Laienverteidigung

FORSCHUNG UND FORSCHUNGSFÖRDERUNG: TRENDS, ZIELE UND BETRUG

Kampf und Krampf: Forschung zwischen Geld, PR-Zielen und Machtpolitik


1. Das Beispiel AgroBioTechnikum
2. Kampf und Krampf: Forschung zwischen Geld, PR-Zielen und Machtpolitik
3. Die Player

Soweit Dokumente aus der Vergangenheit (z.B. Pressezitate) aus dokumentarischen Gründen auf dieser Seite enthalten oder verlinkt sind, sei klargestellt, dass die Kritik an Veruntreuung, Betrug oder Geldwäsche im Zusammenhang mit Fördergeldern nicht gegen Uwe Schrader oder Kerstin Schmidt gerichtet ist. Die sind stets nur als Dienstleister_innen, Unterstützer_innen oder Bereitsteller_innen von Infrastruktur für die betrügerischen Feldversuche tätig gewesen.

Interview mit der amerikanischen Wissenschaftshistorikerin Kay in der taz vom 4.9.2000:
Heutzutage sind Wissenschaftler Politiker, sie sind Aktienhändler, sie haben ihre eigenen Biotech-Unternehmen und sitzen nicht länger nur in ihren Laboratorien herum. In den USA sind mindestens 80 Prozent der Molekularbiologen an eigenen kommerziellen Biotech-Unternehmen beteiligt. Das ist also nicht länger ein rein akademisches Problem, und daher ist es auch nicht nur ein Problem der Medien. Die Wissenschaftler sind massiv an der sozialen und politischen Verbreitung ihrer Arbeit beteiligt.

Nicht alle sagen so deutlich, um was es bei der Gentechnik geht, wie die Tübinger Nobelpreisträgerin und Biologin Christiane Nüsslein-Volhard in einem Interview (auf: SWR, 25.3.2015): "Die zusätzlichen Gene, die da drin sind, haben nichts mit Nahrung zu tun, also die sind eigentlich nur, um die ganze Geschichte wirtschaftlicher zu machen ... Verbessert heißt: Wirtschaftlicher, also der Anbau ist wirtschaftlicher. Das ist das verbesserte daran." Ähnlich ehrlich ist Hubert Markl, Ex-Chef der Deutschen Forschungsgemeinschaft - hinsichtlich der Idee von totaler Naturbeherrschung: "Dass dabei die Schöpfung manipuliert wird, ist richtig. Dass dies notwendig und sittlich geradezu geboten ist, um eben diese Schöpfung vor völliger Zerstörung zu retten, ist jedoch ebenfalls richtig."

Im Original: Gentechnik als Beherrschungtechnik
Dürr, Hans-Peter (2010): „Warum es ums Ganze geht“, Ökom in München (S. 80 f.)
Der so forsch daherkommende und sich fundamentalistisch gebärdende wissenschaftlich?industrielle Komplex will nun darüber hinaus auch noch ein ganz neues Instrument für die globalen Managementaufgaben anbieten: die Gentechnik . Auch hier gebrauchte Markl in seinem SPIEGEL-Essay die erschreckende Sprache des Unmaßes: "Dass dabei [bei der Gentechnik] die Schöpfung manipuliert wird, ist richtig. Dass dies notwendig und sittlich geradezu geboten ist, um eben diese Schöpfung vor völliger Zerstörung zu retten, ist jedoch ebenfalls richtig."

Dennoch ist die Agro-Gentechnik immer ein beliebtes Thema für grundsatzpolitische Aussagen über Forschung und Forschungsförderung. Da werfen sich auch die edelsten Akademien, Nobelpreisträger_innen und andere in den Ring, um ihre Sicht der Dinge darzustellen. Doch was herauskommt, ist selten Expertise, eher hingegen schlichte Forderungen nach mehr Geld und weniger öffentliche Kontrolle und ideologisch aufgeladene Polemiken. Einen Spitzenplatz nimmt dabei das Papier der Nationalen Wissenschaftsakademien ein, die am 13.10.2009 mit einem Papier in die Koalitionsverhandlungen zwischen FPD, CDU und CSU eingreifen wollen, dass jedes neoliberale Kampfpapier aus FDP-Kreisen in den Schatten stellt. Wütend wird zwar eingeräumt, dass die Akzeptanz der in Forscher_innenaugen weltrettenden Technologie sehr klein ist: "Demokratische Politik kann die Meinung der Wähler nicht ignorieren". Doch daraus abzuleiten, auf die Agro-Gentechnik zu verzichten, fällt ihnen nicht ein. Im Gegenteil - sie fordern von den Politiker_innen die große Umerziehung. Diese seien "dafür mitverantwortlich, dass die Wähler Fakten zur Kenntnis nehmen." So "muss dem Verbraucher vermittelt werden, dass die Grüne Gentechnik ... Möglichkeiten bietet", einfach alles besser zu machen und selbst die "Artenvielfalt zu fördern". Wie das? Neue Arten aus dem Genlabor? Jeder/m einigermaßen reflektierten WissenschaftlerIn muss sich angesichts solcher Formulierung der Magen umdrehen, wie platt die hochbezahlten Titelträger_innen hier zu plumpen Propagandist_innen mutieren. Das geben sie sogar offen zu, schließlich sollte nach ihren Worten auch die "Wissenschaft ... bemüht sein, ... um Akzeptanz für eine wichtige Forschungsrichtung mit großem Zukunftspotenzial zu werben."

Forscher_innen sind also PR-Agenturen. Die Agro-Gentechnik zu erforschen, scheint da gar nicht mehr nötig. Prof. Kogel, Versuchsleiter beim umkämpften Gengerstenfeld in Gießen, beschrieb die Aufgabe von "uns Wissenschaftlern" ziemlich eindeutig: "Wir müssen zeigen, dass diese Technik, die wir einführen wollen, große Vorteile hat". Es geht also darum, dass ein feststehendes Ergebnis ("große Vorteile hat") beworben wird ("müssen zeigen"). Wissenschaft hat nicht die Erforschung, sondern die politische Durchsetzung ("Technik, die wir einführen wollen") zum Ziel. Obwohl das bereits unmissverständlich ist, setzt Kogel noch hinterher: "Unsere Aufgabe ist es, stetig und mit viel Geduld Überzeugungsarbeit zu leisten." Mit solchen Positionen zeigen die Agro-Gentechniker_innen zwar deutlich die aktuell vorherrschende Ausrichtung der Wissenschaft auf Standortinteressen und Geldquellen; in der wissenschaftlichen Debatte hinken sie damit aber weit hinterher. Denn als Stand der Debatte darf gelten, dass es eine interessenlose Wissenschaft nicht gibt. Dann aber müsste der Blick kritischer ausfallen - wie etwas bei Maria Weimer vom Europäischen Hochschulinstitut Florenz: "Wissenschaftliche Untersuchungen und die dabei gefundenen Ergebnisse sind nicht rein objektiv, sondern auch geprägt von Werten und Glaubenseinstellungen der Wissenschaftler und von dem Auftrag, den die Wissenschaftler von der Politik bekommen haben. Die Wissenschaft liefert keine so harte und objektive Grundlage, wie man es gerne haben möchte."

Im Original: Forschung als PR-Agenturen
Forschung = Akzeptanzbeschaffung und Wissenschaftler_innen als PR-Agenturen
Selbstverständnis von Forschung im Forderungspapier der führenden Forschungsakademien am 13.10.2009
In Deutschland ist noch nicht hinreichend akzeptiert, dass die Anwendung der Gentechnik in der Pflanzenzüchtung ein noch unausgeschöpftes Potential für den ökologischen Landbau, für verbesserten Umweltschutz, die Erhaltung der Artenvielfalt und die Gesundheit bietet. ...
Demokratische Politik kann die Meinung der Wähler nicht ignorieren. Sie ist aber auch dafür mitverantwortlich, dass die Wähler Fakten zur Kenntnis nehmen. ...
Es muss dem Verbraucher vermittelt werden, dass die Grüne Gentechnik nicht nur für die Herstellung von Nahrungsmitteln Anwendung findet, sondern dass sie vielfältige andere Möglichkeiten bietet, beispielsweise den ökologischen Wachstumsbereich unserer Kulturpflanzen zu erweitern und Artenvielfalt zu fördern. Wissenschaft und Politik sollten gleichermaßen bemüht sein, in einem Diskurs diese Zusammenhänge zu erklären und um Akzeptanz für eine wichtige Forschungsrichtung mit großem Zukunftspotenzial zu werben.


Ohne Argumente, aber einseitig die Gentechnik voraussetzend
Aus der Stellungnahme der führenden Wissenschaftsverbände und -einrichtungen zum Runden Tisch Gentechnik, 20.5.2009:
Die Allianz fordert dabei mehr Rationalität in der Debatte, so dürfe die Gentechnik nicht pauschal verurteilt werden. "Die deutschen Wissenschaftsorganisationen setzen sich ausdrücklich dafür ein, nicht nur Forschung sondern auch Anwendungen der Grünen Gentechnik in Deutschland zu ermöglichen", sagt Prof. Dr. Jürgen Mlynek, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft und zurzeit Sprecher der Allianz. Dies schließt auch weitere Untersuchungen von Sicherheitsfragen und möglichen Risiken ein. ...
Mögliche negative Auswirkungen auf die Umwelt sind nicht durch die Methode Gentechnik bedingt ... "Wir unterstützen ausdrücklich die Haltung von Forschungsministerin Schavan zur Grünen Gentechnik und begrüßen die geplante Fortsetzung des heute gestarteten Dialogs. Das wird zu einer Versachlichung der Diskussion führen und verlässliche Rahmenbedingungen für die Forschung und wissenschaftliche Begleitung der Nutzung der Grünen Gentechnik schaffen", betont Mlynek.


Unis behaupten selbst den Unsinn vom Sieg über Hunger und Klimaveränderung durch Gentechnik
Stellungnahme der Landesrektorenkonferenz Baden-Württemberg am 20.6.2009:
Die bayerischen und baden-württembergischen Universitäten unterstützen nachdrücklich die Position von Forschungsministerin Annette Schavan und den deutschen Wissenschaftsorganisationen: "Es darf keine Forschungsverbote bei der grünen Gentechnik geben" sagten die Vorstände der beiden Rektorenkonferenzen, der Karlsruher Rektor Horst Hippler und der Erlanger Rektor Karl-Dieter Grüske anlässlich eines Treffens mit Frau Ministerin Schavan am 19.06.2009 auf Schloss Reisensburg bei Ulm. Es gehe hier um die Verantwortung für die künftige Ernährung der Weltbevölkerung, die vorurteilsfrei und ohne unternehmerische Eigeninteressen betrieben werden müsse. Dies könne nur eine unabhängige Wissenschaft garantieren, die auch die Auswirkungen der Landwirtschaft auf das globale Klima berücksichtige. Dabei müsse möglichst ressourcenschonend produziert werden, um den CO2-Ausstoß zu minimieren, betonen die Universitäten. Dies sei ohne Gentechnik nicht zu leisten.

Zitate von Prof. Kogel, Uni Gießen (Extraseite zu Kogel)
In einem Interview auf www.biosicherheit.de:
Wir müssen auch die möglichen Konsequenzen und Gefahren deutlich machen, die darin liegen, wenn wir nicht handeln.
Aus einem weiteren Interview dort (Quelle: Biosicherheitsforschung):
Die Skepsis, auf die wir treffen, ist Ausdruck eines erklärbaren, ja notwendigen Schutzmechanismus, der ja auch aus evolutionsbiologischer Sicht sinnvoll ist. Für uns Wissenschaftler heißt das: Wir müssen zeigen, dass diese Technik, die wir einführen wollen, große Vorteile hat – und dass diese Vorteile begreifbar werden. Erst dann, glaube ich, kann man die Bevölkerung wirklich überzeugen. Unsere Aufgabe ist es, stetig und mit viel Geduld Überzeugungsarbeit zu leisten.
Karl-Heinz Kogel in der "Zeit" vom 2.12.2018
Was ich über Risiken und Regulierungen der Gentechnik denke
Internationales Recht sollte die Arbeit mit menschlichen Embryonen regeln. Jedoch ist es eher der Wunschgedanke eines im europäischen Wissenschaftssystem sozialisierten Forschers, dass sich die Arbeit mit Embryonen in den nächsten Jahren verhindern lässt. In allen anderen Bereichen sollten keine Beschränkungen aufgebaut werden, weil die Anwendung nicht nur ein normales, sehr effizientes Zuchtverfahren darstellt, sondern auch erheblich risikoärmer als die klassische Zucht ist. Die Politik sollte Genome-Editing-Verfahren schnell und sachbasiert so regeln, dass sie sich an Pflanzen und Tieren in der EU anwenden lassen.


