Beschwerde, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. § 304 IV StPO bewirkt die Unzulässigkeit einer Beschwerde gegen eine Entscheidung des im ersten Rechtszug zuständigen Oberlandesgerichts, mit der es die Ablehnung eines Richters als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen hat (§ 28 II StPO). Diese Regelung ist mit dem Grundgesetz vereinbar.c) Die Verwerfung einer Revision gegen ein erstinstanzliches Urteil eines Oberlandesgerichts mit der Begründung, eine solche Revision könne grundsätzlich nicht darauf gestützt werden, daß das Gericht ein Ablehnungsgesuch gegen einen erkennenden Richter (§ 28 II 2) zu Unrecht verworfen habe, steht mit der Verfassung im Einklang (BVerfG, Beschluss vom 21.06.1977 - 2 BvR 308/77, NJW 1977, 1815 - 1816).
***
?... Der Senat hält an seiner mit Beschluss vom 5. Januar 1977 (BGHSt 27, 96) begründeten Rechtsprechung fest, wonach die Revision gegen ein erstinstanzliches Urteil des Oberlandesgerichts grundsätzlich nicht darauf gestützt werden kann, das Gericht habe ein Ablehnungsgesuch gegen einen erkennenden Richter zu Unrecht verworfen. Der Auffassung des Senats hat sich auch das Schrifttum ganz überwiegend angeschlossen (Rudolphi in SK-StPO § 28 Rdn. 2; Pfeiffer in KK 5. Aufl. § 28 Rdn. 8; Siolek in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 28 Rdn. 28; Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 28 Rdn. 8; aA Schmidt-Leichner NJW 1977, 1804). Entgegen der Auffassung der Revision gebietet auch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK keine Änderung. Dem Recht eines Angeklagten auf ein unparteiisches Gericht wird durch seine Möglichkeit, erkennende Richter nach Maßgabe der §§ 24 ff. StPO abzulehnen und hierüber gemäß § 27 Abs. 1 StPO die Entscheidung des Gerichts ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters herbeiführen zu können, ausreichend Rechnung getragen. Der Gewährung eines Rechtsmittelzuges bedarf es hierzu nicht (BVerfGE 45, 363, 375).
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass in der Entscheidung des Senats vom 5. Januar 1977 ausdrücklich offen gelassen wurde, ob eine Rüge auch dann unstatthaft ist, wenn das Ablehnungsgesuch aus willkürlichen Erwägungen zurückgewiesen worden war. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Zurückweisung der Gesuche, insbesondere auch soweit sie die Vorbefassung der Richter mit dem vorab abgeurteilten Mittäter Ab. betrafen, ist nicht nur nicht willkürlich, sondern sachgerecht. ..." (BGH, Beschluss vom 16.01.2007 - 3 StR 251/06)
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Die Entscheidung des im ersten Rechtszug zuständigen OLG, mit der es die Ablehnung eines Richters als unzulässig verwirft oder als unbegründet zurückweist (§ 28 II 1 StPO), kann nicht mit der sofortigen Beschwerde zum BGH angefochten werden. Aus diesem Grunde kann auch eine Revision gegen ein erstinstanzliches Urteil des OLG grundsätzlich nicht darauf gestützt werden, das Gericht habe ein Ablehnungsgesuch gegen einen erkennenden Richter (§ 28 II 2 StPO) zu Unrecht verworfen (BGH, Beschluss vom 05.01.1977 - 3 StR 433/76, NJW 1977, 1829 - 1830).
Auch der Beschluß, durch den das Ablehnungsgesuch gegen einen erkennenden Richter für unzulässig erklärt wird, kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (BGH, Urteil vom 22.10.1953 - 1 Str 66/53, NJW 1954, 284).
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Wird die Berufung des Angeklagten gem. § 329 I 1 StPO verworfen, bleiben die Mitglieder der Strafkammer bis zum Ablauf der Frist für das Gesuch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. bis zur rechtskräftigen Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs erkennende Richter i.S. des § 28 II 2 StPO (OLG Hamm, Beschluss vom 17.03.2005 - 1 Ws 120/05, NStZ-RR 2005, 267 f).
Wird die Berufung des Angeklagten gem. § 329 I 1 StPO verworfen, bleiben die Mitglieder der Strafkammer bis zum Ablauf der Frist für das Gesuch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. bis zur rechtskräftigen Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs erkennende Richter i.S. des § 28 II 2 StPO (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.04.2003 - III - 3 WS 127-129/03, NStZ-RR 2004, 47).
Die isolierte Anfechtung des ein Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschlusses ist auch dann gemäß § 28 II 2 StPO ausgeschlossen, wenn der abgelehnte Richter erst nach Erlass dieses Beschlusses zum erkennenden Richter geworden ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.11.2002 - 3 Ws 407/02, NStZ 2003, 448).
§ 28 II 2 StPO führt zur Unzulässigkeit einer sofortigen Beschwerde gegen einen ein Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschluß nur dann, wenn der abgelehnte Richter im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung noch erkennender Richter ist (OLG Hamburg, Beschluss vom 24.09.1998 - 1 Ws 189/98, NStZ 1999, 50).
Legt der Beschuldigte gegen den vorläufigen Entzug seiner Fahrerlaubnis Beschwerde ein und lehnt er gleichzeitig die Richter der Beschwerdekammer wegen Besorgnis der Befangenheit ab, darf diese nicht sofort nach Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs über die Beschwerde entscheiden, es sei denn, die Beschwerdeentscheidung gestattet keinen Aufschub. Die Beschwerdekammer, deren Mitglieder abgelehnt worden sind, hat nach Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs den Ablauf der Beschwerdefrist des § 28 II StPO und, falls die sofortige Beschwerde eingelegt wurde, deren rechtskräftige Erledigung abzuwarten, ehe sie in der Hauptsache entscheidet. Kommt die Beschwerdekammer der Pflicht, den Ablauf der Beschwerdefrist nach § 28 II StPO abzuwarten, nicht nach, so fehlt der sofortigen Beschwerde gegen die Verwerfung des gegen ihre Mitglieder gerichteten Ablehnungsgesuchs nicht das Rechtsschutzbedürfnis wegen Gegenstandslosigkeit (OLG Stuttgart, Entscheidung vom 08.11.1993 - 4 Ws 216/93, MDR 1994, 499).
Das Berufungsgericht ist von dem Zeitpunkt an erkennendes Gericht, an dem Termin zur Hauptverhandlung bestimmt oder eine sonstige die Entscheidung vorbereitende Maßnahme getroffen worden ist. Die Eigenschaft als erkennender Richter i. S. des § 28 II 2 StPO, gegen dessen erfolglose Ablehnung die Beschwerde ausgeschlossen ist, beginnt mit dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit bzw. im Rechtsmittelverfahren mit der Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung oder einer sonstigen, die Entscheidung vorbereitenden Maßnahme (OLG Bremen, Entscheidung vom 03.09.1990 - Ws 108/90, StV 1991, 57).
Im Ablehnungsverfahren gegen einen nicht erkennbaren Richter können mit der sofortigen Beschwerde Ablehnungsgründe und Beweismittel zur Glaubhaftmachung nachgeschoben werden (OLG Schleswig, Entscheidung vom 10.08.1981 - 1 Ws 213/81, NStZ 1981, 489).
Befragung des Angeklagten
Der Verteidiger darf bei der Befragung des Angeklagten in der Verhandlung nicht vom Vorsitzenden unterbrochen werden, da eine Unterbrechung geeignet ist, den Verteidigungsplan erheblich zu stören. Eine Unterbrechung ist nach § 238 II StPO zu beanstanden.
Die Unterbrechung der Vernehmung des Angeklagten kann allenfalls dann mit der Revision als unzulässig beanstandet werden, wenn gegen die Anordnung des Vorsitzenden das Gericht angerufen worden ist (BGH NStZ 1997, 1998).
Befriedigung des Geschlechtstriebes
Siehe unter ?Mord".
Befugnisse des Ersten Staatsanwalts § 145 GVG
(1) Die ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Oberlandesgerichten und den Landgerichten sind befugt, bei allen Gerichten ihres Bezirks die Amtsverrichtungen der Staatsanwaltschaft selbst zu übernehmen oder mit ihrer Wahrnehmung einen anderen als den zunächst zuständigen Beamten zu beauftragen.
(2) Amtsanwälte können das Amt der Staatsanwaltschaft nur bei den Amtsgerichten versehen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Soll der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung wegen Befangenheit abgelehnt werden, müssen die Ablehnungsgründe schriftlich dem Dienstvorgesetzten des betreffenden Staatsanwaltes mitgeteilt werden. Zugleich muß beantragt werden, ihn im Wege der Dienstaufsicht als befangen abzulösen.
Begründung der Revision § 344 StPO
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muss hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
Leitsätze und Entscheidungen:
Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn für die Verfahrensrüge der unzureichenden Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung eine Darstellung des gesamten Verfahrensganges gefordert wird, auch wenn die Verzögerung erst zwischen Urteilsverkündung und Zustellung des Urteils eingetreten ist. Zu den verfassungsrechtlich gebotenen Folgen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung (BVerfG, Beschluss vom 10.03.2009 - 2 BvR 49/09 zu GG Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 20 Abs. 3, 101 Abs. 1, 103; StPO § 344 Abs. 2 S. 2; StGB § 51; MRK Art. 6 Abs. 3):
?... 2. Der Beschl. des BGH v. 18. 11. 2008 - 1 StR 568/08 (= StV 2009, 118) verletzt den Bf. nicht in seinem Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, soweit darin über die Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zu entscheiden war.
a) Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes fordert die angemessene Beschleunigung des Strafverfahrens. Eine funktionstüchtige Strafrechtspflege erfordert nicht nur die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs überhaupt, sondern auch eine Durchsetzung innerhalb so kurzer Zeit, daß die Rechtsgemeinschaft die Strafe noch als Reaktion auf geschehenes Unrecht wahrnehmen kann (vgl. BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 15. 01. 2009 - 2 BvR 2044/07 -, juris, Rn. 73). Unnötige Verfahrensverzögerungen stellen nicht nur die Zwecke der Kriminalstrafe in Frage; sie beeinträchtigen auch das verfassungsrechtlich abgesicherte öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafprozeß, weil die Beweisgrundlage durch Zeitablauf verfälscht werden kann (vgl. BVerfGE 57, 250 [280]). Eine von den Strafverfolgungsorganen zu verantwortende erhebliche Verzögerung verletzt den Besch. in seinem Recht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren, was bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs von den Strafverfolgungsbehörden zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfGK 2, 239 [246 f.]). Es verletzt den Bf. hier jedoch nicht in seinem Recht auf ein faires Verfahren, daß ihm für die gerügte weitere Verfahrensverzögerung von 7 M. bei der Zustellung des Urteils keine zusätzliche Kompensation durch die Revisionsentscheidung gewährt wurde.
b) Der Bf. hat bezüglich dieser Rüge den Rechtsweg vor Erhebung seiner Verfassungsbeschwerde nicht ordnungsgemäß erschöpft, da die entsprechende Verfahrensrüge in der Revision als unzulässig verworfen wurde. Auf die Frage, wann eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung schon aufgrund der Sachrüge zu prüfen ist und wann eine Verfahrensrüge erforderlich ist, kommt es hier nicht an, da der Bf. eine weitere Verzögerung nach Verkündung des angefochtenen Urteils rügt. Die hier vom BGH angewendeten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge für die Feststellung rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen verletzen den Bf. auch nicht in seinem aus dem Rechtsstaatsprinzip i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz. Der BGH hat die bereits oben unter 1.b) genannten Anforderungen an die Begründung einer Verfahrensrüge nicht willkürlich überspannt.
Im Rahmen der Erhebung einer Verfahrensrüge bei einer überlangen Verfahrensdauer sind an Umfang und Genauigkeit der Ausführungen hohe Anforderungen zu stellen, da dem Revisionsgericht ein detailliertes und wirklichkeitsgetreues Bild des Verfahrensablaufs zu bieten ist. Nur dann ist es in der Lage, allein anhand der Revisionsrechtfertigung zu prüfen, ob eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt und welche Folgen diese hat. Ob eine mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht in Einklang stehende Verfahrensverzögerung vorliegt, richtet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls, die in einer umfassenden Gesamtwürdigung gegeneinander abgewogen werden müssen. Faktoren, die regelmäßig von Bedeutung sind, sind dabei insbes. der durch die Verzögerungen der Justizorgane verursachte Zeitraum der Verfahrensverlängerung, die Gesamtdauer des Verfahrens, die Schwere des Tatvorwurfs, der Umfang und die Schwierigkeit des Verfahrensgegenstands sowie das Ausmaß der mit dem Andauern des schwebenden Verfahrens für den Betroffenen verbundenen besonderen Belastungen. Als rechtsstaatswidrig können nur solche Verfahrensverzögerungen angesehen werden, die ihre Ursache im Bereich der Strafverfolgungsbehörden haben und nicht dem Besch. - unter Beachtung seiner Verfahrensrechte - zuzurechnen sind. Keine Berücksichtigung finden hingegen Verfahrensverzögerungen, die der Besch. selbst, sei es auch durch zulässiges Prozeßverhalten, verursacht hat (vgl. BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 15. 01. 2009 - 2 BvR 2044/07 -, juris, Rn. 90). Die als Voraussetzung einer solchen Gesamtwürdigung zu stellenden Anforderungen an die Darlegung im Rahmen der Verfahrensrüge dürfen hiernach zwar nicht überspannt werden, so daß es insbes. bei einem jahrelang währenden Verfahren nicht erforderlich ist, jeden Ermittlungsschritt anzuführen. Jedoch muß ein realistischer Überblick gewährt werden. Der BGH stellt dabei zutreffend darauf ab, daß es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts ist, das Aktenwerk selbst auf Verzögerungen durchzusehen oder auch nur in Teilabschnitten zu sichten, um die allg. unter Hinweis auf zeitliche Eckdaten aufgestellte Behauptung einer Verzögerung zu prüfen (vgl. BGH, Beschl. v. 17. 12. 2003 - 1 StR 445/03 -, NStZ 2004, 504 [= StV 2004, 308]).
Daher ist es nicht zu beanstanden, wenn der BGH die Revisionsbegründung, die sich auf die Darstellung des Verfahrens zwischen Urteilsverkündung und Zustellung des Urteils beschränkt, nicht als ausreichend ansah. Die Mitteilung in der Revisionsbegründung, das schriftliche Urteil sei am 15. 10. 2007 zu den Akten gelangt, seine Zustellung jedoch erst am 06. 05. 2008 verfügt und am 27. 05. 2008 ausgeführt worden, genügt daher nicht für die Prüfung, ob dadurch eine weitere rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung eingetreten ist.
c) Zudem ist in der Antragsschrift des GBA, der sich der BGH inhaltlich anschloß, auch dargelegt, daß die Rüge des Bf. in der Sache keinen Erfolg hätte. Auch wenn man hier von einer weiteren Verzögerung von 7 M. ausginge, erforderte dies demnach keine zusätzliche Kompensation im Strafausspruch, weil das LG bereits für die vor Urteilsverkündung eingetretene Verfahrensverzögerung einen unangemessen hohen Strafabschlag gewährt hat. Das LG hatte demnach zum einen den Zeitraum der Verzögerung zu weit bemessen, da es die gesamte Zeit zwischen Anklageerhebung und Urteilsverkündung als Verfahrensverzögerung einordnete, obwohl in dieser Zeit gesetzlich vorgeschriebene Verfahrenshandlungen vorgenommen und Mindestfristen eingehalten werden mußten. Außerdem hatte das LG dem Bf. rechtsfehlerhaft bereits eine doppelte Strafmilderung gewährt, indem es einen Abschlag von 20 ? auf die an sich verwirkten Einzelstrafen und nochmals bei der Gesamtstrafe vornahm, und ihn nicht wegen eines besonders schweren Falles des Betruges verurteilt, obwohl das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StGB - Vermögensverlust großen Ausmaßes - hier erfüllt war.
Daher geht auch die weitere Rüge des Bf. in seiner Verfassungsbeschwerde ins Leere, der vom LG vorgenommene Strafabschlag sei zu gering und benachteilige ihn im Vergleich mit der bisherigen Rspr., insbes. der des LG Mannheim. Der in einer früheren Entscheidung des LG Mannheim vorgenommene Strafabschlag von 50 ? bei einer Verfahrensverzögerung von 2 J., auf den der Bf. zum Vergleich hinweist, wurde bereits vom BGH als unangemessen hoch gerügt und hatte nur deswegen Bestand, weil allein der Angekl. Revision eingelegt hatte (BGH, Beschl. v. 20. 03. 2008 - 1 StR 488/07 -, NJW 2008, 2451 [2454] [= StV 2008, 414]).
d) Es verletzt den Bf. nicht in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG, daß die Verfahrensverzögerung durch eine Strafmilderung und nicht durch einen Abschlag bei der Vollstreckung der Strafe kompensiert wurde. Die verfassungsrechtlich gebotenen Folgen aus einer Verfahrensverzögerung ziehen Gerichte und Anklagebehörden in Anwendung des Straf- und Strafverfahrensrechts unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Die in der Rspr. jahrzehntelang praktizierte Berücksichtigung von Verfahrensverzögerungen bei der Strafzumessung ist eine verfassungsgemäße Form der Kompensation (vgl. BVerfGK 1, 269 [280]; 2, 239 [247]). Der Gr. Senat für Strafsachen des BGH hat zwar entschieden, solche Verfahrensverzögerungen künftig nicht bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, sondern dadurch zu kompensieren, daß ein Teil der Strafe im Urteil für bereits vollstreckt erklärt wird (BGH, Beschl. v. 17. 01. 2008 - GSSt 1/07 -, NJW 2008, 860 [= StV 2008, 133]). Für den Gr. Senat war dabei maßgeblich, daß die Strafzumessungslösung an ihre Grenzen stößt, wenn gesetzliche Mindeststrafen unterschritten werden müssen, um eine angemessene Kompensation für Verfahrensverzögerungen zu gewähren. Im übrigen hielt der Gr. Senat eine Trennung der Strafzumessung, die allein durch Unrecht und Schuld bestimmt werden soll, von der Kompensation des erlittenen Verfahrensunrechts für sachgerechter (a.a.O., S. 863 f.). Diese Entscheidung ändert jedoch nichts an der verfassungsrechtlichen Bewertung der bisherigen Lösung. Für Übergangsfälle wie den hier vorliegenden, in dem das erstinstanzliche Urteil noch vor der Entscheidung des Gr. Senats unter Anwendung der Strafzumessungslösung erging, ist es daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn ein Urteil, das im übrigen keine den Angekl. beschwerenden Rechtsfehler enthält, nicht deshalb aufgehoben wird, um den Strafausspruch von der Strafzumessungs- auf die Vollstreckungslösung umzustellen.
3. Es liegt kein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG wegen einer unterlassenen Vorlage an den Gr. Senat für Strafsachen vor.
Ein Verfahrensbeteiligter kann seinem gesetzlichen Richter zwar dadurch entzogen werden, daß der Senat eines obersten Bundesgerichts die Verpflichtung zur Vorlage an den Gr. Senat willkürlich außer Acht läßt (vgl. BVerfGE 3, 359 [363]; 9, 213 [215 f.]; 13, 132 [143]; 19, 38 [43]; st.Rspr.). Ein willkürliches Unterlassen der Vorlage nach § 132 Abs. 2 GVG durch den 1. Strafsenat des BGH ist hier jedoch nicht erkennbar. Nach dieser Vorschrift entscheidet der Gr. Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Strafsenats abweichen will. Eine Abweichung im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn ein Strafsenat dieselbe Rechtsfrage anders als ein anderer beantworten möchte und die divergierenden Rechtsauffassungen entscheidungserheblich sind. Dieselbe Rechtsfrage liegt immer dann vor, wenn wegen der Gleichheit des Rechtsproblems die Entscheidung ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit der Fälle oder der anwendbaren Vorschriften nur einheitlich ergehen kann.
Der 3. Strafsenat des BGH hat zwar in einem Übergangsfall, in dem ein Urteil noch vor der Entscheidung des Gr. Senats unter Anwendung der Strafzumessungslösung ergangen war, den Strafausspruch aufgehoben, damit stattdessen die Vollstreckungslösung angewendet wird (BGH, Beschl. v. 13. 02. 2008 - 3 StR 563/07 -, NStZ-RR 2008, 168; nicht vergleichbar dagegen BGH, Urt. v. 06. 03. 2008 - 3 StR 514/07 -, NStZ 2008, 478 [= StV 2008, 404], da das Urteil dort auch aufgrund der zuungunsten des Angekl. eingelegten Revision der StA aufgehoben wurde). Die vorliegende Entscheidung des 1. Strafsenats, die das angefochtene Urteil aufrechterhält, beruht aber nicht auf einer davon abweichenden tragenden Rechtsansicht. Die Strafsenate prüfen vielmehr bei der Frage, wie in solchen Übergangsfällen zu entscheiden ist, im Einzelfall, ob der Angekl. durch das ergangene Urteil beschwert ist und ob andererseits das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO einer Abänderung des Strafausspruchs i.S.d. Vollstreckungslösung im konkreten Fall entgegensteht. Im Fall des 3. Strafsenats war entscheidend, daß der Nachteil einer höheren Strafe durch die Möglichkeit einer früheren Entlassung auf Bewährung ausgeglichen wurde. Im hier vorliegenden Fall des 1. Strafsenats lag dagegen insoweit eine besondere Konstellation vor, als das LG fehlerhaft eine zu hohe Strafmilderung vorgenommen hatte. Es hatte den gesamten Zeitraum zwischen Anklageerhebung und Beginn der Hauptverhandlung als der Justiz anzulastende Verfahrensverzögerung gewertet und außerdem einen doppelten Strafabschlag bei Einzelstrafen und Gesamtstrafe vorgenommen. Der 1. Strafsenat ging daher davon aus, daß bei einer Aufhebung des Strafausspruchs eine erheblich höhere Strafe ausgeurteilt werden müßte. Auch wenn diese maximal in Höhe der alten Gesamtstrafe hätte vollstreckt werden dürfen, hätten doch der Nachteil durch das mit einer deutlich höheren Strafe verbundene erhöhte Unrechtsurteil sowie weitere, für die Zukunft noch nicht vollständig absehbare Nachteile im Ergebnis zu einer Verschlechterung für den Bf. geführt. Soweit andere Vorschriften an die Höhe der verhängten Strafe anknüpfen, wie zum Beispiel § 66 StGB für die Sicherungsverwahrung, kann die Verhängung einer höheren Strafe mit erheblichen Nachteilen verbunden sein. ..."
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?... Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung der Kammer sind gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu dem aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Anspruch auf effektiven Rechtsschutz hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. zuletzt Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Januar 2005 - 2 BvR 656/99, 657/99, 683/99 -, NJW 2005, S. 1999 ff.). Danach ist die zulässige Verfassungsbeschwerde in einem die Entscheidungskompetenz der Kammer begründenden Sinne offensichtlich begründet.
1. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs verletzt den Beschwerdeführer in seinem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Sie erschwert durch ihre Auslegung und Anwendung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO den Zugang zum Revisionsgericht in einer Weise, die aus Sachgründen nicht zu rechtfertigen ist.
a) Die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie gewährleistet nicht nur, dass überhaupt ein Rechtsweg zu den Gerichten offen steht. Ebenso wie Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, dessen Anwendungsbereich auf die vollziehende öffentliche Gewalt beschränkt ist (vgl. Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Januar 2005 - 2 BvR 656/99, 657/99, 683/99 -, NJW 2005, S. 1999 ff.;BVerfGE 15, 275 (280); 49, 329 (340); 65, 76 (90); 107, 395 (403 ff.)), garantiert sie vielmehr auch die Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 88, 118 (123); 94, 166 (226) ; stRspr). Die Rechtsschutzgarantie umfasst das Recht auf Zugang zu den Gerichten, eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands sowie eine verbindliche Entscheidung durch den Richter (vgl.BVerfGE 54, 277 (291); 85, 337 (345); 107, 395 (401)). Die Effektivität des Rechtsschutzes wird in erster Linie von den Prozessordnungen gesichert (vgl. BVerfGE 94, 166 (213)).
Die Rechtsschutzgarantie gilt nicht nur für den ersten Zugang zum Gericht, sondern für die Ausgestaltung des gesamten Verfahrens (vgl.BVerfGE 40, 272 (275); 88, 118 (125)). Zwar gewährleistet sie keinen Anspruch auf einen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 92, 365 (410) ; stRspr). Wird ein Instanzenzug aber von den Prozessordnungen eröffnet, dann gebietet die Rechtsschutzgarantie in allen von der Prozessordnung zur Verfügung gestellten Instanzen seine Effektivität; der Einzelne muss seine Rechte tatsächlich wirksam durchsetzen können (vgl.BVerfGE 104, 220 (232) m.w.N.; stRspr).
Die Garantie effektiven Rechtsschutzes richtet sich auch an den die Verfahrensordnung anwendenden Richter (vgl. BVerfGE 97, 298 (315)). Das Gericht darf ein von der Verfahrensordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer "leer laufen" lassen (vgl.BVerfGE 78, 88 (99); 96, 27 (39) ). Das Rechtsstaatsgebot verbietet es dem Gericht, bei der Auslegung und Anwendung der verfahrensrechtlichen Vorschriften den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen von Voraussetzungen abhängig zu machen, die unerfüllbar oder unzumutbar sind oder den Zugang in einer Weise erschweren, die aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigen ist (vgl. ausdrücklich zu § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO,BVerfGE 63, 45 (70 f.); s. auch BVerfGE 74, 228 (234); 77, 275 (284); 78, 88 (99)).
b) Die angegriffene Entscheidung gibt zu verfassungsrechtlicher Beanstandung keinen Anlass, soweit sie sich in den Grenzen der allgemeinen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO bewegt.
Nach dieser Rechtsprechung muss der Revisionsführer, der eine Verletzung des Verfahrensrechts geltend machen will, die den Mangel enthaltenden Tatsachen im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO so vollständig und so genau angeben, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. stRspr seit BGHSt 3, 213 (214)). Grundlage einer zulässigen Verfahrensrüge ist die präzise Bezeichnung der Handlung oder Unterlassung des Gerichts, gegen die der Vorwurf der fehlerhaften Verfahrensweise erhoben wird (vgl. BGHSt 2, 168). Unklarheiten der Begründung können durch Auslegung behoben werden. Hierbei ist der Grundgedanke des § 300 StPO zu berücksichtigen, wonach der mit dem Rechtsmittel erstrebte Erfolg nach Möglichkeit erreicht werden soll (vgl. BGH, StV 1993, S. 459).
Eine Auslegung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO in diesem Sinne ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 63, 45 (70 f.); BVerfG , Beschluss vom 12. November 1984 - 2 BvR 1350/84 -, NJW 1985, S. 125 (126)) und wird vom Beschwerdeführer auch nicht beanstandet.
c) Aus Sachgründen nicht gerechtfertigt ist jedoch die Anwendung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO im konkreten Fall. Der Bundesgerichtshof hat die Anforderungen an das Rügevorbringen hinsichtlich einer Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens im Zusammenhang mit einer Verfahrensabsprache überspannt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Bundesgerichtshof - wie der Beschwerdeführer meint - einen als einheitlichen Komplex dargestellten Sachverhalt und die darauf gestützte Verfahrensrüge in zwei Problemkreise aufgeteilt hat. Der Beschwerdeführer hat nämlich bereits im Hinblick auf das Verhalten des Gerichts einen Verfahrensmangel so vollständig und so genau angegeben, dass der Bundesgerichtshof allein aufgrund der Revisionsrechtfertigungsschrift hätte prüfen können, ob ein Verfahrensfehler vorgelegen hätte, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen worden wären.
aa) Je nach der Eigenart des gerügten Verfahrensverstoßes ergeben sich auf der Grundlage der vorhandenen Dogmatik im Bereich des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO spezielle Anforderungen an die Begründung der Revisionsrüge (vgl. Kuckein, in: Karlsruher Kommentar, 5. Aufl. 2003, § 344 StPO Rn. 43). Die dem Beschluss des Bundesgerichtshofs zu Grunde liegende spezifische Konstellation ist - soweit ersichtlich - zum ersten Mal Gegenstand einer revisionsrechtlichen Überprüfung gewesen. Wegen der Weite und relativen Unbestimmtheit des aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatzes des fairen Verfahrens einerseits (vgl.BVerfGE 38, 105 (111); 57, 250 (276); 66, 313 (318) ) sowie der fehlenden gesetzlichen Regelung der Absprachenpraxis andererseits sind die Anforderungen an den Revisionsvortrag, ein Gericht habe sich den auf die Erzielung einer Absprache gerichteten Druck des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft zu eigen gemacht, nicht leicht zu bestimmen. Anregungen der Rechtsprechung zu einer gesetzlichen Regelung der Absprachenpraxis hat der Gesetzgeber bislang nicht aufgegriffen (vgl. zuletzt Beschluss des Großen Senats des Bundesgerichtshofs für Strafsachen vom 3. März 2005 - GSSt 1/04 -, NJW 2005, S. 1440 (1446 f.)). Jedenfalls darf eine gewollte oder geduldete Informalisierung des Verfahrens durch Absprachen im Strafverfahren nicht durch eine Überspannung der Anforderungen an den Vortrag zur Verfahrensrüge zum Ausschluss der rechtlichen Kontrolle dieser Verfahrensart praeter legem führen. Wenn sowohl das zu Grunde liegende "Verfahrensrecht" als auch der angelegte Prüfungsmaßstab noch nicht derart verfestigt sind, wie dies im Hinblick auf die Verfahrensvorschriften und -prinzipien der StPO der Fall ist, gebietet die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes in besonderem Maße, Unklarheiten der Begründung einer Verfahrensrüge durch Auslegung zu beheben.
bb) Wenn der Bundesgerichtshof zu dem gerügten Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens durch das Gericht ausführt, dem Revisionsvorbringen lasse sich nicht entnehmen, dass der Strafkammer ausdrücklich die vom Staatsanwalt angekündigten Strafanträge mitgeteilt worden seien, lässt er diesen Grundsatz außer Acht.
Das Revisionsvorbringen teilt mit, der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft habe in der Mittagspause erklärt, er werde bei einem Geständnis eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten beantragen, während die Strafe ohne Geständnis sechs bis sieben Jahre betragen könne. Wenn die Revisionsbegründung nur wenige Sätze später ausführt, die Mitglieder der Kammer seien vom Inhalt der Gespräche in der Mittagspause "unterrichtet worden", und ergänzt, die Kammer habe sich die Einschätzung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft zu eigen gemacht, "dass im Falle einer Verurteilung ohne Geständnis eine Freiheitsstrafe von 6 bis 7 Jahren zu erwarten sei", ist dem Revisionsvorbringen eindeutig zu entnehmen, dass die Kammer Kenntnis von den in der Mittagspause geäußerten, eine Druckausübung darstellenden Strafmaßerwartungen des Staatsanwalts erlangt hat.
cc) Auch im Hinblick auf den vom Bundesgerichtshof vermissten Vortrag, in welcher Weise sich die Strafkammer die Straferwartung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft "zu eigen gemacht" hat, liegt eine Überspannung der Anforderungen an das Revisionsvorbringen im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO vor.
(1) Die Revision führt aus, die Kammer habe dadurch gegen die Garantie eines fairen Verfahrens verstoßen, dass sie sich die Einschätzung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft zu eigen gemacht habe, im Falle einer Verurteilung ohne Geständnis sei eine Freiheitsstrafe von sechs bis sieben Jahren zu erwarten.
Bereits mit der Verwendung des Begriffs "zu eigen machen" beschreibt die Revisionsbegründung ein Verhalten der Strafkammer so konkret, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen konnte, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären. "Zu eigen machen" bedeutet nach dem gebräuchlichen Wortsinn "aneignen" (Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Eintrag "Eigen"), "etwas übernehmen" (Duden, Das große Wörterbuch der Deutschen Sprache, Bd. 2, S. 930 f., Eintrag "Eigen"). "Übernehmen" wiederum bedeutet etwas von jemand anderem verwenden, etwa Gedanken, Ideen, Methoden von jemandem übernehmen (a.a.O., Bd. 9, S. 4027, Eintrag "übernehmen"). Mit dem Begriff "zu eigen machen" ist somit im Revisionsvorbringen als Tatsachenkern beschrieben, dass die Strafkammer die Straferwartungen des Staatsanwalts - konkludent - für sich übernommen und zur Grundlage der weiteren Verhandlung gemacht hat.
Ob in der Übernahme der eine "Sanktionsschere" öffnenden, vom Staatsanwalt unter Verstoß gegen § 136 a StPO geäußerten Straferwartungen (vgl. BGHSt 43, 195 (204, 208 ff.) sowie den vom 5. Strafsenat vorgelegten Beschluss vom 9. Juni 2004 - 5 StR 579/03 -, StV 2004, S. 470 (471)) tatsächlich ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens lag, ist demgegenüber eine Frage der Begründetheit der Verfahrensrüge.
(2) Auf den weiteren Gesichtspunkt der für die Unzulässigkeit angeführten Begründung, es bleibe unklar, in welcher Weise sich die Kammer das Vorbringen zu eigen gemacht habe, kommt es vor diesem Hintergrund nicht an. Der Bundesgerichtshof hat im Hinblick auf einen im Zusammenhang mit einer Absprache stehenden Rechtsmittelverzicht des Angeklagten dann eine Willensbeeinträchtigung angenommen, wenn ein Gericht nach Ausübung sachwidrigen Drucks durch die Staatsanwaltschaft versäumt, dieser Haltung entgegenzutreten, und sich diese so zu eigen macht (vgl. Beschluss vom 20. April 2004 - 5 StR 11/04 -, NJW 2004, S. 1885). Genau dies - dass die Kammer der vom Staatsanwalt geäußerten Straferwartung nicht entgegengetreten sei - hat der Beschwerdeführer in seiner Revisionsbegründung zur näheren Bestimmung des Begriffs "zu eigen gemacht" wörtlich vorgetragen.
dd) Nach alledem hat der Bundesgerichtshof die Anforderungen an die Angabe der den Mangel enthaltenden Tatsachen im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO überspannt. Er hat Unklarheiten in der Revisionsbegründung nicht durch eine nahe liegende, vom Wortlaut und Sinn des Vorbringens gedeckte Auslegung beseitigt und konnte nur deshalb zu dem Ergebnis gelangen, der Rüge liege kein Tatsachenvortrag zu Grunde, der die Prüfung ermögliche, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären. Der Bundesgerichtshof hat auf diese Weise das Rechtsmittel der Revision - gerade für den mangels gesetzlicher Regelung auf revisionsrichterliche Kontrolle verstärkt angewiesenen Bereich der Absprachen im Strafverfahren - ineffektiv gemacht und für den Beschwerdeführer leer laufen lassen.
ee) Die Revisionsentscheidung beruht auf diesem Grundrechtsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass der Bundesgerichtshof bei einer verfassungskonformen Auslegung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO die Rüge für zulässig und begründet erachtet hätte.
2. Ob in der Behandlung der Verfahrensrüge durch den Bundesgerichtshof auch eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot liegt, kann ebenso dahin stehen wie die Beantwortung der Frage, ob der Bundesgerichtshof den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat, weil der Beschluss vom 12. Januar 2005 bereits wegen der Verletzung des aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aufzuheben ist. Mit der Rüge der Verletzung des Willkürverbots und der Gehörsrüge hat der Beschwerdeführer kein weiter gehendes Anfechtungsziel verfolgt.
3. Die Rüge, das Urteil des Landgerichts und der Beschluss des Bundesgerichtshofs verletzten ihn in seiner Menschenwürde und in seinem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip), ist unbegründet. Der zu Grunde liegende Verfassungsverstoß ist nicht erwiesen. Die gegen das landgerichtliche Urteil gerichtete Verfassungsbeschwerde ist daher nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.
Bei der erneuten Behandlung der Sache durch den Bundesgerichtshof wird Gelegenheit bestehen, im Freibeweisverfahren unter Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Beweismittel aufzuklären, ob sich das Verfahrensgeschehen tatsächlich so, wie es der Beschwerdeführer vorträgt, abgespielt hat. ..." (BVerfG, 2 BvR 449/05 vom 8.12.2005, Absatz-Nr. (1 - 46), www.BVerfG.de/entscheidungen/rk20051208_2bvr044905.html)
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Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn das Revisionsgericht für eine den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügende Rüge der Verwertung des Inhalts einer in der Hauptverhandlung nicht verlesenen Urkunde (§ 261 StPO) regelmäßig den Vortrag fordert, daß der Urkundeninhalt auch nicht in sonstiger prozeßordnungsgemäßer Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Hingegen überspannt das Revisionsgericht die Zulässigkeitsanforderungen, wenn es die Mitteilung von Tatsachen fordert, denen kein über den Revisionsvortrag hinausgehender Bedeutungsgehalt zukommt, weil sie etwa mit dem Vorgang der Beweisgewinnung in der Hauptverhandlung in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Zu den Anforderungen an die Revisionsrüge der Verwertung einer nicht in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunde liegt folgende Pressemitteilung des BVerfG vor:
Für eine den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechende Revisionsrüge, mit der geltend gemacht wird, das Tatgericht habe im Urteil den Inhalt einer in der Hauptverhandlung nicht verlesenen Urkunde verwertet (§ 261 StPO), verlangt das Revisionsgericht regelmäßig den Vortrag, dass der Inhalt der Urkunde auch nicht in sonstiger prozessordnungsgemäßer Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Diese Auslegung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts.
