Alltagsalternativen

MEHR KRIEG! BESSERE KRIEGE!

Kriegsforderungen und -phantasien aus sozialen Bewegungen

Aus dem kirchlichen Diskussionsbeitrag "Habgier schürt Gewalt", dokumentiert in: FR, 31.10.2006 (S. 7)
Die Stärkung der friedenschaffenden und -erhaltenden Missionen der Vereinten Nationen ...

Aus dem Kommentar "Von wegen neue Linke" von Richard Meng, in: FR, 30.3.2007 (S. 3)
Es ist weder links noch gar neu-links, sich wie die Linkspartei gegen Militäreinsätze mit UN-Mandat zu stellen. Zur Zivilisierung der Weltgemeinschaft muss gehören, Militär in den Dienst zivilen Aufbaus zu stellen und im Extremfall auf Gewalt auch militärisch zu antworten. "Ohne mich" ist da unpolitisch.

Topfunktionär der Friedensbewegung pro Krieg
Interview mit Peter Strutynski, Sprecher des Friedensratschlages, in der Jungen Welt, 17.6.2003:
jW: Der Bundesausschuß Friedensratschlag hat sich am gestrigen Montag für den Einsatz sogenannter Friedenstruppen im Kongo ausgesprochen. Eine Friedensbewegung, die sich für den Einsatz von Gewalt einsetzt?
P.S.: Wir haben uns grundsätzlich für das Engagement der Staatengemeinschaft in der Bürgerkriegsregion Kongo ausgesprochen. Wir haben aber den Einsatz einer EU-Truppe und die Beihilfe der Bundesregierung dazu abgelehnt. Ich glaube, daß man einen Unterschied zwischen einer UN-Blauhelmtruppe und einer Truppe machen muß, die sich aktiv in einen Bürgerkrieg einmischt.


Feste drauf!

Aus einer Mailingliste. Der Autor ist Funktionär der Agenda 21 in Berlin - er antwortet auf eine andere Mail, die kursiv zitiert ist.

Mit jedem Krieg werden politische Zwecke verfolgt. Das Bombardement Afghanistans ging von Beginn an mit starken Bemühungen um eine nachhaltige Friedenslösung nach Ende der Taliban-Schreckensherrschaft einher. Zum Glück haben die USA nicht auf die Empfehlungen der UN-Menschenrechtkommisarin nach Feuerpause (zugunsten der Versorgung der Flüchtlinge) gehört, denen sich die Grünen zunächst angeschlossen hatten (und die auch ich im ersten Moment vernünftig fand).

Es war schon immer so, und ich sehe nicht, dass sich dasändert: Im Krieg gibt die Politik die Verantwortung an dieMilitärs ab.
Stimmt auch nicht so unbedingt und manchmal ist „das Militär“ sogar vorzuziehen. Der letztlich relativ glückliche Ausgang des zweiten Weltkrieges wurde z.B. nicht unwesentlich dadurch bestimmt, dass die USA ihre Militärhilfe für die SU u.a. davon abhängig gemacht hatten, dass Stalin sich nicht weiter persönlich in militärische Fragen einmischte. Die Deutschen Generäle mussten sich - glücklicherweise - weiterhin dem Kommando eines verrückten Laien unterwerfen.
Sorgen macht mir im Moment eher die Möglichkeit eines Angriffs auf den Irak oder Somalia mit (oder ohne) deutscher Beteiligung. Dort kann ich auch kein Konzept zur Erlangung einer Nachhaltigen Friedensornung nach Sadam erkennen.
Mit freundlichem Gruß
HHHirschelmann


Für Truppenübungsplätze
Andreas Kuhn, ver.di-Gewerkschaftssekretär für die Fachgruppe Bundeswehr im Landesbezirk Berlin-Brandenburg in der Ver.di-Zeitung; eine Gegenposition wurde auch abgedruckt:
Für die wirtschafts- und strukturschwache Region Brandenburg ist die Inbetriebnahme des Truppenübungsplatzes ein nicht zu verkennender wirtschaftlicher Impuls, der sich auf die dort lebenden Familien und die im Umland befindlichen Klein- und Mittelbetriebe positiv auswirken wird. Im täglichen Leben beweist sich in anderen Regionen Deutschlands, dass der Betrieb eines Truppenübungsplatzes und der Tourismus sich nicht ausschließen müssen.