Genforscher Andreas Schier (FH Nürtingen) im Interview mit Spiegel Online am 2.3.2009:
Die Angst vor dem Unbekannten ist ein bekanntes und auch nachvollziehbares Phänomen, vor allem, wenn diese Angst noch geschürt wird. Neutrale und sachliche Aufklärungsarbeit tut Not, das zeigt schon die Tatsache, dass immer noch fast 40 Prozent der Deutschen meinen, nur gentechnisch veränderte Tomaten hätten Gene.

Uwe Sonnewald, Uni Erlangen, auf der Preisverleihung "Land der Ideen" an FOR PLANTA (16.11.2011, Erlangen)
"For Planta ein Muss ist, um in diesen Szenarien überleben zu können"
Zu nachwachsenden Rohstoffen: "Wir brauchen immer mehr von unserer Fläche tatsächlich jetzt nicht für die Ernährung, sondern für die Produktion."
"Der Klimawandel macht viele Flächen unnutzbar ... unsere Produktion ist massiv gefährdet ... das Wasser wird knapp ... das führt dazu, dass wir mehr Landfläche brauchen ... wenn wir das tatsächlich machen, was dann passiert ist, wir müssen Waldrodungen machen, um unsere Flächen, die zur Verfügung stehen, zu erweitern. Das führt dazu, dass wir nochmal CO2 produzieren ... wir sind hier tatsächlich in einem Teufelskreis drin, den wir nur durchbrechen können, dass wir Pflanzen züchten, die mit den Gegebenheiten besser umgehen können"
"Darüberhinaus ist die grüne Gentechnik hier ein Problem: Wir betrachten im Wesentlichen die Risiken und wenn man das weltweit anschaut, wird im Wesentlichen der Nutzen gesehen."

Christian Jung, Uni Kiel, auf der Preisverleihung "Land der Ideen" an FOR PLANTA (16.11.2011, Erlangen)
"Allein die Getreideproduktion muss zwischen 2000 und 2020 verdoppelt werden laut FAO ... wir müssen also die Flächenerträge erhöhen"
"Was ist in der Pipeline, was ist marktreif: ... Fischölqualität aus Raps"
"Was können wir erwarten an gentechnisch veränderten Pflanzen? Eine Aufstellung, was zur Zeit vorhanden ist: 37 GVO, die kommerziell angebaut werden - hauptsächlich Insektentoleranz und Herbizidtoleranz. Aber eine Reihe von neuen GVO, die in der Pipeline. D.h. wir können also bis zum Jahr 2015 etwa 152 GVO erwarten. ... ich bin sicher, dass sie in der Landwirtschaft auf großes Interesse stoßen werden."
"7 Millarden Menschen sind ohne moderne Technologien nicht zu ernähren. Es wäre fahrlässig, unverantwortlich, auf ein wesentliches Werkzeug der Pflanzenzüchtung, nämlich die Gentechnologie, zu verzichten."


Forschung ist nie neutral
Maria Weimer, Juristin am Europäischen Hochschulinstitut Florenz, im Interview mit dem Forum „bioSicherheit.de“
„bioSicherheit“: „Ein anderer Vorschlag ist, bei der Zulassung von GVO nicht nur nach wissenschaftlichen Kriterien zu entscheiden, sondern auch soziökonomische Kriterien mit einzubeziehen. Besteht nicht die Gefahr, dass solche "weichen" Kriterien willkürlich angewandt werden?“
Maria Weimer: „So wie Sie die Frage formulieren, steckt dahinter die Vorstellung, dass nur das, was wissenschaftlich begründet ist, sozusagen handfest ist. Wenn etwas nach anderen Kriterien entschieden wird, dann ist es "soft" und willkürlich. Ich halte das für etwas vereinfacht. Aus der soziologischen Forschung wissen wir: Auch der wissenschaftliche Prozess ist ein sozialer Prozess. Wissenschaftliche Untersuchungen und die dabei gefundenen Ergebnisse sind nicht rein objektiv, sondern auch geprägt von Werten und Glaubenseinstellungen der Wissenschaftler und von dem Auftrag, den die Wissenschaftler von der Politik bekommen haben. Die Wissenschaft liefert keine so harte und objektive Grundlage, wie man es gerne haben möchte. … Es wäre ganz wichtig, dass man sich bei der Reform des GVO-Zulassungsverfahrens offen darüber verständigt, welche Überlegungen neben den Risiken für Umwelt und Gesundheit und ihrer wissenschaftlichen Bewertung noch in den Entscheidungsprozess einfließen dürfen. Und man müsste diese gegebenenfalls deutlich formulieren und zusätzlich für Verfahrensgarantien sorgen, damit ihre Berücksichtigung in einer transparenten Art und Weise geschieht. Das ist auch deswegen so wichtig, weil die Wissenschaft nicht alle Entscheidungen für die Gesellschaft treffen kann.“


Wahr = einzig zulässige Meinung ist: Gentechnik ist ungefährlich
Mit der Autorität ihrer Titel und Stellungen versuchen nun die Wissenschaftler_innen, ihre Sicht als Maß aller Dinge durchzusetzen. Auf allen Kanälen verkünden sie, dass "alle Wissenschaftsorganisation in Deutschland" die Agro-Gentechnik für sinnvoll hielten, ja für "risikoärmer und sauberer für die Umwelt". Das hätten zahlreiche Gutachten gezeigt. Doch präzise Quellenangaben sind rar, Aussagen ungenau: "Ich kann summierend sagen, dass wir keine Effekte auf Nichtzielorganismen gefunden haben." Prof. Kogel glänzte sogar in einem Interview mit der Ausführung, dass der Pollenflug keine Wirkung auf andere Pflanzen habe. Wie erklärt sich dieser Spitzenforscher eigentlich die Fortpflanzung?
Die Liste wissenschaftlicher Mythen ist inzwischen lang - so lang, dass ihnen und ihrer Entzauberung eingesondertes Kapitel gewidmet ist.

Im Original: Harmlose Gentechnik
Interview mit Prof. Kogel im Deutschlandfunk am 24.6.2009 auf die Frage "Sehen Sie auch Gefahren?"
Ich hab ein großes Problem in der Diskussion hier, dass es den Hörern erscheinen könnte, dass naturwissenschaftliche Ergebnisse beliebig produziert werden. Das ist nicht der Fall. Es gibt einen begutachteten Reviewprozess in naturwissenschaftlichen Veröffentlichungen - und da kommt die Wahrheit zutage in der wissenschaftlichen Community. Natürlich muss man gucken, wer die Untersuchungen macht. Kommen die Untersuchungen aus bestimmten Industriebetrieben, dann ist klar, dass man die anders einschätzen muss als sonst. Aber es gibt Hochschulforschung weltweit, die ist normalerweise nicht abhängig. Und das geht in Begutachtungsprozesse rein, die dann sozusagen die Wahrheit an den Tag bringen.

Der Koordinator der Sicherheitsforschung und Kopf der Aachener-Biologen-Seilschaft, Ingolf Schuphan, im Dokumentionsfilm zur Biosicherheitsforschungs-Tagung 2008 über alle bisherigen Forschungsprogramme:
Ich kann summierend sagen, dass wir keine Effekte auf Nichtzielorganismen gefunden haben.

Kogel im Interview bei HR-Info am 23.4.2009
Wir haben eine klare Pestizidreduktion im Anbau bei gentechnischen Pflanzen. ... die sind dadurch, dass weniger Pestizide eingesetzt werden müssen, im Grunde risikoärmer und sauberer für die Umwelt. Das ist unbestritten, so argumentieren ja auch im Grunde alle Wissenschaftsorganisation in Deutschland im Moment.

Abbildung rechts (aus der Presse):
Realität im Umgang mit Gefahren ... Nichts wissen, aber trotzdem alles ungefährlich!

Gekaufte Forschung
Aus einer Übersetzung aus: Scientific American August 2009 "Do Seed Companies Control GM Crop Research?" (übersetzt: Kontrollieren Saatgutfirmen die gv-Saatgutforschung?)
Wissenschaftler müssen die Gentech-Konzerne um Erlaubnis fragen, bevor sie unabhängige Forschungsergebnisse über deren genetisch veränderte Pflanzen veröffentlichen wollen. Das regelt eine Verfügung der Saatgutkonzerne, die von den Forschern im Vorfeld einer Studie unterschrieben werden muss, berichtet das Wissenschaftsmagazin Scientific American in seiner August-Ausgabe. ...
Für den Kauf gentechnisch veränderten Saatguts zu Forschungszwecken mussten die Kunden schon immer eine Vereinbarung unterzeichnen, die genau festlegt, was geforscht werden darf und was nicht. Diese Vereinbarungen galten dem Schutz „des geistigen Eigentums“ eines Unternehmens, sie sollten vor allem mögliche Replikationen der veränderten Erbinformationen, also die unerlaubte Nachzucht, verhindern, so die Begründung.

Broers Aussagen in: Norddeutsche Neueste Nachrichten am 19.5.2009:
Bei der umstrittenen Zulassung genveränderter Pflanzen für die Landwirtschaft sollte die Politik nach Ansicht der Biologin Inge Broer häufiger dem Urteil von Experten vertrauen. "Der politische Wille muss noch kommen, in der Risikobewertung mehr auf Wissenschaft statt auf politische Meinungen zu setzen", sagte die Professorin für Agrobiotechnologie der Uni Rostock.

Das Gebaren der Institute und Wissenschaftler_innen führt in einen Teufelskreis. Denn auch wenn Aussagen von Leuten wie Kogel, alle Wissenschaftler_innen würden die Gentechnik als umweltfreundlich und ungefährlich einstufen, schnell als Lüge enttarnt werden können, so fällt doch auf, dass der Anteil von Befürworter_innen im Umfeld der entsprechenden Studiengänge überdurchschnittlich hoch ist. Ist, wer die Wirkungsmechanismen der DNA und der biochemischen Codierung von Ausstattungsmerkmalen bei Tieren und Pflanzen genauer kennt, der Möglichkeit von Manipulationen dieser Abläufe positiver eingstellt? Oder ist die Befürwortung der Agro-Gentechnik eher eine Folge einer einseitigen, industriefreundlichen und tendenziösen Ausrichtung von Studieninhalten plus der schlichten Tatsache, dass angesichts der riesigen Fördermittel für diese Technik Studienarbeiten, -abschlüsse und spätere Jobchancen nur bekommt, wer auf dieses Thema setzt? So einiges spricht für das Zweite:
  • Wer durch das IFZ, die Gentechnikhochburg der Uni Gießen (getarnt unter dem Label der Umweltsicherung), ging, fand dort etliche Prospekte und Zeitschriten. Das Material war völlig einseitig: Werbung der Gentechnikkonzerne und Lobbyverbände.
  • Grundlagenbücher für das Studium werden von genau den ' Wissenschaftler_innen' geschrieben, die in den Seilschaften der Gentechnik an wichtigen Stellen, z.B. in den Propagandaagenturen sitzen. So wurde das wichtige UTB-Buch "Gentechnik" von Gassen und Minol herausgegeben und von weiteren, einschlägig in den Seilschaften verwickelten Personen wie Kristina Sinemus (ebenfalls Genius-Mitarbeiterin) und Sabine Bertram vom Verband Chemischer Industrie geschrieben. Beide kommen aus dem Darmstädter Teil des Filzes, der die Agentur Genius betreibt und mit Millionenförderungen vollgepumpt Internetplattformen für Gentechnikpropaganda betreibt.
  • Ganz ähnlich sieht die Lage bei frühen sogenannten Studien zu Umweltauswirkungen aus. Als 1998 der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen ein Gutachten über Umweltprobleme bei Freisetzungen in Auftrag gab, wählte er mit Alfred Pühler, Detlef Bartsch und Ingolf Schuphan drei Schlüsselfiguren aus den Seilschaften der Gentechnik zu den Koordinatoren und Hauptautoren.

