Laienverteidigung

UMWELT- UND MENSCHENFREUNDLICHE MOBILITÄT

Reboundeffekte: Die kleinen Vorteile werden wieder aufgefressen


1. Was nicht hilft: Elektroautos (E-Autos)
2. Eine Antriebswende bringt nicht viel - Verkehrswende ist nötig!
3. Manches wird sogar schlimmer: Negative Effekte der Antriebswende
4. Reboundeffekte: Die kleinen Vorteile werden wieder aufgefressen
5. Antriebssysteme im Vergleich
6. Ressourcen für Antriebswende fehlen der Verkehrswende
7. Jubelgruppen pro E-Autos
8. Die Autokonzerne und ihre Seilschaften

Die Hinweise verdichten sich: Wer ein Elektroauto besitzt, benutzt das häufiger. Offenbar führt das Gefühl, umweltfreundlich unterwegs zu sein, zu einem Vernachlässigen der Verkehrsmittel Fuß, Fahrrad und ÖPNV. E-Autos führen dadurch zu mehr Fahrten und damit zu mehr Verkehr, mehr Gefahren, mehr Feinstaub (Reifenabrieb), mehr Energieverbrauch und letztlich auch zu mehr Autoproduktion wegen dem höheren Verschleiß.

VW-Plakat für e-ups in Berlin
Endlich können wir die Kinder zur Klimademo fahren.



Abbildung rechts: E-Autos verändern Mobilitätsverhalten - leider auch in falsche Richtung: In Norwegen kam es zu Umstieg von ÖPNV auf die E-Autos (Quelle: VCÖ).

