Stiftung Freiräume

GEGEN KOHLE ... MACH ICH ALLES! KLIMASCHUTZ VON UNTEN, TAGEBAUE STOPPEN

Braunkohle und Widerstand


1. Kohle, Klima, Katastrophen
2. Braunkohle und Widerstand
3. RWE & Rheinisches Braunkohlerevier
4. Mitteldeutsches Braunkohlerevier
5. Lausitz
6. Klimacamp/Ende Gelände 2015 ... und die Strafprozesse
7. Prozesse wegen Aktionen im Jahr 2013 (u.a. Klimacamp in Manheim = Tagebau Hambach)
8. Prozesse wegen Aktionen im Jahr 2012
9. Links und Materialien

Ein Plädoyer zum Handeln
Aus Carola Rackete (2019): "Handeln statt Hoffen" (S. 107 ff)
Wir haben die Wahl, ob wir angesichts der Klimakrise mehr Menschlichkeit zulassen wollen oder die Menschenrechte verfallen lassen. Und wir haben die Wahl, ob wir weiter so viel C02 ausstoßen wollen, weil uns kurzfristige Interessen wichtiger sind, oder ob wir dem Raubbau an der Welt wirksam etwas entgegensetzen.
Entscheidend ist dabei, wie die Klimaaktivistin und klinische Psychiaterin Jane Morton sagt, dass wir endlich richtig über die Krise sprechen - nämlich so, dass die Dringlichkeit bei allen ankommt, mit denen wir darüber reden. In ihrer Abhandlung »Don't Mention the Emergency?« erklärt Morton, dass es viel zu verharmlosend ist, Wörter wie Klimawandel zu verwen- den, weil es Menschen nachweislich dazu verleitet, sich einer angemessenen Reaktion darauf zu entzie- hen. Wir dürfen daher nicht mehr länger von einem Klimawandel sprechen, sondern müssen es als das be- zeichnen, was es ist: eine Klimakatastrophe.
Nur Angst vor dem Zusammenbruch der Ökosysteme, nur Sorge ums überleben bewirkt, dass wir den Ernst der Lage anerkennen und uns verändern. Und nach allem, was ich bei meinen Polarfahrten und als Freiwillige in Naturparks gesehen habe, ist diese Angst sehr berechtigt. Es hilft nichts, Angst zu verbergen oder zu versuchen, den Zusammenbruch der Ökosysteme zu verharmlosen. Er ist: gefährlich.
Der Notfall muss auch immer wieder Thema sein, die Nachrichten darüber dürfen nicht abreißen. Wir brauchen mehr prominente Stimmen, die sagen, wie es um uns steht, und wir alle müssen selbst darüber reden. Die Berichterstattung in den großen Medien ist vielfältig, aber bis zu diesem Tag ist sie der kritischen Lage nicht angemessen. Wie sollen die Menschen wissen, was los ist, wenn es von den Medien nicht in der vollen Dringlichkeit transportiert wird?
Jane Morton sagt, dass wir jedoch nicht darüber reden sollten, ob es ein oder zwei oder drei Grad sind, um die sich die Erde erwärmt. Die Message muss sein: Es ist schon jetzt zu warm. Wir wollen nicht, dass es noch wärmer wird. Das sehen sicher auch die Men- schen in Indien und Bangladesch so.
Wir sollten auch nicht darüber reden, wie viele Jahre wir noch haben, in denen wir handeln können, oder wie viel Kohlenstoffdioxid-Budget übrig ist - weil das letztlich nur erlaubt, das Thema weiter nach hinten zu schieben, und weil es dann so klingt, als gäbe es irgend- eine Garantie dafür, dass 1,5 oder 2 Grad sicher seien und man bis dorthin ein Budget ausrechnen könne.
Die ganze Idee ist ziemlich absurd. Das Budget ist grundsätzlich eine neutrale naturwissenschaftliche Größe, aus der man ableiten kann, wie schnell der gesellschaftliche Wandel passieren muss. Das Denken in Budgets verhindert allerdings, dass wir schnell handein; der Ansatz, man könne noch ein bestimmtes Maß an Emissionen ausstoßen, bedeutet nämlich auch, dass man eine ehrliche Diskussion vor sich herschiebt. Zudem richtet sich die Politik des globalen Nordens an dieser Größe aus, ohne zu bedenken, dass schon jetzt viele Menschen von der Klimakatastrophe betroffen sind. Sie müssen vor Extremwetter und steigendem Meeresspiegel fliehen, weil sich andere, die dafür verantwortlich sind, diesen Puffer erlauben. Insofern ist es eine grundlegende Gerechtigkeitsfrage, wie das noch verbleibende Budget verteilt wird: Wenn ein Reduktionsmodell für Emissionen gerecht sein soll, müssen die reichen Nationen ihr Budget noch viel schneller reduzieren als der Durchschnitt, damit ärmere Regionen die Freiheit haben, selbst darüber zu entscheiden, wie sie ihre Infrastrukturen weiterentwickeln wollen.
Statt sich damit aufzuhalten, immer wieder wissenschaftliche Tatsachen durchzukauen, um die Lügen von Klimawandelleugnern zu widerlegen, sollten wir uns lieber darauf konzentrieren, dass die Katastrophe abgewendet wird. Wenn ein Haus brennt, geht man auch nicht herum und sagt denen, die darin wohnen, dass man sich über konkrete Maßnahmen erst einmal beraten sollte. Man sendet eine klare Botschaft, dass sie in Gefahr sind, evakuiert und löscht.
Erst wenn wir wirklich verstanden haben, wie ge- fährlich die aktuellen Entwicklungen schon jetzt für die Menschen in ärmeren Ländern und in naher Zukunft auch für uns in den Industriegesellschaften sind, werden auch diejenigen, die bisher noch beschwichtigen, alles tun wollen, um zu verhindern, dass die Erwärmung von zwei Grad uns gefährlich nahe an die Kipppunkte im Klimasystem heranrückt, die kaskadenartig weitere Effekte auslösen und uns in eine Heißzeit katapultieren.
Dass Organisationen wie die NASA außerhalb unseres Sonnensystems endlich einen bewohnbaren Pla- neten finden, ist illusorisch. Sie mögen es für eine gute Idee halten, dass wir uns auf dem Mond ansiedeln und den Ort verlassen, an dem die Menschheit entstanden ist - einen Planeten mit bisher relativ mildem Klima. Doch auf dem Mond können in absehbarer Zeit keine Menschen existieren. Solche technokratischen Lösungsmythen sind kein Ausweg für unsere Generation.
Uns reicht keiner die Hand. Darum müssen wir alle Kräfte mobilisieren, um unsere Rechte gegen die vorherrschende Politik des Business-as-usual und eine auf Profit, Konkurrenz und Wachstum ausgerichtete Wirtschaft selbst zu verteidigen