Die Steigerung ist das Kaltstellen und Ausgrenzen kritischer Forscher_innen. Immer wieder kommt es zu "Hetzjagden auf die Autoren" kritischer Studien, wie Christof Potthof und Christoph Then 2009 berichteten. Untersuchungen würden behindert, "indem Zugang zu geeignetem Untersuchungsmaterial verweigert wird". Ebenso "haben viele Wissenschaftler auch dann Probleme, wenn es um die Veröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse geht".

Im Original: Ausgrenzung kritischer Forschung
Aus Potthof/Then (2009): "risk reloaded" (S. 29):
Auch von Wissenschaftlern in Europa war in der jüngeren Vergangenheit immer wieder zu hören, dass Untersuchungen behindert werden, indem Zugang zu geeignetem Untersuchungsmaterial verweigert wird. Bei gentechnisch veränderten Pflanzen kann einerseits der Zugang zur Pflanze selbst, u.a. durch das Patentrecht, verwehrt werden. Noch schwerer zu bekommen ist für kritische Forscher jedoch oft das Vergleichsmaterial, das heißt die nicht gentechnisch veränderte Pflanze, die der transgenen Pflanze genetisch möglichst ähnlich ist. Diese sogenannten „isogenen Linien“ sind meist nicht mehr auf dem Markt erhältlich, aber für Vergleichsstudien oft unabdingbar.
Während der Zugang zu geeignetem Untersuchungsmaterial oft erschwert wird, haben viele Wissenschaftler auch dann Probleme, wenn es um die Veröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse geht. Erheblich behindert wurde beispielsweise die Publikation von Studien, die in den Ursprungsregionen des Mais in Mexiko Verunreinigungen mit transgenen Pflanzen nachwiesen. Bereits 2001 wurden entsprechende Befunde aus Regionen Mexikos veröffentlicht, in denen regionale Sorten vermehrt werden (Qist&Chapela, 2001) . Diese Befunde wurden von verschiedenen Seiten in Frage gestellt, doch 2008 wurden erneut Verunreinigungen gefunden. Die Zeitschrift ‘Proceedings of the National Academy of Sciences’ lehnte es ab, die neuen Ergebnisse zu veröffentlichen, weil dadurch politische Diskussionen ausgelöst werden könnten (Dalton, 2008). Alison Snow von der Universität des US-Bundesstaates Columbus berichtet in einem Beitrag für die Fachzeitschrift ‘Molecular Biology’: „Außerdem erschwerte es die politisch sensible Natur des Inhaltes den Wissenschaftlern, ihre Ergebnisse zu veröffentlichen.“ (übersetzt durch testbiotech)
Der Fall steht für eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Publikationen, durch die regelrechte Hetzjagden auf die Autoren ausgelöst werden, weil in ihnen Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen beschrieben werden. Im September 2009 berichtete Nature beispielsweise über den Fall der Wissenschaftlerin Rosi-Marshall, die zur Zielscheibe einer Kampagne wurde, nur weil sie Auswirkungen von Bt-Pflanzen auf Wasserorganismen beschrieben hatte (Rosi-Marshall et al., 2007): „Hinter diesen Attacken stehen Wissenschaftler, die es sich zum Ziel gesetzt haben, zu verhindern, dass Publikationen, die nach ihrer Ansicht wissenschaftliche Mängel haben, wissenschaftliche Entscheidungsträger zu beeinflussen. Wenn eine Publikation erscheint, die ihnen problematisch erscheint, reagieren sie schnell, kritisieren die Arbeit in öffentlichen Foren, schreiben zurückweisende Briefe und senden diese an Politiker, Geldgeber und Herausgeber von Zeitungen.“ (Übersetzung testbiotech)

Für ihre skrupellosen Machenschaften würden die Herren Kogel, Friedt, Hormuth und andere gern die Freiheit der Wissenschaft für sich reklamieren. Wenn es darum geht, kritische Meinungen zu unterdrücken, sieht das ganz anders aus. An Rechnern der Universität Gießen wurden in den ersten Tagen der Feldbesetzung 2008 Seiten mit kritischen Informationen zu den Gentechnikversuchen der Uni und zu den Versuchsleitern gesperrt. Wer www.gendreck-giessen.siehe.website, www.gendreck-weg.de oder andere kritische Seiten aufrufen wollte, fand dies auf dem Bildschirm:

Mitte April erhielt ein Gentechnikkritiker ein Hausverbot für die gesamte Universität Gießen - das ist ein erheblicher Teil der Stadt Gießen (Hausverbot als PDF). Hintergrund waren Recherchen, unter anderem für dieses Buch, die im IFZ ganz harmlos aus der Prüfung und einen Fotografien von Auslagen und Aushängen in den Institutsgängen bestanden. Kogels Stellvertreter, Prof. Imani, versuchte gleich mit körperlicher Gewalt durchzusetzen. Nach dem Scheitern folgte das formale Hausverbot. Offenbar soll der kritische Blick auf das Treiben in den steuermittelfinanzierten Trakten der Agro-Gentechniker_innen verhindert werden.


Es ist folglich kein Wunder, dass viele Student_innen eine gentechnik-befürwortende Position haben, wenn die Lehrinhalte derart einseitig oder gar manipuliert sind. Hinzu kommen die hohen Fördermittel für Gentechnikforschung an den Universitäten und für Gentechnikfirmen. Das führt dazu, dass studieninterne Abläufe stark auf Gentechnik ausgerichtet sind, dort besser Studienarbeiten zu erledigen sind und auch die Hoffnung auf einen späteren Arbeitsplatz wächst, wenn eine Orientierung auf die hochsubventionierte Gentechnik besteht.

Im Original: Einseitige Lehre
Gehirnwäsche unter Decknamen "Landwirtschaft - Heute und MorGEN. Ist die grüne Gentechnik in Europa am Ende?"
An der Uni Jena wurde eine Vortragsreihe organisiert, die sich scheinbar kritisch gibt. Im Text wurde die "Versachlichung der Debatte" als Ziel angegeben. Eingeladen wurden aber nur Propagandist_innen der Gentechnik! Aus dem Text mit kompletter Referent_innennennung:
Die Vorträge und anschließenden Diskussionen sollen, so hoffen die Veranstalter vom CEJ, zur Versachlichung der besonders in diesem Jahr wieder leidenschaftlich geführten Debatte zwischen Befürwortern und Gegnern der grünen Gentechnik beitragen.
Prof. Dr. Klaus Dieter Jany, Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik und ehemaliger Leiter des Molekularbiologischen Zentrums der Bundesforschungsanstalt für Ernährung, Karlsruhe, wird sich mit der Frage der Sicherheit bereits auf dem Markt vorhandener gentechnisch veränderter Lebensmittel auseinandersetzen und dabei unter anderem einen Überblick über die weltweite Verwendung transgener Nutzpflanzen geben.
Prof. Dr. Inge Broer, Lehrstuhl für Agrobiotechnologie der Universität Rostock, wird im Detail erklären, wie Biosicherheitsforschung an transgenen Nutzpflanzen im Freiland erfolgt und zu welchen Resultaten diese Experimente führen.
Über welche natürlichen und effektiven Abwehrkräfte Pflanzen verfügen und wie diese für die Landwirtschaft heute und in Zukunft genutzt werden könnten, wird der Direktor der Abteilung Molekulare Phytopathologie des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung, Köln, Prof. Dr. Paul Schulze-Lefert berichten.
Abgeschlossen wird die Vortragsreihe von Prof. Dr. Peter Kunzmann, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Leiter der Forschungsgruppe "Würde in der Gentechnologie" am Lehrstuhl für Angewandte Ethik. Vor dem Hintergrund der Philosophie Hans Jonas' und dessen Definition einer Verantwortungsethik des Menschen im Umgang sowohl mit der Natur als auch mit neuen Technologien, beispielsweise der Biomedizin oder grünen Gentechnik, beschäftigt sich Prof. Kunzmann mit der Frage, ob sich die Gentechnik an der Würde, dem Eigenwert oder der Integrität von Tieren und Pflanzen vergreift oder ob es Eingriffe gibt, die im Einklang mit dem Respekt vor Lebewesen stehen.


Der Kampf um die echte, wahre und unabhängige Wissenschaft ist bizarr. Fast jedes neue Gutachten - egal von welcher Seite - erscheint geräuschvoll auf der Bühne. Begleitet ist es von einem Donnerwetter gegen die abhängigen, einseitigen oder irgendwie anders unqualifizierten Wissenschaftler_innen, die die jeweils andere Meinung vertreten. Demgegenüber ist die eigene Meinung seriös und die eigene Forschung selbstverständlich unabhängig und nur an wissenschaftlichen Kriterien ausgerichtet. Das geht in alle Richtungen.
Ein lustiges Beispiel: Stefan Rauschen gehört zu den Befürwortern der Gentechnik. Er ist einer der wenigen unter denen, die Versuchsfelder anlegen und die Förderprogramme anzapfen, der noch Aufmerksamkeit für Argumente seiner Kritiker_innen hat und zuhören kann. So besuchte er Ende Juni 2010 eine Tagung der Grünen zur Sicherheitsforschung in der Agro-Gentechnik. Danach schrieb er: "Unter dem Titel 'Gen-Pflanzen: Alle sicher? – Risikoforschung und politische Verantwortung' hatte Frau Höfken nach Berlin eingeladen. Dort sollten 'unabhängige, kritische' Wissenschaftler, welche die 'Gegen-Expertise' zum Mainstream darstellen, darüber informieren, was aus ihrer Sicht in der Sicherheitsforschung gemacht werden sollte. Und sie sollten Gelegenheit bekommen, zu erklären, warum sie das derzeit nicht machen können. Die Argumentation war ein wenig so: es gibt einen Mainstream an Wissenschaftlern, der von der Industrie abhängig ist. Nur ein kleines Dorf gallischer Wissenschaftler, repräsentiert durch die eingeladenen Plenumvertreter, ist in der Lage, Widerstand zu leisten. Darf aber natürlich keine wirkliche Wissenschaft betreiben, weil sie ja von den anderen gedisst werden und keinen Zugang zu Forschungsmaterial und -geld haben. Das alles müsse sich ändern, denn schließlich sei ja allen klar, dass gentechnisch veränderte Pflanzen schrecklich gefährlich und schrecklich und gefährlich sind. Nur zeigen könnten sie das halt nicht so richtig. Und wenn sie es versuchten, dann würden sie persönlich angegriffen, ihr Ruf ruiniert und überhaupt ginge man ganz schlimm mit ihnen um." Es folgten Angaben zum Inhalt eines Vortrages, um daran seine Kritik festzumachen.
Das Spannende: Rauschen hatte völlig recht. Die Tagung der Grünen war eine peinlich handverlesene Nabelschau der eng zusammenarbeitenden Apparate von Grünen, Umweltverbänden und einigen Einzelpersonen. Viele von ihnen hängen am Geldtropf der Grünen oder staatlicher Fördertöpfe. Wer von seiner wissenschaftlichen Tätigkeit lebt und für Grüne oder Greenpeace Studien schreibt, wird Ergebnisse liefern, die den Auftraggeber_innen gefallen oder zumindest ermöglichen, nochmal mit einem brauchbar dotierten Auftrag bedacht zu werden. Wissenschaft im Kapitalismus ist immer abhängig und käuflich. Unabhängigkeit ist kaum möglich und nur denkbar außerhalb ökonomischer Verwertung - also wer aus Idealismus forscht und entweder anderweitig Geld erhält oder solches nicht braucht. An dieser Stelle war die Tagung der Grünen sogar skandalös in ihrer Handverlesenheit: Da waren nicht nur keine Gentechnikanwender_innen geladen, sondern auch Gentechnikkritiker_innen unerwünscht, die ohne finanzielle Interesse die Versuchsfelder in Deutschland analysieren und dortige Forschungen evaluieren. Alle Referent_innen waren so ausgesucht, dass sie zwar grünennah waren, aber von den konkreten Feldern keine Ahnung hatten. Insofern hätte Stefan Rauschen für sein Feld in Braunschweig auch keine Ansprechpartner_innen auf der Tagung gefunden, denn die Funktionär_innen der Grünen und der NGOs aus den Metropolbüros kennen sich da draußen an den Feldern nicht aus. Und die sich auskannten, sollten nicht kommen.
Also: Soweit hatte Rauschen recht. Die Hauptamtlichen der Grünen und Verbände sowie die ihnen zuarbeitenden Wissenschaftler_innen bilden genauso eine Seilschaft wie die Befürworter_innen der Gentechnik. Aber genau darin liegt dann auch der Denkfehler von Rauschen. Denn so, wie sich die grünen- und NGO-nahen Apparatschiks selbst bejammern und als seriös gegenüber den Forscher_innen mit anderer Meinung abgrenzen, macht es auch Rauschen: "Leider konnten, wegen der Struktur der Veranstaltung, die kritischen, unabhängigen Wissenschaftler wie ich nicht zu Wort kommen. Vielmehr war das eine Selbst-Beweihräucherung erster Kategorie der 'wahren' kritischen, unabhängigen Wissenschaftler. Eine Chance, der ganzen Schwurbelei zu widersprechen, konnte ich daher leider nicht wahrnehmen. ... Während wir uns aus der BMBF geförderten Sicherheitsforschung immer anhören müssen, wir seien ja gar nicht unabhängig und “kritisch”. Wobei ich mich immer frage, wie man unabhängiger sein soll, als wir? Vom Steuerzahler bezahlt, im öffentlichen Auftrag? Und wie man kritischer sein können soll, als wir?" Hier kämpfen die Platzhirsche einer ideologischen Debatte um ihre Rangordnung, mehr nicht.
  • So sieht das praktisch aus: Scheinbare "Diskussion" zur Sicherheitforschung in der Halle des Lobbyverbandes FNL auf der Grünen Woche 2012 in Berlin - unter Moderation der Gentechnik-Lobbyistin Kristina Sinemus (Genius) diskutieren als "Wissenschaftler" nur eingefleischte Pro-Gentechnik-Lobbisten und -Ämterhäufer miteinander und mit der das Ganze finanziell fördernden Ministeriumsvertreterin - Bericht auf Bio-Sicherheit (die pseudoneutrale Seite wird auch gemacht von Genius).

