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DIGITALE WELTEN

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Manfred Spitzer sieht das Internet als Ursache allen Bösen bzw. zumindest vieler Erscheinungsformen moderner Denkfaulheit und –unfähigkeit. In seinem Buch „Digitale Demenz“ (2012, Droemer in München, 368 S.) führt er viele Beispiele an bis hin zu materiellen Folgen im Gehirn, die in der Tat Sorgen bereiten können. Doch ist seine Analyse richtig, das Internet sei schuld? Muss folglich seinem Appell „Meiden Sie digital Medien“ im vorletzten Absatz des Buches zugestimmt werden? Nein – denn Spitzer widerlegt sich durchgehend selbst. Alles, was er anführt, folgt aus Umfang und Art der Nutzung digitaler Medien. Diese Frage stellt er aber gar nicht, obwohl er auf Seite 85 ein Schaubild platziert, nach dem die Denkleistung bei geringer Nutzung digitaler Medien steigt und bei vermehrter Nutzung abfällt. Das könnte auch Verena Gonsch Denkanstösse geben. Sie bezieht in „Digitale Intelligenz“ (2017, Bastei Lübbe in Köln, 192 S., 12,90 €) nämlich die Gegenposition zu Spitzer und reiht absurde Geschichten um Fortschrittspanik aneinander, die tatsächlich zeigen, wie unsinnig eine grundsätzliche Abneigung gegen Technik oder Weiterentwicklung immer war und heute ist. Zudem nennt sie viele Beispiele, wie Internet und digitale Kommunikation die Handlungsmöglichkeiten erweitern. All das stimmt – und dennoch zieht sich durch das gesamte Buch eine seltsame Naivität gegenüber denen, die auch die neuen Techniken für brutale Profit- und Machtbegehren nutzen werden. Das spricht nicht speziell gegen die digitale Welt, aber es einfach auszublenden, ist kein reflektierter Umgang mit der – grundsätzlich sinnvollen – positiven Einstellung zu sozialer Evolution.
Ein besonderes Problem digitaler Medien ist die Leichtigkeit, mit der Menschen an den Pranger gestellt oder gezielt diffamiert werden können – ohne Probleme auch anonym als verbaler Heckenschütze. Auf der DVD „Cybermobbing“ (2012, Medienprojekt Wuppertal e.V., DVD 105min, 30 €) finden sich 11 Filme zum Thema, die meisten davon schildern konkrete Fälle und Abläufe. Einige sind nachgestellt in einigen Situationen, aber ansonsten verbunden durch Interviews mit Beteiligten. Dadurch wird nicht nur klar, was Mobbingaktionen auslöste, sondern auch die Bewertung durch die jeweilige Person, u.a. durch die Täterin. Andere sind spielfilmartig inszeniert. Handlungsort ist oft die Schule, die Rolle der Lehrer*innen wird mit beleuchtet. Die letzten drei Filme sollen Handlungskompetenz ganz direkt vermitteln. Es geht um Verfahren der Streitschlichtung, um die Technik des Internetmobbings und über Motivationen der Täter*innen.

Stefan Aust/Thomas Ammann
Digitale Diktatur
(2014, Econ bei Ullstein in 345 S., 19,99 €)
Eine übersichtliche Zusammenfassung all des Ausbaus von Überwachung, die in den letzten Jahrzehnten bis in den letzten Winkel der Welt und des Privatlebens von Menschen vorangetrieben wurde. Wer im Thema drin steckt, wird nicht soviel Neues erfahren, für Andere ist das Buch als Einführung aber geeignet. Das abschließende Kapitel „Das digitale Menschenrecht“ liest sich wie ein Manifest gegen die Überwachung, leider mit unübersehbarem Antiamerikanismus (warum sollte nur US-Konzerne von all dem profitieren?), aber hinsichtlich einer modernen Herrschaftsanalyse immerhin auf der Höhe z.B. des zitierten Michel Foucault. Das ist für bürgerliche Empörung schon ganz ordentlich. Ganz vergessen haben die Autoren, dass politische Gestaltung nicht nur das Absichern, sondern auch die offensive Auseinandersetzung braucht.

Roman Maria Koidl
Web Attack
(2013, Goldmann/Random House in München, 143 S., 8,99 €)
Ein kleines, übersichtlches Buch, welches davor warnen will, sich über die digitale Vernetzung von Alltag und Beruf als Privatperson quasi aufzulösen und zu einer Art modernen Sklaven des Internetzeitalters zu machen. Es zeigt an Beispielen auf, wie schnell Menschen im Web ihre Informationen preisgeben und sich kontrollierbar machen. Ein kleines Kapitel am Ende gibt Tipps zum Schutz. Zwei zentrale Irrtümer sind dem Autor aber anzukreiden. Zum einen stimmt der Untertitel „Der Staat als Stalker“ nicht – und auch nicht mit dem Buch überein, wo vor allem Konzerne als Datensammler gebrandmarkt werden. Zum anderen reduziert der Autor das Problem auf den Aspekt Kontrolle. Viel gefährlicher dürfte aber die Lenkung sein. Die Ausspähung durch Google&Co. dient ja weniger der Überwachung als vielmehr der smarten Manipulation. Das Schlimme: Das Computersphären das Denken und Entscheiden abnehmen, wird von den im eigenständigen Denken immer ungeübteren User_innen erkennbar gewünscht.

Nicholas Carr
Abgehängt
(2014, Carl Hanser in München, 317 S., 19,90 €)
Automation und digitale Überflutung schwächen das Erinnerungsvermögen, machen Menschen dumm und impulslos. Das sind die alarmierenden Kernthesen des Buches, in dem in einer Mischung aus Berichten, eigenen Erfahrungen und Rückgriff auf Studien bzw. Statistiken gezeigt wird, wie sich menschliches Verhalten und Denken durch die Orientierung auf feststehende Abläufe per Knopfdruck und vorgegebene Wissensformate verändern. Der Autor plädiert für einen Ausbruch aus dem Käfig. Am Ende folgen Literaturangaben und ein Stichwortverzeichnis, beide recht umfangreich.

Alexander Knorr
Cyberanthropology
(2011, Peter Hammer in Wuppertal, 188 S., 19,90 €)
Wie verändern sich Menschen und ihre Beziehungen durch die „online vermittelte Kommunikation“ (wie sie der Autor nennt) untereinander oder mit virtuellen Welten, in denen das Gegenüber gar nicht mehr als Mensch eindeutig zu identifizieren ist. Sehr viele Beispiele sind auf Filmen der letzten Jahre entnommen, in denen sich die Veränderungen zeigen sollen. Ein anderes Kapitel widmet sich der Kybernetik im allgemeinen. Die konkreten Auswirkungen auf Menschen und zwischenmenschliche Beziehungen hingegen kommen im Buch kaum vor – anders als der Rückentext es verspricht.

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