Sachverhalt: Das Landgericht verurteilte die drei Beschwerdeführer (Bf) wegen gemeinschaftlichen Mordes jeweils zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Mit der gegen das Urteil eingelegten Revision rügten die Bf unter anderem, dass das Gericht im Urteil Listen mit Verbindungsdaten zahlreicher zwischen ihnen geführter Telefonate verwendet habe, die weder durch Verlesung noch in sonstiger Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden seien. Insbesondere seien sie auch nicht im Wege der Vernehmung des sachverständigen Zeugen S. von der Mobilfunk-GmbH zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden. Denn der Zeuge sei lediglich zu technischen Details befragt worden. Damit habe das Gericht § 261 StPO verletzt. Der BGH verwarf die Revisionen der Bf. Zur Begründung führte er unter anderem aus, dass die Rüge einer Verletzung des § 261 StPO unzulässig sei, da sie den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genüge. Die Bf hätten die Verfahrenstatsache verschwiegen, dass der sachverständige Zeuge S. vom Kammervorsitzenden geladen worden sei und zwar mit dem Zusatz: ?Ihr Zeichen: PSDA - 364/96, Auskunft vom 28. Mai 1996. Sie sollen als sachverständiger Zeuge zu den Einzelheiten der o.g. Auskunft vernommen werden". Danach liege es nahe, dass der Zeuge zu einzelnen Daten aus den Telefonlisten befragt worden ist.
Die gegen die Entscheidung des BGH erhobenen Verfassungsbeschwerden hatten Erfolg. Der Zweite Senat hob den Beschluss auf, da er die Bf in ihrem Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz verletzte. Die Sache wurde an den BGH zurückverwiesen. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
1. Die angegriffene Entscheidung gibt zu verfassungsrechtlicher Rüge keinen Anlass, soweit sie sich in den Grenzen der bisherigen Rechtsprechung des BGH zur Auslegung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO bewegt. Danach ist für die Rüge der Verwertung des Inhalts einer nicht in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunde regelmäßig der Vortrag erforderlich, dass der Inhalt der Urkunde auch nicht in sonstiger prozessordnungsgemäßer Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Diese Auslegung ist vom Wortsinn des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO umfasst. Unter "die den Mangel enthaltenden Tatsachen" sind die Umstände zu verstehen, die den Gesetzesverstoß unmittelbar begründen. Grundsätzlich begründet erst der Vortrag, dass das Tatgericht keine der nahe liegenden Möglichkeiten zur prozessordungsgemäßen Einführung des Inhalts einer Urkunde genutzt hat, einen Verfahrensverstoß nach § 261 StPO. Denn die Tatsache ?fehlende Einführung in die Hauptverhandlung" setzt voraus, dass von mehreren möglichen Prozessereignissen keines stattgefunden hat. Die Auffassung des BGH steht auch im Einklang mit dem Sinn und Zweck des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Vorschrift verfolgt unter anderem das Ziel, das Revisionsgericht in die Lage zu versetzen, allein anhand der Revisionsbegründung über die Schlüssigkeit einer Verfahrensrüge zu befinden. Dadurch wird einer Überlastung der Revisionsgerichte entgegengewirkt, die ihrerseits wieder den effektiven Rechtsschutz insgesamt beeinträchtigen würde. Der vom BGH geforderte Tatsachenvortrag macht das Rechtsmittel der Revision auch nicht ineffektiv. Denn die Möglichkeiten der Einführung des Inhalts einer Urkunde sind gesetzlichbegrenzt und unschwer am Gesetzestext erkennbar.
2. Hingegen hat der BGH die Zulässigkeitsanforderungen im Einzelfall überspannt, wenn er die Mitteilung von Tatsachen fordert, die mit dem Vorgang der Beweisgewinnung in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Dies betrifft die vom BGH vermisste Mitteilung der Ladung des sachverständigen Zeugen S. und des dabei angegebenen Ladungszusatzes. Aus der Ladung folgt nicht, ob der Zeuge auch vernommen worden ist. Der Ladungszusatz gibt für die Frage, ob und in welchem Umfang der Inhalt der Telefonlisten über den geladenen Zeugen in die Hauptverhandlung tatsächlich eingeführt worden ist, keinen Aufschluss. Bei dieser Sachlage war es für die Bf nicht vorhersehbar, dass es dem BGH für die Zulässigkeit der Rüge auf die Ladungsverfügung ankommen werde. Der BGH hat damit den Zugang zum Revisionsgericht in unzumutbarer Weise beschränkt (BVerfG, Beschluss vom 25.01.2005 - 2 BvR 656/99, 2 BvR 657/99 und 2 BvR 683/99 - Pressemitteilung vom 25.05.2005).
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?... 1. Die Rüge einer zu extensiven Auslegung von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO geht fehl; die Verfahrensweise des Bundesgerichtshofs lässt weder einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG noch gegen Art. 103 Abs. 1 GG erkennen.
a) Art. 19 Abs. 4 GG enthält das Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl.BVerfGE 67, 43 (58) ; stRspr). Die in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes wird in erster Linie von den Prozessordnungen gesichert. Sie treffen Vorkehrungen dafür, dass der Einzelne seine Rechte auch tatsächlich wirksam durchsetzen kann und die Folgen staatlicher Eingriffe im Regelfall nicht ohne fachgerichtliche Prüfung zu tragen hat (vgl.BVerfGE 94, 166 (213)). Dabei fordert Art. 19 Abs. 4 GG zwar keinen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 87, 48 (61); 92, 365 (410) ; stRspr). Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger in diesem Rahmen die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl.BVerfGE 40, 272 (274 f.); 54, 94 (96 f.) ). Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer ?leer laufen' lassen (vgl.BVerfGE 78, 88 (99)).
Diesem Maßstab wird die angegriffene Entscheidung gerecht. Um einen Verstoß gegen § 136 a StPO wirksam zu rügen, muss der Revisionsführer die den Verstoß enthaltenden Tatsachen und die Tatsachen vortragen, aus denen sich die Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs mit der Aussage ergibt (vgl. Sarstedt/Hamm, Die Revision in Strafsachen, S. 445). Da es hier um die tatrichterliche Verwertung einer im Ermittlungsverfahren unter Verstoß gegen § 136 a StPO gewonnenen Aussage geht, ist dieser Tatsachenvortrag in doppelter Hinsicht, also nicht nur für die Entstehung der Aussage, sondern auch für ihre rechtsfehlerhafte Verwendung (Erhebung und Verwertung) in der Hauptverhandlung erforderlich. Der Revisionsführer hat mithin nicht nur die Vernehmungssituation im Ermittlungsverfahren, ihre Bedeutung für die Entschließungsfreiheit des Beschuldigten zu schildern (vgl. Sarstedt/Hamm a.a.O.) und den Inhalt der so entstandenen Aussage wiederzugeben (vgl. BGH Urteil vom 9. März 1995 - 4 StR 77/95 - JURIS; BGH NStZ 1995, S. 353; 1996, S. 290 (291); StV 1993, S. 289), sondern auch die Vernehmungssituation und die daraus hervorgegangenen Aussageinhalte in der Hauptverhandlung darzulegen. Dies gilt insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden, in denen das Urteil zu einer eventuellen Verwertung schweigt, mithin beide Möglichkeiten - Verstoß gegen § 136 a StPO und Nichtverwertung der polizeilichen Vernehmung - denkbar sind: Der Umstand, dass der Kriminalbeamte in der Hauptverhandlung vernommen worden ist, besagt nichts darüber, wozu er ausgesagt hat, da er auch zu anderen Ermittlungsergebnissen oder Vernehmungen als der des Beschwerdeführers vernommen worden sein kann. Im Urteil wird seine Zeugenaussage weder genannt noch verwertet. Auch der Umstand, dass möglicherweise ein Vorhalt aus der umstrittenen polizeilichen Vernehmung an den Beschwerdeführer erfolgt ist, bedeutet noch keinen Verstoß gegen § 136 a Abs. 3 Satz 2 StPO, solange die Zielrichtung des Vorhalts (der auch der Aufklärung eines Verstoßes gegen § 136 a StPO gedient haben könnte) und die Reaktion des Beschwerdeführers hierauf (er kann auf den Vorhalt auch geschwiegen haben) nicht vorgetragen sind. Dass schließlich Teile des schriftlichen Urteils dem Wortlaut nach mit der polizeilichen Vernehmung übereinstimmen, kann ebenfalls verschiedene Ursachen haben: Der Beschwerdeführer kann sich in der Hauptverhandlung in derselben Weise eingelassen oder die Zeugen den Sachverhalt in derselben Weise geschildert haben, ohne dass es auf die Vernehmungen im Ermittlungsverfahren angekommen wäre.
Um das Revisionsgericht in die Lage zu versetzen, die erforderliche Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen, kann daher die bloße Behauptung der Einführung nicht ausreichen, sondern muss substantiiert vorgetragen werden, welche der genannten Möglichkeiten vorlag. Das grundsätzlich Geltung beanspruchende Rekonstruktionsverbot (vgl. hierzu ausführlich Sarstedt/Hamm, a.a.O., Rn. 254 ff.) steht der Aufstellung derartiger Darlegungspflichten nicht entgegen. Das Revisionsgericht auf das tatrichterliche Urteil zu verweisen und den Freibeweis über den Gegenstand der Vorhalte oder der Vernehmung des Kriminalbeamten nicht zuzulassen, bedeutete im konkreten Fall vielmehr, dass der Rüge von vornherein der Erfolg versagt bliebe, weil im Urteil gerade nicht dargelegt wird, dass die polizeiliche Vernehmung in irgendeiner Weise Gegenstand der Hauptverhandlung und der Urteilsfindung war. Diese mögliche Lücke in den schriftlichen Urteilsgründen kann vielmehr nur mit Hilfe einer (gegebenenfalls teilweisen) Wiedergabe der Aussageinhalte geschlossen werden (vgl. zu einem vergleichbaren, vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall , Sarstedt/Hamm, a.a.O. Rn. 283 f.).
Diesen Darlegungserfordernissen hat der Beschwerdeführer in der Revisionsbegründung nicht genügt, da er es bei der Behauptung hat bewenden lassen, die unter Verstoß gegen § 136 a StPO entstandene polizeiliche Vernehmung sei durch Vorhalt an den Beschwerdeführer und Vernehmung des Kriminalbeamten in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Da die Verfahrensrüge durch die genannten Anforderungen an den Tatsachenvortrag gerade nicht ?ins Leere läuft', ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn der Strafsenat die Rüge als unsubstantiiert behandelt und dementsprechend als unzulässig zurückgewiesen hat.
b) Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt nicht vor, da der Beschwerdeführer bzw. der für ihn die Revision begründende Verteidiger bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt hätte erkennen können, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankam (vgl.BVerfGE 84, 188 (190) ). Denn verlangt worden ist allein die Substantiierung der Behauptung, in der Hauptverhandlung sei in unzulässiger Weise Beweis erhoben worden durch Einführen der unter Verstoß gegen § 136 a StPO zu Stande gekommenen Vernehmung des Beschwerdeführers. ..." (BVerfG, 2 BvR 1225/01 vom 21.1.2002, Absatz-Nr. (1 - 13), www.BVerfG.de/entscheidungen/rk20020121_2bvr122501.html)
*** (BGH)
?...1. Die durch den Verteidiger Rechtsanwalt H. erhobene Verfahrensrüge der Ablehnung eines aus dem Schriftsatz vom 17. August 2011 gestellten Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Sitzposition des Zeugen K. im Computerzimmer der Wohnung des Angeklagten ist bereits unzulässig. Der Vortrag der Revision genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
Rügt der Revisionsführer die Verletzung des Beweisantragsrechts, muss er - neben dem abgelehnten Beweisantrag und dem Ablehnungsbeschluss - auch für die Prüfung der Rüge etwaig notwendige, weitere Verfahrenstatsachen vollständig vortragen (BGHSt 37, 168, 174; Kuckein in Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl., § 344 Rn. 38, 43 mwN). Der Revisionsführer hat jedoch nicht mitgeteilt, dass der abgelehnte Beweisantrag - bei identischem Inhalt und nur minimal abweichendem Wortlaut - unter Ziffer 6 eines Schriftsatzes vom 3. September 2011 erneut gestellt und im Hauptverhandlungstermin vom 5. September 2011 neu beschieden worden ist. Dieser Vortrag wäre jedoch notwendig gewesen; die neue Bescheidung eines wiederholt gestellten Beweisantrages kann etwaige Fehler der ersten Ablehnung heilen, weil - anders als beim Nachschieben von Ablehnungsgründen in den schriftlichen Urteilsgründen (dazu BGHSt 19, 24, 26; BGH NStZ 2000, 437, 438) - der Angeklagte seine Verteidigung auf die neue Beurteilung einstellen kann.
Unbeachtlich bleibt, dass der geschilderte Verfahrensablauf in der bezeichneten Revisionsrechtfertigungsschrift den Gegenstand einer weiteren - ihrerseits unzulässigen - Rüge bildet; auch ein Rückgriff auf das Revisionsvorbringen des weiteren Verteidigers, Rechtsanwalt G. , scheidet aus. Es ist nicht die Aufgabe des Revisionsgerichts, den Revisionsvortrag innerhalb eines umfangreichen Revisionsvorbringens oder aus anderen Unterlagen zusammenzufügen oder zu ergänzen (BGH, Beschluss vom 25. September 1986 - 4 StR 496/86, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Formerfordernis 1; Urteil vom 30. April 1999 - 3 StR 215/98; Beschluss vom 7. April 2005 - 5 StR 532/04, NStZ 2005, 463).
2. Soweit der Verteidiger Rechtsanwalt H. die Nichteinhaltung einer von der Kammer konstatierten Wahrunterstellung rügt, ist auch diese Rüge unzulässig erhoben. Auch hier genügt der Vortrag nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil zwar der Ablehnungsbeschluss der Jugendschutzkammer vom 5. September 2011 mitgeteilt wird, vom zugrunde liegenden Beweisantrag aus dem Schriftsatz vom 3. September 2011 jedoch nur Beweisbehauptung und Beweismittel, nicht aber die zum Verständnis des Antrags bedeutsame Antragsbegründung. Zwar kann der Umfang des notwendigen Vortrages - insbesondere zum Beweisantrag - beim Vorwurf der Nichteinhaltung einer Wahrunterstellung je nach Angriffsrichtung der Rüge divergieren; bei der Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts ist die (vollständige) Mitteilung des Beweisantrages jedoch erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1983 - 2 StR 222/83, BGHSt 32, 44, 46). Bei der hier vorliegenden Fallgestaltung hätte der Revisionsführer auch die Begründung des Beweisantrages bereits deshalb vortragen müssen, weil sich allein aus der angegebenen Beweistatsache keine sichere Zuordnung des Beweisbegehrens zu einem der verschiedenen, gleichartigen Tatgeschehen - wiederholter Oralverkehr des Angeklagten an einem Jugendlichen - treffen lässt. Auf dieser Basis kann das Revisionsgericht nicht überprüfen, ob der behauptete Widerspruch der Wahrunterstellung zu den späteren Urteilsfeststellungen tatsächlich besteht, zumal hinsichtlich der unter Beweis gestellten Tatsache bei den einzelnen Fällen unterschiedliche Feststellungen getroffen worden sind.
3. Die von beiden Verteidigern erhobenen Rügen betreffend die Ablehnung mehrerer, auf eine psychologische Begutachtung der Zeugen P. , S. und K. sowie auf eine psychiatrische Begutachtung des Zeugen K. gerichteter Beweisanträge ist bereits deshalb unzulässig, weil nicht mitgeteilt wird, ob die Zeugen oder gegebenenfalls deren gesetzliche Vertreter (vgl. dazu Senge in Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl., § 81c Rn. 8) sich mit einer solchen Untersuchung einverstanden erklärt haben. Ohne Einverständniserklärung wären die beantragten Untersuchungen bereits wegen Unzulässigkeit der Beweiserhebung abzulehnen gewesen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. September 1990 - 5 StR 184/90, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Unzulässigkeit 5; Beschluss vom 25. September 1990 - 5 StR 401/90, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Unzulässigkeit 6).
4. Im Übrigen verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 5. Januar 2012. Vor dem Hintergrund mehrfach unrichtigen Vortrags in der Revisionsrechtfertigungsschrift des Verteidigers Rechtsanwalt H. haben die mustergültige Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft (vgl. dazu Drescher, NStZ 2003, 296) und die dienstliche Stellungnahme des Kammervorsitzenden zu den erhobenen Verfahrensrügen mit Leseabschriften handschriftlicher Beschlüsse und dem Hinweis auf unrichtig wiedergegebene Beschlüsse die revisionsgerichtliche Prüfung deutlich erleichtert. ..." (BGH, Beschluss vom 22.02.2012 - 1 StR 647/11)
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?... Die Rüge, mit welcher eine Verletzung des § 52 Abs. 2 und 3 StPO geltend gemacht wird, ist nicht zulässig erhoben. Nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO müssen Verfahrensrügen in bestimmter Form erhoben und durch Angabe der den vorgeblichen Mangel enthaltenden Tatsachen begründet werden. Dem Revisionsvorbringen lässt sich hier nicht die bestimmte Behauptung entnehmen, dass ein Verfahrensfehler tatsächlich vorliegt, sondern nur, dass er sich aus dem Protokoll ergebe.
In der Revisionsbegründungsschrift ist unter ?Verfahrenstatsachen' auszugsweise der Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls v. 01.12.2010 wiedergegeben. Weiter heißt es dann: ?Verlesen wurde im Hinblick auf das Zeugnisverweigerungsrecht der Zeugin M. F. also lediglich die Erklärung der Rechtsanwältin H. v. 27.01.2010 vor der polizeilichen Vernehmung, wonach diese für M. von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht keinen Gebrauch mache. Die Zeugin selbst machte also gem. des Protokolls keine Angaben zu ihrer Aussagebereitschaft gegen den eigenen Vater. Die Rechtsanwältin H. überprüfte ihre Einstellung als Vertreterin im Hinblick auf das Zeugnisverweigerungsrecht kein weiteres Mal im Rahmen der Hauptverhandlung. Gem. dem Protokoll fand eine entsprechende Belehrung der M. F. nicht statt, dass die Zustimmung ihrer eigenen Vertreterin sie nicht zur Aussage gegen den eigenen Vater verpflichtet' (Hervorhebungen durch den Senat). In einem weiteren Abschnitt ?rechtliche Würdigung' heißt es entsprechend: ?Aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergibt sich gerade nicht, dass die Zeugin M. F. aussagen will ... Im Protokoll befindet sich lediglich die recht allg. Ausführung ?Die Zeugin wurde dem Alter entsprechend belehrt?. Ihre Reaktion darauf ist nicht protokolliert.'
Zwar kann eine Formulierung wie beispielsweise ?ausweislich des Protokolls' im Revisionsvorbringen auch nur als ein Hinweis auf das geeignete Beweismittel zu verstehen sein, ohne dass dadurch die Ernsthaftigkeit der Tatsachenbehauptung selbst in Frage gestellt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 17.09.1981 - 4 StR 496/81, StV 1982, 4, 5). Hier leitet die Revision die Fehlerhaftigkeit des Verfahrens jedoch mehrfach ausdrücklich nur aus dem Protokoll ab, zum tatsächlichen Geschehen (Inhalt der Belehrung, Reaktion der Zeugin F. ) werden keine Angaben gemacht. So wird auch der Umstand, dass die gesetzliche Vertreterin der minderjährigen Zeugin F., Rechtsanwältin H., in der Hauptverhandlung v. 01.12.2010 abwesend war, von der Revision nicht vorgetragen. ..." (BGH, Beschluss vom 13.07.2011 - 4 StR 181/11)
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Der Senat lässt offen, ob er der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung folgen könnte, wonach allein schon bei übereinstimmender Interessenlage einem die Beweiserhebung nicht selbst beantragenden Mitangeklagten gleichwohl eine umfassende Rügeberechtigung zugebilligt wird. Es liegt näher, ihn in diesem Fall auf die Möglichkeit der Aufklärungsrüge zu verweisen, die je nach Fallgestaltung weitergehenden Vortrags i.S.v. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO bedarf und nicht notwendig aufgrund einer Verletzung der Regeln aus § 244 Abs. 3 bis 6 StPO zum Erfolg führt (BGH, Beschluss vom 04.05.2011 - 5 StR 124/11 zu StPO §§ 244 Abs. 2, 3, 6, 344 Abs. 2).
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Da zur Glaubhaftmachung einer geltend gemachten Verfahrensrüge Beweismittel, wie etwa Aktenstellen, überhaupt nicht angegeben werden müssen, führt auch die Angabe einer falschen Aktenstelle als Beleg für einen tatsächlich geschehenen, aus einer anderen Stelle der Akten ersichtlichen Vorgang nicht dazu, dass die entsprechende Rüge nicht zulässig erhoben wäre. Feststellungen, die nach Abschluss der Durchführung des Selbstleseverfahrens hierüber zu treffen sind (hier: Kenntnisnahme der Schöffen), sind nicht Teil der Durchführung dieses Verfahrens. Eine auf die Feststellungen gestützte Rüge setzt daher nicht die vorherige Anrufung des Gerichts voraus. Sowenig ein Revisionsführer in der Regel zum Beruhen des Urteils auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler vortragen muss, so wenig ist eine Rüge deshalb nicht zulässig erhoben, weil Tatsachen, die gegen ein Beruhen sprechen könnten, nicht vorgetragen sind (BGH, Beschluss vom 15.03.2011 - 1 StR 33/11 zu StPO §§ 344 Abs. 2 S. 2, 249 Abs. 2, 238 Abs. 2).
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?... Die Rüge, das LG habe den Antrag auf Vernehmung des Zeugen M. rechtsfehlerhaft abgelehnt, weil es zu Unrecht von der Unerreichbarkeit des Zeugen ausgegangen sei, bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rüge einer Verletzung des Beweisantragsrechts scheitert daran, dass nicht vorgetragen wird, ob der außerhalb der Hauptverhandlung schriftlich gestellte Beweisantrag auch in der Hauptverhandlung vorgebracht worden ist; denn nur dann wäre er auch als solcher zu behandeln mit der Folge einer Überprüfung seiner Ablehnung an den Vorgaben von § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO. In Ermangelung eines entsprechenden Vortrags ist die Beweisantragsrüge unzulässig.
Soweit der GBA die Rüge auch deshalb für unzulässig hält, weil der Bf. die Bemühungen der Polizei, den Zeugen zu erreichen, nicht mitgeteilt hat, gilt Folgendes: Diese Umstände, die ggf. den von der Revision behaupteten Rechtsfehler widerlegen könnten, muss der Bf. im Rahmen der Rüge einer Verletzung des Beweisantragsrechts nicht vortragen (noch offen gelassen in BGH, Urt. v. 04.08.1992 - 1 StR 246/92, NStZ 1993, 50). Grundlage der revisionsgerichtlichen Überprüfung ist der die Beweiserhebung ablehnende Beschluss, in dem die Voraussetzungen der Unerreichbarkeit des Zeugen darzulegen sind (vgl. BGH a.a.O.; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 244 Rn. 43b). ..." (BGH, Beschluss vom 21.12.2010 - 3 StR 462/10)
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Der Zulässigkeit einer Verfahrensrüge steht es nicht entgegen, wenn ein zur Begründung der Rüge (hier Rüge des Verstoßes gegen §§ 136, 136a StPO) mitzuteilendes polizeiliches Vernehmungsprotokoll nicht in Zusammenhang mit dieser Rüge, sondern bei der zuvor erhobenen Verfahrensrüge vollständig vorgetragen wurde (BGH, Beschluss vom 18.02.2010 - 3 StR 486/09):
?... Ergänzend bemerkt der Senat: Entgegen der Auffassung des GBA steht der Zulässigkeit der Rüge, bei der polizeilichen Vernehmung v. 29.10.2008 sei gegen §§ 136, 136a StPO verstoßen worden, nicht entgegen, dass der Bf. das 28 seitige Protokoll der entsprechenden Vernehmung nicht auch bei dieser Rüge, sondern nur zu der zuvor erhobenen Rüge einer Verletzung des § 261 StPO vorgetragen hat. ..."
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Zwar kann grundsätzlich auch bei einem der Verständigung entsprechenden Urteil gerügt werden, der Angeklagte sei mit unzulässigem Druck dazu veranlaßt worden, der Verständigung zuzustimmen und ein Geständnis abzulegen. Doch ist es jedenfalls dem verteidigten Angeklagten im Regelfall zuzumuten, Inhalten der Verständigung, die er für unzulässig hält, sogleich zu widersprechen und ggf. - schon im Interesse späterer Überprüfbarkeit - auf ihre Protokollierung hinzuwirken oder solche Umstände zum Gegenstand eines Ablehnungsgesuchs zu machen. Zu den Anforderungen an den Vortrag einer Rüge des Verstoßes gegen § 136a StPO wegen unzulässiger Einwirkung auf den Angeklagten bei Verständigung (BGH, Beschluss vom 02.02.2010 - 4 StR 620/09 zu StPO §§ 24, 136a, 202, 212, 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a, 344 Abs. 2 S. 2).
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?... In diesem Zusammenhang bemerkt der Senat: Von hier nicht einschlägigen Besonderheiten abgesehen, braucht eine Revisionsbegründung den ursächlichen Zusammenhang zwischen (behauptetem) Rechtsfehler und dem angefochtenen Urt. nicht ausdrücklich darzulegen. Es ist vielmehr grundsätzlich Sache des Revisionsgerichts, die Beruhensfrage von sich aus zu prüfen. Dies sollte jedoch gerade in Fällen, in denen die Möglichkeit eines Beruhens nicht leicht zu erkennen ist, den Bf. nicht davon abhalten, konkret darzulegen, warum aus seiner Sicht hier ein Beruhen möglich erscheinen kann (vgl. zusammenfassend Kuckein in KK 6. Aufl. § 344 Rn. 65 m.w.N.). Andernfalls ist nicht auszuschließen, dass das Revisionsgericht trotz seiner umfassenden Überprüfung der Beruhensfrage eine in diesem Zusammenhang (doch) in Betracht zu ziehende Möglichkeit nicht erkennt und daher auch nicht in seine Erwägungen einbezieht (BGH, Beschl. v. 14.01.2010 - 1 StR 620/09). Dementsprechend hat der BGH gerade auch im Zusammenhang mit Rügen der Verletzung von § 265 StPO wiederholt darauf hingewiesen, dass auch dem Revisionsvorbringen nichts zu entnehmen ist, was das (negative) Ergebnis seiner Beruhensprüfung in Frage stellen könne (vgl. z.B. BGHR StPO § 265 Abs. 1 Hinweispflicht 9, 12; BGH, Beschl. v. 19.10.1994 - 2 StR 336/94; Beschl. v. 13.06.2007 - 2 StR 127/07). ..." (BGH, Beschluss vom 14.01.2010 - 1 StR 587/09)
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?... Ergänzend zu den Antragsschriften des Generalbundesanwalts betreffend die Revision der Angeklagten A. und d. Ag. weist der Senat darauf hin, dass die erhobenen Verfahrensrügen schon deshalb unzulässig sind, weil sich aus den Revisionsbegründungen nicht ergibt, im Rahmen welcher konkreten Überwachungsmaßnahmen die verwerteten Telefongespräche aufgezeichnet wurden. Ferner genügt es nicht den sich aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ergebenden Anforderungen, wenn mit der Rüge, die Beschlüsse über die Verlängerung von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen seien unzureichend begründet, lediglich diese Entscheidungen, nicht aber die jeweils vorangegangenen Beschlüsse des Ermittlungsrichters mitgeteilt werden.
Im Übrigen wären die Verfahrensrügen aus den vom Generalbundesanwalt ausgeführten Gründen auch in der Sache ohne Erfolg (zu den Folgen einer unzureichenden Begründung des Beschlusses über die Anordnung einer Telekommunikationsmaßnahme zuletzt BGH, Urteil vom 27. November 2008 - 3 StR 342/08). Mit der Frage, ob ?die Überwachung der Telekommunikation ... auch zu den Zeitpunkten ihrer jeweiligen Verlängerung durch das Amtsgericht vertretbar war', hat sich die Strafkammer ausdrücklich befasst (UA 26; Verdachtslage im Mai 2007 ferner UA 27/28). ..." (BGH, Beschluss vom 24.02.2009 - 4 StR 476/08)
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?... 1. a) Soweit der Angeklagte eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) geltend macht, weil die schriftlichen Urteilsgründe am 15. Oktober 2007 ?zur Geschäftsstelle" gelangt seien, die Zustellung des Urteils aber erst am 6. Mai 2008 verfügt worden sei, ist diese Rüge schon nicht in zulässiger Weise erhoben. Denn er trägt entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht alle Tatsachen, die den behaupteten Verfahrensverstoß belegen, in der Revisionsbegründung vor, so dass dem Senat eine entsprechende Nachprüfung nicht möglich ist.
Zwar dürfen die Anforderungen an den Umfang der Darstellung der den Mangel enthaltenden Tatsachen bei der Beanstandung einer konventionswidrigen Verzögerung während eines wie hier mehrere Jahre währenden Verfahrens nicht überzogen werden. Von einem Beschwerdeführer ist aber zu erwarten, dass er einen realistischen Überblick über den tatsächlichen Ablauf des Strafverfahrens gibt (BGH NJW 2008, 2451, 2452). Dieser Darstellung bedarf es deswegen, weil für die Frage der Konventionswidrigkeit das Verfahren insgesamt zu beurteilen ist, regelmäßig beginnend mit dem Zeitpunkt, in dem der Beschuldigte von der Einleitung des gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens Kenntnis erlangt. Im vorliegenden Fall beschränkt sich der Angeklagte bei seiner Darstellung des Verfahrensablaufs auf den Zeitraum zwischen der Verkündung und der Zustellung des Urteils. Über den Verfahrensgang vor dieser Zeit gibt er dagegen keinen Überblick.
Da auch die Sachrüge erhoben ist, kann der Senat zwar insoweit die Urteilsgründe ergänzend heranziehen. Dort hat die Kammer eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung von drei Jahren und zwei Monaten strafmildernd gewertet, als zugrunde liegende Tatsachen aber lediglich festgestellt, dass die polizeilichen Ermittlungen von Dezember 2002 bis Dezember 2003 geruht hätten und von der Anklageerhebung im Mai 2005 bis zum Beginn der Hauptverhandlung im Juli 2007 weitere zwei Jahre und zwei Monate verstrichen seien. Dass der gesamte Zeitraum zwischen Anklageerhebung und Hauptverhandlungsbeginn als konventionswidrig angesehen worden ist, lässt besorgen, dass dem Angeklagten jedenfalls auch prozessual vorgesehene Handlungen und Fristen - z. B. Mitteilung der Anklageschrift mit Erklärungsfrist, § 201 StPO, Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens, § 203 StPO, die der eingehenden Vorbereitung bedarf (BGH NJW 2008, 2451, 2453), Terminierung in Abstimmung möglichst mit der Verteidigung unter Einhaltung der Ladungsfrist, §§ 217, 218 StPO - zu Unrecht zugute gehalten worden sind. Dies beschwert ihn aber nicht. Jedenfalls lässt sich das Ausmaß der von dem Angeklagten gerügten Verfahrensverzögerung somit auch nicht unter Heranziehung der schriftlichen Urteilsgründe bestimmen.
b) Entgegen der Auffassung des Angeklagten hatte der Senat auch nicht von Amts wegen zu überprüfen, ob eine konventionswidrige Verfahrensverzögerung gegeben ist, da der geltend gemachte Verfahrensverstoß vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist entstanden ist und der Angeklagte diesen daher ohne weiteres mit der Verfahrensrüge hätte vortragen können (vgl. BGH NStZ 2001, 52).
2. Die Nichtanwendung der Vollstreckungslösung (BGH - GS - NJW 2008, 860) führt ebenfalls nicht zu einer Aufhebung des Strafausspruchs. Die Kammer hat nämlich zur Kompensation der von ihr angenommenen konventionswidrigen Verfahrensverzögerung sowohl bei der Höhe der jeweiligen Einzelstrafen als auch bei der Höhe der Gesamtstrafe einen Abschlag von 20 ? vorgenommen. Dieser ?doppelte Rabatt" war rechtsfehlerhaft (Fischer, StGB 55. Aufl. § 46 Rdn. 62), indes belastet er den Angeklagten nicht. Denn wenn die Kammer ihrem Urteil die Vollstreckungslösung zugrunde gelegt hätte, wäre eine Anrechnung lediglich auf die Gesamtstrafe, aber nicht auf die Einzelstrafen vorzunehmen gewesen (BGH - GS - NJW 2008, 860, 866). Der Senat schließt im vorliegenden Fall daher aus, dass der Angeklagte angesichts des von der Kammer - zu Unrecht - gewährten Umfangs der Kompensation durch die Nichtanwendung der Vollstreckungslösung beschwert sein könnte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass bei nicht reduzierten Einzelstrafen von der Kammer eine höhere Gesamtstrafe als schuldangemessen angesehen worden wäre. Denn insbesondere die Einsatzstrafe hätte nicht zwei Jahre und vier Monate, sondern drei Jahre betragen.
3. Soweit der Angeklagte weiterhin rügt, dass er in den Fällen II. B 2) und 3) der Urteilsgründe wegen Bankrotts nach § 283 Abs. 1 Nr. 5 StGB verurteilt worden sei, obwohl ihm in der Anklage insoweit jeweils eine Verletzung der Buchführungspflicht nach § 283b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 StGB zur Last gelegt worden sei und ihn die Kammer zuvor auch nicht auf den veränderten rechtlichen Gesichtspunkt gemäß § 265 Abs. 2 StPO hingewiesen habe, ist die Revision ebenfalls unbegründet. Das Urteil beruht nicht auf diesem Verstoß. Es ist im Hinblick auf die Ähnlichkeit der beiden Straftatbestände auszuschließen, dass sich der geständige Angeklagte bei einem rechtzeitig gegebenen Hinweis anders und erfolgreicher hätte verteidigen können. ..." (BGH, Beschluss vom 18.11.2008 - 1 StR 568/08)
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?... Zwar ist das Verfahren in einer der Justiz anzulastenden Weise verzögert worden. Entgegen der Ansicht der Revision rechtfertigt dies jedoch, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift mit zutreffender Begründung ausgeführt hat, nicht die Einstellung des Verfahrens aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfG, NJW 2003, 2225, 2226 f.; 2897, 2899; BGH, NStZ-RR 2004, 230, 231 m.w.N.).
Die vom Landgericht im Rahmen der Strafzumessung vorgenommene Kompensation der Verfahrensverzögerung hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand. Zwar hat das Landgericht weder, wie es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geboten gewesen wäre, das Ausmaß einer Art. 6 Abs. 1 MRK verletzenden Verfahrensverzögerung ausdrücklich festgestellt, noch hat es das Maß der von ihm vorgenommenen Kompensation durch einen Vergleich der an sich verwirkten mit der tatsächlich verhängten Strafe ausdrücklich und konkret bestimmt (vgl. BVerfG, NStZ 1997, 591; BGH, NJW 1999, 1198, 1199 = NStZ 1999, 181 f.; NStZ 2001, 52; Fischer StGB § 46 Rdn. 62 m.w.N.).
Eine Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 MRK durch rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat der Beschwerdeführer jedoch nicht ausdrücklich erhoben. Hierzu wäre die Erhebung einer Verfahrensrüge unter genauer Angabe des beanstandeten Verfahrensverstoßes erforderlich gewesen (Kuckein in KK, 5. Auflage, § 344 Rdn. 34 m.w.N.). Dass eine solche Rüge in dem Revisionsvorbringen enthalten ist, aufgrund einer der Justiz anzulastenden Verzögerung des Verfahrens sei ein Verfahrenshindernis wegen Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegeben, ist jedenfalls zweifelhaft.
Im Übrigen fehlt es aber an einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Bezeichnung der Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensfehler ergeben soll. Die Revision stellt den Verlauf des gegen den Angeklagten geführten Strafverfahrens nicht so umfassend dar, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in der Lage wäre, das Vorliegen eines Verfahrensverstoßes zu überprüfen. So fehlen insbesondere Angaben zum Ermittlungsverfahren sowie zum gerichtlichen Verfahren bis zur ersten Revisionsentscheidung des Senats, so dass eine Gesamtbeurteilung einer Art. 6 Abs. 1 MRK verletzenden Verfahrensverzögerung sowie die Bestimmung des Maßes einer hierfür gebotenen Kompensation nicht möglich ist.