Im Original: Glaube an unabhängige Wissenschaft bei Kritiker_innen
Aus GM-Watch Rückblick Nr. 333 vom 6.8.2013
Eine Menge von unabhängigen Wissenschaftlern steht für Expertenausschüsse zur Verfügung
Seit Jahren haben Interessensgruppen die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) dafür kritisiert, dass diese Wissenschaftler mit Interessenskonflikten mit der Industrie für ihre Expertenausschüsse beschäftigt, die wissenschaftliche Stellungnahmen zu Risikoprodukten wie GVO abgeben. Als Antwort behauptete die EFSA, dass Experten ohne Verbindungen mit der Industrie schwer zu finden seien. Aber eine in den USA durchgeführte Umfrage unter Forschern aus dem Life Science-Sektor, wo die öffentliche Forschung vermutlich noch mehr von der Industrie dominiert wird als in Europa, besagt, dass dies nicht wahr ist. Fast die Hälfte (47,2 ?) der Teilnehmer an der Befragung meldeten keine Beziehungen zur Industrie.


Forschungsbetriebe als Lobbyisten, PR-Agenturen und Wegbereiter der Konzerne
Die deutschen Wissenschaftsakademien, insbesondere wenn sie sich gemeinsam öffentlich äußern, treten als Sprachrohr geballter Wissenschaftskompetenz auf. Am 13.10.2009 veröffentlichten sie ein Grundsatzpapier zur Grünen Gentechnik. Wer hier fachliche Expertise erwartete, wurde jedoch enttäuscht. Das Pamphlet forderte eine Freibrief für Forschung und Pannen aller Art. Danach sollten "gentechnisch veränderte Sorten ... in haftungsrechtlicher Hinsicht nicht anders behandelt werden als sonstiges Saat- und Pflanzgut." Verärgert zeigen sich die Wissenschaftler_innen über die Uneinsichtigkeit der Bevölkerung, die ihre Meinung einfach nicht übernehmen will. Daher fordern sie staatliche Umerziehung: "Demokratische Politik kann die Meinung der Wähler nicht ignorieren. Sie ist aber auch dafür mitverantwortlich, dass die Wähler Fakten zur Kenntnis nehmen." Ganz offen wird aus Politik und Wissenschaft die "wirtschaftsnahe Forschung und Entwicklung neuer Produkte", also die Orientierung der Wissenschaft an wirtschaftlichen Zielen gefordert. Dieser Wunsch ist längst Wirklichkeit.

Im Original: Forschung und Industrie Hand in Hand
Aus Horst Rehberger: "Unterwegs" (2009, S. 224):
Trotz ihrer auf Rückführung von Haushaltsansätzen abzielenden Politik hat die CDU/FDP-Koalition von Sachsen-Anhalt deshalb seit 2002 die Mittel für die Förderung der wirtschaftsnahen Forschung und Entwicklung neuer Produkte und Verfahren auf Vorschlag des Wirtschaftsministers drastisch erhöht.
Universitäten forschen für Produkteinführung (gleiche Quelle, S. 227):
Im Bereich der Grünen Biotechnologie wurde ein bundesweiter Erprobungsanbau für gentechnisch verbesserten Mais (Bt-Mais) realisiert. Mit großem Erfolg. Die Federführung dafür lag beim InnoPlanta e.V. Die wissenschaftliche Betreuung bei der Landwirtschaftlichen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Aus dem Forderungspapier der führenden Forschungsakademien am 13.10.2009 (verantwortliche Kontaktperson: Prof. em. Dr. Widmar Tanner von der Uni Regensburg (Vorsitzender der Arbeitsgruppe Grüne Gentechnik der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften)
Wiederholt haben die Wissenschaftsorganisationen (siehe Gemeinsame Erklärung aller großen Wissenschaftsorganisationen Deutschlands vom 16.4.2009) der Bundesrepublik Deutschland an die Bundesregierung appelliert, „nicht nur die Forschung, sondern auch Anwendungen der Grünen Gentechnik in Deutschland zu ermöglichen.“ Die Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard bringt die Meinung der Wissenschaftsgemeinschaft auf den Punkt, wenn sie ausführt: „In Deutschland ist noch nicht hinreichend akzeptiert, dass die Anwendung der Gentechnik in der Pflanzenzüchtung ein noch unausgeschöpftes Potential für den ökologischen Landbau, für verbesserten Umweltschutz, die Erhaltung der Artenvielfalt und die Gesundheit bietet. ... Die Wissenschaft plädiert für einen wohl überlegten und sinnvollen Einsatz der Grünen Gentechnik, in Kombination mit anderen Verfahren der Pflanzenzüchtung und abhängig von lokalen Gegebenheiten. ...
Für die Warenkette muss ein praktikabler rechtlicher Rahmen geschaffen werden, der sich an den weltweiten Entwicklungen der Grünen Gentechnik, an gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen und am internationalen Handel orientiert. Daher sind neben dem in Europa geltenden Schwellenwert von 0,9% für die Kennzeichnung von Nahrungs- und Futtermitteln verbindliche und praktikable Schwellenwerte für zufällige, technisch unvermeidbare Beimischungen von genetisch veränderten Organismen (GVO) in konventionellem Saatgut unerlässlich. Ferner ist ein Schwellenwert für geringfügige Beimischungen von nicht in der EU angemeldeten bzw. zugelassenen, bzw. in den EU-Ländern asynchron zugelassenen GVO in Lebens- und Futtermitteln notwendig. ...
Gentechnisch veränderte Sorten, die zur Aussaat genehmigt sind, dürfen in haftungsrechtlicher Hinsicht nicht anders behandelt werden als sonstiges Saat- und Pflanzgut. ...
Die gültigen Regelungen zum Standortregister, insbesondere die jedermann zugänglichen flurstücksgenauen Angaben und die Aufnahme personenbezogener Daten, verletzen Grundrechte. Die Daten werden in hohem Maße missbräuchlich verwendet und haben zu einer Vielzahl von Feldzerstörungen beigetragen. Die Dreimonatsfrist für die Registeranmeldung ist nicht praxistauglich und sollte auf einen Monat begrenzt werden. Die geltenden Abstandsregelungen bei Mais (150 m zu Feldern mit konventionell gezüchtetem Mais bzw. 300 m zu Maisfeldern im ökologischen Anbau) haben weder eine wissenschaftliche noch eine praxisrelevante Rechtfertigung und sind zukünftig unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse vorzunehmen und zu reduzieren. ...
Demokratische Politik kann die Meinung der Wähler nicht ignorieren. Sie ist aber auch dafür mitverantwortlich, dass die Wähler Fakten zur Kenntnis nehmen. Sie hat eine Aufklärungsaufgabe, bei der die Wissenschaft sie unterstützen muss. ... Es muss dem Verbraucher vermittelt werden, dass die Grüne Gentechnik nicht nur für die Herstellung von Nahrungsmitteln Anwendung findet, sondern dass sie vielfältige andere Möglichkeiten bietet, beispielsweise den ökologischen Wachstumsbereich unserer Kulturpflanzen zu erweitern und Artenvielfalt zu fördern. Wissenschaft und Politik sollten gleichermaßen bemüht sein, in einem Diskurs diese Zusammenhänge zu erklären und um Akzeptanz für eine wichtige Forschungsrichtung mit großem Zukunftspotenzial zu werben. Durch entsprechende Weichenstellungen haben die politischen Gremien die Chance, die Gesetzgebung in einem Bereich mit weitreichenden und langfristigen Konsequenzen auf eine wissens- und evidenzbasierte Grundlage zu stellen.



Jammern auf hohem Niveau bei der Akademie der Wissenschaften: Fast nichts geht, doch alles klappt???
Aus "Gute und schlechte Gene" in: Tagesspiegel vom 04.11.2009
Strenge Gesetze und die Skepsis in der Bevölkerung machen den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Deutschland nahezu unmöglich. Dieses aus Sicht der Pflanzenforschung ernüchternde Fazit ziehen die Autoren des zweiten Gentechnologieberichts der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Trotzdem entwickelte sich die Forschung zur grünen Gentechnik rasch weiter ...

Aus GM-Watch Nr. 93 vom 26.6.2011
KOMMERZIELLE INTERESSEN BEEINFLUSSEN WISSENSCHAFTLICHE STUDIEN ZUR GENTECHNIK
Eine in führenden wissenschaftlichen Zeitungen veröffentlichte Forschungsarbeit kommt zum Schluss, dass kommerzielle Interessen von Experten begutachtete Artikel über gesundheitliche Risiken genmanipulierter Pflanzen beeinflussen. Die Untersuchung zeigt, dass Studien, die von der Industrie finanziert oder unter Mitarbeit von in der Industrie beschäfigten Wissenschaftlern im Gegensatz zu unabhängigen Untersuchungen mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Ergebnisse zugunsten der Kommerzialisierung der Produkte hervorbringen.

Die Untersuchung zeigt, dass mehr als die Hälfte (52%) der 94 analysierten Beiträge keinen Hinweis auf die Quelle der Forschungsgelder enthielten. Bei ebendiesen Beiträgen dominierte die Mitarbeit wenigstens eines Autors mit Beziehungen zur Industrie (73%). In 83% der Fälle in denen die Forschungsmittel offengelegt wurden, unterhielt keiner der Autoren direkte Beziehungen zur Industrie. Es überraschte daher nicht, dass relativ mehr Beiträge ohne Deklaration der Forschungsgelder zu für die industrie günstigen Schlussfolgerungen kamen.


Bleibt noch die absurdeste Begründung für deutsche Agro-Gentechnikforschung. Wenn gar nichts mehr hilft, alle Argumente widerlegt sind, aber die Ideologie zum Festhalten an der Agro-Gentechnik zwingt, dann kann vielleicht der CDU-Politiker Peter Stein ein Vorbild sein: "Ich habe dabei überdies mehr Vertrauen in eigene Forschungsergebnisse als in fremde. " (MVticker vom 18.6.2009).

Im Dezember 2019 wurde bekannt, dass der langjährige Wissenschaftler an der Uni Gießen, Michael Schmitz, verschwiegen hatte, für seine Gutachten, die die Unbedenklichkeit von Glyphosat bescheinigten, vom Hersteller Monsanto bezahlt worden zu sein. Er log selbst auf Nachfrage.

Aus "Unabhängig? Monsanto bezahlt Studie eines Gießener Professors", in: Gießener Allgemeine am 6.12.2019
Für einen Gießener Wissenschaftler hagelt es Kritik: Agrarwissenschaftler Michael Schmitz hat Studien zu Glyphosat durchgeführt, die vom Hersteller Monsanto finanziert wurden.
Ein Glyphosat-Verbot würde Wohlstandsverluste in Milliardenhöhe verursachen. Mit dieser Warnung nahmen Monsanto und andere Hersteller des Unkrautvernichters Einfluss auf die Diskussion über das umstrittene Mittel. Als Beleg für diese These habe vor allem eine angeblich unabhängige Studie aus Gießen gedient, die vom Gießener Agrarwissenschaftler Michael Schmitz. durchgeführt wurde. Diese Studie war jedoch, wie sich nun herausstellte, vom Glyphosat-Hersteller Monsanto finanziert, was Monsanto bereits zugab, Der inzwischen emeritierte Schmitz gab auf GAZ-Anfrage zunächst keine Stellungnahme dazu ab.


