Alltagsalternativen

IST KOEXISTENZ MÖGLICH?

Das Drama der Koexistenz: Gewollt, unmöglich, deshalb trickreich umschifft


1. Einleitung
2. Das Drama der Koexistenz: Gewollt, unmöglich, deshalb trickreich umschifft
3. Bienen und horizontaler Gentransfer: Einfach vergessen?
4. Schnell und unkaputtbar: Raps
5. Mais überall ...
6. Soja & Tierfutter
7. Baumwolle
8. Weitere Pflanzen und Organismen
9. 2006: Ein Selbstbestäuber verteilt sich weltweit - der Reis LL601
10. Honig, Bienen, Imkerei
11. Die unvermeidbare Folge: Gentechnik im Essen
12. "Ich frage mich, was eigentlich noch alles passieren muss"
13. Schlimmer: Auskreuzung ist einkalkuliert oder sogar gewollt!
14. Infoseiten zum Thema

Vorhang auf, erster Akt: Wir wollen alle - Koexistenz!
Gesetzestext und Willen des Gesetzgebers (Regierung, Parteien, Parlament)
Der erste Blick gilt dem Gentechnikgesetz. Die Formulierung scheint eindeutig: "Zweck dieses Gesetzes ist, ... die Möglichkeit zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel, konventionell, ökologisch oder unter Einsatz gentechnisch veränderter Organismen erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können" (Gentechnikgesetz: § 1 Zweck des Gesetzes, Satz 2). Wer nicht weiterliest im Dschungel der Paragraphen, sondern auf die politischen Willenserklärungen der den Gesetzesprozess tragenden Parteien und vieler weiterer Akteure im politischen Geschäft und Geschehen schaut, wird feststellen, dass auch die mit einer Vielzahl politischer Äußerungen diesen Wortlaut des immer Gesetzes bestätigen und damit zeigen, dass auch Tenor des Gesetzes ist, was der Wortlaut bereits verspricht.

Koexistenz wird von allen Seiten als wichtiges Ziel benannt. Ob nun taktisch, um gentechnisch veränderte Pflanzen ausbringen zu können, die dann die Koexistenz beenden wollen, oder tatsächlich - verbal sind alle dafür. Und zwar richtig engagiert. "Ökologische und konventionelle Landwirtschaft müssen ... vor gentechnischer Verunreinigung geschützt werden", finden die Grünen - zu ihrer Regierungszeit, wo sie selbste am Gesetz verantwortlich schraubten. Aus den Sprachrohren der Regierung schallt es, das GenTG solle "sicher stellen, dass Landwirte und Verbraucher auch in Zukunft die 'freie Wahl' haben, sich für oder gegen Gentechnik auf dem Acker oder Teller zu entscheiden." Und selbst der hessische Landtag "unterstützt alle Bestrebungen, die Koexistenz verschiedener Formen der Landwirtschaft und ihrer Erzeugnisse für den Verbraucher transparent zu gestalten" - auf Antrag der hessischen CDU und FDP, sonst nicht gerade das ökologische Gewissen der Nation.

Im Original: Politik und Institutionen pro Koexistenz
Grüne: Positionspapier für ein Gentechnik-Gesetz (von Ulrike Höfken, 17.10.2003)
Koexistenz: Eine Kennzeichnung hat für den Verbraucher nur dann einen Sinn, wenn ihm gleichzeitig auch die Wahlfreiheit garantiert wird, zwischen Produkten mit und ohne Gentechnik entscheiden zu können. Darum müssen Landwirte und Lebensmittelproduzenten auch in Zukunft noch gentechnikfreie Produkte – Saatgut, Tierfutter, Pflanzen, Lebensmittel – anbieten können. ... Ökologische und konventionelle Landwirtschaft müssen – soweit es im Rahmen des Gesetzes möglich ist – durch rechtsverbindliche Vorschriften vor gentechnischer Verunreinigung geschützt werden. Nur mit rechtsverbindlichen Vorgaben für eine „gute fachliche Praxis“ wird sich ein Landwirt verpflichtet fühlen, beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen dafür zu sorgen, dass kein Schaden – z.B. durch Auskreuzung - auftritt.

Ulrich Kelber, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD
Mit der jetzt gefundenen Regelung werden die Märkte für gentechnikfreie Produkte gesichert und die Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher auch auf Dauer erhalten.

AID (staatlich geförderter Informationsdienst für Landwirtschaft)
Das bundesdeutsche Gentechnikgesetz soll dem prinzipiellen "Ja" der EU zu einem zukünftigen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ein deutsches "Jein" hinzufügen und sicher stellen, dass Landwirte und Verbraucher auch in Zukunft die "freie Wahl" haben, sich für oder gegen Gentechnik auf dem Acker oder Teller zu entscheiden.

Umweltbundesamt in Österreich
Die Frage der Sicherung der Koexistenz hat sich als eine zentrale Aufgabe herauskristallisiert. Die Europäische Union hat das Ziel, Konsumentinnen und Konsumenten die Wahlfreiheit zwischen biologischen, konventionellen und gentechnisch veränderten Produkten zu ermöglichen. Diese ist jedoch davon abhängig, ob die Wahlmöglichkeit für Landwirtinnen und Landwirte, ihre Produktionsweise frei wählen zu können, gesichert werden kann. Für die Biolandwirtschaft ist der Schutz vor "Verunreinigungen" mit gentechnisch veränderten Organismen überlebenswichtig. Sie muss nach EU-Recht gentechnikfrei produzieren.

Beschluss des hessischen Landtags am 17.6.2009 auf Antrag von CDU und FDP
Der Landtag unterstützt alle Bestrebungen, die Koexistenz verschiedener Formen der Landwirtschaft und ihrer Erzeugnisse für den Verbraucher transparent zu gestalten. Damit der Verbraucher seine Entscheidung eigenverantwortlich treffen kann, ist eine umfassende Information auf Basis einer klaren Kennzeichnung erforderlich.

Aus einem Kommunikationskonzept der Landesregierung Sachsen-Anhalt, Entwurf 4.2.2004:
Es darf nie darum gehen, eine Anbauform zu bevorzugen. Alle Anbausysteme müssen ein gleichberechtigtes Existenzrecht haben. ... Es gibt erprobte Maßnahmen, die Koexistenz ermöglichen und ungewollte Vermischungen vermeiden helfen. Die Systeme unterscheiden sich dabei nicht von Maßnahmen, die bereits mit Erfolg angewendet werden, z.B. bei der Produktion von Spezialsaaten. ... Trotz GVO-Anbaus bleibt die Wahlfreiheit langfristig gesichert, was und nach welchen Anbaumethoden auf dem Betrieb gewirtschaftet wird. Eine schleichende Vermischung des Saatguts wird verhindert.

Koexistenz-Getöse aus Lobbyverbänden und Gentechnik-Fanclubs
Wo soviel Einigkeit besteht, schweigen auch die ProtagonistInnen der neuen Technik nicht. Sie schlagen in die gleiche Kerbe: Ja, wir wollen Koexistenz. Für alle. Doch sie meinen vor allem sich selbst. "Alle Akteure sollten frei entscheiden können, was sie anbauen, kaufen oder weiterverarbeiten wollen," hieß es bei Christel Happach-Kasan, die neben ihrer Tätigkeit als Marktschreierin für die Agro-Gentechnik auch noch einen Job als Bundestagsabgeordnete der FDP innehat. InnoPlanta, der lauteste Lobbyverband für Gentechnik in deutschen Landen, druckte das Zitat der Politikerin begierig ab, die mit ihren Äußerungen im Gentechnik-Fanclub nicht allein steht: "Konsumenten, Landwirte, Lebensmittelhersteller - sie alle sollen zwischen Produkten mit und ohne Gentechnik wählen können." Das sei kein Problem, echote die Bayrische Staatsregierung: "Die Koexistenz von Gentechnik, konventioneller Landwirtschaft und Ökolandbau stellt die landwirtschaftliche Praxis vor keine unlösbaren Probleme." Das war 2003 und Jahre bevor sie einen seltsamen Zusammenhang zwischen sinkenden Werten bei Wahlumfragen und manipulierten Pflanzengenen herstellte und ausgerechnet ein schwarz-gelb regierten Land zur Trutzburg gegen die profitable Technik wurde.

Im Original: Gentechnikfans pro Koexistenz
Auf dem industrienahen Portal TransGen
Konsumenten, Landwirte, Lebensmittelhersteller - sie alle sollen zwischen Produkten mit und ohne Gentechnik wählen können. Diese Wahlfreiheit ist ein zentraler und inzwischen allgemein akzeptierter Grundsatz der europäischen Gentechnik-Gesetzgebung. ... Es muss sichergestellt werden, dass beide Wirtschaftsweisen - mit und ohne Gentechnik - auf Dauer nebeneinander bestehen bleiben. Insbesondere muss verhindert werden, dass sich die Produkte gegenseitig vermischen.

FDP-Gentechnikfrau Christel Happach-Kasan (MdB) am 7.9.2009 laut InnoPlanta-Sonderrundbrief 2009 (S. 4)
Alle Akteure sollten frei entscheiden können, was sie anbauen, kaufen oder weiterverarbeiten wollen.

Aus der Broschüre "Zwölf Eckpunkte zur Grünen Gentechnik" (Bayr. Staatsministerium für Umwelt, September 2003)
Die Koexistenz von Gentechnik, konventioneller Landwirtschaft und Ökolandbau stellt die landwirtschaftliche Praxis vor keine unlösbaren Probleme. Es bestehen vielmehr aus der Pflanzenzüchtung und Saatgutvermehrung jahrzehntelange Erfahrungen, um in Verbindung mit praktikablen Schwellenwerten für gentechnisch veränderte Bestandteile in Saat- und Erntegut sowie durch entsprechende Information und Beratung der Landwirte ausreichend reine Produktlinien sicherzustellen.

Aus dem "Positionspapier zur Grünen Gentechnik" der BASF:
Die landwirtschaftliche Praxis und langjährige landwirtschaftliche Erfahrung in vielen Ländern zeigt, dass das problemlose Nebeneinander verschiedener Anbauformen – genannt Koexistenz – mit einfachen agrartechnischen Methoden sichergestellt werden kann. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen haben dies auch für die Grüne Gentechnik bestätigt. Durch die Einhaltung von Mindestabständen zwischen Feldern und durch andere Maßnahmen, die Landwirte auch beim konventionellen oder ökologischen Anbau vorsehen, können die unterschiedlichen Qualitätsmerkmale verschiedener Pflanzenkulturen mit und ohne Gentechnik gesichert werden.
Aus einem Interview mit der BASF-Sprecherin Susanne Benner auf n-tv am 2.8.2007
Die Abstandsregelung ist eine politische Entscheidung. In Deutschland geht es bislang nur um Mais, andere gentechnisch veränderte Pflanzen sind ja vorerst nicht zugelassen. Eine Vielzahl von Studien zeigt, dass deutlich geringere Abstände ausreichen, um beim Mais Vermischung auszuschließen.


Doch dann zweitens und alle geben es zu: Gentechnikfreiheit (Koexistenz) ist gar nicht möglich
Landwirtschaft ist kein geschlossenes System! Je mehr der Anbau von GVO’s in Europa und weltweit zunimmt und je intensiver der Handel mit GVO-Pflanzenmaterial betrieben wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit von Einträgen in konventionelles Saatgut. (Aus dem Faltblatt "Saatgutschwellenwerte" des Lobbyverbandes BDP, Fehler im Original)

"In der EU ist das Recht, sich für Produkte 'ohne Gentechnik' zu entscheiden, politisch garantiert. Doch: Wenn gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, dann kann es eine absolute 'Gentechnik-Freiheit' nicht mehr geben." Das steht nicht im Stammbuch eines ausgewiesenen Gentechnikgegners, sondern auf der Gentechnik-Propagandaseite TransGen. Fast katastrophisch ist beim zuständigen Ministerium zu lesen: "Da die landwirtschaftliche Pflanzenerzeugung auf offenen Flächen erfolgt, ist ein unbeabsichtigtes Vorkommen gentechnisch veränderter Kulturen in nicht gentechnisch veränderten Kulturen nicht auszuschließen. ... Die GVO vermehren sich, wenn sie erst einmal (begrenzt) in der Umwelt freigesetzt sind. ... Sie können zum Beispiel die im Labor eingebrachten Eigenschaften auf andere Arten übertragen oder mit ihren neuen Eigenschaften einheimische Arten verdrängen. Viele Wechselwirkungen im Ökosystem sind noch zu unbekannt, so dass die möglichen Folgen einer Freisetzung nicht im Voraus kalkulierbar sind. Wenn sich negative Folgen erst nach Jahren herausstellen, dann können die Fehler von 'Damals' nicht mehr rückgängig gemacht werden." Auch praktisch spielt das längst eine bedeutende Rolle. Die Schokoladenfirma RITTER beteuert zwar: "Unserem Qualitätsanspruch verpflichtet, versuchen wir bei der Schokoladenherstellung – soweit möglich – auf die Verarbeitung gentechnisch veränderter Rohstoffe zu verzichten", muss aber dann hilflos eingestehen: "Leider ist dies nicht bei allen Zutaten zu 100 ? möglich, da wir natürlich auf die Verfügbarkeit der gewünschten GVO-freien Rohstoffe angewiesen sind. So ist es uns zum Beispiel trotz länderübergreifender Recherchen noch nicht gelungen, einen Lieferanten für Milchpulver ausfindig zu machen, der uns die ausschließliche Verfütterung gentechnikfreier Futtermittel an seine Tiere garantieren konnte. Und auch trotz strengster Rohwareneingangskontrollen lassen sich unbeabsichtigte Verunreinigungen zum Beispiel durch Pollenflug auf den Feldern nie ganz ausschließen."