Die Verfahrensrüge, ihre zulässige Erhebung unterstellt, wäre auch im Ergebnis nicht begründet. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Beruhen eines Urteils auf dem Fehlen einer ausdrücklichen Quantifizierung der Kompensation nur in Ausnahmefällen ausgeschlossen werden (vgl. BGH StraFo 2007, 35; Fischer aaO § 46 Rdn. 62 a). Ein solcher Fall liegt hier aber vor. Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil die in der ersten Hauptverhandlung verhängte Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten auf nunmehr ein Jahr und sechs Monate mit Strafaussetzung zur Bewährung reduziert und dies allein auf die Verzögerung des Verfahrens gestützt (vgl. UA S. 41). Der Senat kann sicher ausschließen, dass das Landgericht bei einer zutreffenden Darstellung der Kompensation zu einer noch niedrigeren Strafe gekommen wäre.
Dadurch, dass das Landgericht bei der Kompensation im Grundsatz der bis zur Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07 - anzuwendenden sogenannten Strafzumessungslösung gefolgt ist, ist der Angeklagte hier nicht beschwert. ..." (BGH, Beschluss vom 13.02.2008 - 2 StR 356/07)
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?... Die Rüge eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht ist bereits unzulässig, da der Inhalt der verwerteten Aussage nicht vollständig mitgeteilt wird (vgl. BGH NJW 1993, 2125, 2127). Zudem legt die Revisionsbegründung keine Umstände dar, aus denen sich ein Verbot der beanstandeten Verwertung hinsichtlich der Angaben der Angeklagten gegenüber der Ver-nehmungsbeamtin N. ergeben könnte. Soweit die Revision gel-tend macht, die Vernehmungsbeamtin habe nicht nur über die Rechte nach § 136 StPO belehren, sondern auch darauf hinweisen müssen, dass ihre frü-heren Angaben gegenüber dem Polizeibeamten C. nicht verwertbar sei-en, ist der Rüge bereits dadurch der Boden entzogen, dass die Angeklagte gegenüber diesem Beamten keine Angaben gemacht hat. ..." (BGH, Beschluss vom 07.02.2008 - 5 StR 609/07)
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?... Folgendes wird vorgetragen: Zu Beginn der Hauptverhandlung habe der Staatsanwalt seine je nach dem Inhalt der künftigen Angaben des Angeklagten (z. B. ?Geständnis mit Angaben i. S. v. § 31 BtMG'; ?ledigliches Abnicken der Anklage') differenzierten Strafvorstellungen offen gelegt. Bei Nachweis der Anklagevorwürfe ohne Geständnis werde er eine Strafe von insgesamt zwölf Jahren und sechs Monaten beantragen. Diese Straferwartung habe das Gericht in einer freilich nicht protokollierten Erklärung als realistisch bezeichnet. Nach mehrmonatiger Hauptverhandlung habe das Gericht im Rahmen dann gescheiterter Bemühungen um eine verfahrensbeendende Absprache für den Fall eines der Anklage entsprechenden Geständnisses eine Strafe von neun Jahren und sechs Monaten und für den Fall einer anklagegemäßen Verurteilung ohne Geständnis eine Strafe von zwölf Jahren angekündigt. Daher hätte, zumal ohne entsprechenden vorangegangenen Hinweis, keine Strafe von 13 Jahren und sechs Monaten verhängt werden dürfen. Zwar habe der Vorsitzende nach dem Scheitern der Verständigungsbemühungen erklärt, das Gericht fühle sich durch ohnehin nicht von ihm in Aussicht gestellte Strafobergrenzen nicht gebunden; dies sei jedoch, wie die Revision näher ausführt, in sich unverständlich.
b) Sowohl der Staatsanwalt als auch die berufsrichterlichen Mitglieder der Strafkammer sind in dienstlichen Erklärungen den zentralen Behauptungen der Revision entgegengetreten. Der Staatsanwalt hat erklärt, er habe zwar für den Fall eines Geständnisses die von der Revision genannten differenzierten Strafanträge angekündigt, eine Strafobergrenze für den Fall einer streitigen Verhandlung sei nicht genannt worden. Die Richter haben erklärt, das Revisionsvorbringen entspreche nicht der Wahrheit. Zu keiner Zeit sei angekündigt worden, ?ohne Geständnis' sei mit einer Strafe von (bis zu) zwölf Jahren zu rechnen. Es sei auch bei den Bemühungen um eine verfahrensbeendende Absprache vom Gericht keine Strafobergrenze für den Fall eines Geständnisses genannt worden, weil wegen des Inhalts der für den Angeklagten angekündigten Erklärung eine verfahrensbeendende Absprache offensichtlich nicht in Betracht gekommen wäre.
c) Auf diese dienstlichen Äußerungen gestützt hat der Generalbundesanwalt ausgeführt, die Rüge scheitere schon daran, dass das Revisionsvorbringen nicht erwiesen sei. Hierauf hat die Revision erwidert (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO), ihr Vortrag sei schlüssig und widerspruchsfrei. Gründe, warum er weniger glaubhaft sei als die entgegenstehenden dienstlichen Erklärungen der Richter und des Staatsanwalts habe der Generalbundesanwalt nicht genannt; daher sei ihr Vortrag ?nicht nicht bewiesen'.
d) Die Rüge versagt. Der Hinweis der Revision auf Schlüssigkeit und Widerspruchsfreiheit ihres Tatsachenvortrags kann die zutreffenden Darlegungen des Generalbundesanwalts nicht entkräften. Wäre der einer Verfahrensrüge zu Grunde gelegte Tatsachenvortrag unschlüssig oder widersprüchlich, ginge diese Rüge schon im Ansatz fehl. Unschlüssiger oder widersprüchlicher Tatsachenvortrag kann nicht Grundlage einer erfolgreichen Verfahrensrüge sein (BGH b. Sander/Cirener NStZ-RR 2008, 1). Ist der Tatsachenvortrag der Revision dagegen schlüssig und widerspruchsfrei, hat das Revisionsgericht zu prüfen, ob die behaupteten Tatsachen erwiesen sind (vgl. Kuckein in KK 5. Aufl. § 352 Rdn. 13 m.w.N.). Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Beweiskraft des Sitzungsprotokolls (§ 274 StPO) eingreift oder wenn in hiervon nicht umfassten Fällen das Vorbringen von sonstigem Akteninhalt bestätigt wird. In Fällen, in denen der Tatsachenvortrag vom Akteninhalt weder bestätigt noch widerlegt wird, wird häufig ins Gewicht fallen, ob dieser Vortrag unwidersprochen geblieben ist (vgl. BGH StV 2000, 652, 653). Derartige oder damit vergleichbare Umstände sind hier jedoch nicht gegeben. Hier liegen vielmehr Erklärungen der Verteidigung einerseits und jedenfalls nicht weniger schlüssige und widerspruchsfreie Erklärungen von Staatsanwaltschaft und Gericht andererseits vor, die inhaltlich miteinander unvereinbar sind. Bei einer solchen Fallgestaltung fehlt regelmäßig eine ausreichend sichere Grundlage für eine erfolgreiche Verfahrensrüge (vgl. BGH, Beschl. vom 22. Januar 2008 - 1 StR 607/07 in dieser Sache ergangener gesonderter Beschluss gegen den Mitangeklagten A. Z. > ; BGH NStZ 1994, 196); Gründe des Einzelfalls, die hier ausnahmsweise eine andere Beurteilung nahe legten, sind nicht ersichtlich. Die tatsächliche Richtigkeit von Behauptungen, aus denen sich ein verfahrensrechtlicher Verstoß ergeben soll, muss erwiesen sein und kann nicht lediglich nach dem Grundsatz ?im Zweifel für den Angeklagten' unterstellt werden (vgl. BGHSt 16, 164, 167; BGH NStZ 1994, 196; Kuckein in KK 5. Aufl. § 352 Rdn. 13 m.w.N.). ..." (BGH, Beschluss vom 22.01.2008 - 1 StR 607/07)
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?... Die Beweisantragsrügen der Angeklagten sind unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). a) Der Angeklagte Z. hat es unterlassen, zur Antragsbegründung eingereichte und verlesene ärztliche Atteste und eine Bescheinigung einer Diplompsychologin, den Gesundheitszustand der Freundin dieses Angeklagten betreffend, vorzulegen. Solches wäre zum Verständnis der Ablehnungsentscheidung des Landgerichts aber wesentlich gewesen. Die Strafkammer hat nämlich den von der Verteidigung vorgetragenen Umstand, der Angeklagte habe sich aus einer Art persönlicher Abhängigkeit um seine damalige Freundin gekümmert, als ungeeignet dafür angesehen, dass der Angeklagte die Straftaten unter Ausschluss oder Einschränkung von Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgeführt hat. b) Der Angeklagte E. hat es unterlassen, mit seiner Rüge, der Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens sei zu Unrecht abgelehnt worden, ein zur Begründung des Antrags eingereichtes Persönlichkeitsprofil des Angeklagten vorzulegen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). ..." (BGH, Urteil vom 15.08.2007 - 5 StR 216/07)
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?... Das Revisionsvorbringen genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Zwar werden die der Rüge zugrunde liegenden Verfahrensvorgänge nicht vollständig mitgeteilt. So fehlt - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - die Mitteilung des Inhalts der Vernehmung. Insoweit kann jedoch nach zulässig erhobener Sachrüge ergänzend auf die Urteilsgründe zurückgegriffen werden (vgl. BGHSt 36, 384, 385; 45, 203, 204 f.; 46, 189, 190 f.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 344 Rdn. 20; Kuckein in KK-StPO 5. Aufl. § 344 Rdn. 39), die den Kern der Aussage wiedergeben, soweit sie - am Rande - für die Beweiswürdigung mit herangezogen wurde. Danach kann auch ausgeschlossen werden, dass es sich bei der ?Vernehmung' um eine unaufgeforderte, spontane und damit von den Beschränkungen des § 252 StPO ausgenommene (vgl. BGHSt 36, 384, 389; BGH NStZ 1992, 247; 1998, 629; StV 2007, 401 f.) Äußerung des Angeklagten gehandelt hat. Ausdrücklicher Revisionsvortrag zu diesem Gesichtspunkt war daher nicht erforderlich. ..." (BGH, Beschluss vom 18.07.2007 - 1 StR 296/07)
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Auch eine nach Erlaß des erstinstanzlichen Urteils eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung ist nur auf Verfahrensrüge hin zu prüfen, wenn das Urteil erneut zugestellt werden mußte und der Revisionsführer dadurch die Möglichkeit hatte, die ihm bekannte Verzögerung innerhalb der neu in Gang gesetzten Frist des § 345 Abs. 1 StPO geltend zu machen (BGH, Beschluss vom 20.06.2007 - 2 StR 493/06 zu StPO §§ 344 Abs. 2, 345 Abs. 1; MRK Art. 6 Abs. 1 S. 1).
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?... Die gegen die Verfahrenseinstellung durch Urteil gerichteten Revisionen der Staatsanwaltschaft sind als unzulässig zu verwerfen, weil die allein erhobene Verfahrensrüge nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt.
1. Zur Begründung der Verfahrensrüge ist der Beschwerdeführer verpflichtet, ?die den Mangel enthaltenden Tatsachen' anzugeben. Diese Angaben haben mit Bestimmtheit und so genau und vollständig zu geschehen, dass das Revisionsgericht allein auf Grund der Revisionsrechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BVerfG NJW 2005, 1999, 2001; BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 7). Daran fehlt es hier.
a) Die Staatsanwaltschaft beanstandet allein, das Landgericht habe einen Beweisantrag auf Vernehmung von drei Polizeibeamten als Zeugen mit Unrecht als aus rechtlichen Gründen ohne Bedeutung (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO) abgelehnt. Sie ist der Auffassung, die Strafkammer hätte die beantragte Beweiserhebung vornehmen müssen, da sich hieraus ergeben hätte, dass das vom Landgericht angenommene Prozesshindernis nicht bestanden habe.
b) Der Senat kann hier nicht allein aufgrund der Revisionsrechtfertigungsschrift prüfen, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen wahr wären. Denn die Staatsanwaltschaft hat an mehreren Stellen zur Darlegung des von ihr geltend gemachten Verfahrensfehlers auf bei den Akten befindliche Schriftstücke Bezug genommen, ohne diese in ihrem Wortlaut oder ihrem wesentlichen Inhalt nach in der Revisionsrechtfertigungsschrift mitzuteilen (vgl. BGHSt 40, 3, 5; BGH NStZ-RR 2006, 48, 49; BGH, Beschluss vom 30. September 2003 - 4 StR 315/03 - und vom 1. Juni 2006 - 4 StR 75/06, insoweit in NStZ-RR 2007, 107 nicht abgedruckt). Der Umstand, dass die Bezugnahme unter Benennung der Blattzahlen in den Strafakten erfolgt ist, ändert hieran nichts (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 48, 49).
Zwar steht eine Bezugnahme auf Aktenteile der Zulässigkeit einer Verfahrensrüge dann nicht entgegen, wenn die Bezugnahme ohne Bedeutung für den geltend gemachten Verfahrensverstoß ist (vgl. BGHSt 40, 3, 5). So verhält es sich hier indes nicht. Vielmehr hat die Staatsanwaltschaft erkennbar deswegen mehrfach auf die in den Strafakten befindliche, in der Revisionsrechtfertigungsschrift aber nicht mitgeteilte schriftliche Einlassung des Angeklagten N. Bezug genommen, um die nach ihrer Ansicht bestehende tatsächliche oder rechtliche Bedeutsamkeit bestimmter Umstände für die Frage zu untermauern, ob - entgegen der Annahme des Landgerichts bei Ablehnung des Beweisantrags - die Voraussetzungen für ein Verfahrenshindernis durch die begehrte Beweisaufnahme zu widerlegen sind. Insgesamt will die Staatsanwaltschaft mit ihren Bezugnahmen die Richtigkeit ihrer Auffassung belegen, ?dass der Zusammenhang zwischen den in Rede stehenden Straftaten und den internen Regelungen über die Arbeit mit Quellen fehl(e)" (Revisionsbegründungsschrift S. 30). Dafür war die vollständige Mitteilung der in Bezug genommenen Aktenstellen unverzichtbar.
2. Die Sachrüge ist nicht erhoben worden. Zwar genügt es, wenn sich aus den Einzelausführungen die den Inhalt der Sachrüge ausmachende schlüssige Behauptung ergibt, dass auf den im Urteil festgestellten Sachverhalt materielles Recht falsch angewendet worden sei (BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 1 Revisionsbegründung 2). Dies ist hier indes nicht der Fall. Vielmehr rügt die Staatsanwaltschaft ausdrücklich nur die Verletzung formellen Rechts und macht lediglich geltend, das Landgericht wäre auf der Grundlage des von ihr gestellten Beweisantrags zu anderen Feststellungen gelangt, die die Annahme eines Verfahrenshindernisses nicht gerechtfertigt hätten. Hätte die Staatsanwaltschaft neben ihrer Verfahrensbeanstandung auch die Sachrüge erheben wollen, hätte sie diese Angriffsrichtung eindeutig zum Ausdruck bringen müssen (vgl. BGH NStE Nr. 9 zu § 344 StPO; vgl. auch zu unklarem Anfechtungsziel BGH NJW 2003, 839 und BGH, Beschluss vom 21. Mai 2003 - 5 StR 69/03).
3. Die Unzulässigkeit der Verfahrensrüge führt bei Fehlen der Sachrüge zur Unzulässigkeit der Revision insgesamt (BGH NJW 1995, 2047; BGH, Beschluss vom 22. November 2005 - 1 StR 432/05 - und vom 17. Oktober 2000 - 1 StR 413/00). Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind daher gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen. Der Senat ist somit an der Prüfung gehindert, ob die Strafkammer zu Recht von einem Verfahrenshindernis ausgegangen ist. ..." (BGH, Beschluss vom 05.06.2007 - 5 StR 383/06).
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?... a) Die Rüge, das Landgericht habe zu Unrecht Erkenntnisse aus rechtswidrig angeordneten Telekommunikationsüberwachungen als Beweismittel verwertet, hat keinen Erfolg.
aa) Der Angeklagte Y. C. macht geltend, das Landgericht habe gegen seinen ausdrücklichen Widerspruch die Erkenntnisse aus Telefonüberwachungsmaßnahmen im Urteil verwertet, obwohl bei deren Anordnung der Verdacht einer Katalogtat des § 100a StPO nicht vorgelegen habe, insbesondere nicht der vom Ermittlungsrichter angenommene Tatverdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB).
bb) Die Verfahrensbeanstandung entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und ist deshalb bereits unzulässig.
Zur Begründung einer Verfahrensrüge ist der Beschwerdeführer verpflichtet, ?die den Mangel enthaltenden Tatsachen' anzugeben. Diese Angaben haben mit Bestimmtheit und so genau und vollständig zu geschehen, dass das Revisionsgericht allein auf Grund der Revisionsrechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BVerfG NJW 2005, 1999, 2001; BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 7). Daran fehlt es hier, denn der Beschwerdeführer hat den Inhalt des Zwischenberichts des Zollfahndungsamts München vom 22. Juli 2004 nicht mitgeteilt. Diese Mitteilung wäre schon deswegen erforderlich gewesen, weil die regelmäßig schwierige Abgrenzung zwischen einer (bloß) bandenmäßigen Begehung (§ 373 Abs. 2 Nr. 3 AO) und dem Tätigwerden einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) nur anhand der Besonderheiten des Einzelfalls getroffen werden kann (vgl. dazu BGH wistra 2006, 462). Angesichts des Umfangs und der Vielzahl sowie der professionellen Durchführung der verfahrensgegenständlichen Schmuggeltransporte hätte es insbesondere auch der Mitteilung der in diesem Fahndungsbericht enthaltenen Erkenntnisse zwingend bedurft. Ohne sie kann der Senat nicht prüfen, ob der Tatrichter bei der Wertung, bei Anordnung der Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung habe der Verdacht des Tätigwerdens einer kriminellen Vereinigung bestanden, den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum verlassen hat; nur dann käme ein Beweisverwertungsverbot in Betracht (vgl. BGHSt 41, 30, 32 ff.; 47, 362, 365 ff.). Da die der Telefonüberwachung zugrunde liegenden Beschlüsse des Amtsgerichts Landshut im vorliegenden Verfahren erlassen wurden und ihre Grundlagen daher aktenkundig sind, war der Beschwerdeführer von der Verpflichtung zu entsprechendem Sachvortrag nicht entbunden (vgl. BGH NStZ 2007, 117). ..." (BGH, Urteil vom 14.03.2007 - 5 StR 461/06)
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?... 2. Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen einer Verfahrensrüge die Verwertung der Aussagen des Zeugen D. mit der Begründung beanstandet, dem Zeugen seien bei seiner konsularischen Vernehmung im Strafverfahren unverwertbare Auskünfte der US-amerikanischen Steuerbehörden vorgehalten worden, entspricht das Vorbringen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und ist deshalb bereits unzulässig. Dasselbe gilt, soweit die Revision rügt, das Landgericht habe die Angaben des als Zeugen vernommenen Steueramtmanns W. , der in der Hauptverhandlung über diese Auskünfte berichtet hat, zu Unrecht der Beweiswürdigung zugrundegelegt.
Zur Begründung der Verfahrensrüge ist der Beschwerdeführer verpflichtet, ?die den Mangel enthaltenden Tatsachen' anzugeben. Diese Angaben haben mit Bestimmtheit und so genau und vollständig zu geschehen, dass das Revisionsgericht allein auf Grund der Revisionsrechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BVerfG NJW 2005, 1999, 2001; BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 7). Daran fehlt es hier. Denn der Beschwerdeführer, der sich darauf beruft, dass die Auskünfte der amerikanischen Steuerbehörden aufgrund amerikanischer Vorschriften im deutschen Strafverfahren nicht verwendbar seien, teilt das nach Art. 26 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. August 1989 (BGBl II 1991, 354) an die amerikanischen Steuerbehörden gerichtete Auskunftsersuchen des Bundesamtes für Finanzen nicht mit. Dessen hätte es indes bedurft, da das von der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes Schwäbisch Gmünd vorbereitete Auskunftsersuchen vom 17. Januar 2003 (insbesondere unter Ziffer 4) den klaren Hinweis auf die beabsichtigte Verwendung in einem Steuerstrafverfahren enthält. Eine ?Täuschung" der amerikanischen Finanzbehörden über die beabsichtigte Verwendung der Auskünfte im Steuerstrafverfahren liegt damit von vornherein fern.
Die Verfahrensrüge entspricht auch deshalb nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil die Revision den Inhalt der vom Zeugen D. am 16. November 2005 abgegebenen schriftlichen Erklärung über die bei seiner konsularischen Vernehmung noch nicht beantworteten Fragen nicht mitteilt. Der Inhalt dieser Erklärung ist für die Begründetheit der Verfahrensrüge von zentraler Bedeutung, denn in dieser Erklärung beantwortet der Zeuge D. die von dem Beschwerdeführer als unzulässig beanstandeten Fragen Nr. 51d, 55, 56, 57, 58, 59 und 60. Zudem nimmt der vom Beschwerdeführer angeführte Beschluss des Landgerichts vom 9. Dezember 2005 ausdrücklich auf die Erklärung des Zeugen D. Bezug (ProtBd. Bl. 62).
Im Übrigen liegt der gerügte Verfahrensverstoß in der Sache fern. Die Revisionsrechtfertigungsschrift enthält kein Vorbringen, welches die Ansicht des Beschwerdeführers nachvollziehbar erscheinen ließe, Art. 26 des Doppelbesteuerungsabkommens stünde einer Verwertung der von den Steuerbehörden der Vereinigten Staaten von Amerika erteilten Auskünfte in einem deutschen Strafverfahren gegen den Angeklagten entgegen (vgl. Absatz 26 des Protokolls zum genannten Doppelbesteuerungsabkommen vom 29. August 1989 sowie Art. 26 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 des Doppelbesteuerungsabkommens i. V. m. § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO). ..." (BGH, Beschluss vom 15.03.2007 - 5 StR 53/07)
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Es liegt ein sachlich rechtlich zu beanstandender Erörterungsmangel vor, wenn sich bei der auf die Sachrüge veranlaßten Prüfung, namentlich anhand der Urteilsgründe, ausreichende Anhaltspunkte ergeben, die das Tatgericht zur Prüfung einer Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK verletzenden Verfahrensverzögerung drängen mußten (BGH, Beschluss vom 13.12.2006 - 5 StR 315/06).
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"... Grundsätzlich genügt es für die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge, dass die den Mangel begründenden Tatsachen vollständig vorgetragen werden. Dagegen ist ihre Glaubhaftmachung, etwa durch die Angabe von Beweismitteln und Aktenstellen, aus denen sich diese Tatsachen ergeben, nicht erforderlich (BGH NStZ-RR 2003, 334 ; in vergleichbarem Sinne BGH bei Pfeiffer NStZ 1982, 191; vgl. auch Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 41). Der Vortrag, eine Urkunde sei nicht verlesen worden, ist vollständig. Zur Prüfung seiner Schlüssigkeit - nicht: seiner Richtigkeit - bedarf es des Rückgriffs auf das Protokoll nicht. Besondere Umstände, die in diesem Zusammenhang gleichwohl weitergehende Ausführungen unerlässlich machen könnten, sind nicht erkennbar. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderte daher nicht die Beifügung (von Ablichtungen) des Protokolls, das sich hier, ohne seine zahlreichen Anlagen, über beinahe 40 Seiten erstreckt. ..." (BGH, Beschluss vom 22.09.2006 - 1 StR 298/06).
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?... Die Revision ist - insoweit - schon unzulässig. Die Rüge wurde nicht in der gebotenen Form (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) erhoben. Die den - behaupteten - Mangel enthaltenden Tatsachen werden in der Revisionsbegründung nicht beziehungsweise unzutreffend vorgetragen.
a) Während in der Revisionsbegründung behauptet wird
?Die Verteidigung widersetzte sich der Inaugenscheinnahme und der Verwertung der aufgezeichneten Telefongespräche',
äußerte sich der Verteidiger laut Sitzungsniederschrift - was dadurch bewiesen ist (§ 274 StPO) und zudem durch die unwidersprochenen dienstlichen Erklärungen bestätigt wird - wie folgt:
?Der Verteidiger beantragte einen Gerichtsbeschluss über das Vorspielen der abgehörten Telefonate.'
Ob ein bloßer Antrag auf einen Gerichtsbeschluss gemäß § 238 Abs. 2 StPO einem Widerspruch gegen die Verwertung der abgehörten Telefonate - mangels Vorliegens der Voraussetzungen für die Anordnung der Überwachung der Telekommunikation - gleichzusetzen ist, wie der Revisionsführer in der Gegenerklärung zum Antrag des Generalbundesanwalts behauptet, muss das Revisionsgericht selbst bewerten können. In der Revisionsbegründung darf dies nicht - verdeckt - als Tatsachenbehauptung vorweggenommen werden. Denn dann ist es dem Revisionsgericht nicht möglich, allein aufgrund des Vortrags in der Revisionsbegründung eine eigene umfassende Überprüfung des Verfahrens im Hinblick auf den behaupteten Rechtsfehler vorzunehmen. Damit genügt der Revisionsvortrag schon deshalb nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
b) Darüber hinaus teilt die Revisionsbegründung nichts zur Verdachtslage und zu den übrigen Eingriffsvoraussetzungen zum Zeitpunkt des Erlasses der beanstandeten Entscheidungen zur Überwachung der Telekommunikation mit. Auch dies ist jedoch unverzichtbar zur revisionsgerichtlichen Überprüfung, ob die beanstandeten Maßnahmen unabhängig vom Inhalt der zugrunde liegenden Entscheidungen zu Recht oder zu Unrecht angeordnet wurden. Dass damit keine überspannten Anforderungen gestellt werden, zeigt die Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft, die - teilweise unter Hinweis auf entsprechende Aktenteile, die dann in die Revisionsbegründung aufzunehmen gewesen wären - die Grundlage für die entsprechenden richterlichen Beschlüsse und die Eilanordnungen des Staatsanwalts darzustellen, in der Lage war. Auch deshalb genügt die Revisionsbegründung nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
Ein Fall, in dem die Überwachung der Telekommunikation in einem anderen Verfahren, dessen Akten vom Landgericht nicht beigezogen wurden, angeordnet worden war (diese Situation liegt BGHSt 47, 362 [363, Leitsatz Nr. 3] zugrunde), ist hier nicht gegeben. Dass auch dann, wenn alle relevanten Unterlagen Bestandteil der Verfahrensakten sind, allein die fehlende Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Überwachungsmaßnahme durch die Strafkammer einen eigenständigen Rechtsfehler begründet, weshalb dann auch entsprechender Vortrag genügt, besagt auch die soeben zitierte Entscheidung des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGHSt 47, 362) nicht (vgl. zu dieser Entscheidung hinsichtlich des darin verlangten generellen Überprüfungsgebots - dies ablehnend - Beschluss des Senats vom heutigen Tag - 7. März 2006 - 1 StR 316/05, Rdn. 13, sowie hier unter Rdn. 29). ..." (BGH, Beschluss vom 07.03.2006 - 1 StR 534/05)
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Die den Verfahrensmangel enthaltenden Tatsachen sind so vollständig und genau anzugeben, dass das Revisionsgericht auf Grund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen werden. Dabei genügt es nicht, auf Fundstellen in den Akten Bezug zu nehmen. Dies gilt auch für die Bezugnahme auf in den Akten befindliche Sachverständigengutachten unter Benennung der Blattzahlen. Vielmehr müssen solche Stellen, wenn sie für die Beurteilung der Rüge von Bedeutung sein können (hier: die Vorerkrankungen der Lunge als Begründung für eine natürliche Todesursache [plötzlicher Kindstod] bzw. deren Ausschluss), in ihrem Wortlaut oder ihrem wesentlichen Inhalt nach in der Rechtfertigungsschrift wiedergegeben werden (BGH, Beschluss vom 27.10.2005 - 1 StR 218/05).
Ein Revisionsführer, der das Vorliegen einer Art. 6 I 1 MRK verletzenden Verfahrensverzögerung geltend machen will, muss grundsätzlich eine § 344 II 2 StPO genügende Verfahrensrüge erheben. Nur wenn sich nach den Urteilsgründen eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung aufdrängt, kann es einen auf die Sachrüge zu berücksichtigenden Erörterungsmangel darstellen, wenn sich das Urteil zu den näheren Umständen der Verfahrensverzögerung nicht verhält (BGH, Urteil vom 25. 10. 2005 - 4 StR 139/05)
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?... Soweit die Revision ?allergrößte Zweifel' an der Verhandlungsfähigkeit der Angekl. hegt, fehlt es hierfür an einem hinreichenden Tatsachenvortrag. Wenn das LG in der Hauptverhandlung ersichtlich keinen Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit der Angekl. hatte und solche von der Verteidigung auch nicht geltend gemacht worden sind, so kann diese grundsätzlich auch vom RevGer. ohne Bedenken bejaht werden (vgl. u.a. BGH, Beschl. v. 20. 4. 2004 - 1 StR 14/04; BGH, Beschl. v. 10. 5. 2001 - 1 StR 120/01; BGH, Beschl. v. 27. 4. 2001 - 3 StR 502/99; BGH, NStZ 1984, 181 jew. mwN). ..." (BGH, Urteil vom 19.10.2005 - 2 StR 98/05)
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?? Soweit mit der Verfahrensrüge Nr. 18 geltend gemacht wird, die Verlesung der Wortprotokolle der Telefongespräche Nr. 443 und 1490 verstoße gegen § 265 StPO und Art. 6 I MRK, ist die Rüge unzulässig (§ 344 II 2 StPO). Ihre Begründung nimmt auf die ?in diesem Sachzusammenhang ergangenen Anträge der Verteidigung, die Widersprüche und die Gerichtsbeschlüsse" Bezug, deren Wortlaut in den Rügen Nr. 2 und Nr. 19 wiedergegeben seien. Dies reicht zur Begründung nicht aus. Es kann nicht Aufgabe des RevGer. sein, den Revisionsvortrag aus anderen Unterlagen jeweils an passender Stelle zu ergänzen und dabei auch noch den Sachzusammenhang selbst herzustellen (vgl. BGHR StPO § 344 II 2 Formerfordernis 1). Im Übrigen wäre die Rüge auch offensichtlich unbegründet, weil Abschriften der beiden Telefongespräche dem Verteidiger 5 Tage vor deren Verlesung zur Verfügung gestellt worden sind und das LG nicht verbindlich zugesagt hat, keine anderen als die schon vor der ausgesetzten Hauptverhandlung benannten Telefongespräche in die Hauptverhandlung einzuführen ?" (BGH, Beschluss vom 07.04.2005 - 5 StR 532/04, NStZ 2005, 463 f).
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Weist die belastende Aussage Qualitätsmängel auf, bedarf es einer ins Einzelne gehenden Darstellung und Bewertung der die Mängel begründenden Umstände und einer Betrachtung der Entwicklung der verschiedenen Aussagen in einer lückenlosen Gesamtwürdigung (BGH, Beschluss vom 24.11.2004 - 5 StR 480/04).
Die Rüge der unzulässigen Erörterung der Sachlage in Abwesenheit des aus der Hauptverhandlung entfernten Angeklagten setzt die Wiedergabe des konkreten Inhalts der Erörterung auch dann voraus, wenn der für das Revisionsverfahren mandatierte Verteidiger an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung nicht teilgenommen hat (BGH, Beschluss vom 23.11.2004 - 1 StR 379/04).
Ein Revisionsführer, der das Vorliegen einer Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK verletzenden Verfahrensverzögerung geltend machen will, muß grundsätzlich eine Verfahrensrüge erheben. Ergeben sich indes bereits aus den Urteilsgründen die Voraussetzungen einer solchen Verzögerung, hat das Revisionsgericht auf Sachrüge einzugreifen. Das gilt auch, wenn sich bei der auf Sachrüge veranlassten Prüfung, namentlich anhand der Urteilsgründe, ausreichende Anhaltspunkte ergeben, die das Tatgericht zur Prüfung einer solchen Verfahrensverzögerung drängen mußten, so daß ein sachlichrechtlich zu beanstandender Erörterungsmangel vorliegt (BGH, Beschluss vom 11.11.2004 - 5 StR 376/03 zu MRK Art. 6 Abs. 1 S. 1; StPO § 267 Abs. 3, § 344 Abs. 2).
Auf die Sachrüge ist zu prüfen, ob bei einer sich aus den Urteilsgründen ergebenden Verfahrensverzögerung i.S. des Art. 6 I Satz 1 MRK die nach der Rechtsprechung des BVerfG gebotene Kompensation zutreffend vorgenommen worden ist. Auf die Sachrüge ist zu prüfen, ob ein Erörterungsmangel vorliegt, weil sich aus den Urteilsgründen ausreichende Anhaltspunkte ergeben, die zu einer Prüfung einer Verfahrensverzögerung i.S. des Art. 6 I Satz 1 MRK drängen. In allen anderen Fällen ist eine Verfahrensrüge erforderlich, wenn der Bf. das Vorliegen einer Verfahrensverzögerung i.S. des Art. 6 I Satz 1 MRK geltend machen will (BGH, Beschluss vom 12.08.2004 - 3 ARs 5/04).
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?...Die Verfahrensrüge hat keinen Erfolg. Mit ihr wurde geltend gemacht, das LG habe den Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zu Unrecht abgelehnt. Der Antrag war darauf gestützt, der in der Hauptverhandlung gehörte Sachverständige sei in seinem schriftlichen vorbereitenden Gutachten von unrichtigen tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen. Der GBA hält die Rüge für unzulässig, weil der Revisionsführer das schriftliche Gutachten nicht mitgeteilt habe (so auch BGH NStZ-RR 1996, 362; bei Sander NStZ-RR 2004, 2f.). Diese Auffassung erscheint nicht unbedenklich. Denn für die rechtliche Beurteilung ist nicht das in den Akten befindliche, sondern das in der Hauptverhandlung erstattete Gutachten maßgeblich. Hier kann der Sachverständige Mängel, die seinem vorbereitenden Gutachten noch anhafteten, ausgeräumt haben, ohne dass dies aus dem Protokoll der Hauptverhandlung ersichtlich und damit aus dieser rekonstruierbar wäre. Entscheidend für die Überprüfung sind vielmehr die Gründe des den Beweisantrag zurückweisenden Beschlusses sowie die Darlegungen des Urteils über den Inhalt des mündlich erstatteten Sachverständigengutachtens, das schon aus sachlichrechtlichen Gründen so weit dargestellt werden muss, dass das RevGer. seine Tragfähigkeit prüfen kann (vgl. BGHSt 34, 29, 31; BGH NStZ 1991, 596). Die Rüge ist jedenfalls unbegründet, denn der Ablehnungsbeschluss der StrK weist keinen Rechtsfehler auf. ..."(BGH, Beschluss vom 11.05.2004 - 3 StR 139/04)
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?... Es wurde also ein Sachverständiger einer bestimmten Fachrichtung gehört, nachdem die Anhörung eines Sachverständigen zu einer Frage dieser Fachrichtung beantragt worden war. Mit der pauschalen Behauptung, der Beweis sei nicht erhoben worden, fehlt die gebotene konkrete Auseinandersetzung mit Umständen, die gegen die Richtigkeit des Revisionsvorbringens sprechen. Dies entspricht nicht den Anforderungen von § 344 II 2 StPO an eine zulässige Verfahrensrüge (vgl. BGHSt 40, 218, 240; BGH NStZ-RR 1999, 26, 27). Allerdings trägt die Revision mit Schriftsatz vom 31. 3. 2004 in ihrer Erwiderung auf den Antrag des GBA (§ 349 III 2 StPO) vor, aus sonstigem Akteninhalt ergebe sich, dass die Sachverständige nicht zu dem Thema des Beweisantrags, sondern zu einem anderen Thema gehört worden sei. Dieses Vorbringen ist jedoch ohne inhaltliche Prüfung zurückzuweisen, weil es nicht innerhalb der Frist des § 345 I 1 StPO angebracht worden ist (vgl. BGH StV 1999, 407 mwN). Auf die von der Revision aus Rechtsgründen für unverwertbar gehaltene, inhaltlich aber nicht bestrittene Gegenerklärung der StA, die im Detail die Ausführungen der Sachverständigen zu der Beweisfrage darlegt, kommt es daher nicht an. Gleiches gilt für die hilfsweisen Erwägungen der Revision, jedenfalls ergebe das Vorbringen der StA die inhaltliche Unzulänglichkeit des Gutachtens. ..." (BGH, Beschluss vom 01.04.2004 - 1 StR 101/04).
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Eine Wiedereinsetzung zur Nachholung von Verfahrensrügen ist ausnahmsweise nur dann möglich, wenn dem Verteidiger bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist trotz mehrfacher Mahnung Akteneinsicht nicht gewährt wurde und eine Verfahrensrüge nachgeschoben werden soll, die ohne Kenntnis der Akte nicht begründet werden kann. Der Verteidiger darf sich allerdings angesichts eines bevorstehenden Ablaufs der Revisionsbegründungsfrist nicht damit zufrieden geben, dass ihm auf seine telefonischen Nachfragen versichert wurde, das Protokoll sei abgesandt, sondern er hätte sich darum bemühen müssen, es bei Gericht einzusehen (BGH, Urteil vom 31.03.2004 - 2 StR 482/03).