Weiterer Text dazu Donaukurier am 5.12.2019

In einer Art Geschichtsbuch der Umweltbewegung erinnert Joachim Radkau bezüglich der Atomkraft an die ersten Jahre. Auch dort waren es nicht die Konzerne, sondern der Staat und vor allem die Wissenschaft, die die Sache vorantrieb. Die Konzerne kamen erst hinzu, als das Ganze wirtschaftlich lukrativ wurde. Bei der Agrogentechnik wiederholt sich das nun - und die Protestbewegung schläft überwiegend ...

Aus Radkau, Joachim (2011): "Die Ära der Ökologie", C.H. Beck in München (S. 382)
Wer jedoch die Geschichte kannte, musste wissen, dass gerade der größte deutsche Stromproduzent, RWE, bis in die späten 1960er Jahre den Einstieg in die Kernenergie eher gebremt hatte, und zwar in einer Weise, die in der Bundesregierung Ärger auslöste. Historisch betrachtet, stand am Anfang der Kernenergieentwicklung die Wissenschaft, nicht die Energiewirtschaft. Erfahrene Kraftwerksingenieure standen der Kerntechnik lange Zeit zurückhaltender gegenüber als die Theoretiker der Atomphysik, die nicht zu verantworten hatten. Hauptakteur war in den 70er Jahren offensichtlich eine "Community", die sich quer durch Wirtschaft, Wissenschaft und Staatsverwaltung zog.


Matin Qaim ... 2010/2011 als letzte Hoffnung immer wieder zitiert. Danach war es aus ...
Den sich als unabhängige Wissenschaftler_innen inszenierenden Jäger_innen nach Fördergeldern können ihre finanziellen Interessen und meist auch ihre Verflechtungen in Lobby- und Kontrollstrukturen kaum verbergen. So herrscht Ebbe, wenn nach klangvollen Namen gesucht wird für eine möglichst unangreifbare Position pro Agro-Gentechnik. Nicht dass sich die Janys, Jacobsens und Kogels dieser Welt deswegen zurückhalten würden - aber ihre Interessenlage und Einbettung in die Seilschaften ist offensichtlich. 2010 tauchte ein neuer Name auf: Matin Qaim. Er legte eine Studie auf, wie sie die Befürworter_innen unbedingt brauchten: Internationaler Flair verbunden mit scheinbar belastbare Zahlen über den Segen der Agro-Gentechnik gerade in armen Regionen der Welt. War er ein neuer Hoffnungsträger? Viele Lobbyverbände und Medien bezogen sich bei ihren Jubelarien auf Qaim. Er hatte wieder öffentliche Auftritte und wurde in den Beirat beim Landwirtschaftsministerium berufen. Auf dem Save-our-Seeds-Blog wurde er wegen solcher Auftritte als "einer der vehementesten Gentechnik-Streiter in Deutschland" bezeichnet. Ein Blick in Texte von und über ihn zeigt denn auch den typisch fanatischen Wissenschaftsgläubigen, der schon 2003 verbreitete, dass "der Einsatz von Bt-Baumwolle den Ertrag um mehr als 80 Prozent steigerte, die Pflanzen jedoch bis zu 70 Prozent weniger Insektizide benötigten". Er glaubte, "dass eine Technologie wie Bt-Baumwolle tatsächlich auch von Klein- und Kleinstbauern angewendet wird und dass sie im Kleinbauernsektor deutlich höhere Erträge ermöglicht als konventionelle Baumwolle", und beobachtete "einen enormen Einkommensschub". Ein Patent ist für ihn "zunächst mal ein Anreiz, Forschung zu betreiben." Auch zu den Seilschaften der Agro-Gentechnik steckte Qaim seine Fühler aus. Er ist unter anderem Mitglied im Kuratorium des International Maize and Wheat Improvement Center (CIMMYT) und im Golden Rice Humanitarian Board. Zudem nahm er an der Päpstlichen Akademie im Vatikan teil und reiste zum wichtigsten deutschen Vernetzungstreffen, dem InnoPlanta-Forum 2010 in Üplingen.

Im Original: Von über über Matin Qaim
Artikel in der Ernährungs Umschau 05/09 (S. 294)
Special: Grüne Gentechnik und Welternährung
Um die wachsende Weltbevölkerung längerfristig ernähren zu können, muss die Agrarproduktion weiter stark gesteigert werden. Hierzu müssen auch neue Technologien wie die Gentechnik als Ergänzung zu konventionellen Methoden zum Einsatz kommen. Schon heute zeigen insektenresistente transgene Pflanzen signifikante Ertragsvorteile. Hunger ist aber nicht nur ein Produktions-, sondern auch ein Verteilungsproblem. Viele Menschen sind schlichtweg zu arm, um sich ausreichend zu ernähren. Auch hier bietet die Gentechnik Potenziale, da ein Großteil der Armutsbevölkerung von der Landwirtschaft abhängig ist.


Aus: Julia Bidder, "Der Boom der Zaubersamen", in: FOCUS, 20.10.2007
Der Anbau genetisch veränderter Baumwolle soll indische Bauern in den Selbstmord getrieben haben. Stimmt nicht, sagen Wissenschaftler – und verweisen darauf, dass Jahr für Jahr mehr Inder zur teuren Gen-Saat greifen.
Die Schlagzeilen klangen dramatisch: „Es wäre humaner, das Land zu bombardieren“, „Gen-Saat treibt Bauern in den Selbstmord“, hieß es 2006 in deutschen Medien. Tatsächlich hatten sich im vergangenen Jahr über tausend indische Bauern das Leben genommen. Aufgrund von schlechten Ernten saßen sie in einer Schuldenfalle. Laut Medienberichten hatten sie teures, gentechnisch verändertes Saatgut – sogenannte Bt-Baumwolle – gekauft. Die Aussicht auf reiche Ernte ließ die Bauern tief in die Tasche greifen: Bis zu dreimal so viel wie für konventionelles Saatgut bezahlten sie für die „Zaubersamen“, die den gefürchteten Baumwollkapselwürmern Einhalt gebieten sollten. Das gefräßige Getier kehrte dennoch zurück. Oder die Pflanzen verdorrten. Aber waren wirklich die gentechnisch veränderten Baumwollpflanzen von Unternehmen wie Monsanto & Co. schuld?
Agrarwissenschaftler wie Qaim sind skeptisch. „Das traurige Phänomen, dass sich verschuldete Bauern das Leben nehmen, ist in Indien leider seit den 90er-Jahren bekannt – schon lange vor dem Anbau der Gen-Baumwolle“, sagt der Professor für Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung an der Universität Göttingen. „Es gibt kein Anzeichen dafür, dass sich die Zahl seit dem Anbau der Bt-Varianten erhöht hat.“
Bakteriengift tötet Schädlinge
Bt-Baumwolle hat den Markt längst erobert. Anders als bei Nahrungsmitteln klebt auf Kleidung kein Etikett, wenn sie von genmanipulierten Pflanzen stammt. „Wir alle tragen Hemden und T-Shirts aus gentechnisch veränderter Baumwolle“, sagt Qaim. Weltweit wächst auf mindestens 13,4 Millionen Hektar Bt-Baumwolle, Hauptanbaugebiete sind China, die USA und Indien. Bt steht für das Bakterium Bacillus thuringiensis. Diese Mikrobe produziert ein Gift, das bestimmte Schädlinge wie den Baumwollkapselwurm oder den Maiszünsler tötet. Farmer nutzen es schon lange als Insektenschutzmittel – auch Ökobauern. Weil es sich um eine natürlicherweise vorkommende Substanz handelt, die für den Menschen harmlos ist, dürfen auch sie den Stoff auf ihren Feldern ausbringen. Mais, Soja oder Baumwolle mit der Vorsilbe „Bt“ produzieren das Bakterientoxin hingegen selbst. Gentechniker schleusten ihnen dazu Teile der Erbinformation der Mikroben ein. Der Vorteil: Man braucht weniger Insektizide, um Schädlinge fernzuhalten. Ganz darauf verzichten kann man trotz der „genetischen Keule“ aber nicht, da Bt nicht gegen alle hungrigen Insekten wirkt.
Laut wissenschaftlichen Studien sind die Genpflanzen ein voller Erfolg: Qaim beispielsweise kam 2003 gemeinsam mit Kollegen zu dem Schluss, dass der Einsatz von Bt-Baumwolle den Ertrag um mehr als 80 Prozent steigerte, die Pflanzen jedoch bis zu 70 Prozent weniger Insektizide benötigten. Auch zwei aktuelle Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Bauern, die auf Genpflanzen setzten, etwa 50 Prozent mehr Ernte einfuhren als Farmer mit konventionellem Anbau. Für 2007/2008 rechnet Indien mit einer Rekordernte dank der Genpflanzen: Über 31 Millionen Ballen Baumwolle sollen es werden, in der Saison 2006/2007 waren es 28 Millionen.