Im Original: KritikerInnen sagten es - Koexistenz kann nicht klappen
Aus einem Interview mit dem Imker Michael Grolm, in: Junge Welt, 18.1.2007 (S. 8)
Frage: Feldbefreier berufen sich auf rechtfertigenden Notstand. Welche Gefahren sehen Sie konkret?
Es geht zum Beispiel um die Freiheit, sich für Produkte ohne Gentechnik entscheiden zu können. Als Produzent und als Verbraucher. Diese Freiheit wird uns genommen. Es gibt bald keine Produkte mehr, die null Prozent Gentechnik enthalten. Die Unmöglichkeit der Koexistenz zeigen Erfahrungen aus Kanada, wo es durch Auskreuzung und Vermischung keinen gentechnikfreien Raps und keine gentechnikfreien Sojaprodukte mehr gibt. Biobetriebe können dort nicht mehr anbauen. Dadurch wird auch fremdes Eigentum beschädigt – weniger durch die Feldbefreier als durch die Gentechnikkonzerne. Ich selbst habe Probleme, meinen Honig zu verkaufen. Einer meiner Abnehmer verlangt bereits eine Unterschrift, mit der ich ihm garantiere, daß keine gentechnisch veränderten Pollen im Honig sind.


Positionen von landwirtschaftlichen Organisationen (gesamter Text hier)
„Koexistenz ist möglich“, so heißt es immer wieder. Doch wie eine gentechnikfreie Landwirtschaft in Zukunft sicher gestellt werden kann, lassen die Befürworter der Agro-Gentechnik bewusst offen.
Schon beim Anbau ist unklar, wie verhindert werden soll, dass die Felder in der Nachbarschaft von Äckern mit gentechnisch veränderten Pflanzen kontaminiert werden. Die Debatten um Abstandsvorgaben oder um die Bienen, die sich nicht an Feldgrenzen halten, sind Beispiele dafür, wie komplex die Natur ist. ...
Ein ganzer Bereich ist bisher noch nicht beachtet worden, wenn es um Koexistenz geht: Was passiert in den Maschinen, die vor, während und nach dem Anbau überbetrieblich zum Einsatz kommen, also auf Feldern mit und auf Feldern ohne Gentechnik:
Sämaschine, Mähdrescher, Häcksler, Anhänger, Pflanzenschutz-Spritzen...? Wie groß ist das Risiko, dass es dabei zu Verschleppungen kommt, wie hoch ist der Aufwand, um Verschleppungen zu verhindern oder mindestens zu minimieren?

Position von Greenpeace (Gesamter Text ++ Studie von Greenpeace als PDF-Download)
Das Ergebnis des Greenpeace-Reports Impossible Coexistence lässt keine Zweifel offen: der großflächige Anbau von gentechnisch verändertem Mais in Spanien verunreinigt die Ernte vieler Bauern und bedroht deren Existenz. ...
Im Zuge der Recherchen zum Report Impossible Coexistence wurden Proben auf Maisfeldern von insgesamt vierzig spanischen Bauern gezogen, sowohl aus biologischen als auch konventionellen Anbaubereichen. Diese Proben zeigen, dass ungewollte Verunreinigungen durch Gentech-Mais auf gentechnikfrei bewirtschafteten Feldern nachweisbar sind. Die betroffenen Landwirte konnten den verunreinigten Mais nicht mehr als biologische oder gentechnikfreie Ware verkaufen. In drei Fällen wurden langjährige, regionale Maissorten sogar so sehr mit Gentechnik verunreinigt, dass sie nicht mehr zum Anbau verwendet werden können.
Artikel in der FR vom 7.5.2006 zur Greenpeace-Studie, Auszug:
Fazit der Gentechnik-Kritiker: Das europäische Recht kann in Spanien nicht eingehalten werden, Trennung, sachgerechte Etikettierung und Rückverfolgbarkeit sind unter den gegebenen Umständen nicht möglich. Die "Freiheit der Wahl" ist nicht mehr als ein Slogan angesichts der Vermischung auf allen Ebenen und der hohen Anbauanteile in Katalonien und Aragon.

Peter Röhrig/Rolf Mäder zu Trennung in Maschinen, in: "Die teure Unmöglichkeit der Koexistenz", in: GID Oktober 2006 (S. 18-20)
Bisher müssen in erster Linie Importeure und Verarbeiter von Soja und Mais erhebliche Anstrengungen untenehmen, um ihre Produkte frei von Gentechnik zu halten. Das ist mit erheblichen Kosten verbunden, die zu Lasten der Ertragssituation der Betriebe und der Verbraucherpreise gehen.
Sollte sich die Agro-Gentechnik in Deutschland weiter ausweiten, sind auch immer mehr Landwirte davon betroffen. Ihnen entstehen zusätzliche Kosten für die aufwändigere Qualitätssicherung, die nur in Ausnahmefällen vom Verursacher eingefordert werden können. Bezahlt werden müssen Analysen, die von Abnehmern verlangt werden, sowie Aufwendungen für die Beweissicherung. Diese sind im Falle des Eintretens eines durch das Gesetz abgedeckten Schadensfalles notwendig, um erfolgreich auf Ausgleich klagen zu können. Die Kosten für Beweissicherung und Analysen werden wahrscheinlich nur im Erfolgsfall vom Verursacher bezahlt. ...
Unklar ist also, ob Bauern, die ohne Gentechnik wirtschaften, Schäden unter 0,9 Prozent erstattet bekommen. Ebenso unklar ist, inwieweit die Kosten für den vorbeugenden Schutz und notwendige Beweissicherungsmaßnahmen, insbesondere wenn kein Schaden auftritt, geltend gemacht werden können. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist dies derzeit nicht der Fall. Für Imageschäden und ökologische Schäden hat der Gesetzgeber keine Haftungsregeln vorgesehen. Ebenso wenig ist geregelt, wer die Kosten für notwendige längere Wartefristen bei der Umstellung auf eine ökologische Bewirtschaftung trägt, wenn dort vorher gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut wurden, deren Ausfallsamen im Boden teils viele Jahre überdauern können. ...
Wie problematisch die Verschleppungsgefahr für die Herstellung von Lebensmitteln ohne Gentechnik sein kann, zeigt ein Verschleppungsversuch, der im Rahmen einer vom schweizerischen Bundesamt für Gesundheit beauftragten Studie durchgeführt wurde. In einer Maisverarbeitungsanlage wurden zuerst fünf Tonnen genmanipulierter Mais verarbeitet, danach fünf Tonnen konventioneller Mais zu Grieß, Mehl und Schale. Dazwischen fand eine "betriebsübliche" Reinigung der Anlage statt. Während des Verarbeitungsprozesses wurden zahlreiche Proben an verschiedenen Stellen der Anlage genommen. Es stellte sich heraus, dass trotz Reinigung nach über drei Stunden Verarbeitung von konventionellem Mais noch 0,5 und 1,3 Prozent GVO-Anteil in den Endprodukten nachzuweisen war. Daraus wird deutlich, dass eine zeitlich getrennte Verarbeitung in ein und derselben Anlage mit hohen Verschleppungsrisiken verbunden ist. ... ++ Weiterer Text zur Kontamination in landwirtschaftlichen maschinen (S. 12 ff.)


Im Original: Experten schrieben es - Koexistenz gelingt nicht
Aus Marcus Lemke (2002): "Gentechnik - Naturschutz - Ökolandbau", Nomos in Baden-Baden
Die derzeit wohl aktuellste und umfassendste Studie wurde von der Europäischen Umweltagentur (EEA) erstellt. Hier wird der Stand der Erkenntnisse über das Ausbreitungspotential der in Europa sieben wichtigsten landwirtschaftlichen Anbausorten zusammengefasst. Eine hohe bzw. mittlere bis hohe Auskreuzungswahrscheinlichkeit wird für Raps, Zuckerrüben und Mais angegeben, während für Weizen und Kartoffeln sowie verschiedene Obstsorten von einer geringen Auskreuzungswahrscheinlichkeit ausgegangen wird.
Es kann damit als gewiss gelten, dass eine Auskreuzung transgener Erbsubstanz in umliegende Flächen stattfinden wird, sofern hier kreuzungsfähige Pflanzenarten vorkommen. Dies hat seinen Grund darin, dass es sich bei der Auskreuzung um einen auch natürlicherweise vorkommenden Prozess handelt und der landwirtschaftliche Anbau von GVP in "offenen Systemen" stattfindet. Schließlich gehören Wechselwirkungen und gegenseitige Beeinflussung zwischen Anbauflächen sowie zwischen Anbauflächen und nicht bewirtschafteten Flächen auch zum Alltag landwirtschaftlicher Produktion. ...
(S. 25)
Um einen landwirtschaftlichen Betrieb also überhaupt richtlinienkonform ökologisch führen zu können, muss zunächst die Versorgung mit gentechnikfreien Ausgangsprodukten - wie Saatgut, Setzlingen, Viehfutter und Viehbeständen - sichergestellt sein. Bereits auf dieser Stufe kann der großflächige Anbau von GVP Schwierigkeiten für die Versorgung ökologischer Betriebe mit "gentechnikfreiem" Ausgangsmaterial verursachen, da es schon bei der Saatgutproduktion zu einer Befruchtung ökologischer Bestände mit transgenem Pollen kommen kann. Weiterhin besteht auch die Möglichkeit des "Durchwuchses" transgener Pflanzen. ...
Verschiedentlich wird darauf hingewiesen, dass der Wahlfreiheit der Verbraucherschaft durch entsprechende Kennzeichnungspflichten Rechnung getragen werden Soll. Es ist aber zu bedenken, dass auch eine Kennzeichnungspflicht leer zu laufen droht, wenn durch ubiquitäre Ausbreitung gentechnisch veränderter Erbsubstanz bereits in der landwirtschaftlichen Produktion und in späteren Verarbeitungsprozessen eine Gentechnikfreiheit von bestimmten Produkten gar nicht mehr zu gewährleisten ist.
(S. 41 f.)
Allerdings entfällt die Kennzeichnungspflicht gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. b) der Zusatzverordnung trotz Vorhandenseins von Bestandteilen einer gentechnischen Veränderung, wenn dieses Vorhandensein zum einen zufällig ist und es sich zum anderen um eine nur geringe Menge von höchstens 1 ? handelt. Diese Ausnahme beruht auf der Auffassung, dass trotz des Bemühens, ausschließlich Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten aus herkömmlichen Rohstoffen zu verwenden, eine Kontamination mit Material aus gentechnisch veränderten Organismen, z.B. während der Ernte, des Anbaus, des Transports, der Lagerung oder der Verarbeitung nicht verhindert werden kann. ...
Die Aufrechterhaltung der Wahltreiheit setzt aber auch voraus, dass weiterhin tatsächlich gentechnikfreie Ware angeboten und dann auch entsprechend als gentechnikfrei gekennzeichnet werden kann. Dabei muss es sich zwar nicht zwangsläufig um ökologisch erzeugte landwirtschaftliche Produkte handeln, ...
(S. 75 ff.)
Mit steigender Zahl von Freisetzungsversuchen wurde jedoch offenbar, dass eine Ausbreitung des Versuchsorganismus in der freien Natur nicht ausgeschlossen werden kann, ... (S. 132)

Aus dem Forschungsbericht "Grüne Gentechnik und ökologische Landwirtschaft" des Umweltbundesamtes vom 2001
Entlang der gesamten Warenflusskette vom Saatgut bis in den Verarbeitungsbetrieb existieren kritische Punkte einer Vermischung mit GVO und GVO-Bestandteilen. Ein Teil der Verunreinigungen kann auf dem technischen Weg durch gemeinsam genutzte Maschinen oder Verarbeitungsstätten entstehen. Ein anderer Teil wird biologisch bedingt sein, da weder bei der Saatgutproduktion noch während des landwirtschaftlichen Anbaus ein Eintrag von transgenen Pollen oder von Tieren verschleppten Saatguts vollständig vermieden werden kann. Die größtmögliche Sicherheit vor technischen Verunreinigungen bieten vollkommen getrennte Warenflüsse, die allerdings nur mit hohem Aufwand realisiert werden können. Dies würde beispielsweise bedeuten, dass Erntemaschinen, Transportfahrzeuge und Verarbeitungseinrichtungen ausschließlich mit Öko-Erzeugnissen beschickt werden. Biologische Verunreinigungen durch Polleneintrag mit nachfolgender Befruchtung lassen sich nur dann weitestgehend minimieren, wenn über neue oder veränderte Abstandregelungen die Wahrscheinlichkeiten der Befruchtung mit transgenen Pollen in fremdbefruchteten Arten verhindert oder anderweitig gesenkt wird. ... (S. 3, Aus der Kurzfassung)
Mittelfristig ist in Deutschland mit einem kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen zu rechnen. Durch diese absehbare Entwicklung sind Politik und Landwirtschaft gefordert, dem Verbraucher eine Wahlfreiheit auf dem Markt zu ermöglichen. Insbesondere die ökologische Landwirtschaft ist mit den entstehenden Problemen durch einen parallelen GVO-Anbau konfrontiert. Qua Gesetz und auch durch verbandseigene Richtlinien ist dem Ökolandbau eine Anwendung gentechnisch veränderter Organismen und aus entsprechenden Organismen hergestellter Betriebsmittel untersagt. Dennoch droht über den technologischen oder den biologischen Weg eine Kontamination mit GVO oder deren Derivaten.
Auf der Basis eines Diskussionspapiers wurden in einem Fachgespräch mit ExpertInnen Forschungs- und Handlungsbedarf, sowie offene Fragen bezüglich der GVO-Problematik identifiziert, verschiedene Lösungsstrategien. diskutiert und deren Tauglichkeit und Umsetzbarkeit überprüft. Entlang der gesamten Warenflusskette vom Saatgut bis in den Verarbeitungsbetrieb existieren kritische Punkte einer Vermischung mit GVO oder GVO-Bestandteilen. Ein Teil der Verunreinigungen kann auf dem technischen Weg durch gemeinsam genutzte Maschinen oder Verarbeitungsstätten entstehen. Ein anderer Teil wird biologisch bedingt sein, da weder bei der Saatgutproduktion noch während des landwirtschaftlichen Anbaus ein Eintrag von transgenem Pollen oder von Tieren verschleppten Saatguts vollständig vermieden werden kann. Die größtmögliche Sicherheit vor technischen Verunreinigungen bieten vollständig getrennte Warenflüsse, die allerdings nur mit hohem Aufwand realisiert werden können. Dies würde beispielsweise bedeuten, dass Erntemaschinen, Transportfahrzeuge und Verarbeitungseinrichtungen ausschließlich mit Öko-Erzeugnissen beschickt werden. Biologische Verunreinigungen durch Polleneintrag .mit nachfolgender Befruchtung lassen sich nur dann weitestgehend minimieren, wenn über neue oder veränderte Abstandsregelungen die Wahrscheinlichkeit der Befruchtung mit transgenem Pollen in fremdbefruchteten Arten verhindert oder anderweitig gesenkt wird. Das Problem der Fremdbefruchtung mit anschließend entstehendem transgenen Erntegut wird derzeit bei gärtnerischen Kulturen als vergleichsweise klein eingeschätzt. Anders sieht die Situation bei den landwirtschaftlichen Kulturen aus. Hier sind alle Akteure gefordert, durch Übereinkünfte und Regelungen auch für die Zukunft eine "gentechnikfreie" ökologische Produktion zu gewährleisten. Während des Fachgesprächs wurden verschiedene Lösungsansätze diskutiert, die zum Teil bereits in anderen Ländern verfolgt werden. Eine Möglichkeit besteht in der Ausweisung von Gebieten, in denen ein GVO-Anbau untersagt ist. In Österreich wurde diese Strategie insbesondere im Hinblick auf ökologisch sensible Gebiete geprüft. Die TeilnehmerInnen des Fachgesprächs waren sich einig, dass eine solche Strategie juristisch geprüft werden sollte, betonten aber auch, dass die ökologische Landwirtschaft nicht auf solche zu definierende Gebiete beschränkt werden dürfe.
In Großbritannien wird über veränderte Abstandsregelungen debattiert. Bisher wurde in einer Literaturstudie unter der Prämisse, dass Verunreinigungen unter einem bestimmten Wert bleiben sollten, die dafür notwendigen Abstände für die Kulturen Mais und Raps definiert. Im Fachgespräch herrschte Konsens, dass neben den bereits bestehenden Vorschriften zur Saatgutproduktion auch im normalen Anbau Abstandsregelungen implementiert werden müssten, bei denen das Verursacherprinzip angewendet werden müsse, d.h. dass die Abstände auf keinen Fall auf Kosten des ökologischen Anbaus gehen dürften. Ungeklärt blieb die Frage, ob ausreichend Kenntnisse für Abstandregelungen für die einzelnen Kulturen vorhanden sind. Zudem kam bei den TeilnehmerInnen der Wunsch auf, die bisher naturwissenschaftlich basierte Technikfolgenabschätzung durch eine sozio-ökonomische zu ergänzen und hierbei die für eine vollständig getrennte Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion anfallenden volkswirtschaftlichen Kosten zu ermitteln.
Ergänzend zu Gebieten ohne GVO-Anbau und Abstandsregelungen wurde die Notwendigkeit von Grenzwerten z.B. aus Haftungsgründen diskutiert.
Die FachgesprächsteilnehmerInnen sahen im 1 ?-Kennzeichnungsgrenzwert der Novel-Food-Verordung bereits einen Defacto-Grenzwert. Abstandsregelungen und weitere Maßnahmen in der Prozesskette müssten garantieren können, dass am Ende des Produktionsweges der 1 ?-Kennzeichnungsgrenzwert nicht erreicht würde.
Die TeilnehrnerInnen verwiesen auf die Notwendigkeit einer Analyse der rechtlichen Situation, sehen sie doch die Ökolandwirte diesbezüglich bisher als völlig ungeschützt.
(S. 41 f., Zusammenfassung)