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Das gibt es offenbar auch ...
?... Formulierungen wie
- das SchwurG lehne natürlich einen Beweisantrag im Ausdruck blinder Befangenheit ab ?
- die himmelschreiende Befangenheit der Richter der SchwurGer.-Kammer ?
- die Rechtsblindheit dieser Richter ?
- die SchwurGer.-Kammer hat in nahezu schamloser Weise gegen den Grundsatz im Zweifel zu Gunsten des Angeklagten verstoßen ?
- willkürliche und bösartige Unterstellungen der SchwurGer.-Kammer spiegeln in eindrucksvoller Weise ihre Befangenheit wieder ?
- im Hinblick darauf, dass der Vorsitzende Richter seit vielen, vielen Jahren den Vorsitz der SchwurGer.-Kammer führt, kann mit den Voraussetzungen für ein faires Strafverfahren im Bereich des LG Duisburg nicht mehr gerechnet werden ?
sind stillos und ungehörig, verstoßen gegen den guten Ton und das Taktgefühl, sie sind zudem dem Ansehen des Anwaltsstandes abträglich (vgl. BVerfGE 76, 171, 191ff.). Weder der Inhalt des angefochtenen Urteils noch die erhobene Verfahrensrüge noch die näher ausgeführte Sachrüge, soweit sich ihr ein sachlicher Kern entnehmen lässt, bieten einen dem Senat erkennbaren Anlass zu solchen Äußerungen. Auch wird mit dem Rechtsmittel eine etwaige Befangenheit der Richter nicht beanstandet. ..." (BGH, Beschluss vom 30.03.2004 - 3 StR 98/04) ...
Solche Formulierungen können einer Revision nicht zum Erfolg verhelfen, mag die Verärgerung der Verteidigung im konkreten Fall auch noch so verständlich sein.
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Will der Beschwerdeführer beanstanden, durch das Verfahren sei das Beschleunigungsgebot des Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK verletzt und die Verfahrensverzögerung sei im Urteil nicht berücksichtigt worden, so hat er die Tatsachen, die den behaupteten Verfahrensverstoß belegen, in der Revisionsbegründung darzulegen. Entsprechendes gilt, wenn der Beschwerdeführer beanstandet, das Urteil sei zwar allgemein vom Vorliegen einer Verfahrensverzögerung ausgegangen, aber Art, Ausmaß und Umstände dieser Verzögerungen seien nicht oder nicht genügend festgestellt (BGH, Beschluss vom 17.12.2003 - 1 StR 445/03).
In einem Fall, in dem nach dem eigenen Vortrag des Revisionsführers die Möglichkeit der Heilung eines mit der Revision gerügten Verfahrensfehlers in Betracht kommt, muß der Sachverhalt auch in dieser Hinsicht so vollständig mitgeteilt werden, daß dem Revisionsgericht die Beurteilung ermöglicht wird, ob ein bis zum Urteil fortwirkender Mangel vorliegt (BGH, Urteil vom 25.11.2003 - 1 StR 182/03).
Wird mit der Verfahrensrüge beanstandet, der dem Angeklagten für die Hauptverhandlung beigeordnete Pflichtverteidiger sei nicht von seinem Amt entbunden worden, obwohl es zu einer endgültigen und nachhaltigen Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Angeklagten und ihm gekommen sei, bedarf es des Vortrags der hierzu in der Hauptverhandlung abgegebenen Erklärungen des Verteidigers ebenso wie der dienstlichen Erklärungen eines Richters im Falle der Verfahrensrüge der Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs (BGH, Beschluss vom 18.11.2003 - 1 StR 481/03).
Wird die Aufklärungsrüge darauf gestützt, dass sich dem Gericht eine Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, so erfordert § 344 II 2 StPO die Darlegung der Umstände und Vorgänge, die für die Beurteilung dieser Frage bedeutsam sein könnten. Wird der Aufklärungsmangel aus dem Inhalt früherer, im Ermittlungsverfahren erfolgter Zeugenvernehmungen hergeleitet, so bedarf es daher regelmäßig deren (vollständiger) inhaltlicher Wiedergabe (BGH, Urteil vom 11.09.2003 - 4 StR 139/03).
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?... 1. Die Rüge des Verteidigers des Angekl. O, die StrK habe entgegen § 261 StPO die Einlassung dieses Angekl. unzureichend gewürdigt, ist bereits nicht in zulässiger Form erhoben, wäre aber auch unbegründet.
a) Zur Entstehung der Einlassung teilt die Revision lediglich mit, dass sich der Angekl. im Hauptverhandlungstermin am 28. 2. 2002 ?wie folgt' eingelassen habe, und gibt sodann den Wortlaut einer 10seitigen schriftlichen Erklärung wieder, der der Satz ?Für den Angekl. O soll nachfolgende Einlassung verlesen werden:' vorangestellt ist. Die Revision teilt entgegen § 344 II 2 StPO aber nicht mit, in welcher Weise sodann die Einlassung in der Hauptverhandlung Verwendung gefunden hat, insbesondere ob und durch wen das Schriftstück verlesen worden ist. Der Senat vermag daher nicht zu prüfen, ob der Wortlaut der Einlassung zum Inbegriff der Hauptverhandlung gemacht wurde. Denn nur wenn das Gericht die Verlesung dieses Schriftstücks angeordnet und durchgeführt hätte, wäre die Urkunde in ihrem Wortlaut in die Hauptverhandlung eingeführt worden und hätte von der Revision als Maßstab zur Überprüfung der Beweiswürdigung herangezogen werden können (vgl. BGHSt 38, 14, 16f.). Allerdings weist der Senat darauf hin, dass ein Gericht grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die schriftliche Einlassung eines Angekl. als Urkunde zu verlesen, da seine mündliche Vernehmung nicht durch die Verlesung einer schriftlichen Erklärung durch das Gericht ersetzt werden kann (BGH NStZ 2000, 439). Denn nach § 243 IV 2 StPO erfolgt die Vernehmung eines Angekl. zur Sache nach Maßgabe des § 136 II StPO, also grundsätzlich durch mündliche Befragung und mündliche Antworten (vgl. KK, 5. Aufl., § 243 Rn 44 mwN).
Hätte dagegen, wie es entgegen dieser gesetzlichen Regelung zunehmend praktiziert wird, lediglich der Angekl. selbst oder sein Verteidiger eine entsprechende Erklärung verlesen und als Anlage zum Protokoll übergeben, wäre nur der entsprechende mündliche Vortrag und gegebenenfalls die Erklärung des Angekl., dass er sich den Inhalt zu eigen mache, Gegenstand der Hauptverhandlung geworden. Aufgabe des Tatrichters wäre es dann gewesen, - wie auch bei anderen Beweisergebnissen - den Inhalt dieser mündlich vorgetragenen Einlassung festzustellen, in den Urteilsgründen wiederzugeben und im erforderlichen Umfang zu würdigen (vgl. BGHSt 38, 14, 16f.). Damit ist aber eine revisionsgerichtliche Kontrolle der Richtigkeit der Wiedergabe dieser Einlassung wegen des Verbots der Rekonstruktion der Hauptverhandlung im Revisionsverfahren nicht möglich (ebenso Park StV 2001, 589, 592).
b) Bedenken gegen die Zulässigkeit der Verfahrensrüge bestehen auch deshalb, weil auf Seite 81 der Revisionsbegründung nur sehr pauschal dargestellt wird, inwieweit eine Würdigung der Einlassung des Angekl. O vermisst wird. Es kann aber nicht Aufgabe des RevGer. sein, eine 10seitige Einlassung mit einem 180 Seiten umfassenden und insbesondere in der Darstellung der festgestellten Tatsachen und ihrer Würdigung außergewöhnlich gründlichem und umfangreichem Urteil daraufhin zu vergleichen, welche konkreten Punkte bei der Beweiswürdigung nicht behandelt worden sind. Erst in der Erwiderungsschrift vom 12. 3. 2003 - und damit nach dem Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - erfolgte eine derartige Konkretisierung, was allerdings die Zulässigkeit der Rüge nicht mehr zu begründen vermag.
c) Die Rüge wäre aber auch unbegründet. Der GBA hat in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegt, dass sich die JugK mit der Einlassung des Angekl. eingehend befasst hat. Es ist nicht ersichtlich, dass für das Ergebnis wesentliche Umstände außer Betracht geblieben wären. Denn der Grundsatz der erschöpfenden Beweiswürdigung bedeutet nicht, dass sich der Tatrichter mit allen auch nebensächlichen Aspekten und wenig ergiebigen Argumenten ausdrücklich auseinander zu setzen hätte (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2000, 48). ..." (BGH, Beschluss vom 14.08.2003 - 3 StR 17/03)
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Für die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge genügt es nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO, daß die den Mangel begründenden Tatsachen vollständig vorgetragen werden. Dagegen ist die Angabe von Beweismitteln und der Aktenstellen, aus denen sich diese Tatsachen ergeben, nicht erforderlich (BGH, Beschluss vom 21.05.2003 - 4 StR 157/02).
Wird mit der Verfahrensrüge beanstandet, der dem Angeklagten für die Hauptverhandlung beigeordnete Pflichtverteidiger sei nicht von seinem Amt entbunden worden, obwohl es zu einer endgültigen und nachhaltigen Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Angeklagten und ihm gekommen sei, bedarf es des Vortrags der hierzu in der Hauptverhandlung abgegebenen Erklärungen des Verteidigers ebenso wie der dienstlichen Erklärungen eines Richters im Falle der Verfahrensrüge der Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs (BGH, Beschluss vom 18.11.2003 - 1 StR 481/03).
Bei einer Aufklärungsrüge, die das Unterlassen der Einholung eines Sachverständigengutachtens rügt, muß das vom Sachverständigen anzuwendende Untersuchungsverfahren nicht näher bezeichnet werden. Auch - unvorhersehbare - Details der Vorbereitung eines grundsätzlich als Beweismittel geeigneten Sachverständigengutachtens muß die Revisionsbegründung auch dann nicht vortragen, wenn vor der Anwendung bestimmter Untersuchungsmethoden aus Rechtsgründen noch ergänzende Gerichtsbeschlüsse erforderlich sein sollten, wie etwa bei der DNA-Analyse (BGH, Urteil vom 22.01.2002 - 1 StR 467/01).
Bei einem Strafverfahren gegen mehrere Angeklagte, denen eine Vielzahl von Straftaten zur Last gelegt wird, läßt sich aus einer nicht näher ausgeführten allgemeinen Sachrüge das Anfechtungsziel der Staatsanwaltschaft nicht sicher ermitteln. Es bedarf vielmehr eines ausdrücklichen Antrags i. S. d. §§ 344 Abs. 1, 352, Abs. 1 StPO, um das Begehren der Beschwerdeführerin hinreichend klar zu erkennen (BGH, Beschluss vom 07.11.2002 - 5 StR 336/02).
Wird als Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht der Umstand mit der Revision gerügt, daß der Tatrichter es fehlerhaft unterlassen habe, bei der Akte befindliche Lichtbilder in der Hauptverhandlung in Augenschein zu nehmen, bedarf es für die Zulässigkeit der Rüge der Aufnahme der betreffenden Lichtbilder in die Revisionsbegründung (BGH, Urteil vom 08.03.2001 - 4 StR 477/00).
Die Rüge der Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen in Abwesenheit des aus der Hauptverhandlung entfernten Angeklagten kann u. U. den Vortrag von Einzelheiten einer besonderen Vernehmungsgestaltung erfordern, ohne den die Rüge unzulässig ist (BGH, Beschluss vom 24.01.2001 - 5 StR 603/00).
Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge, die auf das dem tatsächlichen Gang der Hauptverhandlung widersprechende Protokoll gestützt wird, können dann nicht bestehen, wenn der Verfasser der Revisionsbegründung in der Hauptverhandlung nicht anwesend war und ihm mögliches Wissen seines Mitverteidigers nicht zugerechnet werden kann (BGH, Beschluss vom 21.07.1999 - 3 StR 268/99, StV 1999, 585).
*** (OLG)
I. Das AG Oranienburg hat am 07.10.2009 den Angekl. [u.a.] ... zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 J. und 9 M. verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen diese Verurteilung hat der Angekl. mit dem am 08.10.2009 bei Gericht eingegangen Anwaltschriftsatz ?Rechtsmittel' eingelegt, dieses nach Zustellung des mit Gründen versehenen Urt. am 04.12.2009 mit bei Gericht am 21.12.2009 angebrachten Anwaltschriftsatz als ?Revision' bestimmt und diese mit Anträgen versehen sowie begründet. Der Betroffene hat ausschließlich die Verfahrensrüge unter Beanstandung der Verletzung von Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK erhoben.
II. Die Revision ist als Sprungrevision gem. § 335 StPO statthaft, die ausschließlich erhobene Verfahrensrüge ist jedoch unzulässig, was die Revision insgesamt unzulässig macht; die Sachrüge ist nicht erhoben worden.
1. Die von dem Angekl. erhobene Verfahrensrüge, mit der eine überlange, d.h. rechtsstaatswidrige Verfahrensdauer beanstandet wird, genügt nicht den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK. Da die Sachrüge nicht erhoben worden ist, kann der Senat die Urteilsgründe nicht ergänzend heranziehen.
a) Nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK hat auch ein nicht inhaftierter Angekl. das Recht auf eine Behandlung seiner Sache innerhalb angemessener Frist; diese beginnt, wenn der Besch. von den Ermittlungen gegen ihn in Kenntnis gesetzt wird und endet mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens. Ob die Verfahrensdauer noch angemessen ist, muss nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden. Dabei ist auf die gesamte Dauer von Beginn bis zum Ende der Frist abzustellen und es sind Schwere und Art des Tatvorwurfs, Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens, Art und Weise der Ermittlungen neben dem eigenen Verhalten des Besch. sowie das Ausmaß der mit dem Andauern des Verfahrens verbundenen Belastungen für den Besch. zu berücksichtigen (vgl. BVerfG NJW 2003, 2225 [= StV 2003, 383]; BGH wistra 2004, 298 m.w.N.). Eine gewisse Untätigkeit während eines bestimmten Verfahrensabschnitts führt daher nicht ohne weiteres zu einem Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK, sofern die angemessene Frist insgesamt nicht überschritten wird (vgl. BGH NStZ 2003, 384 m.w.N.).
b) Der BGH hat in zahlreichen Entscheidungen eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass für die Beanstandung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung grundsätzlich die Erhebung einer Verfahrensrüge gem. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO erforderlich ist (vgl. BGH 1. Strafsenat: Beschl. v. 18.11.2008 - 1 StR 568/08 [= StV 2009, 118]; Beschl. v. 23.06.2004 - 1 ARs 5/04; BGH 2. Strafsenat: Beschl. v. 13.02.2008 - 2 StR 356/07 [= StV 2008, 345]; Beschl. v. 17.08.2001 - 2 StR 267/01, Beschl. v. 26.04.2002 - 2 StR 55/02; Urt. v. 19.06.2002 - 2 StR 43/03; Urt. v. 25.11.2004, 2 StR 274/04; BGH 3. Strafsenat: Beschl. v. 12.08.2004 - 3 ARs 5/04; Beschl. v. 28.08.1998 - 3 StR 142/98 [= StV 1999, 205]; Beschl. v. 04.01.1999 - 3 StR 597/98 [= StV 1999, 205]; BGH 4. Strafsenat: Urt. v. 25.10.2005 - 4 StR 139/05; Beschl. v. 25.03.2004 - 4 ARs 6/04; in seiner am 26.05.2004 - 2 ARs 33/04 - beschlossenen Antwort auf den Anfragebeschluss des 5. Strafsenats des BGH v. 13.11.2003 - 5 StR 376/03 - hat beispielsweise der 2. Strafsenat des BGH an dieser Rechtsansicht festgehalten und sie näher begründet, zit. jeweils nach juris).
Zwar dürfen die Anforderungen an den Umfang der Darstellung der den Mangel enthaltenden Tatsachen bei der Beanstandung einer konventionswidrigen Verzögerung während eines - wie hier - mehrere Jahre währenden Verfahrens nicht überzogen werden. Von einem Bf. ist aber zu erwarten, dass er einen realistischen Überblick über den tatsächlichen Ablauf des Strafverfahrens gibt (BGH NJW 2008, 2451, 2452 [= StV 2008, 414]). Dieser Darstellung bedarf es deswegen, weil für die Frage der Konventionswidrigkeit das Verfahren insgesamt zu beurteilen ist, regelmäßig beginnend mit dem Zeitpunkt, in dem der Besch. von der Einleitung des gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens Kenntnis erlangt. Der Revisionsführer muss in der Revisionsbegründung gem. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO die Tatsachen (z.B. Schwere und Art des Tatvorwurfs, Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens, Art und Weise der Ermittlungen, Zeiten der Untätigkeit der Strafverfolgungsorgane) darlegen, die den behaupteten Verfahrensverstoß belegen. Nur so ist dem Revisionsgericht eine entsprechende Nachprüfung des behaupteten Verfahrensverstoß möglich (vgl. BGH NStZ 2004, 504 [= StV 2004, 308]).
c) Diesen Begründungsanforderungen wird die Revisionsbegründung jedoch nicht gerecht. Die Revision stellt den Verlauf des gegen den Angekl. geführten Strafverfahrens nicht in einem Umfang dar, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in der Lage wäre, das Vorliegen eines Verfahrensverstoßes zu überprüfen. Der Angekl. beschränkt sich in seiner Revisionsbegründungsschrift v. 07.12.2009 (21.12.2009) darauf, die Daten des Tattags, des Urt., des Abschlusses der polizeilichen Ermittlungen, der Anklageerhebung und eines früheren Hauptverhandlungstermins mitzuteilen; erwähnt wird überdies, dass verschiedene Verfahren verbunden und wieder getrennt worden waren und dass ein Zeuge unter einer falschen Anschrift geladen worden war. An Hand dieser Angaben ist der Senat nicht in der Lage zu überprüfen, ob hier eine rechtsstaatswidrige Verfahrensdauer i.S.d. Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK anzunehmen ist. Welche Verfahren verbunden und wieder getrennt worden sind, teilt der Revisionsführer ebenso wenig mit wie die Hintergründe und die Bedeutung der fehlerhaften Ladung des Zeugen .... Insbes. fehlen auch Angaben zum Umfang und zur Schwierigkeit des Verfahrens, zur Art und Weise der Ermittlungen, und vor allem zu etwaigen Zeiten der Untätigkeit der Strafverfolgungsorgane. ..." (OLG Brandenburg, Beschluss vom 24.03.2010 - (1) 53 Ss 42/10)
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Erhebt der Angeklagte die ?Inbegriffsrüge" der Verletzung des§ 261 StPO und trägt dazu vor, das Berufungsgericht habe strafschärfend Sachverhalte aus nach § 154 StPO behandelten anderen Verfahren berücksichtigt, ohne diese Sachverhalte in der Hauptverhandlung ?erörtert" zu haben, kann hierin eine Verfahrensrüge der Verletzung der Hinweispflichten nach § 265 I, II StPO jedenfalls dann liegen, wenn zur Begründung dieser Rüge das Protokoll der Hauptverhandlung angeführt wird und dieses Protokoll die wesentliche Förmlichkeit eines solchen Hinweises nicht enthält (OLG München, Beschluss vom 22. 06. 2009 - 5 St RR 88/09):
?... I. Das Amtsgericht Augsburg verurteilte den Angeklagten am 8. Oktober 2007 wegen Hausfriedensbruchs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Berufung ein und beschränkte mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft sein Rechtsmittel im Termin zur Berufungshauptverhandlung vor dem Landgericht Augsburg auf den Rechtsfolgenausspruch. Am 21. Mai 2008 verwarf die Berufungskammer die Berufung des Angeklagten als unbegründet. Gegen dieses Berufungsurteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision.
II. Die nach §§ 333 , 337 Abs. 1 , 341 Abs. 1 , 344 , 345 StPO zulässige Revision erweist sich als begründet, da das Berufungsgericht der Bemessung der Rechtsfolgen, ohne den Angeklagten gemäß § 265 Abs. 1 , Abs. 2 StPO auf diese Möglichkeit hinzuweisen, strafschärfend Umstände zugrunde gelegt hat, die aus nach § 154 StPO eingestellten anderen Verfahren stammten.
1. Die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch begegnet keinen rechtlichen Bedenken ( § 318 StPO ), so dass der Schuldspruch gegen den Angeklagten in Rechtskraft erwachsen ist.
2. Soweit sich der Beschwerdeführer mit der Sachrüge gegen die Bemessung der Rechtsfolgen wendet, greift diese nicht durch. Insoweit wird auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 16. März 2009 Bezug genommen. Die Erwiderung des Beschwerdeführers vom 1. April 2009 gibt zu Ergänzungen nur insoweit Veranlassung, als sie wiederholend auf die Verletzung des § 56 Abs. 3 StGB zurückkommt. Aus den Gründen des angegriffenen Urteils (BU S. 10 f.) ist klar ersichtlich, dass die Strafkammer § 56 Abs. 3 StGB ergänzend zu ihren Überlegungen zu § 56 Abs. 1 StGB hinzugezogen hat. Die Anwendung des § 56 Abs. 1 StGB ist aus vorgenannten Gründen rechtsfehlerfrei. Da die Berufungskammer schon die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 StGB rechtsfehlerfrei verneint hat, kommt es auf § 56 Abs. 3 StGB nicht mehr an (vgl. Fischer StGB 56. Aufl. § 56 Rn. 13). In keiner Weise legen die Urteilsgründe nahe oder zwingen sogar zu der Annahme, dass die Strafkammer die Voraussetzungen die Aussetzung der Vollstreckung abgelehnt habe, weil sie kumulativ sowohl eine ungünstige Sozialprognose nach § 56 Abs. 1 StGB gestellt hat als auch davon ausgegangen ist, die Verteidigung der Rechtsordnung würde die Vollstreckung gebieten. Zudem sind die tatrichterlichen Erwägungen zu § 56 Abs. 3 StGB zwar knapp, tragen aber im Rahmen des § 267 Abs. 3 StPO die hilfsweise Stütze, dass die Aussetzung der Vollstreckung auch aus diesen Gründen zu versagen ist.
3. Die erhobenen verfahrensrechtlichen Rügen sind nur zum Teil zulässig. Die erhobene "Inbegriffsrüge" ist nur nach Maßgabe ihrer Auslegung durch den Senat zulässig und begründet.
a) Die erhobene Aufklärungsrüge ist unzulässig. Auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 16. März 2009 wird Bezug genommen. Indessen kommt es auf sie - aus den unter II. 3. b) wiedergegebenen Gründen - nicht an.
b) Die erhobene "Inbegriffsrüge" nach § 261 StPO ist - nach Auslegung durch den Senat - als verfahrensrechtliche Rüge der Verletzung des § 265 Abs. 1 , Abs. 2 StPO nach § 344 Abs. 2 StPO zulässig und begründet.
(1) Der Angeklagte rügt die Verletzung des § 261 StPO . Hierzu trägt die Revision vor, das Landgericht habe seine Erwägungen zur Bemessung der kurzen Freiheitsstrafe nach § 47 Abs. 1 StGB und zur Versagung der Aussetzung der Bewährung nach § 56 Abs. 1 StGB auf Tatsachen gestützt, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen sind. Denn das Landgericht habe strafschärfend berücksichtigt, dass gegen den Angeklagten in einem weiteren Verfahren der Staatsanwaltschaft Augsburg mit dem Aktenzeichen 305 Js 130505/07 wegen eines angeblichen am 9. Juni 2007 begangenen Hausfriedensbruchs und Bedrohung Anklage erhoben worden war, wobei von einer Verfolgung des Angeklagten in diesem Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO in Hinsicht auf das hier vorliegende Strafverfahren abgesehen wurde. Tatsächlich aber sei das Verfahren mit dem Aktenzeichen 305 Js 130505/07 nicht Gegenstand der Hauptverhandlung vom 21. Mai 2007 vor der Berufungskammer gewesen. Die Revision führt an, weder in dem Verfahren vor dem Amtsgericht noch in dem Verfahren vor dem Landgericht sei der Sachverhalt in dem Verfahren 305 Js 130505/07 erörtert worden.
(2) Zu dieser vom Beschwerdeführer erhobenen verfahrensrechtlichen Inbegriffsrüge nach § 261 StPO hat die Generalstaatsanwaltschaft Stellung genommen und bezweifelt gemäß § 344 Abs. 2 S. 2 StPO deren Zulässigkeit, weil die Verletzung des § 261 StPO nur pauschal vorgetragen worden sei, aber offen bleibe, ob der Gegenstand des Verfahrens der Staatsanwaltschaft Augsburg mit dem Aktenzeichen 305 Js 130505/07 in anderer Weise in das Verfahren, etwa im Wege des Vorhalts, eingeführt worden sei. Das Protokoll der Hauptverhandlung weise die Verlesung des Bewährungshilfeberichts vom 18. März 2008 aus, der u.a. auf dieses nach § 154 Abs. 2 StPO behandelte Verfahren Bezug nimmt. Es erscheine kaum vorstellbar, dass dann nicht spätestens im Zusammenhang hiermit auch über dieses weitere Verfahren gesprochen wurde. Zwar habe einerseits insoweit die Hauptverhandlung nicht rekonstruiert werden können. Andererseits könne nicht positiv festgestellt werden, dass dieses weitere Verfahren nicht Gegenstand der Berufungsverhandlung gewesen wäre. Insoweit verbleibende Zweifel wirkten sich aber bei Verfahrensrügen zu Lasten des Revisionsführers aus.
(3) Revisionsrechtliche Rügen, auch Verfahrensrügen, sind gemäß § 300 StPO analog der Auslegung zugänglich (BGHSt 25, 272/275; Meyer- Goßner StPO 51. Aufl. § 300 Rn. 1 und § 344 Rn. 11; Kuckein in KK 6. Aufl. § 344 Rn. 20), wenn das Revisionsvorbringen die erforderliche Grundlage dafür bietet (Meyer-Goßner a.a.O. § 344 Rn. 11; Kuckein a.a.O. § 344 Rn. 20). Aus Art. 19 Abs. 4 GG , der zwar nach seinem Wortlaut nur den Zu- gang zu den Gerichten eröffnet, ergibt sich hierbei, dass die Auslegung, so sie im Revisionsvorbringen eine hinreichende Stütze findet, sich am Ziel des Revisionsangriffs orientieren und das - soweit wie möglich - das vernünftigerweise Gewollte angenommen werden muss (Kuckein a.a.O. § 300 Rn. 2). Mit anderen Worten, die Auslegung hat sich daran zu orientieren, dass der mit der Revision erstrebte Erfolg eintreten kann (OLG Koblenz NJW 1975, 322 [OLG Koblenz 19.09.1974 - 1 Ss 196/74] ; Meyer-Goßner a.a.O. § 344 Rn. 11; Kuckein a.a.O. § 300 Rn. 2). Hierbei ist zu beachten, dass es keiner genauen Bezeichnung der ver- letzten Rechtsnorm durch den Beschwerdeführer bedarf und auch eine fehlerhafte Bezeichnung der Rechtsnorm nicht schadet (Kuckein a.a.O., § 344 Rn. 19, 34). Wesentlich ist vielmehr die wirkliche rechtliche Bedeutung, wie es dem Sinn und Zweck des Vorbringens zu entnehmen ist (BGHSt 19, 273/275; BayObLGSt 2003, 98/99; OLG München NStZ 2006, 353 [OLG München 19.01.2006 - 5 St RR 130/05] Rn. 2).
Indem der Beschwerdeführer rügt, dass bei der Strafzumessung zu seinem Nachteil Tatsachen verwendet wurden, die in der Hauptverhandlung "nicht erörtert" wurden, behauptet er zwar ausdrücklich einen verfahrensrechtlichen Verstoß gegen § 261 StPO . Diese verfahrensrechtliche Tatsachenbehauptung ist aber unter Anwendung der vorangestellten Grundsätze auszulegen, wobei das aus ihr erkennbare Angriffsziel und nicht deren vom Revisionsführer vorgenommene Verknüpfung mit § 261 StPO maßgeblich ist. Der Revisionsangriff zielt auf die Behauptung ab, dass die strafschärfende Einbeziehung der nach § 154 StPO ausgeschiedenen sonstigen Straftaten mangels Erörterung den Angeklagten überrascht habe, weil das Gericht ihn hierauf nicht aufmerksam gemacht habe.
Zwar kann auch ein weiteres, nach § 154 StPO behandeltes Verfahren bei der Strafzumessung (und sodann bei der Frage nach der Aussetzung der Vollstreckung der Bewährung im Rahmen des § 56 StGB ) zum Nachteil ei- nes Angeklagten gewendet werden (Fischer, StGB, 56. Aufl., § 46 Rn. 41 m.w.N.). Soll dies geschehen, gebietet der Grundsatz des Fair Trial je- doch, dass in einem solchen Fall das Gericht den Angeklagten gemäß dem in § 265 StPO niedergelegten Rechtsgedanken auf diese Möglichkeit hin- weist, dass der fragliche Sachverhalt eindeutig eingrenzbar ist und der An- geklagte Gelegenheit hatte, sich zu äußern (Fischer, StGB, a.a.O.).
Indem die Revision zwar vordergründig die Verletzung des § 261 StPO rügt, macht sie in Wirklichkeit die Verletzung des § 265 StPO und damit die Verletzung des Grundsatzes des Fair Trial geltend.
Diese Auslegung findet im Revisionsvorbringen hinreichende tatsächliche Stütze. Denn in der behaupteten fehlenden Erörterung liegt denknotwendig auch die Behauptung, dass es seitens der Berufungskammer unterlassen worden sei, auf die Möglichkeit der strafschärfenden Berücksichtigung des vorläufig nach § 154 StPO ausgeschiedenen Verfahrens hinzuweisen.
(4) Dieses Tatsachenvorbringen verbunden mit der Wiedergabe der Grün- de des Berufungsurteils, die gerade diese Strafschärfung enthalten, genügt den Anforderungen und ist als Verfahrensrüge auch zulässig erhoben, weil sich aus ihr der durch Auslegung ermittelte Verfahrensmangel und die sie enthaltenden Tatsachen ergeben ( § 344 Abs. 2 StPO ).
(5) Die Rüge der Verletzung des § 265 Abs. 1 , Abs. 2 StPO analog erweist sich auch als begründet. Ausweislich der von der Revision angeführten Urteilsgründe hat die Berufungskammer (BU S. 8 und S. 10) nach § 154 StPO eingestellte Verfahren sowohl bei der Bemessung der Freiheitsstrafe nach § 47 StGB als auch bei der Frage nach der Aussetzung der verhängten Freiheitsstrafe nach § 56 Abs. 1 StGB gegen den Angeklagten verwandt. Dies ist zwar grundsätzlich zulässig, verlangt aber zuvor eines gerichtlichen Hinweises nach § 265 Abs. 1 , Abs. 2 StPO . Seine Erteilung ist wesentliche Förmlichkeit (zum Begriff Meyer-Goßner a.a.O. § 273 Rn. 6 f. mit Nachweisen von Einzelfällen) und muss daher in das Protokoll der Hauptverhandlung aufgenommen werden. Die Revision führt unter hinreichender Darstellung des Hauptverhandlungsprotokolls und nach angriffsorientierter Auslegung des Vorbringens durch den Senat an, dass ein solcher Hinweis nicht erteilt worden ist.
Tatsächlich enthält das Hauptverhandlungsprotokoll die Erteilung des erforderlichen Hinweises nicht. Insoweit streitet die - negative - Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokolls nach § 274 StPO für das Revisionsvorbringen (Meyer-Goßner, a.a.O. § 274 Rn. 14).
(6) Auf dieser Verletzung beruht das Urteil sowohl bei der Bemessung der kurzen Freiheitsstrafe nach § 47 Abs. 1 StGB als auch bei der Frage, ob die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe nach § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden konnte. Sowohl im Zusammenhang mit § 47 Abs. 1 StGB als auch im Zusammenhang mit § 56 Abs. 1 StGB lassen die Ausführungen des Berufungsurteils (BU S. 8, S. 10) erkennen, dass das Verfahren mit dem Aktenzeichen: 305 Js 130505/07 Einfluss zum einen auf die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe (statt einer Geldstrafe), möglicherweise auch auf die Höhe der angemessenen Freiheitsstrafe, zum anderen aber auch darauf hatte, gemäß § 56 Abs. 1 StGB die Strafaussetzung zur Bewährung zu versagen.
III. Gemäß § 349 Abs. 4 StPO i.V.m. § 353 StPO war daher das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 21. Mai 2008 samt den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache gemäß § 354 Abs. 2 StPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Augsburg zurückzuverweisen. ..."
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Die im Rahmen einer gegen ein nach § 329 Abs. 1 S. 1 StPO ergangenes Urteil gerichteten Revision erhobene Rüge, das Gericht habe ohne weitere Nachforschungen ein ärztliches Attest über die Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten als nicht ausreichende Entschuldigung angesehen und damit seine Aufklärungspflicht verletzt, genügt nur dann den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO, wenn mitgeteilt wird, was das Ergebnis der unterbliebenen Nachforschung gewesen wäre (im Anschluss an BayObLGSt 1996, 90/93 und OLG Zweibrücken v. 24.11.2000, Az. 1 Ss 165/00; OLG München, Urteil vom 18.11.2008 - 4 St RR 100/08).
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Die Vereidigung eines Zeugen trotz eines Vereidigungsverbots kann auch dann als Rechtsfehler zum Gegenstand der Revision gemacht werden, wenn sich aufgrund der Urteilsgründe tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme eines Vereidigungsverbotes ergeben, diese von dem erkennenden Gericht aber nicht geprüft wurden (OLG Köln StV 2004, 308 f).
Wird mit der Verfahrensrüge die fehlerhafte Vereidigung eines Zeugen gerügt, müssen zur Begründung eines behaupteten Vereidigungsverbotes die Aussagen bzw. das Aussageverhalten des vereidigten Zeugen in der Hauptverhandlung und bei früheren Vernehmungen mitgeteilt werden (OLG Hamm StV 2004, 309).
Läßt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen, welche der verwerteten Urkunden aus einer vom Beschwerdeführer als rechtswidrig bezeichneten und welche aus einer von ihm nicht angegriffenen Beschlagnahme stammen, so sind im Rahmen der Verfahrensrüge, mit der die Verwertung zu Unrecht beschlagnahmter Urkunden angegriffen wird, nicht nur die Tatsachen zur Fehlerhaftigkeit der Beschlagnahme vorzutragen, sondern auch die verwerteten Urkunden zu bezeichnen und die fehlenden tatrichterlichen Feststellungen zu ihrer Gewinnung im Rahmen der rechtswidrigen Beschlagnahme mit der Aufklärungsrüge zu beanstanden (BayObLG StV 2004, 309 f).
Zur Begründung der Verfahrensrüge, mit der die Verletzung des Akteneinsichtsrechts während der Hauptverhandlung geltend gemacht wird, reicht es nicht aus, wenn nur der Akteneinsichtsantrag und die daraufhin ergangene Entscheidung des Tatrichters mitgeteilt wird. Vielmehr muß ggf. auch noch vorgetragen werden, daß die Akte zum Zeitpunkt der Einsichtnahme nicht vollständig gewesen ist und welche Bestandteile gefehlt haben, sowie vor allem, welche Gründe einer - ggf. nochmaligen - erneuten und dann vollständigen Akteneinsicht entgegenstanden haben. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Rüge, daß eine nicht verlesene Urkunde zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht worden sei, gehört der Vortrag, daß die Urkunde auch nicht in anderer Weise, nämlich durch Vorhalt oder durch die Vernehmung von Zeugen, in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Ob zudem erforderlich ist, daß (immer) auch vorgetragen wird, daß von der Urkunde auch nicht im Wege des Selbstleseverfahrens gem. § 249 Abs. 2 S. 1 StPO Kenntnis genommen worden ist, kann offen bleiben (OLG Hamm StV 2004, 310 f).
Wird mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, der Tatrichter habe, ohne zuvor auf diese Möglichkeit hinzuweisen, durch vorläufige Teileinstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Verfahrensstoff bei der Verurteilung des Angeklagten zu seinen Lasten verwertet, ist die Verfahrensrüge nur dann ausreichend begründet, wenn auch vorgetragen wird, in welchem Verfahrensstadium das Verfahren eingestellt worden ist (OLG Hamm StV 2004, 313 f).
Begründung von Entscheidungen
Siehe unter ?Notwendigkeit einer Begründung".
Begünstigung § 257 StGB
(1) Wer einem anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der Absicht Hilfe leistet, ihm die Vorteile der Tat zu sichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.