Aus einem Interview mit Matin Qaim auf www.biosicherheit.de
Prof Dr. Matin Qaim leitet den Arbeitsbereich Welternährung und Rurale Entwicklung an der Fakultät für Agrarwissenschaften der Universität Göttingen. Seit 2000 beschäftigt er sich mit den ökonomischen Auswirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Nutzpflanzen. Er ist unter anderem Mitglied im Kuratorium des International Maize and Wheat Improvement Center (CIMMYT) und im Golden Rice Humanitarian Board.
bioSicherheit: Nach Aussagen der FAO muss die globale Nahrungsmittelproduktion bis 2050 um 70 Prozent gesteigert werden, um dann schätzungsweise neun Milliarden Menschen zu ernähren. Wie kann dieses Ziel erreicht werden?
Matin Qaim: Das nötige Produktionswachstum kann nicht immer weiter auf Kosten natürlicher Ressourcen – vor allem Land, Wasser und Biodiversität - gehen. Das heißt, wir müssen Wege und Möglichkeiten finden, mit weniger Ressourcenverbrauch mehr zu produzieren. Das erfordert die Ausnutzung moderner Wissenschaft und Technologie, vor allem im Bereich der Züchtungsforschung. Chemische Technologien sind weitgehend ausgereizt, aber genetische Verbesserung birgt nach wie vor ein großes Potenzial. Dieses muss durch konventionelle und biotechnologische Züchtungsmethoden ausgenutzt werden, was höhere Investitionen in die Agrarforschung voraussetzt.
bioSicherheit: Kann man mit gentechnisch veränderten Pflanzen höhere Erträge erzielen als mit konventionell gezüchteten Pflanzen? Können solche Pflanzen einen signifikanten Beitrag dazu leisten, die Produktion von Grundnahrungsmitteln in Entwicklungsländern zu steigern?
Matin Qaim: Ja, aus meiner Sicht ist das ganz klar. Zwar ist es bisher mit der Gentechnik noch nicht gelungen, das Ertragspotenzial von Pflanzen zu steigern. Aber erst einmal muss ja das Ertragspotenzial der heute verfügbaren Nutzpflanzen erreicht werden. Und davon sind wir an den meisten Standorten der Welt weit entfernt, weil teilweise über fünfzig Prozent der Erträge ausfällt durch Schädlingsbefall, durch Pflanzenkrankheiten, durch Wassermangel und durch andere Stressfaktoren. Bei der Resistenz gegen solche Stressfaktoren gibt es bereits heute mit der Gentechnik beachtliche Erfolge. Insektenresistente Bt-Pflanzen beispielsweise reduzieren den Insektenfraß, so dass wir bei Bt-Baumwolle, aber auch bei Bt-Mais gerade in Entwicklungsländern Ertragsvorteile von dreißig, vierzig Prozent beobachten. Ähnliche Effekte sind auch für andere Kulturarten und Resistenzmerkmale zu erwarten.
bioSicherheit: Sie untersuchen in Ihren eigenen Forschungsarbeiten, welche ökonomischen Auswirkungen der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen für Kleinbauern in Entwicklungsländern hat. Dabei haben Sie sich vor allem mit dem Anbau von Bt-Baumwolle in Indien befasst. Was sind Ihre wichtigsten Ergebnisse?
Matin Qaim: Wichtig ist, dass eine Technologie wie Bt-Baumwolle tatsächlich auch von Klein- und Kleinstbauern angewendet wird und dass sie im Kleinbauernsektor deutlich höhere Erträge ermöglicht als konventionelle Baumwolle. Wir beobachten in Indien inzwischen über sieben Jahre hinweg durchschnittliche Ertragsvorteile von etwa 35 Prozent und eine Reduktion des Pestizideinsatzes um etwa 40 Prozent. Der Gewinn, der den Bauern bleibt, hat sich im Durchschnitt um 135 US-Dollar pro Hektar erhöht und das ist viel Geld für diese Kleinbauernfamilien. Das sind Daten, die ich zusammen mit Kollegen und Mitarbeitern selber erhoben habe und die repräsentativ für Indien sind. Wir haben jetzt gerade eine umfangreiche neue Studie vorgelegt, in der wir über diese Feldbeobachtungen hinausgehen und analysieren, was diese Technologie in breiterem Maßstab in der lokalen Volkswirtschaft an Effekten auslöst. Wir beobachten einen enormen Einkommensschub. Das Haushaltseinkommen von ländlichen Familien ist beim Anbau von Bt-Baumwolle im Vergleich zu konventioneller Baumwolle um fast achtzig Prozent erhöht und interessanterweise trifft das nicht nur auf die Baumwollbauern zu, sondern beispielsweise auch auf landlose Arbeiter oder Beschäftigte in anderen Sektoren wie Transport und Handel. Der Großteil – etwa sechzig Prozent – dieser Einkommenssteigerungen entfällt auf Haushalte mit weniger als zwei US-Dollar Tageseinkommen, also solche, die von der Weltbank als arm definiert werden. Dies trägt indirekt ebenfalls zur Bekämpfung des Hungers bei, weil höheres Einkommen besseren Zugang zu Nahrung bedeutet.
bioSicherheit: Was sagen Sie zu dem immer wieder geäußerten Vorwurf, gentechnisch veränderte Pflanzen wären nur für die industrialisierte Landwirtschaft entwickelt worden und Kleinbauern in Entwicklungsländern müssten sich für diese teure Technologie verschulden?
Matin Qaim: Das liegt natürlich weniger an der Technologie selbst als daran, wer sie unter welchen Vorzeichen entwickelt. Bisher – und das ist ein Stück weit beklagenswert – haben fast ausschließlich große private Firmen Technologien entwickelt und auf den Markt gebracht, die inzwischen weit verbreitet auch von Kleinbauern in Entwicklungsländern angewendet werden, die aber sicherlich nicht primär für den Kleinbauernsektor entwickelt wurden. Diese Technologien können dort Nutzen stiften, aber es gibt eine ganze Reihe von Bereichen, die von den privaten Firmen nicht abgedeckt werden. Insofern würde ich mir wünschen, dass mehr öffentliche Forschung stattfindet, die gezielt auf die Belange von Kleinbauern in Entwicklungsländern ausgerichtet ist. Die Saatgutpreise werden natürlich durch Patente erhöht, was den Zugang erschwert. Bisher ist es aber so, dass die Patente, die in den USA oder auch in Europa gelten, zum allergrößten Teil in den Entwicklungsländern nicht gelten. Es gibt Verschuldungsprobleme bei Kleinbauern in Entwicklungsländern, aber der Grund dafür liegt nicht bei gentechnisch verändertem Saatgut. Dennoch: Ich würde mir wünschen, dass mehr öffentlich geforscht und auch auf den Markt gebracht wird, ergänzend zu den Aktivitäten der privaten Firmen.
bioSicherheit: Werden denn schon gentechnisch veränderte Nutzpflanzen im Rahmen öffentlicher Forschung entwickelt? Es werden ja immer wieder Befürchtungen geäußert, dass die Konzerne in Zukunft die gesamte Saatgutproduktion kontrollieren und eben nicht das entwickeln, was in Entwicklungsländern gebraucht wird.
Matin Qaim: Es findet eine ganze Menge öffentliche Forschung statt. Die öffentliche Forschung sieht sich aber verschiedenen Problemen gegenüber. Zum einen ist sie natürlich abhängig von Steuergeldern und insbesondere im europäischen Kontext hat sich die Politik bisher schwer getan, gentechnische Forschung explizit öffentlich zu fordern, weil die öffentliche Meinung dagegen steht. Ein anderes, mindestens ebenso wichtiges Problem ist der Umstand, dass der öffentliche Sektor bisher so gut wie gar nichts bis zur Marktreife gebracht hat. Der Grund dafür ist die Regulierung, die inzwischen sehr komplex und vielschichtig ist. Die Regulierungskosten sind um ein Vielfaches höher als die eigentlichen Forschungskosten und das sind Kosten, die bisher nur große multinationale Konzerne stemmen konnten. Das heißt, dass öffentliche Forschung es immer schwerer hat, aber dass auch kleinere Unternehmen mit weniger Finanzkraft es immer schwerer haben. Die hohe Regulierungsdichte trägt in diesem Fall mit zu einer Konzentration, zu einer Monopolisierung bei und da sollte gegengesteuert werden. Ich bin der Überzeugung, dass auch große Konzerne Technologien entwickeln, die in Entwicklungsländern Nutzen stiften können, wie zum Beispiel die Bt-Baumwolle, aber das wird nicht reichen. Eine Firma wie Monsanto wird sich nicht um Hirse, Sorghum oder Maniok kümmern, alles wichtige Grundnahrungsmittelpflanzen in Entwicklungsländern, wird sich auch nicht um Merkmale kümmern wie vielleicht höherer Vitamin A-Gehalt oder höherer Eisengehalt in diesen Pflanzen. Es gibt Bereiche, von denen können wir nicht erwarten, dass sie von privaten Konzernen erforscht werden und genau das muss durch öffentliche Forschung ergänzt und abgedeckt werden.
bioSicherheit: Selbst wenn die Regulierungskosten niedriger wären, ist eine solche Hochtechnologie immer noch teuer in der Entwicklung. Es wird immer wieder kritisiert, dass hier viel Geld ausgegeben wird, das dann anderswo in der Entwicklungshilfe fehlt und dass man lieber kostengünstigere Alternativen verfolgen sollte. In Afrika wurde zum Beispiel zur Bekämpfung des Maisstängelbohrers – gegen den man ja auch mit Hilfe der Bt-Technologie vorgehen kann - eine sehr erfolgreiche biologische Methode entwickelt, die „Push-Pull“-Methode. Gibt es Untersuchungen zu der ökonomischen Wirksamkeit solcher alternativer Vorgehensweisen?
Matin Qaim: Grundsätzlich dürfen die Gentechnik oder auch andere Hochtechnologien nicht als Ersatz für andere Maßnahmen der Entwicklungshilfe gesehen werden. Dieser Kostenvergleich, den Sie ansprechen, Hochtechnologie ist teuer, andere Methoden sind billig, ist aus meiner Sicht aber viel zu kurzsichtig. Man muss die Kosten umfassender betrachten. Bei der Entwicklung einer gentechnisch veränderten Sorte hat man eine relativ hohe Anfangsinvestition, aber man muss ja bedenken, dass diese Technologie für die Bauern leicht anzuwenden ist und die Kosten nachher sehr gering sind, jedenfalls wenn sie das Saatgut selber weitervermehren können. Zu Methoden zur biologischen Schädlingsbekämpfung gibt es auch ökonomische Studien, aber diese Studien schauen sich in der Regel nur in einer ganz kleinen Pilotregion an, wie Bauern bei einer intensiven Betreuung und Beratung so etwas erfolgreich umsetzen können. Und dann heißt es, das ist günstig für die Bauern. Aber die Kosten, die durch die Beratungsleistungen verursacht werden, und der höhere Arbeitsaufwand, den die Bauernfamilien erbringen müssen, werden nicht gegengerechnet. Das ist realitätsfern. Und so erfolgreich bisher Methoden der biologischen Schädlingsbekämpfung an einigen lokalen Standorten sind, im Rahmen kleiner Projekte, ich kenne bisher kein Beispiel aus Entwicklungsländern, wo das so genannte „Upscaling“ erfolgreich war, das heißt also, aus dem Pilotcharakter heraus eine weitere Verbreitung zu finden. Das ist bei der Gentechnik anders. Ich will damit überhaupt nicht sagen, dass Gentechnik besser ist als biologische Schädlingsbekämpfung. Sie würden hervorragend zusammenpassen, denn die Gentechnik kann ja mit dazu beitragen, den chemischen Pestizideinsatz zu reduzieren. Eine Kombination wäre für mich durchaus wünschenswert. Wir sind, weil die ganze Diskussion ideologisch geprägt ist, noch weit davon entfernt, aber ich wäre der letzte, der sagt, dass biologische Schädlingsbekämpfung keine Rolle spielt. Nur: die Erfahrung zeigt, dass neue Saatguttechnologien sich sehr viel schneller und weiter verbreiten, weil es den Bauern einfach erscheint und weil es sehr viel weniger Input in Beratung und Training kostet. Deshalb sind moderne Saatguttechnologien insgesamt mitnichten teurer als Low-Tech Alternativen.