Rechtsstaat- und Demokratie-Imperialismus ... demokratisch bomben
Aus einem Text vom linksbürgerlichen Vorzeige-Oberstleutnant Jürgen Rose in der Jungen Welt, 22.12.2004 (S. 10+11)
Frieden aber ist nicht identisch mit einem Zustand der Gewaltfreiheit oder Gewaltlosigkeit, er muß, wie schon im Jahre 1795 der Königsberger Philosoph Immanuel Kant in seiner nach wie vor epochalen Schrift "Zum ewigen Frieden" dargelegt hat, gestiftet werden. Frieden ist demnach der Zustand, in welchem Zwang und Gewalt ausschließlich zur Sicherung des Rechts angedroht und notfalls angewendet werden. Anders ausgedrückt: Die Möglichkeit von Frieden überhaupt basiert auf der Wirkungsmächtigkeit einer Rechtsordnung, die von der Fähigkeit abhängt, sie notfalls mit staatlichen Macht- und Gewaltmitteln auch gegen Regelbrecher durchzusetzen.

Im Original: Kreuzzug gegen den Terrorismus?
Rede auf der Friedensdemonstration in Stuttgart am 13. Oktober 2001 von Jürgen Rose
Sehr geehrte Versammelte, liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!
Sicherlich wird manch einer unter Ihnen sich fragen, was ein Soldatauf dem Podium einer Friedensdemonstration zu suchen hat, handelt es sichnach gängiger Vorstellung doch bei Soldaten um bloße Handwerkerdes Krieges. Und weiter: Darf denn einer, der üblicherweise als Staatsbürgerin Uniform herumläuft, überhaupt so einfach in der Öffentlichkeitreden? Ja, das darf er, wenn er es als Staatsbürger ohne Uniform tutund deutlich macht, daß er nichts weiter als seine eigene, ganz privateAuffassung vertritt – was ich hiermit tue. Und außerdem: Wenn dieBundeswehr bean-sprucht, ein Spiegelbild der Gesellschaft zu sein, dannist es doch ganz selbstverständlich, daß auch Bundeswehrsoldatenals Teil dieser Gesellschaft sich angesichts der barbarischen Terroranschlägein den USA und des gnadenlosen Bombenkriegs gegen Afghanistan Sorgen umden Frieden ma-chen.
Doch zurück zur eingangs gestellten Frage nach der Rolle des Militärs.Bereits im Jahre 1951 sagte einer der Gründungsväter der Bundeswehr,der spätere Generalleutnant und Professor des Hamburger Institutsfür Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Wolf Graf von Baudissin:„Wel-ches sind nun die Aufgaben der Streitkräfte? Wir haben ernsthaftund redlich umzudenken und uns bewußt zu machen, daß der Soldatin allererster Linie für die Erhaltung des Friedens eintreten soll;denn im Zeitalter des absoluten Krieges mit seinen eigengesetzlichen, allesvernichtenden Kräften gibt es kein politisches Ziel, welches mit kriegerischenMitteln angestrebt werden darf und kann – außer der Verteidigunggegen einen das Leben und die Freiheit zerstörenden Angriff.“ Ichteile diese Ansicht uneingeschränkt. Aber um nicht mißverstandenzu werden: Selbstverständlich muß der mörderische Terrorismuseingedämmt und beseitigt werden; auch bin ich kein Anhänger funda-mentalpazifistischerAuffassungen. Dennoch habe ich ganz gravierende Zweifel an der Sinnhaftig-keitvon Terrorismusbekämpfung mittels militärischer Gewaltanwendungin der Form, wie wir sie derzeit erleben müssen.