Aus "Im Fadenkreuz der Verdrängungsgesellschaft", auf: Netzpolitik am 11.11.2022
Die Verdrängungsgesellschaft fühlt sich gestört von Menschen, die unnachgiebig und mit Mitteln des zivilen Ungehorsams auf die drohende Klima-Katastrophe hinweisen. Sie baut bis in höchste Regierungskreise ein neues Feindbild auf – und attackiert Versammlungsfreiheit und Demokratie. Das ist gefährlich. ...
Die bayerische Polizei steckte Klimaaktivist:innen in Präventivgewahrsam, die CDU fordert Strafverschärfungen und will das Versammlungsrecht indirekt beschneiden, der Kanzler rüffelt die Klimaproteste der Letzten Generation, der Bundesjustizminister spricht von Gefängnisstrafen für die Demonstrierenden, die Innenministerin unterstützt ein hartes Durchgreifen der Polizei während andere Politiker:innen die Proteste als „demokratiefeindlich“ bezeichnen. Der hessische CDU-Justizminister brachte gar Terror-Anklagen ins Spiel. Es fehlte nur eigentlich nur noch, dass jemand das Verbot von Warnwesten und Sekundenkleber forderte. ...
Es sind Proteste, die man nicht einfach umarmen oder ignorieren kann, so wie das mit den bunten, netten Großdemos von Fridays for Future leider zu oft passiert ist. Es sind Proteste, die stören und verstören, die nerven und irgendwie nicht aufhören wollen. Doch die Protestform des zivilen Ungehorsams ist der Dramatik der Situation angemessen. Man wundert sich doch fast, dass angesichts des apokalyptischen Szenarios, auf das die Menschheit mit Scheuklappen zusteuert, nicht schon ganz andere Aktionen auf der Tagesordnung stehen. ...
Die Methode des Zivilen Ungehorsams ist klar und unmissverständlich. Wer sich über die Störungen echauffiert, will entweder über die eigene Unfähigkeit zur Lösung der Klimakrise hinwegtäuschen, hat ein Problem mit demokratischem Protest generell – oder Klimaprotest im Besonderen. Um das zu kaschieren, reden Anhänger:innen der Verdrängunsgesellschaft von einem blockierten Rettungswagen. Und reiben sich dabei erfreut die Hände, dass sie endlich draufhauen können. Endlich hat man einen Sündenbock, auf den man einprügeln kann, weil er die ignorante Routine stört.