Im Original: Vier Bumerang-Effekte
Aus Wolf, Winfried (2019): „Mit dem Elektroauto in die Sackgasse“ (S. 92)
Ein besonders kritischer Punkt beim Verkehr mit Elektroautos sind sogenannte Rebound- oder Bumerang-Effekte: Es handelt sich dabei um Nebenwirkungen oder Rückkopplungseffekte einer Maßnahme, die die eigentlichen Zielsetzungen konterkarieren und letztendlich auch mal zum Gegenteil des ursprünglich Beabsichtigten führen. »übersteigt der Rebound-Effekt den Einsparungseffekt quantitativ, wird er auch als Backfire-Effekt bezeichnet.« Die im folgenden skizzierten vier Rebound. oder Bumerang-Effekte rechtfertigen die Aussage, dass zumindest unter den gegebenen Bedingungen -weltweit, in Europa und insbesondere in Deutschland -die Verbreitung der E-Pkw in größerem Umfang, so wie dies aktuell von der offiziellen Verkehrspolitik betrieben wird, einem Backfire-Effekt gleichkommt.
Finanzieller Rebound - Zunahme von Pkw-Fahrten: Die steuerliche Ungleichbehandlung von Benzin und Elektrizität kombiniert mit günstigen Lademöglichkeiten für Elektro-Pkw führt dazu, dass die Betriebskosten von Elektro-Pkw in der Regel wesentlich niedriger liegen als diejenigen von Pkw mit Benzinmotoren. Inzwischen gibt es fast flächendeckend die Möglichkeit, den Strom gratis zu beziehen: es gibt eine regelmäßig aktualisierte Karte mit »kostenlosen Stromtankstellen in Österreich«. Tausende Geschäfte (so die Hornbach-Baumärkte, das Möbelgeschäft Ikea, die Lebensmittelketten Lidl, Aldi, Rewe und Kaufland und andere mehr) werben damit, dass man während des Einkaufs »seinen Stromer gratis aufladen« könne. Die auf die Fahrleistung bezogenen Betriebskosten eines Elektro-Pkw in Deutschland betragen auch bei »normalem« Strombezug weniger als die Hälfte der Betriebskosten eines herkömmlichen Pkw. Offensichtlich können sie gegen Null tendieren. In jedem Fall sind sie auch niedriger als die herkömmlichen ÖPNV-Kosten. Es wird daher parallel mit der wachsenden Zahl von Elektro-Pkw »zu einer Neuinduktion von Autoverkehr und zu einer Verlagerung von Personenver kehr von der Schiene auf die Straße kommen«.
In diesem Zusammenhang ist eine Studie der Technischen Universität Dresden von Interesse, bei der die Fahrleistungen von 685 Besitzern von Elektroautos ausgewertet wurden. Danach »überschreitet die Jahresfahrleistung der Befragten den bundesdeutschen Durchschnitt um das Zwei- bis Dreifache.«
Gleichzeitig wird in der Studie deutlich, dass die Elektro-Pkw überwiegend im Nahverkehr -bei Einkaufs- und Berufswegen und im Freizeitverkehr eingesetzt werden. Wenn es dennoch einen gewissen Anteil mit Fahrten auch über längere Strecken gab, dann dürfte dies damit zusammenhängen, dass rund ein Drittel der Befragten Besitzer eines Tesla waren (was bislang nur heißen kann: eines »Model S«). Dieses Modell, dessen Reichweite bei gut 400 Kilometern liegt, weist angesichts des Gewichts von deutlich mehr als zwei Tonnen und der gewaltigen Menge an verbauten Akkus eine äußerst negative Klimabilanz auf.
Die deutlich höheren Fahrleistungen bei den Stromern im Vergleich zu herkömmlichen Pkw haben viel zu tun mit den deutlich höheren Anschaffungspreisen eines Elektroautos. So heißt es in einem Fahrbericht: »Weil Elektrofahrzeuge in der Anschaffung teurer sind, müssen sie Kilometer schrubben, um sich zu amortisieren [...] Die Elektromobilität bleibt vorerst eine Form von Liebhaberei für den Klimaschutz. Noch gibt es keinen wirklich erschwinglichen, voll funktionalen Volksstromer.«
Im Übrigen trägt Elektromobilität damit auch zur Zersiedelung bei. Zunächst können auch im Stadtzentrum einzelne Ladesäulen stehen. Sobald jedoch die Zahl der Elektroautos eine gewisse Größe überschritten hat, wird es nicht möglich sein, im verdichteten Stadtgebiet öffentlich zugängliche Ladesäulen in größerem Maßstab anzubieten. Es sei denn, die dafür in Anspruch zunehmende Fläche wird anderen Nutzungen (Parks, Grünflächen, Spielplätzen usw.) entzogen. Die zunehmende Zahl an Gratisladesäulen von Einkaufsmärkten, Baumärkten, Möbelhäusern usw. befinden sich vielfach außerhalb der dicht besiedelten Zentren. Ein kleineres Einkaufsgeschäft, gar ein Tante-Emma-Laden, kann sich keine Gratisladesäule leisten, einmal abgesehen davon, dass diese Läden nicht einmal über herkömmliche Pkw Stellplätze verfügen.
Funktionaler Rebound - Wachstum von Zweit- und Drittwagen: Da die Reichweite von Elektro-Pkw nach wie vor gering ist, verwendet ein großer Teil der Nutzenden sie nicht etwa als Ersatz für ein herkömmliches Auto, sondern als zusätzliches Fahrzeug. Eine Befragung in Deutschland 2014 unter 3000 Besitzern von Elektroautos hatte das folgende Resultat: 43 Prozent der Käufer von Hybrid-Pkw und sogar 59 Prozent der Käufer reiner Batterie-Pkw nutzten ihr Elektrofahrzeug als zusätzlichen Pkw. Nur rund die Hälfte schaffte mit dem Kauf eines solchen Pkw einen herkömmlichen ab. In einem aktuellen Bericht in der Wochenzeitung Die Zeit war zu lesen: »Umfragen bestätigen: Der typische E-Auto-Käufer ist 51 Jahre alt, männlich, gebildet und wohnt auf dem Land. Der Stromer steht für das gute Gewissen im Carport. Lange Wochenend- und Überlandfahrten legt er im Erstwagen mit Verbrennungsmotor zurück. Das ist auch in Norwegen so. Der Weg zum Wochenendhäuschen ist weit und steil. Und Ladesäulen gibt es in der Einsamkeit von Fjord und Fjell kaum. Entsprechend geben im Stromerparadies zwei Drittel aller Neuwagenkäufer dann doch lieber etwas mehr Geld aus -und entscheiden sich für einen Verbrennungsmotor.«