Im Original: Gerichte und Behörden stellten fest - unmöglich
Die Unmöglichkeit der Koexistenz wird in Genehmigungsbescheiden des BVL sogar anerkannt, aber als unerheblich bezeichnet. Das heißt auch. Aus dem Bescheid zum Gießener Gengersteversuch


Infoblatt der EU "Fragen und Antworten zu den GVO-Bestimmungen der Europäischen Union" (MEMO/08/117 vom 26. März 2007)
Warum lassen die neuen Verordnungen Spuren von gentechnisch verändertem Material zu, das nach wissenschaftlichen Erkenntnissen unbedenklich, aber noch nicht zugelassen ist?
Das zufällige oder technisch nicht vermeidbare Vorhandensein von GV-Material in Erzeugnissen, die in der Europäischen Union vermarktet werden, kann auf eine Verunreinigung beim Anbau, beim Transport, bei der Lagerung oder der Verarbeitung der Erzeugnisse zurückzuführen sein. Dies ist tatsächlich sowohl bei Erzeugnissen aus der Europäischen Union als auch aus Drittländern der Fall.
Bei der Herstellung von Saatgut, Lebensmitteln und Futtermitteln ist es praktisch unmöglich, hundertprozentig reine Produkte zu erzielen. Dieses Problem betrifft nicht nur die GVO. Die Verordnung 1829/2003 trägt dieser Tatsache Rechnung und legt spezifische Bedingungen fest, unter denen das technisch unvermeidbare Vorhandensein noch nicht formal zugelassener GVO zulässig sein kann.
Die wissenschaftlichen Ausschüsse, welche die Europäische Kommission beraten, haben bereits eine Reihe von GVO bewertet. Nach Ansicht dieser Ausschüsse sind die betreffenden GVO für Umwelt und Gesundheit unbedenklich, wenngleich das Zulassungsverfahren für diese Erzeugnisse noch nicht abgeschlossen ist. Nach den geltenden Vorschriften dürfen diese GVO mit einem Anteil von höchstens 0,5 ? in Lebens- oder Futtermitteln vorhanden sein. Bei darunter liegenden Werten gelten die Regeln für Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit nicht. Liegt der Anteil über 0,5 ?, darf das Erzeugnis nicht in Verkehr gebracht werden. ...
Der Anbau gentechnisch veränderter Kulturpflanzen wird sich zwangsläufig auf die Abläufe der landwirtschaftlichen Erzeugung auswirken. Pollenflug zwischen benachbarten Feldern ist ein natürlicher Vorgang. Wegen der Vorschriften für die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebens- und Futtermittel kann diese Verunreinigung wirtschaftliche Folgen für Landwirte haben, die konventionelle Pflanzen für die Lebens- oder Futtermittelerzeugung anbauen möchten. ...
Nach den Leitlinien sollen die einzelstaatlichen Vorgehensweisen transparent und sachlich fundiert sein und alle Interessengruppen einbeziehen. Sie stützen sich auf bestehende Trennungspraktiken (etwa in der zertifizierten Saaterzeugung) und sollen sicherstellen, dass die Interessen der Landwirte bei allen Anbauformen gleichermaßen berücksichtigt werden. Die Maßnahmen zur Koexistenz sollen wirksam und kosteneffzient sein, ohne über das hinaus zu gehen, was zur Einhaltung der Schwellenwerte der Union für die GVO-Kennzeichnung nötig ist. Sie sollen speziell auf die unterschiedlichen Kulturen ausgerichtet sein, da die Wahrscheinlichkeit der Vermischung unterschiedlich groß ist: bei Kulturen wie Raps ist sie sehr groß, bei Kartoffeln beispielsweise eher gering. Ferner sollen lokale und regionale Aspekte in vollem Umfang mit einbezogen werden.

Auszug aus dem Verfassungsgerichtsurteil vom 24.11.2010 (1 BvF 2/05), Rdnr. 133
Mit der Möglichkeit, gezielt Veränderungen des Erbgutes vorzunehmen, um erwünschte Eigenschaften von Organismen zu erzeugen, wie es mit Methoden der herkömmlichen Züchtung nicht möglich wäre, greift die Gentechnik in die elementaren Strukturen des Lebens ein. Die Folgen solcher Eingriffe lassen sich, wenn überhaupt, nur schwer wieder rückgängig machen. Die Ausbreitung einmal in die Umwelt ausgebrachten gentechnisch veränderten Materials ist in Abhängigkeit von zahlreichen Faktoren nur schwer oder auch gar nicht begrenzbar. Auf der anderen Seite birgt die Forschung und Produktion von gentechnisch veränderten Organismen auch erhebliche Chancen. Vor allem können mit Hilfe solcher Organismen größere Ernteerträge erzielt und die Resistenz von Pflanzen gegen Schädlinge oder Krankheiten erhöht werden.

Im Original: Selbst die GentechnikbefürworterInnen sagen es
Auf TransGen:
Es gibt Produkte mit und ohne Gentechnik. Konsumenten, Landwirte und Lebensmittelhersteller haben die Wahl. Doch eine absolute "Gentechnik-Freiheit" kann es nicht geben. Schwellenwerte markieren die Grenze zwischen einer bewussten Anwendung der Gentechnik und zufälligen, technisch unvermeidbare GVO-Beimischungen. ...
Die Konsumenten sollen beim Einkauf zwischen Produkten mit und ohne Gentechnik wählen können. Diese Wahlfreiheit ist ein zentraler und inzwischen allgemein akzeptierter Grundsatz der europäischen Gentechnik-Gesetzgebung. Wahlfreiheit funktioniert nur, wenn es wirksame Koexistenz-Regeln gibt. ...
Werden gv-Pflanzen angebaut, dann ist eine völlige Abschottung kaum möglich: Ihr Pollen wird durch Wind oder Insekten verbreitet. Wenn auf einem Feld etwa gv-Mais wächst, kann es sein, dass sein Pollen konventionelle Maispflanzen in der Nachbarschaft befruchtet. Unter natürlichen Bedingungen sind solche Auskreuzungen kaum zu vermeiden. In unmittelbarer Nachbarschaft eines Feldes mit gv-Mais wird die Auskreuzungswahrscheinlichkeit hoch, in einiger Entfernung sehr viel niedriger sein. Auch bei der Ernte, bei Transport, Lagerung und Verarbeitung sind Vermischungen, etwa durch Verwehungen oder nicht vollständig gesäuberte Maschinen, nicht mit absoluter Sicherheit zu vermeiden. Die Natur ist ein offenes System: Es ist unmöglich, dass zwei Welten - eine mit, eine ohne Gentechnik - vollständig getrennt nebeneinander existieren. Werden bei einer Pflanzenart gv-Sorten angebaut, dann sind geringe, zufällige GVO-Beimischungen nicht vollständig auszuschließen. Obwohl viele Lebensmittelhersteller sich mit erheblichem Aufwand um "gentechnik-freie" Rohstoffe bemühen, sind in vielen mais- oder sojahaltigen Lebensmittel GVO-Spuren nachweisbar - auch in Ökoprodukten. Die Konsequenz: Eine hundertprozentige "GVO-Freiheit" wäre nur noch dann erreichbar, wenn die Anwendung von gv-Pflanzen verboten würde. Doch das ist weder politisch gewollt, noch rechtlich oder ökonomisch möglich. Europa kann sich nicht von der übrigen Welt, in der gv-Pflanzen auf wachsenden Flächen angebaut werden, abschotten.


Aus dem "Positionspapier Koexistenz" des BDP (Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter e.V.)
Nur wenn keine Betriebsform benachteiligt oder bevorzugt wird, kann der Verbraucher frei entscheiden, welche Produkte er konsumieren möchte. Durch restriktive gesetzliche Regelungen, die die Marktzulassung gentechnisch veränderter Produkte behindern, wird er jedoch entmündigt; die Regierung nimmt ihm die Wahlmöglichkeit. ... Ein Null-Prozent-Schwellenwert ist ebenso wie eine 100?ige Produktreinheit unerreichbar. Das gilt für alle Herstellungsverfahren gleichermaßen.

Zitat von Joachim Schiemann vom JKI (staatliche Behörde!), dokumentiert auf Transgen
Eine gentechnikfreie Produktion mit Nulltoleranz ist nicht praktikabel. Selbst bei einem völligen Verzicht wären Schwellenwerte für unbeabsichtigte Anteile von GVO in Importwaren unabdingbar. Werden geeignete Schwellenwerte vereinbart, ist eine Koexistenz möglich. Für den Saatgutbereich bedeutet das einen Schwellenwert von mindestens einem Prozent für unbeabsichtigte gv-Beimengungen. - Die Separierung der Produktion ist möglich, aber sehr teuer. Voraussetzung sind aufwändige Systeme zur Kennzeichnung und Rückverfolgung. Eine prozessorientierte Kennzeichnung ist kritisch zu sehen, weil sie aus technischen Gründen voraussichtlich nicht kontrolliert werden kann.

Bericht über eine Rede des Bauernverbandspräsidenten Sonnleitner auf dem Imkertag 2009 in Passau (ProPlanta, 13.10.2009)
Stellung bezog er auch zur Entwicklung der Agro-Gentechnik. Diese würde nach wie vor vom Verbraucher abgelehnt und Deutschland sei zu kleinflächig, um einen sicheren Anbau in Koexistenz unter den gegenwärtigen Regelungen zu leisten.

Monsanto-Nordeuropachefin Ursula Lüttmer-Ouazane im Interview, in: Süddeutsche Zeitung, 10.6.2009
Die Vermischung muss minimiert werden. Ausschließen kann man so etwas nie. Schließlich befinden wir uns in freier Natur und nicht in einem klinisch sauberen Raum.

Bericht über ein Interview mit dem ehemaligen DFG-Boss Winnacker (top agrar am 22.7.2009)
Für absurd hält Winnacker auch die Abstandsregeln bei GVO-Feldern. Die Maispollen würden doch kilometerweit fliegen.
Aus dem Interview in der Süddeutschen Zeitung (Quelle)
Wichtig ist, den Verbrauchern klar zu sagen, wo heute schon die Gentechnik steht und dass es keinen Zurück mehr gibt. Absurd sind auch die Abstandsregelungen für Versuchsfelder etwa von MON810, denn der Maispollen fliegt kilometerweit.

