Stiftung Freiräume

STÖREN. BLOCKIEREN. VERHINDERN.
RECHTLICH BETRACHTET

Störung von Betrieben


1. Nötigung - das Schwert der Macht gegen alles, was stört
2. Gefährlicher Eingriff in ... Straßenverkehr/Schienenverkehr usw.
3. Störung von Betrieben

Im Original: Kommentare und Ausführungen
Aus einem Schriftsatz der Staatsanwaltschaft Köln zu einer Gleisblockade der Kohlebahn Hambach
§ 316b StGB schützt als abstraktes Gefährdungsdelikt den Betrieb bestimmter, gemeinschaftswichtigen Zwecken dienender Unternehmen, Einrichtungen und Anlagen gegen störende Eingriffe. Die Vorschrift setzt voraus, dass eine dem jeweils genannten Betrieb dienende Sache zerstört wird usw. Auf die Eigentumsverhältnisse am bzw. die Verfügungsbefugnis über das Angriffsobjekt kommt es nicht an; unerheblich ist auch, ob die Unternehmen usw. öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisiert sind. Der zweistufig aufgebaute Tatbestand verlangt zunächst die Beeinträchtigung betriebsdienlicher Sachen bzw. die Entziehung betriebsbestimmter elektrischer Kraft; hierdurch muss eine Betriebsstörung verursacht werden (Sternberg-Lieben/Hecker in Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 28. Auflage 2010, S 316b Rn 1).
Erforderlich ist zunächst, dass eine der öffentlichen Versorgung mit Wasser, Licht, Wärme oder Kraft dienenden Anlage oder ein für die Versorgung der Bevölkerung lebenswichtiges Unternehmen betroffen ist. Es genießen hier nicht nur öffentliche, sondern auch private Anlagen den Schutz, wenn sie der öffentlichen Versorgung dienen, d. h. ein bestimmtes Gebiet regelmäßig beliefern, ohne Rücksicht auf dessen Größe (ders. a. a. O. Rn 4). Bei der RWE Power AG dürfte es sich aber nicht um eine der öffentlichen Versorgung mit Kraft dienende Anlage handeln. Hierzu zählen nämlich ausschließlich solche, die der unmittelbaren Versorgung des Verbrauchers dienen. Die RWE Power AG erzeugt jedoch nur den Strom. Sie gewinnt Kraft, versorgt die Bevölkerung aber nicht unmittelbar damit. Die Versorgung übernimmt ein anderer Bereich des Konzerns, die RWE Deutschland AG. Es handelt es sich aber bei der RWE Power AG um ein für die Versorgung der Bevölkerung lebenswichtiges Unternehmen. Für die Versorgung der Bevölkerung lebenswichtig ist ein Unternehmen dann, wenn seine Stilllegung die Lebensinteressen der Allgemeinheit in Gefahr bringt (ders. a. a. O.). Die Lebenswichtigkeit ist insbesondere dann zu bejahen, wenn bei Ausfall des Unternehmens eine ausreichende Versorgung zumindest von Teilen der Bevölkerung in Frage gestellt wird.
Grds. erfüllt ist dieses Merkmal bei Energieerzeugungsanlagen, wie hier die RWE Power AG (MK S 316b Rn 16; LK S 316b Rn 21). Die RWE Power AG einschließlich Tochterunternehmen verfügt über mehr als 20 Großkraftwerke sowie zahlreiche kleinere Anlagen mit einer Stromerzeugungskapazität von insgesamt mehr als 30 Gigawatt (Informationsbroschüre des DEBRIV mit Vorstellung der Mitglieder). Die RWE ist nach erzeugter Strommenge (wovon der Großteil auf die Tochter RWE Power entfiel) der größte Stromversorger in Deutschland. Bei einem Ausfall des Unternehmens wäre die Versorgung der Bevölkerung folglich gefährdet.
Die Beschuldigten und die gesondert Verfolgten haben auch eine Störung des Betriebes durch Verändern einer dem Betrieb dienenden Sache verursacht, indem sie sich an die Gleise anketteten.