Aus Ulli Kulke, "Bio kann die Welt nicht retten", in: Die Welt, 13.5.2008
Die Bevölkerung wächst ungebremst: Mehr als 800 Millionen Menschen hungern. Ernteerträge leiden unter Krankheiten, Schädlingen, Dürre oder Kälte. Deshalb müssen wir widerstandsfähige Pflanzen züchten mit speziellen Merkmalen, meint der Agrarforscher Matin Qaim – und erklärt gegenüber WELT ONLINE, warum an der Gentechnik kein Weg vorbeiführt.
WELT ONLINE: Warum hat die Pflanzenforschung in den letzten 20 oder 30 Jahren keine nennenswerten Ertragssteigerungen mehr bei Nahrungspflanzen erreicht?
Matin Qaim: Es gab schon kontinuierliche Erfolge...
WELT ONLINE: ... die aber nicht zu vergleichen sind mit den großen Sprüngen bei der Grünen Revolution in den 60er-Jahren.
Qaim: Europa kennt effiziente Züchtungsarbeit seit etwa 100 Jahren, in den Entwicklungsländern blieb es bis zur Grünen Revolution vor 40 Jahren bei den traditionellen Landsorten, erst da entwickelte man gezielt Hochertragssorten, die Erträge steigerten sich um das Zwei- und Dreifache in ein, zwei Jahrzehnten. Das war natürlich spektakulär. Heute haben wir etwa ein oder eineinhalb Prozent pro Jahr. Die Frage ist, ob mit konventionellen Züchtungsmethoden noch Steigerungen möglich sind. Es wird immer schwieriger, immer kostenintensiver.
WELT ONLINE: Fühlen sich die Biologen durch den jüngsten Alarm zum Welthunger herausgefordert?
Qaim: Pflanzenzüchtung läuft langfristig. Heutiger Alarm schafft nicht morgen schon neue Sorten oder Technologien. Wir müssen zehn, 15 Jahre vorausdenken. Doch die Forschung ist in den letzten Jahrzehnten deutlich verringert worden, auch weil man in den reichen Ländern denkt, der Welthunger sei nur ein Verteilungsproblem. Das ist falsch. Die Weltbevölkerung wächst. Höhere Einkommen heizen die Nachfrage zusätzlich an.
WELT ONLINE: Es gibt noch Brachflächen, etwa in Osteuropa.
Qaim: Stimmt, auch in Teilen Südamerikas. Aber die sind unerschlossen, Infrastruktur fehlt, Eigentumsfragen sind ungeklärt. Und gleichzeitig fallen viele Flächen weg, jährlich zehn Millionen Hektar durch Erosion, Versalzung, durch das Wachstum der Städte. Wir können nicht mit weltweitem Flächenzuwachs rechnen.
WELT ONLINE: Wie wichtig ist die Gentechnik wirklich für die Linderung des Welthungers?
Qaim: Da müssen wir trennen zwischen der Steigerung des Ertragspotenzials, also dem, was die Pflanze unter optimalen Bedingungen hergibt, und der Steigerung des tatsächlichen Ertrags. Beim ersten, also grob vereinfacht gesagt bei der Größe der Ähre, werden normale Züchtungsverfahren, Selektion und Kreuzung, weiter ausschlaggebend sein, weil das Ertragspotenzial einer Pflanze ein genetisch sehr komplexes Phänomen ist, von mehr als zwei oder drei Genen codiert. Hier sind wir vom Einsatz der Gentechnik noch weit entfernt. Das Potenzial einer Pflanze wird aber fast nirgends ausgeschöpft, der tatsächliche Ertrag leidet unter Krankheiten, Schädlingen, Salz, Dürre oder Kälte. Deshalb müssen wir widerstandsfähige Pflanzen züchten mit speziellen Merkmalen, damit sie all dem widerstehen können. Hier kann Gentechnik hilfreich sein, weil gezielt einzelne Gene eingesetzt werden können. Schädlinge bringen weltweit Verluste von 50 Prozent, da können wir viel erreichen. Gentechnik ersetzt klassische Züchtung nicht, sondern ergänzt sie.
WELT ONLINE: Können sie nicht höhere Nährwerte in die Pflanzen einbauen, um den Hunger zu lindern?
Qaim: Hunger ist nicht nur chronischer Kalorienmangel, sondern auch eine unzulängliche Versorgung mit Nährstoffen, vor allem Mikronährstoffen wie Eisen, Zink oder VitaminA. Besonders bei Armen, die sich kein Obst, Gemüse, Fleisch oder Fisch leisten können. Man kann Grundnahrungsmittel wie Reis oder Weizen so verändern, dass sie einen höheren Anteil solcher Mikronährstoffe enthalten. Grundsätzlich auch mit konventioneller Züchtung. Sie suchen Wildsorten, die mehr davon enthalten, und kreuzen sie ein. VitaminA, also das dafür nötige Beta-Karotin, suchen Sie in Reissorten aber vergeblich. Nur mithilfe von Gentechnik können Sie es aus anderen Pflanzen übertragen wie beim Golden Rice.
WELT ONLINE: Die Rede ist dabei immer nur vom Golden Rice, gibt es keine weiteren Fälle?
Qaim: Beim internationalen „Harvest Plus Programme“ will man Zink, Eisen und VitaminA in Grundnahrungsmittel wie Reis, Weizen, Maniok, Bohnen oder Mais einbauen. So weit es geht auf konventionelle Art, auch weil die Akzeptanz dann größer ist...
WELT ONLINE: ... was aber länger dauert.
Qaim: Gentechnik könnte technisch gesehen zwar schneller ans Ziel kommen. Der Erfolg verzögert sich aber sehr durch die langen und teuren Zulassungsverfahren. Die Idee des Golden Rice gibt es seit zehn Jahren – er ist heute noch nicht zugelassen.
WELT ONLINE: Das liegt nur am Zulassungsverfahren?
Qaim: Nun gut, es stehen auch noch Feldversuche aus, doch da hakt es wieder an den Genehmigungen. So wird der technisch mögliche Zeitgewinn wieder zunichte gemacht. Natürlich bringen neue Technologien gewisse Risiken mit sich. Risikoabschätzungen, Zulassungsverfahren sind nötig. In den letzten Jahren aber haben das Akzeptanzproblem sowie immer neue behördliche Hürden die Forschung zunehmend behindert. Weltweit wird keine Technologie so stark reguliert wie die Grüne Gentechnik, obwohl ernsthafte Probleme oder Risiken nirgendwo sichtbar sind.
WELT ONLINE: Die öffentliche Abneigung macht die Beschränkungen für die Politik populär.
Qaim: Man kann es auch umgekehrt sehen. Die starke Regulierung verschärft das Akzeptanzproblem, lässt die Technologie zwangsläufig hochgefährlich erscheinen. Das Wechselspiel aus Angst und Überregulierung hat eine weitere fatale Folge: Um eine gentechnische Neuerung auf den Markt zu bringen, braucht man einen langen Atem und viel Geld – ein Problem für Entwicklungsländer, öffentliche Organisationen, kleinere Firmen. Im Geschäft bleiben nur die großen multinationalen Firmen...
WELT ONLINE: ... und so tritt genau das ein, was die Kritiker der Gentechnik vorhalten: die Konzentration, das Geschäft der Multis.
Qaim: Das ist nicht nur ein Imageproblem. Private Großkonzerne können manches. Aber gerade für die Bedürfnisse der Kleinbauern in den Entwicklungsländern gäbe es hohen Forschungsbedarf, an dem die Monsantos oder Syngentas der Welt wenig Interesse haben. Hier ist öffentliche Forschung gefragt, die aber aus besagten Gründen nicht entsprechend vorankommt.
WELT ONLINE: Der sogenannte Weltagrarrat, ein Projekt der UN, fordert weniger Düngerverbrauch und mehr traditionelle Landwirtschaft.
Qaim: So interpretieren manche Interessierte den Agrarrat, zum Beispiel die Umweltverbände. Ich sehe in dem neuen Report des Rates kein Plädoyer gegen intensivere Landwirtschaft. Der Rat ist aber auch nicht repräsentativ von Forschern besetzt, seine Entscheidungsfindung war ein politisierter Prozess. Den Einsatz von weniger Düngemittel zum Beispiel für Afrika zu fordern wäre auch ein schlechter Witz. Im Durchschnitt landen dort weniger als zehn Kilo Dünger auf einen Hektar. Afrika benötigt dringend mehr Dünger. Allein sein Einsatz könnte dort zu einer Grünen Revolution führen, aber da fehlt die nötige Infrastruktur, ohne die der Dünger den Bauern nicht erreicht. Auch Know-how und Vermarktungschancen fehlen.
WELT ONLINE: Manche sehen die Rettung in der weltweiten Umstellung auf Biolandbau. Gäbe es dafür überhaupt genug Fläche?
Qaim: Im Durchschnitt sind die Erträge im Biolandbau um 30 oder 40 Prozent geringer, entsprechend höher wäre der Flächenbedarf. Nur wo der Schädlingsdruck sehr niedrig ist, käme die ökologische Landwirtschaft näher an die Ergebnisse der konventionellen. Was übersehen wird: Hierzulande fließt in den Biolandbau meist bestes Wissen und Management ein. Sie müssen genau die Schadstellen erkennen, exakt die Fruchtfolgen einhalten und erkennen, welche Zwischenkulturen wo genau am besten sind. Unsere Verhältnisse auf alle Welt zu übertragen wäre utopisch.
WELT ONLINE: So etwas wie die Grüne Revolution ist für die Vertreter des Ökolandbaus ein rotes Tuch, auch wenn sie vor 40 Jahren entscheidend zur Linderung des Hungers beitrug. Sie nutze nur den Großen und schade den Kleinbauern, hieß es. Erinnert Sie die heutige Diskussion über die Grüne Gentechnik an damals?
Qaim: Es ist heute ähnlich, allerdings auch verschärft. Eben weil damals öffentliche Institute die Forschung dominierten, heute dagegen multinationale Konzerne. Allein dies schon führt zu mangelnder Akzeptanz. Ansonsten sind es ähnliche Argumente. Zum Beispiel dass die Kleinbauern von all den Neuerungen keinen Nutzen hätten. Das stimmte so pauschal damals nicht und stimmt heute nicht.
WELT ONLINE: Kritik kam auch auf, weil die Agrokonzerne den Bauern mit Vorliebe Paketlösungen anboten: Saatgut, das im nächsten Jahr nicht der eigenen Ernte wieder entnommen werden kann, sondern neu gekauft werden muss, sogenannte Hybridsorten. Und dazu passend nur Dünger und Pestizide aus demselben Haus.
Qaim: Da ging vieles durcheinander. Die Sorten wurden damals von öffentlichen Instituten entwickelt, es waren auch keine Hybriden. Die Bauern konnten sie durchaus nachbauen. Aber erst diese Sorten reagierten einfach viel stärker auf chemische Inputs, vor allem auf Stickstoff und besser auch auf Bewässerungstechniken. Nun erst lohnte sich der Dünger, eine Handvoll steigerte plötzlich den Ertrag um 50 oder 100 Prozent. Beim Pflanzenschutz war es ähnlich. Andererseits stimmt es auch, dass die ersten Sorten bei der Grünen Revolution damals nicht sehr widerstandsfähig waren. Hier und da kam es zur Übernutzung von Pflanzenschutz – ein Prozess, aus dem wir inzwischen gelernt haben.
WELT ONLINE: Die Bauern mussten aber plötzlich Patentgebühren bezahlen.
Qaim: Auch hier wird vieles verwechselt. Die Debatte über Patente kam erst in den 80er-Jahren auf, während der Grünen Revolution zahlte niemand für Patente auf Sorten. Heute ist das, ausgehend von den USA, anders.
WELT ONLINE: Zum Schaden der Kleinbauern?
Qaim: Ein Patent ist zunächst mal ein Anreiz, Forschung zu betreiben. Führt es zu Monopolen, kann es natürlich den Preis verfälschen. Ein Patent ist aber nationales Recht. Wenn Monsanto auf ein Getreide in den USA ein Patent hat, gilt dies noch lange nicht in China oder Indien, es sei denn, der Konzern hat dort ebenfalls ein Patent angemeldet und erhalten. Tatsache ist, dass die meisten gentechnisch veränderten Sorten in den Entwicklungsländern nicht patentiert sind. Das ist auch der Grund dafür, dass die Saatgutpreise günstig sind.
WELT ONLINE: Was ist an dem Argument, die Grüne Revolution habe nur zur Landkonzentration geführt.
Qaim: Wenn es um Technologien geht, die vor allem Großbauern nutzen, wie zum Beispiel einen Traktor, so kann dies die Landkonzentration fördern. Aber das muss nicht so sein. Ein Forschungsprojekt in Indien, das wir gerade abschließen, zeigt, dass die gentechnisch veränderte Baumwolle viele Arbeitsplätze schaffte. Sie wird von Hand geerntet, und die höheren Erträge bringen Beschäftigung.
WELT ONLINE: Leidet die Artenvielfalt unter den neuen Sorten?
Qaim: Manche befürchten, dass ausgebrachte gentechnisch veränderte Pflanzen in der Natur andere Arten verdrängen. Das halte ich für weit hergeholt. Was allerdings beachtet werden muss: Entwickele ich neue, ertragreichere Sorten, gentechnisch oder traditionell, kann es passieren, dass die Bauern sich stärker auf diese Sorte konzentrieren und die anderen zurückgedrängt werden. Dann werden zum Beispiel Sojabohnen in Monokultur angebaut, zulasten der Artenvielfalt. Das hat aber nichts Spezielles mit der Gentechnik zu tun.
WELT ONLINE: Eine Folge der Effizienzsteigerung.
Qaim: Ja. Bei der damaligen Grünen Revolution hatte das zur Folge, dass Hunderte oder Tausende traditioneller Landsorten durch einige wenige Hochertragssorten ersetzt wurden. Ob die Grüne Gentechnik so etwas verstärkt, ist eine ganz andere Frage. Bei ihr geht es um einzelne Merkmale, gerade nicht um neue Sorten. Diese Merkmale – Resistenzen gegen Schädlinge, Dürre oder Salz – kann man leicht in alle Sorten einbauen, die die Landwirte haben wollen. In den USA wurde so eine Herbizidresistenz in über 1500 Sojasorten eingebaut, die nun alle einen tatsächlichen höheren Ertrag aufweisen. Anders als bei einer herkömmlichen Züchtung, die sich auf weniger neue Sorten konzentriert, können diese Arten so weiterhin mithalten und bleiben so im Anbau.
WELT ONLINE: Alle wollen hohe Artenvielfalt. Aber warum soll ein Kleinbauer eine alte Landsorte anbauen, wenn eine neu entwickelte ihm höheren Ertrag verspricht?
Qaim: Stimmt. Deshalb bekommen manche Bauern für den Erhalt von Artenvielfalt Ausgleichszahlungen.
WELT ONLINE: Wie auch der Biolandbau stärker gefördert wird.
Qaim: Ja, genau. Wobei beim Biolandbau die Sortenvielfalt nicht unbedingt größer ist.
WELT ONLINE: Eigentlich kann man doch heutzutage alle Arten in Genbanken konservieren.
Qaim: Grundsätzlich ja. Genetische Vielfalt bedeutet aber auch stetige Anpassung an sich ändernde natürliche Gegebenheiten. Die funktioniert nicht in der Genbank. Deshalb ist ein Erhalt auf bestimmten Flächen auch erwünscht, dafür reichen wohl aber kleine Areale.
WELT ONLINE: Woher kommt die Abneigung gegen Gentechnik?
Qaim: Zum einen, weil sie sofort mit den multinationalen Konzernen in Verbindung gebracht wird. Gegen die herrscht breite Abneigung. Auch die Globalisierungskritik spielt eine Rolle. Leider stellen die Medien in ihrer Berichterstattung die Risiken um ein Vielfaches stärker dar als die Vorteile. Der Eingriff in ein Genom ist für den, der nicht viel davon versteht, eine unheimliche Vorstellung. Und Kritik daran ist politisch korrekt, auch deshalb ist sie so populär.
WELT ONLINE: Sind unter Ihren Studenten auch Fundamentalkritiker?
Qaim: Ja. Im studentischen Alter ist man besonders kritisch, und das ist auch gut so. Viele denken später anders, wenn sie mehr darüber erfahren. Wie ich selbst auch. Als ich mich 1996 an meine Dissertation setzte über die sozioökonomischen Auswirkungen von gentechnisch veränderten Pflanzen, ging ich mit einer ablehnenden Haltung daran. Das hat sich nun geändert. Auch wenn ich heute weit davon entfernt bin zu sagen: Gentechnik allein könnte die Welt retten.