Mentaler Rebound - ÖPNV-Verluste: Da Elektro-Autos als »grüne Mobili tät« und als »Null-Emissions-Fahrzeuge« propagiert werden, führt dies vielfach zu einer Verhaltensänderung in der Organisation der individuellen Mobilität: Wer sich ein E-Auto anschafft, legt in der Regel ab diesem Zeitpunkt sehr viel mehr Fahrten mit dem eigenen Auto zurück als zuvor. Der Anteil der Fahrten mit dem öffentlichen Verkehr geht massiv zurück. Vor allem bei den Wegen zur Arbeit nutzen Besitzer von Elektro-Autos deutlich häufiger das Auto als öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad oder die eigenen Füße. Ein »Vorher-Nachher-Vergleich« verdeutlicht den Einfluss des E-Pkw-Kaufs auf das Nutzerverhalten. Grafik 2 liefert dafür die Ergebnisse von Untersuchungen im europäischen Elektroautoparadies Norwegen.
Die norwegischen Erfahrungen dürften grundsätzlich auf andere Länder über tragbar sein. Zumal es sich weltweit um das Land mit dem relativ höchsten Elektro-Pkw-Park (E-Pkw als Anteile an 1000 Einwohnern) handelt.
Ein solches Ergebnis der E-Pkw-Verbreitung ist aus Sicht. einer nachhaltigen Verkehrspolitik kontraproduktiv. Damit wird der Flächenbedarf von Pkw in Städten erhöht. Der motorisierte Individualverkehr in den Ballungszentren nimmt deutlich zu- und damit die davon ausgehenden Gefahren u. a. für Fußgänger und Fahrradfahrer. Schließlich kommt es zu wachsenden Defiziten der ÖPNV-Unternehmen.
Regulatorischer Rebound - E-Autos als Null-Emissionsautos verlängern den SUV-Boom: Die Energieeffizienz neuer Pkw wird in Europa energiepolitisch über deren spezifische Emission gesteuert. Gleichzeitig werden Elektroautos, fälschlich, aber regulatorisch wirksam, als »Null-Emission-Pkws« definiert. Autokonzerne können nun mit dem Verkauf einer gewissen Zahl von E-Pkw die höheren und hohen Emissionen bei großen Pkw und SUVs kompensieren. Dieter Teufel vom Heidelberger Umwelt- und Prognose-Institut (UPI): »Bei den Elektroautos ist es [...] der Lobby der deutschen Automobilwirtschaft gelungen, bei der EU-Gesetzgebung bei den Grenzwerten für C02 durch zusetzen, dass Elektroautos nicht mit ihrem realen Emissionsverhalten, das heißt, mit den C02 -Emissionen, die bei der Stromerzeugung entstehen, eingehen in die Berechnung des Flottenemissionsgrenzwertes, sondern mit einer angeblichen Null-Emission. Sie gelten per definitionem-per Gesetz als Nullemissionsfahrzeuge. Und damit können die Automobilfirmen die Grenzwertüberschreitungen bei schweren Fahrzeugen-SUVs, Geländewa gen und so weiter -durch die Berechnung der Nullemissionsfahrzeuge, von Elektroautos, ausgleichen. Wenn man das durchrechnet, ergibt sich, dass mit jedem gekauften Elektroauto die Automobilwirtschaft die Grenzwertüberschreitungen von etwa sieben SUVs kompensieren kann und ohne Strafzahlungen davonkommt.«
Die mehrfach zitierte UPI-Studie bringt in einer Tabelle das Rechenbeispiel eines fiktiven Autoherstellers, der 50.000 SUVs und 2000 Elektroautos verkauft. Der Hersteller müsste auf Grundlage der EU-Vereinbarungen wegen der C02 Grenzwertüberschreitungen durch SUVs und Geländewagen zunächst mit 60 Millionen Euro Strafzahlungen rechnen. Er erhält jedoch gleichzeitig eine C02-Gutschrift für den Verkauf der angeblich emissionsfreien 2000 E-Pkw in Höhe von 44 Millionen Euro. Es verbleiben theoretische Strafzahlungen in Höhe von 16 Millionen Euro, die entweder durch den ergänzenden Verkauf von Hybrid-Pkw vermieden werden können oder aufgrund der hohen Gewinne im SUV-Geschäft leicht zu verschmerzen sind.
Und so kommt es zum Bau von einem guten Dutzend elektrisch betrie benen SUVs. Schließlich gelten diese auch als Null-Emissionsfahrzeuge. Seit Mitte 2018 gibt es den Hyundai Kona Elektro ab 35.000 Euro, 1,7 Tonnen schwer und 204 PS stark. Die Beschleunigung: in 7,6 Sekunden auf Tempo 100. Mercedes bringt 2019 den Elektro-SUV EQC zum Verkauf - 204 PS und 400 Newtonmeter stark. Beschleunigung: in fünf Sekunden auf Tempo 100. Das Leergewicht beträgt 2,6 Tonnen. Die Preise beginnen bei 70.000 Euro. Die VW-Tochter Audi bringt 2020 einen Audi e-tron GT, der 590 PS haben wird und in 3,5 Sekunden auf Tempo 100 sein soll - Spitzengeschwindigkeit 240 km/h. Porsche will noch 2019 das Modell Taycan zum Verkauf bringen - 600 PS stark; hier wird gleich die Beschleunigung auf Tempo 200 mitgeliefert: nach 12 Sekunden soll diese Geschwindigkeit erreicht sein. Der Einstiegspreis liegt bei 82.000 Euro. Es handelt sich im Übrigen dabei nicht um Nischenprodukte. Allein Porsche will vom Taycan - es handle sich hier um »nachhaltige Mobilität«; das Fahrzeug werde in »C02-neutraler Produktion« gefertigt - jährlich 40.000 Exemplare bauen und hatte Anfang 2019 vor dem Produktionsstart bereits Vorbestellungen (mit Anzahlungen) von mehr als 25.000 Fahrzeugen.


Strom-Flatrate für E-Autos ... ausgerechnet von Shell
Das wird Vielfahren fördern. Der Öl-Mülti Shell bietet E-Autos zusammen mit einer Stromflatrate an: Wer viel fährt, bezahlt auch nicht mehr als die Person, die auch mal Bus, Bahn oder Fahrrad nimmt bzw. zu Fuß geht. Hier wird Vielfahren gefördert. Oder anders gesagt: Hier zeigt sich deutlich, was Reboundeffekt bedeutet. Die (ohnehin kleinen) Vorteile des E-Autos gegenüber dem Verbrenner werden durch die zusätzlich gefahrenen Kilometer mehr als aufgefressen.

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