(3) Wegen Begünstigung wird nicht bestraft, wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist. Dies gilt nicht für denjenigen, der einen an der Vortat Unbeteiligten zur Begünstigung anstiftet.
(4) Die Begünstigung wird nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgt, wenn der Begünstiger als Täter oder Teilnehmer der Vortat nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgt werden könnte. § 248a gilt sinngemäß.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Das Landgericht hat den Angeklagten unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 9. November 2005 und unter Auflösung der dort verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren wegen Begünstigung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie wegen Hehlerei, wegen Begünstigung in zwei Fällen, wegen versuchter Strafvereitelung, wegen Beihilfe zum versuchten Diebstahl ?im besonders schweren Fall' und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und bestimmt, dass die Verwaltungsbehörde dem Angeklagten vor Ablauf eines Jahres keine neue Fahrerlaubnis erteilen darf. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er allgemein die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das Urteil hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht den Angeklagten der Begünstigung für schuldig befunden hat [III. Fälle 1), 2), 5) sowie 6/7) der Urteilsgründe].
a) Nach den Feststellungen stellte der Angeklagte seinem Bruder Z. T. regelmäßig seinen ebay account zur Verfügung. Spätestens seit Anfang 2005 war der Angeklagte auch damit einverstanden, dass sein Bruder über seinen ebay account von ihm selbst oder von Dritten gestohlene Sachen verkaufte. Die jeweiligen Käufer zahlten den Kaufpreis auf ein Giro-Konto des Angeklagten ein, der den entsprechenden Betrag dann von seinem Konto abhob und das Geld bar an seinen Bruder aushändigte. Der Angeklagte wollte seinem Bruder dadurch beim Absatz gestohlener Waren helfen. Dass der Angeklagte selbst einen Teil der Verkaufserlöse für sich behielt, konnte nicht festgestellt werden.
Auf diese Weise veräußerte Z. T. im Zeitraum von Mitte Mai 2005 bis Mitte April 2006 in vier Fällen aus Diebstählen stammende Gegenstände über den ebay account des Angeklagten, wobei in den Fällen III. 1) und 2) die Gegenstände von Z. selbst gestohlen worden waren, während in den Fällen III. 5) sowie 6/7) Z. T. sich die Gegenstände in Kenntnis von deren Herkunft verschafft hatte.
b) Das Landgericht hat die Förderung des Absetzens der gestohlenen Gegenstände und das Weiterleiten der Verkaufserlöse durch den Angeklagten an seinen Bruder als Begünstigung nach § 257 StGB gewertet. Hehlerei (§ 259 Abs. 1 StGB) in der Form der Absatzhilfe hat es verneint, weil der Angeklagte sich selbst nicht bereichert habe und sein Bruder hier nicht ?Dritter' im Sinne des Hehlereitatbestandes gewesen sei.
c) Die rechtliche Beurteilung der Taten als vier selbständige Taten der Begünstigung im Sinne von § 257 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
aa) Die Begünstigung ist nach ständiger Rechtsprechung nur strafbar, soweit dem Vortäter dadurch die unmittelbaren Vorteile der Tat gesichert werden sollen, die er zur Zeit der Begünstigungshandlung noch innehaben muss (BGHSt 24, 166 f; 36, 277, 281; BGH NStZ 1987, 22; Cramer in MüKo-StGB § 257, Rdn. 11, 13; Stree in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 257, Rdn. 23).
Denn um ?die' Vorteile der Tat handelt es sich nicht mehr, wenn dem Vortäter sich erst aus der Verwertung der Tatvorteile ergebende wirtschaftliche Werte zugewendet oder gesichert werden sollen (BGH NStZ aaO). Danach ist der Erlös aus einem Verkauf des Erlangten kein unmittelbarer Vorteil mehr, der Gegenstand der Begünstigung im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB sein kann (Fischer StGB 55. Aufl. § 257 Rdn. 6). Diese tatbestandlichen Voraussetzungen des § 257 Abs. 1 StGB hat das Landgericht nicht hinreichend bedacht.
bb) Allerdings könnte eine taugliche Begünstigungshandlung im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB darin zu sehen sein, dass der Angeklagte seinem Bruder seinen ebay account zur Verfügung stellte und ihm dadurch bei dem Verkauf der entwendeten Gegenstände Hilfe leistete (vgl. Fischer aaO). Voraussetzung wäre indes, dass der Angeklagte dabei zumindest auch in der Absicht gehandelt hätte, seinen Bruder vor der Wiederentziehung der entwendeten Gegenstände zu bewahren (BGHSt 2, 362, 364). Eine solche Absicht ist jedoch nicht belegt. Vielmehr hat das Landgericht ausdrücklich festgestellt, dass weder der Angeklagte noch sein Bruder im Tatzeitraum einen Zugriff der Ermittlungsbehörden befürchteten.
Der Angeklagte hat aber entgegen der Auffassung des Landgerichts auch dadurch, dass er nach dem Verkauf den Erlös jeweils an seinen Bruder ausgekehrt hat, den Tatbestand der Begünstigung nicht erfüllt; denn die Erlöse stellten nicht mehr die von seinem Bruder erlangten unmittelbaren Tatvorteile dar. Anders verhielte es sich insoweit nur, wenn Z. T, - was aber nicht festgestellt ist - durch die Verkäufe tatbestandsmäßig Betrug zum Nachteil der Erwerber begangen hätte und der Angeklagte tätig geworden wäre, um ihm die betrügerisch erlangten Verkaufserlöse zu sichern (vgl. Schönke/Schröder-Stree aaO).
c) Davon abgesehen, steht dem Schuldspruch wegen Begünstigung die Subsidiaritätsklausel des § 257 Abs. 3 Satz 1 StGB entgegen, wonach wegen Begünstigung nicht bestraft wird, wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist. Davon ist hier auszugehen. Denn nach den Feststellungen stellte der Angeklagte seinem Bruder seinen ebay account bereits spätestens Anfang 2005 in dem Wissen zur Verfügung, dass sein Bruder unter seinem, des Angeklagten, Namen über seinen ebay account die entwendeten Waren veräußern würde. Hat er damit seinem Bruder aber schon im Voraus die Hilfestellung beim Absatz der entwendeten Gegenstände zugesagt, liegt darin zugleich eine Beihilfe zu den von seinem Bruder begangenen Diebstählen [III. 1) und 2)] bzw. zu der Hehlerei in den Fällen III. 5) sowie 6/7).
d) Der Schuldspruch bedarf aber auch hinsichtlich der Konkurrenz der vom Landgericht als Begünstigung gewerteten Taten der Änderung. Denn nach den getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Angeklagte seinem Bruder von vornherein für dessen nachfolgende Straftaten die Benutzung seines ebay account gestattete, ohne dass dies insoweit jeweils ein erneutes Tätigwerden des Angeklagten verlangte. Darauf kommt es aber an, da sich nach ständiger Rechtsprechung die Frage der Konkurrenz für jeden Tatbeteiligten selbständig nach der Anzahl seiner Tathandlungen beurteilt (vgl. BGHR StGB § 27 Abs. 1 Konkurrenzen 1). Hat der Angeklagte damit aber seinem Bruder jedenfalls nicht ausschließbar einmal allgemein gestattet, künftig seinen ebay account für die Verkäufe zu nutzen, hat er sich ungeachtet der mehreren selbständigen Straftaten seines Bruders nach dem Zweifelsgrundsatz nur rechtlich einer einheitlichen Beihilfehandlung schuldig gemacht (vgl. Fischer aaO § 27 Rdn. 31 mit Rechtsprechungsnachweisen). Diese einheitliche Beihilfehandlung wurde erst mit der letzten Tat des Bruders, und damit nach der Vorverurteilung des Angeklagten vom 9. November 2005 beendet (vgl. Fischer aaO vor § 52 Rdn. 58 und § 55 Rdn. 7).
e) Der Senat ändert nach alledem den Schuldspruch auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO dahin, dass der Angeklagte statt der vier als Begünstigung ausgeurteilten Fälle der (einen) Beihilfe zum Diebstahl bzw. zur Hehlerei in jeweils zwei tateinheitlichen Fällen schuldig ist. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Denn es ist auszuschließen, dass sich der insoweit geständige Angeklagte gegen den geänderten Schuldspruch wirksamer verteidigt hätte.
Soweit nicht ausschließbar die Veräußerung der gestohlenen Gegenstände durch den Bruder des Angeklagten auch eine tatbestandsmäßige Betrugshandlung darstellt und der Angeklagte durch die Auskehrung des jeweiligen Verkaufserlöses insoweit den Begünstigungstatbestand erfüllt haben kann (s.o. zu b bb a.E.), hat der Senat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die Verfolgung gemäß § 154 a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der Beihilfe zum Diebstahl bzw. zur Hehlerei beschränkt. ..." (BGH, Beschluss vom 29.04.2008 - 4 StR 148/08)
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Wer einem Angehörigen des Angeklagten zuredet, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, begeht nur Begünstigung, wenn er sich dabei unerlaubter Mittel bedient (BGH, Urteil vom 18.10.1957 - 5 StR 383/57, BGHSt 10, 393 ff).
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d. Der Angeklagte ist darüber hinaus auch der Begünstigung (§ 257 Abs. 1 StGB) hinreichend verdächtig.
Das Wesen der Begünstigung liegt in der Hemmung der Rechtspflege, die dadurch bewirkt wird, daß der Täter die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes verhindert, der sonst durch ein Eingreifen des Verletzten oder von Organen des Staates gegen den Vortäter wieder hergestellt werden könnte. Der Täter der Begünstigung beseitigt oder mindert die Möglichkeit, die Wiedergutmachung des dem Verletzten zugefügten Schadens durch ein Einschreiten gegen den Vortäter zu erreichen, das diesem den durch die Vortat erlangten Vorteil wieder entziehen würde (BGH NStZ 1987, 22; BGH NStZ 1994, 187, 188). Hiervon ausgehend ist der hinreichende Tatverdacht der Begünstigung im vorliegenden Fall sowohl hinsichtlich der Eröffnung des Bankkontos durch den Angeklagten zum Zwecke der Entgegennahme des aus Ägypten stammenden Geldbetrages als auch durch die Hinterlegung der Kaution im eigenen Namen gegeben.
aa. Eine rechtswidrige Vortat liegt nach dem Ergebnis der Ermittlungen in Form des dem Beschuldigten A zur Last gelegten mehrfachen gewerbsmäßigen Betruges zum Nachteil der D ... vor. Ähnlich wie bei der oben erwähnten Beihilfe zum Vereiteln der Zwangsvollstreckung (§§ 288 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB - dort wegen des Grundsatzes der limitierten Akzessorietät) kommt es auch hier auf ein Verschulden des Vortäters nicht an (Tröndle/Fischer, 52. Auflage, § 257 StGB, Rdnr. 3; Stree in Schönke/Schröder, StGB, 26. Auflage, § 257, Rdnr. 4), so daß insoweit auf die obigen Ausführungen verwiesen wird.
bb. Durch seine rechtswidrigen Taten hatte der Vortäter A Vorteile zumindest in Höhe des im Haftbefehl vom 24.07.2002 genannten Schadensbetrages von 1.008.446 EUR erlangt. Zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Vornahme der Begünstigungshandlungen des Angeklagten (vgl. BGH NStZ 1994, 187, 188; Tröndle/Fischer, 52. Auflage, § 257 StGB, Rdnr. 6) befand sich A noch im Genuß dieser Vorteile, insbesondere in Gestalt des konkret zum Zwecke der Kautionszahlung überwiesenen, die oben genannte Schadenssumme teilweise beinhaltenden Betrages von 2.096.850 EUR. Diese Vorteile sind unmittelbar (vgl. zu diesem Erfordernis: BGHSt 36, 277, 281; BGH NStZ 1987, 22; Tröndle/Fischer, 52. Auflage, § 257 StGB, Rdnr. 6; Stree in Schönke/Schröder, StGB, 26. Auflage, § 257, Rdnr. 23) durch die rechtswidrigen Vortaten erlangt worden. Nach der in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend vertretenden Auffassung geht die Unmittelbarkeit des aus der Vortat stammenden Vorteils nicht dadurch verloren, daß der Vortäter das - hier betrügerisch - aus der Vortat erlangte Geld auf sein Bankkonto einzahlt und es später wieder abhebt; denn hierbei handelt es sich um rein finanztechnische Vorgänge, die bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise nichts an der Unmittelbarkeit des geldwerten Vermögensvorteils ändern (BGHSt 36, 277; Stree in Schönke/Schröder, StGB, 26. Auflage, § 257, Rdnr. 23; Tröndle/Fischer, 52. Auflage, § 257 StGB, Rdnr. 6; offengelassen, in der Tendenz aber bejahend: BGH NStZ 1987, 22).
cc. Indem der Angeklagte zur Umsetzung des von dem Mitverteidiger Prof. Dr. RA 1 geäußerten Vorhabens im eigenen Namen ein Bankkonto zur Entgegennahme des für die Kautionszahlung bestimmten Geldes des Beschuldigten A eröffnete und sodann die Kaution im eigenen Namen hinterlegte, hat er Begünstigungshandlungen zugunsten seines Mandanten A vorgenommen. Von einer Begünstigungshandlung ist dann auszugehen, wenn diese objektiv geeignet ist, die durch die Vortat erlangten Vorteile - etwa durch eine Erschwerung des Zugriffs der Gläubiger (vgl. BGHSt 47, 68, 82) - zu sichern, wobei schon eine abstrakte Gefährdung im Sinne einer generellen Eignung der Handlung zur Vorteilssicherung ausreicht (Tröndle/Fischer, 52. Auflage, § 257 StGB, Rdnr. 7).
An dem Vorliegen dieser Voraussetzungen ändert der Umstand nichts, daß die Staatsanwaltschaft Kenntnis davon hatte, daß der für die Kautionszahlung benötigte Geldbetrag von einem Konto des Beschuldigten A in Ägypten nach Deutschland überwiesen werden sollte. Ebenso trägt auch in diesem Zusammenhang das oben bereits behandelte Argument nicht, mit der vorgenannten Überweisung sei eine greifbare Zwangsvollstreckungsmöglichkeit für die Gläubiger erst geschaffen worden.
Durch die von dem Angeklagten vorgenommene Eröffnung des Kontos auf seinen Namen und die Verwahrung des für die Kautionsleistung bestimmten Betrages auf diesem wurden, wenn auch zunächst nur für einen relativ kurzen Zeitraum, die Restitutionsmöglichkeiten sowohl in Form eines Zugriffs der Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung als auch in Form der Sicherstellung durch den Staat gemäß § 111 b Abs. 5 StPO deutlich erschwert. Ein Zugriff auf das Geld war - ohne daß die (sich ohnehin nicht auf die konkreten Einzelheiten des Zahlungsvorgangs erstreckende) Kenntnis der Staatsanwaltschaft hieran etwas ändern würde - nicht ohne weiteres möglich, solange die Summe sich auf dem Privatkonto des Angeklagten befand.
Die Restitutionsmöglichkeiten wurden sodann - für einen wesentlich längeren, bis heute andauernden Zeitraum - zusätzlich dadurch erschwert, daß der Angeklagte die Haftkaution im eigenen Namen hinterlegte. Eine solche Vorgehensweise stellt jedenfalls dann, wenn der Verteidiger aufgrund einer Auslegung des Hinterlegungsantrags im Zusammenhang mit dem Inhalt des Haftverschonungsbeschlusses - wie hier aus den oben genannten Gründen der Fall - als Eigenhinterleger anzusehen ist, eine tatbestandsmäßige Begünstigungshandlung im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB dar (vgl. BGHZ 47, 68, 81 und 82). Denn durch die Eigenhinterlegung hat im Falle einer Freigabe der Kaution nur der Angeklagte einen Anspruch auf Rückzahlung gegen die Staatskasse, so daß, wie bereits ausgeführt, eine Pfändung dieses Rückzahlungsanspruchs durch die Geschädigten nicht möglich ist; diesen bleibt vielmehr nur der - von der D ... beschrittene - Weg der Pfändung eines etwaigen Rückzahlungsanspruchs des Beschuldigten A gegen den Angeklagten (vgl. BGHSt 47, 68, 81). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs würde es für die Annahme einer Begünstigungshandlung sogar ausreichen, wenn die oben genannte Auslegung ergäbe, daß der Angeklagte trotz der Angabe seiner eigenen Person als Hinterleger und Empfangsberechtigter letztlich nicht als Eigenhinterleger anzusehen wäre, weil auch in diesem Fall die in dem Hinterlegungsantrag enthaltenen Angaben geeignet wären, den Zugriff der Gläubiger zu erschweren (BGHSt 47, 68, 81/82). Wie oben ausgeführt, ist mit der Beschränkung der Zwangsvollstreckungsmöglichkeiten der Gläubiger auf die Pfändung des etwaigen Rückzahlungsanspruchs des Beschuldigten A gegen den Angeklagten ein erhöhtes Risiko und damit eine Erschwerung der Restitution verbunden.
An der Anwendbarkeit der aufgezeigten Grundsätze zur rechtlichen Bewertung der Hinterlegung von aus rechtswidrigen Vortaten stammenden Mandantengeldern durch den Verteidiger im eigenen Namen ändert der Umstand nichts, daß der Angeklagte nach derzeitiger Erkenntnis die Hinterlegung nicht mit Rücksicht auf seine Honoraransprüche in der geschilderten Weise vorgenommen hat. Ob der Täter mit seiner Handlung neben der Sicherung der durch die Vortat erlangten Vorteile gegen Entziehung noch eigene Ziele verfolgt, ist für eine Strafbarkeit nach § 257 Abs. 1 StGB ohne Belang. Es ist anerkannt, daß die Sicherung der Vorteile der Vortat nicht der Beweggrund oder gar der einzige Zweck des Handelns des Täters sein muß (Stree in Schönke/Schröder, StGB, 26. Auflage, § 257, Rdnr. 22; Tröndle/Fischer, 52. Auflage, § 257 StGB, Rdnr. 10). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof in dem bereits erwähnten Urteil vom 04.07.2001 ausgeführt, es stehe der Annahme des § 257 StGB nicht entgegen, wenn der Verteidiger mit der Begünstigungshandlung von vornherein auch die Sicherung oder Befriedigung der Honoraransprüche angestrebt habe (BGHSt 47, 68, 82). Dies belegt zugleich, daß sich die von dem Bundesgerichtshof aufgezeigten Grundsätze nicht auf die Fälle beschränken, in denen ein Honorarinteresse des Verteidigers eine Rolle spielt.
dd. Der Angeklagte ist der Begünstigung auch hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes hinreichend verdächtig.
Dabei hat der Senat die von dem Bundesverfassungsgericht in dessen Urteil vom 30.03.2004 (NJW 2004, 1305) zur Geldwäsche aufgezeigten Grundsätze im Ausgangspunkt auch hier zugrunde gelegt, weil das in der genannten Entscheidung aufgezeigte erhöhte Risiko des Strafverteidigers, im Zusammenhang mit seiner beruflichen Aufgabe selbst in den Verdacht einer Straftat zu geraten (BVerfG NJW 2004, 1305, 1308), in ähnlicher Weise auch im Bereich des Straftatbestandes der Begünstigung besteht. Es wäre deshalb im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betrachtet folgerichtig, die dort entwickelten erhöhten Anforderungen an den subjektiven Tatbestand auch auf die Vorschrift des § 257 StGB zu übertragen.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies jedoch nicht, daß ein hinreichender Tatverdacht nur dann anzunehmen wäre, wenn der Angeklagte von der (teilweisen) Herkunft des Kautionsbetrages aus einer rechtswidrigen Vortat seines Mandanten A positive Kenntnis gehabt hätte. Denn angesichts der hier gegebenen besonderen Umstände in Gestalt der oben näher dargelegten Überschreitung der Grenze pflichtgemäßen anwaltlichen Verhaltens erfordert Art. 12 Abs. 1 GG eine rechtliche Privilegierung des Angeklagten im Hinblick auf seine Stellung als Strafverteidiger nicht.
Es reicht mithin für die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts der Begünstigung aus, daß der Angeklagte in Form eines zumindest bedingten Vorsatzes Kenntnis davon hatte, daß der Begünstigte A eine rechtswidrige Tat, von der der Angeklagte keine Kenntnisse hinsichtlich der Einzelheiten zu haben brauchte, begangen und dadurch einen Vorteil erlangt hat, wobei es über die Art der Vorteile ebenfalls keiner genauen Kenntnisse bedurfte (vgl. Stree in Schönke/Schröder, StGB, 26. Auflage, § 257, Rdnr. 26; Tröndle/Fischer, 52. Auflage, § 257 StGB, Rdnr. 10). Ein solcher zumindest bedingter Vorsatz ist hier aus den im Rahmen des Tatbestandes der Geldwäsche im Zusammenhang mit der Kenntnis von der Herkunft der Kautionssumme aus einer Katalogtat genannten Gründen anzunehmen.
Es besteht schließlich auch der hinreichende Verdacht, daß der Angeklagte bei der Vornahme der Begünstigungshandlungen in der Absicht handelte, seinem Mandanten A die Vorteile der Vortat zu sichern. Für die Annahme einer solchen Absicht reicht es aus, wenn es dem Begünstigenden darauf ankommt, die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustands - mithin die Restitution - zu verhindern oder zu erschweren (Tröndle/Fischer, 52. Auflage, § 257 StGB, Rdnr. 10; Stree in Schönke/Schröder, StGB, 26. Auflage, § 257, Rdnr. 24). Zumindest eine Absicht in dem letztgenannten Sinne (Erschwerung des Zugriffs der Gläubiger oder des Staates) liegt angesichts des erklärten Ziels der Verteidigung, die Kaution in einer Weise zu leisten, daß sie dem Zugriff der Gläubiger entzogen sei, auf der Hand.
Das Strafantragserfordernis gemäß § 257 Abs. 4 Satz 1 StGB greift hier nicht ein. Denn der Angeklagte könnte auch als Täter oder Teilnehmer der Vortat des Betruges in Form gewerbsmäßigen Handelns nicht nur auf Antrag verfolgt werden. § 263 StGB sieht das Erfordernis eines Strafantrags nicht vor. ..." (OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.03.2005 - 2 Ws 66/04 zu § 203 StPO, § 261 Abs. 1 S. 1 StGB, § 262 Abs.2 StGB, § 257 Abs. 1 StGB, § 288 Abs. 1 StGB, § 27 Abs. 1 StGB, § 123 StPO, § 27 Abs. 1 StGB, § 43a, Abs. 5 BRAO, Art. 12 GG)
Behördliche Durchsuchung
Sie unter ?Durchsuchung - behördliche".
Beihilfe § 27 StGB
(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.
(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.
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Hinweise/Leitsätze/Entscheidungen
(1) Fremde Haupttat (Täterschaft - Teilnahme)
(3) Vorsätzliche Haupttat
(4) Rechtswidrige Haupttat
(5) Beihilfehandlung
(6) Gehilfenvorsatz
(7) Konkurrenzen
(8) Besonders schwere Fälle
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Hinweise/Leitsätze/Entscheidungen:
Beihilfe ist das Ermöglichen oder die physische bzw. psyschiche Förderung der Haupttat ohne eigene Tatherrschaft.
Nach der Rechtsprechung ist die Hilfeleistung bereits dann kausal, wenn sie die Tathandlung unterstützt. Hilfeleistung muss danach für den Erfolg nicht kausal sein. Als Hilfeleistung ist danach grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolgs durch den Täter in irgendeiner Weise objektiv gefördert hat (vgl. BGHSt 42, 135, 136 = NJW 1996, 2517; BGH StV 1981, 72, 73), ohne daß sie für den Erfolg ursächlich gewesen sein muß (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 8; BGH NJW 2001, 2409, 2410, jew. m. w. N.).
Beihilfe kann auch durch Unterlassen geleistet werden, wenn eine entsprechende Garantenstellung gegeben ist.
Eine Hilfeleistung zu einer Vorbereitungshandlung kann ausreichen.
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(1) Fremde Haupttat (Täterschaft - Teilnahme)
Die Vorschrift des § 92a II Nr. 2 AuslG beschreibt keine Beihilfehandlung i.S. des § 27 StGB, sondern eine zur Täterschaft verselbstständigte Tathandlung. § 27 II StGB findet deshalb keine Anwendung (BGH NStZ 2004, 45).
Hat ein Beteiligter die begangene Tat durch Vorbereitungshandlungen gefördert, kommt auch dann, wenn er vor Versuchsbeginn von der weiteren Tatausführung Abstand genommen hat, nur eine Verurteilung wegen einer Beteiligung an der Haupttat in Betracht, nicht aber wegen der auch gegenüber der Beteiligung an der nur versuchten Haupttat subsidiären Verabredung zu dieser Tat (BGH StV 1999, 594).
(2) Nicht beendete Haupttat
?... a) Nach den Feststellungen des Landgerichts rissen die Mitangeklagten Cr. , Ca. und A. sowie die gesondert Verfolgten P. , Cat. und B. in einer Filiale der Deutschen Post AG in R. einen Geldautomaten aus seiner Verankerung, transportierten ihn mit einem LKW in ein entfernt gelegenes Waldstück und schweißten ihn dort auf. Sodann teilten sie das in dem Geldautomaten enthaltene Geld unter sich auf und fuhren mit einem zuvor gestohlenen PKW aus dem Waldstück in eine nahe gelegene Ortschaft. Dort stellten sie den PKW ab. Sodann rief einer der Täter den Angeklagten an und bat ihn, sie abzuholen. Der Angeklagte, der zuvor an vergleichbaren Diebstählen der Bande teilgenommen hatte, wegen einer Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe aber nicht mehr an solchen mitwirken wollte, begab sich mit seinem PKW zu dem angegebenen Treffpunkt. Obwohl die Kleidung der Täter wegen des Aufschweißens des Geldautomaten auffällig roch und der Angeklagte hieraus den Schluss zog, dass diese wieder nach dem früheren Muster einen Geldautomaten entwendet hatten, brachte er die Täter mit seinem PKW nach H. .
b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts hat sich der Angeklagte danach nicht wegen Beihilfe zum Diebstahl gemäß §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2, 3, § 27 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Der Diebstahl war zu dem Zeitpunkt, in dem der Angeklagte tätig wurde, bereits beendet. Beihilfe zum Diebstahl kann jedoch nur bis zu dessen Beendigung geleistet werden, auch sukzessive Mittäterschaft kommt dann nicht mehr in Betracht (BGH NStZ-RR 1999, 208; NStZ 2003, 32, 33).
Ein Diebstahl ist beendet, wenn der Dieb den Gewahrsam an den entwendeten Gegenständen nach den Umständen des Einzelfalls gefestigt und gesichert hat (BGH NStZ 2001, 88, 89). Dies war hier bereits der Fall, als der Angeklagte angerufen wurde und sich zu den Tätern begab. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Diebesgut nicht mehr im unmittelbaren Herrschaftsbereich des Berechtigten, es war diesem vielmehr bereits entzogen. Direkte Eingriffsmöglichkeiten eines bereiten Eigentümers bestanden nicht mehr. Die neue Sachherrschaft der Täter war gefestigt, zumal diese sich nicht nur vom eigentlichen Tatort sondern sogar schon aus dem Waldstück entfernt hatten, in welchem sie zuvor den gestohlenen Geldautomaten aufgeschweißt und die Beute unter sich aufgeteilt hatten.
c) Der Angeklagte ist auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen lediglich der Begünstigung gemäß § 257 Abs. 1 StGB schuldig.
Der Angeklagte trug objektiv dazu bei, die durch die Vortat erlangten Vorteile zu sichern, indem er die Täter nach Beendigung des Diebstahls mit seinem PKW abholte und nach H. brachte. Subjektiv handelte er in der erforderlichen Vorteilssicherungsabsicht, da es ihm darauf ankam, seine Landsleute, deren Kleidung nach dem Schweißvorgang auffällig roch, mit dem Diebesgut in Sicherheit zu bringen. ..." (BGH, Beschluss vom 01.10.2007 - 3 StR 384/07)
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?... Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge führt zur Aufhebung der Verurteilung im Fall II 6 der Urteilsgründe. Die hierzu getroffenen Feststellungen belegen nicht, dass sich der Angeklagte insoweit - auch - einer Beihilfe zum räuberischen Angriff auf Kraftfahrer, §§ 316 a Abs. 1, 27 StGB, schuldig gemacht hat.
Nach den Urteilsfeststellungen war dem Angeklagten der Plan der früheren Mitangeklagten Markus L. und Jens G. bekannt, die durch einen Überfall auf einen Lkw-Fahrer eine große Menge Zigaretten erbeuten wollten. Er wusste, dass das Opfer während der Fahrt mit dem Tode bedroht und gezwungen werden sollte, an einen abgelegenen Ort zu fahren, um es zu berauben. Das Landgericht hat sich aber - trotz gewichtiger Indizien - nicht davon zu überzeugen vermocht, dass sich der Angeklagte von Beginn an als Mittäter an der plangemäß durchgeführten Tat beteiligte. Es hat vielmehr festgestellt, dass sich der Angeklagte erst zu dem Zeitpunkt in Kenntnis aller Umstände zur Unterstützung der Täter entschloss, als diese das Opfer bereits gefesselt und aus dem Lkw in den Kofferraum eines Pkw verbracht hatten, wo es bis zur Sicherung der Beute verbleiben musste, und der Lkw vom Tat- zum Abladeort gefahren worden war. Der Angeklagte fuhr den Lkw in eine Halle, half dort beim Entladen der Beute und stellte das Fahrzeug abschließend in einem Gewerbegebiet ab.
Mit diesen Handlungen konnte der Angeklagte nur noch solche Delikte der Haupttäter fördern, deren Verwirklichung zu diesem Zeitpunkt noch andauerte, denn nach Beendigung der Haupttat ist eine Beihilfe ausgeschlossen (vgl. hierzu Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 27 Rdn. 4 m.w.N.). Möglich war hier daher noch ein Hilfeleisten zur Beutesicherung nach dem vollendeten Raub sowie ein solches zu der fortdauernden Freiheitsberaubung (vgl. BGHR StGB § 27 Rdn. 1, 25), nicht dagegen zur Begehung eines räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer. Dieses Delikt war bereits beendet, denn es bestand ein längerer zeitlicher und räumlicher Abstand zu dem Angriff auf das Opfer.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass - wie der Angeklagte wusste - das Opfer aus dem Lkw, in dem der Angriff stattgefunden hatte, gefesselt in den Pkw verbracht worden war, mit dem der frühere Mitangeklagte G. solange auf öffentlichen Straßen umherfuhr, bis der Lkw entladen und an einen abgelegenen Abstellort verbracht war. Dieses Verhalten des Mitangeklagten erfüllt für sich genommen nicht den Tatbestand des § 316 a Abs. 1 StGB, da es an einem (fortdauernden) Angriff unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs fehlt (vgl. BGHSt 49, 8 f.; BGHR StGB § 316 a Abs. 1 Straßenverkehr 11). ..." (BGH, Beschluss vom 06.07.2006 - 4 StR 48/06)
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Beihilfe zu einem Dauerdelikt kann auch nach dessen Beginn während seiner Begehung noch so lange geleistet werden, wie der Haupttäter den rechtswidrigen Dauerzustand nicht beendet hat (BGH, Urteil vom 31.07.2003 - 5 StR 251/03).
Dass der Teilnehmer eigennützig handelt (hier: um Rauschmittel zum Eigengebrauch als Entgelt zu erhalten), reicht für sich allein nicht aus, täterschaftliches Handeln anzunehmen (BGH, Beschluss vom 04.06.2003 - 2 StR 139/03).
Ein Gehilfe kann nur den Teil der Tat fördern, der noch bevorsteht (BGH wistra 1999, 21).
(3) Vorsätzliche Haupttat
(4) Rechtswidrige Haupttat
(5) Beihilfehandlung
?... Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift hierzu ausgeführt:
?Mittäterschaft liegt vor, wenn ein Tatbeteiligter mit seinem Verhalten fremdes tatbestandsverwirklichendes Tun nicht bloß fördern will, sondern wenn sein Tatbeitrag im Sinne gleichgeordneten arbeitsteiligen Vorgehens Teil einer gemeinschaftlichen Tätigkeit sein soll. Dabei muss der Beteiligte seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils wollen. Ob ein Beteiligter ein derart enges Verhältnis zur Tat hatte, muss nach den gesamten Umständen, die von den Vorstellungen des Handelnden umfasst wurden, in wertender Betrachtung beurteilt werden. Wesentliche Anhaltspunkte für diese Wertung sind insbesondere der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass Durchführung und Ausgang der Tat vom Einfluss des Mitwirkenden abhängen (vgl. u.a. BGHSt 28, 346, 348 f.; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 2, 8 bis 10, 12, 18, 29; Tatbeitrag 1, 3, 4 und Tatherrschaft 4; vgl. auch BGHR StGB § 27 Abs. 1 Tatherrschaft 2).
Gemessen an diesen Kriterien durfte das Landgericht die Rolle, die der Angeklagte bei der Tatplanung innehatte und die er bei der Verwirklichung der getroffenen Vereinbarungen übernehmen sollte und tatsächlich übernommen hat, nicht als die eines Mittäters eines Mordes beurteilen.
Nach den Urteilsfeststellungen sah der gemeinsame Tatplan vor, nach dem Öffnen der Haustür durch das Tatopfer dieses zu überwältigen und am Schreien zu hindern (UA S. 13); anschließend sollte das Tatopfer gefesselt und geknebelt werden (UA S. 14). Nachdem der Angeklagte das Wohnhaus betreten hatte, erkannte er, dass der Mitangeklagte B. das Tatopfer so lange würgte, bis es bewusstlos war (UA S. 15). Aktiv hat sich der Angeklagte an der Tötungshandlung nicht beteiligt. Diese Feststellungen belegen keine Mittäterschaft.
Zwar ist es für gemeinschaftliche Tatbegehung nicht erforderlich, dass jeder der Mittäter eigenhändig an der zum Tode führenden Verletzungshandlung teilnimmt. Die Tat muss aber in jedem Falle auf einem gemeinsamen Willensentschluss beruhen und im gegenseitigen Einverständnis vorgenommen werden. Daran fehlt es hier. Der Angeklagte erhielt von dem Würgen des Tatopfers erst in dem Augenblick Kenntnis, als er das Wohnhaus betrat. Ein gemeinsamer Tatplan bestand insoweit nicht. Dieser lag auch nicht in dem gemeinsamen Vorhaben, der Frau Vermögensgegenstände - auch gewaltsam - wegzunehmen; dass hierfür mehr Gewaltausübung als bloßes Festhalten und Zuhalten des Mundes des dem Mitangeklagten B. körperlich weit unterlegenen Opfers nötig und beabsichtigt gewesen wäre, ergibt sich aus den Feststellungen nicht. Vielmehr spricht die geplante Knebelung und Fesselung des Tatopfers dafür, dass der ursprüngliche Tatplan lediglich eine Körperverletzung des Tatopfers umfasste.
Auch sukzessive Mittäterschaft erscheint nach Feststellungen fraglich: Diese liegt nur vor, wenn jemand in Kenntnis und Billigung des von einem anderen begonnenen Handelns in das tatbestandsmäßige Geschehen als Mittäter eingreift und er sich mit dem anderen vor Beendigung der Tat zu gemeinschaftlicher weiterer Ausführung verbindet (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 21, 27). Zwar war die Gewalthandlung des Mitangeklagten B. noch nicht beendet, als der Angeklagte das Würgen erkannte. Für die Annahme von Mittäterschaft reicht es aber nicht, dass der Beteiligte die durch andere verwirklichten Tatumstände kennt, sie billigt und durch eigenes Einschreiten verhindern könnte. Voraussetzung der Mittäterschaft ist vielmehr eine - auch nur psychische - Förderung der Tat und das Bewusstsein des Täters von der fördernden Wirkung seines Beitrags (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 8; Tatbeitrag 2 und 4; Tatherrschaft 3). Außerdem erfordert die gebotene Willensübereinstimmung, dass der andere seine Tätigkeit durch die geleistete Unterstützung vervollständigen und diese sich zurechnen lassen will (BGHR StGB § 25 Abs. 2 Tatbeitrag 4; Tatherrschaft 3). Feststellungen zu einem solchen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag fehlen aber im angefochtenen Urteil. Dass die Passivität des Angeklagten vom Mitangeklagten B. als psychische Bestärkung verstanden worden ist und werden sollte, versteht sich angesichts des abweichenden Tatplans auch nicht von selbst, zumal unklar bleibt, ob der Mitangeklagte B. die Anwesenheit des Angeklagten zum Zeitpunkt des Würgens überhaupt bemerkt hat. Dass der Angeklagte anschließend auf Aufforderung des Mitangeklagten B. Tücher aus der Küche holte, die sich zum Knebeln eignen (UA S. 15), führt unabhängig davon, dass dies keinen die Tötung fördernden Beitrag darstellt, zu keinem anderen Ergebnis, weil nach den Feststellungen nicht ausgeschlossen erscheint, dass das Tatopfer zu diesem Zeitpunkt bereits tot und die Tat deshalb beendet war.