Ernst-Ludwig Winnacker in der Zeit am 12.11.2011
Eine gesetzgeberische Strategie, die den Streit befrieden und den widersprüchlichen Forderungen und Ängsten begegnen sollte, wird nun zum Problem im Umgang mit der Grünen Gentechnik: der Gedanke der Koexistenz von gentechnisch veränderten und konventionellen Züchtungen, den das Gentechnikgesetz zu formulieren versucht. Dieser auf den ersten Blick löbliche Versuch eines Interessenausgleichs erweist sich bei genauerem Hinsehen allerdings als politisches Konstrukt fern der Realität. Aus Sicht der Wissenschaft jedenfalls kann es Koexistenz ohne eine Vermischung der Sorten nicht geben.
Von der Kartoffel abgesehen, sind die wichtigsten Nutzpflanzen sogenannte Fremdbestäuber, für ihre Fortpflanzung also auf Pollen anderer Pflanzen derselben Art angewiesen. In der Blütezeit setzen sie daher Unmengen Pollen frei, den der Wind beliebig weit über die Felder trägt. In der klassischen Landwirtschaft stört diese Vermischung niemanden. Die Bauern säen ohnehin jedes Jahr neues Saatgut aus, die Pflanzenzüchter stellen die Sortenreinheit sicher. Im ökologischen Anbau sind Einträge von konventionell bestellten Nachbarfeldern bis zu einem Schwellenwert von fünf Prozent erlaubt und nicht kennzeichnungspflichtig. ...
Es fehlen Regelungen für einen Schwellenwert, bis zu dem unbeabsichtigte Einstäubungen erlaubt sind. Bei nicht zugelassenen Sorten gilt in Deutschland Nulltoleranz.


Der gesunde Menschenverstand würde daraus schließen: Koexistenz ist gewollt und im Gesetz vorgeschrieben, also garantiert. Da die Freisetzung und der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen nicht koexistenzfähig sind, muss doch in der Konsequenz jede Aussaat oder Pflanzung verboten werden. Klingt irgendwie logisch. Aber die Logik der Gentechnikbranche ist nicht die übliche Logik. Politik, Wissenschaft, Gerichte und andere vermachtete Sphären ticken auf ihre Weise: Das Ergebnis ist politisch gesetzt, der Rest folgt dieser Vorgabe. Der Weg zum Ziel und die vorgetragenen Argumente wechseln nach Notwendigkeiten oder Interessen. Die sind hier klar: Agro-Gentechnik soll sein. Industrie, industrielle Landwirtschaft und der Standort Deutschland stehen, so der Gentechnik-Fanblock, auf dem Spiel. Daher ist, wenn Koexistenz nunmal rechtlich und propagandistisch nicht auszuhebeln ist, aber der Gentechnik nicht im Wege stehen darf, halt die Koexistenz umzudefinieren, bis sie passt. Das geht so ...

Konkrete Zahlen

Deshalb drittens: Wir basteln im Gentechnikgesetz einen § 16, der den § 1 noch im Gesetz wieder aufhebt
15 Paragraphen und unzählige politische Kommentierungen und Parolen lang dürfen eifrige GesetzesleserInnen an die Koexistenz glauben. Dann hebt das deutsche Gentechnikrecht den tollen Koexistenzparagraphen selbst wieder auf. Wir lesen: "Die Genehmigung für eine Freisetzung ist zu erteilen, wenn ... schädliche Einwirkungen auf die in § 1 Nr. 1 bezeichneten Rechtsgüter nicht zu erwarten sind". Wo stand noch mal die Koexistenzgarantie? War doch der § 1, oder? Ja, aber leider in Nr. 2. Verdammt, dann dürfen also Genversuchsfelder auch dann angelegt werden, wenn schädliche Einwirkungen auf § 1 Nr. 2 zu erwarten sind. Steht da wirklich! Das Gesetz garantiert in § 1 die Koexistenz, erlaubt aber in § 16, Abs. 1 Nr. 3 die Anlage von Feldern mit GVO auch dann, wenn sie die Koexistenz gefährden.

Im Original: GenTG § 16
(1) Die Genehmigung für eine Freisetzung ist zu erteilen, wenn ...
3. nach dem Stand der Wissenschaft im Verhältnis zum Zweck der Freisetzung unvertretbare schädliche Einwirkungen auf die in § 1 Nr. 1 bezeichneten Rechtsgüter nicht zu erwarten sind.
(2) Die Genehmigung für ein Inverkehrbringen ist zu erteilen oder zu verlängern, wenn nach dem Stand der Wissenschaft im Verhältnis zum Zweck des Inverkehrbringens unvertretbare schädliche Einwirkungen auf die in § 1 Nr. 1 bezeichneten Rechtsgüter nicht zu erwarten sind.


Wer weiter im Gesetz wühlt, findet noch ein paar zusätzliche Aspekte zur Inverkehrbringung (§ 16b). Aber fürs formale Desaster ist gar nicht mehr nötig: Ein Gesetz, welches sich selbst aufhebt! Diese Trickkiste hat die gesamte rot-grüne Regierungszeit bestens überstanden und wurde weder von Sigmar Gabriel noch von Ilse Aigner oder irgendwem sonst jemals angegriffen. Eine der Beschwichtigungen ob des seltsamen Spiels ist der Hinweis, dass bei Freisetzungen die Einzel-Genehmigungsverfahren eine ausreichende Qualität sichern. Sprich: Das formale Koexistenzrecht wurde ausgehebelt, um ausgerechnet den offen gentechnik-befürwortenden Institutionen BVL, ZKBS und JKI diese wichtige Fragestellung zu überlassen. Deren Verfilzungen sind offenkundig - und sie räumen offen ein, dass Koexistenz für sie keine Frage des Aussäens, sondern nur der Kennzeichnung ist: "Die freie Wahl der Verbraucher, sich für oder gegen den Kauf gentechnisch veränderter Lebensmittel zu entscheiden, wird im Wesentlichen durch eine umfassende Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Produkte sichergestellt." (Aus: Jochen Heimberg, 2008, BVL-Broschüre "Die Grüne Gentechnik", S. 21) Draußen in der Landschaft spielt die Frage der Koexistenz für sie gar keine Rolle: "Die Rückholbarkeit der freizusetzenden Organismen ist keine Voraussetzung für die Genehmigung einer Freisetzung." (Genehmigungsbescheid für Rapsversuche am 22.7.1998) Noch schlimmer: nach Auffassung des BVL-Chefs Buhk "ist ein Eintrag von gentechnischen Veränderungen in konventionelle Sorten eine mit der Freisetzung in Kauf genommene und genehmigte Folge einer Freisetzungsgenehmigung." (mensch+umwelt spezial 2004/2005, S. 74) Und macht dann gnadenlos klar, dass das Gentechnikgesetz nicht vor Auskreuzung schützt. Es wies KlägerInnen ab, denn das Feld verursache keine "Einwirkung auf ihr Eigentum aus den spezifischen Gefahren und Risiken der Gentechnik, vor denen allein das Gentechnikgesetz schütze". Die Koexistenz, so ist zu sehen, wird also durch das Gesetz nicht geschützt. Ganz im Gegenteil: Das Verwaltungsgericht konstruiert aus der Koexistenzgarantie sogar ein Recht auf Verseuchung der Umwelt und anderer Flächen mit GVO: "Soweit die Klägerin der Auffassung ist, Auskreuzungen müssten vollständig ausgeschlossen werden, weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass in diesem Fall Freisetzungsgenehmigungen nicht mehr erteilt werden könnten, was jedoch der sowohl die Zulassungsbehörde als auch das Gericht bindenden gesetzgeberischen Grundentscheidung für die Erzeugung von Lebens- und Futtermitteln auch unter Einsatz gentechnisch veränderter Organismen (vgl. § 1 Nr. 2 GenTG) zuwider liefe." Also noch mal, auch wenn die gedankliche Pirouette beachtlich ist: Weil gentechniknutzende Landwirtschaft nicht koexistenzfähig ist, gibt es für die gentechnikfreie Landwirtschaft kein Koexistenzrecht mehr, denn sonst würde die gentechnikbenutzende Landwirtschaft ja verboten werden müsse, was aber deren Koexistenzrecht unterliefe. Übertragen Sie das mal auf andere Rechtsgebiete. Das ist schon abenteuerlich. Aber wenn Genehmigungsbehörden, Regierungen, Gerichte und alle zusammen halten - auch, weil sie hochverfilzt sind - dann kommt eben so etwas heraus.

Im Original: Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig
Weder sei ein sachbezogener Eingriff in das Eigentum der Klägerin gegeben noch folge die von der Klägerin angenommene Einwirkung auf ihr Eigentum aus den spezifischen Gefahren und Risiken der Gentechnik, vor denen allein das Gentechnikgesetz schütze. ...
Soweit die Klägerin der Auffassung ist, Auskreuzungen müssten vollständig ausgeschlossen werden, weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass in diesem Fall Freisetzungsgenehmigungen nicht mehr erteilt werden könnten, was jedoch der sowohl die Zulassungsbehörde als auch das Gericht bindenden gesetzgeberischen Grundentscheidung für die Erzeugung von Lebens- und Futtermitteln auch unter Einsatz gentechnisch veränderter Organismen (vgl. § 1 Nr. 2 GenTG) zuwider liefe. ...
Sollte es trotz Einhaltung des von der Beklagten angeordneten Sicherheitsabstandes zu Einkreuzungen in Maisanbauflächen der Klägerin kommen, was zum jetzigen Zeitpunkt im Hinblick auf die hohe Variabilität der Auskreuzungswahrscheinlichkeit noch keineswegs sicher ist, so wäre die Klägerin gehalten, diese letztlich nie vollständig auszuschließende Einwirkung hinzunehmen und einen gegebenenfalls daraus resultierenden Vermögensschaden nach Maßgabe von § 36a GenTG gegenüber der Beigeladenen geltend zu machen.
++ Quelle: Urteil vom 23.04.2009 (Az. 2 A 224/07)

Aus H.J. Buhk, "Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen" in: mensch+umwelt spezial 2004/2005 (S. 74)*
Aus der Sicht des Robert Koch Instituts – bis Ende März 2004 die zuständige Behörde – ist ein Eintrag von gentechnischen Veränderungen in konventionelle Sorten eine mit der Freisetzung in Kauf genommene und genehmigte Folge einer Freisetzungsgenehmigung.
*Buhk war bereits damals Gentechnikchef des RKI (heute: BVL). Es handelt sich also auch um seine Meinung.

Doppelt hält besser. Daher findet sich im Gesetz noch ein zweiter Paragraph, über den jede Gegenwehr gegen die Agro-Gentechnik stolpert und der allen Feldbetreibern weitgehende Narrenfreiheit sichert.
Wer gegen ein Feld mit GVO klagt, liest nach der Niederlage vor Gericht dann in der Begründung: "Die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) prüfte den Antrag im Hinblick auf mögliche Gefahren im Sinne von § 1 Nr. 1 GenTG und gelangte mit Beschluss vom 03. April 2007 zu dem Ergebnis, dass von den geplanten Freisetzungsversuchen keine schädlichen Einwirkungen auf geschützte Rechtsgüter zu erwarten seien." Kurz danach stand im Beschluss: "Die ZKBS, der als unabhängigem und nicht weisungsgebundenem Gremium nach den Vorschriften der §§ 4, 5a und 16 Abs. 5 GenTG eine maßgebliche Funktion bei der Vermittlung des für die Risikobewertung erforderlichen Sachverstandes zukommt, hat lediglich einen Sicherheitsabstand von 100 m für erforderlich erachtet. Der von der Beklagten im Sinne des Vorsorgeprinzips angeordnete weitergehende Sicherheitsabstand von 200 m lässt das Risiko von Auskreuzungen nach dem Stand der Erkenntnisse als äußerst gering und deshalb hinnehmbar erscheinen." Die Sache dreht sich also im Kreis: Verfilzte Behörden und Kommissionen, in denen die VersuchsleiterInnen und sonstige GentechnikanwenderInnen sitzen, winken die Feldgenehmigungen durch - und das daraufhin angerufene Gericht überprüft die Entscheidungen nicht, sondern beruft sich bei der Begründung, dass die Entscheidung der ZKBS richtig ist, auf die Entscheidung der ZKBS. Der Zeuge hat recht, weil der Zeuge recht hat ...
Gegen dieses Bollwerk, juristisch abgesichert, hat bislang kein Protest gegen eine deutsche Gentechnikanwendung eine Chance gehabt.

Angesichts dieser rechtlichen Lage ist es etwas peinlich, dass ausgerechnet GentechnikgegnerInnen im Juni 2010 zu FürsprecherInnen dieses Gesetzes mutierten. Als im Juni 2010 das Land Sachsen-Anhalt gegen das geltende Gentechnikgesetz klagte, mutierten UmweltschützerInnen, BiolandwirtInnen und andere plötzlich zur Verteidigung des geltenden Rechts. So einfach geht das, Verwirrung zu stiften. Doch inhaltliche Substanz und klare Positionen waren noch nie die Stärke politischen Protestes in Deutschland (siehe Kap. zu NGO).

Noch besser im vierten Akt: Legalisierung des Unabwendbaren
Trick 1: Grenzwerte - Auskreuzung soll durch Grenzwerte vertuscht werden
Jahrzehnte haben WissenschaftlerInnen erzählt, das Auskreuzung beherrschbar sei. Natürlich wussten sie das besser - aber: wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Höhepunkte waren das Flugblatt des Gießener Professors Friedt zur Beruhigung der AnwohnerInnen seines gv-Rapsfeldes 1997 in Rauischholzhausen, in dem er behauptete, es könne "eine Ausbreitung der neuen Eigenschaften wegen nicht gegebener Kreuzbarkeit von Raps mit Kruziferen der hiesigen Flora ausgeschlossen werden" und die Falschaussage vor Gericht seines Kollegen Prof. Kogel vor Gericht im Jahr 2009, Gerstenpollen könne nicht in die Umwelt gelangen. "Die Behauptung der Wissenschaftler, bei Gerste gäbe es wegen der Selbstbestäubung keinen Pollenflug, stimmt bereits nach den sich aus den einbezogen Akten ergebenden Gründen nicht 100?ig und steht im unauflösbaren Widerspruch zur Warnung vor Gerstenpollen in Pollenflugkalendern für Allergiker", stellte das Gericht im Urteil fest (und verurteilte trotzdem nur die GentechnikgegnerInnen, während niemand ein Falschaussageverfahren gegen Kogel einleitete).
Doch das alles ist Geschichte. Nach den um sich greifenden Meldungen über immer neue Auskreuzungen, wechselten Politik, Konzerne und die gekauften WissenschaftlerInnen ihr Programm. Das Thema "Gentechnikfreiheit" ist seitdem erledigt. Es gibt niemanden mehr, der das für möglich hält, wenn gentechnische Organismen erst in der Umwelt sind. Einsame Ausnahmen die wie das erbärmlich agierenden Apparate im Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium, die auch 2010 noch nicht wußten, dass Bienen Maispollen sammeln, bestätigen eher die Regel. Daher war Zeit für eine neue wissenschaftliche Wahrheit und aktualisierte Tricks. Der wichtigste: Grenz- und Schwellenwerte, mit denen die Konzerne und ForscherInnen Saatgut, Lebens- und Futtermittel als gentechnikfrei definieren können, auch wenn es das gar nicht ist.