Denn das Töten von Terroristen, Fundamentalisten, Islamisten odersonstigen Feinden der zi-vilisierten Völker und die Vernichtung ihrereher armseligen, jedenfalls schnell zu ersetzenden In-frastruktur stelltdoch nur ein Kurieren von Symptomen dar. Es ändert nicht das Geringstean den Ursachen für das Entstehen von Denkschablonen und Handlungsmustern,mit denen fundamentali-stische Märtyrer in ihren Heiligen Krieg gegeneine als gottlos und zutiefst ungerecht empfundene Welt ziehen.
 Doch anstatt nun innezuhalten, die Folgen bisheriger Weltpolitikder USA zu überdenken und diese gegebenenfalls grundlegend zu ändern,verkündet der amerikanische Präsident einen „Kreuzzug gegen denTerrorismus“, spricht von „jagen“ und „ausräuchern“, schwörtRache und Vergeltung, fordert in Wildwest-Manier die Auslieferung des HauptverdächtigenOsama bin Ladins „dead or alive“. Der amerikanische Kongreß erteiltihm einen Freibrief zum Krieg, nur eine einzige Abgeordnete bringt denMut auf, dagegen zu stimmen. Und weltweit stimmen die Regierungen in dieKriegsrhetorik ein, unter dem anfänglichen Beifall fast der gesamtenMedienlandschaft.
 Dabei starben an jedem Tag, an dem die silbernen Türme desWorld Trade Center‘s im Licht der aufgehenden Sonne erstrahlten, in derDritten Welt vierzigtausend Kinder an den Folgen von Elend, Hunger, Krankheitund Krieg. Vierzigtausend – das sind fast zehnmal soviel Opfer, wie nachdem Attentat von New York zu beklagen sind. Aber hat man jemals davon gehört,daß die Börse an der Wall Street ihren Handel mit einer Gedenkminutefür diese still und leise vor sich hinsterbenden Kinder in der DrittenWelt eröffnet hätte? Natürlich sind Entsetzen, Wut und Trauerüber die eige-nen Toten stets am größten, aber darf mandeshalb den Tod der anderen schlichtweg ignorieren?
 Die Rüstungsausgaben der USA erreichen in diesem Jahr dieastronomische Summe von et-wa 700 Milliarden DM – das entspricht mehr alsdem Fünfzehnfachen des deutschen Verteidi-gungsetats. Diese ungeheuerlicheVerschwendung von Ressourcen ist schlechterdings obszön. Nicht alleindeswegen, weil die gewaltigste Militärmaschinerie der Weltgeschichteangesichts der eiskal-ten Rationalität, der kaum überbietbarenkriminellen Energie, der barbarischen Entschlossenheit und der selbstmörderischenFurchtlosigkeit der Täter grandios versagt hat, ja versagen mußte.Sondern vor allem deswegen, weil bereits mit einem Bruchteil der fürmilitärische Zwecke aufgewendeten Mittel die Ursachen und nicht nurdie Symptome terroristischer Gewalt bekämpft werden könnten.Statt dessen stellt der amerikanische Kongreß umstandslos, quasiaus der Portokasse, über 80 Milli-arden DM für eine unsinnigeTerroristenhatz mit militärischen Mitteln zur Verfügung. Manstelle sich die Entrüstung derselben Abgeordneten vor, hätteman von ihnen verlangt, die gleiche Summe für Entwicklungshilfe bereitzustellen.Dabei ist offensichtlich, daß in einem Land wie Afghanistan, in demseit Jahrzehnten der Bürgerkrieg tobt, Bomben und Raketen das letztesind, was zur Frie-densstiftung beitragen kann. Robert Bowman, der alsKampfpilot der amerikanischen Streitkräfte während des Vietnamkriegsselbst Tod und Vernichtung vom Himmel schickte und heute als Bi-schof derVereinigten Katholischen Kirche in Melbourne Beach, Florida wirkt, geißeltdie Kriegspolitik seiner Regierung mit folgenden Worten: „Anstatt unsereSöhne um die Welt zu schik-ken, um Araber zu töten, damit wirdas Öl, das unter deren Sand liegt, haben können, sollten wirsie senden, um deren Infrastruktur wieder in Stand zu setzen, reines Wasserzu liefern und hungernde Kinder füttern.“ Und er fährt fort mitden Worten: „Kurzum, wir sollten Gutes tun anstelle von Bö-sem. Werwürde versuchen, uns aufzuhalten? Wer würde uns hassen? Wer würdeuns bombardieren wollen? Das ist die Wahrheit, die die amerikanischen Bürgerund die Welt hören müssen.“