Soweit die Strafkammer, indem sie darauf abstellt, dass der Angeklagte nicht eingegriffen habe, von einem Mord durch Unterlassen auszugehen scheint, wird dies durch die Feststellungen ebenfalls nicht getragen.
Es erscheint schon fraglich, ob - worauf das Landgericht nicht eingeht - der Angeklagte überhaupt eine Garantenstellung innehatte. Eine Garantenstellung aus vorangegangenem Tun, die hier nur in Betracht kommt, setzt voraus, dass das Vorverhalten die nahe Gefahr des Eintritts gerade des tatbestandsmäßigen Erfolges herbeigeführt hat (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 292; Fischer StGB 58. Aufl. § 13 Rdn. 27). Dies kann etwa der Fall sein bei der Beteiligung an Misshandlungen und der anschließenden Tötung des Opfers durch einen anderen Mittäter, wenn das vorausgegangene Verhalten eine Gefahrerhöhung für das Opfer dadurch bewirkte, dass der Täter in seinem zum Tode führenden Vorgehen bestärkt wurde (vgl. BGHR StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 7). Dass die gemeinschaftliche Planung eines Raubes mit Fesselung und Knebelung des Tatopfers die nahe Gefahr der Ermordung des Opfers infolge Erwürgens durch den Mittäter herbeigeführt hat, erscheint aber nicht selbstverständlich. Vielmehr hätte sich das Landgericht insoweit damit auseinandersetzen müssen, ob ein Exzess eines Mittäters gegeben sein könnte, der nicht durch das Vorverhalten des Angeklagten bestärkt worden ist und wofür der Angeklagte deshalb nicht als Ingerent haftet (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 292; Schönke/Schröder/Stree/Bosch StGB 28. Aufl. § 13 Rdn. 35a).
Ungeachtet dessen enthält das Urteil keine Feststellungen, ob der Angeklagte überhaupt die Möglichkeit der Erfolgsverhinderung hatte. Wegen Totschlags durch Unterlassen hätte sich der Angeklagte nur strafbar gemacht, wenn das gebotene Handeln den als möglich erkannten Tod noch hätte verhindern können und er sich dessen bewusst war (vgl. BGH NStZ 2007, 469; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben aaO § 15 Rdn. 94; Fischer aaO § 13 Rdn. 42). Dazu enthält das angefochtene Urteil keine konkreten Feststellungen. Da unklar bleibt, wie lange der Mitangeklagte B. das Tatopfer schon gewürgt hatte, als der Angeklagte das Wohnhaus betrat und den vom Tatplan abweichenden Angriff erkannte, bleibt offen, ob zu diesem Zeitpunkt bei sofortigem Einschreiten die Verhinderung des Todeseintritts mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (vgl. Fischer aaO vor § 13 Rdn. 39) noch möglich und dem Angeklagten die Möglichkeit einer Rettung überhaupt bewusst war.
Schließlich wäre zu erörtern gewesen, ob nicht lediglich eine Beihilfe durch Unterlassen in Betracht kommt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe durch Unterlassen zur Tat eines aktiv Handelnden die innere Haltung des Unterlassenden zur Tat bzw. dessen Tatherrschaft maßgebend. War seine aufgrund einer wertenden Betrachtung festzustellende innere Haltung - insbesondere wegen des Interesses am Taterfolg - als Ausdruck eines sich die Tat des anderen zu eigen machenden Täterwillens aufzufassen, so liegt die Annahme von Mittäterschaft nahe. War sie dagegen davon geprägt, dass er sich dem Handelnden - etwa weil er dessen bestimmenden Einfluss unterlag - im Willen unterordnete und ließ er das Geschehen ohne innere Beteiligung und ohne Interesse am drohenden Erfolg lediglich ablaufen, spricht dies für eine bloße Beteiligung als Gehilfe (vgl. BGH NStZ 2009, 321; NStZ 1992, 31; weitere Nachweise bei Fischer aaO § 13 Rdn. 51a).
Hier hätte der Angeklagte durch sein Eingreifen zugunsten des Opfers die weitere Tatbegehung durch den Mitangeklagten B. möglicherweise beenden können. Maßgeblich gesteuert wurde die Gewalthandlung indes vom Mitangeklagten B. , der die Tatbestandsverwirklichung in Händen hielt, während der Angeklagte diese lediglich ablaufen ließ. Dies lässt beim Angeklagten als Randfigur der Gewalthandlung trotz seines Interesses an der Tatbeute die Annahme einer Gehilfenstellung hinsichtlich des Mordes nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen.'
Dem schließt sich der Senat an. ..." (BGH, Beschluss vom 14.02.2012 - 3 StR 446/11)
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?... 1. Nach den Feststellungen des LG bewahrte der Zeuge Sa. ca. 100 g Kokain und mindestens 320 g Haschisch zum gewinnbringenden Weiterverkauf in seiner Wohnung auf. Hiervon verkaufte er am 29.06.2009 ca. 0,5 g Kokain an den gesondert Verfolgten W. Den dabei erzielten Erlös in Höhe von 40 ? gab der Zeuge an den während des Verkaufsgeschäfts in der Wohnung anwesenden Angekl. weiter.
2. Diese Feststellungen tragen nicht die Verurteilung des Angekl. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Btm in nicht geringer Menge, denn es ist nicht hinreichend dargetan, inwieweit der Angekl. die Tat eines anderen gefördert hat. Der pauschale Hinweis der Kammer, der Angekl. habe bei der Entgegennahme des Geldes ?mit dem Wissen und Wollen' gehandelt, den Zeugen Sa. ?bei dessen Btmgeschäft' zu unterstützen genügt nicht.
Die bloße Entgegennahme der durch den Verkauf erzielten 40 ? lässt ohne weitere Feststellungen schon nicht erkennen, wie die Tat dadurch noch gefördert oder erleichtert werden konnte. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass und inwieweit der Angekl. durch die Entgegennahme des Geldes das Handeltreiben mit der gesamten in der Wohnung gelagerten Menge unterstützt haben konnte.
Die bloße Kenntnis von der Begehung der Tat und deren Billigung ohne einen die Tat objektiv fördernden Beitrag reicht nicht aus, um die Annahme von Beihilfe zu begründen. Nach der Rspr. des BGH kann zwar schon ein bloßes ?Dabeisein' die Tatbegehung im Sinne aktiven Tuns fördern oder erleichtern (vgl. BGH StV 1982, 517; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Unterlassen 3). In derartigen Fällen bedarf es aber sorgfältiger und genauer Feststellungen darüber, dass und wodurch die Tatbegehung in ihrer konkreten Gestaltung objektiv gefördert oder erleichtert wurde, und dass der Gehilfe sich dessen bewusst war (BGH NStZ 1993, 233 [= StV 1993, 357] und 385 [= StV 1993, 469]). Daran fehlt es vorliegend. ..." (BGH, Beschluss vom 15.12.2011 - 2 StR 505/11)
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?... Zwei in den Niederlanden wohnhafte Personen namens H. und W. verfügten über einen Vorrat von 300 kg Kokain, der in Griechenland lagerte und den sie nach Deutschland und ggf. weiter in die Niederlande oder nach Großbritannien verbringen lassen wollten. Der frühere Mitangekl. I. hatte ihnen zugesagt, für den Transport zu sorgen. Dies scheiterte indes zunächst an einer Erkrankung des vorgesehenen Lkw-Fahrers, was H. und W. so verärgerte, dass sie vorübergehend einen Vertrauten des I. als Geisel nehmen ließen. I. bemühte sich deshalb dringend um anderweitige Transportmöglichkeiten. Dabei kam er in Kontakt mit den Angekl. A. und S. P., die nach der Insolvenz ihrer Spedition Partner für den Aufbau einer neuen wirtschaftlichen Existenz suchten. Anfang Oktober 2006 erklärte sich der Angekl. A. P. gegenüber I. bereit, unter dessen Beteiligung umgehend ein neues Unternehmen zu gründen. Beide kamen überein, dass dieses eine Infrastruktur für künftige Drogentransporte bieten, jedoch auch legale Geschäfte abwickeln sollte. Vordringlich sollte es indes dazu dienen, das in Griechenland lagernde Kokain nach Deutschland zu verbringen. Für den Gründungsaufwand erhielt der Angekl. A. P. von I. zunächst 40.000 ? in bar.
Am 26.10.2006 reisten die Angekl. A. P. und S. - dieser war am Vortag mit I. bekannt gemacht und in die Pläne eingeweiht worden - zu einem Treffen mit I. und weiteren Personen nach Griechenland. Dort wurde abgesprochen, als Erstes einen ?check test' durchzuführen, um die Häufigkeit und die Intensität der Kontrollen an den einzelnen Grenzstationen zu ermitteln. Für die Errichtung des neuen Unternehmens übergab I. dem Angekl. A. P. bei dieser Gelegenheit weitere 105.000 ? und kurz darauf nochmals 70.000 ?.
In der Folgezeit betrieb der Angekl. A. P. die notarielle Gründung und den Aufbau des neuen Transportunternehmens. Zu Geschäftsführern wurden seine Lebensgefährtin sowie ein Vertrauter des I. bestellt. Der Angekl. S. P., der zwischenzeitlich ebenfalls erfahren hatte, dass I. den Geschäftsbetrieb dazu nutzen wollte, eine größere Menge Kokain aus Griechenland nach Deutschland zu verbringen, übernahm gegen Gehalt die Aufgaben des Disponenten. Beide rechneten mit einem Transport von mindestens 100 kg Kokain. Sie ließen sich hierauf ein, weil sie hofften, sich auf diese Weise die wirtschaftliche Basis für eine zukünftige legale Geschäftstätigkeit schaffen zu können.
Im November 2006 erteilte ein Mitarbeiter des I. den Auftrag, nunmehr die besprochene Testfahrt durchzuführen. Hierzu mietete der Angekl. A. P. ein Kühlfahrzeug der Marke ?Thermoking' an, das der bereits in der Spedition der beiden Angekl. als Fahrer beschäftigte frühere Mitangekl. C. deshalb empfohlen hatte, weil er mit einem 100-Liter-Wassertank und weiteren Hohlräumen über gute Versteckmöglichkeiten verfügte. Der Angekl. S. P. buchte im Wissen um den Zweck der Fahrt die entsprechenden Fährverbindungen zwischen Italien und Griechenland. Vereinbarungsgem. belud C. das gemietete Fahrzeug in Deutschland mit Milchprodukten, lieferte diese in Griechenland aus und nahm für die Rückfahrt Orangen, anderes Obst und Gemüse auf. In ständigem Telefonkontakt mit dem Angekl. S. P. und dem Kreis um I. brachte er die Ware nach Deutschland, wo sie der Angekl. S. entgegennahm und auf dem Berliner Großmarkt verkaufte. An der Planung der Testfahrt war der Angekl. S. nicht beteiligt. Ein Mitarbeiter des I. hatte ihn ?verst kurzfristig' darauf angesprochen, ob er für den Abverkauf der Ladung sorgen könne; er hatte in Kenntnis dessen zugesagt, dass es sich um die Testfahrt für einen Transport von mindestens 100 kg Kokain handelte.
Zu dem geplanten Kokaintransport ?kam es jedenfalls im Jahre 2006 nicht mehr'.
2. Danach hat nicht nur der Angekl. S. P., sondern auch der Angekl. A. P. lediglich Beihilfe zum Handeltreiben der niederländischen Hintermänner mit Btm in nicht geringer Menge geleistet (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 Abs. 1 StGB). ...
bb) Entgegen der Annahme des LG hat der Angekl. A. P. jedoch nicht als (Mit-)Täter gehandelt.
Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten auch im Betäubungsmittelrecht die Grundsätze des allg. Strafrechts. Beschränkt sich die Beteiligung des Täters am Handeltreiben mit Btm auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts wie hier auf den Transport, so kommt es nach der neueren Rspr. des BGH jedenfalls nicht allein oder entscheidend darauf an, welches Maß an Selbständigkeit und Tatherrschaft der Beteiligte hinsichtlich dieses isolierten Teilakts innehat. Abzustellen ist vielmehr darauf, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (BGH, Urt. v. 28.02.2007 - 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219 [= StV 2007, 303]; Beschl. v. 07.08.2007 - 3 StR 326/07, NStZ 2008, 40; Urt. v. 07.02.2008 - 5 StR 242/07, NJW 2008, 1460 [= StV 2008, 417]; Beschl. v. 30.10.2008 - 5 StR 345/08, NStZ 2009, 392). Maßgeblich sind insoweit insbes. der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass Durchführung und Ausgang der Haupttat maßgeblich auch vom Willen des Tatbeteiligten abhängen (BGH, Urt. v. 14.12.2006 - 4 StR 421/06, NStZ 2007, 288; Beschl. v. 25.04.2007 - 1 StR 156/07, NStZ 2007, 531 [= StV 2008, 20]; Beschl. v. 28.10.2010 - 3 StR 324/10).
Danach kommt einer Tätigkeit, die sich im bloßen Transport von Btm erschöpft, in der Regel keine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit zu; auch bei faktischen Handlungsspielräumen hinsichtlich der Art und Weise des Transports wird sie zumeist nur eine untergeordnete Hilfstätigkeit darstellen und deshalb als Beihilfe zu werten sein (BGH, Urt. v. 28.02.2007 - 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219 [= StV 2007, 303]; Beschl. v. 30.03.2007 - 2 StR 81/07, NStZ-RR 2007, 246 [= StV 2008, 19]; Beschl. v. 07.08.2007 - 3 StR 326/07, NStZ 2008, 40; Beschl. v. 21.11.2007 - 2 StR 468/07, NStZ 2008, 285 [= StV 2008, 580]; Beschl. v. 28.10.2010 - 3 StR 324/10). Anderes kann gelten, wenn der Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll. Auch eine Einbindung des Transporteurs in eine gleichberechtigt verabredete arbeitsteilige Durchführung des Umsatzgeschäfts spricht für die Annahme von Mittäterschaft, selbst wenn seine konkrete Tätigkeit in diesem Rahmen auf die Beförderung der Drogen, von Kaufgeld oder Verkaufserlös beschränkt ist. Im Einzelfall kann auch eine weit gehende Einflussmöglichkeit des Transporteurs auf Art und Menge der zu transportierenden Drogen sowie auf die Gestaltung des Transports für eine über das übliche Maß reiner Kuriertätigkeit hinausgehende Beteiligung am Gesamtgeschäft sprechen (vgl. zu alledem BGH, Urt. v. 14.12.2006 - 4 StR 421/06, NStZ 2007, 288; Urt. v. 28.02.2007 - 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219 [= StV 2007, 303]; Beschl. v. 30.03.2007 - 2 StR 81/07, NStZ-RR 2007, 246 [= StV 2008, 19]; Beschl. v. 25.04.2007 - 1 StR 159/07, BGHSt 51, 324; Beschl. v. 07.08.2007 - 3 StR 326/07, NStZ 2008, 40).
Solche besonderen Umstände hat das LG indes nicht in hinreichendem Umfang festgestellt. Zwar hat der Angekl. zur Ermöglichung des Drogentransports erhebliche, über die eines gewöhnlichen Kuriers weit hinausgehende Aktivitäten entfaltet und umfangreiche Investitionen getätigt. Auch handelte er, wie insbes. die bereits geflossenen Beträge zeigen, in der Aussicht auf einen hohen, ihm eine neue wirtschaftliche Perspektive eröffnenden Gewinn. Andererseits beschränkte sich der tatfördernde Beitrag des Angekl. auf Maßnahmen zur Vorbereitung des zugesagten Transports, die ihm für sich allein noch keinen wesentlichen Einfluss auf den Ablauf des eigentlichen, von den Hinterleuten betriebenen Umsatzgeschäfts sicherten. In dieses war der Angekl. auch sonst nicht eingebunden; er hatte weder zu den Hinterleuten noch zu potentiellen Abnehmern Kontakte, sondern arbeitete lediglich mit dem ebenfalls für den Transport verantwortlichen früheren Mitangekl. I. zusammen. Das zu transportierende Kokain bekamen weder er noch sein Fahrer je in die Hände. Allein sein Wille, den Transport durchzuführen, reicht zur Annahme von Tatherrschaft vor diesem Hintergrund nicht aus. Sein wirtschaftliches Interesse erschöpfte sich in der Übernahme der erforderlichen Speditionsgeschäfte. Dass der Angekl. darüber hinaus ein eigenes Interesse am Gelingen des von den Hinterleuten betriebenen Umsatzgeschäfts hatte, etwa für diesen Fall auf Folgeaufträge hoffte, ist den Feststellungen nicht zu entnehmen. ..." (BGH, Urteil vom 05.05.2010 - 3 StR 445/10)
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Erfährt der Angeklagte als Beifahrer erst während einer Schmuggelfahrt von Btm von deren Existent im PKW, begründet die erlangte Information allein einer Strafbarkeit wegen Beihilfe nicht. Denn die bloß einseitige Kenntnisnahme von der Tat eines anderen und deren subjektive Billigung ohne einen die Tatbegehung objektiv fördernden Beitrag reichen nicht aus, um die Annahme von Beihilfe zu begründen (BGH, Beschluss vom 17.11.2009 - 3 StR 455/09 zu BtMG § 29; StGB § 27 - psychische Beihilfe).
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Allein die Kenntnis und Billigung der Lagerung und des Vertriebs der Betäubungsmittel in der Wohnung erfüllt für den Wohnungsinhaber die Voraussetzung strafbarer Beihilfe nicht. Ebenso wenig begründet es die Strafbarkeit des Wohnungsinhabers, daß sie gegen die Aktivitäten des Täters nicht vorgegangen ist. Dies käme nur in Betracht, wenn der Wohnungsinhaber rechtlich verpflichtet ist, gegen den vom Täter in dem ausschließlich von ihm genutzten Schlafzimmer betriebenen Betäubungsmittelhandel einzuschreiten (§ 13 Abs. 1 StGB). Eine solche Rechtspflicht des Wohnungsinhabers ist aber grundsätzlich nicht gegeben (BGH, Beschluss vom 30.09.2009 - 2 StR 329/09 zu BtMG § 29; StGB § 27):
?... 1. Nach den Feststellungen des LG teilten sich die Angekl. und der Mitangekl. A. seit 6 bis 7 J. eine Wohnung. Die Angekl. übernachtete im Wohnzimmer oder in der Küche, während A. das Schlafzimmer benutzte. Zum Ausgleich für Unterkunft und Verpflegung leitete A. seine Hartz-IV-Bezüge an die Angekl. weiter.
A. handelte ?seit mindestens ein bis 3 J.' mit Btm, die er vorwiegend in den Niederlanden erwarb. Er nutzte das Schlafzimmer sowohl zur Lagerung der Drogen als auch zur Abwicklung der Drogengeschäfte mit Konsumenten. Dies war der Angekl. bekannt und wurde von ihr geduldet. Auch bewahrte A. das zur Abwicklung der Drogengeschäfte bestimmte Geld in kleinen Scheinen in seinem Schlafzimmer auf; gelegentlich zählte er es vor den Augen der Angekl. nach, bevor er sich zum Drogenkauf in die Niederlande aufmachte.
So geschah dies auch nach der ersten Oktoberwoche 2008 im Fall der im vorliegenden Verfahren abgeurteilten Einfuhr ?größerer Mengen verschiedenster Btm, zum Preis von etwa 2 100 ?', die der Mitangekl. A. zur gewinnbringenden Veräußerung nach Deutschland verbrachte und von denen Teilmengen bei der Durchsuchung am 14. 10. 2008 sichergestellt werden konnten.
Das LG hat die Angekl. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Btm in nicht geringer Menge verurteilt, ?weil sie ihm (dem Mitangekl. A.) die Wohnung zur Verfügung gestellt hat und gem. der Bekundung des Zeugen KHK S. bei ihrer Vernehmung auch nicht erwähnt hat, jemals versucht zu haben, sein Handeln zu unterbinden'.
2. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Den widersprüchlichen Ausführungen des LG kann nicht mit hinreichender Sicherheit entnommen werden, daß die Angekl. den Btm-Handel des Mitangekl. A. durch aktives Tun gefördert hätte. Die nicht weiter mit Tatsachen belegte Begründung der StrK, die Angekl. habe ihm die Wohnung zur Verfügung gestellt, genügt nicht. Nach den Feststellungen teilten sich die Angekl. und der Mitangekl. A. bereits seit mehreren Jahren die Wohnung, bevor Letzterer mit dem Handel mit Btm begann. A. nutzte hierfür das allein ihm zugewiesene Schlafzimmer. Den Ausführungen des LG läßt sich nicht entnehmen, inwieweit die Angekl. hierbei die ?Wohnung' zur Verfügung gestellt haben sollte. Allein die Kenntnis und Billigung der Lagerung und des Vertriebs der Btm in der Wohnung erfüllt für den Wohnungsinhaber die Voraussetzung strafbarer Beihilfe nicht (vgl. BGH NStZ 1999, 451; StV 2003, 280; 2007, 81).
Ebenso wenig begründet es die Strafbarkeit der Angekl., daß sie gegen die Aktivitäten des A. nicht vorgegangen ist. Dies käme vielmehr nur in Betracht, wenn sie als Wohnungsinhaberin rechtlich verpflichtet gewesen wäre, gegen den von A. in dem ausschließlich von ihm genutzten Schlafzimmer betriebenen Btm-Handel einzuschreiten (§ 13 Abs. 1 StGB). Eine solche Rechtspflicht des Wohnungsinhabers ist aber grundsätzlich nicht gegeben (vgl. BGH, jew. a.a.O.).
3. Die Sache bedarf daher erneuter Verhandlung und Entscheidung. Da die StrK von einem unzutreffenden rechtlichen Ansatz ausgegangen ist, wird der neue Tatrichter insbes. zu prüfen haben, ob die Angekl. konkrete Unterstützungshandlungen zu dem Rauschgiftdelikt des als Haupttäter verurteilten Mitangekl. A. geleistet hat. Eine Garantenstellung als Wohnungsinhaberin würde sie treffen, wenn ihr die Verfügungsgewalt über die ganze Wohnung zugestanden hätte und diese etwa durch ihre Lage oder Beschaffenheit eine besondere Gefahrenquelle für eine leichtere Ausführung von Straftaten darstellte (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 153 [= StV 2003, 280]). Ggf. wird auch zu prüfen sein, ob die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Mitbesitzes an den im Schlafzimmer befindlichen und bei der Durchsuchung am 14. 10. 2008 sichergestellten Btm vorlagen (vgl. Senat StV 2007, 81). ...."
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Allein die Kenntnis und Duldung der Lagerung der Betäubungsmittel in einer (unter-)vermieteten Wohnung erfüllt die Voraussetzungen strafbarer Beihilfe durch den Wohnungsinhaber nicht. Zum Einschreiten gegen den Betäubungsmittelhandel ist er als Wohnungsinhaber grundsätzlich rechtlich nicht verpflichtet (BGH, Beschluss vom 12.02.2009 - 3 StR 12/09 zu BtMG § 29; StGB § 27):
?... 1. Die Verurteilung im Fall II. 1. der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Eine Beihilfe zum Handeltreiben mit Btm in nicht geringer Menge wird durch die Feststellungen nicht belegt. Danach vermietete der Angekl. ein Zimmer seiner Wohnung an den nicht revidierenden Mitangekl. K. weiter, das dieser in der Folgezeit ohne Wissen des Angekl. im Interesse anderer Btm-Händler zur Aufbewahrung von drei Kilo Marihuana nutzte. Erst zwei Wochen später erfuhr der Angekl. davon. Weil er den Untermietzins nicht verlieren wollte, unternahm er gegen K. nichts. Dieser lieferte mindestens einmal Btm aus dem ?Bunker' zum Verkauf aus.
Den Feststellungen kann nicht entnommen werden, daß der Angekl. die Tat des K. und seiner Hintermänner durch aktives Tun gefördert hätte. Allein die Kenntnis und Duldung der Lagerung der Btm in der Wohnung erfüllt die Voraussetzungen strafbarer Beihilfe nicht. Zum Einschreiten gegen den Btm-Handel war er als Wohnungsinhaber grundsätzlich rechtlich nicht verpflichtet (vgl. BGH NStZ 1999, 451 [= StV 1999, 429]). Umstände, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, wie dies etwa für den Fall einer die Begehung von Straftaten in besonderer Weise erleichternden Beschaffenheit oder Lage der Wohnung in Betracht kommen könnte (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 153 m.w.N. [= StV 2003, 280]), sind nicht festgestellt.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß ein neuer Tatrichter in der Zusammenschau mit dem rechtsfehlerfrei festgestellten zweiten Tatkomplex zu weitergehenden, eine Verurteilung wegen Beihilfe tragenden Feststellungen gelangt. Die Sache muß deshalb insoweit erneut verhandelt werden. ..."
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?... 1. Die Annahme mittäterschaftlicher Begehung begegnet durchgreifenden Bedenken.
a) Im Ansatz zutreffend geht allerdings das Landgericht davon aus, dass auch die Übergabe des erzielten Verkaufserlöses aus Rauschgiftgeschäften noch Teil des tatbestandlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist. Dies folgt aus der vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vorgenommenen Auslegung des Tatbestandsmerkmals des Handeltreibens, das jede eigennützige, auf Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit umfasst (BGHSt [GS] 50, 252, 256; BGHSt 6, 246; 25, 290; 28, 308, 309; 29, 239; 30, 359, 360). Damit sind von dem Begriff des Handeltreibens nicht nur Beschaffung und Lieferung von Betäubungsmitteln erfasst, sondern auch die erforderlichen Zahlungsvorgänge (BGHSt 43, 158, 162). Dies gilt sowohl für die Zahlung und Beitreibung des Kaufpreises als auch für solche unterstützenden Finanztransaktionen, die zur erfolgreichen Abwicklung eines Rauschgiftgeschäftes insgesamt notwendig sind. Insoweit kann kein Zweifel bestehen, dass der beabsichtigte Beitrag des Angeklagten E.
G. noch Teil des Rauschgiftgeschäfts gewesen wäre. Dieser sollte das Geld am Frankfurter Flughafen in Empfang nehmen und an den eigentlichen Kurier, den Mitangeklagten E. M. , weitergeben.
b) Das Landgericht geht jedoch zu Unrecht von Mittäterschaft des Angeklagten E. G. aus. Dass dieser - nach seiner Vorstellung - an dem Transport des Erlöses mitwirken sollte, begründet noch kein täterschaftliches Handeltreiben. Auch auf den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sind die allgemeinen Regeln zur Abgrenzung von (Mit-)Täterschaft und Beihilfe anzuwenden. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss für eine zutreffende Einordnung der Beteiligung des Kuriers der jeweils konkrete Tatbeitrag für das Umsatzgeschäft insgesamt und nicht allein für den Teilbereich des Transports (von Betäubungsmitteln oder Geld) bewertet werden. Daher kommt es für die Annahme einer mittäterschaftlichen Verwirklichung dieses Tatbestands jedenfalls nicht allein oder entscheidend darauf an, welches Maß an Selbständigkeit und Tatherrschaft der Beteiligte hinsichtlich eines isolierten Teilaktes des Umsatzgeschäfts innehat. Abzustellen ist vielmehr darauf, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (BGHSt 51, 219 = NJW 2007, 1220).
c) Die Anwendung dieser Grundsätze führt dazu, dass die vom Angeklagten E. G. entfaltete Tätigkeit als Beihilfe zu werten ist. Maßgeblich ist dabei, wie sein Tatbeitrag - so wie er sich nach seiner Vorstellung gestalten sollte - nach den vorgenannten Entscheidungskriterien einzuordnen ist. Im Blick auf das Gesamtgeschäft war der Angeklagte E. G. lediglich in den Transport des Erlöses eingebunden. Diese Tätigkeit war zwar nicht völlig untergeordnet, weil er im Hinblick auf die Übergabe des Geldes sämtliche Verhandlungen mit ?Ax. ? führte und zudem den Mitangeklagten E. M. als den eigentlichen Kurier, der das Geld in den Libanon überführen sollte, für die Abwicklung des Rauschgiftgeschäftes anwarb. Auf das Gesamtgeschäft bezogen war dieser Tatbeitrag jedoch untergeordnet. Der Angeklagte E. G. war weder am Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt noch war er in das Gesamtgeschäft eingebunden. Anhaltspunkte dafür, dass er organisatorisch in einer arbeitsteilig agierenden Struktur tätig war, fehlen ebenso wie dafür, dass ihm im Blick auf das Rauschgiftgeschäft Gestaltungsspielräume zugekommen waren. Allein die nicht unerhebliche Entlohnung vermag die Annahme einer täterschaftlichen Begehung des Handeltreibens nicht zu tragen, weil sich der Tatbeitrag des Angeklagten E. G. auf eine Kuriertätigkeit beschränkte (vgl. BGHSt 51, 219, 220 ff. = NJW 2007, 1220, 1221).
2. Die verbleibende Beihilfe des Angeklagten E. G. - wie die des Nichtrevidenten E. M. - ist nicht vollendet.
a) Der Maßstab für die Prüfung, ob Vollendung eingetreten ist, kann nicht die Haupttat selbst sein. Die Haupttat war, als das Rauschgift absprachegemäß an den später festgenommenen M. auf den Weg gebracht wurde, sowohl im Hinblick auf den Verkäufer als auch auf den Abnehmer bereits vollendet. Dies ergibt sich aus dem weit auszulegenden Merkmal des Handeltreibens, das - erfolgsunabhängig - jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit erfasst (BGHSt [GS] 50, 252, 256). Die Annahme einer vollendeten Haupttat in Bezug auf den Veräußerer und auf den Erwerber des Rauschgifts bedeutet allerdings nicht ohne weiteres, dass auch bezüglich des Teilnehmers eine Vollendung seiner Teilnahmehandlung gegeben sein muss. Vielmehr ist für jeden Teilnehmer gesondert zu prüfen, ob sein Tatbeitrag vollendet war.
Der Senat kann dabei letztlich dahinstehen lassen, ob die Sicherstellung des Rauschgifts hier eine Beendigung der Haupttat hat eintreten lassen mit der Folge, dass schon deshalb keine Beihilfe mehr möglich gewesen wäre (vgl. BGH NStZ 2007, 35, 36; 1996, 563, 564). Für eine solche Beendigung der Haupttat könnte sprechen, dass der Waren- und Geldfluss zur Ruhe gekommen ist, weil aus dem sichergestellten Rauschgift keine Erlöse erzielt wurden und auch nicht mehr zu erzielen waren (BGHSt 43, 158, 163, vgl. aber einschränkend BGHR BtMG § 29 Abs.1 Nr.1 Handeltreiben 50, 52).
b) Jedenfalls aber begründet das untaugliche und erfolglose Bemühen der Angeklagten keine (vollendete) Beihilfe. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist als Hilfeleistung grundsätzlich jede Handlung anzusehen, die die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt des Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird, ist nicht erforderlich (BGH NJW 2007, 384, 388 m.w.N., insoweit in BGHSt 51, 144 nicht abgedruckt). Gleiches gilt, wenn der Beihilfehandlung jede Eignung zur Förderung der Haupttat fehlt oder sie erkennbar nutzlos für das Gelingen der Tat ist (Cramer/Heine in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 27 Rdn. 12; vgl. auch BGH StV 1996, 87). Demnach liegt bei der Sachverhaltskonstellation hier keine Vollendung der Beihilfe vor.
Die von dem Angeklagten E. G. und dem Nichtrevidenten E. M gewollte Beihilfehandlung, der Transport von Rauschgifthandelserlösen wie dessen Zusage, war von vornherein zur Förderung der Haupttat ungeeignet. Ein Verkaufserlös für das vor Weitergabe an einen Käufer bereits sichergestellte Rauschgift war nicht erzielt worden und konnte nicht mehr erzielt werden. Beschwerdeführer und Nichtrevident wurden nur auf zum Schein vom Bundeskriminalamt entfaltete Aktivitäten hin tätig. Ihr Tun musste von vornherein für den gewollten Zweck der Förderung eines unerlaubten Betäubungsmittelhandels ins Leere gehen. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen deshalb auch keine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Handeltreiben. Die fehlgeschlagene oder nutzlose Beihilfehandlung begründet keine Strafbarkeit wegen (vollendeter) Beihilfe, sondern stellt einen straflosen (untauglichen) Versuch der Beihilfe dar.
c) Die Fallgestaltung kann auch nicht als psychische Beihilfe bewertet werden. Eine Beihilfehandlung, die in einer Förderung der Tatausführung besteht, ist zu unterscheiden von solchen Unterstützungsmaßnahmen, die auf die Psyche des Täters gerichtet sind und auf diesen im Sinne einer Bestärkung einwirken sollen (Cramer/Heine in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 27 Rdn. 12; Fischer, StGB 55. Aufl. § 27 Rdn. 9 ff.). Deshalb verbietet es sich, die Zusage jedes im Ergebnis nutzlosen Gehilfenbeitrags, der auf eine Förderung der Tatausführung abzielt, stets in eine psychische Beihilfe umzudeuten (Schünemann in LK 12. Aufl. § 27 Rdn. 15). Eine solche Auslegung würde die Wertentscheidung des Gesetzgebers unterlaufen, die versuchte Beihilfe straflos zu stellen. Dieser wollte mit der Abschaffung einer Versuchsstrafbarkeit zur Vermeidung einer als unerträglich bewerteten Ausweitung strafrechtlicher Verfolgung erfolglose Beihilfehandlungen von der Strafbarkeit ausnehmen (BGHSt 7, 234, 237).
Die Annahme, in jeder erfolglosen (tatbezogenen) Beihilfehandlung liege zugleich eine psychische Beihilfe, wird den eigenständigen rechtlichen Anforderungen an die Annahme einer Beihilfe nicht gerecht. Eine psychische Beihilfe scheitert schon daran, dass ein solcher Gehilfenbeitrag nicht auf die Psyche des Täters, sondern auf die Förderung seiner Tat zielt, mithin also die Tat ?physisch' unterstützt werden soll (vgl. Fischer aaO Rdn. 10). Zwar steckt in der Förderung der Tat regelmäßig auch ihre Billigung. Dies reicht aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht für die Annahme einer psychischen Beihilfe aus (BGH NStZ 1995, 490, 491). Erforderlich ist vielmehr, dass die Tathandlung infolge der psychischen Beeinflussung durch den Gehilfen objektiv gefördert oder erleichtert wurde und der Gehilfe sich dessen bewusst war (BGH NStZ 1996, 563, 564).
Hierfür ergibt sich auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kein Anhaltspunkt. Weder lässt sich erkennen, dass der Angeklagte E. G. durch die vom Haupttäter erbetene Zusage eines Geldtransports auch dessen Psyche weiter bestärkt hätte, noch, dass ihm eine etwaige solche Wirkung bewusst gewesen sein könnte. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Handlung des Angeklagten einem der Haupttäter ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit hätte vermitteln können (vgl. BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 8). Allein der Umstand, dass keine weitere Suche nach einem für erforderlich gehaltenen Gehilfen unternommen werden musste, reicht noch nicht aus.
d) Der Senat kann in dieser Sache ohne Anfrage nach § 132 GVG entscheiden. Zwar hat der 1. Strafsenat durch Urteil vom 26. April 1994 (NStZ 1994, 441 = BGHR BtMG § 29 Beihilfe 1) in einem Fall, in dem die Gehilfin ein ursprünglich mit Heroin gefülltes, postlagernd versandtes Päckchen abgeholt hatte, eine Beihilfe zum Handeltreiben angenommen, obwohl zum Zeitpunkt der Abholung das Heroin bereits sichergestellt und aus dem Päckchen entfernt worden war. Der 1. Strafsenat hat hier eine (vollendete) Beihilfe angenommen, weil die Beihilfe ebenso wie das Handeltreiben als Haupttat nicht erfolgsbezogen ausgelegt werden dürfe. Dieser Ansatz vermengt in bedenklicher Weise die tatbestandlichen Voraussetzungen des Handeltreibens und der Beihilfe hierzu (kritisch auch Harzer StV 1996, 336 ff. und Schünemann in LK, 12. Aufl. § 27 Rdn. 9). Da der Gehilfe einen eigenständigen Tatbeitrag erbringt, sind die Tatbestandsvoraussetzungen der Beihilfe selbständig zu prüfen und treten - wegen der für die Beihilfe geltenden Akzessorietät - zu den Tatbestandsvoraussetzungen der Haupttat hinzu. Die Beihilfe kann deshalb im Bereich der Betäubungsmitteldelikte nicht anders verstanden werden als bei anderen Straftaten auch.
Zu einer Anfrage nötigt das vorgenannte Urteil des 1. Strafsenats nicht, weil - anders als in dem hier zu entscheidenden Fall - dort ein vom Haupttäter initiierter Transportvorgang tatsächlich stattgefunden hat. Zudem geht es in dem vorliegenden Fall um eine von den Ermittlungsbehörden selbst angeschobene und zum Schein vereinbarte Geldübergabe, die schon deshalb keinen Erfolg eines Rauschgiftgeschäfts fördern konnte. Durch die Tatbegehung auf Initiative eines Verdeckten Ermittlers, unterscheidet sich die Sachverhaltsgestaltung hier ganz wesentlich auch von einer weiteren Entscheidung des 1. Strafsenats vom 9. Juli 1996 (BGHR BtMG § 29 Beihilfe 2).