Ein gutes Beispiel geschichter Rhetorik zeigt Anja Matzk (KWS), die - selbst vielfach verflochten mit Lobbyverbänden und mit Sitz und Stimme in der ZKBS - Grenzwerte fordert "Werte, die einerseits die Einhaltung der Kennzeichnungsschwellenwerte bei Lebens- und Futtermittel erlauben, andererseits aber die Saatgutwirtschaft - einschließlich der beteiligten Landwirte - nicht mit überzogenen Kosten belastet.". Welch absurder Satz, denn einerseits und andererseits sind beide auf hohe Grenzwerte bezogen. Das Interesse von VerbraucherInnen, Bio- und konventionell gentechnikfrei arbeitenden LandwirtInnen kommt bei der KWS-FunktionärIn gar nicht mehr vor. Stattdessen lösen die zunehmenden Verunreingungen von Saatgut keine Selbstkritik, sondern Angst um das profitable Geschäft aus: "Der aktuelle Fall von vermeintlichen Spuren einer gentechnischen Veränderung in konventionellem Saatgut zeigt erneut, dass Schwellenwerte für Saatgut dringend erforderlich sind." Verpackt wird das um Mitleid mit den armen VerbraucherInnen. Gäbe es Schwellenwerte, müssten die nicht so oft schlechte Nachrichten hören und würden "weiter verunsichert", sondern unbekümmert ihre tägliche Portion Gentechnik brav essen. Allein ist die KWS mit dieser Sichtweise nicht. TransGen, eine sich als neutrale Informationsplattform verschleiernde Werbeseite, fordert Schwellenwerte, denn Auskreuzung ist unvermeidbar und "eine hundertprozentige 'GVO-Freiheit' wäre nur noch dann erreichbar, wenn die Anwendung von gv-Pflanzen verboten würde". Das aber darf ja nicht sein - also Grenzwerte! Genauso argumentiert auch der BDP. Er gibt offen zu, dass "100?ige Produktreinheit unerreichbar" ist und diese einzufordern eine "Diskriminierung" der schönen Gentechnik wäre. "Europäische Landwirte würden einen Wettbewerbsnachteil am Weltmarkt erleiden, wenn ihnen die Chance, sich bewusst für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen entscheiden zu können, genommen würde." Die bisherige Regelung im Gesetz "ist zu starr" - heißt das, dass die augenblickliche Gentechnik gegen das Gesetz verstößt? Was schlägt der BDP vor: Grenzwert einführen und - weil das auch nicht reicht - Felder vergrößern, damit der Durchschnitt immer unter dem Schwellwert bleibt: "Besitzt das benachbarte konventionelle Maisfeld eine Mindesttiefe von 90 Metern, so bleibt der GVO-Anteil der gesamten Erntepartie auch ohne Einhalten eines Trennstreifens aufgrund von Verdünnungseffekten unterhalb von 0,9 Prozent."

Aus: Osthessen-News, 10.2.2009
Lange wurde von Koexistenz geredet, um die Gemüter zu beruhigen. Wenn nun alle Schwellenwerte verlangen, ist etwas im System falsch. Bekamen Politiker und Verbraucher von den Verantwortlichen der Gentechnik-Konzerne immer wieder erklärt, dass eine Koexistenz von genmanipulierter Landwirtschaft, gentechnikfreier Landwirtschaft und Bio-Landwirtschaft möglich ist , scheint diese Versicherung der Konzerne nunmehr eine leere Worthülse gewesen zu sein, um den Weg für die Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen zu beschleunigen und zu ebnen. Doch irgendetwas muss passiert sein. Denn plötzlich sind angeblich GVO Schwellenwerte in Saatgut erforderlich, weil es unmöglich ist Anbau und Saatgut absolut sauber zu halten. Doch dann ist klar: Das wäre der Beweis dafür, dass Koexistenz nicht möglich ist. Die Folgen daraus würden ein großes Umdenken bei Politikern und Zulassungsbehörden nach sich ziehen. Die bisherigen Zulassungen wären auf falschen Tatsachen gegründet und müssten sofort EU-weit zurückgenommen werden. Die Konsequenz: Jeglicher Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in der gesamten EU muss komplett verboten werden. Ist jedoch, so wie die Gentech-Konzerne behaupten, eine Koexistenz doch möglich, so ist es natürlich auch möglich, Saatgut sauber zu halten von Spuren gentechnisch veränderter Samen. Folglich brauchen wir keine GVO-Schwellenwerte und können weiter absolut sauberes Saatgut verlangen. ... Entweder ist Koexistenz zwischen GVO-Anbau, Biolandwirtschaft und gentechnikfreier Landwirtschaft möglich, dann brauchen wir keine Schwellenwerte im Saatgut. Wenn aber Saatgut für die Saatguthersteller nicht mehr von GVO freizuhalten ist, dann ist dies der Beweis, dass eine Koexistenz nicht möglich ist. Folgerichtig muss dann der gesamte GVO-Anbau in der EU verboten werden - fordert der Landwirt Peter Hamel.

Schon 2002 zog der staatliche Grenzwertforscher Joachim Schiemann mit Folien auf Vorträge, auf denen das Fazit der DFG-Senatskommission zu lesen war. Ganz offen gibt die zu, "dass Schwellenwerte für GVP-Einträge keine wissenschaftliche Grundlage haben, ihre Einführung aber aus Sicht der Verbrauchersouveränität und aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich ist". Ein paar Folien weiter dann Klartext über die Grenzwerthöhe: "Koexistenz von GVP und nicht-GVP in einer Region - abhängig vom Schwellenwert (wenigstens 1?) - ist möglich." Das Paradox dürfte MathematikerInnen gruseln lassen: Hier ist A = Nicht-A! Koexistenz ist möglich in Form der Nicht-Koexistenz!

Bleibt noch zu erinnern , dass - wie üblich - die Landwirtschaftsform der Imkerei bei allem noch gar nicht berücksichtigt ist.

Jörg Bergstedt im Vortrag "Monsanto auf Deutsch":
Das ist alles so, als würde BP, nachdem sie das Ölleck im Golf von Mexico nicht stopfen konnten, den Antrag stellen, den Grenzwert für Ölverschmutzung im Ozean zu erhöhen.

Im Original: Schwellenwerte, um zu vertuschen
Senatskommissions der DFG (präsentiert von Joachim Schiemann im Foliensatz vom 25.6.2002)
Zusammenfassend stellt die Senatskommission (u.a.) fest,
- dass Schwellenwerte für GVP-Einträge keine wissenschaftliche Grundlage haben, ihre Einführung aber aus Sicht der Verbrauchersouveränitätundaus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich ist,
- dass sehr niedrige Schwellenwerte gravierende negative Auswirkungenauf die Forschung sowie die weitere Entwicklungvon GVP haben.


Aus Schiemanns Foliensatz vom 25.6.2002 zu GVO und Schwellenwerten





Aus dem Positionspapier "Koexistenz" des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter (BDP)
Koexistenz ist nur möglich, wenn praktikable Kennzeichnungsschwellenwerte für Spuren unerwünschter Bestandteile in landwirtschaftlichen Produkten festgelegt werden. Dies gilt sowohl für Lebens- und Futtermittel als auch für Saatgut und für alle Produktionsrichtungen (konventionell und ökologisch).
Für unterschiedliche Produktqualitäten und Vermarktungsziele gilt in der Landwirtschaft seit jeher, dass geringfügig vorhandene andere Merkmale toleriert werden müssen. Keine Sortenoder Produkteigenschaft kann zu 100? garantiert werden. Dennoch bleibt dabei die jeweilige Eigenheit eines bestimmten Produktes erhalten. Deshalb sind Schwellenwerte zur Definition bestimmter biologisch/ technischer Produktstandards notwendig.
Die Voraussetzung für den Umgang mit gentechnisch veränderten Nutzpflanzen ist jedoch ein EU-weit einheitlicher und praktikabler Kennzeichnungsschwellenwert für Saatgut, da dieser die Bezugsgröße für jegliche Maßnahmen zur Guten Fachlichen Praxis darstellt. Sollte ein solcher endlich festgelegt werden, dann ließe sich mit den bewährten Methoden der Guten fachlichen Praxis auch die Koexistenz von Anbauformen mit und ohne Gentechnik realisieren. ...
Nur durch eine gleichberechtigte Koexistenz der unterschiedlichen Anbauformen mit und ohne gentechnisch veränderte Pflanzen lässt sich eine echte Wahlfreiheit für Landwirte und Verbraucher realisieren. Nur wenn keine Betriebsform benachteiligt oder bevorzugt wird, kann der Verbraucher frei entscheiden, welche Produkte er konsumieren möchte. Durch restriktive gesetzliche Regelungen, die die Marktzulassung gentechnisch veränderter Produkte behindern, wird er jedoch entmündigt; die Regierung nimmt ihm die Wahlmöglichkeit.
Aber auch Landwirten muss es möglich sein, sich für den Anbau der Sorten zu entscheiden, die für die Gegebenheiten in seinem Betrieb am besten geeignet sind - unabhängig von einer gentechnischen Veränderung. Unerreichbare Standards zu setzen, blendet die biologischen und technischen Gegebenheiten der landwirtschaftlichen Produktion aus. Ein Null-Prozent-Schwellenwert ist ebenso wie eine 100?ige Produktreinheit unerreichbar. Das gilt für alle Herstellungsverfahren gleichermaßen. Ein Schwellenwert für gentechnisch veränderte Pflanzen, der bei der Nachweisgrenze von 0,1? liegt, würde einer Diskriminierung dieser Rohstoffe gleichkommen. ...
Es zeigte sich, dass Polleneinträge oberhalb des Kennzeichnungsschwellenwerts von 0,9 ? in direkt angrenzenden konventionellen Mais-Schlägen vornehmlich in einem 10 Meter-Streifen um das Bt-Maisfeld zu finden sind. Mit wachsender Distanz nahm der GVO-Anteil in den Proben sehr rasch ab. Ab einem Abstand von 20 Metern wurde der Schwellenwert in der Erntepartie nicht überschritten. Durch die separate Beerntung eines Trennstreifens von 20 Metern zwischen Bt-Mais und konventionellem Mais kann demnach eine Beeinträchtigung des konventionell wirtschaftenden Nachbarn verhindert werden. Besitzt das benachbarte konventionelle Maisfeld eine Mindesttiefe von 90 Metern, so bleibt der GVO-Anteil der gesamten Erntepartie auch ohne Einhalten eines Trennstreifens.


VDL-Text von Anja Matzk (KWS Saat AG)
Aus wissenschaftlicher Sicht scheint eine Bewertung einfach. Jedoch: Die Entscheidung für die Nutzung einer neuen Technologie ist eine gesellschaftliche. In Europa hat die Grüne Gentechnik in der breiten Bevölkerung bisher keine Akzeptanz, die gesellschaftliche Diskussion benötigt einen längeren Zeitraum. Die Nutzen, die sich aus den neuen Technologien ergeben, sind (außer für die Landwirte, die ca. 2-3 ? der Bevölkerung ausmachen) heute nicht sofort offensichtlich. ...
Formal sind zwar alle Voraussetzungen erfüllt, auch in Europa einen Anbau von GVP durchzuführen. Aber in der Praxis herrscht noch immer Rechtsunsicherheit für Landwirte und Saatgutproduzenten. Dazu gehört vor allem das Fehlen praktikabler Kennzeichnungsschwellenwerte auch für das zufällige und unvermeidbare Vorkommen von Spuren von GVO in konventionellem Saatgut. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert dabei Werte, die einerseits die Einhaltung der Kennzeichnungsschwellenwerte bei Lebens- und Futtermittel erlauben, andererseits aber die Saatgutwirtschaft - einschließlich der beteiligten Landwirte - nicht mit überzogenen Kosten belastet. Schwellenwerte sagen nichts über die Sicherheit eines Produktes, diese wurde im Vorfeld bereits in zahlreichen Prüfungen im Rahmen des Zulassungsverfahrens nachgewiesen. Unpraktikabel niedrige Schwellenwerte können in letzter Konsequenz dazu führen, dass jegliches Saatgut gekennzeichnet werden müsste. Dies jedoch würde den Koexistenz-Gedanken ad absurdum führen. (Anja Matzk, KWS, 19.8.2005)


Auf dem industrienahen Portal TransGen
Die Konsequenz: Eine hundertprozentige "GVO-Freiheit" wäre nur noch dann erreichbar, wenn die Anwendung von gv-Pflanzen verboten würde. Doch das ist weder politisch gewollt, noch rechtlich oder ökonomisch möglich. ... Unter diesen Voraussetzungen kann Wahlfreiheit nur bedeuten, dass sich Konsumenten entscheiden können zwischen Produkten, die mit und ohne bewusste Anwendung der Gentechnik erzeugt wurden. Die Grenze zwischen gezielter Anwendung und zufälligen, technisch unvermeidbaren GVO-Beimischungen kann nur politisch gesetzt werden. In der EU wird diese Grenzziehung in erster Linie über den Schwellenwert definiert. Er bezeichnet die GVO-Beimischungen in Lebens- und Futtermitteln, die ohne Kennzeichnung hinzunehmen sind, und wurde von den Mitgliedstaaten und im EU-Parlament mit großen Mehrheiten auf 0,9 Prozent festgesetzt. Auch die damalige grüne Verbraucherministerin Renate Künast hat im EU-Agrarministerrat diesem Wert zugestimmt.
An anderer Stelle auf TransGen
Schwellenwerte markieren die Grenze zwischen einer bewussten Anwendung der Gentechnik und zufälligen, technisch unvermeidbare GVO-Beimischungen.