 Nicht Krieg also kann den Frieden bringen, sondern allein Gerechtigkeit.In Abwandlung des altbekannten römischen Wahlspruchs muß dieDevise demnach lauten: Wenn du den Frieden willst, so diene dem Frieden!Dieser Kampf für den Frieden muß um die Seelen und Herzen derMenschen in den islamischen Ländern geführt werden – doch istunvorstellbar, daß hierbei Bomben und Ra-keten zum Erfolg führenkönnten. Jede Bombe auf Afghanistan steigert den Haß und dieRessenti-ments gegen die USA in der muslimischen Welt ins Unermeßliche.Jeder Raketeneinschlag dient der Stabilisierung von Regierungen im Nahenund Mittleren Osten, die durch und durch korrupt, menschenverachtend undalles andere als demokratisch sind. Doch all dies zählt offenbar nichts,wenn frühere Schurken heute als Alliierte benötigt werden. Diesich zivilisiert nennenden Nationen dieser Welt sollten nicht dem Jargonvon Terror und Gegenterror verfallen. Angesichts der entsetz-lichen Katastrophevon New York und Washington und der sich nun abzeichnenden, mindestensso grauenvollen Hunger- und Flüchtlingskatastrophe in Afghanistansollten sie sich statt dessen mit aller Kraft der Verbesserung der unerträglichenpolitischen, ökonomischen und sozialen Verhältnis-se in jenerRegion der Welt zu widmen.
 Ich habe selbst afghanische Flüchtlingslager im Iran undPakistan mit eigenen Augen gese-hen, das Elend in den Palästinenserlagerndes Südlibanon und die unbeschreibliche Armut der Men-schen im Sudan.Zumindest ein Gedanke resultiert aus jenen Bildern, nämlich daßdies die Höllen sind, in denen jene zornigen jungen Männer geborenwerden, die nur ein Wunsch beseelt: Ihre Hölle in unsere Höllezu verwandeln.
 Zugleich bin ich im Verlaufe vieler Reisen durch den Nahen undMittleren Osten ungezähl-ten Menschen – Männern und Frauen, Kindernund Alten – begegnet, die mir als „reichem Aleman“ trotz eigener Armutdutzendfach großartige Herzlichkeit und überwältigendeGastfreundschaft ent-gegenbrachten. Es ist an der Zeit, etwas von diesenErfahrungen zurückzugeben und wenn es nur ein wenig Solidaritätund die Gewißheit ist, daß dieser Krieg nicht mein Krieg ist!

Der Autor, der in diesem Beitrag seine persönlichen Auffas-sungenvertritt, ist Oberstleutnant der Bundeswehr.

Rechtfertigung für demokratisches Bomben
Aus Fücks, Ralf/Milke, Klaus, Vorwort zu "Zur Lage der Welt 2005", Westfälisches Dampfboot in Münster (S. 10 f.)
(Fücks ist Chef der Heinrich-Böll-Stiftung, Milke stellv. Vorsitzender des NGO Germanwatch)
Militärische Macht kann notwendig sein, um Kriege zu stoppen und Völkermord zu beenden. Das war auf dem Balkan der Fall und wurde in Ruanda versäumt. Militärisches Eingreifen kann auch notwendig werden, um ein terroristisches Regime wie in Afghanistan zu stürzen, das zur Gefahr für die internationale Sicherheit wurde.

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