Dort hatte sich der Angeklagte bereit erklärt, im Auftrag des Hintermanns nach dem zwischenzeitlich sichergestellten Rauschgift zu suchen.
Im Übrigen hindert eine möglicherweise entgegenstehende Rechtsprechung vor der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs zum unerlaubten Handeltreiben vom 26. Oktober 2005 schon angesichts der hiernach angezeigten Neuorientierung im Grenzbereich von Mittäterschaft und Beihilfe (vgl. BGHSt [GS] 50, 252, 266; vgl. zudem aaO S. 263 zur offenen, hier nicht klärungsbedürftigen Frage der Vollendung bei einem erst nach Sicherstellung des gehandelten Rauschgifts eingreifenden Mittäter) die jetzige Entscheidung des Senats nicht.
Nach der Entscheidung des Großen Senats ist entgegenstehende Rechtsprechung anderer Senate nicht ersichtlich. Der Beschluss des 1. Strafsenats vom 17. Juli 2007 (NStZ 2007, 635) betrifft eine in ein organisiertes Bezugs- und Absatzsystem eingebettete Beihilfehandlung (worauf sich der 1. Strafsenat ausdrücklich stützt) und damit einen anderen Sachverhalt. Das Urteil des 2. Strafsenats vom 17. Oktober 2007 (2 StR 369/07) bezieht sich auf die Zusage eines Kuriers beträchtlicher Heroinmengen, der tatsächlich auch eine Teilmenge hiervon transportiert hat. Auch diese Fallkonstellation weicht von der hier zu entscheidenden erheblich ab.
3. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen liegt deshalb nur eine versuchte Beihilfe zum Handeltreiben nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG vor. Diese ist jedoch straflos.
Es kommt auch keine Strafbarkeit nach § 30 StGB in Betracht. Eine Verabredung oder ein Sich-Bereiterklären zwischen den beiden Angeklagten E. G. und E. M. als auch gegenüber ?Ax. ? ist nur in Bezug auf eine Beihilfehandlung erfolgt und damit straflos (vgl. BGHSt 7, 234, 237; Fischer, StGB 55. Aufl. § 30 Rdn. 8; Schünemann in LK 12. Aufl. § 30 Rdn. 72). ..." (BGH, Urteil vom 07.02.2008 - 5 StR 242/07)
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?... Das Landgericht hatte den Angeklagten in einem ersten Urteil vom 24. August 2006 wegen mittäterschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt. Dieses Urteil hat der Senat auf die Sachrüge des Angeklagten durch Beschluss vom 28. Februar 2007 - 2 StR 57/07 - mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen, weil die Beweiswürdigung, auf welche das Landgericht seine Feststellung gestützt hatte, der Angeklagte habe als Mittäter versucht, zwei aus Pakistan einreisende Drogenkuriere am Flughafen Frankfurt abzuholen, der rechtlichen Prüfung nicht standhielt. In seinem Beschluss hatte der Senat darauf hingewiesen, der neue Tatrichter werde der Abgrenzung täterschaftlicher von nur als Gehilfe unterstützender Beteiligung genaueres Augenmerk zuzuwenden haben. Das Landgericht hat den Angeklagten nun wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine hiergegen eingelegte Revision ist unbegründet.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts organisierten die Rauschgifthändler M. und C., die sich in Spanien oder Pakistan aufhielten, Herointransporte von Pakistan nach Spanien. Hierzu sandten sie regelmäßig Kuriere mit Heroinlieferungen von Pakistan nach Frankfurt. Dort wurden die Kuriere von einem Beauftragten der Hintermänner, B., in Empfang genommen; an ihn lieferten sie das Rauschgift ab, das dann auf anderen Wegen nach Spanien gebracht wurde.
Am Tattag, dem 28. August 2005, flogen wiederum zwei Kuriere von Pakistan nach Frankfurt, dort sollten sie von B. in Empfang genommen werden. Sie führten ca. 5,2 und 5,3 kg Heroingemisch mit einem Reinheitsgehalt von ca. 80 ? am Körper mit sich. Während sich die Kuriere bereits an Bord des Flugzeugs auf dem Weg nach Frankfurt befanden, rief der Absender des Rauschgifts, der Hintermann M., den Angeklagten an, teilte ihm mit, er könne den B. nicht erreichen, und bat ihn, er möge zwei Heroinkuriere am Flughafen Frankfurt abholen und mit B. in Verbindung bringen. Der Angeklagte sagte dies zu. Ein Entgelt wurde weder vereinbart noch erwartet. Der Angeklagte fuhr zum Flughafen, um die beiden Kuriere abzuholen. Diese wurden jedoch, da die Polizei schon vor dem Flug Kenntnis von dem beabsichtigten Transport erhalten hatte, schon bei ihrer Ankunft festgenommen, der Angeklagte wartete daher vergeblich. Eine sonstige Einbeziehung des Angeklagten in die Rauschgiftgeschäfte von M. und C. ist nicht festgestellt.
2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge; entgegen der Ansicht der Revision ist nicht nur ein Fall strafloser versuchter Beihilfe gegeben.
a) Dass der Angeklagte den Zweck der Einreise der beiden Personen aus Pakistan kannte und den Weitertransport des Heroins fördern wollte, ist, anders als im Ersturteil, aufgrund des Geständnisses der Angeklagten rechtsfehlerfrei festgestellt. Es steht daher außer Frage, dass der Angeklagte den Vorsatz hatte, die Haupttat des Handeltreibens als Gehilfe (§ 27 StGB) zu unterstützen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Strafbarkeit wegen Beihilfe gemäß § 27 StGB nicht voraus, dass die auf Unterstützung des Haupttäters gerichtete Handlung des Gehilfen sich auf die Begehung der Haupttat im Sinne der Bedingungstheorie kausal auswirkt; ausreichend ist vielmehr, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung erleichtert oder fördert (RGSt 58, 113, 114 f.; BGHSt 2, 130 f.; 46, 107, 109; BGH NJW 2000, 3010; NStZ 2004, 499, 500; 2007, 230, 232; st. Rspr.; weitere Nachw. bei Fischer StGB 55. Aufl. § 27 Rdn. 14). Dagegen wird in der Literatur überwiegend an einem - wenngleich modifizierten - Kausalitätserfordernis festgehalten; nach wieder anderer Ansicht muss durch die Beihilfehandlung zumindest eine objektive Erhöhung des Risikos für das betroffene Rechtsgut eingetreten sein (vgl. dazu Cramer/Heine in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 27 Rdn. 10; Fischer aaO § 27 Rdn. 14 f.; Hoyer in SK-StGB 7. Aufl. § 27 Rdn. 5 ff.; Joecks in MüKo-StGB § 27 Rdn. 23 ff.; Schünemann in LK 12. Aufl. § 27 Rdn. 2 ff.; jeweils m.w.N.). Der vorliegende Fall gibt dem Senat keinen Anlass, die ständige Rechtsprechung in Frage zu stellen. Dies gilt auch im Hinblick auf die Besonderheiten, welche durch den weiten Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (vgl. BGHSt 50, 252, 264 ff.) und die Vorverlagerung der Tatbestandsvollendung begründet sind.
b) Zwar scheidet, soweit es die Tat der eingereisten Kuriere betrifft, eine Förderung durch den Angeklagten aus, denn ihr Tatbeitrag wurde durch eine Handlung des Angeklagten nicht beeinflusst, verstärkt oder unterstützt.
Gefördert worden ist aber die Tat des M.. Da dieser, als er den Angeklagten um Unterstützung bat, die Tat bereits vollendet hatte und das Handeln des Angeklagten, soweit es die Fahrt zum Flughafen und das dortige Warten betraf, sich wegen der sicheren Festnahme der Kuriere bei ihrer Ankunft auf den weiteren Ablauf des Geschehens nicht auswirken konnte, hat das Landgericht die Unterstützungshandlung zutreffend schon in der Zusage des Angeklagten gesehen, die erwarteten Kuriere in Empfang zu nehmen und den Kontakt mit B. herzustellen. Denn es lag hier auf der Hand und bedurfte daher keiner ausdrücklichen weiteren Feststellung, dass M., hätte der Angeklagte die erbetene Unterstützung verweigert, die Kuriere nicht sich selbst überlassen, sondern anderweitige Maßnahmen unternommen hätte, um die Weiterleitung des Rauschgifts sicher zu stellen. Hierzu hätte er entweder andere bereits eingeweihte Personen ansprechen oder bislang nicht eingeweihte Personen in die Tat einbeziehen oder durch Maßnahmen gegenüber Dritten (etwa Übermittlung von Nachrichten über die Fluggesellschaft) das Risiko erhöhen müssen, dass Sicherheitsbehörden auf den Vorgang aufmerksam wurden.
Durch die Zusage des Angeklagten, den Empfang und die Weiterleitung der Kuriere sicher zu stellen, konnte M. sicher sein, dass sein Tatplan wie vorgesehen umgesetzt würde, und von anderen Maßnahmen absehen. Dies reicht als Förderung der Haupttat im Sinne von § 27 StGB aus. Dass wegen der bereits eingetretenen Aufdeckung der Tat eine mögliche Einschaltung anderer Personen die Festnahme der Kuriere bei deren Ankunft nicht verhindert und daher den geplanten Taterfolg ebenfalls nicht herbeigeführt hätte, steht dem wegen des Charakters des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln als Unternehmensdelikt nicht entgegen. Die Tat des M. war zum Zeitpunkt der Zusage, da sich die Kuriere zu dieser Zeit noch auf dem Weg nach Frankfurt befanden, zwar vollendet, aber noch nicht beendet, so dass Beihilfe noch möglich war. ..." (BGH, Urteil vom 16.01.2008 - 2 StR 535/07)
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?... 1. Die Verurteilung des Angeklagten M. wegen Beihilfe zum (Sozialversicherungs-) Betrug betreffend den Zeitraum Januar bis November 2000 hält, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 1. Februar 2007 zutreffend ausgeführt hat, rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn der Angeklagte M. wurde erst im Januar 2001 zum Geschäftsführer der B. GmbH bestellt. Allein die von dem Angeklagten M. in seiner Funktion als (formeller) Geschäftsführer wahrgenommenen Tätigkeiten hat das Landgericht aber als Beihilfehandlungen für die von den faktischen Geschäftsführern der Gesellschaft, vornehmlich dem nicht revidierenden Mitangeklagten P. , begangenen Steuerhinterziehungen und Betrugstaten gewertet.
Eine als Beihilfe zu wertende Unterstützung des Angeklagten M. bei Abgabe unrichtiger Beitragsnachweise gegenüber den Sozialversicherungsträgern für den Zeitraum Januar bis November 2000 durch den Mitangeklagten P. wird auch nicht durch die weiteren Urteilsfeststellungen belegt. Insbesondere genügt hierfür nicht die Feststellung, dass der Angeklagte M. ?seit dem Spätsommer 2000 stundenweise im Büro der B. GmbH beim Schreiben von Rechnungen oder Angeboten aushalf" (UA S. 7). Der Senat schließt angesichts der festgestellten Umstände zur bloßen Aushilfstätigkeit des Angeklagten M. in der B. GmbH vor dessen Bestellung zum Geschäftsführer ?aus heiterem Himmel" (UA S. 41) sowie der Tatsache, dass der Mitangeklagte P. erst nach dem Scheitern der Zusammenarbeit mit dem bisherigen Geschäftsführer F. nach einem neuen (formellen) Geschäftsführer gesucht hatte, vielmehr aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden könnten, die auch insoweit eine Verurteilung rechtfertigen könnten. Er spricht daher den Angeklagten M. insoweit frei.
Die Frage, ob der Tatvorwurf der Beihilfe zum Betrug zum Nachteil der Sozialversicherungsträger in elf Fällen für den Beitragszeitraum von Mai 2002 bis März 2003 (von dem der Angeklagte W. rechtskräftig freigesprochen worden ist) dem Angeklagten M. zur Last zu legen wäre, weil die Haupttaten während der Zeit seiner Geschäftsführertätigkeit und nicht der des Angeklagten W. begangen wurden, kann der Senat nicht prüfen, da es insoweit (bislang) an der Verfahrensvoraussetzung einer Anklage und dementsprechend einer Entscheidung des Landgerichts hierüber fehlt. ..." (BGH, Beschluss vom 28.02.2007 - 5 StR 543/06)
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?... Das Schwurgericht hat ferner nicht darauf Bedacht genommen, dass im Einzelfall der durch Handeln erbrachte Tatbeitrag des Gehilfen - was hier äußerst nahe gelegen hätte - schon darin bestehen kann, dass der Gehilfe den Haupttäter im Wissen um dessen Verhalten zur Tatausführung begleitet, seine Anwesenheit gleichsam ?einbringt', um den Haupttäter in seinem Tatentschluss zu bestärken und ihm das Gefühl erhöhter Sicherheit zu geben (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 14 m.w.N.). Dem stünde die Erwägung des Landgerichts (UA S. 108), der Angeklagte S. Y. hätte sich im Augenblick seiner Tatausführung, obwohl er nach E. gerufen hatte, alleingelassen und hilflos gefühlt, eher nicht entgegen. Sie beruht nämlich allein auf der - regelmäßig nicht ungeprüft hinzunehmenden (vgl. BGH NJW 2003, 2179; ferner BGHSt 49, 365, 370) - Einlassung des Angeklagten S. Y. , die zudem im Blick auf die Schnelligkeit des Anschlussgeschehens an Plausibilität verliert. ..." (BGH, Urteil vom 31.01.2007 - 5 StR 404/06)
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?... Nach den Feststellungen begaben sich der Angeklagte, der frühere Mitangeklagte Karuan A. und zwei weitere Männer zum Kiosk der Familie D. . A. betrat den Kiosk und verlangte von der dort tätigen Zeugin Ayse D. die Herausgabe von 100 Euro, wobei er ihr ein langes Küchenmesser vor die Brust hielt. Der Angeklagte und die beiden Anderen standen währenddessen vor der Tür des Kiosks, wobei sie "durch ihre Erscheinung ebenfalls einen einschüchternden Eindruck auf die Zeugin machten". Diese kam der Aufforderung des A. nicht nach, sondern sprühte ihm Pfefferspray in die Augen. Ungefähr zur selben Zeit rief einer der draußen Stehenden: "Karuan, es kommt ein Bus! Schnell weg!". Daraufhin flohen alle Vier im Pkw des A. , den dieser auf der Busspur vor dem Kiosk abgestellt hatte. Dass sich tatsächlich ein Bus genähert hatte, ist nicht erwiesen.
Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung nicht, denn es ist weder dargetan, dass der Angeklagte einen die Tatbegehung objektiv fördernden Beitrag erbracht, noch dass er mit Gehilfenvorsatz gehandelt hat.
Zwar kann auch das bloße Dabeisein die Tat eines anderen im Sinne aktiven Tuns fördern oder erleichtern (BGH StV 1982, 517; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 13, 14, 18 m.w.N.). Es bedarf aber bei solchen Fallgestaltungen sorgfältiger und genauer Feststellungen dazu, dass und wodurch die Tatbegehung in ihrer konkreten Gestaltung objektiv gefördert oder erleichtert wurde (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 12, 15). Solche Feststellungen lässt das angefochtene Urteil vermissen. Sie lassen sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe herleiten. Darüber hinaus ist weder festgestellt noch belegt, dass der Angeklagte durch seine Anwesenheit vor dem Kiosk zur Einschüchterung des Opfers beitragen wollte.
Falls die neu entscheidende Strafkammer wiederum zur Annahme einer Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung kommen sollte, wird sie zu prüfen haben, ob der Angeklagte von dieser Tat strafbefreiend zurückgetreten ist (§ 24 Abs. 2 StGB). Sofern abweichende Feststellungen nicht getroffen werden können, wird zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen sein, dass er derjenige war, der A. vor einem erhöhten Entdeckungsrisiko gewarnt hat. In dieser Warnung könnte, wenn sich tatsächlich kein Bus genähert hätte, ein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen gesehen werden, durch eine List die Vollendung der Tat zu verhindern. Ein solches Bemühen würde auch dann zur Strafbefreiung führen, wenn die Tat nicht dadurch, sondern wegen der energischen Abwehr des Opfers nicht vollendet wurde (vgl. Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 24 Rdn. 42). ..." (BGH, Beschluss vom 14.11.2006 - 4 StR 374/06).
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?... Im Fall 28 hat die StrK fehlerhaft nicht geprüft, ob sich der Angekl. lediglich der Beihilfe zum Handeltreiben mit Btm in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Btm in nicht geringer Menge (§ 29 Abs. 1 Nr. 1, § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 Abs. 1, § 52 Abs. 1 StGB) schuldig gemacht hat, obwohl die Feststellungen dazu Anlaß gaben. Das Aufbewahren von Rauschgift für einen Dritten, das zur gewinnbringenden Veräußerung bestimmt ist, kann zwar ein Tatbeitrag sein, der die Annahme täterschaftlichen Handeltreibens rechtfertigt (BGHR § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG Handeltreiben 42, 47 m. w. N.), doch sprechen vorliegend wesentliche Gesichtspunkte für eine Gehilfenstellung des Angekl. Die Feststellungen legen nahe, daß es sich bei der vom Angekl. vorgenommenen Einlagerung von über 8 000, seinem Dealer T. gehörenden Ecstasy-Tabletten in der Wohnung des gesondert verfolgten Kr. um eine bloße Gefälligkeit handelte. Das Tatgericht hat nicht festgestellt, daß dem Angekl. konkrete Gegenleistungen zugewandt oder versprochen worden waren. Im übrigen hätte auch ein unterstelltes eigennütziges Verhalten des Angekl. die Kammer nicht von der nach allgemeinen Grundsätzen durchzuführenden Abgrenzung der Beteiligungsformen enthoben (Senat, NStZ-RR 2003, 309 = StV 2003, 618 m. w. N.). Für das Vorliegen von Beihilfe zum Handeltreiben spricht hier weiterhin, daß die Lagerung von vornherein auf eine Woche beschränkt war, die Btm anschließend wieder von T. übernommen werden sollten, die vorübergehende Verbringung nicht zur Verbesserung von Umsatzmöglichkeiten, sondern aus Angst vor einer Polizeiaktion gegen T. erfolgte und der Angekl. über die bloße Verwahrung des Rauschgiftes hinaus an keinen Absatzvorbereitungen oder -bemühungen beteiligt war. Es ist auszuschließen, daß noch Feststellungen getroffen werden können, die ein täterschaftliches Handeltreiben des Angekl. belegen, zumal das Urteil insoweit allein auf seinem Geständnis beruht. Danach ist der Angekl. der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Btm in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Btm in nicht geringer Menge schuldig (vgl. BGHR § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG Handeltreiben 47). Der Senat wird in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch umstellen können. Der Strafausspruch bleibt hiervon jedoch wiederum unberührt. Angesichts des unveränderten Strafrahmens und der dessen unteren Bereich entnommenen, maßvollen Sanktion kann ausgeschlossen werden, daß das Tatgericht bei fehlerfreier Rechtsanwendung auf eine noch mildere Einzel- oder Gesamtstrafe erkannt hätte.' ..." (BGH StV 2004, 604).
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Die bloße Kenntnis von der Begehung der Tat und deren Billigung ohne einen die Tat objektiv fördernden Beitrag reicht für die Annahme von Beihilfe selbst dann nicht aus, wenn der Betreffende einen Teil der Beute beansprucht; wenn ihm ein Anteil lediglich freiwillig überlasen wird, gilt dies erst recht (BGH wistra 2004, 180).
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?... Beihilfe ist die dem Täter vorsätzlich geleistete Hilfe zur Begehung einer rechtswidrigen Tat. Als Hilfeleistung i. S. d. § 27 StGB ist dabei grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolgs des Haupttäters objektiv fördert, ohne daß sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muß (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 46, 107, 109 m. w. N.). Die Hilfeleistung muß auch nicht zur Ausführung der Tat selbst geleistet werden, es genügt schon die Unterstützung bei einer vorbereitenden Handlung (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 22 m. w. N.). Das kann grundsätzlich auch durch äußerlich neutrale Handlungen geschehen (BGH, Urt. v. 23. 1. 1985 - 3 StR 515/84). Es ist jedoch anerkannt, daß nicht jede Handlung, die sich im Ergebnis objektiv tatfördernd auswirkt, als (strafbare) Beihilfe gewertet werden kann. Vielmehr bedarf es insbes. in Fällen, die sog. ?neutrale' Handlungen betreffen, einer bewertenden Betrachtung im Einzelfall (BGHR, a. a. O.).
aa) Der BGH hat in den vergleichbaren Fällen berufstypischer neutraler Handlungen folgende Grundsätze aufgestellt: Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag in jedem Fall als strafbare Beihilfehandlung zu werten. Denn unter diesen Voraussetzungen verliert sein Tun stets den ?Alltagscharakter'; es ist als ?Solidarisierung' mit dem Täter zu deuten. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, daß sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, daß er sich mit seiner Hilfeleistung ?die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein' ließ (BGHSt 46, 107, 112; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 20).
bb) In den Fällen, in denen nicht eine ?berufstypische', sondern vielmehr eine neutrale Alltagshandlung ohne berufstypischen Bezug vorliegt, bedarf die Beurteilung, ob eine strafbare Beihilfe vorliegt, einer besonders eingehenden Prüfung. Die entwickelten Grundsätze zu den berufstypischen neutralen Handlungen sind jedoch auch hier grundsätzlich anwendbar.
Gibt z. B. jemand einem Schwarzgeldempfänger, den er zuvor selbst bestochen hat, konkrete Hinweise, an welche Personen oder Institutionen sich dieser zwecks Geldtransfer und -anlage in der Schweiz wenden kann oder bietet er gar an, den entsprechenden Kontakt herzustellen, dann liegt es nahe, daß er sich ?die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein' läßt. In diesem Fall verliert die an sich neutrale Handlung des Hinweisgebers ihren Alltagscharakter und das Handeln ist als Beihilfe i. S. d. § 27 StGB zu werten.
cc) Indes ist vorliegend die Feststellung der StrK, der Angekl. habe den Vorteilsempfängern einen ?Tip' gegeben, ?wie und wo sie diese Gelder in der Schweiz anlegen konnten', zu ungenau; sie trägt daher eine Verurteilung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung nicht. Bei derart allgemein gehaltenen Feststellungen, welche Aussagen der Angekl. hier gemacht und welche Auswirkungen der ?Tip' auf das Verhalten der Bestochenen gehabt haben soll, ist eine revisionsrechtliche Prüfung, ob tatsächlich eine Beihilfehandlung i. S. d. § 27 StGB und eine Erleichterung oder Förderung der Haupttat vorliegt, nicht möglich. Es fehlt insbes. an hinreichend deutlichen, durch eine tragfähige Beweiswürdigung belegten Feststellungen, daß Prof. Dr. M. und H. tatsächlich zumindest auch aufgrund dieses ?Tips' die Gelder in der Schweiz anlegten, um diese dem deutschen Fiskus gegenüber nicht zu offenbaren, und unter Ausnutzung dieses Umstandes unrichtige Einkommensteuererklärungen abgaben. ..." (BGH StV 2003, 559 ff).
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Allein die Kenntnis und Billigung der Lagerung von Betäubungsmitteln bzw. deren Verkaufs aus der Wohnung heraus erfüllt die Voraussetzungen strafbarer Beihilfe nicht. Ebensowenig begründet es ohne weiteres die Strafbarkeit des Wohnungsinhabers, dass er gegen die Aktivitäten des Täters nicht vorgegangen ist. Dies kommt vielmehr nur in Betracht, wenn er als Wohnungsinhaber rechtlich verpflichtet gewesen ist, gegen den in seiner Wohnung betriebenen Betäubungsmittelhandel einzuschreiten (§ 13 I StGB). Eine solche Rechtspflicht des Wohnungsinhabers ist aber grundsätzlich nicht gegeben (BGH, Beschluss vom 07.01.2003 - 3 StR 414/02).
Eine vor der Tat gemachte Zusage, bei der Beuteverwertung mitzuwirken, kann eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Bandendiebstahl begründen, wenn der Angeklagte jeweils konkrete Diebstahlstaten der anderen Bandenmitglieder mit Gehilfenvorsatz unterstützt (BGH, Beschluss vom 13.08.2002 - 4 StR 208/02).
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?... Auch die Verurteilungen der drei Angekl. wegen Beihilfe zur Einkommensteuerhinterziehung des früheren Mitangekl. Y. haben Bestand.
Als Hilfeleistung i. S. d. § 27 StGB ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges des Haupttäters objektiv fördert (vgl. BGHSt 42, 135, 136), ohne daß sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muß (st. Rspr., vgl, nur BGHSt 46, 107, 109).
Die strafbare Hilfeleistung liegt hier in dem Abschluß des Scheinvertrages, bei den Angekl. K. und H. zudem in der Nichtaufnahme der Zahlung von 2,3 Mio. DM in die Lohnsteuerbescheinigung für Y. Hierdurch wurde (auch gegenüber den Finanzbehörden) verschleiert, daß es sich bei der geleisteten Zahlung um lohnsteuerpflichtiges Gehalt handelte. Dies ermöglichte Y. die Hinterziehung der auf diesen Einkünften lastenden Einkommensteuer (vgl. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG).
Einer Strafbarkeit der Angekl. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung steht nicht entgegen, daß eine Gehaltszahlung des Arbeitgebers an einen Arbeitnehmer eine objektiv ?neutrale' Handlung ist (vgl. hierzu BGHSt 46, 107, 112; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 3, 20), die grundsätzlich keine Beihilfe zur Einkommensteuerhinterziehung des Arbeitnehmers darstellt. Hier beschränkte sich das Verhalten der Angekl. nicht auf eine bloße Gehaltszahlung; die Angekl. haben vielmehr die Zahlung an Y. durch Abschluß eines Scheinvertrages mit dem Angekl. B. gezielt verschleiert. Unbeachtlich ist dabei, daß eine entgeltliche, zeitlich befristete Übertragung der Rechte des Y. am eigenen Namen (§ 12 BGB) und am eigenen Bild (§ 22 ff. KunstUrhG) an Eintracht Frankfurt für eine sog. Namens- oder Imagewerbung unter Einbindung einer Werbeagentur rechtlich zulässig gewesen wäre. Ein solcher Vertrag war nach den Urteilsfeststellungen von den Angekl. gerade nicht ernsthaft gewollt.
Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Angekl. weder für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Y. verantwortlich noch von ihm mit der Erfüllung dieser Pflichten betraut worden waren. Den Angekl. war bewußt, daß die getroffenen Vereinbarungen für Y. nur dann wirtschaftlich von Interesse waren, wenn er die ihm zufließende Zahlung in seiner Einkommensteuererklärung nicht angeben würde; durch Verschleierung der Gehaltszahlung sollte gerade dies ermöglicht werden.
Schließlich ist eine Strafbarkeit der Angekl. auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil es Y. bei den Vertragsverhandlungen nicht vorrangig darauf ankam, eine strafbare Steuerhinterziehung begehen zu können; er wollte vielmehr vor allem deutlich höhere Einkünfte als bisher erzielen. Verfolgt der von einem Hilfeleistenden Unterstützte neben strafbaren auch legale Ziele, stehen diese zulässigen Ziele einer Strafbarkeit des Hilfeleistenden dann nicht entgegen, wenn sich der Hilfeleistende mit dem strafbaren Tun des Unterstützten solidarisiert, indem er sich gerade die Förderung der strafbaren Handlungen des Unterstützten angelegen sein läßt. So verhielt es sich hier. Mit dem Abschluß eines Scheinvertrages zur Verschleierung der Gehaltszahlung (und der Nichtabführung von Lohnsteuer) haben die Angekl. ihr Verhalten neben der Verfolgung eigener finanzieller Interessen von Eintracht Frankfurt auch dem wirtschaftlichen Bestreben des Y. und damit seinen deliktischen Zielen einer Steuerhinterziehung angepaßt. ..." (BGH StV 2002, 546 ff).
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Zwar reicht die bloße Anwesenheit am Tatort in Kenntnis einer Straftat selbst bei deren Billigung nicht aus, die Annahme von Beihilfe im Sinne aktiven Tuns zu begründen. Die Hilfeleistung i.S. des § 27 I StGB kann jedoch auch in der Billigung der Tat bestehen, wenn sie gegenüber dem Täter zum Ausdruck gebracht und dieser dadurch in seinem Tatentschluss oder in seiner Bereitschaft, ihn weiter zu verfolgen, bestärkt wird und der Gehilfe sich dessen bewusst ist (so genannte psychische Beihilfe; BGH, Urteil vom 24.10.2001 - 3 StR 237/01).
Zwar kann auch die bloße Anwesenheit die Tat eines anderen i.s. aktiven Tuns fördern oder erleichtern, jedoch bedarf es bei einer solchen Fallgestaltung sorgfältiger und genauer Feststellungen dazu, dass und wodurch die Tatbegehung in ihrer konkreten Gestaltung objektiv gefördert oder erleichtert wurde (BGH, Beschluss vom 25.07.2000 - 4 StR 229/00).
Beihilfe kann auch durch bloße Anwesenheit bei der Haupttat geleistet werden, sofern dadurch die Tat in ihrer konkreten Gestalt gefördert oder erleichtert wird. Die bloße Billigung der Tat stellt aber nur dann ein als Hilfeleisten zu wertendes Handeln dar, wenn sie dem Täter zum Ausdruck gebracht und dieser dadurch in seinem Tatentschluß oder in seiner Bereitschaft, ihn weiter zu verfolgen, bestärkt wird (BGH StV 1996, 659).
Das bloße "Dabeisein" in Kenntnis einer Straftat reicht selbst bei deren Billigung nicht aus, die Annahme von Beihilfe i. S. aktiven Tuns zu begründen, da andernfalls die rechtlichen Anforderungen im Hinblick auf die Garantenpflichten beim unechten Unterlassen umgangen werden könnten und die Strafbarkeit im Bereich der Beihilfe ausgedehnt würde (BGH StV 1996, 432).
Zwar kann auch das bloße Dabeisein die Tat eines anderen i. S. aktiven Tuns fördern oder erleichtern, doch bedarf es bei solchen Fallgestaltungen sorgfältiger und genauer Feststellungen dazu, daß und wodurch die Tatbegehung in ihrer konkreten Gestalt objektiv gefördert oder erleichtert worden ist (BGH wistra 1996, 19).
Auch wenn Beihilfe durch bloße Anwesenheit bei der Haupttat geleistet werden kann, setzt im Rahmen strafrechtlicher Verantwortlichkeit für positives Tun jede Beihilfe - auch die sogenannte psychische - einen durch Handeln erbrachten Tatbeitrag des Gehilfen unabdingbar voraus. Ein bloßes "Dulden" der Haupttat könnte nur als Beihilfe durch Unterlassen strafbar sein, wenn eine Garantenpflicht zur Abwendung der Straftat bestand (BGH StV 1995, 363).
Im Rahmen strafrechtlicher Verantwortlichkeit für positives Tun setzt jede Beihilfe - auch die sogenannte psychische - einen durch Handeln erbrachten Tatbeitrag des Gehilfen unabdingbar voraus (BGH NStZ 1995, 490).
Beihilfe (hier zum Betrug) kann schon begehen, wer dem Täter ein entscheidendes Tatmittel überlässt (hier ein Konto) auf das das Opfer die durch Täuschung bewirkte Überweisung veranlassen sollte) und damit bewusst das Risiko erhöht, dass ein durch den Einsatz gerade dieses Mittels typischer Weise geförderte Tat verübt wird. Hingegen ist weder erforderlich, dass der Gehilfe die genaue Kenntnis von der Person des Täters und dem konkreten Weise der Haupttäter der Tat verwirklichen wird (BGH, Beschluss vom 12.07.2000 - 1 StR 269/00).
Daß ein Angeklagter von den Rauschgiftgeschäften eines anderen Kenntnis hat und diese billigt, erfüllt für sich noch nicht die Voraussetzungen strafbarer Beihilfe. Dies gilt auch dann, wenn sich der Angeklagte darauf beschränkte, Verkäufe aus seiner Wohnung heraus zu dulden (BGH StV 1999, 430).
Der Inhaber einer Wohnung hat nicht ohne weiteres rechtlich dafür einzustehen, daß in seinen Räumen durch Dritte keine Straftaten begangen werden. Das bloße Dulden von Rauschgiftgeschäften in der Wohnung erfüllt deshalb nicht die Voraussetzungen der Beihilfe. Die im Mitkonsum von Betäubungsmitteln zum Ausdruck kommende Billigung der Tat kann zwar psychische Behilfe sein. Dies setzt jedoch die Feststellung voraus, daß die Tatbegehung in ihrer konkreten Gestalt objektiv gefördert oder erleichtert wurde und daß dies dem Gehilfen bewußt war (BGH StV 1999, 212).
Grundsätzlich kann der Hehler auch wegen Beihilfe zum Diebstahl verurteilt werden, wenn er den Diebstahl dadurch unterstützt, daß er (vor der Tat) seine Mitwirkung bei der Verwertung der Beute zusagt. Entscheidend ist dabei, worin die eigentliche Aufgabe des Hehlers bestand. Der bloße Umstand, daß seine Unterstützung von den Dieben bei ihrer Tat schon eingeplant war, macht ihn noch nicht zum Gehilfen, da andernfalls Bandenhehleri immer zugleich Beihilfe zum (Banden-)Diebstahl wäre (BGH StV 1997, 250).
Beihilfe zum Betrug kann schon begehen, wer dem Täter ein entscheidendes Tatmittel (hier: ein inhaltlich falsches Wertgutachten) willentlich an die Hand gibt und damit bewußt das Risiko erhöht, daß durch den Einsatz gerade dieses Mittels eine mittels Täuschung gegen fremdes Vermögen gerichtete Haupttat verübt wird. Opfer, Tatzeit oder nähere Details der konkreten Begehungsweise müssen dem Gehilfen nicht bekannt sein (BGHSt 42, 135).
Wegen Beihilfe zu einem Mord aus niedrigen Beweggründen können die Gehilfen nur dann verurteilt werden, wenn der Täter aus niedrigen Beweggründen gehandelt hat und sie selbst als Gehilfen ihre Tatbeiträge entweder ebenfalls aus niedrigen Beweggründen oder in Kenntnis der niedrigen Beweggründe des Täters erbracht haben (BGH NStZ 1996, 384).
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Das bloße Dulden des Anbaus von Betäubungsmitteln in einer gemeinsam bewohnten Wohnung stellt für sich allein keine Beihilfe zum unerlaubten Anbau oder zum unerlaubten Handeltreiben mit Btm dar (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19.01.2007 - 2 Ss 96/06).
Besteht der alleinige Tatvorwurf einer psychischen Beihilfe zu einer uneidlichen Falschaussage in der Äußerung der Verteidigerin gegenüber ihrer die Tat bestreitenden Mandantin, ?jetzt müssen Sie noch Ihre Freundin davon überzeugen, dass sie die Fahrerin war", kann der Sinn dieser Äußerung nur im Kontext mit dem vorangegangenen Ordnungswidrigkeitenverfahren ermittelt werden. Die Beihilfe zur Anstiftungshandlung setzt nicht voraus, dass der Haupttäter von der Äußerung des Gehilfen gegenüber dem Anstifter Kenntnis erhält und sich hierdurch in seinem Vorhaben bestärkt fühlt. Ausreichend ist, dass die Unterstützung des Anstifters unmittelbar dessen Beteiligung und damit mittelbar die Haupttat gefördert wird. Auch wenn die Anstiftungshandlung bereits vollendet, die durch die Beihilfehandlung mittelbar geförderte Haupttat aber noch nicht beendet ist, kann insoweit eine Beihilfehandlung mittelbar oder unmittelbar wirksam werden. Der Schuldspruch erfolgt in einem solchen Falle nicht als Beihilfe zur Anstiftung, sondern als (mittelbare) Beihilfe zur Haupttat (im Anschl. an BGH, NStZ 1996, 562 = BGHR StGB § 27 Hilfeleisten 16; NStZ 2000, 421 [422]; OLG Bamberg, Urteil vom 02.05.2006 - 2 Ss 73/05, NJW 2006, 2935 ff).
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?... 2. Die Voraussetzungen einer Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung sind nicht hinlänglich dargetan.
a) Soweit das AG einen die Tatbegehung durch G. und R. objektiv fördernden Beitrag der Angekl. darin erblickt, daß durch deren bloße Anwesenheit die Wartezeit des G. ?angenehmer gestaltet, seine Nervosität verringert und sein Verhalten gestärkt' wurde, kann dieser Wertung nicht gefolgt werden.
aa) Eine Beihilfe durch positives Tun ist hierdurch nicht gegeben.