Vermischungen vertuschen, sonst beunruhigt das Wissen ...
Aus "Schwellenwerte für Saatgut dringend erforderlich – Unnötige Verunsicherung von Verbrauchern vermeiden", Presseinfo von KWS am 12. Mai 2009
Der aktuelle Fall von vermeintlichen Spuren einer gentechnischen Veränderung in konventionellem Saatgut zeigt erneut, dass Schwellenwerte für Saatgut dringend erforderlich sind. Es kann nicht im Sinne des deutschen Verbrauchers sein, wenn er auf der Basis analytisch kaum mehr nachweisbarer Spuren einer gentechnischen Veränderung, die zudem in der EU als Nahrungs- und Futtermittel zugelassen ist, weiter verunsichert wird.

Aus der Broschüre "Gentechnik in Lebensmitteln" des AID (staatlich geförderter Informationsdienst für Landwirtschaft)
Wahlfreiheit durch Kennzeichnung
Zweck der Kennzeichnung ist es, Verbraucher darüber zu informieren, ob bei der Herstellung eines Lebensmittels gentechnisch veränderte Organismen verwendet wurden. Jeder, dem diese Information wichtig ist, kann sie bei seiner Kaufentscheidung berücksichtigen. Die in Europa praktizierte Kennzeichnung sichert die Wahlfreiheit. ...
Nicht in die Wahlfreiheit einbezogen sind zufällige oder technisch unvermeidbare GVO-Beimischungen bis zu einem Schwellenwert von 0,9 Prozent. Das gilt jedoch nur, wenn es sich um Spuren von in der EU zugelassenen und als sicher bewerteten GVO handelt. ...
Verschiedene produktnahe Anwendungen der Gentechnik fallen nicht unter die Kennzeichnungspflicht: ...
Zufällige technisch unvermeidbare Beimischungen von GVOs bis zu einem Anteil von 0,9 Prozent. Wenn Spuren eines zugelassenen GVO in einem Lebensmittel gefunden werden sind sie von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen. Der Hersteller muss jedoch nachweisen können, dass sich tatsächlcih um zufällige oder tecnisch unvermeidbare GVO-Einträge handelt.

*Autor der Broschüre ist Gerd Spelsberg, Macher von TransGen und seit Jahren Propagandist der Gentechnik

Klaus-Dieter Jany im Interview von "Die freie Welt" am 31.3.2010
Bei einem großflächigen Anbau von transgenen Pflanzen, wobei aus vom Auskreuzungsverhalten abhängt, wird sich der vollständige Ausschluss nicht vermeiden lassen. Aber bereits heute werden Spuren bis zu 0,9? toleriert. Wie überall im Leben müssen auch hier Kompromisse eingegangen werden und Absicherung dieses Schwellenwertes von 0,9? wäre ein solcher. Wer allerdings kompromisslos auf eine vollständigen Ausschluss beharrt, wird über kurz oder lang „verlieren“. Der reine Fundamentalismus hat noch nie zur langfristigen-nachhaltigen Durchsetzung von Zielen geführt.

Üplinger Erklärung: Innovative Landwirte wollen die Chancen der Pflanzenbiotechnologie nutzen, fordern eine umfassende Positivkennzeichnung und Saatgutschwellenwerte (inszeniert von InnoPlanta/AGIL)
Die jüngsten Fälle von möglichen Spuren von gentechnisch verändertem Mais in Saatgut überraschen nicht. Denn weltweit ist gv-Saatgut im Gebrauch und eine Nulltoleranz, wie sie bei Saatgut in Deutschland gilt, ist deshalb praktisch nicht möglich. Skandalös sind nicht die möglichen Spuren von gv-Mais, skandalös ist, dass es noch immer keine Saatgutschwellenwerte gibt. Um die globalen Realitäten endlich zu akzeptieren, Rechtssicherheit zu schaffen und weiteren wirtschaftlichen Schaden zu vermeiden, sind Saatgutschwellenwerte dringend erforderlich. Bis dahin müssen im behördlichen Vollzug endlich Lösungen angewendet werden, um die offensichtliche Nachweisproblematik im „Mikrospurenbereich“ praxisgerecht und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgend, zu behandeln.


Aus einem Forderungskatolog der Saatgutvermehrer (BVO):
  • Einführung eines Toleranzwertes in Höhe von 0,5 Prozent („Schweizer Modell“) für diejenigen GVO in Lebens- und Futtermitteln, die in Drittländern bereits kommerziell genutzt werden und damit auch eine behördliche Sicherheitsprüfung mit positivem Urteil durchlaufen haben.
  • Einführung eines praxisgerechten GVO-Kennzeichnungs-Schwellenwertes für Saatgut


Aus einer Pressemitteilung am 11.6.2010 verschiedener Konzerne und Lobbyisten nach Saatgutvemischungen im Frühjahr 2010 (rechts die Embleme der Unterzeichner):
Der aktuelle Fall von vermeintlichen Spuren einer gentechnischen Veränderung in konventionellem Saatgut der Firma PIONEER HI-BRED zeigt erneut, dass Schwellenwerte für Saatgut dringend erforderlich sind. Umweltverbände fordern stattdessen das Unmögliche: Wer dem Verbraucher 100?ige Reinheiten verspricht, täuscht ihn vorsätzlich.

Aus dem "Positionspapier Koexistenz" des BDP (Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter e.V.)
Ein Schwellenwert für gentechnisch veränderte Pflanzen, der bei der Nachweisgrenze von 0,1? liegt, würde einer Diskriminierung dieser Rohstoffe gleichkommen. ... Europäische Landwirte würden einen Wettbewerbsnachteil am Weltmarkt erleiden, wenn ihnen die Chance, sich bewusst für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen entscheiden zu können, genommen würde. ...
Eine gesetzliche Fixierung der Guten fachlichen Praxis aber, wie sie im derzeit geltenden Gentechnikgesetz vorgesehen ist, ist zu starr, um die notwendigen Anpassungen an standort- und kulturartenspezifische Bedingungen zu ermöglichen. ... Die Maßnahmen zur Koexistenz betreffen aber nicht nur den landwirtschaftlichen Betrieb, sondern umfassen auch die nachgelagerten Bereiche, wie Ernte, Lagerung, Transport und Weiterverarbeitung. In allen diesen Bereichen kann es zu unbeabsichtigten Vermischungen mit anderen Produktqualitäten kommen. ...
2004 wurde der erste bundesweite Erprobungsbau mit gentechnisch verändertem Bt-Mais in Deutschland durchgeführt. ... Es zeigte sich, dass Polleneinträge oberhalb des Kennzeichnungsschwellenwerts von 0,9 ? in direkt angrenzenden konventionellen Mais-Schlägen vornehmlich in einem 10 Meter-Streifen um das Bt-Maisfeld zu finden sind. ... Besitzt das benachbarte konventionelle Maisfeld eine Mindesttiefe von 90 Metern, so bleibt der GVO-Anteil der gesamten Erntepartie auch ohne Einhalten eines Trennstreifens aufgrund von Verdünnungseffekten unterhalb von 0,9 Prozent.


Aus einem Kommunikationskonzept der Landesregierung Sachsen-Anhalt, Entwurf 4.2.2004:
Die Maßnahmen zur Einhaltung der Koexistenz-Richtlinien müssen praktikabel sein, um allen Landwirtschaftsformen eine Existenz zu ermöglichen. ... Wahlfreiheit muss für alle Landwirte möglich sein. Dies ist nur bei praktikablen Schwellenwerten möglich. Ein Schwellenwert „Null“ oder unter der Nachweisgrenze ist nicht möglich, macht keinen Sinn und war auch in der Vergangenheit bei Spezialsaaten etc. nicht üblich. ... Die Schwellenwert-Regelungen sind notwendig, da es in der landwirtschaftliche Produktion keine 100?ige Reinheit geben kann. Auch der ökologische Landbau arbeitet seit jeher mit Schwellenwerten, um seine Produkte als ökologisch zu definieren. ...
Die Landwirtschaft ist seit jeher ein offenes System. Ein Schellenwert nahe Null hat noch nie Sinn gemacht und macht auch hier keinen Sinn.


Aus einem Forderungspapier der führenden Forschungsakademien am 13.10.2009
Der Frage der Schwellenwerte, d.h. des erlaubten Anteils gentechnisch veränderten Erbgutes in einem Produkt, kommt eine besondere Bedeutung für die Wirtschaft, aber auch für Wissenschaft und Forschung zu. So sind zum Beispiel die deutsche und europäische Nahrungsmittel- und Veredelungswirtschaft auf den Import agrarischer Rohstoffe (derzeit vor allem für die Verwendung von Futtermittel) angewiesen. Für die Warenkette muss ein praktikabler rechtlicher Rahmen geschaffen werden, der sich an den weltweiten Entwicklungen der Grünen Gentechnik, an gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen und am internationalen Handel orientiert. Daher sind neben dem in Europa geltenden Schwellenwert von 0,9? für die Kennzeichnung von Nahrungs- und Futtermitteln verbindliche und praktikable Schwellenwerte für zufällige, technisch unvermeidbare Beimischungen von genetisch veränderten Organismen (GVO) in konventionellem Saatgut unerlässlich. Ferner ist ein Schwellenwert für geringfügige Beimischungen von nicht in der EU angemeldeten bzw. zugelassenen, bzw. in den EU-Ländern asynchron zugelassenen GVO in Lebens- und Futtermitteln notwendig. ...
Es ist klarzustellen, dass DNS-Spuren von gentechnisch veränderten Pflanzen in konventionellen Produkten infolge genehmigter Freisetzungen nicht unter „Inverkehrbringen“ fallen.


Und dann gleich auch (im gleichen Papier): Weg mit den Abstandsregelungen!
Die geltenden Abstandsregelungen bei Mais (150 m zu Feldern mit konventionell gezüchtetem Mais bzw. 300 m zu Maisfeldern im ökologischen Anbau) haben weder eine wissenschaftliche noch eine praxisrelevante Rechtfertigung und sind zukünftig unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse vorzunehmen und zu reduzieren.

DLG erwartet verseuchte Futtermitteln und will diese durch Grenzwerite legalisieren
Aus "GVO und Futtermittel" in: DLG-Jahresbericht 2008 (S. 46 f.)
Die in der EU angewendete Nulltoleranz für gentechnisch veränderte Soja-Sorten ohne EU-Zulassung verhindert zunehmend auch den Import von zugelassenen Sojafuttermitteln. ... Die Nulltoleranz ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht zu begründen und für ein hohes Niveau an gesundheitlichem Verbraucherschutz unnötig. ... Die EU-Kommission sollte an Stelle der Nulltoleran fachlich abgeleitete und praktikable Schwellenwerte setzen. Nur Schwellenwerte können die Wahlfreiheit zwischen kenzeichnungspflichtigen und nicht kennzeichnungspflichtigen pflanzlichen Rohstoffen ermöglichen. ... Eine weitere Entschärfung der Situation ließe sich durch eine in der EU beschleunigte Zulassung von als sicher bewerteten GVO-Konstrukten erreichen. ... Die derzeit ungenügende internationale Synchronisierung behindert die Warenströme und Nutzung des technischen Forschrittes und hat erhebliche negative Auswirkungen auf die Volkswirtschaften. ... Ohne den Import von Sojabohnen bzw. Sojaschrot kann die Produktion von Lebensmitteln tierischer Herkunft weder mengenmäßig noch preislich auf dem gegenwärtigen Niveau gehalten werden.

Suggestion der Koexistenz duch Kennzeichnung und Grenzwerte
Aus der BVL-Broschüre "Die Grüne Gentechnik"
Die freie Wahl der Verbraucher, sich für oder gegen den Kauf gentechnisch veränderter Lebensmittel zu entscheiden, wird im Wesentlichen durch eine umfassende Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Produkte sichergestellt. ... (S. 21)
Um eine praktikable und verhältnismäßige Handhabung der Kennzeichnungsvorschriften zu ermöglichen und Hersteller zu schützen, die sich intensiv bemüht haben, eine Beimischung von GVO zu vermeiden, wurde für zugelassene GVO ein Schwellenwert von 0,9? definiert, unterhalb dessen auf die Kennzeichnung als „gentechnisch verändert“ verzichtet werden kann. Dies gilt allerdings nur, wenn das Vorhandensein des GVO tatsächlich zufällig oder technisch unvermeidbar ist. Jede bewusste Verwendung von GVO ist auch unterhalb des 0,9?-Schwellenwertes zu kennzeichnen.
Die Verwendung technischer Hilfsstoffe (z.B. Enzyme) bei der Herstellung von Lebensmitteln muss in der Regel nicht gekennzeichnet werden. Dies gilt auch, wenn diese Stoffe mit Hilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen hergestellt wurden. Ein Beispiel hierfür ist etwa Chymosin, der Hauptwirkstoff des bei der Käseherstellung benötigten Labferments. Dieses Enzym muss nicht als Zutat deklariert werden, gleichgültig, ob es auf herkömmliche Weise aus Kälbermagen oder wie heute üblich mit Hilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen gewonnen wurde.
Ebenfalls nicht als „gentechnisch verändert“ gekennzeichnet werden müssen Zusatzstoffe, die mit Hilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen hergestellt werden. ...
(S. 22)

Aus der Gentechnik-Werbeschrift transkript 1-2/2010 (S. 50)
Spuren gentechnisch vernderter Pflanzen, die noch nicht in der EU zugelassen sind, in Soja-Importen sollen in Kürze kein Problem mehr sein. Eine sogenannte technische Lösung könne auch ohne Zustimmung der Euro-Parlamentarier und Staatsminister beschlossen werden ... Geplant ist, eine Toleranz für technische Ungenauigkeiten bei der Analyse von GVO zu etablieren, die für Spuren von bis zu 0,1? GVO gilt.

Aus der Beschlussvorlage "Landwirtschaft ist Zukunft" zu JU-Bundesversammlung 2010
Praktikable Schwellenwerte für zufällige, technisch unvermeidbare Beimischungen von GVO in konventionellem Saatgut sind unerlässlich. Ferner ist ein Schwellenwert für geringfügige Beimischungen von nicht in der EU angemeldeten bzw. zugelassenen oder in den EU-Ländern asynchron zugelassenen GVO in Lebens- und Futtermitteln notwendig. Die deutsche Landwirtschaft ist auf den Import von proteinhaltigen Futtermitteln angewiesen.