Aus "Schwellenländer setzen auf gentechnisch veränderte Pflanzen", in: Neue Zürcher Zeitung, 18.6. 2009
Matin Qaim, Professor für Welternährungswirtschaft an der Universität Göttingen, ist nach eigenen Untersuchungen in Indien überzeugt, dass nach anfänglichen Schwierigkeiten die Bt-Baumwolle für Bauern in Indien gewinnbringend ist. Die Missernten in den ersten Jahren seien nur in manchen Gegenden Indiens aufgetreten. Dort seien nämlich für die dortigen klimatischen Bedingungen ungeeignete Bt-Baumwoll-Sorten angepflanzt worden. Dies sei allerdings kein Verschulden der Bauern gewesen, vielmehr habe es zunächst nur sehr wenige und nur für bestimmte Regionen geeignete Bt-Baumwoll-Sorten gegeben – die trotzdem überall propagiert worden seien.

Zu Qaims Studie: Presseinfo "Anbau gentechnisch veränderter Baumwolle reduziert Armut", 25.9.2009
Der Göttinger Agrarökonom Prof. Dr. Matin Qaim und sein Forscherteam belegen in einer Studie, dass gentechnisch veränderte Baumwolle zur Armutsminderung beitragen kann. So kann der Anbau von schädlingsresistenter Bt-Baumwolle in Indien die Einkommen ländlicher Armutshaushalte beträchtlich steigern. Bei der Bt-Baumwolle wurde ein Gen des Bakterium Bacillus thuringiensis eingefügt. Es produziert ein Gift gegen Fraßschädlinge, das jedoch als unschädlich für Menschen gilt. Die Ergebnisse der Studie sind in der September-Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Nature Biotechnology" erschienen.
Der Nutzen von gentechnisch verändertem Saatgut wird in Deutschland und Europa kontrovers diskutiert. Der Göttinger Agrarökonom Prof. Dr. Matin Qaim und sein Forscherteam belegen in einer Studie, dass gentechnisch veränderte Baumwolle zur Armutsminderung beitragen kann. So kann der Anbau von schädlingsresistenter Bt-Baumwolle in Indien die Einkommen ländlicher Armutshaushalte beträchtlich steigern. Bei der Bt-Baumwolle wurde ein Gen des Bakterium Bacillus thuringiensis eingefügt. Es produziert ein Gift gegen Fraßschädlinge, das jedoch als unschädlich für Menschen gilt. Die Ergebnisse der Studie sind in der September-Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Nature Biotechnology" erschienen.
"In den vergangenen Jahren haben zahlreiche unabhängige Studien gezeigt, dass insektenresistente Pflanzen mit eingebauten Bt-Genen den chemischen Pestizid-Einsatz erheblich reduzieren und gleichzeitig die Erntemengen steigern, vor allem auch bei Kleinbauern in einigen Entwicklungsländern", so Prof. Qaim. Wissenschaftliche Publikationen hätten sich bisher vor allem auf die unmittelbaren Auswirkungen auf dem Feld konzentriert. Die nun von dem Forscherteam vorgelegte Studie berücksichtigt auch soziale und wirtschaftliche Aspekte. Bt-Baumwolle wurde 2002 in Indien kommerzialisiert und 2008 von mehr als fünf Millionen Kleinbauern angebaut. Mehrere repräsentative Umfragen ergaben, dass Kleinbauern, die Bt-Baumwolle anbauen, im Schnitt 41 Prozent weniger Pestizide benötigten und 37 Prozent höhere Ernteerträge erzielen. Finanziell bedeutet das einen Mehrgewinn von 135 Dollar pro Hektar.
Für die 7,6 Millionen Hektar Bt-Baumwolle in Indien ergibt es insgesamt zusätzlich 1 Millliarde Dollar direkten Gewinn für die Bauern. Der indirekte Gewinn berücksichtigt darüber hinaus das Mehreinkommen für die von der Baumwollproduktion abhängigen Landarbeiter sowie für die Beschäftigten in anderen Sektoren wie Transport und Handel. Zudem fließt in die Berechnung der mit dem höheren Einkommen zusammenhängende Schub für andere lokale Branchen ein. Direkter und indirekter Gewinn zusammen belaufen sich in Indien auf 1,87 Milliarden Dollar pro Jahr. 60 Prozent dieser Einkommenssteigerung entfällt auf Haushalte unterhalb der Armutsgrenze, für die sich die Lebenssituation entscheidend verbessert. Von den positiven Beschäftigungseffekten, insbesondere für Frauen, profitieren auch Haushalte von Landarbeitern.
Originalveröffentlichung: "Commercialized GM crops and yield", Nature Biotechnology, September 2009, Volume 27, No 9, pp 803-804

Kontaktadresse:
Prof. Dr. Matin Qaim
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Agrarwissenschaften
Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung
Telefon (0551) 39-4806
E-Mail: mqaim@uni-goettingen.de
Internet: www.uni-goettingen.de/de/18500.html


Tillmann Elliesen, "Der fruchtlose Streit um die Gentechnik", in: Zeitschrift für Entwicklung und Zusammenarbeit 5/2003
In der Zeitschrift „Science“ erschien am 7. Februar ein Beitrag von Matin Qaim vom Bonner Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) und David Zilberman von der University of California über Feldversuche in Süd- und Zentralindien mit einer Baumwollhybride, in die ein Gen des insektiziden Bakteriums Bacillus thuringiensis (Bt) eingebaut wurde. Dies soll die Pflanze gegen den größten Baumwollschädling schützen, den Kapselwurm.1 (Hybride sind gezüchtete Pflanzensorten, aus denen die Bauern nicht mehr ihr eigenes Saatgut gewinnen können; sie müssen dies jedes Jahr neu kaufen.) Die Feldversuche waren vom indischen Saatguthersteller Mahyco im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für die Bt-Baumwolle durchgeführt worden. Auf drei Versuchsfeldern waren Bt-Baumwolle, die gleiche Hybride ohne Genveränderung und eine lokal populäre Sorte gepflanzt worden. Qaim und Zilberman befragten im Frühjahr 2002 nach der Ernte 157 Bauern, die sich an den Versuchen beteiligt hatten, zu den Erträgen. Ergebnis: Im Vergleich zu der nicht genveränderten Mahyco-Hybride habe die Bt-Baumwolle durchschnittlich um 80 Prozent höhere Ernteerträge gebracht, verglichen mit den lokal populären Sorten sogar 87 Prozent mehr.

Text "Gen-Baumwolle in Indien um achtzig Prozent ertragreicher", auf: wissenschaft.de, 7.2.03
Vor allem in den Tropen und Subtropen könnten sich schädlingsresistenten Pflanzen lohnen
Genmanipulierte, schädlingsresistente Baumwolle kann die Erträge im Vergleich zu herkömmlichen Pflanzen erheblich steigern. Das hat ein deutsch-amerikanisches Forscherteam bei Feldversuchen in Indien herausgefunden. Vor allem in den Tropen und Subtropen könnten Bauern von den schädlingsresistenten Pflanzen profitieren, berichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift "Science" (Bd. 299, S. 900).
Matin Qaim von der Universität Bonn und seine Kollegen baten knapp vierhundert indische Farmer, drei verschiedene Baumwollsorten auf benachbarten Feldern anzubauen: die gentechnisch hergestellte Bt-Baumwolle, die dank eines Bakteriengens ein Insektizid gegen den Baumwollkapselwurm produziert, die gleiche Baumwolle ohne das Bakteriengen und eine in Indien sehr beliebte Baumwollsorte.
Die Erträge der Bt-Baumwolle waren um 80 Prozent höher als die der verwandten Sorte und um 87 Prozent höher als die der indischen Baumwolle. Zudem mussten bei der gentechnisch veränderten Baumwolle 70 Prozent weniger Pestizide eingesetzt werden, fanden die Wissenschaftler.
Das Ergebnis ist überraschend, da bisherige Versuche in den USA, China oder Argentinien diese enorme Ertragssteigerung bei weitem nicht erreichen konnten. Teilweise brachten die Genpflanzen sogar weniger ein. In diesen Ländern ist der Schädlingsdruck jedoch nicht so hoch wie in Indien, sagen die Forscher. Zudem nutzen die dortigen Bauern weit mehr Pestizide. Während in Indien mehr als fünfzig Prozent der Ernte Schädlingen zum Opfer fällt, sind es in den USA beispielsweise lediglich etwa 12 Prozent.
Ein weiterer Vorteil der Bt-Baumwolle sei, dass sie nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch in der Anwendung wesentlich einfacher sei als Pestizide, sagen die Forscher. Insektenvernichtungsmittel müssen genau zum richtigen Zeitpunkt angewandt werden, um zu wirken, während bei der Genpflanze lediglich die Samen ausgetauscht werden. Qaim plädiert dennoch dafür, mögliche Risiken der Gentechnologie ernst zu nehmen: "In allen bisherigen Studien hat sich Bt-Baumwolle als unbedenklich für Mensch und Umwelt erwiesen; das sollten wir aber für jede neue Anwendung individuell testen."


Folien von Matin Qaim im Vortrag auf dem InnoPlanta-Forum am 6.9.2010



Was ist von Qaims Zahlen über gutgehende Gentech-Landwirtwirtschaft in Indien zu halten?
Aus "Bt-Baumwolle: Schlechte Wahl für Bauern in Süd-Indien", in: Pestizid-Brief Juli/August 2010 (S. 5)
Die Kosten für den Anbau sind für die Bt-Bauern fast doppelt so hoch wie für die Bio-Bauern. Gleichzeitig gibt es keine signifikanten Unterschiede bei den Ernteerträgen. .. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Bauern, die in ökologisch und in ökonomisch effiziente, diversifizierte Anbausysteme investieren und mehr auf ihre Dorfgemeinschaft setzen, bessere Ergebnisse erzielen.

Aus der Rede von Matin Qaim auf dem InnoPlanta-Forum am 6.9.2010 in Üplingen (Abschrift Tonbandmitschnitt)
„Die Diskussion ist heute mindestens ebenso kontrovers wie sie damals war ... Herr Leimbach hatte darauf hingewiesen, dass wir auch den Nutzen aufzeigen müssen – und das ist das, was wir versuchen, in unserer Forschungsarbeit zu tun“
„Glyphosat wird zwar in großen Mengen angewendet, ist sehr viel umweltverträglicher als viele andere Herbizide“
„Gentechnik nicht zu nutzen, wäre sicherlich unverantwortlich“
„Vorteile für Bauern in den Entwicklungsländern noch größer sind als in den Industrieländern“


Später in der Diskussion auf die Frage, warum die Zulassung für BT-Auberginen in Indien wieder zurückgezogen wurde:
Qaim sinngemäß: Indische zuständige Behörde hatte Ja-Wort gegeben. Umweltministerium hat sich dann eingeschaltet ... „Die Mehrheit der Bevölkerung, was immer das heißen mag, möchte diese Techniken nicht“ ... Moratorium „dass das Umweltministerium seine Rolle überschreitet“ ... „die Diskussion in Indien ist eigentlich nicht so ganz anders wie das, was wir hier vorfinden“ ... „der Wissensstand ist sehr, sehr begrenzt“

Forschung, Fälschung, Geldgier

Die besondere Frage: Bio-Hacking

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