(1) Grundsätzlich reicht bloße Anwesenheit am Tatort in Kenntnis einer Straftat selbst bei deren Billigung nicht aus, die Annahme von Beihilfe im Sinne eines aktiven Tuns zu begründen (vgl. nur BGH NStZ 2002, 139 und NStZ 1998, 622). Anderes gilt nur dann, wenn die Billigung der Tat gegenüber dem Täter zum Ausdruck gebracht und dieser dadurch in seinem Tatentschluß oder in der Bereitschaft, ihn weiterzuverfolgen, bestärkt wird und - was sorgfältiger und genauer Feststellungen bedarf - die Tat in ihrer konkreten Gestalt gefördert oder erleichtert wird (sog. psychische Beihilfe). Jedoch ist auch in diesem Fall - wie bei jeder strafrechtlichen Verantwortlichkeit für positives Tun - ein durch Handeln erbrachter Tatbeitrag des Gehilfen unabdingbare Voraussetzung (BGHR, StGB § 27 Abs. 1, Vorsatz 2; BGH - 2. Strafsenat - StV 1982, 516; LK-Roxin, StGB, 11. A., § 27 Rdnr. 15; a. A. BGH - 3. Strafsenat - StV 1982, 518 m. abl. Anm. Rudolphi); dieser kann im Einzelfall schon darin bestehen, daß der Gehilfe den Haupttäter im Wissen um dessen Vorhaben zur Tatausführung begleitet, etwa mitfährt oder mitgeht, seine Anwesenheit gleichsam ?einbringt', um den Hauttäter in seinem Tatentschluß zu bestärken und ihm das Gefühl erhöhter Sicherheit zu geben (BGH NStZ 1995, 490).
Dies wird durch die tatrichterlichen Feststellungen nicht belegt; die Angekl. hat nach den Feststellungen durch positives Tun keinen Gehilfenbeitrag geleistet. Denn G. und R. haben erst während der Fahrt (?spätestens im Auto entschlossen sich R. und G... .') den Entschluß gefaßt, erneut eine Tankstelle zu überfallen. Erst zu diesem Zeitpunkt hat die Angekl., die bereits zuvor mit den beiden umhergefahren war, - zufällig - von deren Plan Kenntnis erlangt und sich in der Folgezeit - notgedrungen - weiter im Fahrzeug aufgehalten (vgl. dazu BGH NStZ 1993, 233 und BGHR, StGB § 27 Abs. 1, Hilfeleisten 17).
(2) Unabhängig davon läßt sich aus den diesbezüglichen Urteilsfeststellungen auch nicht entnehmen, daß die Angekl. ihren Freund durch ihr beschriebenes Verhalten in seiner Bereitschaft, die Tat zu begehen oder fortzusetzen, bestärkt bzw. ihm ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit vermittelt hat. Daß G. durch die Anwesenheit der Angekl. die Wartezeit ?besser bewältigen konnte', reicht hierfür nicht aus. Es ist fernliegend, daß sich der zur Tat bereits entschlossene G. durch das Verhalten der Angekl. in irgendeiner Weise hätte beeinflussen lassen, zumal dieser bereits zuvor gemeinsam mit R. entsprechende Raubüberfälle begangen hatte (vgl. hierzu BGH NStZ 1998, 622).
bb) Eine Beihilfe durch Unterlassen durch das entsprechende Verhalten der Angekl. kommt hier bereits deshalb nicht in Betracht, weil diese nach den Feststellungen keine Garantenpflicht i. S. d. § 13 StGB zur Abwendung der Tat traf. Eine solche kann nach den bisherigen Feststellungen insbes. nicht aus vorangegangenem Tun begründet werden (vgl. hierzu BGH StV 1982, 516).
b) Soweit das AG einen vom Gehilfenvorsatz getragenen, die Begehung der Haupttat objektiv fördernden Beitrag der Angekl. darin sieht, daß sie den nach der Begehung des Überfalls ?herbeieilenden R. in das Fahrzeug einsteigen ließ', sind die Feststellungen lückenhaft.
Zwar läßt sich den Feststellungen noch hinreichend entnehmen, daß die Angekl. hierdurch objektiv die noch nicht beendete Tat des G. und des R. gefördert hat, jedoch ist nicht erkennbar, daß sie diesbezüglich mit Gehilfenvorsatz, also in dem Bewußtsein, das Vorhaben der Haupttäter zu fördern (BGHR, StGB § 27 Abs. 1, Vorsatz 2), gehandelt hat.
Konkrete Feststellungen hierzu enthält das amtsgerichtliche Urteil nicht. Der Gehilfenvorsatz läßt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen. Denn aufgrund der nur sehr allgemeinen Beschreibung des objektiven Vorgangs des ?Einsteigenlassens' ist ein Rückschluß auf die betreffenden subjektiven Vorstellungen der Angekl. nicht möglich, zumal gegen die Annahme eines Gehilfenvorsatzes insbes. dann Bedenken bestehen können, wenn - wie möglicherweise hier - der Beitrag des ?Gehilfen' für diesen erkennbar zum Gelingen der Tat an sich nicht erforderlich und auch nach Art der Tatausführung ohne Bedeutung war (BGHR, StGB § 27 Abs. 1, Vorsatz 4 und Hilfeleisten 15).
c) Auch die festgestellte bloße Anwesenheit der Angekl. während der Fluchtfahrt stellt keinen die Tatbegehung objektiv fördernden Beitrag dar. Zwar kann Beihilfe auch noch nach Vollendung der Haupttat geleistet werden (BGHR, StGB § 27 Abs. 1, Hilfeleisten 1), jedoch scheidet dies im vorliegenden Fall aufgrund der bereits unter Ziffer II.2.a. aa. und bb. dargestellten Erwägungen aus.
Soweit sich die Angekl. nach den getroffenen Feststellungen auf einem Parkplatz am D. Flughafen an der Zählung des erbeuteten Geldes beteiligt und einen Teil hiervon von G. erhalten hat, kann hierin eine Beihilfehandlung bereits deshalb nicht erblickt werden, da die Haupttat zu diesem Zeitpunkt bereits beendet war (BGH StV 1991, 127). Denn aufgrund der erheblichen Entfernung zu dem in Wuppertal gelegenem Tatort war zu diesem Zeitpunkt bereits eine gewisse Sicherung des Gewahrsams an der Beute eingetreten (vgl. BGHR StGB § 27 Abs. 1, Hilfeleisten 1). ..." (OLG Düsseldorf, Beschluß vom 9.5.2005 - III 2 Ss 24/05).
(6) Gehilfenvorsatz
?... 1. Der Schuldspruch hat keinen Bestand, weil die Feststellungen des Landgerichts seine Annahme, beide Angeklagten hätten mit Gehilfenvorsatz gehandelt, nicht tragen.
a) Nach den Urteilsgründen leisteten die Angeklagten in unterschiedlichem Umfang durch das Bereitstellen von Bankkonten, durch Weiterüberweisung und die Abhebung eingegangener Geldbeträge Beihilfe zum Computerbetrug zum Nachteil von Online-Banking-Nutzern durch sogenanntes ?Phishing'. Zur subjektiven Tatseite hat das Landgericht festgestellt, den Angeklagten sei bewusst gewesen, ?dass die Zahlungseingänge einen illegalen Hintergrund hatten'. Die Angeklagte E. habe zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt, da ?sie bewusst in Kauf genommen' habe, ?jedwede, den Umständen nach nicht fernliegende Art von Vermögensdelikten, insbesondere auch Delikte des Computerbetrugs durch ihr Verhalten zu unterstützen'. Ebenso habe der Angeklagte V. den subjektiven Tatbestand der Beihilfe zum Computerbetrug erfüllt. Auch wenn er Einzelheiten dazu, wie die Gelder auf die Konten gelangt seien, nicht ?konkret' gekannt habe, sei ihm doch bewusst gewesen, dass es sich um etwas ?Illegales' gehandelt habe. Er habe dies nicht weiter hinterfragt und damit ?bewusst in Kauf genommen, irgendeine, nicht fernliegende Art von Vermögensdelikten, darunter auch einen etwaigen Computerbetrug, durch sein Verhalten zu unterstützen'.
b) Damit ist der Gehilfenvorsatz der Angeklagten nicht belegt. Zwar braucht der Gehilfe Einzelheiten der Haupttat nicht zu kennen und keine bestimmte Vorstellung von ihr zu haben (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 - 3 StR 420/10, NStZ 2011, 399, 400; Urteil vom 18. April 1996 - 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 137). Eine andere rechtliche Einordnung der Tat ist für den Gehilfenvorsatz unschädlich, sofern die vorgestellte Haupttat in ihrem Unrechtsgehalt von der tatsächlich begangenen nicht gänzlich abweicht (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 27 Rn. 22). Allerdings muss der Gehilfe seinen eigenen Tatbeitrag sowie die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung, im Sinne bedingten Vorsatzes zumindest für möglich halten und billigen. Dieses Mindestmaß einer Konkretisierung des Gehilfenvorsatzes hat das Landgericht nicht festgestellt. Dass die Angeklagten ?jedwedes' oder ?irgendein' Vermögensdelikt fördern wollten, reicht nicht aus.
c) Eine Änderung des Schuldspruchs in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO kommt aufgrund der unzureichenden Feststellungen, die ihrerseits der Aufhebung unterliegen (§ 353 Abs. 2 StPO), nicht in Betracht. Im Übrigen schließt der Senat nicht aus, dass ein neuer Tatrichter weitergehende Feststellungen zur Frage des Gehilfenvorsatzes treffen kann.
2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Der neue Tatrichter wird bei der Bewertung der Tatbeiträge der Angeklagten zu berücksichtigen haben, dass Beihilfe nur bis zur materiellen Beendigung der Haupttat, also bis zur endgültigen Sicherung ihres Erfolges, möglich ist. Danach kommt nach Maßgabe des § 257 Abs. 3 StGB eine Strafbarkeit wegen Begünstigung in Betracht. Von einer materiellen Beendigung solcher Taten des Computerbetruges, bei denen aufgrund einer Manipulation des Datenverarbeitungsvorgangs Geldbeträge von Konten der Geschädigten auf Empfängerkonten geleitet werden, ist auszugehen, sobald entweder das überwiesene Geld vom Empfängerkonto abgehoben oder auf ein zweites Konto weiterüberwiesen worden ist.
b) Bei der Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses der der Angeklagten E. zur Last gelegten Taten wird der neue Tatrichter zu beachten haben, dass die Förderung mehrerer rechtlich selbständiger Taten durch eine Beihilfehandlung nur als eine Beihilfe im Rechtssinne zu werten ist. Leistet der Gehilfe allerdings nicht nur durch eine Beihilfehandlung zu verschiedenen Haupttaten, sondern zusätzlich zu jeder Haupttat noch durch weitere selbständige Unterstützungshandlungen Hilfe im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB, so stehen die Beihilfehandlungen für jede Haupttat im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2008 - 5 StR 594/07, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Konkurrenzen 1; Beschluss vom 22. September 2008 - 1 StR 323/08, BGHR AO § 370 Abs. 1 Beihilfe 8). Sollte der neue Tatrichter daher feststellen, dass die Angeklagte E. nicht nur im Sinne einer Beihilfehandlung für mehrere Haupttaten Konten zur Verfügung gestellt oder einen Dritten als Empfänger von durch Computerbetrug erlangter Überweisungen gewonnen, sondern im Stadium zwischen Vollendung und Beendigung der Haupttat durch das Abheben von Geldern vom ersten Empfängerkonto Hilfe geleistet hätte, hätte er auf dieser Grundlage von mehreren Beihilfetaten im Sinne des § 53 StGB auszugehen. ..." (BGH, Beschluss vom 28.02.2012 - 3 StR 435/11)
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?... Entgegen der Auffassung der Revision belegen die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, dass der Angeklagte durch die von ihm geleisteten Aufpasserdienste den von den drei Mitangeklagten verübten Überfall auf eine Tankstelle wissentlich gefördert und sich damit der Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung schuldig gemacht hat. Zu Recht weist der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift darauf hin, dass die Strafbarkeit wegen Beihilfe nicht voraussetzt, dass der Gehilfe die konkreten Tatumstände in allen Einzelheiten kennt; es reicht vielmehr aus, dass sich sein Vorsatz auf die Ausführung einer in ihren wesentlichen Merkmalen oder Grundzügen konkretisierten Tat richtet (BGHSt 42, 135, 137). ..." (BGH, Beschluss vom 25.09.2007 - 4 StR 392/07).
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?... Im Rahmen der Teilnahmelehre ist anerkannt, dass sich der Vorsatz des Anstifters oder Gehilfen in jedem Fall auf eine vollendete Haupttat erstrecken muss (Hoyer in SK-StGB vor § 26 Rdn. 59 m. w. N.). Wenn die Haupttat objektiv nicht über das Versuchsstadium hinausgelangt, genügt für die Annahme einer strafbaren Beteiligung an dieser versuchten Tat dementsprechend nicht, dass der Teilnehmer den Vorsatz hatte, dass es durch seine Anstiftungs- oder Unterstützungshandlung jedenfalls zu dem tatsächlich begangen Versuch kommen wird. Vielmehr kommt eine strafbare Teilnahme erst in Betracht, wenn er eine vollendete Tat angestrebt hat oder - zumindest mit bedingtem Vorsatz - von einer Vollendung ausgegangen ist. ..." (BGH, Beschluss vom 24.10.2006 - 3 StR 392/06)
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Für den Beihilfevorsatz eines als Rechtsanwalt herangezogenen firmenexternen Beraters sind grundsätzlich folgende - allgemein für berufstypische "neutrale" Handlungen geltende - Grundsätze zur beachten: Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, daß sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, daß er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ (BGH StV 2000, 479).
Beihilfe zum Bandenhandel kommt nicht in Betracht, wenn der Gehilfe von einem eventuellen bandenmäßigen Zusammenschluß derer, die er unterstützt, keine Kenntnis hat (BGH StV 597, 594).
Die Übermittlung von Rauschgifterlösen an Personen, die von der wahren Herkunft des Geldes nichts wissen und es für Projekte verwenden, die mit Betäubungsmittelumsatz nicht das geringste zu tun haben, kann keine Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln darstellen. In Betracht kommen hier viel mehr nur Begünstigung und eventuell Strafvereitelung (BGH StV 1997, 591).
(7) Konkurrenzen
Unterstützt der Gehilfe durch eine Handlung mehrere je für sich selbstständige Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, die sich erst in ihrer Gesamtheit auf eine "nicht geringe Menge" beziehen, so macht er sich nur wegen einer Beihilfe zu einem Vergehen nach § 29 I Nr. 1 BtMG strafbar (BGH StV 2005, 273).
Für die Frage nach dem Vorliegen einer Handlung oder mehrerer Handlungen i. S. der §§ 52, 53 StGB ist jeder Tatbeteiligte nach seinem eigenen Tatbeitrag zu beurteilen. Insoweit liegt eine einheitliche Beihilfe vor, wenn der Tatbeteiligte durch dieselben Hilfeleistungen Beihilfe zu mehreren Haupttaten geleistet hat (BGH wistra 2004, 417).
Mehrere Handlungen, mit denen nur eine Tat unterstützt wird, stellen in der Regel rechtlich nur eine Beihilfetat dar, da sich das Unrecht des Gehilfen nur aus dem Unrecht der Rechtsgutverletzung der Haupttat ableiten lässt. Fördert der Gehilfe nur einzelne der Handlungen, die beim Haupttäter zu einer Bewertungseinheit zusammengefasst wurden (zum Beispiel einzelne Verkäufe des Rauschgiftes), und nicht auch diejenigen Handlungen, die zur Zusammenfassung als Bewertungseinheit führen (z.B. den Einkauf), so erscheint es durchaus sachgerecht, den Grundsatz, wonach bei mehreren Beteiligten für jeden nach der Art seines Tatbeitrages selbstständig zu ermitteln ist, ob Handlungseinheit oder Tatmehrheit gegeben ist, auch im Bereich der Bewertungseinheit anzuwenden (BGH, Urteil vom 11.12.2003 - 3 StR 375/03).
Eine Beihilfe i. S. des § 52 StGB liegt vor, wenn der Gehilfe mit einer einzigen Unterstützungshandlung zu mehreren Haupttaten eines anderen Hilfe leistet. Demgegenüber ist Tatmehrheit nach § 53 StGB anzunehmen, wenn durch mehrere Hilfeleistungen mehrere Taten unterstützt werden. Diese Grundsätze gelten nicht nur für aktive Unterstützungshandlungen des Gehilfen, sondern auch für die durch garantenpflichtwidriges Unterlassen geleistete Beihilfe (BGH StV 2000, 195).
Mehrere Beihilfehandlungen zu einer Tat eines Täters rechtfertigen grundsätzlich nur die Annahme einer Beihilfe. Das gilt jedenfalls dann, wenn ein enger zeitlicher und örtlicher Zusammenhang zwischen den Einzelhandlungen besteht (BGH 1999, 644).
(8) Besonders schwere Fälle
Für eine Beihilfe im besonders schweren Fall ist nicht entscheidend, dass sich die Tat des Haupttäters, zu der Beihilfe geleistet wird, als besonders schwerer Fall erweist; zu prüfen ist vielmehr das Gewicht der Beihilfehandlung selbst (BGH, Beschluss vom 23.11.2000 - 3 StR 225/00).
Für die Bewertung und Gewichtung einer Teilnahmehandlung als besonders schwerer Fall kommt es in erster Linie auf den Unwert des vom Tatbeteiligten erbrachten Tatbeitrags sowie auf die dadurch verwirklichte und von seiner Person bestimmte Schuld als solche an und erst in zweiter Linie und nur mittelbar auf das mit der Haupttat verwirklichte Unrecht (BGH wistra 2000, 55).
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Beischlaf zwischen Verwandten § 173 StGB
(1) Wer mit einem leiblichen Abkömmling den Beischlaf vollzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Wer mit einem leiblichen Verwandten aufsteigender Linie den Beischlaf vollzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft; dies gilt auch dann, wenn das Verwandtschaftsverhältnis erloschen ist. Ebenso werden leibliche Geschwister bestraft, die miteinander den Beischlaf vollziehen.
(3) Abkömmlinge und Geschwister werden nicht nach dieser Vorschrift bestraft, wenn sie zur Zeit der Tat noch nicht achtzehn Jahre alt waren.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Strafvorschrift des § 173 II 2 StGB, die den Beischlaf zwischen Geschwistern mit Strafe bedroht, ist mit dem Grundgesetz vereinbar (BVerfG, Beschluss vom 26.02.2008 - 2 BvR 392/07 zu GG Art. 1 I, 2 I, 3 I, III, 6 I, 20 III; StGB § 173 II 2).
Beistand - Ehegatte - Lebenspartner § 149 StPO
(1) Der Ehegatte oder Lebenspartner eines Angeklagten ist in der Hauptverhandlung als Beistand zuzulassen und auf sein Verlangen zu hören. Zeit und Ort der Hauptverhandlung sollen ihm rechtzeitig mitgeteilt werden.
(2) Dasselbe gilt von dem gesetzlichen Vertreter eines Angeklagten.
(3) Im Vorverfahren unterliegt die Zulassung solcher Beistände dem richterlichen Ermessen.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Hinsichtlich der Rüge der Revision einer Verletzung des § 149 Abs. 2 StPO, weil der Betreuer des Angeklagten keine Mitteilung über den Termin der Hauptverhandlung erhalten habe, ist die Beanstandung - unabhängig von deren Zulässigkeit - jedenfalls unbegründet. Eine Anwendung von § 149 Abs. 2 StPO scheidet bereits deswegen aus, weil eine Betreuung - erst Recht wenn sie wie vorliegend ohne Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) eingerichtet ist - nicht zu einer Geschäftsunfähigkeit des Betreuten führt (vgl. hierzu Schwab in MünchKomm-BGB 4. Aufl. vor § 1896 Rdn. 4) und der Betreuer daher auch kein gesetzlicher Vertreter ist. Auch eine entsprechende Anwendung von § 149 Abs. 2 StPO ist nicht geboten; denn das Strafverfahrensrecht legt die Wahrnehmung der Interessen des Beschuldigten im Strafverfahren, gerade auch wenn eine Unterbringung in Betracht kommt, in die Hände des (notwendigen) Verteidigers (§ 24 Abs. 1 Nr. 2 u. Abs. 2 GVG i.V.m. § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO).
Auch die Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO gebot vorliegend nicht die Anhörung des Betreuers; denn dieser hat nach den Feststellungen der Strafkammer nur insoweit Kontakt mit dem Betreuten, als er ihm zweiwöchentlich eine bestimmte Geldsumme zu dessen eigener Verwendung auszahlt (anders im Sachverhalt BGH NStZ 1996, 610). ..." (BGH, Beschluss vom 23.04.2008 - 1 StR 165/08)
Beiziehung von Akten
Siehe unter ?Beweisanträge in der Hauptverhandlung - Ablehnung als unzulässig und aus sonstigen Gründen".
Bekanntgabe der Entscheidungen § 35 StPO
(1) Entscheidungen, die in Anwesenheit der davon betroffenen Person ergehen, werden ihr durch Verkündung bekanntgemacht. Auf Verlangen ist ihr eine Abschrift zu erteilen.
(2) Andere Entscheidungen werden durch Zustellung bekanntgemacht. Wird durch die Bekanntmachung der Entscheidung keine Frist in Lauf gesetzt, so genügt formlose Mitteilung.
(3) Dem nicht auf freiem Fuß Befindlichen ist das zugestellte Schriftstück auf Verlangen vorzulesen.
Leitsätze/Entscheidungen:
?... Der Beschwerdeführer macht zu Recht geltend, der Vorsitzende wäre im vorliegenden Fall gehalten gewesen, dem vom Verteidiger außerhalb der Hauptverhandlung geäußerten Verlangen nachzukommen, ihm gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 StPO eine Abschrift des umfangreichen Beschlusses zu erteilen, mit dem sein Beweisantrag abgelehnt wurde (vgl. Maul in KK 5. Aufl. § 35 Rdn. 9). Die - nochmals außerhalb der Hauptverhandlung - erklärte Weigerung des Vorsitzenden, eine Abschrift des Beschlusses zu erteilen, war daher nicht sachgerecht, wie auch die dadurch unnötigerweise provozierte Anrufung des Oberlandesgerichts zeigt.
Die darauf gestützte Rüge der ?Behinderung der Verteidigung' ist gleichwohl unbegründet. Dabei kann offen bleiben, ob sich das Verhalten des Vorsitzenden nach § 338 Nr. 8 StPO (was eher fern liegt, vgl. Hanack in Löwe/ Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 338 Rdn. 129) oder nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens beurteilt (vgl. Senat, Urt. vom 10. Mai 1995 - 1 StR 764/94). Das Urteil beruht jedenfalls nicht auf der Weigerung des Vorsitzenden, weil die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs mit dem Urteil auszuschließen ist.
In dem abgelehnten Beweisantrag sollte ein Auslandszeuge zur Richtigkeit einer vom Hauptbelastungszeugen behaupteten Äußerung des Angeklagten ihm gegenüber gehört werden. Diese Äußerung betraf einen Vorgang, der - wie der Beschwerdeführer selbst vorträgt - in keinem Zusammenhang mit den Tatvorwürfen stand. Beweisthema war allein, ob das behauptete Gespräch vom Hauptbelastungszeugen zuverlässig bekundet worden war. Das jedoch konnte allenfalls dessen ?allgemeine Glaubwürdigkeit' betreffen. Dass ein solcher Beweisantrag, der schwerlich etwas über ?die Glaubwürdigkeit in der vorliegenden Sache' (§ 68 Abs. 4 StPO) besagt, also nahe liegend ohne Bedeutung für die Glaubhaftigkeit der Bekundungen des Zeugen zum Tatvorwurf war, als bedeutungslos abgelehnt werden würde (vgl. nur BGH NJW 2005, 1519), lag für den Antragsteller ebenso auf der Hand wie eine auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gestützte Ablehnung. Auf diese beiden Gründe hat das Landgericht dann auch - rechtsfehlerfrei - seinen Ablehnungsbeschluss gestützt. Jedenfalls diese tragenden Gründe konnte der Beschwerdeführer auch dem mündlich verkündeten Beschluss entnehmen, so dass ihm dadurch noch hinreichend rechtliches Gehör gewährt wurde. Hinzu kommt, das er in der Revisionsbegründung nicht verdeutlicht hat, welche - konkreten - Verteidigungsaktivitäten ihm durch die Nichterteilung der Abschrift des Ablehnungsbeschlusses verwehrt blieben, die den Senat zu einer anderen Beurteilung der Beruhensfrage hätte veranlassen können. ..." (BGH, Beschluss vom 10.10.2007 - 1 StR 455/07).
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Ein schriftlicher Durchsuchungsbeschluss ist dem Betroffenen nach § 35 StPO grundsätzlich durch Aushändigung einer Ausfertigung mit vollständiger Begründung bekannt zu machen. Die Übung, dem Betroffenen nur die Durchsuchungsanordnung", also lediglich die Beschlussformel der Entscheidung des Ermittlungsrichters, nicht aber den vollständigen Durchsuchungsbeschluss mit Gründen auszuhändigen, unterliegt verfassungsrechtlichen Bedenken (BGH, Urteil vom 07.11.2002 - 2 BJs 27/02 - 5 StB 16/02).
Die Übung, den vom Grundrechtseingriff Betroffenen nur die "Durchsuchungsanordnung", also lediglich die Beschlussformel der Entscheidung des Ermittlungsrichters, nicht aber den vollständigen Durchsuchungsbeschluss mit Gründen auszuhändigen, unterliegt verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies schließt jedoch nicht aus, dass nach den das Ermittlungsverfahren beherrschenden allgemeinen Grundsätzen ausnahmsweise die Bekanntmachung der Gründe zurückgestellt werden kann, wenn durch sie der Untersuchungszweck gefährdet wäre (BGH, Urteil vom 07.11.2002 - StB 16/02).
Über die antragsgemäße Erteilung eines Sprechscheins für ein Anbahnungsgespräch ist der Rechtsanwalt gem. § 35 StPO zu unterrichten. Eine bloße mündliche Unterrichtung der Justizvollzugsanstalt über die Zulassung des Mandats-Anbahnungsgesprächs ist nicht ausreichend. Denn es kann nicht der zufälligen Anwesenheit des Rechtsanwalts in der Justizvollzugsanstalt überlassen bleiben, ob er auf diesem Wege von der Zulassung zum Mandatsgespräch mit dem Inhaftierten erfährt oder nicht. Die Beschwerde gegen die "Nichtentscheidung" ist jedenfalls solange statthaft und zulässig, als es an der Bekanntmachung der Sprecherlaubnis an den Antragstleler fehlt (LG München I StV 2000, 517).
Wird der in der Berufungshauptverhandlung von dem hierzu bevollmächtigten Verteidiger gestellte Antrag, den - nicht erschienenen - Angeklagten gemäß § 233 Abs. 1 StPO von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, durch einen in Anwesenheit des Verteidigers verkündeten Beschluß abgelehnt, so braucht dieser nicht auch dem Angeklagten selbst bekanntgemacht zu werden; das Gericht kann vielmehr sogleich nach § 329 Abs. 1 StPO verfahren (BGH, Beschluß vom 29.01.1974 - 1 StR 198/73).
Das Urteil, das in der Einspruchsverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten, aber in Anwesenheit des ihn vertretenden Verteidigers ergeht, kann nach § 145 a StPO statt an den Angeklagten auch an den zur Empfangnahme von Zustellungen ermächtigten Verteidiger zugestellt werden (BayObLG NJW 1966, 2323).
Belastung
Siehe unter ?Beweisanträge im Ermittlungsverfahren" und ?Ermittlungen der Staatsanwaltschaft".
Belehrungspflichten bei Vernehmung des Beschuldigten
Siehe unter ?Beschuldigtenvernehmung".
Belehrung des Angeklagten in der Verhandlung
Siehe dazu unter ?Gang der Hauptverhandlung".
Belehrung über das Recht auf konsularische Unterstützung
Es gehört grundsätzlich zu den Begründungsanforderungen einer Rüge überlanger Verfahrensdauer, dass ein Beschwerdeführer nicht nur Angaben zur Verfahrensdauer, sondern auch substanziierte Ausführungen dazu macht, aus welchen Gründen diese Verfahrensdauer nach den konkreten Umständen des Verfahrens als unverhältnismäßig lang angesehen werden muss. Für die verfassungsunmittelbare Pflicht innerstaatlicher Gerichte, die einschlägigen Entscheidungen des IGH (hier: zu den Folgen der unterbliebenen Belehrung ausländischer Beschuldigter über ihr in Art. 36 I WUEK normiertes subjektives Recht auf konsularischen Beistand, Fälle LaGrand und Avena) zu berücksichtigen, ist es von zentraler Bedeutung, dass das Fachgericht offenlegt, die einschlägige Judikatur zur Kenntnis genommen und sich mit ihr auseinandergesetzt zu haben. Geht es dann um die Frage, ob ein Fachgericht einer Entscheidung des IGH auch den richtigen Inhalt beigemessen hat, kann ein Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Berücksichtigungspflicht nur bei einer erkennbar fehlerhaften Rezeption angenommen werden (im Anschluss an BVerfG, NJW 2007, 499). Die Auffassung, eine Verletzung des Belehrungsrechts aus § 36 I lit. b S. 3 WÜK betreffe nicht den Rechtskreis eines Mitbeschuldigten, für den das Belehrungsrecht selbst nicht gilt, verstößt nicht gegen das Willkürverbot (Art. 3 I GG; BVerfG, Beschluss vom 08.07.2010 - 2 BvR 2485/07, 2 BvR 2513/07, 2 BvR 2548/07, 2 BvR 2485, 2513, 2548/07):
?... Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Frage, ob der Bundesgerichtshof in dem angegriffenen Beschluss seiner verfassungsrechtlichen Pflicht zur Berücksichtigung der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs über die Rechte aus Art. 36 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 (WÜK, BGBl 1969 II S. 1585) nachgekommen ist.
A. I. 1. a) Nach Art. 36 Abs. 1 Buchstaben b und c WÜK haben die Behörden im Fall der Festnahme eines Ausländers unverzüglich die konsularische Vertretung seines Heimatstaats zu benachrichtigen. Die Konsularbeamten sind berechtigt, mit dem Festgenommenen Kontakt aufzunehmen und für seine rechtliche Vertretung zu sorgen. Über die in dieser Bestimmung gewährleisteten Rechte ist der Festgenommene nach Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK unverzüglich zu unterrichten. Nach Art. 36 Abs. 2 WÜK muss das innerstaatliche Recht ermöglichen, die Zwecke der in Absatz 1 vorgesehenen Rechte vollständig zu verwirklichen (s. im Einzelnen bereits BVerfGK 9, 174 (175 f.)).
b) Durch Fälle, in denen Ausländer in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) zum Tode verurteilt wurden, ohne dass sie dem Konsularrechtsübereinkommen entsprechend belehrt worden waren und ohne dass die konsularische Vertretung des Heimatstaats benachrichtigt worden war, rückte die Frage, ob und gegebenenfalls welche rechtlichen Konsequenzen aus einem völkerrechtlichen Verstoß gegen das Konsularrechtsübereinkommen für das innerstaatliche Strafverfahren zu ziehen sind, in den Fokus des Interesses. Durch Klagen zunächst Deutschlands (LaGrand-Fall) und später Mexikos (Avena-Fall) gegen die USA vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag (IGH) erhielt dieser Gelegenheit, sich zu Völkerrechtsverletzungen und ihren möglichen innerstaatlichen Konsequenzen zu äußern (IGH, LaGrand Case, Germany v. United States of America, Judgment of 27 June 2001, ICJ Reports 2001, S. 464; IGH, Case concerning Avena and other Mexican Nationals, Mexico v. United States of America, Judgment of 31 March 2004, ICJ Reports 2004, S. 12; vgl. auch die nähere Darstellung in BVerfGK 9, 174 (176 f.)).
2. a) Der Beschwerdeführer zu I. ist türkischer Staatsbürger. Er wurde wegen räuberischer Erpressung mit Todesfolge vom Landgericht Hamburg am 5. April 2002 zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren verurteilt. Im Rahmen der Beweiswürdigung stützte sich das Landgericht auch auf eine im Wesentlichen geständige Einlassung des Beschwerdeführers zu I., die dieser im Anschluss an seine Festnahme bei der Polizei gemacht hatte und die durch zeugenschaftliche Vernehmung des Vernehmungsbeamten in die Hauptverhandlung eingeführt wurde. In der Hauptverhandlung hatte der Beschwerdeführer zu I. später teilweise abweichende Angaben gemacht. Weder bei seiner Festnahme noch zu einem späteren Zeitpunkt war der Beschwerdeführer zu I. nach Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK über seine Rechte aus dem Konsularrechtsübereinkommen belehrt worden; die Belehrungen nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO wurden ordnungsgemäß erteilt (vgl. die nähere Darstellung in BVerfGK 9, 174 (181 f.)).
b) Der Beschwerdeführer zu II. ist deutscher, der Beschwerdeführer zu III. serbischer Staatsangehöriger. Sie wurden vom Landgericht Braunschweig durch Urteil vom 5. Juli 2000 wegen Anstiftung zum Mord zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. In der Beweiswürdigung stützt sich das Urteil des Landgerichts auch auf Angaben, die einer der in der Hauptverhandlung schweigenden Beteiligten, ein türkischer Staatsangehöriger, im Verlauf des Ermittlungsverfahrens gegenüber der Polizei gemacht hatte und die durch zeugenschaftliche Vernehmung der Vernehmungsbeamten in die Hauptverhandlung eingeführt worden waren. Eine Belehrung dieses Beteiligten nach Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK erfolgte weder vor der polizeilichen Vernehmung noch im weiteren Verlauf des Strafverfahrens; die Belehrungen nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO wurden auch hier ordnungsgemäß erteilt (vgl. die nähere Darstellung in BVerfGK 9, 174 (179 f.)).
c) Die von den Beschwerdeführern gegen die Strafurteile jeweils eingelegten Revisionen blieben in beiden Verfahren ohne Erfolg (BGH, Beschluss vom 7. November 2001 - 5 StR 116/01 -, NStZ 2002, S. 168; BGH, Beschluss vom 29. Januar 2003 - 5 StR 475/02 -; vgl. zu den ersten Revisionsverfahren bereits BVerfGK 9, 174 (180 ff.)).
3. Gemeinsam mit weiteren Verurteilten erhoben die Beschwerdeführer gegen die beiden Revisionsbeschlüsse des Bundesgerichtshofs Verfassungsbeschwerden (vgl. zum damaligen Vortrag BVerfGK 9, 174 (182 ff.)), denen das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 19. September 2006 (BVerfGK 9, 174 ff.) stattgab, nachdem es die Verfassungsbeschwerden zuvor zur gemeinsamen Entscheidung verbunden hatte. Die Revisionsbeschlüsse des Bundesgerichtshofs wurden aufgehoben und die Sachen zur erneuten Revisionsentscheidung an ihn zurückverwiesen.
4. Mit nunmehr angegriffenem Beschluss vom 25. September 2007 (BGHSt 52, 48) verband der Bundesgerichtshof die Revisionsverfahren ebenfalls zur gemeinsamen Entscheidung. Er verwarf sämtliche Revisionen erneut als unbegründet, diejenige des Beschwerdeführers zu I., in dessen Person der Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK begangen worden war, mit der Maßgabe, dass von der verhängten elfjährigen Freiheitsstrafe sechs Monate als vollstreckt gälten.
a) Der Bundesgerichtshof führte aus, eine Gesetzesverletzung liege darin, dass der Beschwerdeführer zu I. sowie der Mitangeklagte der Beschwerdeführer zu II. und III. nach ihrer Festnahme nicht nach Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK belehrt worden seien. Ein Beruhen der Beweiswürdigung in den angefochtenen Urteilen auf den Ergebnissen der in dieser Situation erfolgten Vernehmungen könne der Senat nicht ausschließen, wenn sie auch in beiden Fällen eher fern liege (vgl. BGHSt 52, 48 (52)). Die Beschwerdeführer zu II. und III. könnten aus der Verletzung des subjektiven Rechts ihres Mitangeklagten für sich allerdings von vornherein keine Verletzung eigener Verfahrensrechte herleiten. Die Belehrungspflicht knüpfe individuell an die fremde Staatsangehörigkeit und Festnahmesituation des unmittelbar Betroffenen an, sodass der Rechtskreis des Mitbeschuldigten von einem Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK nicht berührt werde (vgl. BGHSt 52, 48 (52 f.)). Aber auch für die unmittelbar Verletzten ziehe der Verstoß gegen das Konsularrechtsübereinkommen kein Beweisverwertungsverbot nach sich, welches anzunehmen Völker- oder Verfassungsrecht nicht geböten. Die Rechtslage stelle sich unter Berücksichtigung von Art und Gewicht der Rechtsverletzung anders dar als im Fall des § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO, für den von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen werde. Durch letztere Bestimmung würden wesentliche Rechte des Beschuldigten unmittelbar bezogen auf eine Vernehmungssituation zentral geschützt. Dem sei die Belehru