Als im Frühjahr 2010 schon wieder viel Maissaatgut vermischt war, forderte die CDU am 9.6.2010 höherer Grenzwerte:
Zur Diskussion um die Verunreinigung von Maissaatgut mit der in der EU nicht zugelassenen Maissorte NK 603, die im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz geführt wurde, erklärt der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Bleser MdB: ... Das eigentliche Problem liegt jedoch auf einer anderen Ebene: Die Nulltoleranzregelung der EU für dort nicht zugelassene gv-Sorten ist nicht praktikabel und muss endlich praxisgerecht ausgestaltet werden. Bei einem Anbau von weltweit ca. 135 Millionen Hektar GVO-Pflanzen ist es schlicht eine Illusion, dass man sich in einer globalisierten Welt auf Dauer einer Technologie verschließen könne. Nicht ohne Grund hat sich die christlich-liberale Koalition im Koalitionsvertrag für eine Änderung ausgesprochen.

Christel Happach-Kasan (FDP-MdB) im Interview der taz, 30.8.2010
Die Koexistenz beider Pflanzenarten funktioniert. Es wird immer Spuren von nicht zugelassenen Sorten in Importen geben, auch weil die Zulassungsverfahren international nicht synchron ablaufen. Aber sie lassen sich sehr gering halten. Unsere derzeitige Nulltoleranzregel ist unsinnig und wird sich nicht halten lassen. Die kostet unsere Unternehmen Millionen Euro, und unsere Verbraucher haben davon keinen Vorteil. Deshalb brauchen wir wie in der gentechnikfeindlichen Schweiz einen Schwellenwert von 0,9 Prozent des Produkts für Futtermittel und 0,5 Prozent für Lebensmittel.


Gentechnikfreiheit durch Grenzwerttricks forderte am 24.6.2010 einen Kommentar auf SaveourSeeds heraus: „Ein Bisschen schwanger geht nicht“ ist die regelmäßige Antwort derer, die partout keine gentechnisch veränderte Pflanzen und andere Organismen in ihrem Essen, vor allem aber auf ihren Feldern haben wollen auf die Behauptung der Industrie, eine einvernehmliche Koexistenz zwischen gentechnischer und gentechnikfreier Landwirtschaft sei nur eine Frage des guten Willens aller Beteiligten. Der wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik des Verbraucherschutz- und Landwirtschaftsministeriums hat jetzt in einer Stellungnahme seine Definition von „ein Bisschen schwanger“ vorgestellt. Seiner Meinung nach „hat sich jedoch herausgestellt, dass es in einer Welt, in der auch GV-Produkte existieren, illusorisch ist, vollständige GV-Freiheit zu realisieren.“ Faktisch fordert er deshalb eine schleichende Erhöhung der Toleranz für Gentechnik in Lebens- und Futtermitteln, in Rohstoffen und vor allem im Saatgut.
FDP-MdB Happach-Kasan trumpfte am 6.9.2010 mit einem weiteren Argument auf: "Eine Gesellschaft, die Grenzwerte für jedes Gift akzeptiert, sollte ohne Probleme auch Grenzwerte für gesunde Produkte tolerieren, die den einzigen Makel haben, noch keinen Zulassungsstempel der EU zu tragen. " Was wollte sie damit sagen? Das GVO doch Giftstoffe sind? Happach-Kasan ist nach eigene Aussagen Biologin. Kennt sie den Unterschied zwischen einem Gift, dass sich - oft mühselig - langsam abbaut, und einem GVO der sich - mitunter recht schnell - selbst vermehrt?

Trick 2: Koexistenz ist nicht wichtig, weil Gentechnik nicht schädlich ist
Auf der Liste dessen, was die Agro-GentechnikerInnen können, steh neben Lügen und Betrügen eine weitere Kunst: Das Drehen gedanklicher Pirouetten. Jahrezehntelang hatten die GentechnikbefürworterInnen behauptet, dass Auskreuzung verhinderbar ist. Als das Geschehen in der Landschaft, wie beschrieben, diese Lüge zu widerlegen begann, schalteten sie um. Sie inszenierten sich plötzlich als WissenschaftlerInnen, die das ja immer gewusst hatten - und die noch etwas anderes klar hatten: "Die Auskreuzung einer gentechnisch veränderten Pflanze muss nicht automatisch ein Schaden sein, da eine Umwelt- und Gesundheitsgefährdung durch diese Pflanzen bereits mit der Zulassung ausgeschlossen wurde." (BVL) Aha: Nun wird die Auskreuzung plötzlich zugegeben, ist aber per Genehmigungsbescheid ungefährlich und plötzlich wieder legal. Denn erstens: "Durch Abstandsregelungen im Gentechnikgesetz und aufgrund dieser Abstandsregelungen, was eine politische Entscheidung ist, ist Koexistenz formal natürlich möglich" (Prof. Kogel).
Zweitens: Kommt es trotzdem zur Vermischung, ist das egal, weil ja das Gesetz definiert, was als gentechnikfrei gilt. Und reicht das immer noch nicht, gilt nun drittens: Auch wenn der legale Rahmen verlassen würde, wäre das egal, weil unschädlich. Egal = legal? Offensichtlich. Denn Auskreuzungen sind für LandwirtInnen gar kein Schaden, weil "weil die Beeinträchtigung der Vermarktungsfähigkeit landwirtschaftlicher Produkte, die in der Nähe von Freisetzungsflächen erzeugt werden, sowie die damit verbundenen wirtschaftlichen Einbußen nicht durch § 16 Abs. 1 Nr. 3 GenTG geschützt sind." Sagt ein deutsches Gericht (Urteil vom 23.04.2009, Az. 2 A 224/07), dummerweise das für alle Felder zuständige Verwaltungsgericht in Braunschweig. Und fügt hinzu: "Solche Beeinträchtigungen sind keine Beschädigungen von Sachgütern i. S. des § 1 Nr. 1 GenTG", wird hinzugefügt. Ist das alles zwar wirr, aber ideologisch aus den Interessenlagen heraus noch erklärbar, setzen Gericht und BVL dann sogar Biologie und Physik außer Kraft. Mehr Pollenflug würde das Ganze nicht schlimmer machen, "denn ein höherer Pollenaustrag führt nicht gleichsam automatisch zu einer Erhöhung der Auskreuzungswahrscheinlichkeit", zitiert das Verwaltungsgericht eine Angabe des BVL im Prozess.

Im Original: Auskreuzung ist harmlos
Interview mit Prof. Kogel im Deutschlandfunk am 24.6.2009 auf die Frage "Kann es eine Koexistenz geben?"
Das ist ja politisch entschieden worden durch Abstandsregelungen im Gentechnikgesetz und aufgrund dieser Abstandsregelungen, was eine politische Entscheidung ist, ist Koexistenz formal natürlich möglich. Ich meine aber, das ist auch zu kurz gedacht. Ich habe da eine etwas radikalere Position, dass ich sage: Diese Auskreuzungen haben keine biologische Wirksamkeit, d.h. dieser Pollenflug, der ist absurd gering und hat im Grunde keine Wirkung auf den Naturhaushalt. Bereits 10m von einem transgenen Feld entfernt ist die Pollenkonzentration minimal, vielleicht 10 Pollen pro Quadratzentimeter. ... Ein Insekt würde bei 1000facher Pollenkonzentration vielleicht beeinträchtigt werden, wir haben also keinen faktischen, wissenschaftlichen Beleg für einen Einfluss, das ist eine politische Entscheidung.

Gerichtlich anerkannt: Koexistenz nicht möglich - aber egal! Was zählt, ist nur der nachweisbare Schaden!
Aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 23.04.2009 (Az. 2 A 224/07)
Die von der Klägerin im Anhörungsverfahren nach dem Gentechnikgesetz erhobenen Einwendungen ließen eine Verletzung zugunsten der Klägerin drittschützender Normen nicht erkennen. Die Klägerin mache mit dem Hinweis auf den Verlust der Verkehrsfähigkeit zukünftiger Maiserträge und ihrem sonstigen Vorbringen allein wirtschaftliche Einbußen geltend, die als reine Vermögensschäden nicht zu den nach § 1 Nr. 1 GenTG geschützten Rechtsgütern zählten. Unabhängig davon sei die Klage jedenfalls unbegründet. Entgegen dem Rechtsstandpunkt der Klägerin seien schädliche Einwirkungen des Vorhabens der Beigeladenen auf die Schutzgüter des § 1 Nr.1 GenTG nicht zu erwarten. Bei der Festlegung des Isolationsabstandes von 200 m habe sie von der ihr zukommenden Einschätzungsprärogative Gebrauch gemacht. Die Möglichkeit von Auskreuzungen, die auch bei Anordnung eines deutlich größeren Isolationsabstandes im Freiland nie vollständig ausgeschlossen werden könne, stehe der Erteilung der von der Beigeladenen beantragten Genehmigung nicht entgegen. Auskreuzungen seien nur dann als schädliche Einwirkungen im Sinne des § 1 Nr. 1 GenTG anzusehen, wenn sie die betroffenen Pflanzen nachteilig veränderten, indem sie etwa zur Ausbildung schädlicher Eigenschaften führten, was bei den streitgegenständlichen transgenen Maispflanzen nach der Bewertung der ZKBS nicht zu erwarten sei. Bei dem von der Klägerin vorgetragenen Verlust der Verkehrsfähigkeit des von ihr angebauten Maises handele es sich um eine Wertminderung, die Folge der bloßen Einwirkung auf Bewertungsfaktoren sei, die nicht in der Sache selbst lägen. Weder sei ein sachbezogener Eingriff in das Eigentum der Klägerin gegeben noch folge die von der Klägerin angenommene Einwirkung auf ihr Eigentum aus den spezifischen Gefahren und Risiken der Gentechnik, vor denen allein das Gentechnikgesetz schütze. Etwaige Vermögensschäden könne die Klägerin gemäß § 36a GenTG gegenüber der Beigeladenen geltend machen. Der Isolationsabstand von 200 m sei von ihr nicht als Schutzmaßnahme gegen schädliche Auswirkungen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter angeordnet worden, die zu ihrer Überzeugung nicht zu erwarten seien, und verfolge dementsprechend nicht den Zweck, Auskreuzungen vollständig auszuschließen, sondern ziele darauf ab, die räumliche Begrenzbarkeit der Freisetzung sicherzustellen und Auskreuzungen zu minimieren. ...
Denn selbst eine aus dem Vorhandensein der Pollen resultierende Zulassungspflicht stünde der Genehmigung der Freisetzung nicht entgegen, weil die Beeinträchtigung der Vermarktungsfähigkeit landwirtschaftlicher Produkte, die in der Nähe von Freisetzungsflächen erzeugt werden, sowie die damit verbundenen wirtschaftlichen Einbußen nicht durch § 16 Abs. 1 Nr. 3 GenTG geschützt sind. Denn solche Beeinträchtigungen sind keine Beschädigungen von Sachgütern i. S. des § 1 Nr. 1 GenTG, die die Genehmigungsbehörde bei der Entscheidung über die Freisetzung in Betracht zu ziehen gehabt hätte (vgl. OVG Berlin, Beschl. vom 29.04.1997 - OVG 1 S 87.96 -, n. v.). Sollte der Kläger daher nach der Feststellung von Pollen aus GVO-Pflanzen im Honig seiner Bienen, durch die zuständigen Landesbehörden mit einem Vermarktungsverbot belegt werden, stünde ihm die Möglichkeit offen, entweder die Rechtmäßigkeit des Verbots und damit die Anwendbarkeit der VO 1829/2003 gerichtlich überprüfen zu lassen oder mit Unterstützung der in § 36a GenTG vorgesehenen Beweiserleichterungen gegenüber der Beigeladenen Schadensersatzansprüche geltend zu machen. ...
Der nach § 1 Nr. 1 GenTG zu gewährleistende Schutz von Sachgütern ist demgegenüber auf den Schutz vor sachbezogenen Einwirkungen beschränkt, in denen sich die spezifischen Gefahren und Risiken der Gentechnik realisieren. Insoweit genügt - wie bereits dargelegt - das nicht zu einer nachteiligen Veränderung des betroffenen landwirtschaftlichen Erzeugnisses führende bloße Vorhandensein gentechnisch veränderten Materials als Folge einer Auskreuzung nicht, selbst wenn es die Verkehrsfähigkeit des Erzeugnisses beeinträchtigt ...
Soweit die Klägerin der Auffassung ist, Auskreuzungen müssten vollständig ausgeschlossen werden, weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass in diesem Fall Freisetzungsgenehmigungen nicht mehr erteilt werden könnten, was jedoch der sowohl die Zulassungsbehörde als auch das Gericht bindenden gesetzgeberischen Grundentscheidung für die Erzeugung von Lebens- und Futtermitteln auch unter Einsatz gentechnisch veränderter Organismen (vgl. § 1 Nr. 2 GenTG) zuwider liefe. ...
Sollte es trotz Einhaltung des von der Beklagten angeordneten Sicherheitsabstandes zu Einkreuzungen in Maisanbauflächen der Klägerin kommen, was zum jetzigen Zeitpunkt im Hinblick auf die hohe Variabilität der Auskreuzungswahrscheinlichkeit noch keineswegs sicher ist, so wäre die Klägerin gehalten, diese letztlich nie vollständig auszuschließende Einwirkung hinzunehmen und einen gegebenenfalls daraus resultierenden Vermögensschaden nach Maßgabe von § 36a GenTG gegenüber der Beigeladenen geltend zu machen. ...
Soweit sich nach dem Bescheid der Polleneintrag in die umgebende Landschaft wesentlich höher als bisher angenommen darstelle, hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung des Gerichts überzeugend ausgeführt, dass sich aus dieser Erkenntnis für die Beurteilung der Auskreuzungswahrscheinlichkeit keine Änderungen ergeben. Denn ein höherer Pollenaustrag führt nicht gleichsam automatisch zu einer Erhöhung der Auskreuzungswahrscheinlichkeit.


Aus der BVL-Broschüre "Die Grüne Gentechnik" (S. 20)
Die Auskreuzung einer gentechnisch veränderten Pflanze muss nicht automatisch ein Schaden sein, da eine Umwelt- und Gesundheitsgefährdung durch diese Pflanzen bereits mit der Zulassung ausgeschlossen wurde. Bei zugelassenen und damit als sicher bewerteten gentechnisch veränderten Pflanzen können nur wirtschaftliche Schäden durch die Auskreuzung entstehen.