Direkte Aktionen

Lokaler Protest und Vernetzung

Politische Einflussnahme

Hintergründe und Fachthemen

Technische Informationen

Rückblicke, Geschichte des Widerstands
Ein typisches Problem vieler Rückblicke ist, dass sie erst da ansetzen, wo das Thema populär ist. So werden die Aktionen und Akteur*innen verschwiegen, die das eigentlich Wichtigste schafften: Eine Sache in die öffentliche Debatte zu treiben. Selbst den Hambacherforst, das Symbol des Braunkohlewiderstandes schlechthin, haben viele Geschichtsschreiberlinge vergessen. Dazu gehört sogar das Filmkollektiv cinerebelde, welches - oft mit anarchistischer Attitüde - bemerkenswort viele bürgerliche Widerstandsaktionen zeigt und in seinem Film "Beyond the red lines" es schafft, den Hambacherforst gar nicht zu erwähnen.

Kohlezugblockaden? Hambacherforst? Gabs nicht, gibts nicht ...
Die kompletten Absätze über die Geschichte der Klimaschutzbewegung in Deutschland in der Broschüre "Solidarity will win" (Gruppentipps von Ende-Gelände/IL-Leuten)
In der zweiten Hälfte der 2000er Jahre halfen eine Reihe von Klimacamps, Besetzungen und Blockaden in Großbritannien und Deutschland, einer antikapitalistischen
Klimabewegung in Europa Fuß zu fassen. Für die Aktivist*innen stellten insbesondere der G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 und die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 Wendepunkte dar, an denen sich die Mainstreambemühungen zur Eindämmung der anhaltenden Klimakrise mehrmals als hohle Versprechen zeigten. Dies führte bei einer ganzen Reihe von Klimagruppen zu der Überzeugung, dass Klimaschutz Handarbeit sein muss, was bedeutet, sich selbst direkt dafür einzusetzen, dass die fossilen Brennstoffe im Boden bleiben.
Eine Reihe von Protesten zivilen Ungehorsams, die seit 2015 unter dem Motto „Ende Gelände” in verschiedenen Teilen Deutschlands organisiert wurden, demonstrieren, wie mit taktisch klugem Protest die Forderung nach einem sofortigen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen auf die politische
Tagesordnung gesetzt werden kann. Ende Gelände sieht sich in der Tradition der Anti-AKW-Bewegung und baut auf den organisatorischen Fähigkeiten der Proteste gegen den Transport von Atomabfällen seit Mitte
der 2000er Jahre auf.
Im August 2015 blockierten rund 1500 Aktivist*innen als Teil des Klimacamps im Rheinland das Tagebaugebiet Garzweiler von RWE. Im Mai 2016 blockierten etwa 4000 Menschen den Tagebau Welzow-Süd in der Lausitz und andere Kohleinfrastrukturen. Dabei wurde das Kraftwerk Schwarze Pumpe nahezu stillgelegt. Im August 2017 kehrten Tausende von Aktivist*innen ins Rheinland
zurück, um die Kohle-Infrastruktur des Garzweiler Werks zu lähmen. An den Aktionstagen blockierten sie die Schienen der RWE-Braunkohlezüge
und bremsten so die Produktion. Im November 2017 gingen während der UN-Klimakonferenz in Bonn (COP23) abermals Tausende von Aktivist*innen in den Tagebau von RWE, um die Kohlebagger zu blockieren.

Gefahr: Politisches Aussitzen auf hohem Niveau
Für jede Regierung besteht unter politischem Druck ein ganzes Spektrum an Handlungsmöglichkeiten, die öffentliche Empörung umzulenken, zu integrieren, abzublocken oder hinzuhalten. Ziel all dieser Handlungen wäre, die Problemwahrnehmung zu beseitigen, nicht aber das Problem. Typisch sind:
  • Diffamierung und Gegenangriff
  • Öffentliche Belobigung und Integration der Akteure
  • Fällen von Beschlüssen ohne tatsächliche Konsequenzen: Beliebt sind die Beauftragung von Masterplänen, Studien, Gutachten, auch Wettbewerben und mehr. Ähnlich wirken Selbstverpflichtungserklärungen mit langer Laufzeit, von denen dann gehofft wird, dass sie in Vergessenheit geraten.

  • Kritiktext aus Kiel: "Warum ein Klimanotstand diese Welt nicht retten wird"
  • Zur Kritik an der Klimagerechtigkeitsbewegung und ihren blinden Flecken hinsichtlich der Unmöglichkeit, innerhalb eines kapitalistischen Systems, welches die Ausbeutung von Mensch und Natur zur Grundlage hat, den Klimawandel und seine Folgen zu stoppen, in: UntergrundBlättle am 11.9.2023

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