Bei einem bloßen Aufenthalt auf den Gleisen ist die Erfüllung des Tatbestandes umstritten. Ablehnend steht dem das OLG Celle (NstZ 2005,217) gegenüber, da bei bloßem Aufenthalt keine Einwirkung auf die Substanz erfolge. Anders sieht es hingegen das AG Lüneburg (NSIZ 2002, 598-599), das schon das bloße Anwesendsein von Personen ausreichen lässt. Zwar wäre, so das Gericht, ein Überfahren und damit ein Töten der Beschuldigten technisch gesehen ohne weiteres möglich, unter Zugrundelegung Jahrtausende alter, im Grunde genommen seit Menschengedenken bestehender Moralvorstellungen, war es jedoch für einen Lokführer aus moralisch sittlichen Gesichtspunkten heraus unmöglich, die Fahrt fortzusetzen. Bei verständiger Würdigung mache es für die Verantwortlichen keinen Unterschied, ob sich die Täter auf den Gleisen niedergelassen, oder ob sie beispielsweise einen tonnenschweren Findling auf die Gleise gesetzt hätten. In beiden Fällen sei das Gleis für die Lokführer unpassierbar geworden.
Anders und unstreitig ist jedoch die Rechtslage, wenn sich die Personen am Gleis anketten. Hierbei sieht das OLG Celle (22 Ss 86/03), nicht beanstandet von BVerfG (NVwZ 2006, 583), eine Störung durch Veränderung einer dem Betrieb dienenden Sache. Durch die Unterhöhlung des Gleisbetts, die nach dem gemeinsamen Tatplan der späteren Ankettung der Täter gedient habe, sei mittäterschaftlich unmittelbar in die Sachsubstanz eingegriffen worden. Eine Veränderung sei im Gegensatzzur Beschädigung schon gegeben, wenn bewirkt werde, dass der bisherige Zustand durch einen abweichenden Zustand ersetzt und hierdurch die Funktion bzw. die Brauchbarkeit der dem Betrieb des Unternehmens dienenden Sache beeinträchtigt oder ausgeschlossen werde (vgl. auch RGSI 37, 53, 54; OLG Celle VRS 28, 129, 130). Um einen solchen Eingriff handele es sich in dem vom OLG zu entscheidenden Fall: Sämtliche Täter hätten erkennbar das Gleisbett blockiert und sich zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt in einer Weise an Teile der Gleisstrecke (Schienenstrang, bzw. Gleisbett) angekettet, dass sich der Lokführet zu einer Reaktion veranlasst gesehen habe und die Weiterfahrt nicht möglich gewesen sei. Darauf, ob beim Überfahren der Angeklagten eine besondere Gefahr bestanden hätte, käme es nicht an (OLG Celle a.a.O.).
So verhält es sich hier. Die Beschuldigten und die gesondert Verfolgten haben zunächst das Gleisbett unterhöhlt und sich dann an in dem so geschaffenen Freiraum unter den Gleisen an den Schienen festgekettet. Hierdurch war ein Schienenverkehr nicht mehr möglich. Dass dieser aufgrund der bei der RWE Power AG erfolgten telephonischen Mitteilung, es befänden sich Personen auf den Gleisen, vollständig eingestellt war, ändert nichts an dieser Einschätzung. Das OLG Celle stellt in der oben genannten Rechtsprechung nicht darauf ab, dass der Lokführer mit dem Geschehen unmittelbar konfrontiert wird, sondern darauf, dass ein Schienenverkehr aufgrund der Ankettung nicht mehr durchführbar ist. Bei dem Gleis handelt es sich auch um eine dem Betrieb dienende Sache. Dem Betrieb dient eine Sache dann, wenn ein störungsfreies Arbeiten des Unternehmens, der Einrichtung oder Anlage im Sinne der in Abs. 1 Nr. 1 bis 3 genannten Zweckbestimmung ohne sie nicht möglich ist (LK S 316b Rn 31 mwN). Die Gleise sind für Zulieferung des Unternehmens mit Kohle per Zug notwendig; eine Erzeugung der Energie ist ohne diese Zulieferung nicht möglich. Die Beschuldigten und die gesondert Verfolgten handelten auch mittäterschaftlich gem. § 25 ll StGB. Er leistete mit der Versorgung der Angeketteten einen eigenen Tatbeitrag im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit diesen und handelte aufgrund eines gemeinsamen Tatplans.


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