Das bedeutet: Koexistenz in nichts als ein Propagandatrick. Die staatliche Garantie ist keinen Pfifferling wert - der § 1, Satz 2 des GenTG ist durch die Behörden und Gerichte einfach ins Jenseits befördert worden. Rechtsbruch - rechtstaatlich organisiert. Kommt es zur Auskreuzung, so ist diese erstens erst schlimm, wenn die Geschädigten nachweisen können, dass dadurch ein Schaden entstand. Und zweitens haben sie höchstens Anspruch auf Schadenersatz, nicht aber auf Abwehr der Gefahr. Vorsorgeprinzipien gelten nicht. Vielleicht wird es einmal Zeit für eine Verfassungsklage zur Staatsaufgabe Umweltschutz ... falls das was bringt, denn auch dort sitzen staatliche Bedienstete in Robe.

Trick 3: Einkreuzende Verunreinigungen einfach als Lebensmittel zulassen ...
Die Trickkiste bietet mehr. Das Koexistenzgebot und der durch dieses angefeuerte Wettbewerb der Umgehungsvarianten wird eine Menge seltsamer Zulassungsverfahren produzieren: Pflanzen, die für den Verzehr ungeeignet und auch nicht vorgesehen sind, werden plötzlich als Lebensmittel angemeldet. Der Grund ist einfach. Auch Futter- und Energiepflanzen halten sich nicht an den § 1, Satz 2 des Gentechnikgesetzes, sondern werden sich in Cornflakes, Popcorn und Dosenmais niederlassen. Damit diese Beimengungen mittels Grenzwerten legalisiert werden, müssen sie Lebensmittel sein ....

Trick 4: Der europäische Flickenteppich - optimale Auskreuzungsstrategie
2010 sollte der politische Streit eine neue absurde Blütenpracht entfalten. Die EU beschloss, dass alle Mitgliedsstaaten, vielleicht in diesen auch noch unterteilt nach Regionen (was auch immer das ist) selbst entscheiden können, ob sie gentechnikfrei sein sollen oder wie sie die Gentechnik regeln. Nun wird der Pollen also in einem Bundesland nur noch 80m fliegen, im anderen aber kilometerweit. Die Bienen müssen aus gentechnikwilligen Ländern ausquartiert werden oder werden per Gesetz in ihrem Flugradius beschränkt. Absurderweise gibt es sogar GentechnikgegnerInnen, die sich über so etwas freuen. Den GentechnikanwenderInnen kann das Ganze recht sein. Sie werden einige Regionen jetzt meiden müssen, können aber in anderen ungestörter zuschlagen. Von dort aus wird die Auskreuzung den Rest von selbst erledigen. Dann ist die Debatte zuende und die Spitzenapparate von Grünen, BUND, Bioland und anderen müssen sich - nach einer intensiven Phase des spendenwirksamen Rumheulens - neue Themen suchen, um die Konten zu füllen.

Fünftens: Die ganze Unlogiken aus einem Verband
Einen Spitzenplatz von Schein und Sein nimmt der Bauernverband ein, denn er schafft alle genannten Positionen auf einmal. Schon immer spielte der eine besondere Rolle und bot er ein interessantes Spannungsfeld zwischen den Machtzentren, in denen BefürworterInnen industrieller Landwirtschaft mit BASF, Bayer, Raiffeisen und anderen gemeinsames Spiel machten, und den vielen BäuerInnen im Land, die sich nach Meinung ihrer Verbandsspitze einen neuen Beruf suchen sollten, aber die tatsächlich nicht einmal in der Lage sind, einen anderen Vorstand zu wählen. So steht der Verband selbst im Spagat. 2004 forderte er, "das konfliktfreie Neben- und Miteinander von konventionellem Ackerbau ohne Gentechnik, konventionellem Anbau unter Einsatz genetisch veränderter Pflanzen und ökologischem Anbau ohne Verwendung von Gentechnik sicherzustellen", der Präsident Sonnleitner stöhnte im Januar 2010 auf der Grünen Woche: "Diese jahrzehntelange unsägliche Debatte über die Gentechnik muss endlich zu Ende geführt werden. Wenn sich die Gesellschaft schließlich gegen die Grüne Gentechnik entscheide, stellen wir uns diesem Votum“, und forderte, dass nach einem Verbot " dann in aller Konsequenz an den Grenzen Europas diese Entscheidung vollzogen werde und Lebensmittel von mit GVO gefütterten Tieren an den Grenzen zurückgewiesen würden." Als dann 2010 zum wiederholten Male Maissaatgut verunreinigt war, nutzte derselbe Bauernchef die Gunst der Stunde, um mitzuhelfen, die Agro-Gentechnik jetzt durchzusetzen und forderte, wenn es unvermeidbare technische Rest-Vermengungen mit genveränderten Pflanzen an der Nachweisgrenze gebe, müssten diese toleriert werden.

Im Original: Ein Verband, verschiedene Koexistenzbegriffe
Deutscher Bauernverband in einer Presseinfo am 11.2.2004:
Nur wenn es gelinge, das konfliktfreie Neben- und Miteinander von konventionellem Ackerbau ohne Gentechnik, konventionellem Anbau unter Einsatz genetisch veränderter Pflanzen und ökologischem Anbau ohne Verwendung von Gentechnik sicherzustellen, könne auch die Wahlfreiheit für Verbraucher und Erzeuger gewährleistet werden.

Forderung vom Bauernverbandschef Sonnleitner (Agrarportal am 21.1.2010)
"Diese jahrzehntelange unsägliche Debatte über die Gentechnik muss endlich zu Ende geführt werden. Wenn sich die Gesellschaft schließlich gegen die Grüne Gentechnik entscheide, stellen wir uns diesem Votum“. Politisch müsse man dringend zu einem Ende der Diskussionen kommen. In diesem Zusammenhang forderte Sonnleitner, dass dann in aller Konsequenz an den Grenzen Europas diese Entscheidung vollzogen werde und Lebensmittel von mit GVO gefütterten Tieren an den Grenzen zurückgewiesen würden.

Sonnleiter im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (1.7.2010)
„Es muss in Deutschland ein anderer Realismus einkehren.“ Wenn es unvermeidbare technische Rest-Vermengungen mit genveränderten Pflanzen an der Nachweisgrenze gebe, müssten diese toleriert werden.

Kein Wort war beim Bauernchef davon zu lesen, welch ein Aufwand entstehen würde, wenn die Durchmischung grundsätzlich akzeptiert würde, aber immer der Prozentanteil gemessen werden müsste. Ob mensch durch passgenaues Vermischen von mehr oder weniger verunreinigter Ernte dann hoch hoch verunreinigtes Material legalisieren könnte. Und was er davon hält, dass die - fraglos hochverfilzten - staatlichen grenzwertforscher schon jetzt sagen, dass 0,9? zu niedrig sei. Was ist mit den ÖkolandwirtInnen und ihrer Nulltolleranzgrenze? Werden dann jetzt alle Futterpflanzen auch als Lebensmittel deklariert, damit sie ins Essen gelangen dürfen? Fragen über Fragen - und nirgendwo eine Antwort. Nur ein "Weiter so!" von allen Seiten.

Was bleibt sechstens: Widerstand ... doch selbst der ist illegal, weil Auskreuzung nicht zu stoppen ist!
Das Gesamtbild ist düster, doch es hilft nichts, sich weiter zu belügen: Selbst dieser Lichtbegriff, dieser vor allem von den Grünen durchgesetzte und als großer Erfolg verkaufte Schein einer Garantie des Nebeneinanders ist in den Sphären der Macht und des Profits schon wieder gedreht worden als Waffe für die Durchsetzung der Agro-Gentechnik. Die, die gv-Pflanzen verbreiten wollen, benutzen die Propaganda der Koexistenz, um ihre Felder anlegen zu können - von denen aus dann jene gv-Konstrukte ihren Siegeszug in die Natur antreten und jeglicher Existenz gentechnikfreier Landwirtschaft den Garaus machen. Das Ende der Koexistenz reist auf dem Ticket der Koexistenz ins Land. Nicht aufhalten werden dieses Desaster die typischen BegleiterInnen einer Ökonomisierung von Mensch und Natur. Ganz im Gegenteil: Umwelt-NGOs, BiolandwirtInnen mit ihre Verbänden und VermarkterInnen profitieren absurderweise ebenso von der sich ausbreitenden Gentechnik wie die Grünen. Ihre Anteile an Wählerstimmen, im Mitglieder- und Spendenmarkt steigen. In Hauptstadtbüros und metropolitanen Zirkeln haben sie sich eingerichtetes und versorgen die geldschweren Lohas und naive Hoffende auf eine bessere Welt mit knappen Informationen und umfangreichen Spendenaufrufen. Vor allem aber suggerieren sie ihnen, dass mit Unterschriftensammlungen und dem Kauf der richtigen Produkte die Welt gerettet werden könne. Klarer Spitzenreiter der Hitliste politischer Vorschläge: Die Kennzeichnung. Dann könne sich der Verbraucher, so die Behauptung, entscheiden, ob er/sie gentechnikfrei leben will oder nicht. Gleichzeitig ist von den genannten Verbänden und Parteien dort, wo die deutschen Genfelder des Jahres 2009 stehen, nicht oder fast nichts zu sehen. Diese strategische Entscheidung ist fatal und ein Teil des Problems. Es wird Zeit, dass die Bio-Tomaten von den Augen fallen und die einschläfernden Illusionen der Grünen, Umwelt- und Biolandbauverbände platzen. Denn die Gentechnik ist etwas, was sich von selbst auskreuzt – und zwar unaufhaltsam überall hin, solange es die Quellen gibt. Die Ausbreitung der gentechnisch veränderten Pflanzen kann also nur verhindert werden, wenn die Quellen gestoppt werden: Die Felder mit gv-Pflanzen oder, noch einen Schritt vorher, die Labore und Firmen, die solche Pflanzen entwickeln, sowie die staatlichen Förderprogramme, deren Millionen das alles erst provozieren. Solange sie bestehen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die gv-Bestandteile in den Regalen ankommen – egal ob Supermarkt oder Bioladen. Werden Produkte gekennzeichnet, aber die Felder belassen, so ist die Kennzeichnung nichts als die Suggestion einer Wirkung, die Schaffung einer Wohlfühlzone scheinbarer Idylle. Sie mutiert zur gefährlichen Beruhigungspille und trägt dazu bei, dass die meisten der 80-Prozent-Mehrheit gegen Gentechnik ruhig das totale Desaster, nämlich die Auskreuzung der gv-Pflanzen in alle Ecken der Welt abwarten.
Nicht das ein Missverständnis aufkommt: Das bewusste Einkaufen beim Bauernhof, im Bioladen oder in anderer Weise politisch überlegt bleibt dennoch wichtig. Es hilft, selbstbestimmte Wirtschaftsweisen zu erhalten, Spritzmittel zu reduzieren und den Boden zu schützen. Nur gegen Gentechnik hilft es wenig.

Angesichts der Dynamik von Auskreuzung kann Koexistenz nur gelingen, wenn die Quellen geschlossen bleiben. Das ist zwar nicht alles, denn die Agro-Gentechnik ist eine gesellschaftliche Frage, d.h. die Debatte muss mit vielfältigen Aktionen vom Straßentheater bis zu inhaltsreichen Schriftstücken erzeugt und gefüllt werden. Aber ohne die direkte Aktion gegen den Ursprung der von dort selbstätig ablaufenden Auskreuzung wird alles nichts sein. Daher wenden sich seit Jahren Menschen mit Blockaden, Besetzungen und Feldbefreiungen gegen das Ausbringen von gv-Pflanzen ins Freiland. „Ein Feld mit gentechnisch manipulierten Pflanzen zu zerstören, ist keine strafbare Handlung, weil das Feld rechtswidrig ist“, argumentierten die FeldbefreierInnen von Gießen am 16.9.2006. Sie und andere unabhängige AkteurInnen standen mit ihren Handlungen aber nicht nur gegen profitgierige Konzerne, geldabhängige Wissenschaft und LobbyistInnen, sondern auch gegen die Apparate der NGOs und Parteien, die Gentechnikkritik auf ihre Fahnen schreiben. Mit der Kennzeichnungskampagne haben Letztere den Unsinn, Koexistenz sei möglich, sogar unterstützt. Ebenso vollzogen sie den Schulterschluss mit den Gentechnik-Seilschaften im Ruf nach mehr Sicherheitsforschung - der wegen der Menge wenig untersuchter gv-Sorten gefährlichsten Ausbreitungsquelle. Immer wieder distanzieren sich FunktionsträgerInnen dieser Verbände von denen, die sich gegen die Felder wenden bis hin zur absurden Behauptung, ausgerechnet die Zerstörung von Feldern würde die Auskreuzung noch erhöhen, weil so "die einzelne Pflanzenteile noch eher in die Umwelt getragen werden". Da muss Papi Staat als Garant ungestörter Profitmaximierung gar nicht mehr viel tun, wenn die Umweltverbände und -parteien so das Zugucken proben. Nötig bleibt ein harter Polizeieinsatz hier oder ein hartes Gerichdtsurteil dort - vor allem gegen unabhängige AktivistInnen und zwecks Abschreckung wie Prozess gegen Feldbefreier von Gießen. Das bot neben der bekannten Neigung von Richtern, keine Lücken ihrer gesetzlichen Allmacht zuzulassen und folglich die Existenz oder Wirksamkeit des § 34 StGB weitgehend zu leugnen, eine faustdicke Überraschung. Richter Nink urteilte nach 8 heftig umkämpften Verhandlungstagen, dass Widerstand gegen die grüne Gentechnik nicht zulässig sei, weil er nicht erfolgversprechend ist. Grund: Die hochgefährliche Gentechnik sei bereits außer Kontrolle und breite sich unwiderruflich überall aus: "Der Geist ist aus der Flasche" sagte er wörtlich. Doch weil Auskreuzung nicht aufhaltbar sei, sei nur die folkloristische und spendenwirksame Begleitung a la NGOs und Grünen zulässig.


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